[33] Tirso de Molina
Der Spötter von Sevilla und der steinerne Gast
(El Burlador de Sevilla y Convidado de Pietra)

[33]

Personen

Personen:

    • Don Diego Tenorio, Oberkammerherr des Königs von Kastilien.

    • Don Juan Tenorio, dessen Sohn.

    • Catalinon, Don Juans Diener.

    • Der König von Neapel.

    • Herzog Octavio.

    • Marques Don Pedro Tenorio, Don Juans Oheim, kastilischer Gesandter am Hofe zu Neapel.

    • Marques de la Mota.

    • Don Gonzalo de Ulloa, Großkomtur des Ordens von Calatrava.

    • Don Alonso (Alfonso XI.), König von Kastilien.

    • Herzogin Isabella.

    • Doña Anna, Don Gonzalo's Tochter.

    • Tisbea,
    • Belisa, Fischerinnen.

    • Aminta,
    • Belisena, Bäuerinnen.

    • Anfriso,
    • Coridon, Fischer.

    • Gaseno, Aminta's Vater.

    • Patricio, Aminta's Bräutigam.

    • Fabio, Isabella's Diener.

    • Ripio, Octavio's Diener.

    • Eine alte Zofe der Doña Anna.

    • Sänger, Diener, Wachen, Fischer, Landleute, Hofherren.

1. Akt

1. Szene
Erster Auftritt.
Zimmer im königlichen Palast zu Neapel.
Don Juan Tenorio. Isabella.

ISABELLA.
Herzog Octavio, dieser Ausgang ist
Der sicherste.
DON JUAN.
Ich schwör' euch, Herzogin,
Aufs neu: mein Wort erfüll' ich am Altar.
ISABELLA.
Mein Stolz sei eure Treu' und ächte Liebe!
Mein Glück sei, euch zu lieben!
DON JUAN.
Theure, ja!
ISABELLA.
Ich hol' ein Licht.
DON JUAN.
Was soll's?
ISABELLA
rasch ein Licht holend.
Mein Auge soll
Mein Glück bezeugen.
DON JUAN
schlägt ihr den Leuchter aus der Hand.
Und ich lösch' es aus.
[35]
ISABELLA.
O Himmel! Mann, wer bist du?
DON JUAN.
Wer ich bin?
Ein namenloser Mann.
ISABELLA.
Wie? bist du nicht
Der Herzog?
DON JUAN.
Nein.
ISABELLA.
Herbei, herbei, ihr Leute
Vom Schloß!
DON JUAN.
Halt, Herzogin! gieb mir die Hand!
ISABELLA.
Halte mich nicht, Verruchter! Auf, ihr Leute
Des Königs! Wache!
2. Szene
Zweiter Auftritt.
Die Vorigen. Der König von Neapel, ein Licht in der Hand.

KÖNIG.
Was ist das?
ISABELLA.
Der König!
Weh mir!

Verhüllt sich.
KÖNIG.
Wer bist du?
DON JUAN
sich in den Mantel bergend.
Wer denn soll es sein?
Ein Mann, ein Weib.
[36]
KÖNIG
für sich.
Hier gilt es Muth und Klugheit.

Laut.

He, Wachen! hier, nehmt diesen Mann gefangen!
ISABELLA.
Weh der verlornen Ehre!
3. Szene
Dritter Auftritt.
Die Vorigen. Don Pedro Tenorio. Wachen.

DON PEDRO.
Hoher Herr,
So lauter Lärm im fürstlichen Gemach?
Was ging hier vor?
KÖNIG.
Euch brauch' ich grad, Don Pedro
Tenorio. Nehmt mir diese Zwei in Haft!
So kurz ich bin, so gründlich sollt ihr sein.
Erforscht, wer Beide sind; doch insgeheim
Soll es geschehn, denn ich vermuthe Böses.
Säh' ich mir selbst die Sache an, dann bliebe
Nichts übrig mir, als klar darin zu sehn.

Ab.
4. Szene
Vierter Auftritt.
Isabella. Don Pedro. Don Juan. Wachen.

DON PEDRO.
Ergreift ihn!
DON JUAN.
Ha, wer wagt's? Ich kann das Leben
Verlieren; doch verkauf' ich es so theuer,
Daß es noch Manchen reuet.
DON PEDRO.
Tödtet ihn!
[37]
DON JUAN
zieht.
Wer täuscht euch? Sterben will ich eher! denn
Ich bin ein Edelmann, bin vom Gefolge
Des spanischen Gesandten; ihm allein
Ergeb' ich mich.
DON PEDRO.
– – Geht all' bei Seite; geht
Mit diesem Weib dort in das Zimmer.
Wachen ab mit Isabella.
5. Szene
Fünfter Auftritt.
Don Juan. Don Pedro.

DON PEDRO.
Jetzt
Sind wir allein; hier zeige deinen Muth.
DON JUAN.
Muth hab' ich, Oheim; doch nicht gegen euch.
DON PEDRO.
Sag', wer du bist.
DON JUAN.
Ich sagt' es schon; dein Neffe.

Enthüllt sich.
DON PEDRO.
O weh, mein Herz! ich fürchte Frevelthat.
Was thatest du, Feind meiner Ruh? Warum
Hier so verhüllt? Sag' eilg, was es giebt.
Ha, Frecher! morden möcht' ich dich, Rebell.
Sprich jetzt!
DON JUAN.
Mein Herr und Ohm, ich bin ein Jüngling;
Ein Jüngling warst auch du. Du kennst die Liebe;
Drum finde meine Lieb' Entschuldigung.
Und weil du Wahrheit mich zu sagen zwingst,
[38] So hör'; ich will sie sagen: Isabella,
Die Herzogin, hab' ich getäuscht, gebrochen
Der Liebe Frucht ...
DON PEDRO.
Hör' auf; halt ein. Wie hast
Du sie getäuscht? Sprich leise, oder schweig.
DON JUAN.
Ich gab mich für den Herzog, für Octavio ...
DON PEDRO.
Nicht weiter! Schweig; genug!

Für sich.

Ich bin verloren,
Wenn es der König hört. Was soll ich thun?
List soll mir helfen in so bösem Handel.

Laut.

Sprich, Bube: war's dir nicht genug, daß du
Gewaltsam solchen Frevel schon geübt
In Spanien einst an einem edlen Weibe;
Jetzt in Neapel auch, im Schloß des Königs,
An solcher hohen Frau? Gott strafe dich,
Amen! – Dein Vater sandt' aus Spanien
Dich nach Neapel, wo das schäumende
Gestade des ital'schen Meers dich aufnahm,
Erwartend für so gastlichen Empfang
Den Zoll der Dankbarkeit; und du besteckst
Des Landes Ehr' in solcher hohen Frau! – –
Doch hier ist jede Zögerung Verderben;
Was willst du thun?
DON JUAN.
Entschuldigung verschmäh' ich,
Denn eine schlimme hätt' ich euch zu geben.
Mein Blut ist eures: nehmt es hin; es zahle
Die Schuld. Zu euren Füßen biet' ich mich;
Hier ist mein Schwert.
DON PEDRO.
Steh auf und zeige Muth;
Von deiner Demuth fühl' ich mich besiegt.
Wirst du hier vom Balkon zu springen wagen?
[39]
DON JUAN.
Ich wag' es; Flügel giebt mir deine Gunst.
DON PEDRO.
So rett' ich dich. Du gehst nach Mailand oder
Sicilien, wo du im Verborgnen lebst.
DON JUAN.
Ich thu' es ungesäumt.
DON PEDRO.
Gewiß?
DON JUAN.
Gewiß.
DON PEDRO.
Und meine Briefe melden dir alsbald,
Wie sich entwickelt dieser böse Handel,
Den du verschuldet.
DON JUAN
für sich.
Mir zur Lust gedieh er. –

Laut.

Ja, schuldig war ich, und gesteh's.
DON PEDRO.
Dich täuscht
Dein Jugendmuth. – Hinunter vom Balkon!
DON JUAN
für sich.
Voll Jugendmuthes, der mich nimmer täuscht,
In sichrem Hoffen jetzt – – nach Spanien!

Ab.
6. Szene
Sechster Auftritt.
Don Pedro. Der König.

DON PEDRO.
Schon hab' ich dein gerechtes Machtgebot
Vollführt, mein hoher Herr; der Jüngling – –
KÖNIG.
Starb?
DON PEDRO.
Er ist dem Racheschwert entflohn.
[40]
KÖNIG.
Wie das?
DON PEDRO.
So kam es: kaum war dein Befehl gesprochen,
Als, ohn' Entschuldigung zu suchen, rasch
Er nach dem Schwerte griff. Er wirft den Mantel
Um seinen Arm; mit kühner Schnelle dringt
Er auf die Wachen ein; den Tod schon nah
Erblickend, kämpft er sich hindurch und schwingt
Sich vom Balkon hinunter in den Garten.
Ihm folgen deine Leute rasch; und wie
Sie durch die Thüre dringen, finden sie
Ihn mit dem Tode kämpfend. Aber wie
Sich eine Schlang' entringelt, springt er auf;
Und unter ihrem Ruf: Er sterb', er sterbe!
Enteilt er, blutgebadet sein Gesicht,
Mit jähem Heldenmuth, daß mich Bestürzung
Ergriff. – Das Weib, – 's ist Isabella, Herr;
Ich seh' dich staunen bei dem edlen Namen! –
Dort ins Gemach sich bergend, sagt, es sei
Herzog Octavio, der durch Trug und List
Sie überwand.
KÖNIG.
Was sagst du?
DON PEDRO.
Herr, ich sage,
Was sie mir selbst bekannt.
KÖNIG.
Ach arme Ehre!
Wenn du des Mannes Seele bist, warum
Vertraut man dich dem unbeständ'gen Weib,
Das doch der Leichtsinn selber ist? – He da!
[41]
7. Szene
Siebenter Auftritt.
Der König. Don Pedro. Ein Diener.

DIENER.
Mein hoher Herr?
KÖNIG.
Bringt vor mein Angesicht
Mir jenes Weib.
DON PEDRO.
Schon kommt mit ihr die Wache.
8. Szene
Achter Auftritt.
Die Vorigen. Isabella. Wache.

ISABELLA
für sich.
Mit welchen Augen schau' ich auf zum König!
KÖNIG.
Entfernt euch! Hütet des Gemaches Thür.

Wache und Diener nach dem Hintergrund.

Sprich, Weib! welch Mißgeschick, welch böser Stern
Riß dich dahin, daß du, so schön und stolz,
Entweihtest meines Schlosses Schwelle?
ISABELLA.
Herr! ...
KÖNIG.
Schweig! denn die Zunge kann den Frevel nicht
Vergolden, den du mir zum Hohn begingst.
Herzog Octavio war es also –?
ISABELLA.
Herr!
KÖNIG.
Nicht hilft die Macht, nicht Wachen, Diener, Mauern,
Noch wohlbewehrte Zinnen gegen Liebe;
[42] Die Macht des kind'schen Gottes dringt ja selbst
Bis zu den Todten! – Augenblicks, Don Pedro
Tenorio, führt sie ins Thurmverließ!
Dann laßt den Herzog insgeheim verhaften;
Ich werd' ihn zwingen, ihr sein Wort zu halten.
ISABELLA.
Herr, wendet euer Angesicht zu mir!
KÖNIG.
Habt hinter meinem Rücken ihr gesündigt,
So wend' ich strafend euch den Rücken zu.

Ab.
9. Szene
Neunter Auftritt.
Isabella. Don Pedro. Wachen.

DON PEDRO.
Kommt, Herzogin!
ISABELLA.
Nie giebt's Entschuldigung,
Die mein Vergehen tilge; doch der Fehler
Ist minder groß, wenn ihn Octavio bessert.
Alle ab.
10. Szene
Zehnter Auftritt.
Wohnung des Herzogs Octavio.
Herzog Octavio. Ripio.

RIPIO.
So früh erhebst du dich vom Lager, Herr?
OCTAVIO.
Ach! keine Ruhe kann das Feuer dämpfen,
Das Lieb' in meinem Herzen hat entflammt!
Denn Liebe ist ein Kind: sie sehnt sich nicht
Nach weichem Bett, zu ruhn in weichem Linnen,
[43] Bedeckt von weißem Hermelin; sie legt
Sich nieder, doch sie ruhet nicht; sie will
Früh wachen stets, und aufstehn nur zum Spielen.
Denn spielen will sie, als ein Kind. Gedanken
An Isabella scheuchen meine Ruh;
Denn da sie stets in meiner Seele lebt,
So geht mein Körper stets umher als Wache,
Anwesend oder gegenwärtig hütend
Die Burg der Ehre.
RIPIO.
Deine Liebe, Herr, –
Verzeih mir, – ist ein unvernünftig Ding.
OCTAVIO.
Was sagst du, Thor?
RIPIO.
Ich sag': 's ist unvernünftig,
Zu lieben, wie – – du liebst. Willst du mich hören?
OCTAVIO.
Nun denn?
RIPIO.
Nun denn: liebt Isabella dich?
OCTAVIO.
Ha, Dummkopf, darfst du das bezweifeln?
RIPIO.
Nein;
Doch wollt' ich fragen. Und du liebst sie auch?
OCTAVIO.
Ja.
RIPIO.
Nun, bin ich ein Pinsel nicht (wenn auch
Von hohem Adel), wenn ich den Verstand
Für die verliere, die ich lieb', und die
Mich liebt? Wenn ihr so völlig gleich euch liebt,
Wer hindert, daß ihr gleich zur Trauung geht?
[44]
11. Szene
Elfter Auftritt.
Octavio. Ripio. Ein Diener.

DIENER.
Der spanische Gesandte steigt soeben
Im Thorweg ab; mit zürnend rauhem Ton
Begehrt er, dich zu sehn; und wenn ich recht
Gehört, so hör' ich von Verhaftung reden.
OCTAVIO.
Verhaftung? und weswegen? – Laßt ihn ein.
Der Diener ab.
12. Szene
Zwölfter Auftritt.
Die Vorigen. Don Pedro. Wachen.

DON PEDRO.
Ei! wer so sorglos schlummern kann, hat wohl
Ein rein Gewissen.
OCTAVIO.
Wenn eur' Excellenz
So durch Besuch mich ehrt, darf ich nicht schlummern;
Ich wachte lebenslang um solche Gunst.
Doch wozu euer Kommen, und warum?
DON PEDRO.
Der König hat mich hergesendet.
OCTAVIO.
Wenn
Mein Herr und König jetzo meiner denkt,
Gebührt sich's, daß ich ihm das Leben opfre.
Sagt, welch ein Stern hat über mir gewaltet,
Daß sich der König mein erinnerte?
DON PEDRO.
Nein, Herzog; euer Unstern wollt' es so.
[45] Des Königs Abgesandter komm' ich her,
Und seine Botschaft bring' ich euch.
OCTAVIO.
Marques,
Mein Herz ist ruhig. Sprecht; ich steh' erwartend.

