Josef August von Törring
Agnes Bernauerinn
Ein vaterländisches Trauerspiel

[Motto]

Audiam, et haec manes veniet mihi fama sub imos.

Aeneid. L. IV.

[Widmung]

[16] Meinem Vaterlande Bayern.


[16]

[Vorbemerkung]

Das Historische des Stückes ist in allen bayerischen Geschichten, besonders in den von unserem Oeffele herausgegebenen Scriptoribus rerum boicarum, und auch die Vermutung gegründet, daß Agnes wirklich verheiratet gewesen seie, weil in den Stiftungsbriefen beider Herzoge Ernst und Albrecht sie die ehrsame Frau Agnes Bernauerinn genannt wird.

Die Handlung gehört in das Jahr 1435.

[17]

Personen

Personen.

    • Agnes Bernauerinn.

    • Ernst, Herzog zu Bayern-München.

    • Albrecht, sein Sohn, Herzog und Graf und Voheburg.

    • Georg von Gundelfingen, Hofmeister,
    • Werner Seibelstorfer, Kammermeister,
    • Der Vicedom zu Straubing,
    • Oswald Tuchsenhauser, Kanzler,
    • Hans Preisinger,
    • Wilhelm Maxelrainer,
    • Hans Pienzenauer,
    • Ortolph Sandizeller,
    • Kaspar von Tore, Ernstens Räte.

    • Hans Zenger, Pfleger zu Voheburg,
    • Percifal Zenger, Albrechts Freunde.

    • Stephan von Emershofen, ein württembergischer Ritter.

    • Kaspar der Thorringer, ein bayerischer Ritter.

    • Die Bürgermeister und Räte von Straubing.

    • Fürsten und Ritter auf dem Turniere.

    • Agnesens Frauen.

    • Knechte und Wachen.

    • Volk.
    • [18]

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Schloß zu Voheburg. Gemach.
Albrecht. Agnes. Hans Zenger. Percifal Zenger.
Im Hereinkommen von der priesterlichen Einsegnung.

ALBRECHT
führt Agnesen halb sie umarmend herein.

Nun! Agnes! Liebe! es ist vollbracht. Du bist mein; ich dein; die Erde mir umgeschaffen in Eden! – ah! wie wohl ist mir! Freunde! meine Zenger! freuet euch mit mir! – aber, stille!

HANS ZENGER.

Gnädiger Herr! wären wir Schurken, so hätten wir ja unser Leben zu wagen; so sind wir Ritter und haben Euch unser Wort für das Geheimnis verpfändet.

PERCIFAL ZENGER.
Und noch darüber sind wir Eure Freunde und Waffenbrüder.
ALBRECHT.

O ihr! – erste Bayern, die mich lieben, und also Erste meiner künftigen Unterthanen und Stände! meine Gefährten im blutigen Kampfe! meine Zeugen am heiligen Altare! oh! was soll ich euch sagen? – seht; daher seht, Deutet auf Agnesen. ob? wie ich's euch danke; ob ich euch's ewig danken werde? – und du! Agnes! du? du schweigst?

AGNES.
Gnädiger Herr – noch weiß ich nicht – ob ich lebe? ob ich träume? – ob Liebe –? ob mein Herz –?
ALBRECHT.

Mädchen – nein; Weib! mein Weib! – liebe Verwirrung; Ringen jungfräulicher Unschuld gegen Liebe; willkommne, aber neue Pflichten!

HANS ZENGER
leise.
Bruder! da brauchen wir ja wohl nicht mehr Zeugen zu sein?
PERCIFAL ZENGER.
Nein! laßt uns gehen. Ihr Rausch möge ewig dauern.
HANS ZENGER.
Wer kann sagen, er habe nicht einmal in seinem Leben so einen Rausch gehabt?Beide Zenger ab.
2. Auftritt
[19] Zweiter Auftritt.
Albrecht. Agnes.

ALBRECHT.

Setze dich, Agnes! sie sind fort, unsere Freunde; setze dich! sprich, Liebe! warum so betäubt? so niedergeschlagen? – was? Thränen?

AGNES
sinkt auf ihn hin.

Der, den ich liebte mehr als das Leben; den ich anbetete, der! – mein Gemahl? Bayerns Herzog! Albrecht! der Edle! der Liebenswürdige! dem das unschuldige Mädchen kaum zu widerstehen vermochte; den zu besitzen, nur Tugend wehren konnte; der, mein Gemahl? – Ihr seid es ja!

ALBRECHT.
Könntest du zweifeln, Agnes! sind dir Ritterwort und Priestersegen nicht heilig, nicht Bürgen genug?
AGNES
fällt zu seinen Knien.
Mein Gemahl? – und ich sollte nicht weinen Thränen der Freude? namenloser Wonne?
ALBRECHT
erhebt sie.

Steh auf, meine Agnes! welche Stellung! ich war nie dein Herr, nun bin ich's geworden nur durch die Rechte der Liebe. – So wärest du denn auch so vollkommen glücklich als ich? hättest du dich auch so hingerissen gefühlt, wie mich so alles in mir an dich zog? sag, o sag's mir, teures Weib! war dir Albrecht alles das, was ihm Agnes ist? was dieser Engel ewig ihm sein wird? sag es wieder, von meinen Armen umschlungen sagtest du mir noch nie »ich liebe«.

AGNES.
Mein Albrecht! – ich darf Euch ja so nennen, gnädiger Herr?
ALBRECHT.

Du sollst es. Ist der Mensch mehr wert als sein Herz? und unsere Herzen, Agnes, sind die nicht gleich? oder schlägt deines matter als meines?

AGNES.

Mein Albrecht! Gemahl! – o, ich kann – ich kann nicht reden – noch nicht! immer nur noch weinen, wimmern an Euerm Busen; Euch ansehen, hängen an Euerm sanften Blicke; küssen die edle, die liebe Hand: sie halten, fest halten, denn sie ist mein, mein!

ALBRECHT.
Dein! weil ich sie dir gab; weil du sie verdientest; weil du sie nahmst.
AGNES.

– Mein Leben steht stille. Ich fühle mit Übermaß mein Glück; kann nicht denken, wie's kam; nicht denken an Dauer; – da bin ich umarmt von Euch und nenne Euch mein.

ALBRECHT.

Mein! – könnte ich die Silbe sagen vom römischen [20] Reiche, so nennte man mich Kaiser; aber Agnes mein! da bin ich glücklich, unaussprechlich – Du warst, du bist die Einzige! das Paar meines Herzens, Schwester meiner Seele; gestimmt zum Einklange mit mir; geschaffen zu meiner Liebe.

AGNES.
Und doch so tief unter Euch geboren!
ALBRECHT.
Und doch wieder so nahe gekommen! Eins jetzt! unzertrennlich!
AGNES.
– Und Elisabeth von Württemberg?
ALBRECHT.

Mein Vater wählte sie, nicht mein Herz. Ich sah sie nie; wie konnten wir uns lieben? – sie meine Braut, du meine Gemahlin; wie könnte sie mir bestimmt sein?

AGNES.

Hätte sie Euch je gesehen, ich müßte nun weinen über sie. Euch sehen und Euch lieben, war ja nur ein Augenblick bei mir!

ALBRECHT.

Doch sahest du so ernst, so feierlich, als zum erstenmal in Augsburg mein Engel dich mir zeigte und umgewandt mein Blick an deiner holden Schönheit bezaubert hing.

AGNES.

Ah! konnt' ich's nur wähnen damals, was jetzt ist? – Gott weiß es, wie das Knie mir zitterte; wie das Herz in der geschränkten Brust sich empörte; wie das arme Mädchen nicht wußte, wie ihr geschah; wie sie erschrocken zusammenfuhr, wenn Euer glühendes Auge sie traf; und dann doch wieder schüchtern aufblickte und Albrechten in jeder Stellung gierig verfolgte; – dann heimging und weinte und sich härmte, und wenn alles von Albrecht, dem Herzoge, sprach und ihn lobpreiste, allein schwieg, alle Welt scheute; Albrechten immer vor sich sah, und wenn sie nur dachte an seinen Blick – immer neu ihn fühlte – und immer doch ihn dachte – und es doch wieder nicht wagte hinzugehen, wo sie ihn hätte wiedersehen, können.

ALBRECHT.

O Liebe! – und wie ward's mir? erzogen im Prunke der Höfe; Mann geworden im Harnische; gewohnt, abwärts zu blicken; Befehle zu geben; Gehorsam zu fordern; Gefälligkeit zu erwarten; zuvorkommende Zudringlichkeit zu dulden; der Wollust nach Kämpfen und Siegen zu fronen, unbekannt mit der Liebe; so ganz ein Fürst, anmaßend das Übermenschliche und hinwirbelnd in Höhen, wo man sich und die Menschen nicht mehr siehet, und immer weiter will und muß, und nie hinkömmt, weil man das Wahre, das Wesentliche, das Beglückende vorübergangen hat; – und wie dein Anblick mich wieder herabstürzte zum Menschen, [21] und ich fühlte, ich sei es auch – nur Rauch und Nebel um mich her sah, und das heiße Blut wie vor meinen Ritterthaten in meinem Busen klopfte, und mein Innerstes rief zu dir, und Ahndung wahren Glückes und Liebe, wahre Liebe wollüstig durch alle Adern schlichen; – wie ward's mir da! – Wie sie staunten, die Fürsten und Ritter, als die lärmende Munterkeit einer kriegerischen Jugend verstummte; traurig sich niederschlug das Auge, gewohnt Heere zu übersehen und Könige zu messen; als alle Geschäfte stockten, und meine Busenfreunde mein Herz verschlossen fanden! – Percifal Zenger war's, der erriet mich, der ertappte mein Geheimnis; der, dem ich in Schlachten das Leben gerettet, der gab Albrechten Mut; der – du weißt ja noch, wie wir zusammen dich mit deinem Vater im Spaziergange trafen!

AGNES.

Ob ich's noch weiß? o, der Tag war das Gestern des heutigen! ich glaubte, hinzusinken tot in meines Vaters Arme.

ALBRECHT.
Und du sankst wirklich; aber bald erwachtest du.
AGNES.

Ja! wie ein Toter zum Himmel. Da stand der Herzog vor mir in all seiner eigenen Glorie; und mein Vater entrüstet durch Eure Gegenwart und meine Schwachheit; und die arme Bürgerstochter vor Euch in der Demut ihres Standes, ringend mit Tugend, daß Ihr's nicht merken sollet, daß sie Euch liebe; ringend mit Vernunft, daß sie's nicht wage, einen Herzog zu lieben; und doch überschwänglich hingerissen, zitternd die Lippe und jede Nerve, stammelnd sinnlose Worte; betäubt durch Albrechtens Dasein, entzückt durch seine Güte, seine Herablassung; gefoltert – berauscht – wieder niedergeschlagen durch den Verdacht dunkel geahndeter, nicht zu hoffen gewagter Gegenliebe. Ich hörte Euch da wie eine Stimme im Traume. Die fürstlich edlen Worte donnerten mich in meines Vaters Bude zurück; der sanfte, wärmende Ton Albrechts war mir wieder Melodie der Engel. Schlug ich dann die Augen auf, Albrecht! – und dürft' Euch nicht an meine Brust drücken wie jetzt; – und liebte Euch wie jetzt; und war nur noch Mädchen; – und Ihr nur noch ein Herzog – fühlt Ihr das?

ALBRECHT.

Ja, Agnes! und ich fühle auch die Niedrigkeit des Fürstenstandes in des alten Vaters ehrwürdigem Mißtrauen. O! ich hätte hinfallen mögen an seinen Hals und ihm sagen: meine Seele sei auch eine Bürgersseele wert – Was sagte er, als Percifal dich holte?

AGNES.

Ach! ich darf's nicht wieder denken, nicht mir wiederholen, [22] die feierlichen Worte des heiligen Greises! – Er hielt mich lange umarmt; fest; stumm! endlich kam ein Thränenguß rollend über den Silberbart; er sprach: – noch hör' ich's! »daß Albrecht dich liebt, das weiß ich; daß er dich heirate, das glaub' ich; daß du ihn behaltest, das gebe Gott!« dann fiel er zurück in seinen Stuhl, und Percifal riß mich weg, und Ihr wißt, wie Ihr mich fandet eine Stunde außer Augsburg!

ALBRECHT.
Kaum atmend! – War das Liebe? Agnes!
AGNES.
Kindliche Liebe; Mädchentugend; Angst; Ahndung war's; die Liebe zu Euch erhielt mich nur.
ALBRECHT.
Warum Angst? – welche Ahndung – Mißtrauen in Albrecht?
AGNES.

In Elisabeth; in Herzog Ernst, Euern Vater – ich bebe, wenn ich's denke; es wird schwarz, finster, eiskalt um mich her.

ALBRECHT.

Schwärmerin! – Ich bin Albrecht der Wittelsbacher und du Herzogin! was kann Elisabeth gegen Agnes? was mein Vater gegen Gott, der uns verband?

AGNES.

Ihr liebet; – Euer Vater ist Herzog; ist Herr – Wenn er uns je trennte! – ah! besser nie geboren, Albrecht!

ALBRECHT
steht auf.

Schweig! nicht weiter. Nochmal, ich bin Albrecht der Wittelsbacher und scheide eher von Bayern als von dir! Ich bin eher Mensch als Fürst; und bin ich Fürst? bin ich Ritter? so wird mir Liebe die Waffen wieder geben.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Hans Zenger. Die Vorigen.

HANS ZENGER.

Verzeiht, gnädiger Herr! es sind zween Ritter gekommen, Stephan von Emershofen, den sendet der Graf von Württemberg; und Hans Preisinger, der kommt von Eurem Vater.

AGNES.
Gott!
HANS ZENGER.
Sie haben Eile.
ALBRECHT.
Agnes! ich muß; entferne dich.
AGNES.
Von den Feinden unserer Liebe! – zugleich! – heute! – schon?
ALBRECHT.

Desto besser! bald aus! dann Ruhe, Ruhe in deinen Armen. Er umarmt sie; sie geht weinend ab. Zu Zengern. Laßt sie kommen, die Ritter. Zenger ab.

4. Auftritt
[23] Vierter Auftritt.
ALBRECHT
allein.

Agnes ist mein; durch Liebe, durch Priesterhand mein! Wer darf sich an Albrechts Gemahlin wagen? – Sie kann Witwe werden, aber nicht aufhören, mein zu sein, solang ich lebe.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Albrecht. Stephan von Emershofen. Hans Preisinger. Hans Zenger.

ALBRECHT.

Ritter Emershofen, willkommen! – aber, in der That, desto unwillkommener, je fröhlicher Euer Auftrag.

EMERSHOFEN.
So komm' ich erwünscht, gnädiger Herr! leset diesen Brief!
ALBRECHT
liest; dann für sich.

Jawohl, erwünscht! Gott! ein Sturm ist vorüber. Wie wird sich Agnes freuen! Laut. Also hat Elisabeth selbst gewählt? und Hans von Werdenberg ist –

EMERSHOFEN.
Leider! ihr Gemahl.
ALBRECHT.
Und warum sagt Ihr dazu leider?
EMERSHOFEN.

Gnädiger Herr! diese Frage klingt wunderlich in Eurem Munde. Und wer nach ihrem Vater hat mehr über Schimpf und Unrecht zu klagen als Ihr selbst?

ALBRECHT.

Welches Unrecht? kannte sie mich? verlobte sie sich mir? oder war ihr Herz nicht frei? – und welcher Schimpf? der Graf von Werdenberg ist ein Ritter und mag leicht bei Elisabeth einen Unbekannten aufwiegen; und dann, ist Ehe nicht mehr als Verlobung?

EMERSHOFEN.
Ich errate, woher Euch dieses kalte Blut kommt; aber was ist Euer Entschluß auf meines Herrn Brief?
ALBRECHT.

Sagt ihm, es thäte mir leid, daß seiner Tochter heimliche Verbindung so sehr ihn kränke; daß ich vielmehr – doch nein! daß ich ihm aber nie in seiner Wut und Verfolgung beistehen werde. Sagt ihm, Albrecht habe auch gewählt, und alles sei aus.

EMERSHOFEN.

