11. Es hungert ihn nach Fleische

1.
Ach weh! wie hungert mich, wo krieg ich neue Krafft,
Wo find ich einen Koch, der mir zu Essen schafft?
Der Fleisch-Kram ist zwar offen,
Ich aber weiß nicht wol,
[155]
Wo ich was gutes hoffen
Und mich vergnügen soll.
2.
Putt-Hüngen Fleisch ist weich, und gehet niedlich ein,
Es mag auch gut genug vor schwache Mädgen seyn,
Doch wann die liebe Speise
So zart und schlappricht sieht,
Verliert man auff die Weise
Gar leicht den Appetit.
3.
Daß Kalb-Fleisch ist noch jung, und beist sich lieblich an,
Wenn man die Eutergen mit unterschneiden kan,
Doch wann es an der Mutter
Nicht lang gewesen ist,
So ist es auch ein Futter,
Darnach mich nicht gelüst.
4.
Das Rind-Fleisch ist gemein, und wird sehr hoch beliebt,
Dieweil es guten Safft, und volle Nahrung giebt;
Es hält vortrefflich wieder,
Doch dieses gute Lob
Ist nicht vor schwache Glieder,
Was starck ist das ist grob.
5.
Das Schöpsen-Fleisch ist nett, doch wann mans essen wil,
So machts im Leibe nicht die Geister gar subtil,
Der Schmack ist ausserlesen,
Indessen ist es doch,
Ein tummes Schaaf gewesen,
Und hat den Schaafs-Kopff noch.
6.
Das Schweinen-Fleisch ist süß, jedoch mir graut dafür,
Es ist umb eine Sau gar zu ein garstig Thier,
Drum will mirs zu Sinne,
Da klebt ein Bißgen Koth,
Da sitzet eine Finne,
Da ist es sonsten roth.
7.
Das Wilpert ist nicht schlimm, ich hätt es längst bestellt,
Doch es bedarff viel Speck und kost ein hauffen Geld,
Das ist mein gröster Tadel,
Drum denck ich nicht dahin,
Dieweil ich nicht von Adel
Noch groß von Mitteln bin.
8.
Wiewohl ich tadle nicht das Essen gar zu scharff,
[156]
Wer nur nicht Esel-Fleisch auß Noth gebrauchen darff,
Der wird noch nicht verderben;
Es weist sich manchmahl auß,
Eh man will hunger sterben,
So fängt man eine Mauß.
9.
Jetzt geh ich in den Kram, und suche guten Rath,
Wer weiß, wer schon das Fleisch zuvor beschnoppert hat,
Man muß sich doch begnügen,
Es wird auch als bezahlt,
Und hätten es die Fliegen
Gantz sprenglich außgemahlt.
10.
Ich halte, mancher kriegt ein Olle Putterie,
Sie schmeckt nach allerley, und gleichwohl lobt er sie,
Drum will ich mich bequemen,
Und will in kurtzer Frist
Das erste Bißgen nehmen,
Das mir bescheret ist.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Überflüssiger Gedancken neuntes Dutzent. 11. Es hungert ihn nach Fleische. 11. Es hungert ihn nach Fleische. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-983D-2