Die Wachen ziehen sich auf einen Wink Don Pedro's zurück.
DON PEDRO.
Euch zu verhaften, hat der König mich
Gesandt; erschreckt nicht.
OCTAVIO.
Ihr nehmt auf Befehl
Des Königs mich gefangen? Welcher Schuld
Bin ich bezichtigt?
DON PEDRO.
Besser wißt ihr das,
Als ich; doch täusch' ich mich, hört die Enttäuschung,
Und weshalb mich der König hergesandt.
– Des Himmels schwarze Riesen hatten früh
Zusammen schon gerollt die düstern Zelte,
In Eile vor der Morgendämmerung
Entfliehend, Wolke strauchelnd über Wolke:
Und noch befand ich mich bei Seiner Hoheit,
Verhandelnd manch Geschäft; es sind ja stets
Die großen Herrn der Sonne Antipoden.
Da hören wir den Angstschrei eines Weibes;
Das Echo, durch die hehren Wölbungen
Vertausendfacht, ruft: Hilfe! Bei dem Schrei'n
Und Lärmen eilt der König selbst hinzu,
Und findet Isabella in den Armen
– – Wohl eines Manns von hohem Rang; ja wer
Sich an den Himmel also frevelnd wagt,
Ist ein Gigante, ist ein Ungeheuer.
Der Fürst befahl mir, Beide zu verhaften,
Und ließ mich mit dem unbekannten Mann.
Ich eilt', ihn zu entwaffnen; doch mich dünkt,
Es hab' in ihm ein Teufel menschliche
[46] Gestaltung angenommen; denn gleichwie
In Rauch und Staub verwandelt, stürzt' er sich
Vom Fenster zu den Ulmen nieder, die
Die reichen Säulen des Palasts bekrönen.
Die Herzogin ließ ich verhaften; und
In Aller Gegenwart sagt sie, es sei
Herzog Octavio, der des Gatten Recht
Bei ihr geübt.
OCTAVIO.
Was sagt ihr?
DON PEDRO.
Was bereits
Der ganzen Welt bekannt, was klar bewiesen,
Was Isabella tausendfach ...
OCTAVIO.
Laßt mich!
O sagt mir nicht so gräßlichen Verrath
Von Isabella! – – – Doch wenn ihre Ehre
Nur Täuschung war? – – Fahrt fort. Was schweigt ihr? Habt
Ihr Gift für mich, ein festes Herz zu brechen,
So kann ich sagen, jetzo ahm' ich nach
Der fabelhaften Viper, die durch's Ohr
Empfängt, um zu gebären durch den Mund.
– Ist's wahr, mein Herz, daß Isabella mich
Vergessen hat, um mich zu morden? Ja!
Denn ach! das Gute schläft, das Böse wacht.
Mein Herz hat nun nichts mehr zu fürchten; ja,
Darin erkenn' ich eines Weibs Gelüste!
O welch ein herbes Weh, daß all dies eindrang
Mir ins Bewußtsein, und das Ohr vernahm,
Was durch des Auges Zeugniß wird beglaubigt!
Ist's möglich, Herr Marques? hat Isabella
Mich so getäuscht, gespottet meiner Liebe?
Unmöglich scheint's. O Weib! o schreckliches
Gesetz der Ehre! – Gegen wen mich wenden? – – –
[47] Doch ist nicht deine Ehre ein Betrug? – –
Im Schloß ein Mann, zu Nacht, bei Isabella!
Ich werde toll!
DON PEDRO.
So wahr in Lüften Vögel
Und Fische sind im Meere, die da allen
Vier Elementen wechselnd angehören;
So wahr im Ruhm ist Wonne, Treu' in Freunden,
Und Dunkel in der Nacht, und Licht im Tage:
So wahr ist Wahrheit, was ich euch gesagt.
OCTAVIO.
Schon glaub' ich euch. Nichts kann mich mehr erstaunen:
Das treuste Weib ist nur ein Weib. Ich kann
Nicht zweifeln; meine Schmach ist offenbar.
DON PEDRO.
Da ihr erfahren seid und klug, so wählt,
Was euch am besten sei.
OCTAVIO.
Abwesenheit
Gewährt vielleicht mir Heilung.
DON PEDRO.
So ergreift
Das Mittel rasch.
OCTAVIO.
Nach Spanien will ich segeln,
Und enden dort mein Leid.
DON PEDRO.
Durch's Gartenthor
Entgeht ihr der Verhaftung, die euch droht.
OCTAVIO.
O Wetterfahne! o gebrechlich Rohr!
Mir schwillt das Herz in Wuth. In fremde Lande
Treibt mich's, um deiner Tücke zu entfliehn.
Leb wohl, mein Vaterland! Bei Isabella
Ein Mann im Schloß! o Gott! ich werde toll.
Beide ab.

[48]
13. Szene
Dreizehnter Auftritt.
Meeresufer bei Tarragona.

TISBEA
eine Angelruthe in der Hand.
So vieler Mägdelein
Jasmin- und Rosenfüßchen
Am Strand hier küßt die Welle,
Von allen doch allein
Bin ich nur frei der Liebe,
Bin ich allein beglückt;
Und strengen Sinns verschmäh' ich
Ihr Band, das Thoren drückt.
Hier, wo die Sonne grüßend
Vom Schlaf die Wellen weckt,
Und heitres Blau sie anlacht,
Wenn Dunkel sie geschreckt;
Im zarten Sand des Ufers,
Der bald wie Perlen sprüht,
Und bald wie Sonnenstäubchen
Vom Gold der Strahlen glüht;
Hier lauschend auf der Vöglein
Zärtliche Liebesklagen,
Und auf der Quellen Wettstreit,
Die durch's Gestein sich jagen;
Bald mit der Angelruthe,
Die schwankend sich gebogen
Vom Fang des dummen Fischleins,
Das zappelnd peitscht die Wogen;
Bald mit dem breiten Netze,
Das Alles fängt zumal,
Was in den dunkeln Wellen
Tief wohnt im Muschelsaal:
Hier kann in Ruh die Seele
Der Freiheit Lust erwerben; –
[49] Des Basilisken Liebe
Kann ja kein Gift verderben! –
Und wenn der Mägdlein tausend
Vergehn in Liebesleid,
Wie ich sie All' verlache,
So bin ich Aller Neid.
O Glück, daß du mich, Liebe,
Schonend vorübergehst!
Wenn du nicht gar mein Hüttchen,
Weil es so klein, verschmähst.
Nur Obelisken zieren's
Von Stroh, ländliche Kronen,
Wo tolle Turteltäubchen,
Cicaden traulich wohnen.
In Stroh hüll' ich die Ehre,
Wie Frucht, von Saft geschwellt;
Wie Glas in Stroh man hüllet,
Damit es nicht zerschellt.
Die Fischer all, die schützet
An diesem Silberstrande
Das kühne Tarragona
Vor der Piraten Bande,
Entzück' ich und verschmäh' ich,
Fühllos bei ihren Plagen,
Grausam bei ihrem Flehen,
Ein Fels bei ihren Klagen.
Anfriso, dem vor Allen
Des Himmels mächt'ge Hand
An Leib und Seele Gaben
In Fülle zugewandt;
Gewohnt, nur karg mit Worten,
Mit Thaten reich zu zahlen,
Verschmähung sanft zu tragen,
Und still zu dulden Qualen: –
In eisiger Nacht umschweift er
Mein schweigendes Gemach,
[50] Verjünget, trotz dem Winter,
Mein strohbedecktes Dach;
Mit grüner Ulmen Zweigen
Schmückt er es mannigfach:
So wacht es auf, umgürtet
Von Liebesschmeichelei.
Bald auch mit süßer Zither
Und klingender Schalmei
Bringt er mir manches Ständchen;
Doch bleib' ich Eis dabei.
Die Liebe streng beherrschend,
Tyrannin aller Herzen,
Ist Wonne mir sein Leiden,
Und Stolz mir seine Schmerzen.
Die Mädchen all ersterben
Um ihn in Liebesnoth;
Ich gebe durch Verschmähung
Allstündlich ihm den Tod.
'S ist ja die Art der Liebe,
Daß man nach Herzen trachtet,
Die hassen, und verschmähet
Ein Herz, das glühend schmachtet;
Sie stirbt, wenn man ihr schmeichelt,
Lebt, wenn man sie verachtet.
So leb' ich froh, weil nimmer
Von Schmeichelei bethört,
Die Jahre meiner Jugend
Kein Pfeil der Liebe stört. – –
Doch nicht mit loser Rede
Will ich die Zeit verbringen,
Nicht meine Arbeit stören
Mit so unwicht'gen Dingen.
Ich geb' zum Spiel den Lüften
Der Angel dünnes Rohr;
Dem Mund des blöden Fischleins
Werf' ich den Köder vor.
[51] – – Doch sieh! zwei Männer springen
Aus jenem Schiff ins Meer,
Eh es die Flut verschlinget.
Von dorten kam es her;
Nun hängt es an den Klippen,
Vom Strudel umgetrieben.
Wie sein Verdeck, sein Prachtbau,
Im Augenblick zerstieben!
Die Flut dringt ein zur Seite;
Sein Mastkorb geht verloren:
Den haben sich die Winde
Zum Wohnsitz auserkoren;
Fürwahr, ein rechter Wohnsitz
Für derlei wilde Thoren!
CATALINON
hinter der Bühne.
Ich sinke! helft!
TISBEA.
Ein Jüngling
Bewältigt kühn die Flut,
Dem Rufenden zu helfen;
O edler Heldenmuth!
Er nimmt ihn auf die Schultern;
Als ein Aeneas er,
Als ein Anchises Jener,
Wenn Troja ist das Meer.
Er theilt mit Kraft die Wogen;
Das nenn' ich kühn geschwommen!
Doch seh' am Strand ich Niemand,
Seh' keine Hilfe kommen.
Herbei, Anfriso, Alfred,
Tirseo! helft! Mich sehen
Die Fischer dort; o könnten
Sie meinen Ruf verstehen!
– O Wunder! Beide landen;
[52] Doch sinkt ohn' Athemzug
Der Jüngling; Jener lebet,
Den er ans Ufer trug.
14. Szene
Vierzehnter Auftritt.
Tisbea. Catalinon, Don Juan in den Armen tragend.

CATALINON.
Ei potztausend, welch Gewässer!
Und wie salzig schmeckt das Meer!
Ja, wer gern geborgen wär',
Hier im Trocknen schwimmt sich's besser;
Draußen, wo die Todeswellen
Stürmen, ist's ein Narrenspiel. –
Dort, wo Wassers quillt so viel,
Ließ' Gott so viel Weins doch quellen!
Herr! – – Er liegt in Eises Starrheit.
Herr! – – Ist er gar mausetodt?
Ach! das ist des Meeres Noth;
Das ist meine eigne Narrheit.
Fluch auf ihn, der gottvergessen
Fichten sät' in Meereswellen,
Und mit schwachem Kiel die schnellen
Bahnen hat zuerst durchmessen!
Jason sei verflucht fortan!
Typhis sei verflucht desgleichen! –
Muß mein Herr so früh erbleichen! –
Was beginn' ich armer Mann?
Weh! wer konnte das vermuthen!
TISBEA.
Mann, der du mit Jammerstimme
Klagst, was hast du?
CATALINON.
Vieles Schlimme,
Mangel auch an vielem Guten
[53] Mich zu retten aus dem Meer,
Litt mein Herr den Tod; sieh her!
TISBEA.
Nein, er athmet noch. Fort! fort!
Heiß hieher die Fischer eilen,
Die in jener Hütte weilen.
CATALINON.
Kommen sie denn auf mein Wort?
TISBEA.
Du wirst sehn, sie kommen gern.

Catalinon will gehen.

Doch wer ist er? sprich, erwiedre!
CATALINON.
Dieser Jüngling ist der biedre
Sohn des Oberkammerherrn
Unsers Königs; und wir waren
Nach Sevilla just gefahren,
Wo des Königs Hoheit wohnt;
Und bald werd' ich Graf mich nennen,
Wenn er mir nach Würden lohnt.

Will gehen.
TISBEA.
Seinen Namen möcht' ich kennen;
Sprich.
CATALINON.
Don Juan Tenorio heißt er.
TISBEA.
Rufe meine Leute!
CATALINON.
Gleich!

Ab.

[54]
15. Szene
Fünfzehnter Auftritt.
Tisbea. Don Juan.

TISBEA
nimmt seinen Kopf auf ihren Schooß.
Edler Jüngling, anmuthreich!
Athmet, sammelt eure Geister!
Sprecht!
DON JUAN.
Wo bin ich?
TISBEA.
In den Armen
Eines Weibes; könnt's ja sehn!
DON JUAN.
Sollt' im Meer ich untergehn,
So zum Leben zu erwarmen?
Nicht mehr fürcht' ich, zaghaft, feige,
Daß ertränke mich die Welle,
Da ich aus des Meeres Hölle
Auf zu eurem Himmel steige.
Ja, darum hat der Orkan
Meines Schiffes Kiel zerschlagen,
Euch zu Füßen mich zu tragen,
Die mir Schutz und Heil fortan.
TISBEA.
Ei, viel sprecht ihr auf ein Mal,
Ihr, dem ja der Athem fehlte!
Da euch Meeressturm erst quälte,
Habt ihr wieder Sturm und Qual. –
Doch wenn Pein die Wogen bringen,
Und wenn Folter ist die See,
Mag nur dieser Folter Weh
Dieß Geständniß euch entringen.
Wohl habt ihr aus euren Schmerzen
Eurer Rede Trank gesogen;
[55] Aus dem Salz der Meereswogen
Kam das Salz in euren Scherzen.
Wenn ihr schweigt, dieß Schweigen spricht;
Da ihr sterbend hier gelandet,
Scheint's, daß ihr gar viel empfandet.
Gebe Gott, ihr lüget nicht!
Ein trojanisch Roß, aus Fluten
Wurdet ihr ans Land gezogen,
Kamt als ein Gebild der Wogen,
Und seid doch gefüllt mit Gluten.
Wenn ihr naß entflammt, wie bricht
Erst die Glut aus, wenn ihr trocken?
Feurig wißt ihr zu verlocken;
Gebe Gott, ihr lüget nicht!
DON JUAN.
Ließe Gott mich dem Verderben
Doch im Meere nicht entrinnen!
Dann würd' ich bei vollen Sinnen,
Nicht um euch in Wahnsinn sterben.
Denn in seinen Silberfluten,
Die den Strand erzürnt umschränken,
Konnte mich das Meer ertränken,
Nicht verzehren mich in Gluten.
Seid ihr wohl der Sonn' entstammt,
Daß ihr gleich der Sonne waltet?
Daß, obwohl aus Schnee gestaltet,
Euer Anblick schon entflammt?
TISBEA.
Eurer Glieder Kälte trügt;
Ihr seid's, der von Flammen sprühet,
Wenn in meinem Blick ihr glühet –
Gebe Gott, daß ihr nicht lügt!
[56]
16. Szene
Sechzehnter Auftritt.
Die Vorigen. Catalinon. Anfriso. Coridon. Mehrere Fischer.

CATALINON.
Sieh, schon kommen Alle her.
TISBEA.
Und schon lebt dein Herr.
DON JUAN.
Das Leben,
Das ich eingebüßt im Meer,
Hat dein Blick mir neu gegeben.
CATALINON.
Was befiehlst du?
TISBEA.
Coridon! – –
Hört, – – Anfriso! Freunde! – –
CORIDON.
Alle
Forschen wir, was dir gefalle;
Dir zu dienen, ist uns Lohn.
Sag, Tisbea, dein Begehren;
Und dein nelkenrother Mund
Thut es kaum dem Jüngling kund,
Der nur strebt, dich zu verehren,
So wird er die tiefsten Klüfte,
Berge, die sich hochauf thürmen,
Wird er Land und Meer durchstürmen,
Feu'r und Wasser, Erd' und Lüfte!
TISBEA
für sich.
Gestern, wie so leicht noch wogen
Schmeichelworte mir, gleich diesen!
Und heut möcht' ich, sie bewiesen,
Daß sein Mund mir nicht gelogen.

Laut.

Fischend stand ich, o Gesellen,
[57] Dort auf jenem Felsenriff:
Da sah scheitern ich ein Schiff;
Und zwei Männer auf den Wellen
Sah ich schwimmen. Voll Erbarmen
Schrie ich auf, von Angst beklommen;
Doch mein Ruf ward nicht vernommen.
Plötzlich trug in seinen Armen
Dieser Diener her zum Strande
Einen Ritter, kalt und todt;
Frei von grimmer Meeresnoth,
Doch erstarrt: – und gramvoll sandte
Ich nach euch.
ANFRISO.
Da wir in Eil
Alle deinem Ruf erschienen,
Laß uns deinem Wunsche dienen!
Gönn' uns dieß ersehnte Heil!
TISBEA.
Bringt zur Hütte mir die Gäste,
Daß wir an des Herdes Brand
Freundlich trocknen ihr Gewand,
Und bewirthen sie aufs Beste.
Denn zu solchem frommen Werke
Ist mein Vater gern bereit.
CATALINON
leise zu Don Juan.
Bildschön ist sie.
DON JUAN
ebenso leise zu Catalinon.
Komm beiseit;
Hör!
CATALINON.
Ich höre schon.
DON JUAN.
Wohl, merke!
[58] Fragt sie dich, wie ich mich nenne,
Sage nur, du weißt es nicht.
CATALINON.
Herr, wann brauchst du meine Pflicht
Mich zu lehren?
DON JUAN.
Ich entbrenne
So in Glut, daß ich noch heute
Sie genießen muß und will.
CATALINON.
Doch wie fängst du's an?
DON JUAN.
Still, still!
CORIDON.
Laß uns gehn, daß unsre Leute
Rüsten Sang und Tanz.
ANFRISO.
In Scherben
Sollen alle Gläser springen!
Alles soll im Tanz sich schwingen
Diese Nacht.
Die Fischer ab.
17. Szene
Siebzehnter Auftritt.
Don Juan. Tisbea. Catalinon.