Aber, gnädiger Herr! wenn Ihr Euern Beistand zur Verfolgung dieser Flüchtlinge versaget, so wird Graf [24] Eberhard auch die verdungenen Strafgelder nicht geben; das soll ich sagen; das ist mein Auftrag.

ALBRECHT.

Sagt das meinem Vater, dem Herzoge, der den Bund für sich, nicht für mich schloß: mir wagt nicht, davon zu sprechen. Hätt' ich Elisabethen geliebt: so müßte man sie mir mit Blute zahlen; so aber nehm' ich vom Württemberger kein Trinkgeld dafür, daß ich einmal umsonst meinen Namen schrieb. Geht! Emershofen ab. Und Ihr, Preisinger! wozu kommt Ihr?

PREISINGER.

Ich komme zwar, gnädiger Herr! vermutlich ungelegen; aber von Euerm Vater gesandt, Euern kriegerischen Mut wieder zu wecken und zum Turnier, das er in Regensburg angestellt, zu berufen.

ALBRECHT.
Meinen Mut wieder zu wecken? – und wann schlief er? – Preisinger, Ihr seid meines Vaters Rat.
PREISINGER.

Ich verstehe den Wink. Ich bin nicht Ernstens, aber des Herzogs Rat, und mehr des Thronerbens, als Albrechts Freund. Kommt Ihr zum Turnier?

ALBRECHT.
Aber warum jetzt ein Turnier? warum mein Vater? – etwa zu Werdenbergs Hochzeit?
PREISINGER.
Ich soll Euch berufen; mehr weiß ich nicht.
ALBRECHT.

Mehr sagt Ihr nicht! Für sich. Stolzer Mann! auch so einer von Stahl, innen und außen. – Das gilt dir wieder, Agnes! entfernt wollen sie mich haben. Laut. Wann ist denn das Turnier?

PREISINGER.
Morgen fängt's an.
ALBRECHT.
Und heute beruft man mich? ist das Rittersitte?
PREISINGER.

Wo hätte man Euch suchen sollen, gnädiger Herr! drei Monate waret Ihr abwesend, nicht erkennbar in Eurer fürstlichen Würde: gestern kamt Ihr hier an; der Herzog erfuhr's und läßt Euch sogleich berufen, mehr zum Troste Eures älternden Vaters als zum Ritterspiele.

ALBRECHT.

Zum Troste? – sprecht geradezu, Preisinger! wie Ritter zu Ritter; bei ja und nein! – weg soll ich wegen Agnes, nicht wahr? zerstreuen, aufhalten will man mich? – kurz und gut; ich liebe Agnes und werde sie lieben, solang ich ein Herz habe. Wehe dem, der sie herausreißen will!

PREISINGER.
Also kömmt Ihr nicht?
ALBRECHT.

Ich komme! meine Hand drauf; abends bin ich dort. Sagt's meinem Vater, daß ich noch Albrecht bin. Ihr [25] sollt mich kämpfen sehen um – nichts und lernen, was ich thäte für meine Liebe. Verrichtet Euern Auftrag; sehet zu morgen und merkt's Euch dann!


Preisinger geht stolz ab.
HANS ZENGER.
Gottlob! da habt Ihr wieder einmal gesprochen wie ein Ritter.
ALBRECHT.

Könntet Ihr mich auch verkennen, Zenger! Ist es denn entehrend, zu lieben? und hat ein Fürst nicht auch ein Herz für sich?

HANS ZENGER.

Wohl! aber ich bleibe dabei, Liebe sei Zeitvertreib, Erholung; niemals eines Mannes Beschäftigung, eines Fürsten nun einmal gar nicht. Auch ist's mir darum lieb, daß Ihr sie gar geheiratet habt; so seid Ihr uns Bayern wiedergegeben.

ALBRECHT.
Hätte euch nie gemangelt im Notfalle.
HANS ZENGER.
Wenn Ihr heute noch in Regensburg sein wollt, so müßt Ihr bald thun, was hier noch zu thun ist.
ALBRECHT.
Und dann fort? – am Hochzeittage fort? –
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Agnes. Percifal Zenger. Die Vorigen.

AGNES.
Albrecht! – Ihr geht! Ihr verlaßt mich! ach! Ihr kommt nicht wieder.
ALBRECHT.
Mit Ehre komme ich wieder und bringe dir den Kampfpreis zur Morgengabe.
AGNES.

Am Tage, wo Ihr mein wurdet! – eine Stunde lang Euer liebendes, glücktrunknes Weib und schon Witwe! schon zurückgestoßen durch Eure herzogliche Würde! –

ALBRECHT.

Nicht so, meine Agnes! – Ritterpflicht, Sohnespflicht, Hoffnungen entfernen Albrechten. Noch oft, wenn du Herzogin bist, wird das Vaterland rufen, und auch an deinem Busen wird er hören den Ruf und ihm folgen! für Land und Ehre wird er kämpfen – dann wiederkehren und seinen Lohn suchen und finden in deinen Armen.

AGNES.
Aber Euer Vater – Gott!
HANS ZENGER.
Mit der von Württemberg ist's ja aus.
PERCIFAL ZENGER.
Und was will er thun? das Sakrament wird er doch nicht wegreden und sein ganzer Rat nicht.
[26]
ALBRECHT.

Und mein Herz? Agnes! – meine Liebe? – Ich will nicht Gemahl sein, bis ich wiederkomme; das sei dir Pfand meiner Rückkehr.

HANS ZENGER.

Gnädiger Herr! es ist Zeit. Die Abschiede taugen so zu nichts, wenn man fort muß und bald wiederkömmt.

AGNES.
Harter Mann! Ihr habt nie geliebt.
HANS ZENGER.
Nie zur Unzeit.
PERCIFAL ZENGER.
Kommt! wir wollen uns waffnen und rüsten.
ALBRECHT.
Hans Zenger! Ihr bleibt – wißt, was ich zurücklasse.
HANS ZENGER.
Ja, und Ihr wißt, bei wem.
PERCIFAL ZENGER.
Kommt! Agnes soll Euch waffnen, gnädiger Herr!
ALBRECHT.
Oh! warum nur zum Turniere!
PERCIFAL ZENGER.

Nicht wahr? – da wird einem so leicht. Ging mir auch so, als ich um mein Weib noch freite: da, wann sie mir das Schwert gab, da schwang ich's, rufte jauchzend den Feldruf, drückte ihr die Hand, und hui! aufs Roß.

ALBRECHT.
Nun wohl! ich muß! – fort! Geht.
AGNES
im Gehen.
Albrecht! mein Albrecht! wäret Ihr wieder da!

Alle ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Straubing. Gemach.

Ernst. Gundelfing. Seibelstorfer.
Vicedom von Straubing. Tuchsenhauser. Sind schon da. Pienzenauer. Maxelrainer. Sandizeller. Tore. Kommen eben an.

ERNST.
Gott grüß' euch, Ritter! ihr kommt eben recht.
SANDIZELLER.
Ha! wer wird vom Turniere außenbleiben, gnädiger Herr!
TUCHSENHAUSER.
Mehr als Turnier! mehr als Turnier! ihr kommt mehr als fürstliche Räte dann als Ritter.
PIENZENAUER.
Also nicht zum Turnier?
TORE.
Dazu berief man uns doch?
TUCHSENHAUSER.
Was euch doch nicht an einem Turnier gelegen ist, ihr Ritter!
MAXELRAINER.
Ohne Anmerkung, Herr Kanzler!
ERNST.

Ich wollte euch nicht zum Rate entbieten lassen, daß man nicht merke, worüber ich mit euch mich beraten will. Nun, [27] kurz! – Ritter! Bayern ist beruhigt; keine Plage des Himmels strafet das Land; kein Unrecht drücket den Unterthanen; aber Schande drohet dem Geschlechte der Wittelsbacher. Erratet!

SANDIZELLER, TORE, PIENZENAUER UND MAXELRAINER. Blut und Tod sollen sie abwenden.

ERNST.

Ihr erratet nicht, das zeigt euer rascher Eifer; behaltet ihn! Seht, diese wissen's und sind stumm: – Albrecht, mein Sohn, ist er noch der, der er war? Bayerns Hoffnung? der Ritter Beispiel? – wo ist er? Alle schweigen. Eine elende Baderstochter; ha! kann ich denken! – eine schwäbische Dirne hat ihn verstrickt; und der Held! mein Sohn! – huret. Geschäftlos, ohne Waffen vermummt, herabgewürdigt schwärmte er drei Monate um Augsburg; das war des Sohnes Antwort aus seines Vaters und Herzogs Zureden, Warnen und Gebote. Elisabethen ließ er bundbrüchig warten, und Bayerns künftiger Herzog thronte in der Badstube, und reichsstädtische Bürger sprachen ihm Hohn. Nun hat die von Württemberg auch den Bund gebrochen, einen armen Grafen ihm vorgezogen. – Damals schon, als er meine Worte nicht hören wollte, nicht sehen seine Schande, der Verblendete! da dachte ich schon an Rache meines väterlichen, meines fürstlichen Ansehens, an Strafe des Rebellen: ich berief euch unter dem Vorwande des Turniers. – Nun ist's ärger geworden. Er entführte die Metze, führt sie in mein Land, setzt sie in Voheburg, und man spricht von Ehe. Schamloser! – Preisinger lud ihn zum Turniere; dort soll er gefangen werden; ausschlafen in einem Turme die unwürdige Thorheit; und kommt er nicht: so soll Bayern wissen, daß Ernst keinen Sohn mehr hat. Könnt ihr besser raten, so sprecht!

TUCHSENHAUSER.

Oft schon hab' ich's gesagt, gnädiger Herr! und sage es wieder: mit Härte und Strafe werdet Ihr nichts ausrichten. Liebe mag nun eine Thorheit sein, wie sie es in diesem Falle gewiß ist, so ist sie doch auch eine Leidenschaft; und eine Leidenschaft ist ein Strom, gegen den man nicht fahren, den man aber einschränken kann: hemmt man ihn in seinem brausenden Laufe, so läust er über und verheert die Ufer und Gegenden ohne Unterschied, wie er den widerstehenden Damm einreißet. So werdet Ihr es entweder nicht dahin bringen, daß sich Albrecht [28] Eurer Gewalt anvertraue; oder Ihr erbittert ihn, reizt ihn zur Gegenwehr, und da alles Volk ihn liebet, wie allemal den Thronerben; und da er tapfer und ein wilder Krieger ist: denn, glaubt mir, der Löwe schläft nur; so ist Aufstand und bürgerlicher Krieg zu besorgen, und da helfen dann die Herzoge Heinrich von Landshut und Ludwig von Ingolstadt, der so nie ruhen kann, gleich auch mit zu; und alle das Unheil, warum? – wegen einer elenden Baderstochter, wie Ihr wohl sagt. Mag er sie doch haben und behalten zu seinem Kebsweibe: denn das glaube ich nimmermehr, daß ein Fürst wie Albrecht sie heiraten wolle. Er wird sie schon satt werden, und wenn kein Widerstand da ist, und der Genuß alltäglich wird, so verrauchet so bald die Liebe, das sieht man im heiligen Ehestande; und wie soll's erst sein draußen? gnädiger Herr! wenn Ihr sie ihm verborgen zu halten erlaubtet, so käme er wieder, verrichtete seine Geschäfte, und wär' auch ein braver, treuer Sohn und ein lieber Herr und Fürst, ob dem Ihr und Bayern sich freuen könnten.

ERNST.

Man sieht es Euch doch immer an, Tuchsenhauser! daß Ihr kein Ritter seid, und daß die Gesetze der Ehre in die Herzen und nicht in die Bücher geschrieben sein müssen. Sprecht, Hofmeister Gundelfing!

GUNDELFING.

Mir sind sie ins Herz geschrieben! das bewies mein Schwert; das ist kund von mir im Lande. Doch rate ich wie der Kanzler zur Güte, solang es bei einer Liebe von der Art bleibt, wo es besser stünde, gnädiger Herr! Ihr stelltet Euch an, als ob Ihr sie gar nicht wüßtet. Das sind jugendliche Thorheiten; wer war nicht einmal ein Thor in seiner Jugend? laßt das wilde Roß ausreißen, so ermüdet's eher. Es kommt nur auf die Folgen an; ich kann keine böse vermuten; zu oft schon bewies er sich edel und ritterlich; nochmal! das ist Thorheit, nicht Verderbnis; eine Ausschweifung, die ohne Widerstand vielleicht schon am Ende, und gewiß nicht so ruchbar wäre. Allenfalls kann man bösen Folgen vorkommen durch verborgene Aufsicht, ruhige Gegenanstalten. Darum solltet Ihr Euern Sohn immer nahe bei Euch und in Ehren haben; mag er denn sein Mädchen an demselben Orte verborgen halten oder nicht: die Bequemlichkeit wird ihn ermüden, oder Eure Güte seine Leidenschaft überwinden.

ERNST.
Auch so? – Seibelstorfer!
SEIBELSTORFER.

Gnädiger Herr! als Ritter denk' ich wie [29] Gundelfingen, als Kammermeister wie Tuchsenhauser. Albrechts Schuld ist nicht groß genug, um einen Ritter in den Turm zu werfen, und würde er's? so sind die Folgen zu schrecklich, um sich denselben auszusetzen. Ein bürgerlicher Krieg! Gott! hat Bayern nicht genug schon gelitten? Sind der Unterthanen Armut, die Schulden der fürstlichen Kammer nicht Beweise genug davon?

ERNST
zornig.
Und Ihr, Vicedom!
VICEDOM.

Wenn ich im Brande meiner Schlösser und Festen einen Schandfleck an meiner Ehre ausbrennen sollte, so zündete ich sie heute noch an; und wenn der Herzog und seine fürstliche Ehre beleidigt sind, so mag alles zu Grunde gehen! die Ehre muß gerettet werden. So denk' ich. Ihr habt nun das Mädchen in Euerm Lande, in Eurer Gewalt; fort mit ihr aus der Welt; und dann ist's aus. Eures Sohnes weibische Thränen werden Bayern nicht empören; und sollte er mehr als weinen? so ist er ein Rebell.

MAXELRAINER.

Kein Rebell! ein Ritter, ein Landstand, frei wie wir! – Glaubt Ihr, Vicedom! daß ich, der unter des Thorringers Fahne gegen Heinrich, als er noch Tyrann war, gefochten habe, es leiden würde, wenn man mein Mädchen mordete? und wenn's auch der Herzog gethan hätte? – Was? ohne Verhör? ohne Spruch? ohne Verbrechen? oder meint Ihr, Albrecht sei eine Memme? oder niemand werde beistehen dem künftigen Herzoge? – Nein, gnädiger Herr! bei der Ehre müßt Ihr Euern Sohn fassen, denn seine Liebe ist unanständig, und da sie ruchbar geworden, nun gar schimpflich. An Eurer Stelle hätt' ich ihn nicht zum Turniere laden lassen; dieser Ausschluß hätte sicher auf sein ritterliches Gemüt gewirkt; er hätte sich vor sich selbst geschämt, nicht dabei gewesen zu sein; und wer sich schämt, den reuet's; und wen es reuet, der liebt schon nicht mehr. Findet ein anderes solches Mittel, und ich heiße es gut.

PIENZENAUER.

Es ist noch Zeit. Ihr könntet ihm durch die Marschälle die Schranken verbieten lassen, solange er dem Mädchen nicht entsaget.

SANDIZELLER.
Ich denke auch so. Unedle Sitte schließt den Ritter vom Turnier aus.
TORE.
Ich halte es für das beste, das gegenwärtigste Mittel.
ERNST.
Das Mittel, das ich ergreife, das ich will. – Fort! nach Regensburg. Alle ab.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Eine waldichte Aue am Ufer der Donau nahe an Voheburg.
Agnes. Frauen. Spazierend. Morgenröte.

AGNES
bleibt gedankenvoll am Ufer stehen.

