Altfranzösische Gedichte

Die Königstochter

Des Königs von Spanien Tochter
Ein Gewerb zu lernen begann.
Sie wollte wohl lernen nähen,
Waschen und nähn fortan.
Und bei dem ersten Hemde,
Das sie sollte gewaschen han,
Den Ring von ihrer weißen Hand
Hat ins Meer sie fallen lan.
Sie war ein zartes Fräulein,
Zu weinen sie begann.
Da zog des Wegs vorüber
Ein Ritter lobesan.
»Wenn ich ihn wiederbringe,
Was gibt die Schöne dann?« –
»Einen Kuß von meinem Munde
Ich nicht versagen kann.«
Der Ritter sich entkleidet,
Er taucht ins Meer wohlan,
Und bei dem ersten Tauchen
Er nichts entdecken kann.
Und bei dem zweiten Tauchen
Da blinkt der Ring heran,
Und bei dem dritten Tauchen
Ist ertrunken der Rittersmann.
Sie war ein zartes Fräulein,
Zu weinen sie begann.
Sie ging zu ihrem Vater:
»Will kein Gewerb fortan!«
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Notes
• Altfranzösische Gedichte Entstanden 1810, Erstdruck 1812.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Uhland, Ludwig. Die Königstochter. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-6FF3-4