DON JUAN
zu Tisbea.
Ich muß ersterben!
TISBEA.
Sterben, wenn die Lippe spricht?
DON JUAN.
Wie ihr hört, sie spricht nur Schmerzen.
TISBEA.
Viel der Worte!
[59]
DON JUAN.
Viel von Herzen.
TISBEA.
Gebe Gott, ihr lüget nicht!
Alle ab.
18. Szene
Achtzehnter Auftritt.
Königliches Schloß in Sevilla.
Don Gonzalo de Ulloa. Der König von Kastilien.

KÖNIG.
Wie glückt' euch die Gesandschaft, Großkomtur?
DON GONZALO.
Ich fand den König Don Juan, deinen Vetter,
In Lissabon, wo er ein Kriegsgeschwader
Von dreißig Schiffen rüstete.
KÖNIG.
Wohin?
DON GONZALO.
Nach Goa, sagt' er mir; jedoch ich glaube,
Ein leichtres Unternehmen rüstet er.
Ich denke, Ceuta oder Tanger will
Er diesen Lenz belagern.
KÖNIG.
Hilf' und Lohn
Gewähr' ihm Gott, für dessen Ruhm er eifert!
– Wie seid ihr übereingekommen?
DON GONZALO.
Herr,
Er fordert Cerpa, Mora, Olivenza
Und Toro; dafür beut er Almendral,
Herrera, Villaverde, Mértola.
KÖNIG.
Wohl; zwischen Spanien und Portugal
[60] Soll unterzeichnet werden der Vertrag,
Und unverzüglich. Doch vor allem sagt:
Wie ging's euch auf der Fahrt? Schwer war der Dienst,
Doch groß auch das Verdienst.
DON GONZALO.
In eurem Dienst
Ist nichts mir schwer.
KÖNIG.
Wohl ein gesegnet Land
Ist Lissabon?
DON GONZALO.
Hispaniens größte Stadt;
Und willst du, daß ich sage, was ich sah,
Werd' ich von seinen seltnen Reizen dir
Sofort ein treues Bild vor Augen legen.
KÖNIG.
Gern werd' ich's hören. – Einen Sessel bringt! –

Diener bringen ihm einen Sessel.
DON GONZALO.
Der Welt gilt Lissabon als achtes Wunder! –
– In Spaniens Herzen, dem Gebiet von Cuenca,
Entquillt der wasserreiche Tajo, der
Durch Spaniens Mitte strömt. Dem Ocean
Gesellt er sich am heiligen Gestad
Von Lissabon, gen Süden. Eh ihm aber
Sein hehrer Name endet und sein Lauf,
Hat er inmitten zweier Bergesketten
Den besten Hafen ausgehöhlt, darin
Sich Barken, Schiffe, Caravellen bergen.
Da sind so viel Lastschiffe und Galeeren,
Daß du vom Land aus eine große Stadt
Zu schauen wähnest, wo Neptun regiert.
Den Hafen hüten gegen West zwei Vesten,
Cascaes und Sankt Julian, die stärksten wohl
Auf Erden. Eine halbe Meile fern
Der großen Hauptstadt liegt Belem, das Kloster
[61] Des Heil'gen, den ihr an dem Stein erkennt,
Und an dem Löwen, der ihn treu bewacht 1;
Da ist den Königen und Königinnen,
Den altkatholisch-christlichen, bereitet
Der ew'gen Ruhe Sitz. Der mächt'ge Bau
Lehnt an Alcantara, und streckt sich hin
Wohl eine Meile zur Abtei Jabregas.
Inmitten liegt, gekrönet von drei Hügeln,
Das schöne Thal; – Apelles ließe selbst
Den Pinsel fallen, wenn er's malen sollte.
Die Hügel, wenn du sie von Weitem siehst,
Sind Riesenfrüchten gleich aus Perlen, nieder
Vom Himmel hangend; und ihr weiter Kreis
Umschließt ein zehnfach Rom an Klöstern und
An Kirchen, Bauten, Straßen, Rittergütern
Und Komtureien; ja ein zehnfach Rom
An Wissenschaft und Waffen, an des Rechts
Gerechter Pflege, und an thätiger
Barmherzigkeit, der Ehre Portugals.
Und was zumeist ich rühm' an jenem Bau:
Du siehst vom selben Schloß in einem Umkreis
Von kaum drei Meilen wohl an sechzig Orte,
An deren Pforten pocht der Ocean;
Darunter ist das Kloster Olivela;
Wo ich sechshundert dreißig Zellen sah
Mit eignen Augen; Nonnen aber sind
Und Laienschwestern mehr als zwölfmal hundert.
Von dort bis Lissabon, wie sehr gering
Auch die Entfernung sei, sind eilfmal hundert
Und dreißig Meierhöfe, jeglicher
Mit seinem Garten, seinem Schattengang.
Inmitten Lissabons erstrecket sich
Ein prächt'ger Platz, Rocío nennt er sich;
Und über diesem hat vor hundert Jahren
[62] Das Meer noch seinen Sand gerollt. Doch jetzt
Stehn dreißigtausend Häuser von dem Platz
Bis hin zum Meere; denn es hat seitdem,
Die Strömung wechselnd, andren Uferstellen
Sich zugewendet. Eine Straß' ist dort,
– Die neue heißt sie, – die in sich allein
An Pracht und Glanz den ganzen Orient
Umschließt; so daß, wie mir der König sagte,
Ein Handelsherr dort wohnet, der sein Gold,
Weil er's nicht zählen kann, mit Scheffeln mißt.
Am Strand, wo Portugal sein Königsschloß
Gegründet hat, sind zahllos Schiffe stets
Vor Anker, die das Land mit Frankreichs Korn
Und Englands Weizen nähren. Und die Burg
Des Königs, deren Fuß der Tajo küßt,
(Ruhmvoll zu sagen!) ist Ulysses' Werk,
Der auch der Stadt den röm'schen Namen gab;
Denn auf Latein heißt sie Ulisipo.
Ihr Wappen ist die Kugel, drüber prangen
Die Wundenmale, die in blut'ger Schlacht
Dem König Don Alonso Enriquez
Die ew'ge Majestät des Herrn verliehn.
Auf ihrer großen Werfte liegen viel
Der Schiffe; da liegt auch die stolze Flotte,
Die zur Eroberung gerüstet wird:
So mächt'ge Schiffe, daß, vom Land gesehn,
Der Mastenwald die Sterne scheint zu rühren.
Und was vor Allem wunderbar zu sagen
Von jener Stadt: wenn ihre Bürger sich
Zum Mahle setzen, schaun sie von den Tischen,
Wie man vor ihren Thüren wirft die Netze,
Und wie man dann herein zu diesen Thüren
Noch zappelnd in dem Garn die Fische bringt.
Und über Alles: jeden Abend nahn
Zu ihrem Ufer mehr als tausend Barken,
Beladen reich mit Waaren mannigfalt,
[63] Und was das tägliche Bedürfniß heischt:
Brot, Oel und Wein, Holz, Früchte jeder Art;
Aus dem Gebirg Estrella rohes Eis,
Das auf dem Kopfe man die Straßen durch
Ausrufend zum Verkaufe bringt. – Jedoch
Was müh' ich mich mit Worten ab? Es hieße
Die Sterne zählen, wollt' ich einen Theil
Erzählen von den Schätzen Lissabons.
Einhundert dreißig tausend Bürger hat
Die Stadt, mein hoher Herr; und daß ich dich
Nicht mehr ermüde, – einen König, der
Durch meinen Mund dir seine Dienste beut.
KÖNIG.
Mehr gilt mir's, Don Gonzalo, daß von euch
Ich die gedrängte Schilderung vernommen,
Als hätt' ich ihre Größe selbst gesehn. – –
Besitzt ihr Kinder?
DON GONZALO.
Eine holde Tochter,
O Herr, in deren Antlitz die Natur
Sich selber übertroffen.
KÖNIG.
Wohl, ich will
Mit eigner Hand ihr einen Gatten wählen.
DON GONZALO.
Was dein Belieben sei, mein hoher Herr,
So sag' ich zu für sie. Und wen bestimmst
Du ihr zum Gatten?
KÖNIG.
Zwar in fremdem Land
Ist er, doch aus Sevilla; und er heißt
Don Juan Tenorio.
DON GONZALO.
Augenblicks bring' ich
Dein Wort zu Doña Anna.
[64]
KÖNIG.
Geht mit Gott,
Und kehrt bald mit der Antwort, Don Gonzalo.
Beide ab.
Fußnoten

1 Sankt Hieronymus.

19. Szene
Neunzehnter Auftritt.
Seeufer bei Tarragona.
Don Juan Tenorio. Catalinon.

DON JUAN.
Halt mir bereit die beiden Stuten, die
Tisbea mir geschenkt; sie sind erwünscht!
CATALINON.
O Herr, ich heiße zwar Catalinon;
Doch spräch' ich nie als Gatte Allen Hohn,
Wenn auch mein Name reimt auf Allen Hohn.
Von mir kann Keiner sagen: »Seht, das ist
Catalinon; ihr wißt schon!« ... Nein; mein Name
Paßt nicht zu mir.
DON JUAN.
Dieweil die Fischer hier
In Freude sich ergehn und Festlichkeit,
Hältst du die beiden Stuten mir bereit;
Denn ihrem flügelschnellen Huf allein
Vertrau' ich unsres Trugs Erfolg.
CATALINON.
Du willst
Tisbea's Blüthe knicken?
DON JUAN.
Pah! wenn Hohn
Mit Mädchen treiben mir Gewohnheit ist,
Was fragst du, da du meine Art doch kennst?
CATALINON.
Der Frau'n Zuchtruthe bist du, weiß ich längst.
DON JUAN.
Tisbea füllt mein Herz; ein prächtig Weib!
[65]
CATALINON.
Du zahlst ihr schön den gastlichen Empfang.
DON JUAN.
Du Taugenichts! that nicht Aeneas einst
Dasselbe mit der Fürstin von Karthago?
CATALINON.
So bösliche Verstellung, solche Täuschung
Der Frau'n bezahlst du auf dem Sterbebett.
DON JUAN.
Du giebst mir lange Frist! Mit Recht, du Schwätzer,
Heißt du Catalinon, als Papagei.
CATALINON.
Folg deiner Lust; doch ich will vom Verführen
Der Weiber plaudern nur, als Papagei.
Da kommt die Unglücksel'ge schon.
DON JUAN.
Geh nur,
Und sattle mir die Stuten.
CATALINON.
Armes Weib!
Wie theuer zahlt man die Bewirthung dir!

Ab.
20. Szene
Zwanzigster Auftritt.
Don Juan. Tisbea.

TISBEA.
Fern von dir muß ich verschmachten,
Bin ich selbst entfremdet mir.
DON JUAN.
Täuschung nur ist all dein Trachten;
Falsche, nimmer glaub' ich dir.
TISBEA.
Warum?
[66]
DON JUAN.
Wenn du Lieb' empfändest,
Gäbst du meinem Herzen Ruh.
TISBEA.
Ich bin dein.
DON JUAN.
Doch nimmer endest
Du mein Leid; – was fürchtest du?
TISBEA.
Ach ich fürchte, daß dieß Lieben
Mir nur Amors Strafe war!
DON JUAN.
Du bist mir ins Herz geschrieben;
Jedem Wunsch biet' ich mich dar.
Wüßt' ich, daß das Leben mir
Würd' in deinem Dienst entrissen,
Würd' ich gern das Leben missen!
Herz und Hand versprech' ich dir.
TISBEA.
Ich bin ungleich deinem Stande.
DON JUAN.
In der Liebe hohem Reich
Gilt die grobe Wolle gleich
Mit dem seidenen Gewande.
TISBEA.
Gern möcht' ich dir Glauben schenken;
Doch ihr Männer täuscht so gern!
DON JUAN.
Wie? du kannst, mein holder Stern,
So mein Herz verkennen, kränken?
Deiner Locken seidnes Band
Hält die Seele mir gefangen.
TISBEA.
Soll ich krönen dein Verlangen,
Reich als Gatte mir die Hand.
[67]
DON JUAN.
Ja, ich werde dein Gemahl,
Schwör's bei dieser Augen Strahl,
Deren Blick mein Sein vernichtet!
TISBEA.
Denk, ein Gott ist über dir,
Der im Tod den Frevler richtet!
DON JUAN
für sich.
Lange Frist gewährst du mir.

Laut.

So lang Gott mir Leben leihet,
Bin ich als ein Sclave dein;
Herz und Hand sind dir geweihet.
TISBEA.
Nicht undankbar werd' ich sein.
DON JUAN.
Wie Erwartung heiß mich quälet!
TISBEA.
Komm, und meiner Hütte Dach
Sei der Lieb', die uns beseelet,
Ruhesitz und Brautgemach.
Bleib im Schilf verborgen dort,
Bis ich dich daheim empfange.
DON JUAN.
Sag, wie ich zu dir gelange?
TISBEA.
Komm, ich zeige dir den Ort.
DON JUAN.
Glück und Leben dank' ich dir.
TISBEA.
Aber halte dein Versprechen;
Sonst wird Gott den Frevel rächen!
DON JUAN
für sich.
Lange Frist gewährst du mir!
Beide ab.

[68]
21. Szene
Einundzwanzigster Auftritt.
Coridon. Anfriso. Belisa. Sänger.

CORIDON.
He, ruft Tisbea, ruft die Burschen all,
Damit der Gastfreund auf dem stillen Dorfe
Die Lust der Hauptstadt wiederfinde.
BELISA.
Kommt,
Wir rufen sie.
CORIDON.
Kommt, kommt.
BELISA.
Zu ihrer Hütte
Müßt ihr.
CORIDON.
Doch nein; – bedenk', sie ist gewiß
Mit den beglückten Fremden jetzt beschäftigt,
Die tausend Neider haben.
ANFRISO
für sich.
Ja, Tisbea
Wird stets beneidet.
BELISA.
Nun, so singt einstweilen,
Bis sie hieher kommt; denn wir wollen tanzen.
ANFRISO
für sich.
Vermag die Eifersucht jemals zu ruhn?
GESANG.
Das Mägdlein trat aus dem Fischerhaus;
Die Netze warf sie ins Meer hinaus:
Und wenn kein Fisch in das Netz ihr ging,
Die Fischerin doch die Herzen fing,
Die Herzen!
[69]
22. Szene
Zweiundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Tisbea stürzt wie im Wahnsinn herein.