Strömet, strömet fort, stille Wogen der Donau! – strömet hin zum glücklichen Regensburg, wo mein Geliebter ist. – Ihr zeigt mir mein Bild? wälzt es fort mit euch? und wenn Albrecht an eurem Ufer kämpfet, zeigt es ihm wieder, und die Thräne, die im Auge mir zittert, von seiner Agnes Sehnsucht geweint – Liebe! Liebe! gieb mir meine Ruhe wieder, wie als ich Albrechten noch nicht gesehen hatte; als in sorgloser Unschuld, unbewußt meines Herzens, stille meine Tage einer auf den andern flossen wie diese kleinen Wogen – Gieb sie mir wieder, oder meines Albrechts Umarmung! – Ah! seit ich ihn sah, seit ich ihn sprach, seit er mir sagte: »Agnes! ich liebe dich«, seitdem leb' ich nur für ihn – durch ihn – kann mich nicht denken ohne ihn: Liebe! gieb mir ihn wieder! – – Ich war ja zufrieden mit meinem Stande; ich wollte ja nicht lieben; ich wäre ja nie unglücklich gewesen an meines Vaters Seite; mußt' ich ihn sehen, den Herzog? – Ja, ich mußte, ich sollte: nur mein Albrecht konnte ausfüllen das Leere meines Herzens; nur er war's, bei dem das sehnende Klopfen des jungen Busens stockte: er war des Mädchens Mann – und ich sein Mädchen. – Nun hab' ich ihn ja! halte ihn fest! Gott schlung die heiligen Bande um uns! – O, sie sollen Rosenketten werden, Albrecht! – Was klag' ich? warum wein' ich? Was soll die ängstliche Beklemmung? – der leise Frost, der über die Glieder hinschaudert? – das Beben, als wär' ich eine Verbrecherin! – Verbrecherin? – Gott? du weißt es, was ich litte! dir sagt' ich's ja damals, wie hinreißende Liebe mit jungfräulicher Tugend kämpfte; dir sagt' ich's: töte mich, Allmächtiger! töte, oder gieb du mich dem Manne, den ich lieben, anbeten muß; oder nie gesehen haben sollte! – Verbrecherin? – du schufst mich ja? du webtest in mein Innerstes das, was mich in Albrechts Arme warf? – Du machtest ihn zum Sohn eines großen Fürsten, mich zur armen Bürgerstochter. – Ich bin auch ein Mensch! du bist's [31] auch, Albrecht! ich bin unschuldig an deiner Würde. – – Sollt' ich's jemals büßen, dich geliebt zu haben, weil du auch Herzog bist? Ich, die ich vor dem Herzoge nur zittere, nur Albrechten liebe? – Stille, stille ängstliches Herz; poche nicht so. Er liebt mich ja; er ist mein Gemahl; er kömmt ja wieder; kömmt wieder! – – Noch nicht stille, Herz? immer ängstlicher? bänger? – Ach! Liebe? ist das, das dein Lohn?

2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Hans Zenger. Die Vorigen.

HANS ZENGER.
So ganz in trüben Gedanken, gnädige Frau?
AGNES.
Albrecht ist nicht hier.
HANS ZENGER.
Aber er kommt wieder; ums Wiederkommen ist's doch eine gute Sache.
AGNES.
Ritter! was meint Ihr damit?
HANS ZENGER.
Ich? nichts.
AGNES.
Nichts?
HANS ZENGER.
Nein, nichts; was sollt' ich denn meinen?
AGNES.
Wenn er nicht wiederkäme? –
HANS ZENGER.
Wer? der Herzog? Ei! was das Phantasien sind! acht Tage herum, und er ist bei Euch.
AGNES.

Gewiß? – acht Tage? – Das ist lange, schrecklich lange! – So lange leb' ich nicht. – Mein Herz sagt mir's, er kömmt eher oder nie wieder.

HANS ZENGER.

Das wäre nicht gut, wenn er käme, ehe das Turnier aus ist; da kann man nicht so weg eines Weibes wegen. Wahrlich! wäret Ihr nicht Albrechts Liebe und Frau, meines Weibes wegen wäre ich sicher nicht außengeblieben: nun bin ich aber Euer Wächter.

AGNES
demütig.
Edler Ritter! Gott vergelt's Euch!
HANS ZENGER.
Pflicht, und nichts mehr; dafür gehört noch kein Dank.
AGNES
wimmernd.
Also bin ich nicht sicher hier? – Also meint Ihr –
HANS ZENGER.

Ich meine, Herzog Ernst – der Euch nicht kennt – verzeiht! – der nur weiß, daß Ihr eine Baderstochter seid; – wenn er's erführe, daß Ihr nun gar seines Sohnes Frau geworden – freilich nicht so nach den Gesetzen der Ehre –

[32]
AGNES.
Weh über die Ehre, der das Herz und die Tugend fremd sind!
HANS ZENGER.
Ja, da könnt' es noch gewaltigern Lärm geben! Blut –
AGNES.
Blut? – Wessen Blut? doch nur meines?
HANS ZENGER.

Das kann dann doch auch alles noch besser gehen: mir wär's aber lieber, Ihr wäret in Schwaben geblieben; ich habe es Albrechten gesagt – nun! es ist Eure Sache; ich thue, was mein Freund wünschet, mein Herr befiehlt: Vorsicht ist aber höchst nötig. Ihr thätet wohl, Euch vom Schlosse nie zu entfernen.

AGNES.

Ach Ritter! entfernt man sich je von seinem Schicksale? – Das meine – Gott weiß es! – Aber ich ahnde es traurig, schwarz. – Wenn ich nur ihn wiedersehe, da wird's mir leichter werden.

WACHE.
Es kommt ein Salzzug die Donau herauf; wird hier windfeiern.
HANS ZENGER.
Nun schnell zurück ins Schloß; man darf Euch nicht sehen.
AGNES.
Ach säh' ich nur Albrechten wieder! Alle ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Regensburg.
Platz, eingerichtet nach alter Sitte zum Turnier.
Ringsum die Häuser verzieret, und die Wappen der Ritter aufgehangen, am Ende eine Bühne für den Herzog, das Frauenvolk, die Fremden und des Herzogs Gefolge. Die Marschälle stehen an den Schranken, nachdem sie den Kampfplatz geordnet. Menge Volks rings herum.
Trompeten und Pauken.
Ernst kommt mit dem Gepränge des Hofes, steigt auf die Bühne und setzt sich; Fremde, Frauen, Hofleute um ihn herum. Nach ihm kommen paarweise im Harnische.
Gundelfing. Seibelstorfer. Vicedom von Straubingen. Pienzenauer. Preisinger. Maxelrainer. Tore. Sandizeller. Albrecht. Percifal Zenger.
Viele andere Ritter, von ihren Schildknaben begleitet. Die Trompeten blasen. Das Turnier fängt an. Die Marschälle rufen jedes Paar auf und öffnen ihm die Schranken.
Kämpfe.

ALBRECHT
stellt sich vor die Schranken.
ERSTER MARSCHALL.
Albrecht, der Pfalzgraf und Graf zu Voheburg, kann nicht turnieren.
[33]
ZWEITER MARSCHALL.
Die Gesetze verbieten es, wir öffnen Euch die Schranken nicht.

Allgemeines Gemurre.
ALBRECHT
ergrimmt.
Was! verkennt ihr mich? – Mir! diesen Schimpf?
ERSTER MARSCHALL.

Es sind Kläger da über Euch, die sagen, Ihr führtet ein unedles Leben, hieltet Eure Hure öffentlich; hättet Euch drei Monate vermummt; wäret ohne Schwert herumgegangen und wolltet eine Bürgerstochter heiraten.

ZWEITER MARSCHALL.
Rechtfertiget Euch, oder Ihr turnieret nicht.

Stille alles.
ALBRECHT.

Verborgen lebte ich, nicht vermummt, nicht unedel: ein liebes, tugendhaftes Mädchen liebe ich, keine Hure: auf mein Wort, nie hab' ich sie berühret. Seit wann ist Lieben verboten, oder unrühmlich? Ritter! wer unter euch hat nie geliebt? – Und wer darf Rechenschaft meiner Handlungen fordern? wer wagt es, mein Ankläger zu sein? – Marschälle, öffnet die Schranken.

ERSTER MARSCHALL.
Wir dürfen, wir können es nicht.
ALBRECHT.
Öffnet sie, oder meine Lanze –

Senkt sie gegen einen Marschall. Die Ritter eilen herbei; halten auf.
VICEDOM.
Was? gegen die Marschälle?
ALBRECHT
wirft die Lanze über die Schranken, zieht das Schwert.
Gegen die Schurken, die mich entehren, gegen alle, die ihnen beizustehen wagen.
PIENZENAUER.
Die Forderung ist billig; die Turniergesetze heilig; rechtfertiget Euch!
ALBRECHT.
Mit dem Schwerte! nicht anders.

Getümmel, P. Zenger zieht auch.
ERNST
kommt vor die Schranken.
Ich bin dein Ankläger.
ALBRECHT
steckt ein.
Ihr? mein Vater? – entehret Euern Sohn in Gegenwart der Ritter Deutschlands? vor seinen Unterthanen?
ERNST.

Schweig! weiche von den Schranken, Verwegener! oder rechtfertige dich. Als Vater, als Herzog, als Kampfrichter, fordre ich's, befehl' ich es dir. Der deutsche Adel soll richten zwischen uns, und Bayern soll Zeuge sein!

ALBRECHT.

Schildknabe! bring meine Lanze. Man bringt sie, und er bricht sie. Ich breche sie; ich will nicht turnieren: wer's noch thut, dem sei Rache geschworen, solang ich atme. Das Turnier ist [34] aus. Nun sprech' ich mit Euch, gnädiger Herr und Vater! Ich bin eben der Albrecht der Wittelsbacher, der vor zehn Jahren Euch bei Alling die Schlacht gewann; der zweimal die Böhmen und Hussiten von Bayern zurückgeschlagen; ich bin's, vor dem Ludwig von Ingolstadt und Heinrich von Landshut beben; ich, der Ketzer Schrecken! Bayerns Wehrmauer! – Seht mich an, verkennt Ihr einen meiner Züge? oder will es jemand versuchen, ob ich Arm und Schwert, oder Herz und Mut verwechselt habe? – Nun, ich war in Euern Geschäften in Augsburg; verrichtete, vollendete sie; Ihr waret zufrieden. In Ruhe schlummerte mein Vaterland, und ich sahe dort ein Mädchen von edler, sanfter Bildung; setzt ihr eine Krone auf, sie schiene Kaiserin; laßt Strahlen um ihr Haupt schimmern, und Ihr malet eine Heilige; eine reine Seele durch Mischung edler, ungeschminkter Tugend, mit der stillen Anmut einer rührenden Schönheit, ganz gebildet zur Liebe eines Helden. – Ich liebte sie. Statt zu jagen und müßig zu sein in Voheburg, gab ich nach dem Drange meiner Liebe; – lange hernach erhielt' ich Gegenliebe. Nie habe ich ihr Bette bestiegen; sie ist Jungfrau; wer das Widerspiel behauptet, hebe den Handschuh auf. Er wirft seinen Handschuh auf den Boden. Um meiner Würde nichts zu vergeben, ging ich öffentlich von Augsburg fort; Liebe führte mich wieder hin, aber in Friedenstracht; in der Tracht, wie die Männer einhergehen, die uns und unser Volk richten und der Gesetze Stimmen sind. – Ich hörte nichts von Euch, gnädiger Herr! als zuweilen Boten Eures Zorns, die so sprachen, daß ich Gott um meine waffenlose Kleidung dankte: nichts von Geschäften; nichts von Fehden; nichts, das mich als Bayer oder Sohn aufgerufen hätte – Jetzt sollte nur ein Turnier sein; ich kam pfeilschnell auf den Ruf meines Vaters und der Ritterpflicht – und die Schranken werden vor mir verschlossen, und Albrechten wird beim Spiele der Lorbeer vom Haupte gerissen, den er auf Schlachtfeldern geerntet hatte; mit dem ihn Kriegsheere und seine Nation geschmückt haben. Richtet nun, Ritter Deutschlands! stehet auf wider mich, meine Landsleute! ihr Bayern!

ERNST.

Und die Jungfrau ist nun in Voheburg? und was thut sie da? – Schäme dich! lüge nicht! Entweder nahmst du sie zum Weibe: oder sie ist eine Hure. In jedem Falle entsage ihr, oder du turnierest nicht, bist ausgeschlossen vom Rittermahle! und meinst du dann, du bliebest noch Ernstens Sohn?

[35]
DIE ZWEI MARSCHÄLLE.
Entsagen!
VIELE RITTER.
Entsagen!

Großer Lärm.
ALBRECHT.

Entsagen? – Ich nehme es auf, mit allen, die das ruften, auf Lanze und Schwert. Unterliege ich, mein Vater: so habt Ihr nichts verloren; Ihr habt so keinen Sohn mehr, denn könnte ich meiner Liebe entsagen, so hättet Ihr nie einen gehabt: und überwinde ich; so mag Euch dieser Ritter Blutbürge dafür sein, daß Bayern allemal an seinem Herzoge haben wird, was Agnes an Albrechten fand. Zu Pferde, wer Mut hat!

ERNST.
Halt! ich verbiete den tollkühnen Kampf.
VICEDOM.
Um einer bürgerlichen Dirne wegen wird kein Ritter fechten.
ALBRECHT.

Ehre genug, wenn ich mit ihm fechte –Zieht und schlägt den Vicedom mit dem Rücken des Schwerts. Ihr aber, Verwegener! fechtet nimmer; ich entehre Euch; ich: Euer Herzog!

ERNST
zieht und schlägt Albrechten ebenso.
Und ich dich, dein Vater! mit dir ficht niemand mehr.

Noch größerer Lärm; Zusammenlauf der Ritter, Aufruhr des Volks; die Schranken werden eingestoßen; das Volk deckt den ganzen Platz.
ALBRECHT.

Ihr werdet fechten, Ihr! ehemals mein Vater! an der Spitze einer Rotte von Trotzköpfen, die, hinter Eurem Ansehen verborgen, wie Schurken auf mich ihre giftigen Bolze schießen: gegen Albrechten werdet Ihr fechten, dem die Nation, gewohnt unter seinem Befehle zu siegen, folgen wird. Aus, meine Bayern, wer Ottens Enkel liebt! wer mit mir schon für Religion und Vaterland gekämpft hat, folge mir! – Menge Ritter und Volks umgeben Albrechten. Rottet euch! werbet Kriegsheere! ein Wittelsbacher, hinter dem seine Bayern stehen, kann auch Deutschland Trotz bieten. Auf! fort!


Ab mit Percifal Zenger und allen, die ihn umgaben. Das Volk läuft ihm nach und lärmet. Ernst bleibt stehn, betäubt; seine Räte und wenige Ritter um ihn her, stille, auf ihn aufmerksam.
ERNST.

Ist das der Albrecht, dem ich auf Allings Schlachtfelde zum zweiten Male das Leben gab? mit meinem Blute erkaufte? Alles schweigt. Was sagt ihr nun, Ritter! die ihr meinen Entwurf verwarft? anders rietet?

GUNDELFING.
Und was wäre es erst gewesen, wenn Ihr auf dem Eurigen beharret hättet?
PIENZENAUER.

Ich gab diesen Vorschlag, gnädiger Herr! er wäre gut gewesen, wenn Albrecht ein Ritter geblieben wäre. Kann [36] ich dafür, daß Fürsten sich immer eigene Gesetze, oder vielmehr sich zur Ausnahme der allgemeinen machen?

GUNDELFING.

Gnädiger Herr! Euerm Ansehen habt Ihr durch diese öffentliche, wahrlich zu harte Beschimpfung mehr als genug gethan. Ich rate nun noch viel weniger auf gewaltsame Maßregeln, sonst werdet Ihr den Aufruhr erst vollenden, den Albrechts Aufruhr in die erste Gärung gebracht. Glaubt mir, seine Ehre, sein ritterliches Herz sind verwundet; seiner Agnes Anblick wird die Wunde nicht mehr heilen, aber aufreißen; er wird mehr in ihr die Ursache seiner Beschimpfung, als den Gegenstand seiner Leidenschaft forthin sehen; seine Ausschweifung war eine Folge seines jugendlichen, feurigen Temperaments; folget, helft diesem Temperamente, das nun für seine Ehre, folglich wider seine Liebe, ohne daß er's merkt, aufgebracht ist. Er liebt nicht als Buhler; Albrecht hätte nicht für eine Metze den Handschuh hingeworfen und Kampf angeboten: er liebt aus dem Herzen, und ein empfindsames Herz hat mehrere schwache Seiten. Könntet Ihr zweifeln, gnädiger Herr! daß ein Vater nicht ganz seine zärtlichen Rechte über ihn behaupten würde, wenn er ihn nur als Vater vor sich sähe? meint Ihr, der warme biedere Bayer werde nicht aus Liebe für seinen Herzog und sein Land heldenmütig aufopfern, was tausendfacher Tod ihm nicht abgezwungen hätte?

MAXELRAINER.

Und wenn man dem Ritter Wiedererstattung seiner Ehre, Zuwachs an Ruhm zeigte? ha! was wär' ich da nicht fähig zu thun!

GUNDELFING.

Darum rate ich mehr als jemals zur Güte, zu einer freundschaftlichen Gesandtschaft, die des Vaters wohlmeinende Warnungen Albrechten zum Ohre brächte –

VICEDOM.
Und den Sohn etwa um Verzeihung bäte?
GUNDELFING.
Rauher Mann! mit Euch sprech' ich nicht.
ERNST.

Wer Ernstens Freund ist, wer nicht Rebellion in seinem Busen kochet, rate mir zu keinem Schritte, der des Vaters Ansehen, des Herzogs Gewalt zu nahe trete.

GUNDELFING.

Gnädiger Herr! wenn Friede und Rückzug gegen Feinde des Vaterlandes oft erlaubt, notwendig, rühmlich sind; so wird Aussöhnung des wirklichen mit dem künftigen Herzoge, des Vaters mit dem Sohne Euch nicht entehren Sicher, das erwartete Bayern von Euch, und der Nation Erwartung soll jedem Landesherrn ein heiliger Wink sein.

[37]
SEIBELSTORFER.

Zugleich könntet Ihr von Annen von Braunschweig sprechen lassen, die Euch Herzog Erich hier vorschlagen ließ: so würde Albrecht, der nun schon einmal liebt, nicht so ganz auf einmal entwöhnet; es wäre nur mehr Wechsel, und an der Württembergerin wäret Ihr auch gerächet.

VICEDOM.
Aber die Dirne muß weg; weit weg; außer des Rückfalls Gefahr.
GUNDELFING.

Ich wette, er trennet sich nicht, er scheidet von ihr, er versorget sie fürstlich; und das ist dann auch recht.

ERNST.

Nun, Ritter! – wiewohl ich könnte; – vielleicht sollte; – Geht Gundelfing! und ihr Preisinger! noch einmal nach Voheburg; sprecht, wie ihr's meint, für Ehre, für Vaterland – für einen Vater, der verzeihen will. Sprecht von der Braunschweigerin; thut das Beste; redet für euch, wie ihr wollt; behaltet mir den Entschluß bevor. Eilet!

PREISINGER.

Zu dieser Gesandtschaft, gnädiger Herr! ist's an Gundelfingen allein genug. Meine erste Sendung hat mich Albrechten schon verhaßt gemacht, und sanft zu reden, habe ich im Kriege nie gelernt.

MAXELRAINER.

So sendet einen Mann von Ansehen mit. Kaspar der Thorringer ist hier; er führte seinen Sohn zum ersten Turnier. Das ist ein Mann! bei Gott, der ist gewiß unserer Meinung; er wird mehr wirken, als wir alle zusammen.

ERNST.
Ob er auch gehen wird? ich war ehemals sein Feind.
GUNDELFING.
Laßt ihn kommen; bittet ihn darum; es ist Bayerns Sache, die schlägt er nicht aus.

Alle ab.

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Voheburg.
Saal. Trompeten von ferne. Getümmel. Hans Zenger kommt von einer Seite. Agnes und ihre Frauen von der andern.

HANS ZENGER.
Der Herzog kömmt.
WACHEN.
KNECHTE. Der Herzog.
AGNES.
Albrecht wieder da!

Wollen alle entgegen eilen.
2. Auftritt
[38] Zweiter Auftritt.
Albrecht. Percifal Zenger. Viele Ritter. Alle geharnischt und hastig. Die Vorigen.

AGNES
will laufen in Albrechts Arme, sieht die Menge, erschrickt, haltet beschämt.
ALBRECHT
erblickt sie, thut einen Schritt zurück; besinnt sich, sieht um sich auf die Ritter.

Die ist's! Alle sehn Agnesen an und schweigen. Albrecht nähert sich ihr, faßt sie bei der Hand. Agnes! Agnes! Deutet auf seine Rüstung. Im Ernste trag' ich sie.

PERCIFAL ZENGER.
Sollen die Ritter bleiben, gnädiger Herr?
ALBRECHT.

Liebe Landsleute und Waffenbrüder! Ich danke euch für euer Geleit und eure Liebe. Wenn euch meine Ehre lieb ist, kommt gerüstet mit euren Leuten in vier Tagen wieder. Ich erwarte euch. Seht! dieser Arm wird euch vorfechten, und für diese – meine Frau wird er fechten.

DIE RITTER
unter einander.
Seine Frau?
ALBRECHT.
Percifal, Hans Zenger! entlasset, begleitet die Ritter. Alle ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Albrecht. Agnes.

AGNES
endlich sich nicht mehr mächtig, fällt auf Albrechten hin, bebend.
Albrecht! was ist das?
ALBRECHT.
Ich bin entehret! deinetwegen. Krieg wird sein zwischen Albrecht und Ernst.
AGNES
fällt auf einen Stuhl.
Entehrt! Krieg meinetwegen!
ALBRECHT.
Halt aus, Weib! halt aus! du Herzogin, oder ich tot. Du kennst mich noch nicht von der Seite.
AGNES
jammernd.
Ich tot! ich tot! Ruhe über Euer Land! Friede mit Euch, Albrecht!
ALBRECHT.

Vom Turniere durfte mich Ernst ausschließen, vom Ritterspiele; kämpfen durft' ich nicht mit schwachen Stangen gegen Deutschlands Jugend, weil ich eine Bürgerstochter liebe. Aber bayerische Männer werden mit schweren, versuchten Schwertern hinter mir in vier Tagen dastehn und fragen, wer's leugnet, daß Agnes Albrechtens Gemahlin seie? – O weh! weh über den, der mich zwinget, den eingebildeten Fleck deiner Geburt in meiner Unterthanen Blute zu waschen! Weh über Bayern! oder es soll Heil über dich rufen.

[39]
AGNES.
Krieg! weh! – Albrecht! und dazu führte uns unsere Liebe?
ALBRECHT.

Nicht sie; Liebe führt ja zum Glücke, oder was führt sonst hin? Vergessenheit der Rechte der Menschheit; der berauschende Dampf, der die Thronen umnebelt; Ernstens Stolz; seiner Räte eigennütziger Haß gegen mich; des Vicedoms alte Feindschaft sind's. – Aber er soll schwinden, der Dampf, vor dem Hauche meines Zorns, und kriechen sollen die Schurken unter meines Rosses Hufe. Was? gewankt hätte Roms unbeweglich sein sollender Stuhl ohne diesen Arm? ein Flüchtling oder ein armer Edelmann wäre der hochmütige Ernst ohne dieses Schwert? – und das Weib, das ich liebe? das Gott mir gab? – Nein! mein sollst du sein und bleiben, und alle Streiche des Schicksals und alle Schwerter Teutschlands und alle Donner des Himmels sollen mich nicht trennen von dir!

AGNES
in der Stellung der tiefsten Schwermut.
ALBRECHT.
Agnes! was fürchtest du hinter meinem Schilde?
AGNES.

Nichts für den Herzog, alles für Albrechten, und in diesem nur leb' ich ja – Albrecht! Lieber wird das Band, das uns bindet, enger geknüpft sein, wenn Ihr das, so Euch an Euren Vater bindet, zerrissen habt? werdet Ihr lieben können das Ehebett, vom Blute Eurer Unterthanen bespritzt – Sieger und Herzog! wird Euch die Bürgerstochter dann nicht zu teuer gekauft sein? und werdet Ihr nicht zurückschaudern vor dem Preise der Empörung, des Vatermords?

ALBRECHT.

Vatermord? – Agnes! – So weit kommt's nicht. Gegen Ernstens Stolz, nicht gegen meinen Vater werd' ich kriegen; überwinden will ich seine Macht, aus dem Felde schlagen sein Heer; er vergebe und segne uns dann, und es wird Friede sein.

AGNES.
Ach Albrecht! Ihr liebt mich nicht, wie ich Euch liebe.
ALBRECHT.
Sieh auf diese Waffen; was kann ich mehr für dich?
AGNES.

Ohne Waffen, ohne Prunk, ohne Herzogshut, reisen in freie Gegenden; mich mit Euch nehmen; leben, wie glücklich niedrige Menschen; warten im Schoße der Liebe, bis Euch Erbrecht und Nation wieder rufen, oder auch fortwandeln den sichern Pfad des stillen Lebens und häuslicher Freude.

ALBRECHT.

Fliehen von Bayern? fliehen, wenn ich siegen kann! herabsteigen vom Throne, da ich dich zu mir hinauf zu [40] heben vermag? – Nein, Agnes! nein, ich kenne besser die Pflichten der edeln Liebe.

AGNES.

Pflicht der Liebe ist ja nur Gegenliebe und Treue. Liebte ich Euch denn nicht als Bürgersmädchen? und muß ich Herzogin heißen, um Euch ewig zu lieben? und muß Blut unsern Bund versiegeln, daß er Euch auch edel scheine! Albrecht! ist Euch ein schuldloses, tugendhaftes Herz, das Euch ganz hingegeben ist, nicht adelig genug?

ALBRECHT.

Aber meine Ehre! meine Ehre! die ist angetastet vor den Augen Teutschlands und meiner Nation! sollt' ich sie nicht rächen, Agnes! da ich's kann? da ich's muß?

AGNES.

Freilich ist's so Euer adeliger Gebrauch – Aber rächen an einem Vater! – Albrecht! laßt uns fort! – laßt sie sich setzen, die erste kriegerische Hitze; ruhet aus – dann laßt uns fort, und glücklich sein, und kein Blut vergießen.

ALBRECHT.
Liebes Weib! wolle es nicht! du würdest es mich auch wollen machen.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Hans Zenger. Die Vorigen.

HANS ZENGER.

Es ist nun schon einmal so, gnädiger Herr! die Leute, denen Fürsten ihre Geschäfte anvertrauen, müssen ihnen immer ungelegen kommen.

ALBRECHT.
Warum? was giebt's Neues?
HANS ZENGER.
Auf Eurer Spur folgt eine Gesandtschaft von Euerm Vater.
ALBRECHT.
Von ihm? – Wenn's Preisinger ist, so kann er wieder gehen.
HANS ZENGER.
Nein; es ist der Hofmeister Georg von Gundelfing und noch einer mit ihm.
ALBRECHT.
Und wer?
HANS ZENGER.

Ein ehrwürdiger alter Ritter; er will sich nur Euch nennen und nach Gundelfing sprechen; ob's nicht gar Kaspar der Thorringer ist? sieht mir gerade so aus.

ALBRECHT.

Der kann's nicht sein, der lebt nun für sich in Ruhe, und wir Fürsten spielen ihm nur mehr ein Lustspiel, das der ausgediente Bürger belacht. Ich kenne ihn.

HANS ZENGER.
Nun, die zween wollen Euch sprechen, unverzüglich.
[41]
AGNES.

Ich gehe, Albrecht, ich eile weg. Es sind vielleicht Boten des Friedens; hört sie! hört sie! Nur Euch, wäret Ihr ein Bauerssohn, will ich mein haben! nur Euch! – kann es aber nicht sein? müßt Ihr Herzog bleiben? darf ich nicht lieben den Mann, der so eine Kette um den Hals trägt? – Nun! sei es! gerne! – noch mehr, wenn ich's könnte, für Euch! – mein Blut sei Siegel des Friedens zwischen Vater und Sohn, Albrechten und Bayern. Sie umarmt ihn und geht hastig mit Zengern ab.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Gundelfing. Albrecht.

ALBRECHT.
Wie, edler Ritter! Ihr kommt zu einem Manne, der nach Rittergesetzen entehret ist? – gesandt von –
GUNDELFING.

Gesandt von Eurem Vater, gnädiger Herr! – Ihr müßtet nicht mehr Albrecht sein, um diesen feierlichen Namen ohne andere Regung als des Zorns zu hören; und Ihr müßtet Gundelfing verkennen, um einen andern Auftrag als Friedensbotschaft zu vermuten.

ALBRECHT.
So bleibt mir Agnes? so –
GUNDELFING.

Ich dachte, gnädiger Herr! Euer Blut wäre mehr abgekühlt, der traurige Vorfall selbst hätte Euren Gedanken eine andere Richtung gegeben.

ALBRECHT.

Wenn das Euer Vordersatz ist, so ersparet mir die Folgerungen. Agnes oder Krieg! das ist mein einziger Gedanke, alle mein Wille. Habt Ihr darauf noch was zu antworten, so sprecht! sonst Gundelfing! macht nicht, daß ich Euch hassen müsse.

GUNDELFING.

Agnes oder Krieg? – das soll wohl heißen: Rache meiner gekränkten Ehre oder Krieg? anders könnt Ihr's nicht meinen.

ALBRECHT.
Ja! aber nur wenn Agnes Herzogin ist, dann erst ist meine Ehre gerächet.
GUNDELFING.

Diese Rache fordern weder der Ritter Sitten noch Euer Volk; sie ist also eben nicht notwendig. Wiedereinsetzung aber in eines Rittermanns Vorrechte, in Eures Vaters Gnade; die sind notwendig: dieses Euch vorzustellen, sandte er mich und Euch seine Bedingnisse zu sagen.

ALBRECHT.
Bedingnisse dem Beleidigten? dem, der die Gewalt sich zu rächen hat?
[42]
GUNDELFING.

Gnädiger Herr! ich kam mit Eurer Vernunft, zu Eurem Herzen zu sprechen: laßt uns schweigen von Beleidigung und Rache; darauf, wenn's sein müßte, würde Ernst sein Heer und nicht einen Friedensboten antworten lassen. Seine Forderung ist, daß Ihr zurückkehret zu ihm; die Leute, die Ihr aufgeboten, entlasset und künftig nahe bei ihm die Regierungsgeschäfte teilet. Er wird Euch liebreich, öffentlich empfangen, und zum Pfande seiner Versöhnung sollt Ihr dann von seiner Hand eine holde, edle Gemahlin annehmen, die Ihr schon kennet – Annen von Braunschweig.

ALBRECHT.
Und Agnes?
GUNDELFING.
Von der hab' ich nichts zu sagen, da mögt Ihr Euch selbst Bescheid geben.
ALBRECHT.

– Gundelfing! kann's nicht sein – Agnes oder Krieg! glaubt mir, Ritter! ich bin's mir, ich bin's Agnesen schuldig.

GUNDELFING.

Schuldig? giebt's noch höhere Pflichten als gegen Vaterland, Vater und Gott, der Euch beiden gab, beiden unterwarf.

ALBRECHT
geht heftig und verwirrt herum.
Ja! – ich muß! leider! – Agnes oder Krieg!
GUNDELFING.
Soll das Euer letztes Wort gegen mich sein? ist so Euer fester Wille?
ALBRECHT.
– Ich muß! lebt wohl! als Feinde sehen wir uns wieder.
GUNDELFING.
Nun noch ein Friedensbote, und dann soll Krieg sein. Geht zur Thüre und führt den Thorringer herein.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Thorringer. Die Vorigen.

ALBRECHT
entsetzt, eilt ihm entgegen.
Wie! Kaspar der Thorringer? – Edler Ritter! wie kommt Ihr her? was soll das?
THORRINGER.