TISBEA.
Feu'r! mein Hüttchen steht in Gluten;
Feu'r! ich bin der Flammen Beute.
Zieht die Glocken! Sturmgeläute!
Seht, mein Auge gießt schon Fluten.
Ach! mein Hüttchen sinkt zusammen,
Ist ein Troja, ganz in Brand;
Seit die Lieb' kein Troja fand,
Setzt sie Hütten gern in Flammen.
Feuer, Feuer, o Genossen! Wasser, Wasser rasch zur Hand!
Liebe, Liebe, übe Gnade! meine Seele steht in Brand.
Hütte, die geliehn ihr Dach,
Meine Ehre hinzumorden,
Räuberhöhle bist du worden,
Tempel meiner tiefsten Schmach.
Falscher, warum mich besiegen,
Und entehrt mich eilig meiden?
Wolke, die dem Meer entstiegen,
Zu ertränken mich in Leiden!
Feuer, Feuer, o Genossen! Wasser, Wasser rasch zur Hand!
Liebe, Liebe, übe Gnade! meine Seele steht in Brand.
Ja, ich bin es, die bis heute
Stolz verhöhnte treues Lieben;
Die mit Herzen Spott getrieben,
Wird nun selbst zum Spott der Leute.
Durch der Treue höchsten Eid
Hat der Ritter mich betrogen,
Mir der Ehre Kranz entzogen,
Mein jungfräulich Bett entweiht.
Ich selbst, da er mich entehrte,
Habe Flügel ihm geliehn,
Meine Stuten, die ich nährte;
[70] Und so konnt' er mir entfliehn.
Eilt ihm nach auf flücht'gen Sohlen! – –
Nein doch, laßt ihn nur entfliehen;
Zu dem König will ich ziehen,
Will mir dort die Rache holen.
Feuer, Feuer, o Genossen! Wasser, Wasser rasch zur Hand!
Liebe, Liebe, übe Gnade! meine Seele steht in Brand.
Eilt ab.
23. Szene
Dreiundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen, ohne Tisbea.

CORIDON.
Genossen auf! verfolgt den schlechten Ritter.
ANFRISO.
O weh, wer leiden muß und schweigen! Doch
Er soll mir büßen für die Undankbare.
Kommt, eilt ihr nach! Verzweifelnd floh sie fort,
Und flieht vielleicht noch größrem Unheil zu.
CORIDON.
So muß der Hochmuth enden! Solches Ziel
Hat ihre Thorheit, hat ihr Stolz erreicht!
TISBEA
hinter der Bühne.
Feuer, Feuer!
ANFRISO.
Sie stürzt sich in die See!
CORIDON.
Halt ein, Tisbea!
TISBEA
hinter der Bühne.
Feuer, Feuer, o Genossen! Wasser, Wasser rasch zur Hand!
Liebe, Liebe, übe Gnade! meine Seele steht in Brand.
Alle eilig ab.
[71]

2. Akt

1. Szene
Erster Auftritt.
Zimmer im Königsschlosse zu Sevilla.
Der König von Kastilien. Don Diego Tenorio.

KÖNIG.
Was sagst du mir?
DON DIEGO.
Die Wahrheit, hoher Herr.
Durch diesen Brief bin ich der Sache sicher,
Den dein Gesandter dort, mein Bruder, schrieb.
Im eigenen Gemach des Königs fand
Man ihn mit einer Dame des Palastes.
KÖNIG.
Weß Standes?
DON DIEGO.
Fürstin Isabella war's.
KÖNIG.
Wie? Isabella!
DON DIEGO.
Nichts Geringeres.
KÖNIG.
O freches Wagniß! Und wo ist er jetzt?
DON DIEGO.
Mein König, eurer Hoheit darf ich ja
Die Wahrheit nicht verhüllen: – diese Nacht
Kam er mit einem Diener nach Sevilla.
[72]
KÖNIG.
Ihr wißt, ich schätz' euch sehr, Tenorio: – gleich
Werd' ich dem König von Neapel schreiben,
Den Ehrenräuber mit der Herzogin
Vermählen, und Octavio's Schmerzen heilen,
Der so unschuldig leidet; – doch es soll
Don Juan sogleich verbannt von hinnen weichen.
DON DIEGO.
Wohin, mein Fürst?
KÖNIG.
Es zeig' ihm die Verbannung,
Daß ich ihm zürne; noch in dieser Nacht
Entfern' er nach Lebrija sich, und danke
Nur den Verdiensten seines edlen Vaters,
Daß er nicht härter ... Doch, Don Diego, sprecht:
Was sagen wir Gonzalo de Ulloa,
Als daß wir irrten? Denn mit seiner Tochter
Hab' ich Don Juan verlobt, und weiß noch nicht,
Wie da zu helfen sei.
DON DIEGO.
Mein hoher Herr,
Bedenke, was zu thun du mir befiehlst,
Das für die Ehre dieser edlen Frau,
Der Tochter solchen Vaters, sich gezieme?
KÖNIG.
Ich werd' ein Mittel finden, das gewiß
Ihm allen Groll benimmt; – – so will ich ihn
Zum Obermarschall meines Hofs ernennen.
2. Szene
Zweiter Auftritt.
König. Don Diego. Ein Diener.

DIENER.
Ein Ritter im Gewand der Reise naht;
Herzog Octavio nennt er sich, mein König.
[73]
KÖNIG.
Herzog Octavio?
DIENER.
Ja.
KÖNIG.
Er mag erscheinen.
Der Diener ab.
3. Szene
Dritter Auftritt.
König. Don Diego. Herzog Octavio im Reiseanzug.

OCTAVIO.
Zu euren Füßen, königlicher Herr,
Wirft sich ein Wandersmann, verbannt und arm,
Dem nun des Weges Müh gering erscheint
In eurem hohen Anblick.
KÖNIG.
Wie? der Herzog
Octavio!
OCTAVIO.
Fliehend jetzt ob eines Weibes
Wahnsinn'gem Fehltritt, eines Edelmanns
Verwegnem Frevel, der die Ursach ward,
Daß ich mich eurem Thron also genaht.
KÖNIG.
Herzog Octavio, eure Unschuld kenn' ich:
Und eurem König schreib' ich, daß er euch,
Sofern die Flucht zum Schaden euch gedieh,
Herstellen mög' in aller Ehr' und Würden;
Vermählen in Sevilla werd' ich euch,
Wenn er es freundlich und mit Gunst gestattet.
Denn wär' ein Engel Isabella, – schaut
Die ich euch geb', und Isabel ist häßlich. –
Der Großkomtur des Calatravaordens,
[74] Gonzalo de Ulloa, ist ein Held,
Den selbst der Maure preist, – aus schnöder Angst,
(Denn Schmeicheln ist ja stets des Feigen Art,)
Und er hat eine Tochter, der zur Mitgift
Die Tugend schon genügte, die sie schmückt,
Wär' sie auch nicht ein Wunder höchster Schönheit,
Und ihre Sonne nicht Kastiliens Stern!
Sie, ist mein Wunsch, soll eure Gattin werden.
OCTAVIO.
Hätt' ich um solches Zieles willen nur
Die Fahrt gewagt, mein Schicksal wär' beglückt,
Da mir's vergönnt, nach eurem Wunsch zu thun.
KÖNIG.
Don Diego, nehmt den Herzog gastlich auf;
Sorgt, daß er nichts entbehrt.
OCTAVIO.
Wer auf euch hofft,
Mein König, der wird reich belohnt; ihr seid
Alfons der Eilfte und der Erste doch.
Alle ab.
4. Szene
Vierter Auftritt.
Straße in Sevilla.
Octavio. Ripio.

RIPIO.
Wie ging's?
OCTAVIO.
So, daß ich die ertragne Mühsal,
Nach dem Ergebniß, nun zum Glück mir achte.
Der König ließ mich vor; hoch ehrt' er mich.
Ich war ein Cäsar bei dem Cäsar; denn
Ich kam, ich sah, ich siegte. Ja, ich soll
Aus seiner Hand empfangen eine Gattin;
[75] Und er erbot sich, meines Königs Zorn,
Des Bannes Donnerwort zu sänftigen.
RIPIO.
Hochherzig nennt Kastilien ihn mit Recht.
Also er bot dir eines Weibes Hand?
OCTAVIO.
Ja, Freund, ein sevillanisch Weib. Sevilla,
(Dein Auge prüf' es, wenn's dein Ohr nicht glaubt,)
So wie es Männer stark und kühn erzeugt,
So giebt's dem Reich anmuthig edle Frau'n.
Ja, eine kecke, liebliche Mantilla,
In der sich eine reine Sonne birgt,
Wo wäre die zu finden, wenn nicht hier?
So groß ist mein Entzücken, daß es schon
Ob meines Leids mich tröstet.
5. Szene
Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Don Juan. Catalinon.

CATALINON.
Halt, Señor!
Denn dorten seh' ich das unschuld'ge Kind,
Den Herzog, Isabella's Waffenträger;
– Vielmehr sollt' ich ihn Hörnerträger nennen!
DON JUAN.
Hier gilt Verstellung, merk es wohl.
CATALINON
für sich.
Der Judas!
Wenn er den Mann verkauft, thut er ihm schön.
DON JUAN
vortretend.
Da ich Neapel übereilt verließ,
Weil mich der König, dessen Wünsche mir
Gesetze sind, ohn' Aufschub herbeschied,
So war es mir, Octavio, nicht verstattet,
Abschied von euch zu nehmen, wie sich ziemt.
[76]
OCTAVIO.
Da muß ich freilich wohl euch schuldlos nennen.
– So treffen in Sevilla wir zusammen?
DON JUAN.
Wer dachte, Herzog, daß ich in Sevilla
Euch sehen sollte, um euch hier zu dienen, –
Wie stets mein Wunsch! – Ihr habt dort Herrliches
Verlassen; doch so schön Neapel ist,
Nur für Sevilla kann man es verlassen.
OCTAVIO.
Hört' ich euch in Neapel, und nicht hier,
So glaub' ich fast, ich würde herzlich lachen
Der Meinung, die ich jetzo theilen muß.
Doch da ich nun Sevilla's Herrlichkeit
Mit Augen sehe, dünkt mich jedes Lob
Zu klein für diese Stadt. – Seht, wer da kommt?
DON JUAN.
Der kommt, es ist der Marques de la Mota,
Und nothgedrungen bin ich jetzt unhöflich.
OCTAVIO.
Bedürft ihr mein, bereit ist Arm und Schwert.
CATALINON
für sich.
Und hat er Lust, so wird er noch ein Weib
Von gutem Rufe unter seinem Namen
Verführen.
OCTAVIO.
Sehr verbunden bin ich euch.
Octavio und Ripio ab.

[77]
6. Szene
Sechster Auftritt.
Don Juan. Catalinon. Marques de la Mota. Ein Diener des Letzteren.

DE LA MOTA.
Den ganzen Tag hab' ich euch aufgesucht,
Und konnt' euch nirgends finden. Ihr, Don Juan,
An diesem Ort, und euer Freund muß schmerzlich
Noch stets entbehren eure Gegenwart?
DON JUAN.
Bei Gott, mein Freund, wohl hab' ich solche Güte
Um euch verdient. Was Neues in Sevilla?
DE LA MOTA.
Die ganze Residenz ist umgewandelt.
DON JUAN.
Die Weiber?
DE LA MOTA.
Alles abgethan.
DON JUAN.
Inés?
DE LA MOTA.
Die zieht sich nach Bejer zurück.
DON JUAN.
Fürwahr,
Der beste Wohnort für die große Dame!
DE LA MOTA.
Das Alter hat sie nach Bejer verbannt.
DON JUAN.
Dort will sie christlich sterben. – Und Constanza?
DE LA MOTA.
Das ist 'ne haarige Geschichte, traun!
Ihr gehn die Haar' an Kopf und Brauen aus.
Ihr sagt selbst der gemeinste Portugiese 1:
[78] »Scher dich, o alte taube Liebesthörin!«
Und sie, halb taub, meint immer nur, er sage:
»Der dich, o holde Taube, liebet, hör' ihn!«
DON JUAN.
Und Theodora?
DE LA MOTA.
Ist den Sommer erst
Von Liebesleiden auferstanden, und
So frisch und jugendlich, daß sie vorgestern
So mitten unter zarten Redeblumen
Mir einen ihrer Zähn' entgegen spie.
DON JUAN.
Und Julia, die aus dem Lampengäßchen?
DE LA MOTA.
Mit ihrer Schminke liegt sie stets im Kampf.
DON JUAN.
Verkauft sie sich noch stets für frischen Hecht?
DE LA MOTA.
Sie ist jetzt froh, wer sie für Stockfisch nimmt.
DON JUAN.
Ist auch noch reich an Jungfern das Quartier
Von Cantaranas?
DE LA MOTA.
Canthariden sind es.
DON JUAN.
Sind die zwei Schwestern noch am Leben?
DE LA MOTA.
Freilich;
Und die Mama, die alte Aeffin, auch,
'Ne wahre Celestina 2, die die Töchter
So trefflich eingeschult.
DON JUAN.
Der Teufelsbraten!
Was aber treibt die ältre Schwester jetzt?
[79]
DE LA MOTA.
Die Blanca? ist ohn' einen blanken Pfennig;
Sie hat 'nen Heil'gen, dem zu Lieb' sie fastet.
DON JUAN.
Die jüngre?
DE LA MOTA.
Die hat einen bessern Grundsatz,
Verschmäht nicht Abfall noch Gerümpel.
DON JUAN.
Ei,
Sie legt sich wohl auf einen Trödelkram!
– Was Neues von galanten Schelmenstreichen?
DE LA MOTA.
Da spielt' ich mit Don Pedro d'Esquivel
'Nen ganz famosen letzte Nacht, und hab'
Noch zwei vor auf heut Abend.
DON JUAN.
Ich begleit' euch.
Auch muß ich nach 'nem Neste sehn, worein
Ich Eier für uns Zwei gelegt. – Macht ihr
Fensterparaden?
DE LA MOTA.
Paradieren kann ich
Nicht mehr; mich drückt zu schwere Liebesnoth.
DON JUAN.
Wie das?
DE LA MOTA.
Ich suche das Unmögliche.
DON JUAN.
So widerstrebt man eurem Wunsch?
DE LA MOTA.
O nein;
Man achtet und begünstigt mich.
DON JUAN.
Wer ist's?
[80]
DE LA MOTA.
Mein Bäschen, Doña Anna, die seit Kurzem
Hier angelangt.
DON JUAN.
Wo war sie denn bisher?
DE LA MOTA.
Zu Lissabon, bei ihrem Vater, der
Dort als Gesandter weilte.
DON JUAN.
Ist sie schön?
DE LA MOTA.
Zu schön! In Doña Anna de Ulloa
Hat die Natur sich selber übertroffen.
DON JUAN.
So schön ist sie? Bei Gott, ich muß sie sehn!
DE LA MOTA.
Die größte Schönheit schaut ihr, die das Auge
Des Königs je gesehn.
DON JUAN.
Vermählt euch denn,
Da sie so wunderschön.
DE LA MOTA.
Der König wählte
Ihr einen Gatten; und man weiß nicht, wen.
DON JUAN.
Zeigt sie euch keine Gunst?
DE LA MOTA.
Sie schreibt mir selbst.
CATALINON
beiseite.
Halt ein! Der größte Schelm in Spanien
Wirft schon sein Netz um dich.
DON JUAN.
Da giebt's ja Keinen,
Der glücklicher als ihr.
[81]
DE LA MOTA.
Und ihren letzten
Entschluß erwart' ich grad in dieser Stunde.
DON JUAN.
So dürft ihr keinen Augenblick verlieren;
Ich warte hier auf euch.
DE LA MOTA.
Bald kehr' ich wieder.
CATALINON
zum Diener des Marques.
Gehabt euch wohl, ihr Viereck oder Kugel!
DIENER.
Gehabt euch wohl.
Marques und Diener ab.
Fußnoten

1 Portugiesen versahen in Sevilla die niedrigsten Dienste und wohnten im schlechtesten Viertel.

2 Die Kupplerin aus dem berühmten dialogisierten Roman »Celestina« des Fernando de Rojas, 1499.

7. Szene
Siebenter Auftritt.
Don Juan. Catalinon.

DON JUAN.
Da wir allein geblieben,
So geh ihm nach; er ist hinein ins Schloß.
Catalinon ab.
8. Szene
Achter Auftritt.
Don Juan. Die Zofe Doña Anna's erscheint hinter einem Fenstergitter.