Von Seefeld, wo ich ruhte, ritt ich nach Regensburg mit meinem Georg, der zum ersten Male turnieren sollte; wollt', ich wäre zu Hause geblieben! – da sagt' ich so vorher zu meinem Knaben: »Es ist Zeit, daß du dich zeigst; ich will dich hinführen zum Turniere, wo du die teutschen Ritter wirst versuchen können, da sollst unsern gnädigen Herrn Albrecht sehen, den tapfern Mann, der einst dein Feldherr sein wird: kann sein,[43] daß er deinem Vater zuliebe einmal gegen dich rennt« so sagt' ich – und was mußte ich sehen, gnädiger Herr!

ALBRECHT.
Einen mißhandelten Sohn, einen entehrten Ritter.
THORRINGER.
Und warum?
ALBRECHT.
Weil er nicht entsagen wollte dem Weibe, das er liebet.
THORRINGER.
Und wen liebt er?
ALBRECHT.

Die ihm von oben herab bestimmt war, die seiner würdig ist, aber Vorurteil tief unter ihn setzt! er aber rächen wird am Vorurteile, und an denen, die es verblendet.

THORRINGER.

Das ist Albrechtens Sprache, fester Mut, mannlicher Ton; aber, gnädiger Herr! ich hab' in meinem Leben nie geschmeichelt, auch die Wahrheit den Fürsten schon mit dem Schwerte verkündiget. Wenn's Eure Sprache noch ist, so verkenne ich Euern Geist und Euer Herz. Gewohnheiten und Gebräuche, Volksklassen und Stammordnungen, die das Reich erkennt; die es von den Teutonen erbte; denen ihr, Agilolfinger! eure Rechte über uns Bayern zu danken habt; die zur Rittersitte geworden: die sollen euch verehrliche, unverbrüchliche Gesetze und nicht Vorurteile sein. Ich darf Euch nicht erst sagen, wie notwendig die Bürgerklassen, wie unentbehrlich der Adel einem freien Staate wie Teutschland; wie wesentlich die Reinigkeit des Bluts und der Stammfolge bei Fürsten und Rittergeschlechtern sei? – Nun, Ihr seid ein Teutscher, ein Wittelsbacher, ein Ritter, geboren zum Throne; und Ihr wolltet des Reiches Gesetze, das Gesetz, wodurch Ihr Ritter und Herzog seid, brechen? – Ihr seid geboren, Unterthan der Gesetze, sie zu befolgen und zu handhaben, nicht sie zu beurteilen; Ihr seid geboren ein teutscher Fürst, eine Stütze des Reiches zu sein, nicht seine Grundfesten zu erschüttern; – Ihr seid geboren, ein bayerischer Herzog, Richter einer Nation zu sein, nicht nach umgestoßenen Gesetzen ihr Despote zu werden oder des Aufruhrs Beispiel zu geben: so solltet Ihr denken! – Und sei es auch, ich will Agnesen alle Vorzüge ihres Geschlechtes eingestehen; erkennen die entnervende Macht der Liebe auf einen Jüngling; den Zauber einer edlen schönen Bildung; das Unwiderstehliche, das in der Gegenliebe zu liegen scheint; ich will noch mehr thun; ich will sagen, daß die Tugend und das holde Wesen der jungfräulichen Unschuld edlen Herzen am gefährlichsten und eben diese dem Eindrucke der Liebe am offensten seien: das ist dann alles, was [44] Ihr Wesentliches sagen könnt. Aber, gnädiger Herr! ist's genug an Agnesens Tugend und Reize? und an Eurer Liebe? und könnt Ihr Bayern eine Herzogin und Fürstenmutter, wie Euren Sinnen ein Mädchen geben? – und wenn keine Gesetze wären – bleibt Euch kein Herz mehr für einen Vater, der auf Allings Schlachtfelde mit seinem Blute Euch aus den Feinden gerettet? den Lorbeer um Euer Haupt befestiget? den Ihr nun kränket, und dessen graues Haar Ihr in Schande begraben wollt? – kein Herz mehr für Euer Vaterland, das Ihr mit Kriegsmut erobern, nicht erben; eher verheeren, als mit friedlichem Scepter gesetzmäßig regieren wollt? Habt Ihr es darum mit mächtigem Arme beschützt? und als das Volk Euch als Siegern seiner und der Religionsfeinde zujauchzte, hätte es ahnden können, daß Ihr einst über selbes, über Vaterland und Gesetze selbst Sieg jauchzen wolltet? Wie könnte Albrecht die braven Männer, die ihm sein Erbland schützen halfen, die unter ihm für Bayern kämpften, nun hinführen zum schmählichen Tode, zum gottlosen Kampf gegen Vater und Herzog? und hinströmen lassen auf vaterländischem Boden, Ritter- und bayerisches Blut, um den Besitz eines Bürgermädchens? – Vergebt, gnädiger Herr! dem alten Manne die vielen Worte und dem Thorringer die Hitze im Ausdrucke; Wahrheit hat ihren eigenen Ton und bei des Vaterlands Sache wallt noch immer mein Blut, und jede Senne spannet sich verjüngter. – Eures Vaters Antrag ist billig, ist Euch rühmlich; alles ist wieder gut gemacht dadurch.

GUNDELFING.

Und hättet Ihr auch weitere Forderungen; wolltet Ihr die Ehe mit Annen von Braunschweig nicht gleich schließen; – auch das; nur kommen zu Eurem Vater, Euch aussöhnen mit ihm.

ALBRECHT.
Thorringer! Gundelfing! – ha! wär' ich in Augsburg nie gewesen!
GUNDELFING.
Das wird vorüber gehen, glaubt mir! die heftigste Leidenschaft ist die kürzeste.
THORRINGER.

Und was ist denn endlich auch Leidenschaft gegen Pflicht und Ehre? der einzelne Mann gegen sein Vaterland?

ALBRECHT.
Es ist vorbei! – Nur zween Wege sind übrig.
THORRINGER.
Der Ehre oder der Schande; der Pflicht oder des Verrats.
ALBRECHT.
Nein! Ausnahme der Gesetze werden durch Kriegsmacht, oder entsagen dem zu hart bedungenen Erbe?
[45]
THORRINGER.
Also Bayern an das Mädchen tauschen?
ALBRECHT.
Nicht mehr Mädchen! – mein Weib, von Priesterhand, vor Ritterzeugen!
THORRINGER.
Gnädiger Herr! lebt wohl –
ALBRECHT.
Bleibt, bleibt, Thorringer!
THORRINGER.

Und was soll ich noch? Auf Eures Vaters Bitte kam ich, Euch zu sprechen; ich sprach; zu spät! Ich kehre nach meiner Feste, und bedaure Euch –

ALBRECHT.
– und verachtet mich?
THORRINGER.
Wenn Ihr Euer Vaterland bekrieget, ja! und so wird's jeder gute Bayer.
ALBRECHT.

Verachtet? – und wenn ich die heiligsten Schwüre bräche; wenn ich die Tugendhafte entehrte; wenn ich zur Hure vor der Welt machte, die ich vor Gottes Angesichte zum Weibe nahm; wenn ich doppelt meineidig hinging, eine andere zu betrügen? wenn ich kriechend dem undankbaren Ernst für den entehrenden Schlag dankte? wenn der Böhmen Sieger demütig vor seines Vaters Räten sich schmiegte; wenn ich die Ritter, die mir folgten, ihrer Rache preisgäbe; wenn ich Herz und Gefühl, und Liebe und Treue, und Ehre und Religion verleugnete? dann wär' ich so ein Fürst, ein Held, nicht wahr? – Ha! verdammtes Unding, eure Ehre, eure Fürstenpflicht!

THORRINGER.

Gnädiger Herr! Ihr vergesset, daß Ihr mit einem Manne sprecht, der eine Leidenschaft bedauren kann, aber Thorheiten nicht hören mag – Vergebt mir, und laßt mich –

ALBRECHT.
Zürnet nicht, alter, braver Rittersmann! antwortet und ratet.
THORRINGER.

Ich antworte, Ihr habt eine Unglückliche gemacht, die Zeit wird es lehren: ich rate, unterwerft Euch Eurem Vater, und erwartet seine Befehle; nur er kann und soll jetzt entscheiden.

ALBRECHT.
Ist das Euer Rat? mein Vater? der Gefühllose! o, Agnes! was wäre dein Schicksal!
GUNDELFING.
Euer Weib zu bleiben; nie Herzogin, nie der Herzoge Mutter zu werden.
ALBRECHT.
Gundelfing! bliebe sie es? seid Ihr mir Bürge dafür?
GUNDELFING.
Wenn Ernstens erster Zorn vorüber ist, ja! so denk ich.
THORRINGER.
Und Ihr wollt Herzog bleiben?
[46]
ALBRECHT.
Ja, oder –
THORRINGER.
Also keine Fehde.
ALBRECHT.
Dann nicht.
THORRINGER.

Wille des Verbrechens ist auch Verbrechen. Danket die Unvorsichtigen ab, die Euch von Regensburg folgten; noch weilen sie um Voheburg.

ALBRECHT.
Daß ich mich bloßgäbe? daß Ernst dann handle, wie er wolle, und jede Gewalttätigkeit übe?
GUNDELFING.

Das wird er nicht; er ist auch Vater; das habt Ihr eher erfahren; er wird's sein, wenn Ihr Sohn bleibt, und Eure Großmut wird nicht unvergolten sein.

ALBRECHT.
Wenn er aber mißbrauchte die Macht, die ich ihm lasse? wenn –
THORRINGER.

Dann werdet Ihr Schutz und Mittler in denen finden, die nun Eure Feinde werden müßten. Aber Agnes nimmermehr Herzogin!

ALBRECHT.
Aber ich Herzog und ihr Gemahl!
GUNDELFING.
Gilt's?
ALBRECHT.

– Meine Kinder! – – nun wohl! sie werden darum glücklicher sein, daß sie keine Fürsten werden! – nur noch der Schimpf –

GUNDELFING.
Wenn Ihr sie behaltet; wann Ihr Fürst bleibt, ist's nicht genug?
ALBRECHT.
Nun! es gilt.
GUNDELFING.
Eure Hand drauf und Euer Wort.
ALBRECHT.
Hier –: bringt mir bald Antwort.
GUNDELFING.
Morgen, wenn's sein kann.
THORRINGER.
Und Eure Leute werden verabschiedet?
ALBRECHT.
Thut es, Thorringer! Euch ist's Ernst schuldig.
THORRINGER.
Gottlob! so kostet's nur ein Leben mehr.
ALBRECHT.
Wie? wessen?
THORRINGER.

Eurer Agnes. Merkt's Euch, gnädiger Herr! was ich nun sage – und dann gehe ich. Wenn auch jetzt alles gut ginge, so werdet Ihr ihrer müde werden; das Feuer wird verrauchen; aus der Asche der Fürstenstolz aufleben; mit jedem Sohne wird sie Euch Reue gebären; Ihr werdet sie verachten; Kummer und Schande werden sie töten; gut für sie, wenn's noch so geht. Lebt wohl! haltet Euer Wort! nochmal, vergebt meiner Freimütigkeit; ich sprach nie anders.

[47]
ALBRECHT.
Umarmet mich, Thorringer! daß ich's sehe, daß ich noch Ritter bin.
THORRINGER.
Die Umarmung eines Freundes; der Segen eines Greises über Euch – Lebt wohl!
GUNDELFING.
Morgen komm' ich wieder.
ALBRECHT.
Geht und bringt mir Ruhe, Ehre und Glück wieder.

Alle ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Straubing. Gemach.
Ernst. Seibelstorfer. Vicedom. Tuchsenhauser. Pienzenauer. Preisinger. Maxelrainer. Sandizeller. Tore.

ERNST.
Verheiratet – Ein Tag zum Aufbruch, zur Rebellion bestimmt!
VICEDOM.
Das dacht' ich –: Hätte man mir gefolgt, alles wäre aus.
TUCHSENHAUSER.

Aber wer hätte sich das auch einfallen lassen? Müssen doch erst hören, was Gundelfing und der Thorringer ausgerichtet haben.

VICEDOM.
Was werden sie haben thun können? sie kamen zu spät –
ERNST.

Verheiratet! – Mußt' ich das erleben an dir, Albrecht! – mein Sohn, meine Enkeln sollen nicht einmal Ritter sein? nicht sitzen auf Ottens Throne? verlöschen soll mein Stamm in Niedrigkeit und Schande?

VICEDOM.

Entrüstet Euch nicht, gnädiger Herr! wer Gewalt hat, hat auch Rettungsmittel –: die Dirne weg, und alles Übel ist weg.

ERNST.
Kämpfen mit meinem Sohne? das Schwert ziehen gegen meine Unterthanen!
TUCHSENHAUSER.

Nein, nein! In der Hitze, wo ich alle sehe, die mehr auf den Schimpf als auf die wahre Gefahr sehen, da läßt sich nicht urteilen. Habt Ihr nun schon einmal eine friedliche Gesandtschaft an ihn gehen lassen, so müßt Ihr auch die Antwort hören; vielleicht giebt er doch vom Kriege nach; eher wird der Thorringer wohl nicht abgelassen haben! In jedem Falle fahrt dann fort in der äußerlichen Güte –

VICEDOM.
Güte und Güte! und alles wird dabei verwahrloset.
[48]
TUCHSENHAUSER.

Geduld! – dann sucht ihn zu entfernen unter dem möglichst freundschaftlichen Scheine, und wenn er weg ist, da laßt das Mädchen bereden, daß sie von ihm lasse. Ist's eine gute Seele: so sage man ihr, die Ehe sei nicht gültig. Denkt sie niedrig: so bestecht sie, oder schafft ihr einen andern Mann. Man kann am Ende auch wohl drohen, und wenn nichts hilft, sie schnell in ein anderes Land führen lassen.

PIENZENAUER.
Ja, wenn's Albrecht nicht vor merkte.
SEIBELSTORFER.

Die Strafgelder der von Württemberg wären eben eine schöne Gelegenheit, ihn an die schwäbische Grenze zu schicken.

TUCHSENHAUSER.
Hier muß wohl Politik gebraucht werden; die Gesandten müssen einzuschläfern wissen.
MAXELRAINER.
Doch nicht lügen? nicht in des Herzogs Namen ein falsches Wort geben?
VICEDOM.

Und das ist alles noch nichts. Kommt er dann zurück, wird er sie nicht wieder fodern? Von Gott mag er sie fodern, wann sie tot ist.

ERNST.

Vielleicht auch ist sie unschuldig, verführt, verblendet! Aber Ehre und Vaterland fodern ein Opfer; besser sie, als Tausende! – Geht, Tuchsenhauser! und Ihr, Tore! ich will euch meinen Befehl schriftlich an Albrecht geben, daß er forteile zu dem von Württemberg. Beredet dann das Mädchen; thut, was ihr könnt: seid vorsichtig! – Will sie aber von ihm nicht lassen, auf keine Weise; entführt sie hieher. Vicedom, Ihr und der Rat sprecht dann gesetzmäßig über sie. Ich eile nach München und rüste mich auf alle Fälle. Es ist mir schwer, über sie zu sprechen, als Richter: aber hängt ein Dieb? stirbt ein Mörder? muß im Krieg der unwissende Soldat fallen? soll die leben, die meinem Stamme den Thron, meinem Lande Frieden, mir meinen Sohn raubt? – aber wendet alles zuvor an.

TUCHSENHAUSER.
Sie wird sich schon geben. So weit kommt's nicht.
ERNST.

Ihr werdet Gundelfingen unterwegs treffen; hört auch seinen Rat! Stille zu Tuchsenhauser. Ich gehe nur bis Mallerstorf. Alle ab.

4. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Voheburg Gemach.
Albrecht. Hans Zenger. Percifal Zenger. Tuchsenhauser. Tore.

ALBRECHT.
Was? schon eine Antwort von meinem Vater? wie möglich?
TUCHSENHAUSER.

Er stellte sich's schon vor, wie es uns Gundelfing unterwegs sagte: dieser Brief, gnädiger Herr! enthält seinen Willen.

ALBRECHT.
Er muß friedlichen Inhalts sein, daß Ihr ihn bringt, Tuchsenhauser!
TUCHSENHAUSER.
Ich soll hoffen, Ihr werdet zufrieden sein.
ALBRECHT
hält den verschlossenen Brief.
Gott! was mag er enthalten! Erbricht ihn, liest.