ZOFE.
He, hört einmal!
DON JUAN.
Wer ruft?
ZOFE.
Ihr seid befreundet
Mit dem Marques, seid edlen Muths und klug;
[82] So gebt ihm gleich dieß Briefchen, und bedenkt:
Daran hängt einer Dame Ruh und Glück.
DON JUAN.
Verlaßt euch drauf, ich geb' es ihm; ich bin
Sein Freund, und bin ein Edelmann.
ZOFE.
Ich kann
Mich schon auf euch verlassen, fremder Herr;
Drum Gott befohlen.

Ab.
9. Szene
Neunter Auftritt.
Don Juan.

DON JUAN.
»Und die Stimm' – entschwand.«
Scheint es nicht Zauberei, was hier geschehn?
Mir kommt dieß Briefchen mit der Post der Lüfte!
Gewiß, das Fräulein ist's, das der Marques
Mir so gepriesen hat; sieh nur mein Glück!
Laut nennt Sevilla den Verführer mich;
Und meine höchste Lust von jeher war's,
Ein Weib verführen und entehrt verlassen.
Bei Gott, ich will es öffnen. Erst geh' ich
Ein wenig seitwärts von dem Haus; bedarf's
Hier eine andre Kriegslist noch? Fürwahr,
Da muß ich lachen! – – Auf mit diesem Brief!
Er ist an den Marques; das ist ganz klar;
Denn Doña Anna heißt die Unterschrift.
Was schreibt sie?

Liest.

»Seines Worts vergessend, hat
Mein Vater im Geheimen mich verlobt;
Mir half kein Widerstand. Kann ich noch leben,
Da er den Tod mir gab? Wenn nach Gebühr
Du meine Lieb' und meinen Willen achtest,
Und deine Liebe wahr ist, zeig' es nun!
Auf daß du siehst, wie ich dich schätze, komm
[83] In dieser Nacht ans Thor; es soll dir, Vetter,
Um elf geöffnet sein: so wirst du dann
Das Ziel erlangen deiner Lieb' und Hoffnung.
Zum Zeichen für Leonorilla und
Die Dienerinnen, Theurer, hülle dich
In einen rothen Mantel. – Meine Liebe
Baut nur auf dich, mein unglücksel'ger Freund!« –
Wie sich das fügt! Der Spaß giebt mir zu lachen.
Bei Gott, mit gleicher List und Täuschung will
Ich sie erobern, so wie Isabella
Einst in Neapel.
10. Szene
Zehnter Auftritt.
Don Juan. Catalinon eilig.

CATALINON.
Der Marques, er kommt!
DON JUAN.
Wir beide haben diese Nacht zu thun.
CATALINON.
Giebt's nene Schelmerei?
DON JUAN.
Die herrlichste!
CATALINON.
Ich kann's nicht loben, Herr; du machst, daß wir
Doch einmal schlimm anlaufen. Wer da lebt
Von List und Trug, wird einst noch arg betrogen.
DON JUAN.
Ha, Prediger, wirst du unverschämt? Für jetzt
Will ich dich warnen, daß ich nicht noch Einmal
Dich warnen muß!
CATALINON.
Herr, künftig will ich thun,
Was du befiehlst; ich zücht'ge Elephanten
Und peitsche Tiger, wenn ich bei dir bin.
[84]
11. Szene
Elfter Auftritt.
Die Vorigen. Marques de la Mota.

DON JUAN
beiseite zu Catalinon.
Still; der Marques.
CATALINON.
Er also soll der Züchtling
Und der Gepeitschte sein?
DON JUAN.
– Marques, für euch
Ward eine süße Botschaft mir gegeben
Aus jenem Gitter: ich vermochte nicht
Den Geber zu erkennen; doch die Stimme
Verrieth ein Weib. Und kurz: um Mitternacht
Sollst du zur Thüre kommen insgeheim,
Wo deine Hoffnung durch der Liebe Glück
Sich bald erfüllen wird; doch trage du,
Zum Zeichen für Leonorilla und
Die Dienerinnen, einen rothen Mantel.
DE LA MOTA.
Was sagst du?
DON JUAN.
Diese Botschaft gab man mir
Aus jenem Fenster; doch ich sah nicht, wer.
DE LA MOTA.
Dieß wandelt meine Noth in süße Lust!
Ja, Freund, mein Hoffen konnte nur durch dich
Zum Leben auferstehn; laß dich umarmen!
DON JUAN.
Bedenk, ich bin dein Bäschen nicht. Bist du's,
Der sie erlangen soll, und küssest mich?
DE LA MOTA.
So groß ist meine Lust, daß sie die Sinne
Mir raubt. O Sonne, schreite rascher heut!
[85]
DON JUAN.
Schon lenkt sie ihren Pfad zum Untergang.
DE LA MOTA.
Kommt, Freunde; kleiden wir uns um, wie sich's
Zu Abend schickt. – Ich bin wie toll!
DON JUAN.
Ich seh's;
Doch weiß ich wohl, daß erst um Mitternacht
Du noch weit toller dich geberden wirst.
DE LA MOTA.
O Bäschen! Herzensbäschen! loses Mädchen!
Harrt meiner Treue solch ein Loos?
CATALINON
für sich.
Bei Gott,
Nicht einen Heller geb' ich für das Loos.
Der Marques geht ab.
12. Szene
Zwölfter Auftritt.
Catalinon. Don Juan. Don Diego Tenorio.

DON DIEGO.
Don Juan!
CATALINON.
Dein Vater ruft dich.
DON JUAN.
Gnäd'ger Herr,
Was steht zu Diensten?
DON DIEGO.
Weiser möcht' ich dich
Und tugendhafter sehn, und bessern Rufes.
Ist's möglich, daß du auf nichts weiter sinnst
Als meinen Tod?
DON JUAN.
Warum nahst du mir so?
[86]
DON DIEGO.
Um deiner Frechheit, deiner Thorheit willen!
Vernimm: der König gab mir den Befehl,
Dich aus der Stadt zu weisen; denn er ist
Mit Recht ob einer Frevelthat entrüstet.
Obwohl du mir's verborgen, weiß doch schon
Der König in Sevilla das Vergehn,
Das gräßliche, das ich kaum nennen kann.
Verrath im königlichen Schloß! Verrath
An einem Freund! Verräther, gebe Gott
Die Strafe dir, die solch ein Frevel heischt.
Bedenk, wenn Gott auch scheinbar dir's vergönnt
Und zuläßt, seine Strafe säumet nicht;
Und welche Strafen sind für die bereit,
So seinen Namen frech entweihn! Denn wisse,
Gott ist ein strenger Richter dir im Sterben!
DON JUAN.
Im Sterben? giebst du mir so lange Frist?
Von hier bis dorthin ist ein langer Weg.
DON DIEGO.
Einst wird er kurz dir scheinen.
DON JUAN.
Und der Weg,
Den ich soll reisen auf Befehl des Königs,
Ist er vielleicht auch lang?
DON DIEGO.
Bis daß die Schmach
Herzog Octavio's völlig ist getilgt,
Und bis der Frevel, den du in Neapel
An Isabella thatest, ward gesühnt,
Sollst du, ob deines tückischen Verraths,
So will's der König, in Lebrija weilen;
Geringe Strafe deiner Missethat!
CATALINON
für sich.
Wüßt' er den Fall der armen Fischerin,
Der gute Alte grämte sich noch mehr.
[87]
DON DIEGO.
Da keine Züchtigung von meiner Hand,
Aus meinem Mund dein roh Gemüth besiegt,
So stell' ich deine Strafe Gott anheim.

Ab.
13. Szene
Dreizehnter Auftritt.
Don Juan. Catalinon.

CATALINON.
Der Alte ging erschüttert.
DON JUAN.
Gleich spielt er
Den Thränenreichen; 's ist der Alten Art. –
Komm, es wird Nacht; wir suchen den Marques.
CATALINON.
So willst du ihm sein Liebchen wegstipitzen?
DON JUAN.
'S wird ein famoser Spaß.
CATALINON.
Ich fleh' zum Himmel,
Daß er uns glücklich aus dem Spaße hilft.
DON JUAN.
Nimm dich in Acht, Catalinon!
CATALINON.
Gewiß,
Du bist und bleibst der Scorpion der Weiber;
Und gut wär's, auszuschellen öffentlich,
Damit vor dir sich jede Jungfer wahre:
»Es hüte Jedes sich vor einem Mann,
Der an dem Narrenseil die Weiber zieht;
Er heißt der große Herzensdieb von Spanien!«
DON JUAN.
Traun, einen hübschen Namen giebst du mir!
[88]
14. Szene
Vierzehnter Auftritt.
Nacht.
Die Vorigen. Marques da la Mota in rothen Mantel. Sänger gehen über die Bühne.

SÄNGER
im Hintergrund.
Erhofftes Glück stört deine Ruh;
So lang du hoffst, verzweifelst du.
DE LA MOTA.
Wann ich mein Glück genieße, mög' es nie
Tag werden!
DON JUAN
zu Catalinon.
Was ist das?
CATALINON.
Ein Ständchen ist's.
DE LA MOTA.
Mir ist's, als spräche der Poet mit mir.
– Wer da?
DON JUAN.
Gut Freund!
DE LA MOTA.
Don Juan?
DON JUAN.
Ha, der Marques!
DE LA MOTA.
Wer kann es sein als ich?
DON JUAN.
Sobald ich nur
Den Mantel sah, so wußt' ich, wer es war.
DE LA MOTA
ruft in die Coulisse.
Singt weiter, da Don Juan gekommen ist.
SÄNGER
wie oben.
Erhofftes Glück stört deine Ruh;
So lang du hoffst, verzweifelst du.
[89]
DON JUAN.
Weß ist das Haus, nach dem ihr schaut?
DE LA MOTA.
Das Haus
Des Don Gonzalo de Ulloa.
DON JUAN.
Doch
Wo gehn wir hin?
DE LA MOTA.
Nach Lissabon 1.
DON JUAN.
Wie das?
Seid ihr doch in Sevilla.
DE LA MOTA.
Wundert's euch?
Wohnt nicht besonders gern das Schlechteste
Von Portugal im Besten von Kastilien?
DON JUAN.
Wo wohnt Das?
DE LA MOTA.
In der Schlangenstraße, wo
Wir Adam sehn in einen Portugiesen
Verwandelt, den in diesem Jammerthal
Zum Apfelbiß verlocken tausend Eva's.
Dukaten zwar sind es, was sie verlockt;
Und doch sind's nur zwei Aepfel, zarte Bissen,
Womit sie uns entlocken unser Geld.
DON JUAN.
Gut! – Während ihr nach jener Straße geht,
Möcht' ich mit einem falschen Stelldichein
Hier Jemand foppen.
[90]
DE LA MOTA.
Einen gleichen Spaß
Hatt' ich hier in der Nähe vor.
DON JUAN.
Wenn ihr
Mich hingehn lasset, sollt ihr sehn, Marques,
Daß es mir nicht mißglückt.
DE LA MOTA.
Nehmt meinen Mantel,
Damit ihr desto besser täuschen könnt.
DON JUAN
nimmt den Mantel.
Sehr gut; gebt her. – Nun zeigt mir auch das Haus.
DE LA MOTA.
Ihr müßt dabei verstellen Stimm' und Sprache.
Seht ihr den Fensterladen dort?
DON JUAN.
Ich seh's.
DE LA MOTA.
Geht hin, ruft »Beatriz!« und tretet ein.
DON JUAN.
Was für ein Weib?
DE LA MOTA.
Ein luftig frisches Ding.
CATALINON
für sich.
Gewiß, sie soll dem Herrn zur Kühlung dienen.
DE LA MOTA.
Am Gradas-Platze warten wir auf euch.
DON JUAN.
Lebt wohl, Marques.
CATALINON
beiseite.
Wo gehn wir hin?
DON JUAN
ebenso.
Still, Schuft!
Dahin, wo ich den schönsten Streich vollführe.
CATALINON.
Nichts kann sich deiner List entziehn.
[91]
DON JUAN.
O göttlich
Ist die Vertauschung doch!
CATALINON.
Du hast dem Stier
Den Mantel über's Aug' geworfen.
DON JUAN.
Nein;
Der Ochs hat mir den Mantel umgeworfen.
Ab mit Catalinon.
Fußnoten

1 D.h. nach dem Quartier in Sevilla, wo die Portugiesen wohnen. Siehe oben den sechsten Auftritt dieses Aufzugs.

15. Szene
Fünfzehnter Auftritt.
De la Mota. Sänger.

DE LA MOTA.
Das Weib muß glauben, er sei ich.
EIN SÄNGER.
Das Stückchen
Ist gar zu hübsch!
DE LA MOTA.
Das heißt durch Irrthum siegen.
SÄNGER
frisch anstimmend.
Erhofftes Glück stört deine Ruh;
So lang du hoffst, verzweifelst du.
Alle ab.
16. Szene
Sechzehnter Auftritt.
Vorsaal im Hause Don Gonzalo's in Sevilla.
Doña Anna und Don Juan beide hinter der Thüre.

DOÑA ANNA.
Ha, falscher Mann, du bist nicht der Marques,
Hast mich betrogen!
[92]
DON JUAN.
Glaube mir, ich bin's.
DOÑA ANNA.
Verräther, Bube, nein! du lügst, du lügst!
17. Szene
Siebzehnter Auftritt.
Die Vorigen hinter der Bühne. Don Gonzalo de Ulloa mit gezogenem Degen.

DON GONZALO.
Ha! Doña Anna's Stimme hör' ich dort!
DOÑA ANNA
hinter der Bühne.
Ist Keiner da, der den Verräther tödtet,
Der mir die Ehre mordet?
DON GONZALO.
Weh des Frevels!
Die Ehre todt! und ihre Zunge ist
So schamlos, daß sie hier als Glocke dient!
DOÑA ANNA.
Auf! tödtet ihn!
18. Szene
Achtzehnter Auftritt.
Don Gonzalo. Don Juan und Catalinon beide mit gezogenem Degen.

DON JUAN.
Wer da?
DON GONZALO.
Du hast hinabgestürzt die Zinne
Von meiner Ehre Thurm, in dem das Leben
Als Wächter saß! Verräther!
DON JUAN.
Alter, laß
Mich meines Wegs!
[93]
DON GONZALO.
Dein Weg? Hier dieser Degen
Zeigt dir ihn!

Sie fechten.
DON JUAN.
Du willst sterben.
DON GONZALO.
Sei es drum!
DON JUAN.
Bedenk, ich tödte dich.
DON GONZALO.
Du stirbst, Verräther!
DON JUAN.
So sterb' ich!

Don Gonzalo fällt.
CATALINON.
Komm' ich hier gesund davon,
Nichts mehr von Possen und fidelen Suiten!
DON GONZALO.
Weh! du hast mich gemordet!
DON JUAN.
Du hast selber
Das Leben dir geraubt.
DON GONZALO.
Was hat mein Leben
Genützt?
DON JUAN.
Komm, laß uns fliehn.
Ab mit Catalinon.

[94]
19. Szene
Neunzehnter Auftritt.
Don Gonzalo.

DON GONZALO.
Kaltblütig machte
Dich meine Wuth! Ich sterbe; keine Hoffnung!
Dir folgt mein Grimm; denn ein Verräther bist du:
Und ein Verräther übt Verrath, weil er
Ein Feigling ist.
Stirbt. Diener tragen die Leiche weg.
20. Szene
Zwanzigster Auftritt.
Straße.
Marques de la Mota. Sänger.

DE LA MOTA.
Bald schlägt es Mitternacht;
Don Juan indessen zögert. Bittre Qual,
Wer harren muß!
21. Szene
Einundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Don Juan. Catalinon.

DON JUAN.
Ist's der Marques?
DE LA MOTA.
Don Juan?
DON JUAN.
Nehmt euren Mantel.
DE LA MOTA.
Nun, die Fopperei?
DON JUAN.
Ist übel abgelaufen; ja, Marques:
Es gab 'nen Todten bei dem Handel.
[95]
CATALINON.
Herr,
Mach dich davon vor diesem Todten!
DE LA MOTA.
Freund,
Du machst nur einen Spaß? – Was war es denn?
CATALINON
für sich.
Ja freilich treibt er seinen Spaß mit euch.
DON JUAN.
Der Spaß ist theu'r zu stehn gekommen.
DE LA MOTA.
Ich,
Don Juan, muß ihn bezahlen; denn das Weib
Wird mich verklagen.
DON JUAN.
Lebt denn wohl.
CATALINON.
Ich wette,
Da heißt's nicht: Gleiche Brüder, gleiche Kappen!
DON JUAN.
Komm, laß uns fliehn.
CATALINON.
Entfliehn? Da soll kein Adler
Mir es zuvorthun.
Beide ab.
22. Szene
Zweiundzwanzigster Auftritt.
De la Mota. Sänger.

DE LA MOTA.
Geht, ihr guten Leute;
Ich gehe meines Wegs allein.
Sänger ab.

[96]
23. Szene
Dreiundzwanzigster Auftritt.
De la Mota. Volk hinter der Bühne.

EINE STIMME
hinter der Bühne.
Hilf Himmel!
Welch Unglück! welche Missethat!
DE LA MOTA.
O Gott!
Ich höre Stimmen vor dem Königsschloß.
Wer kann es sein zu dieser späten Stunde?
Die Brust erstarrt von Eiseskälte mir.
Ein glutverzehrtes Troja scheint das Schloß;
Die Lichter wachsen rings zu Flammenriesen
Zusammen. Eine Schaar von Fackeln naht;
Die Glut im Wandeln ahmt die Sterne nach,
Und theilt sich in Geschwader ein. Ich muß
Die Ursach wissen.
24. Szene
Vierundzwanzigster Auftritt.
De la Mota. Don Diego. Wache mit Fackeln.

DON DIEGO.
Halt! wer da?
DE LA MOTA.
Ein Mann,
Der wissen will, warum der Auflauf.
DON DIEGO.
Greift ihn.
DE LA MOTA
zieht.
Mich greifen?
DON DIEGO.
Steckt den Degen ein! Hier ist
Der größte Muth, die Waffe nicht zu brauchen.
[97]
DE LA MOTA.
So spricht man mit dem Marques de la Mota?
DON DIEGO.
Gebt euren Degen! Es befiehlt der König,
Euch zu verhaften.
DE LA MOTA.
Nun, beim höchsten Gott! – – –
25. Szene
Fünfundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Der König mit Gefolge.

KÖNIG.
Im weiten Spanien soll er nicht entkommen,
Noch in Italien, wenn er dahin flieht.
DON DIEGO.
Mein König, hier ist der Marques.
DE LA MOTA.
O Herr!
Will eure Hoheit, daß man mich verhafte?
KÖNIG.
Führt ihn hinweg; sein Haupt soll unter's Beil.
Du wagst, mir vor's Gesicht zu treten, Bube?
DE LA MOTA.
O tückisch Liebesglück, das im Entfliehen
So eilig wie im Kommen langsam ist!
Wohl sprach mit Recht ein weiser Mann, es schwebe
Das Unheil zwischen Lipp' und Kelchesrand; –
Und dennoch staun' ich ob des Königs Zorn.
Ich weiß nicht, warum ich gefangen bin.
DON DIEGO.
Wer weiß die Ursach besser, als ihr selbst?
DE LA MOTA.
Ich?
[98]
DON DIEGO.
Folget mir.
DE LA MOTA.
Seltsam und unbegreiflich!
KÖNIG.
Laßt dem Marques sogleich sein Urtheil sprechen;
Und morgen legt den Kopf ihm vor die Füße.
Und dem Komtur, so hoch und hehr, wie sich's
Für heil'ge, fürstliche Personen schickt,
Soll die Bestattung angeordnet werden;
In Erz errichte man ein Grabmal ihm;
Sein steinern Bildniß stelle man darauf;
Und in Mosaik sollen gothische Lettern
Der Rache, die er fordert, Sprache leihn.
Und Alles dies, Bestattung, Grabmal, Standbild,
Werd' aus dem königlichen Schatz bezahlt. –
Doch wo ist Doña Anna hin?
DON DIEGO.
Sie floh
Zum heutigen Asyl der Königin.
KÖNIG
wendet sich zum Gehen.
Um diese Lücke wird Kastiliens Heer,
Um solchen Feldherrn Calatrava weinen!
Alle ab.
26. Szene
Sechsundzwanzigster Auftritt.
Ländliche Gegend vor dem Dorfe Dos-Hermanas.
Patricio. Aminta. Gaseno. Belisena. Bauern und Bäuerinnen.

GESANG DER LANDLEUTE.
Die Maiensonn' ist neu erwacht,
Mit Klee und Veilchen schön bekränzt;
[99] Doch holder als die Sonne glänzt
Aminta, Stern der Lenzesnacht!
PATRICIO.
Auf diesem Blüthenteppich, wo die Sonn'
Ueber bereifte Felder athemlos
Mit ihrem neugebornen Lichte schreitet,
Hier laßt euch nieder, da so freundlich uns
Der holde Ort zur Hochzeitsfeier ladet.
27. Szene
Siebenundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Catalinon im Reiseanzug.

CATALINON.
Ihr Herrn, die Hochzeit wird noch Gäste kriegen.
GASENO.
Die ganze Welt soll unsre Freude theilen.
Wer kommt denn noch?
CATALINON.
Don Juan Tenorio.
GASENO.
Ist's
Der Alte?
CATALINON.
Nein; Don Juan.
BELISENA.
Dann ist's der Sohn,
Der schöne Mann.
PATRICIO
für sich.
Welch üble Vorbedeutung!
Denn schön und Edelmann nimmt uns die Freude,
Und giebt uns Eifersucht dafür.

Laut.

Wie denn?
Wer hat von meiner Hochzeit ihm gesagt?
CATALINON.
Er kommt vorbei des Weges nach Lebrija.
[100]
PATRICIO
für sich.
Ich mein', ihn hat der Teufel hergesandt.
Doch was verdrießt's mich?

Laut.

Mag die ganze Welt
Zu meiner süßen Hochzeitsfeier kommen!

Für sich.

Und doch, ein Edelmann auf meiner Hochzeit,
Das deutet Böses mir.
GASENO.
Mag der Koloß
Von Rhodos, mag der Papst, mag auch der Priester
Johannes, der in Indien herrscht, mag auch
Mit seinem Hof Alfons der Eilfte kommen,
Sie finden bei Gaseno Lust und Kraft,
Sie zu empfangen. Denn in meinem Haus
Sind Berge Käses, Riesenströme Weins,
Und babylonsche Thürme stehn von Schinken;
Und unter des Geflügels feigem Heer,
Das man benagen mag, sind Hühner da
Und Täubchen. Mag denn ein so hoher Herr
Nach Dos-Hermanas kommen, auf daß er
Mein graues Haar an diesem Tag noch ehre.
BELISENA.
Es ist der Sohn des Oberkammerherrn.
PATRICIO
für sich.
Dieß all ist mir gar schlimme Vorbedeutung.
– Man wird ihn neben meine Gattin setzen.
Noch hab' ich selber nichts vom Baum der Liebe
Gepflückt, und schon verdammt der Himmel mich
Zur Eifersucht. O Liebe! – – Dulden, Schweigen!
[101]
28. Szene
Achtundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Don Juan.

DON JUAN.
Zufällig komm' ich dieses Wegs und höre,
Es giebt 'ne Hochzeit hier; so will ich denn
Sie feiern helfen, da das Glück mich trifft.
GASENO.
Ihr kommt, die Hochzeit zu verherrlichen.
PATRICIO
beiseite.
Und ich, den sie am meisten angeht, sage:
Ihr seid bei unsrem Fest der Störenfried.
GASENO.
Giebst du dem edlen Herrn nicht einen Platz?
DON JUAN.
Wenn ihr's gestattet, setz' ich mich hieher.

Setzt sich neben die Braut.
PATRICIO.
O Herr, wenn ihr den Platz euch vorweg nehmt,
Seid ihr auf diese Art der Bräutigam?
DON JUAN.
Wär' ich's, so hätt' ich nicht das schlimmste Theil
Erwählt.
GASENO
zu Don Juan.
Dieß ist der Bräutigam.
DON JUAN.
Verzeiht,
Wenn ich aus Irrthum hier verletzt die Sitte.
CATALINON
beiseite.
O armer Ehemann!
DON JUAN
leise zu Catalinon.
Die Stierhatz ist
Bereits im Gang.
[102]
CATALINON
leise.
Ich seh' es wohl; doch machst
Du ihn zum Stier, so wird die Hetze arg.
Ich geb' ihm für sein Weib und seine Ehre
Nicht einen Pfennig. O du armer Teufel,
Der du dem Satan in die Hände fielst!
DON JUAN.
Ist's möglich, Mädchen, ward mir solch ein Glück?
Ich neide den Gemahl.
AMINTA.
Ihr scheint ein Schmeichler.
PATRICIO
für sich.
Das sprach sie gut. Ja, schlimme Vorbedeutung,
Wenn auf die Hochzeit kommt der Edelmann!
GASENO.
Kommt mit; laßt uns zum Frühstück gehn, damit
Der gnäd'ge Herr ein wenig ruhen kann.
DON JUAN
faßt die Braut bei der Hand.
Warum versteckt ihr sie?
AMINTA.
Ei, sie ist mein.
GASENO.
Kommt.
BELISENA.
Stimmt ein Liedchen an.
DON JUAN
leise zu Catalinon.
Was sagst du?
CATALINON
ebenso.
Ich?
Daß mir für's Leben bangt bei diesen Bauern.
DON JUAN.
Ich glüh' für süße Augen, weiße Händchen.
CATALINON
für sich.
Und Prügel, Wunden: die vier Dinge sind
Zu finden hier.
[103]
DON JUAN
leise zu Catalinon.
Komm; Alles blickt auf mich.
PATRICIO.
Bei meinem Hochzeitsfest ein Edelmann!
Das deutet Böses.
GASENO.
Singt!
PATRICIO
für sich.
Ich trage Tod
Im Herzen.
CATALINON.
Singt! Bald giebt's für die zu weinen.
[104]

3. Akt

1. Szene
Erster Auftritt.
Gaseno's Haus im Dorfe Dos-Hermanas.
Patricio.

PATRICIO.
Eifersucht, du Uhr der Qualen,
Die du mich mit bittrem Wehe,
Dessen Grund ich nicht verstehe,
Läßt die kurzen Freuden zahlen, –
Laß doch ruhn dieß arme Herz!
Ach! die Liebe gab mir Leben;
Aber was du mir gegeben,
War der kalte Todesschmerz.
Warum schafft ihr mir dieß Wehe,
Gnäd'ger Herr? – Als ich ihn sah,
Wohl mit Wahrheit sagt' ich da:
Unheil deutet's meiner Ehe!
Ha, daß er mein Bräutchen hieß
Ihm bei Tisch zur Seite sitzen,
Mich nicht mit den Fingerspitzen
An die Schüssel rühren ließ!
Und war ich einmal so frei,
Hat er gleich beim ersten Bissen
Mir die Hände weggerissen,
Und gesagt; »Pfui, Tölpelei!«
Und der andre Teufelsbraten,
Wenn ich wünschte ein Gericht,
[105] Sprach er: »Davon ißt er nicht?
Er ist wahrlich schlecht berathen!«
Und wie ich mir was erlesen,
Stahl er mir's am Mund vorbei; –
Eine Taschenspielerei,
Keine Hochzeit ist's gewesen. –
Nein, das ist nicht auszustehen,
Unter Christen nicht zu leiden! – –
Haben nun gespeist die Beiden,
Wie wird's erst beim Schlafengehen?!
Sicher bleibt er auch dabei!
Will ich mich zu nähern wagen
Meinem Weib, gleich wird er sagen:
Tölpelei! pfui, Tölpelei!
– Doch er kommt; ihn auszuspähen,
Will ich mich beiseite drücken. – –
Aber nein, es wird nicht glücken;
Denn er hat mich schon gesehen.
2. Szene
Zweiter Auftritt.
Patricio. Don Juan.

DON JUAN.
Ei, Patricio!
PATRICIO.
Euer Gnaden
Zu Befehl.
DON JUAN.
Ich sage dir – – –
PATRICIO
für sich.
Was hat er zu sagen? – – Mir
Neues Unglück aufzuladen!
DON JUAN.
Lang ist's her, daß heiß verliebt
Ich Aminta's Gunst begehre;
Und ich brach auch – – –
[106]
PATRICIO.
Ihre Ehre?
DON JUAN.
Ja.
PATRICIO
für sich.
Die Kunde, die er giebt,
Alles sah ich ja vorher.
Wär' sie nicht in Lieb' entglommen!
Wär' er in ihr Haus gekommen?

Laut.

– – 'S ist ein Weib; was braucht es mehr?
DON JUAN.
Sie verzweifelte beinah;
Und ihr Leid kannst du ermessen,
Als sie sich von mir vergessen,
Eines Andern Weib sich sah.
Eilig sandte sie mir nach;
Sieh den Brief, den sie geschrieben!
Ich versprach, sie stets zu lieben,
Wie sie selber mir versprach.
So geschieht's, wie ich gesagt; –
Und nun sorge für dein Leben!
Denn ich will den Tod ihm geben,
Der mein Glück zu stören wagt.
PATRICIO.
Wenn es euer Herz begehrt,
Denkt nicht, daß ich's euch verwehre.
Wenn man spricht von Weib und Ehre,
Sind schon beide nichts mehr werth.
Ist das Weib im Mund der Leute,
Muß ihr guter Ruf entweichen:
Glocken sind sie zu vergleichen,
Die man schätzt nach dem Geläute;
Hört man's ja von allen Zungen,
Daß das Weib im Werthe fällt,
Wenn ihr Ruf so klanglos gellt
Wie die Glocke, die gesprungen.
[107] Da mein Lebensglück zunichte,
Meid' ich diese Weiberbrut,
Die da zwischen Bös und Gut
Wie 'ne Münz' im Dämmerlichte.
– Mag sie lange Freud' euch geben!
Tragen will ich denn den herben
Schmerz der Wahrheit; lieber sterben,
Als in Täuschung länger leben.

Ab.
3. Szene
Dritter Auftritt.
Don Juan.

DON JUAN.
Ha, ich packt' ihn bei der Ehre!
Ja, auf Ehre hält der Bauer,
Liegt beständig auf der Lauer,
Daß man sie ihm nicht versehre.
Ja, so weit ist es gekommen
In der Zeiten Last und Schwere,
Daß nun aus der Stadt die Ehre
Ihre Flucht ins Dorf genommen.
– Doch eh ich mein Werk beginne,
Will ich ihren Vater sprechen;
Selbst soll er die Bahn mir brechen,
Segnen selbst die falsche Minne.
Wohl hab' ich es eingeleitet;
Diese Nacht noch wird sie mein.
Nun zum Alten gleich hinein,
Da schon Nacht am Himmel schreitet.
Sterne, die ihr mich bestrahlt,
Laßt auch diesen Trug gelingen!
Soll der Tod mir Strafe bringen,
Wird die Schuld gar spät bezahlt.

Ab.
[108]
4. Szene
Vierter Auftritt.
Aminta. Belisena.

BELISENA.
Dein Gatte wird bald kommen; geh hinein,
Aminta, und entkleide dich.
AMINTA.
Ich weiß nicht,
Wie diese Hochzeit mich so traurig macht.
Den ganzen Tag war mein Patricio tief
Getaucht in Schwermuth; Alles ist Verwirrung
Und Eifersucht; ein großes Unheil droht!
BELISENA.
Wer ist der Ritter – – –
AMINTA.
Schweig; ich ärgre mich;
Die Frechheit ist in Spanien adlig worden.
Schmach über ihn, der mir den Gatten raubt!
BELISENA.
Still, still, dein Gatte! denn kein Andrer schreitet
So laut und stark im Haus des Neuvermählten.
AMINTA.
Geh, Belisena, geh.
BELISENA.
In deinen Armen
Verscheuche seinen Kummer.
AMINTA.
Wolle Gott,
Daß ihm mein Seufzen gleichwie Liebesflüstern,
Mein Weinen ihm wie holdes Kosen sei!
Beide ab.