»Freundlichlieber Sohn!

Es werden Euch zwar schon unser Hofmeister, der Gundelfinger, und der Ritter Thorringer unsers Willens unterrichtet, und wie wir hoffen, auch bereit gefunden haben, alle Fehde zwischen uns abzuthun. Wir mögen uns vorstellen, was Antwort sie uns von Euch bringen werden, da wir derweil anderwärts berichtet worden, wie Ihr mit der Agnes Bernauerin steht. Wenn Ihr denn forthin im Frieden leben, Euer Erbland schonen, und Euers Vaters und Herzogs Gnade wieder haben wollt; so müßt Ihr Euch zuforderst sogleich nach Wemding an Schwabens Grenze begeben, um wegen der Strafgelder der Elisabeth mit dem von Württemberg die Irrung zu schlichten: wir haben auch seine Anwälte schon dahin beschieden. Ihr könnt glauben, daß Euch dieser Gehorsam zu Eurem wahren Nutzen und Ruhme in der Folge sein wird. Wir gehen jetzt nach München und erwarten Euch dort nach verrichtetem Geschäfte. Unser Kanzler und Ritter Tore werden Euch das mehrere sagen: wir empfehlen Euch Gottes und aller Heiligen Schutze.« –

So erkennt er Agnesen als meine Frau?

TUCHSENHAUSER.

Das steht eben nicht im Brief, aber verstehen [50] läßt sich's wohl, weil er's nun schon einmal weiß und Euch nur gleichsam Bedingnisse setzt?

ALBRECHT.
Aber ich soll fort?
TORE.
Ja, und unverzüglich.
ALBRECHT.
Aber warum die Eile? sollte mein Vater mich betrügen wollen?
TORE.
Wie? der Herzog?
TUCHSENHAUSER.

Seht, gnädiger Herr! man muß das eine thun, das andere nicht lassen; eines nach dem andern vornehmen; schön ordentlich verfahren. Da muß dann das Ding mit der Württembergerin ganz aus sein; und da der Herzog auf dem Turniere wegen der von Braunschweig sich auch verbindlich gemacht hatte: so wird er wohl mit dem Gelde der Elisabeth die Anna befriedigen müssen. Ihr begreift wohl, daß die Württemberger von Eurer Ehe nichts wissen dürfen, sonst wären ja die Strafgelder strittig.

ALBRECHT.
Aber zu alle dem bin ich ja nicht nötig! das hättet Ihr auch verrichten können!
TUCHSENHAUSER.

Es ist höchst weislich von Eurem Vater gehandelt, gnädiger Herr! denn seht Ihr, erstens bekräftiget Ihr ihm dadurch, daß Ihr zu dem in drei Tagen bestimmt gewesenen Aufgebot nicht mehr kommen wollt; zweitens ist's eine Prüfung von seiner Seite und ein Beweis des Gehorsams und Friedens auf der Eurigen; drittens gereicht's zu Eurer eigenen Ehre; da der Vorfall beim Turniere vermutlich viel Lärm und Aufsehens und Nachredens gemacht, so sieht man dann, wenn Ihr nach Wemding geht, daß Ihr mit Eurem Vater wieder gut seid: man wird eher glauben, Herzog Ernst habe sich übereilet. Endlich, wenn die Herzoge von Ingolstadt und Landshut auf die Uneinigkeit schon ihres Vorteils wegen gerechnet, so werden alle ihre Anschläge beizeiten zu Wasser, und von allem wird bald gar nicht mehr geredet. Viertens –

ALBRECHT.
Schon genug! wenn nur das alles so ist.
TORE.
Und warum zweifelt Ihr, gnädiger Herr? wir haben doch sicher Befehl, alles das zu sagen.
ALBRECHT.

Mein Vater sollte einwilligen? – so schnell? – ehe er mit Gundelfingen sprach? – – Aber wird Agnes meine Gemahlin dann?

TUCHSENHAUSER.

Sie ist's ja schon; und Euer Vater schreibt, [51] daß er's weiß: und bricht alle Unterhandlungen ab; ist das nicht klar genug? – Eben weil er mit Gundelfingen noch nicht gesprochen hatte, gab es seine Würde nicht zu, deutlicher zu schreiben.

ALBRECHT.
Wartet! Bald sollt ihr meinen Entschluß hören. Ab.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Tuchsenhauser. Tore.

TUCHSENHAUSER.
Ich hab' ihn schon. Er geht gewiß.
TORE.

Ja, wenn die Zenger nicht kälter dächten, und das Ding einsähen: Ihr hättet nicht aussetzen sollen, bis er sein Wort von sich gegeben hätte.

TUCHSENHAUSER.

Ei! mit Euerm Worte! daß er's dann auch von uns gefordert hätte? und das, Herr Ritter! wäre dann wohl gelogen gewesen? Ein eigener Entschluß hält fester, als ein beschwornes Wort. Wär' ich nur mit der Agnes auch so glücklich!

TORE.
Wollen sehen, wann er wieder kommt, ob's einmal mit ihm richtig ist.
TUCHSENHAUSER.
Unsere Leute habt Ihr ja gut beordert?
TORE.
Um Mittag kommen sie mit einem Salzzuge herauf und halten in der Aue ganz nahe am Schlosse.
TUCHSENHAUSER.
Daß man sie nur nicht wittre; sonst –
TORE.

Ja, ohne Geräusch wird's kaum ablaufen: darum haben wir auch hundert. Jetzt laßt uns ein wenig herumgehen; ich will die Gelegenheit ausspähen.

TUCHSENHAUSER.
Will auch sehen, ob ich an Hans Zenger kommen kann; wie er denkt?
TORE.
Und etwa dabei alles verraten?
TUCHSENHAUSER.
Herr Ritter! ich werde Euch das Fechten, und Ihr mich das Negociieren nicht lernen. Ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Agnesens Gemach.
Albrecht. Agnes. Hans Zenger. Percifal Zenger.

PERCIFAL ZENGER.
Das ist verdächtig! höchst verdächtig!
AGNES.
Jede Eure Abwesenheit ist mir schon Unglück.
PERCIFAL ZENGER.
Nein, das kann nicht angehen! wir müßten Verräter sein, wenn wir dazu rieten.
[52]
HANS ZENGER.

So sanft spricht Ernst nicht, wenn er wahr spricht; und das beschließt kein Rat, in welchem der Vicedom von Straubingen sitzt.

ALBRECHT.

Aber sollte denn Religion nicht den aufbrausenden Stolz niederschlagen? sollte mein Vater nicht auch Mensch sein? ein Herz haben? sich doch einbilden können, was ich fühle? bin ich denn nicht sein Sohn? hat er nicht schon sein Leben für meines gewagt?

PERCIFAL ZENGER.
Gnädiger Herr! damals galt's Euch, Euer Leben, seinen Sohn. Aber jetzt –
ALBRECHT.
Gilt's mehr als mein Leben.
HANS ZENGER.

Das denkt Ernst nicht; er kann's nicht: es läßt sich nicht denken, nur empfinden, und das nur von Euch.

AGNES.

Was sollte er denn wollen mit mir? mit einem harmlosen Weibe? das nicht schuf ihr Herz; sich nicht gab ihre Liebe: Gegenliebe freilich nicht verdiente; freilich doch wünschte, aber nicht suchte; die das ward, wozu sie Gott, er allein bestimmt hatte, und das sie bleiben muß, bis sie nicht mehr ist.

PERCIFAL ZENGER.

Oh! es giebt der Ränke und Schwänke viel in Gesetzbüchern; und wer hat je der Fürsten Gesetzbuch gelesen?

ALBRECHT.

Ich bin auch ein Fürst und kenne die Gesetze, die uns Gott ins Herz schrieb, als er uns schuf; worüber er zum Wächter das Gewissen setzte. – Wenn auch der ganze Rat dawider sich empörte, wird mein Vater die Stimme des Blutes nach verbraustem Sturme der Leidenschaft hören, so wie ich nun die höre der kindlichen Pflicht. Man kann zürnen über einen Vater, aufstehen gegen seine Gewalt; aber nur ein Verruchter kann dem Segensblicke des ausgesöhnten Vaters widerstehen.

HANS ZENGER.
Ihr verdientet, gnädiger Herr! einen Vater zu haben mit einem Herze wie Ihr.
ALBRECHT.
Und das hat er.
PERCIFAL ZENGER.
Schöner Beweis, den er Euch auf dem Turnier gab.
ALBRECHT.

Noch deutlicher der bei Alling. Lang regieren und nicht stolz sein; immer befehlen und nicht heftig werden, könntet ihr das? – Nein, Agnes! ich will schuldlos bleiben. Von Ernstens Rittern, Gewalt und Heere hätte ich dich erkämpft; ich kenne keine Gewalt, als die aufs Herz wirket, und leide keine andere: aber von meines Vaters Gnade will ich dich gerne haben; [53] dann wird Friede in meinem Busen wohnen, und Segen über uns schweben, und ganz uns werden die Wonne der Liebe.

AGNES.

Der Vater, der Euch zeugte, kann kein Tyrann sein, kann nicht betrügen. Geht! vollzieht seine Befehle und kommt bald wieder. – Gott! wenn du mir Glück vorbestimmtest, warum ist die Ahndung davon mir so schauerhaft?

ALBRECHT.

Liebe! es ist freilich anders im Fürstenstande, als in der ruhigen Klasse, in der du geboren wardst; doch du hast mein Herz, des Herzogs Wort, diese Männer und Freunde für dich, fürchte nichts.

PERCIFAL ZENGER.
Also fort, gnädiger Herr, soll's gewagt sein?
ALBRECHT.
Nicht gewagt. Ich soll's und ich will's.
HANS ZENGER.

Nun, merkt's Euch; wir haben keinen, keinen Teil daran, und uns trifft nie ein Vorwurf. Vorsicht werdet Ihr doch nicht auch ausschließen?

ALBRECHT.
Und welche?
HANS ZENGER.

Eine Schloßwache biet' ich auf, und die zween da draußen kommen mir nicht weg, bis Ihr wieder da seid. Das thu' ich für mich, als Pfleger hier, und solltet Ihr's auch nicht wollen.

ALBRECHT.
Wie? meines Vaters Gesandten gefangen halten?
ZENGER.

Sie werden gerne bleiben, wenn ihr Auftrag redlich ist; und ist er's nicht; so ist durchaus notwendig, sie als Geiseln zu behalten, und wer weiß, was dann alles ihr Aufenthalt hier verhindert?

PERCIFAL ZENGER.
Einen Tag können sie ja wohl zechen hier; und in anderthalb längstens seid Ihr so wieder da.
ALBRECHT.
Wenn sie's freiwillig thun, sei es, laßt sie kommen.
HANS ZENGER.
Ich gehe, und ein funfzig Knechte will ich auch bald haben. Ab.
AGNES.
In anderthalb Tagen!
ALBRECHT.
Aber dann!
AGNES.
Dann! – jenseits des Grabes ist auch ein Dann!
ALBRECHT.

Und das wird heißen: »Nach ruhig durchlebten Jahren einer wonnevollen Ehe; nach gezeugten Kindern der tugendhaften Liebe, nach erfüllten Fürsten- und Menschenpflichten –: dann ist es herübergekommen über das Grab, das Paar Albrecht und Agnes,« übermorgen ist das Dann – Freude, Genuß und Segen.

[54]
AGNES.

Unglaublich bleibt mein Innerstes, und meine Ahndung spricht dazu nicht Amen! – Laßt mich weg; ich mag sie nicht sehen, die Botschafter. Ihr nehmt doch Abschied?

ALBRECHT.
Ich komme; aber kein Abschied. Übermorgen bin ich wieder da, liebe Traurende!
AGNES.
Übermorgen? und was, was ist morgen? Ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Tuchsenhauser. Tore. Albrecht. Hans und Percifal Zenger.

ALBRECHT.
Ich gehe nach Wemding; dann nach München. Seid ihr nun zufrieden? und wird's mein Vater sein?
TORE.
Das dächt' ich! aber, bei Gott! das hätt' ich nicht erwartet.
ALBRECHT.

Weil ihr mich verkennet, ihr alle. Das Gefühl, das mich an Agnesen bindet, das bindet mich an meinen Vater.

HANS ZENGER.
Ihr werdet doch hier verweilen, bis der Herzog zurück kommt?
TUCHSENHAUSER.
Unser Auftrag ist, nach vollendetem Geschäfte wieder zurückzukehren.
HANS ZENGER.
Er ist ja vielleicht morgen wieder da.
ALBRECHT.
Dann gehen wir zusammen nach München.
TUCHSENHAUSER
stille zu Tore.
Merkt Ihr's, wie fein?
TORE
ebenso.

Die haben sich verrechnet. Gerade, wie wir's wünschen konnten. Laut. Gnädiger Herr! das können wir wohl thun, daß wir auf Euch warten.

TUCHSENHAUSER.
Unsere Ankunft wird dem Herzog in Eurer Gesellschaft desto willkommener sein.
ALBRECHT.
Also lebt wohl auf Wiedersehn! Ab mit beiden Zengern.
TORE.
In einer Stunde ist's Mittag, und sie sind da; schon ist ein Bote gekommen.
TUCHSENHAUSER.

Wie wir aber jetzt zu der Agnes kommen? der Zenger ist vorsichtig, und Ihr merkt wohl, daß man uns nicht trauet.

TORE.

Wißt Ihr was? redet Ihr, Herr von der Feder, mit ihr, ich bleibe dann beim Zenger, bereit, meinen Schwertstreich anzubringen, wenn's not sein wird.

TUCHSENHAUSER.
Wird sich schon geben.
TORE.
Das glaub' ich nimmermehr.

Beede ab.
5. Auftritt
[55] Fünfter Auftritt.
Albrecht. Hans und Percifal Zenger. Agnes. Frauen. Knechte. Alle bereit zur Reise.

AGNES
hält Albrechten bei den Händen.

Albrecht! noch nicht! noch nicht! daß ich dich noch sehe, noch höre! laß mir's noch tiefer eindrücken, dein Bild in meine Seele.

ALBRECHT
windet sich los.

Haltet sie; tröstet sie; ich kann ihre Qual nicht sehen; kann ihr nichts sagen: ihre Ahndungen könnten mich versteinern hier.

AGNES
man hält sie zurück; sie streckt ihre Arme gegen Albrechten.
Und du verstoßest mich! mein Albrecht! mein Gemahl! noch einmal! –
ALBRECHT
stürzt in ihre Arme.
Noch oft. Morgen wieder.
AGNES
heftig.
Nimmermehr! Fällt ohnmächtig.
PERCIFAL ZENGER
reißt Albrechten weg.
Jetzt, gnädiger Herr!
ALBRECHT
sieht sie starr an.
Wenn's wahr sein sollte, das Nimmermehr! –
HANS ZENGER.
So bleibt.
ALBRECHT.
Nein! ich gab mein Wort. Sorget für sie, Zenger!

Alle ab. Man schleppt Agnesen fort.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Agnesens Gemach.
Agnes. Frauen.

AGNES
erholt sich.

Albrecht! – Sieht um sich. Auf meinem Zimmer? – ha! nach! Steht auf: setzt sich wieder. Er ist fort! – fort!

FRAUEN.
Fort.
AGNES.
Fort? – – der liebe Mann; der Glückliche! er hofft wiederzusehen, was er liebt – Aber ich! –
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Hans Zenger. Die Vorigen.

HANS ZENGER.
Geht's nun besser, gnädige Frau?
AGNES.
Ach! mein Zustand kennt keine Besserung!
HANS ZENGER.
Ei! warum nicht gar? morgen ist morgen, und dahin sind nur vierundzwanzig Stunden.
[56]
AGNES.
Nur? – lieber Zenger, ein Augenblick bestimmt des Menschen Schicksal.
HANS ZENGER.

Eitel Schwärmerei, gnädige Frau! Wir wollen's bald hören, was Euer Schicksal ist; da ist der Kanzler Tuchsenhauser draußen, und der will durchaus in Ernstens Namen mit Euch sprechen; er sagt, er habe lauter gute Dinge Euch zu melden, und zum Beweis will sein Kamerade Tore derweil, daß er Euch spricht, Geisel sein.

AGNES.
Mich will er sprechen? von Ernstens wegen?
HANS ZENGER.

Ja, und vor Albrecht durfte er's nicht sagen, spricht er, es hätte sich nicht geziemet, daß sein Vater sich sobald so gut zeige, und was noch weiters der Federfuchser daher schwatzt. Hören könnt Ihr ihn immer, das Antworten steht ja bei Euch. Für alle Gewalt steh' ich; das Schloß ist nun mit funfzigen bewacht, und vor der Thüre werd' ich sein, und mich kennt Ihr!

AGNES.
Von Ernsten! – Gott! – laßt ihn herein!

Hans Zenger ab. Die Frauen ab.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Agnes. Tuchsenhauser.

TUCHSENHAUSER
für sich.
Schön und herrlich!
AGNES
auch so.
Ein alter Mann; er muß gelitten, gefühlt haben in seinem Leben: er wird ein Herz haben. Steht auf.
TUCHSENHAUSER.

Gott grüß' Euch, schöne Frau! – Ihr wißt, wer ich bin; von wem ich gesandt bin; Albrechts Abreise wird Euch die Macht meiner Aufträge bewiesen haben. Auch an Euch hab' ich welche.

AGNES.
Ich erwarte des Herzogs Befehl mit Demut und zitternd.
TUCHSENHAUSER.

Kein Zittern! keine Befehle! liebe Tochter! Ernst ist kein Tyrann; er regieret mit Güte. Gewalt wird ihm nur abgedrungen. Ich komme, Euch zu raten in seinem Namen in der traurigen, gefährlichen Lage, in der Ihr seid. Wer kann besser raten, als der Herr Eures Schicksals?

AGNES.
Das ist nur Gott! – doch was befiehlt der Herzog?
TUCHSENHAUSER.

Nochmal, er befiehlt nicht; er ratet. Aber dazu, nehmt's nicht übel, muß ich Euch vorerst kennen lernen und erfahren, wie Ihr denket.

[57]
AGNES.

Keiner meiner Gedanken ist verschwiegen dem Richter der Könige; der Herzog darf sie alle wissen. – Wird er sie wissen wollen? – und sie richten wie Gott? –


Sie setzen sich.
TUCHSENHAUSER.
Nun also; wer glaubt Ihr zu sein?
AGNES.

Ich war eine arme Bürgerstochter; – leider! weiß es nun Teutschland. – Ein unbescholtener Name und Keuschheit waren meine Aussteuer; Unschuld mein Reichtum, mein Verdienst. Gott that Wunderdinge an mir, sei's Glück oder Unglück, ich hatte keines verdient. – Nun bin ich Albrechts Weib vor Gottes Angesicht.

TUCHSENHAUSER.
Also wohl auch Herzogin?
AGNES.

Das ist ein Name, ein Name, den mir nur Bayern und Ernst geben können; den ich nie verlangen, auch nie wünschen werde, ich müßte denn sonst Albrechts Frau nicht sein können.

TUCHSENHAUSER.
Wenn's aber so wäre?
AGNES.
So würde ich wohl gerne dem herzoglichen Titel entsagen, nie dem heiligen Rechte einer Frau.
TUCHSENHAUSER.
Wenn man Euch aber bewiese, daß Ihr auch nicht Frau seid?
AGNES.
Herr Kanzler! Albrecht kann nicht trügen, noch weniger die Kirche.
TUCHSENHAUSER.

Trügen! wer sagt das? Gott bewahre! daß ich so von meinem gnädigen Herrn Albrecht spreche; aber man glaubt oft zu können, was man nicht darf; da haben die Leidenschaften immer Scheingründe vor sich zum Verführen und Nebel hinter sich zum Verblenden; die machen aber die That nicht gültiger.

AGNES.

Gelübde, aus dem innersten Gefühl unserer Herzen beschworen; Segen eines Priesters; Feierlichkeiten der Kirche; Zeugschaft von Rittern: sind das Blendwerke?

TUCHSENHAUSER.

Liebe! – darnach heiraten nur Eure Bürger und das Volk, das unter einander so wenig zu gewinnen als zu verlieren hat. Ein Priester, das ist noch die Kirche nicht; und ein paar mitverschworne Ritter, sollen die mehr als der Herzog, mehr als die bayerischen Stände, des Reichs Adel? und mißbrauchte Ceremonien mehr, als Ritter, Landes- und Reichsgesetze gelten? Bedenkt doch!

AGNES
steht auf.
Ich wäre nicht Frau? – und was wär' ich dann?
[58]
TUCHSENHAUSER.

Setzt Euch, ich will aufrichtig sein. Ihr habt Vernunft und sehet so wohl, wo mein Auftrag hinausgeht. – Ihr seid der unglückliche Gegenstand einer gesetz- und vernunftwidrigen Liebe. Seht Ihr's ein? so habt Ihr nur so einen wunderlichen Traum gehabt, aus dem Ihr zu einem glücklichen Leben noch erwachen könnt; seht Ihr's nicht ein? so seid Ihr eines von den Geschöpfen, die Gott hier unglücklich werden läßt, und da fragt ihn, warum? wollt Ihr's nicht einsehen? so –

AGNES.
So werde ich meine Ehre retten, meine Pflicht erfüllen, meine Liebe nicht verleugnen.
TUCHSENHAUSER.
Schön gesprochen; aber weder klug noch wahr in Eurem Munde.
AGNES.

Ich bin nicht mehr Mädchen und wäre nicht Frau? – Ich schwur Albrechten meine Treue, nahm seinen Eid, und bräche ich die Schwüre? – ich liebe ihn unaussprechlich, und verleugnete ich mein Herz? Gott! was wär' ich? – Ein verworfenes, entehrtes Weib, das zwischen den Peinen des Gewissens, dem Hohngelächter aller Welt, dem Nagen des Kummers und Elendes ihre rastlosen Tage und Nächte durchhungern, verweinen müßte. Ach, könntet Ihr lesen in meinem Herzen! sehen meine Seele! Ihr müßtet's gestehen: Ernst müßte es; das hab ich nicht verdient.

TUCHSENHAUSER.

Verdient? Glück und Unglück sind selten Belohnung und Strafe, Verhängnis sind sie; aber dafür ist wohl Rat bei Euch, wenn Ihr nur selbst wollt.

AGNES.
Ich kann nur das wollen, was ich thun kann; das bleiben, was ich bin; oder nicht mehr sein.
TUCHSENHAUSER.

Man sieht's Euch wohl an, daß Ihr verliebt seid! aber Ihr thätet wohl, das Ding ernstlicher zu beherzigen. Ich will meinen Auftrag kurz heraussagen, dann könnt Ihr wählen. Der Herzog wird nimmermehr Eure Ehe für gültig ansehen, auch nie Bayern, nie das Reich.

AGNES.
Armer, betrogener Albrecht, und du bist fort?
TUCHSENHAUSER.
Das hat Ernst auch geschworen und wird's halten.
AGNES.
Schwur er höher als bei Gott, bei dem wir schwuren?
TUCHSENHAUSER.
Euch bleibt übrig, entweder mit einem ansehnlichen Gehalt in ein entferntes Land zu reisen –
AGNES.
Mit Albrecht?
[59]
TUCHSENHAUSER.

Alleine – mit Eurem Vater. Oder einen jungen, braven Mann mit guter Aussteuer in Bayern, oder in Augsburg zu wählen; oder in ein Kloster Euch zu verbergen, bis –

AGNES.
Bis wann?
TUCHSENHAUSER.
Bis Albrecht das gethan, was Ihr nun thun solltet, wenn Ihr klug seid.
AGNES.
Ist kein Oder mehr?
TUCHSENHAUSER.
Bewahre mich Gott vor allem weiteren Oder!
AGNES.
Ich weiß noch eines. Das Herz soll mir im treuen Busen zerspringen; sterben!
TUCHSENHAUSER.

Wiederholt Euch selbst meinen Auftrag und denkt dabei, daß es um Ruhe des Staats, um Aufrechthaltung der Gesetze, um Albrechtens Herzogshut, um Ernstens Ehre, um Bayerns Thronfolge zu thun ist; vergleicht Euch mit diesen hohen Dingen und entschließt Euch dann. Über eine Weile komm' ich wieder. Bedenkt Euch!


Sie stehen auf.
AGNES.
Und wär' ich auch frei, so würde ich mich nicht bedenken. Lieber tot als Trennung, als Untreue.
TUCHSENHAUSER.

Hört! wenn ihr einander denn gar so unbegreiflich liebt, so ist's ja auch damit nicht aus: es ist ja nur um den Titel einer Frau zu thun; Ihr haltet ja selbst nicht auf Namen und Titeln.

AGNES.

Ich bin niedrig, aber über diesen Antrag geboren. Auch Albrecht, mein Albrecht mußte mein Gemahl sein. Sein Herz wählte nicht so tief.

TUCHSENHAUSER.
Ich kann Euch nur sagen und raten – bedenkt Euch!
AGNES.

Wenn ich dastehen sollte bis zum Gerichte der Welt; so würde ich's heiß fühlen, daß ich ihn überschwenglich liebe, und sagen, daß ich seine Frau bin.

TUCHSENHAUSER.
Es könnten Zeitpunkte kom men, wo Ihr weniger entschlossen sprächet.
AGNES.
Spricht man noch darüber jenseits des Todes?
TUCHSENHAUSER.
Agnes! Agnes! Ihr stürzet in Euer Verderben. Ich – bitte Euch – seht Euch vor!
AGNES.

Martert nicht mein armes Herz; seine Sprache ist unwillkürlich. Ihr und der Herzog und alle Welt könnt nicht auslöschen, was der Schöpfer hineingeschrieben.

[60]
TUCHSENHAUSER
für sich.

Nun muß ich höher sprechen; wahrhaftig es thut mir weh. Laut. Agnes! ich warne Euch zum letztenmal. Vielleicht hab' ich schon mehr gesagt, als der Würde dessen, der mich gesandt hat, und meiner eigenen anstund. Ich bedaure Euch, noch mehr Euren Eigensinn. Wißt, daß es ein Staatsverbrechen ist.

AGNES.

Ein Verbrechen? und mein Gewissen schweigt? und befiehlt mir zu beharren? – Was ist ein Staatsverbrechen?


Man hört läuten.
TUCHSENHAUSER.
Was läutet man?
AGNES.
Es ist Mittag.
TUCHSENHAUSER.
Diese Glocke läutet Euch kein gutes Zeichen.
AGNES
ängstlich.
Ich ahnde es; ich weiß es; mir wird so bange. – Albrecht! und du verließest mich!
TUCHSENHAUSER.
Entschließt Euch!
AGNES.
Ich bin ja entschlossen; hab's Euch ja oft gesagt; hab' nie gewanket.
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Tore. Die Vorigen.

TORE
bleibt an der Thüre stehen.
Es ist Zeit.
TUCHSENHAUSER
zu Agnes.
Hört Ihr's?
AGNES.
Gott! was soll mir geschehen? – wo ist Zenger? – o Albrecht!
TORE.
Soll ich?
TUCHSENHAUSER.
Ja! –

Tore ab.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Hans Zenger kommt von der andern Seite. Die Vorigen.

HANS ZENGER.
Herr Kanzler! wißt Ihr, wie Schurken und Verrätern mitgefahren wird?
TUCHSENHAUSER.
Wozu diese Frage?
HANS ZENGER.

Weil Ihr's an Euch bald selbst erfahren sollt. Folgt mir, gnädige Frau! Man hört Waffengetöse und Trommel.

TUCHSENHAUSER.
Verwegener! Agnes soll da bleiben, auf des Herzogs Befehl.
HANS ZENGER
zieht.
Verräter! das gilt mehr als dein Herzog. Will fort mit Agnesen.
11. Auftritt
[61] Elfter Auftritt.
Die Vorigen. Tore bringt mit einem Haufen sich schlagender Knechte herein. Agnese fällt ohnmächtig. Tuchsenhauser schleicht sich fort. Hans Zenger und Tore raufen durcheinander. Ein wütendes Gefecht. Hans Zenger deckt Agnesen, fällt neben sie hin, verwundet. Albrechts Knechte fliehen.

HANS ZENGER.
Albrecht! ich hab' dich gewarnet! –
TORE
deutet auf Agnesen.
Nehmt sie, tragt sie fort, hurtig. Ab mit den Knechten.

5. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Straubing. Rathaus.
Tuchsenhauser. Vicedom von Straubingen.

VICEDOM.

Sie ist gut verwahrt, sagt's dem Herzoge, vier schwere Ketten halten die Hexe gefesselt, die Kriegsgewitter über Bayern bringen wollte.

TUCHSENHAUSER.

Herr Vicedom! nicht zu viel! vergeßt nicht, daß Ihr nur Richter seid. Bei Gott! das arme Weib ist eine Närrin, aber unschuldig. Ich mußte sie Euch liefern; das war mein Auftrag.

VICEDOM.

Und glaubt Ihr, daß ich den meinigen nicht auch verstehe? Es giebt so Aufträge, die die Fürsten nicht deutlich geben: Ihr solltet's wissen, alter Hofmann! das sind die verbindlichsten.

TUCHSENHAUSER.

Leider wahr! vielleicht doch dieses Mal nicht. Aber Ihr, Herr Ritter! sprächet auch nicht so, wenn Euer rauhes, blutdürstiges Gemüt nicht da so ein willkommenes Schlachtopfer fände, und dieser bluttriefende Sieg nicht Eure Rache gegen Albrechten sättigte. O! man kennt auch euren Patriotismus, ihr Herren! die ihr statt Vernunft im Kopfe und eines Herzens im Busen ein Schwert an eurer Seite tragt.

VICEDOM.

Ihr seid ein Bürger, Kanzler und Rat des Herzogs, könnt sagen, was Ihr wollt: aber ich bin hier Vicedom und werde thun, was ich will. Beiseite. Halb hab' ich schon die Stimmen.

TUCHSENHAUSER.

Was der Rat beschließt, was die Gesetze gebieten, so will's der Herzog; dafür ist dem Staate Euer Amt, [62] vielleicht Albrechten Euer Kopf verpfändet, stolzer Mann! das sagt Euch der Bürger, der Eure Obrigkeit ist. Ich gehe, ich darf nicht bleiben; dringet auf Landesverweisung oder Verbergen in ein Kloster, das ist dem Staate genug; fließt Blut, so wiederströme es auf die, so es vergießen: ich bin unschuldig daran.

VICEDOM.
Man kann sterben, ohne Blut zu vergießen. Lebt wohl! morgen hat der Herzog Nachricht von mir.
TUCHSENHAUSER.
Wohl eher; denn wißt, daß er in Mallerstorf weilet; das sei Euch Warnung.Beede ab.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Kerker. Nacht.

AGNES
in schweren Ketten, angeschmiedet an einen Stuhl.

Es brennt eine Lampe. Eine stumme Scene der innigsten Wehmut. Wo bist du, mein Albrecht! wo? – Du reißest dich von Ketten los, die dich nicht banden, und deine Agnes halten eiserne Centner an Tod und Abwesenheit geschmiedet! »Morgen wieder! Morgen wieder!« Ach! für mich kein Morgen mehr, denn da oben ist's immer ein Tag; – aber die Nacht vor dem Tage gräßlich! erschrecklich! Nein, nicht gräßlich, mein Albrecht! hat dies Herz dich lieben können! hat's das Bürgermädchen gewagt: so wird sie auch sterben können. – Ich muß ja; es ist nicht einmal Opfer; ich kann ja dich nicht immer lieben. – – Aber Tod! Tod! – – oder sollte dieser schauerliche Ort meine Wohnung werden? mein lebendiges Grab? – Auch das! Küßt ihre Ketten. So seid ihr mein Brautschmuck! bei euch schwöre ich sie wieder, die ewige Liebe. O nicht schwer, wie ihr, aber eisern, fester noch sind die Bande unserer Liebe; kann ich doch euch nicht brechen. Pause. Sie weint. Aber verdient hab' ich doch Kerker und Fesseln nicht! nicht den Tod! – O mein Vater! deine Weissagung! – daß du mir doch vorangegangen wärest! – – und du, ohne den ich mir kein Leben denken kann, du, mein Einziger! mein Albrecht! wenn du es wüßtest! – warum ahndete es dir nicht auch? – Steht auf. Wenn er's erführe! wenn sein mächtiger Arm mich rettete! – O ja! dein guter Engel wird dich mahnen; dein Herz wird ängstlich dir klopfen, dein innerer Schauder wird dir sagen: Agnes ist fort, zum Tode; rette sie! rette sie! Die Thüre des Kerkers öffnet ein Waffenknecht, er schließt sie vom Stuhle los und sagt.