[109]
5. Szene
Fünfter Auftritt.
Don Juan. Catalinon. Gaseno.

DON JUAN.
Gaseno, Gott befohlen.
GASENO.
Ich wollt' euch
Begleiten, meiner Tochter Heil zu wünschen
Zu solchem Glück.
DON JUAN.
Dazu ist morgen Zeit.
GASENO.
Ich geb' euch meine Seel' in diesem Mädchen.
DON JUAN.
Sagt: meine Gattin.
Gaseno ab.
6. Szene
Sechster Auftritt.
Don Juan. Catalinon.

DON JUAN.
Sattle mir die Pferde,
Catalinon.
CATALINON.
Auf wann denn?
DON JUAN.
Auf den Morgen,
Der lachend ob des Truges aufgehn wird.
CATALINON.
Dort in Lebrija, Herr, erwartet uns
Noch eine Hochzeit; drum, bei deinem Leben,
Mach dich in aller Eil mit dieser fertig.
DON JUAN.
Das ist das feinste Stückchen unter allen.
[110]
CATALINON.
O kämen wir von allen gut davon!
DON JUAN.
Mein Vater führt das Zepter des Gerichts,
Und hat des Königs Gunst; was fürchtest du?
CATALINON.
Gott übet Rache stets an Günstlingen,
Wenn sie nicht strafen böse That; und oft
Verliert beim Spiele, wer nur zugeschaut.
Ich habe deinem Spiele zugeschaut,
Und möchte nicht, daß für dieß Schau'n ein Blitz
Mich träfe und in Staub verwandelte.
DON JUAN.
Geh, sattle! Morgen schlaf' ich in Sevilla.
CATALINON.
Wie? in Sevilla?
DON JUAN.
Ja.
CATALINON.
Was sagst du, Herr?!
Bedenk', was du gethan hast, und bedenke,
Daß bis zum Tod das längste Leben kurz,
Jenseit des Todes eine Hölle ist.
DON JUAN.
Wenn du so lange Frist mir geben willst,
So wag' ich's immerhin mit Lug und Trug.
CATALINON.
Herr!
DON JUAN.
Geh, du langweilst mich mit deiner Angst.
Catalinon ab.

[111]
7. Szene
Siebenter Auftritt.
Don Juan.

DON JUAN.
Schon dehnt in dunklem Schweigen sich die Nacht;
Und in der Sterne Gruppen schreiten schon
Zum Scheitelpunkt des Himmels die Plejaden.
Nun setz' ich meinen Trug ins Werk; mich treibt
Die Liebe, daß ich meiner Neigung folge,
Der nie ein Mensch zu widerstehn vermag.
Ich sehne mich ins holde Bett. Aminta!
8. Szene
Achter Auftritt.
Don Juan. Aminta im Nachtkleide.

AMINTA.
Wer ruft Aminta? mein Patricio?
DON JUAN.
Nein;
Ich bin nicht dein Patricio.
AMINTA.
Wer bist du?
DON JUAN.
Sieh einmal her, Aminta, wer ich bin.
AMINTA.
Weh mir! Ich bin verloren. Du bei mir,
Zu solcher Stunde?
DON JUAN.
Dieß sind meine Stunden.
AMINTA.
Hinweg! ich rufe Hilfe! Geht, verletzt
Die Achtung nicht, die ihr Patricio schuldet!
In Dos-Hermanas auch giebt's römische
Emilien, rachedürstende Lucrezien!
[112]
DON JUAN.
Hör' mich nur auf zwei Worte! Dräng' ins Herz
Zurück den dunkeln Purpur deiner Wangen,
Den reichen Schmuck!
AMINTA.
Hinweg! mein Gatte kommt.
DON JUAN.
Ich bin dein Gatte. Du erstaunst?
AMINTA.
Seit wann?
DON JUAN.
Seit dieser Stunde.
AMINTA.
Wer hat das beschlossen?
DON JUAN.
Mein Glück.
AMINTA.
Wer uns vermählet?
DON JUAN.
Deine Augen.
AMINTA.
Mit was für Recht und Macht?
DON JUAN.
Mit deinem Anblick.
AMINTA.
Weiß es Patricio?
DON JUAN.
Ja; denn er vergißt dich.
AMINTA.
Vergißt er mich?
DON JUAN.
Ja; denn ich liebe dich.
AMINTA.
Wie?
DON JUAN
umarmt sie.
So! an meinem Herzen.
[113]
AMINTA.
Fort von mir!
DON JUAN.
Kann ich's, da ich in Liebe schier vergehe?
AMINTA.
Welch große Lüge!
DON JUAN.
Hör', und du erfährst
Die Wahrheit, wenn du sie erfahren willst;
Ihr Frauen seid ja stets der Wahrheit hold.
Ich bin von hohem Adel, bin das Haupt
Des alten Hauses der Tenorio's, die
Sich der Eroberung Sevilla's rühmen.
Mein Vater wird geehret nach dem König;
An seinem Mund hängt Leben oder Tod.
Ich kam des Wegs zufällig, schaute dich;
Denn Amor führt manchmal die Dinge so,
Daß er sie selbst nicht mehr zu regeln weiß.
Ich sah dich, liebte dich, verzehrte mich:
Und diese Liebe fordert, daß ich dich
Zur Gattin wähle; der Entschluß ist fest.
Und mag der König widersprechen, mag
Mein Vater grollend es verwehren, doch
Werd' ich dein Gatte sein. – Was sagst du nun?
AMINTA.
Ich weiß nicht. Was du mir als Wahrheit giebst,
Ist überdeckt mit rednerischen Lügen.
Denn mit Patricio bin ich ja vermählt,
Wie Jeder weiß; und diese Ehe wird
Nicht aufgelöst, und stünd' er selber ab.
DON JUAN.
Jedoch für nichtig kann man sie erklären,
Weil er sie nicht vollzogen, sei's aus Tücke,
Sei es aus Hinterlist.
[114]
AMINTA.
Nein; in Patricio
War Alles schlichte Wahrheit.
DON JUAN.
Komm, o komm!
Gieb mir die Hand zum Pfande für dein Ja.
AMINTA.
Nein; du betrügst mich.
DON JUAN.
Der Betrug wär' schlimm
Für Jemand.
AMINTA.
Schwörst du, mir dein Wort zu halten?
DON JUAN.
Ich schwör's, geliebtes Weib, bei dieser Hand,
Die eine Hölle kalten Schneees ist,
Daß ich mein Wort erfülle.
AMINTA.
Schwör' bei Gott,
Daß er dir fluche, wenn du's nicht erfüllst.
DON JUAN.
Wenn ich dir jemals Wort und Treue breche,
So bitt' ich Gott, für solchen Frevel werde
Mir gleich der Tod

Für sich.

von eines Todten Hand;
Gott verhüte, daß mich ein Lebend'ger tödte!
AMINTA.
Auf diesen Eid nimm mich als Gattin hin.
DON JUAN.
Und meine Seele selber biet' ich dir
In meinen Armen.
AMINTA.
Dein ist Seel' und Leben.
DON JUAN.
Mein Kind, Aminta, meiner Augen Stern!
In glänzend helle Silberschuhe, die
Besternt mit Nägeln aus Tibar'schem Gold,
[115] Wirst morgen du die holden Füßchen kleiden;
In der Juwelenbänder reiche Haft
Wirst schmiegen du den Alabasterhals,
Die Fingerchen in Ringe, deren Fassung
Durchsichtig seine Perlen eng umschließt.
AMINTA.
Mein Gatte, deinem Willen beuget sich
Von nun an stets der meine; ich bin dein.
DON JUAN
für sich.
Wie schlecht kennst du den Erzschelm von Sevilla!
Beide ab.
9. Szene
Neunter Auftritt.
Meeresufer bei Tarragona.
Isabella. Fabio. Beide im Reiseanzug.

ISABELLA.
O daß ein Frevel mir den Theuren raubte,
Zusammt dem Kleinod, das mir werth vor allen!
Wenn ich den Trug doch glaubte,
Und nie gewußt, daß ich so tief gefallen!
O Nacht, die mich entseelte,
Die freudlos mich mit einem Traum vermählte!
FABIO.
– Was nützt sie unserm Glücke,
Die Liebe, die in Seel' und Augen strahlet?
Denn Lieb' ist Trug und Tücke,
Da sie mit Hohn und mit Verachtung zahlet.
Will sie dir freundlich scheinen,
So hast du bald ein Unglück zu beweinen.
– Wild wogt es in den Buchten;
Gefahren lauern in der Wuth des Sturmes;
Und die Galeeren suchten,
O Fürstin, längst den nahen Schutz des Thurmes,
Der krönt des Ufers Wüste.
[116]
ISABELLA.
Wo sind wir jetzt?
FABIO.
An Tarragona's Küste.
– Und bald von diesem Strande
Gehn nach Valencia wir, das prangt im Segen,
Als Königsburg der Lande;
Dort wirst du kurze Zeit der Ruhe pflegen,
Dann nach Sevilla reisen,
Das als das achte Wunder Alle preisen.
– Weinst du, daß du verloren
Octavio's Hand? Don Juan ist hoch geehrt,
Von edlerm Stamm geboren;
Er trägt die Grafenkron'; Alfons begehret,
Daß er sich dir vermähle;
Sein Vater ist des Königs Herz und Seele.
ISABELLA.
Nicht füllt es mich mit Grame,
Don Juan vermählt zu sein; denn aller Orten
Glänzt hell Tenorio's Name: –
Mich grämt's, daß ich ein Ziel den frechen Worten.
Mein Ruf ist hin; und Klage
Geziemt mir bis ans Ende meiner Tage.
FABIO.
Die Fischerin sieh dorten!
Sie weint, sie seufzt, sie trägt ein bittres Wehe,
Und klagt in sanften Worten.
Gewiß, sie kommt; sie sucht hier deine Nähe. –
Ich rufe deine Leute;
Erforsch' indessen, was ihr Schmerz bedeute.

Ab.

[117]
10. Szene
Zehnter Auftritt.
Isabella. Tisbea.

TISBEA.
Du Meer Hispaniens, glühend
In Wuth! ihr Feuerwellen, flücht'ge Wellen,
Die meine Hütte sprühend
Verzehrt! – denn aus des Abgrunds Quellen
Erstehen Wogengluten!
Und aus den Flammen speit das Weltmeer Fluten: –
– O Fluch dem Kiel, der in der Winde Wehen
Durch bittre Flut zuerst den Weg gefunden,
Ersehnet von Medeen!
Fluch jenem ersten Tau, das aufgewunden
Der Sturm! mein Fluch zerstücke
Das Segel, das ein Werkzeug ward der Tücke!
ISABELLA.
Was rufst du in die Wogen,
O holde Fischerin, so bittre Klagen?
TISBEA.
Das Meer hat mich betrogen.
O glücklich ihr, die kaum vom Sturm verschlagen,
Nun lacht, wenn Wogen rollen!
ISABELLA.
Auch ich muß bitterlich dem Meere grollen. –
Wo kommst du her?
TISBEA.
Ich wohnte
In jenen Hütten, die der Sturm gefällt hat,
Der lange sie verschonte.
Wie er die armen Mauern nun zerschellt hat,
Daß einsam die Ruinen
Nur noch den Vögelein zu Nestern dienen! – –
– Seid ihr vielleicht die hehre
Europa daß euch diese Stiere 1 tragen?
[118]
ISABELLA.
Ach! hier soll meine Ehre
In unerwünschtes Eheband mich schlagen!
TISBEA.
Hört ihr des Mitleids Stimme,
Und klagt ihr selber ob des Meeres Grimme: –
– So laßt mich mit euch gehen,
Um als demüth'ge Sclavin euch zu pflegen.
Zum König muß ich flehen,
Wenn Schmach und Kummer nicht ins Grab mich legen,
Und strenges Recht verlangen
Für bösen Trug und frevles Unterfangen.
– Jüngst warf an diese Auen
Ein Sturm Don Juan Tenorio, Herz und Glieder
Erstarrt in Todesgrauen:
Ich nahm ihn auf, gab ihm das Leben wieder;
Und meinen Frieden brechend,
Ward er zur Viper, mir das Herz durchstechend.
– Mich zum Altar zu führen,
Er schwur's; ich, der vor Liebe sonst gegrauet,
Ergab mich seinen Schwüren:
O weh dem Weibe, das dem Manne trauet!
Er floh; ich blieb verlassen:
Nun kannst du meiner Rache Drang erfassen.
ISABELLA.
– Verfluchtes Weib! Geh, meide
Mein Antlitz; du vergiftest meine Seele! – –
Doch nein; an deinem Leide
Bist du ja schuldlos. Fahre fort, erzähle.
TISBEA.
Mein Glück schien festgebauet ...
ISABELLA.
O weh dem Weibe, das dem Manne trauet!
– Und wer wird mit dir gehen?
[119]
TISBEA.
Ein schwacher Greis, mein Vater, der mein Leiden
Und meine Schmach gesehen.
ISABELLA.
So ist's mir recht! Komm mit; bald soll uns Beiden
Der Tag der Rache grauen.
TISBEA.
O weh den Weibern, die auf Männer bauen!
Beide ab.
Fußnoten

1 Nämlich die Schiffe.

11. Szene
Elfter Auftritt.
Kirche in Sevilla. Im Hintergrunde ein Grabmal mit Don Gonzalo's Bildsäule.
Don Juan. Catalinon.

CATALINON.
Die Sachen stehn so schlecht als möglich.
DON JUAN.
Wie?
CATALINON.
Octavio weiß um den italischen
Verrath; beleidigt fühlt sich De la Mota,
Und klagt mit Recht, daß du von seinem Bäschen
Ihm falsch erlogne Botschaft hinterbracht,
Und mittelst seines Mantels den Verrath
Verübt hast, der ihm Schimpf und Schande bringt.
Auch heißt es, Isabella komme her,
Daß du ihr Gatte werdest; ferner heißt es – – –
DON JUAN
schlägt ihn auf den Mund.
Halt's Maul!
CATALINON.
Au! einen Backenzahn hast du
Mir ausgeschlagen!
[120]
DON JUAN.
Schwätzermaul! Wer hat
So vieles dumme Zeug dir aufgebunden?
CATALINON.
'S ist Wahrheit.
DON JUAN.
Frag' ich denn, ob's Wahrheit ist?
Wenn mich Octavio tödten will, bin ich
Denn todt? Hab' ich nicht Hände, mich zu wehren?
– Wo triebst du mir ein Unterkommen auf?
CATALINON.
In jenem abgelegnen Gäßchen.
DON JUAN.
Gut.
CATALINON.
Die Kirche ist 'ne heil'ge Zufluchtsstätte.
DON JUAN.
Doch kann man hier bei Tag mich dennoch tödten.
– Sahst du den Bräutigam aus Dos-Hermanas?
CATALINON.
Ich sah ihn auch; er ist voll Schmerz und Gram.
DON JUAN.
Aminta wird die nächsten vierzehn Tage
Nicht hinter meine Schliche kommen.
CATALINON.
Nein;
Sie ist so blind im Garne, daß sie sich
Gräfin Aminta nennt.
DON JUAN.
Ein feiner Spaß!
CATALINON.
Ein Späßchen fein und kurz, das ihr auf lange
Zu weinen giebt.

Sie bemerken Don Gonzalo's Grabmal.
DON JUAN.
Was für ein Grab ist dieß?
[121]
CATALINON.
Dieß? – Don Gonzalo liegt begraben hier.
DON JUAN.
Den ich erstochen habe? Schau, man hat
Ein mächtig Grabmal ihm erbaut.
CATALINON.
Der König
Hat so befohlen. – Ei, wie heißt die Inschrift?
DON JUAN
liest.
»Hier liegt der bravste Rittersmann; von Gott
Erwartet er die Rache am Verräther.«
Ha, ich muß lachen ob der dunklen Drohung!
An mir euch rächen, Alter mit dem Bart
Von Marmelstein?