[63]
WAFFENKNECHT.
Folget zum Gericht! Er hält sie bei den Ketten, ab.
AGNES
ringt mühsam die Hände zum Himmel und beugt ein Knie.
Sprich du mein Urteil, Allmächtiger! Ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Gerichtssaal.
Vicedom von Straubingen. Vier Bürgermeister. Oberrichter. Elf Ratsherren.
Sie sitzen in Ordnung auf beiden Seiten, der Vicedom oben an, bei Lichtern.

VICEDOM.

Alle die Formalitäten da braucht's nicht! das hält nur auf, und hier kommt alles auf Schnelligkeit an.

BÜRGERMEISTER.
Aber, gestrenger Herr! die gottgeheiligte Justiz läßt sich wohl nicht präcipitieren.
ZWEITER BÜRGERMEISTER.
Und ein förmliches Verhör muß auf alle Fälle vorausgehen.
VICEDOM.

Ei was mit euren Schulfüchsereien! – dacht' ich's doch! ist das schon wunderlich genug, daß der Herzog euch noch braucht, um die Dirne in die andere Welt zu schicken. Da, Oberrichter! habt Ihr Fragpunkte; die leset Ihr vor, wir wollen bald klar sein. Zieht die Schellen an, es kommt ein Knecht. Führt sie vor! Knecht ab.

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Agnes wird ohne Ketten hereingeführt und unten an neben einem Stühlchen gestellt. Knechte ab. Alle schweigen und betrachten sie. Ein Schreiber schreibt beim Verhör, das langsam gehalten wird.

OBERRICHTER.
Agnes Bernauerin! warum steht Ihr vor Gericht?
AGNES.
Ich weiß es nicht, kenne auch das Gericht nicht.
VICEDOM.
Du stehst vor des Herzogs Vicedom und seinem Fraißgericht in Straubing.
AGNES.
Der Bernauerin Gericht war die Reichsstadt Augsburg; mein Richter ist der Herzog selbst und Gott.
VICEDOM.
Hier sollst du antworten. Das ist des Herzogs Wille, das beweisen dir deine Ketten.
AGNES.

Albrechts Unterthanen können seine Frau nicht richten, und der Vicedom nicht die Frau seines Feindes. Doch ich will antworten, wen hat Unschuld zu scheuen?

[64]
OBERRICHTER.
Wie kam's, daß Albrecht Euch lieb gewann?
AGNES.
Würdet ihr mich verstehen, wenn ich's euch sagte? weiß ich's selbst? – wir sahen uns und liebten.
OBERRICHTER.
Wie ging's weiter?
AGNES.

Er wollte mich besitzen! er mußte mich heiraten; er führte mich nach Voheburg; dort geschah's; das übrige, ach! wißt ihr ja selbst.

OBERRICHTER.
Was sind Eure Ansprüche?
AGNES.
Auf Albrechtens Herz und Treue; auf alle Rechte einer Frau.
OBERRICHTER.
Das Gericht sagt Euch, Eure Ehe sei nicht gültig. Was weiter?
AGNES.
Es kann nicht wider Gott sprechen, der uns verband.
OBERRICHTER.
Wenn Albrecht sich gültig vermählen wollte, ließet Ihr ihn frei?
AGNES.

O, das wird er nicht! – Doch gerne, wenn's sein Glück wäre; aber auch dann könnt' ich und dürfte es nicht.

OBERRICHTER.
Was hofft Ihr vom Gerichte? oder von der Gnade des Herzogs? oder von Albrechts Liebe?
AGNES.

Vom Herzoge sollt' ich hoffen, daß er das Albrechten gegebene Wort halten werde! von Albrechten eheliche Liebe und Treue bis an den Tod; von euch Gerechtigkeit.

OBERRICHTER.

Was könnte Euch zu andern Gesinnungen bewegen, auf die des Landes Ruhe und vielleicht Eure eigene Rettung sich gründen?

AGNES.

Meine Gesinnungen sind unwillkürliche Gefühle und geliebte heilige Pflicht. Nichts kann sie umstoßen.

OBERRICHTER.
Habt Ihr noch was zu sagen?
AGNES.

Daß ihr mich morden könnt, nicht verurteilen; daß ihr Albrechts Gemahlin ehren, euch der Unschuld doch erbarmen, oder zittern sollt vor ihrem Rächer da oben.

OBERRICHTER.
Wollt Ihr Eure Aussagen nochmal hören?
AGNES.
Sie stehen in meinem Herzen geschrieben.
VICEDOM
zieht die Schelle an; Knechte kommen; man führt Agnesen fort.

Habt ihr sie gehört, die stolze Dirne? – was ist da noch zu überlegen? Sterben, oder bürgerlicher Krieg! eine Welt muß zwischen die zwei gesetzt werden, oder es ist nichts gethan; geschwind muß es sein; sonst kommt Albrecht zurück, oder es reuet Ernsten gar; Verführung, Verrat, Empörung sind ihre Verbrechen; darüber sprecht! ersparet [65] euch Reden, die zu nichts taugen, die euch gefährlich werden könnten: eine schwarze Kugel in den Helm da, wenn ihr dem Herzoge treu seid: wenn euch Bayern lieb ist, wenn eine schwäbische Hure nicht eure Herzogin werden soll.


Der Helm geht herum. Die Räte ballotieren mit großer Bestürzung. Der Vicedom wird unruhig. Der Oberrichter sammelt die Stimmen.
VICEDOM.
Zählt, Oberrichter!
OBERRICHTER.
Acht weiße, acht schwarze Kugeln.
VICEDOM.

Also an mir? – so sterbe sie! Steht auf: die Räte auch; viele weinen. Nun, Oberrichter! die Anstalten! vorsichtig und schnell. Morgen bei Tages Anbruch. Für sich. Bis ihr's vernehmt, verliebter Junge! alter, guter Vater! hat der Vicedom Bayern und sich gerächet. Ab; alle folgen still und traurig.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Voheburg. Saal. Nacht.

Albrecht kommt mit Percifal Zenger und Knechte mit Fackeln herein. Hans Zenger liegt noch auf dem vorigen Platze auf dem Boden in seinem Blute.

ALBRECHT.

Keine Wache? – die Thore offen? – niemand entgegen? alles öde? – ha! was wollen die Waffentrümmer da aufm Boden? – Gott! Agnes!Erblickt Hans Zengern. Wer liegt dort? wie? seh' ich recht? Zenger! seid Ihr's?

PERCIFAL ZENGER.
Mein Bruder!
HANS ZENGER
ganz kraftlos.
Fort! wieder fort! gnädiger Herr! rettet Eure Agnes!
ALBRECHT.
Agnes! wo ist sie? was soll das?
HANS ZENGER.

Verrat! die Schurken haben sie geraubt; sie hatten hundert Mann; die Eurigen flohen; mich seht Ihr; da lieg' ich seit Mittag. Eilet, eilet, Straubing zu. –

ALBRECHT.
Waffen! meine Waffen! ha! wär' ich ein Donner, daß ich sie erreichen, zerschmettern könnte!
HANS ZENGER.
Lebt wohl, gnädiger Herr! daß ich Euch doch noch gesehen habe!
ALBRECHT.

Armer Zenger! treuer Freund! – Wut und Schmerz zerreißen mein Herz. Man bringt Waffen. Her! her! Waffnet sich, zieht. Dies Schwert, Zenger! rächet Euch und mich. Eure Hand, alter Biedermann! – Percifal bleibt, sorget für ihn!

[66]
PERCIFAL ZENGER.

Er stirbt: aber Ihr lebt noch, gnädiger Herr! ich ziehe mit Euch. Gute Nacht, Bruder! Euer Weib und Eure Kinder sind mein.

ALBRECHT.

Edler! – tragt ihn hinab zum Pfarrer; und noch einen Kuß, Freund! und noch einmal Rache geschworen in Eure ritterliche Hand. Ab.


Percifal Zenger küßt seinen Bruder und folgt. Knechte tragen Hans Zenger weg.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Straubing.
Ufer der Donau und die Brücke. Früher Morgen.
Menge Volks auf der Brücke und an den Ufern; Gewirre, Erwartung, Gemurre. Von der Stadt her kommt ein langsamer Zug von Waffenknechten. Agnes gebunden unter ihnen. Der Vicedom, der Oberrichter und einige Räte zu Pferde. Es wird Platz gemacht. Das Getöse wird lauter: auf einmal stille.

AGNES.
Wohin? wohin? – Gute Bayern? Eures Herzogs Albrechts Frau? Jammert.

Das Volk wird sehr laut.
VICEDOM.

Verhaltet ihr den Mund! Zum Volke. Glaubt's nicht; eine Hexe ist's, die man verbrennen sollte; eine Närrin.


Man schleppt sie auf die Brücke; alles drängt sich: man sieht Kähne auf der Donau.
AGNES
fällt auf die Knie, schreit.
Albrecht – Gott! – Barmherzigkeit! Windet sich unter den Henkern.
VICEDOM.
Stürzt sie hinab!
AGNES.
Mein Gott! Stürzt.

Das Volk schreit: sie ist hangen geblieben. Gnade! Gnade! Man hört Agnes aus dem Strome rufen: Helft! helft! das Volk schreit wieder wild durch einander: Helft ihr! helft ihr! fahrt ihr nach! stürzet den Vicedom hinein!
VICEDOM.
Henker! nimm die Geländerstange da und tauche sie unter.

Der Henker thut's; das Volk stürmt die Brücke; ein Reiter kommt, und ruft: Herzog Ernst kömmt in einer halben Stunde, sollt warten. Das Volk ruft: zu spät! stürmt wieder: der Vicedom flieht auf der andern Seite mit den Knechten und Räten: das Volk teils ihm, teils Agnesen nach, längs dem Ufer.
7. Auftritt
[67] Siebenter Auftritt.
Ufer der Donau nahe unter Straubing.
Albrecht. Percifal Zenger schnell vorbei mit Waffenknechten.

ALBRECHT
hält ein.
Was schwimmt da auf der Donau?
PERCIFAL ZENGER.
Kann's nicht sehen noch – Ein Weibsbild ist's – scheint gebunden zu sein.
ALBRECHT.

Agnes, Agnes ist's, meine Agnes! Will ins Wasser setzen; Percifal Zenger hält sein Pferd auf. Laß mich! laß mich zu ihr!

PERCIFAL ZENGER.
Nimmermehr!
ALBRECHT
springt vom Pferde; will in den Strom.
PERCIFAL ZENGER
hält ihn fest.
Gnädiger Herr! um Gottes willen! Zu den Knechten. Schwimmt hinein: holt den Leichnam da! Knechte ab.
ALBRECHT.

Laß mich! ich muß hin – ich, ihr Henker – ich, der zu spät kam –? ich, der den Schurken sie preisgab – laß mich! laß mich! Sie ringen.

8. Auftritt
Achter Auftritt.
Ernst. Gundelfing. Preisinger. Maxelrainer. Pienzenauer. Sandizeller. Tore. Gefolge, alle eilig. Die Vorigen.

ERNST.
Ha! was ist das?

Vom Pferde alle. Ernst läuft auf Albrechten zu. Zugleich ziehen Knechte den Leichnam ans Ufer. Albrecht erblickt sie beide zugleich. Percifal Zenger nimmt ihm sein Schwert; er merkt's nicht im Affekte.
ERNST.
Was willst du thun, mein Sohn?
ALBRECHT
fährt mit der Hand an den Platz des Schwerts.
Zum Spotte kommst du, Tyrann?

Alle Ritter umringen Albrechten. Man bringt den Leichnam unter einen Baum.
ERNST.

Ich verstehe deine Bewegung – Albrecht! das verdiene ich nicht von dir, denn dieses Deutet auf Agnesen. wollte ich nicht. Gott! in welchem Augenblicke mußt' ich kommen!

ALBRECHT
windet sich los, faßt Ernstens Hand: reißt ihn zum Leichnam.

Ihr wolltet's nicht? rühret an den Leichnam der Unschuldigen, daß er blute und zeuge gegen den Mörder. O Agnes! meine Agnes! und ich verließ dich? vertraute dich, Taube! den Geiern, die vom Würgen leben? Agnes! Starrt, im höchsten Grade des Schmerzens über den Leichnam stehend. Alle schweigen, den Blick auf ihn geheftet; nur Ernst wendet sich weg, [68] und verhüllt sein Gesicht. Albrecht faßt Agnesens Hand und läßt sie wieder fallen. Tot! – Tot! – und ich?Reißt Percifal Zengern das Schwert weg; dann zu Tore und Gundelfingen. Ha! Rache noch von euch, Verräter! Will auf sie los; Ernst hält ihn.

ERNST.

Ehre die Thräne deines Vaters – Entfernen mußt' ich sie ja von dir; – nur der Vicedom entriß sie dir so. Eben wollt' ich hin; ich hatte das Urteil gehört; hätt' es gemildert; – zu spät! Es war ihr Schicksal! räche dich an Gott! du sollst sehen –

ALBRECHT.

Weg, Mann! der mir ein Leben gab, das ich verfluche! weg! Gottes Gericht komm' über Euch! – Aber ihr, Will ausholen. in eurem Schurkenblute sollt ihr ersaufen! Alle wieder um ihn.

GUNDELFING.

Haltet ihn nicht. – Gnädiger Herr! hier steh' ich mit unbewaffneter Hand und sage, daß ich ein ehrbarer Ritter bin, und daß es die alle sind. Wir wollen es Euch beweisen morgen bei kühlerem Blute, oder haben wir nicht auch Schwerter?

PERCIFAL ZENGER.
Erinnert Euch des Streiches, den Ihr dem Vicedom auf dem Turniere gabt.
ALBRECHT.

Und auch der Gesandtschaften? des Briefes? Rache muß ich haben; Rache! blutige Rache! und sollte Vater und Vaterland darüber verbluten.

ERNST.
– Sohn!
GUNDELFING.

Gnädiger Herr! Thränen verdient dieser Leichnam; er fordert nicht Rache. Sehet ihn an und weinet, und preiset sie selig, daß sie vor Bayern starb. Ihr seid ihr Euern Herzogshut schuldig; ihr Tod ist Friede; ist Huldigung Eurer Unterthanen.

ERNST.

Und Thränen ihres Richters, Hochachtung ihrer Feinde sollen sie ins Grab begleiten, das ich ihr bauen werde, und Rache soll folgen dem Manne, der durch entheiligte Gesetze sie mordete.

ALBRECHT.

Begraben könnt ihr sie; begraben! – O Agnes! Stille alles. Zu Ernst. Und Ihr könnt weinen, weinen über sie?

ERNST.

Ja, mein Sohn! Priester will ich stiften und Nonnen, die an diesem Orte ewig singen, mich aussöhnen mit der Seele der Verbleichten, und zeugen von Ernstens Thränen über das Schlachtopfer des Staats.

GUNDELFING.
Und nennt sie »Frau« in der Urkunde; ihre Treue und Tugend haben sie geadelt.
[69]
SANDIZELLER.
Und Meistersänger sollen ihr ein Lied singen.
ALBRECHT.
Und der Vicedom soll sterben hier! und sein Wappen an ihrem Grabsteine zertrümmert werden!
ALLE.
Vergebung!
ERNST.
Vergebung ist deiner würdig, mein Sohn! laß Gott die Rache!
ALBRECHT.
Was wäre dann mein Trost?
ERNST.
Bayern.

Er umarmet halb seinen Sohn, der an den Baum über den Leichnam sich stützet. Die andern umher gruppiert.
[70]

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TextGrid Repository (2012). Törring, Josef August von. Drama. Agnes Bernauerin. Agnes Bernauerin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-57B5-D