Greift dem Standbild an den Bart.
CATALINON.
Du reißest ihn nicht aus;
Er kann sich rühmen eines starken Bartes.
DON JUAN.
Auf diesen Abend lad' ich euch zum Essen
In meine Herberg' ein; dort machen wir
Die Fordrung aus, wenn ihr die Rache liebt.
Zwar wird es übel mit dem Kampfe gehn,
Da euer Schwert von Stein ist.
CATALINON.
Gnäd'ger Herr,
Schon wird es Nacht; laßt uns doch schlafen gehn.
DON JUAN.
Geduldet hat sich eure Rache lang;
Seid ihr es selber, der sie üben soll,
So solltet ihr nicht schlafen. Falls ihr aber
Die Rache bis zu meinem Tod verspart,
So laßt die Hoffnung schwinden, da ihr mir
So lange Frist gewährt für eure Rache!
Beide ab.

[122]
12. Szene
Zwölfter Auftritt.
Zimmer in Don Juans Wohnung.
Zwei Diener den Tisch deckend.

ERSTER DIENER.
Ich halte jetzt das Mahl bereit; Don Juan
Kommt heut zu Tisch.
ZWEITER DIENER.
Der Tisch ist schon gedeckt;
Wie trödelt er so lange, wenn's ihm einfällt!
Der gnäd'ge Herr bleibt aus; ich ärgre mich:
Der Wein wird warm; die Speisen werden kalt.
Wer kann Don Juans Unordnung je in Ordnung
Umwandeln?
13. Szene
Dreizehnter Auftritt.
Die Vorigen. Don Juan. Catalinon.

DON JUAN.
Hast du zugeschlossen?
CATALINON.
Herr,
Wie du befohlen.
DON JUAN.
Holla, bringt das Essen.
ZWEITER DIENER.
Es ist schon aufgetragen.
DON JUAN.
Setz' dich her,
Catalinon.
CATALINON.
Ich esse gern mit Muße.
DON JUAN.
Setz' dich; ich will's.
[123]
CATALINON.
Ich thu' euch schon Bescheid.
ERSTER DIENER
beiseite.
Bescheiden ist's nicht, wenn er mit ihm speist!
DON JUAN.
Setz' dich.

Es klopft.
CATALINON.
Ein Schlag ans Thor!
DON JUAN
zum ersten Diener.
Man klopft wohl an;
Sieh, wer es ist.
ERSTER DIENER.
Ich geh' in raschem Flug.

Ab.
14. Szene
Vierzehnter Auftritt.
Die Vorigen ohne den ersten Diener.

CATALINON.
Wenn's das Gericht nun wäre, Herr?
DON JUAN.
Mag sein;
Sei ohne Furcht.
15. Szene
Fünfzehnter Auftritt.
Die Vorigen. Erster Diener eilt zitternd herein.

DON JUAN.
Wer ist's? was zitterst du?
CATALINON.
Sein Aussehn zeigt was Böses an.
DON JUAN.
Kaum noch
Bezwing' ich meinen Zorn. Antworte, sprich!
[124] Was hast du denn gesehn? hat dich der Teufel
Erschreckt?

Zu Catalinon.

Geh du; sieh nach der Thür.
Geschwind, mach' eilig!
CATALINON.
Ich?
DON JUAN.
Du, allerdings.
CATALINON.
Wer hat den Schlüssel zu der Thür?
ZWEITER DIENER.
Sie ist
Nur in der Klinke.
DON JUAN.
Nun? du gehst noch nicht?
CATALINON.
Heut geht's zu Ende mit Catalinon!
O weh, wenn die verführten Weiber kommen,
Um sich zu rächen an uns Beiden!

Geht an die Thüre und öffnet sie; dann läuft er zurück und fällt zu Boden.
DON JUAN.
Nun,
Was soll das sein?
CATALINON.
Der Himmel steh' mir bei!
Er bringt mich um! er packt mich an!
DON JUAN.
Wer packt dich?
Wer bringt dich um? Sag', was hast du gesehn?
CATALINON.
O Herr, ich sah, ... so wie ich an die Thür
Gekommen, ... O! wer faßt mich an? wer reißt
Mich fort? ... Ich kam, als man ... darauf, erblindet, ...
– – – Ich kam; ... ich wurde blind, als ich ihn sah ...
Ich schwör's bei Gott. Ich sprach mit ihm; ... ich sagte:
Wer seid ihr? ... und er gab mir Antwort; ... und
Ich gab ihm Antwort gleich; ... ich stieß auf ihn;
Da sah ich ...
[125]
DON JUAN.
Wen?
CATALINON.
Ich weiß nicht.
DON JUAN.
Wie der Wein
Das bischen Hirn verrückt! Gieb mir das Licht,
Du Hasenherz; ich sehe selbst, wer klopft.
16. Szene
Sechzehnter Auftritt.
Die Vorigen. Don Gonzalo's Standbild.
Don Juan nimmt das Licht und geht nach der Thüre; Don Gonzalo's Bildsäule, wie sie vorher auf der Gruft gestanden, kommt ihm entgegen. Don Juan geht bestürzt zurück und zieht den Degen mit der Rechten, während er in der Linken immer noch das Licht hält. Don Gonzalo nähert sich ihm mit langsamen Schritten und Don Juan weicht ebenso zurück, bis Beide in der Mitte der Bühne stehen.

DON JUAN.
Wer da?
DON GONZALO.
Ich bin es.
DON JUAN.
Wer seid ihr?
DON GONZALO.
Ich bin
Der edle Rittersmann, den du zum Mahl
Geladen.
DON JUAN.
Wohl. Das Mahl reicht für uns Beide;
Und kommen mehr mit dir, reicht's noch für Alle.
Schon ist der Tisch gedeckt; nimm deinen Platz.
CATALINON.
Gott steh' mir bei! Hilf, heiliger Panuncio!
Hilf, heiliger Antonio!

Nähert sich zitternd.

Also essen
Die Todten auch? Sprich doch! – –

Die Bildsäule nickt.

Er nickt ein Ja.
[126]
DON JUAN.
Setz dich, Catalinon.
CATALINON.
O nicht doch, Herr;
Ich nehm' es für gegessen an.
DON JUAN.
Ein Unsinn!
Vor Todten hast du Furcht? Was thätest du,
Wenn er noch lebte? Dumme, niedre Furcht!
CATALINON.
Iß du mit deinem Gast; ich hab' gegessen.
DON JUAN.
Soll ich dir böse werden?
CATALINON.
Herr, bei Gott,
Ich rieche aus dem Mund.
DON JUAN.
Komm! soll ich warten?
CATALINON.
Ach! ich bin todt von vorn und todt von hinten!

Don Juan winkt den Dienern; sie bleiben zitternd stehen.
DON JUAN.
Und ihr, was haltet ihr Maulaffen feil?
Was steht ihr da? ihr Tölpel, was, ihr zittert?
CATALINON.
Mit Leuten aus der Fremde mag ich nicht
Zusammen speisen. Herr, soll ich mich setzen
Zu einem Gast von Stein?
DON JUAN.
Einfält'ge Angst!
Ist er von Stein, was kann er denn dir thun?
CATALINON.
Ein Loch mir schmeißen in den Kopf.
DON JUAN.
Komm, rede
Ihn höflich an.
[127]
CATALINON.
Geht's euer Gnaden wohl?
Ist's eine schöne Gegend, jenes Leben?
Ist's eben oder bergig? Ehrt man dort
Die Poesie?

Die Bildsäule nickt.
ERSTER DIENER.
Zu Allem nickt er Ja.
CATALINON.
Giebt's auch dort viele Schenken? Sicherlich;
Sonst müßten ja die Todten hier logieren.
DON JUAN.
Holla, gebt uns zu trinken her.
CATALINON.
Herr Leichnam,
Trinkt man auch dort in Eis? und giebt es Eis?

Don Gonzalo nickt mit dem Kopfe.
CATALINON.
'Ne schöne Gegend!
DON JUAN.
Hört ihr gern Gesang,
So wird man singen.

Don Gonzalo nickt mit dem Kopfe.
ZWEITER DIENER.
Er sagt Ja.
DON JUAN.
So singt.
CATALINON.
Herr Leichnam sind ein Mann von Lebensart.
ERSTER DIENER.
Ein edler Herr, gewiß, ein Freund von Scherz.
GESANG
hinter der Bühne.
Ist's dein Wille, süße Maid,
Meinem heißen Liebesstreben
Erst im Tode Lohn zu geben,
O, da wart' ich lange Zeit!
[128]
CATALINON.
Herr Leichnam sind von dieser Sommerhitze
Ermattet, oder essen sonst nicht viel;
Ich mach' mich an die Schüssel.

Trinkt.

Jenseits wird
Nicht viel getrunken; gut, ich thu's für beide.
Ich bring' euch eine steinerne Gesundheit!
Beim Himmel, meine Furcht nimmt mächtig ab.
GESANG
hinter der Bühne.
Soll ich deine Gunst genießen
Erst nach meinem Erdengange,
Währt mein Leben mir zu lange;
Mag's nur gleich im Nu zerfließen!
Ist's dein Wille, süße Maid,
Meinem heißen Liebesstreben
Erst im Tode Lohn zu geben,
O, das ist gar lange Zeit!
CATALINON.
Mit welcher denn von so viel Weibern, Herr,
Die du betrogen hast, spricht dieses Lied?
DON JUAN.
Freund, über Alle lach' ich heute noch.
Einst in Neapel hab' ich Isabella – – –
CATALINON.
Die, Herr, ist nicht betrogen, da sie sich
Mit dir vermählt, wie sich gebührt. Du hast
Die Fischerin betrogen, die aus Sturm
Und Wogen dich gerettet, hast bezahlt
Den gastlichen Empfang mit schnöder Münze.
Betrogen hast du Doña Anna – – –
DON JUAN.
Still!
'S ist Einer hier, der für sie zahlen mußte,
Und auf die Rache wartet.
CATALINON.
Ja, das ist
[129] Ein starker Held von Stein; du bist von Fleisch:
Der Handel ist nicht gleich.

Don Gonzalo deutet durch Zeichen an, daß man die Tafel wegräume und ihn mit Don Juan allein lasse.
DON JUAN.
He, räumt den Tisch
Hinweg! Er giebt mir Zeichen, daß wir zwei
Allein hier bleiben, und die Andern gehn.
CATALINON.
Das geht nicht an; bei Gott, du darfst nicht bleiben.
'S giebt Todte, die mit einem Nasenstüber
Den stärksten Helden schlagen mausetodt.
DON JUAN.
Geht alle; – ja, wär' ich Catalinon! – –
Hinweg! Er will's.
Die Diener ab. Don Gonzalo deutet durch Zeichen an, daß Don Juan die Thüre verschließen soll. Er thut es.
17. Szene
Siebzehnter Auftritt.
Don Juan. Don Gonzalo's Standbild.

DON JUAN.
Schon ist die Thür verschlossen;
Erwartend steh' ich da. Sag' dein Begehr,
Du Schatten, Scheinbild, oder Traumgesicht!
Wenn du in Qualen wandelst, oder wenn
Heilmittel du bedarfst für deine Seele,
So sprich; ich gebe dir mein Wort, ich thue,
Was du gebeutst. Bist du im Stand der Gnade?
Gab ich in deinen Sünden dir den Tod?
Sprich; alle meine Geister sind gespannt.
DON GONZALO
mit dumpfem Grabeston.
Wirst du ein Wort als Edelmann mir halten?
[130]
DON JUAN.
Ich bin ein Mann von Ehre, und mein Wort
Erfüll' ich; denn ich bin ein Edelmann.
DON GONZALO.
So reiche deine Hand mir; zittre nicht.
DON JUAN.
Das sagst du mir? Ich zittern? Wärst du auch
Die Hölle selbst, ich gäbe dir die Hand.

Giebt sie ihm.
DON GONZALO.
Bei dieser Hand und deinem Worte, morgen
Erwart' ich dich um zehn zum Abendessen;
Wirst du erscheinen?
DON JUAN.
O, ich meinte wohl,
Du würdest Größeres begehren. Morgen
Bin ich dein Gast. Und wohin lädst du mich?
DON GONZALO.
In meine Gruftkapelle.
DON JUAN.
Soll ich dich
Allein besuchen?
DON GONZALO.
Nein, kommt alle Beide;
Und halte mir dein Wort, wie ich's gehalten.
DON JUAN.
Glaub' mir, ich halt' es; denn ich bin Tenorio.
DON GONZALO.
Und ich Ulloa.
DON JUAN.
Pünktlich, zweifle nicht,
Find' ich mich ein.
DON GONZALO.
Ich glaub' es; Gott befohlen.

Geht langsam nach der Thüre.
[131]
DON JUAN.
Geduld, ich will dir leuchten.
DON GONZALO.
Leuchte nicht;
Ich bin im Stand der Gnade.
Don Gonzalo entfernt sich, beständig den Blick auf Don Juan geheftet, während Don Juan ihn ebenso anstarrt, bis Don Gonzalo die Bühne verlassen.
18. Szene
Achtzehnter Auftritt.
Don Juan.

DON JUAN
voll Entsetzen.
Himmel, hilf!
Mein ganzer Körper ist in Schweiß gebadet;
In meinem Busen wird zu Eis mein Herz.
Wie er die Hand mir faßte, preßt' er sie
So gräßlich, daß mir's eine Hölle dünkte;
Nie fühlt' ich solche Glut. Und als sein Mund
Die Stimme formte, haucht' er einen Athem
So eisig aus, es schien ein Hauch der Hölle.
Doch all dieß ist nur ein Gedankenspiel,
Von Furcht den heißen Sinnen vorgegaukelt;
Und Todte fürchten, ist die feigste Furcht.
Denn wenn ein edler, lebensfrischer Leib,
Begabt mit Geisteskräften und Vernunft,
Nicht Furcht erweckt, wer fürchtet todte Leiber?
Ja, morgen werd' ich zur Kapelle gehn,
Wohin er mich geladen, daß Sevilla
Anstaune voll Entsetzens meinen Muth.
Ab.

[132]
19. Szene
Neunzehnter Auftritt.
Königliches Schloß in Sevilla.
Der König. Don Diego Tenorio. Gefolge.

KÖNIG.
Ist Isabella endlich angelangt?
DON DIEGO.
Ja, Herr, doch tief bekümmert.
KÖNIG.
Hat sie denn
Nicht freudig die Vermählung angenommen?
DON DIEGO.
Es schmerzt sie, daß der Ruf entehrt sie nennt.
KÖNIG.
Aus anderm Grunde wohl entquillt ihr Gram. –
Wo stieg sie ab?
DON DIEGO.
Im Karmeliterkloster.
KÖNIG.
Sie soll das Kloster augenblicks verlassen,
Bequemlich weilen bei der Königin.
DON DIEGO.
Soll die Verlobung mit Don Juan geschehn,
So laß ihn, Herr, dein Antlitz wieder schauen.
KÖNIG.
Er mag erscheinen, und in stolzen Ehren;
Mein Wille werde kund der ganzen Welt.
Don Juan Tenorio soll von diesem Tag
Als Graf besitzen meine Stadt Lebrija;
Steht Isabella einem Herzog gleich,
So mag sie, da sie einen Herzog erst
Verloren, einen Grafen nun gewinnen.
DON DIEGO.
Für diese Gnade küss' ich deine Füße.
KÖNIG.
Wohl hast du würdig meine Gunst verdient;
[133] Und wenn wir die Verdienste wägen wollen,
So geb' ich nicht genug mit dieser Gunst.
Mir deucht es gut, Don Diego, daß zugleich
Wir Doña Anna's Hochzeitsfest begehn.
DON DIEGO.
Sie wird Octavio's Gattin?
KÖNIG.
Nein; nicht soll
Octavio tilgen ihrer Ehre Makel.
Hört: Doña Anna, wie die Königin,
Erbat von mir Verzeihung dem Marques;
Denn nach des Vaters Tod wünscht Doña Anna
Im Gatten einen Vater zu gewinnen.
So geht mit wen'gen Leuten, unbemerkt,
Sofort ins Schloß Triana; kündet ihm,
Daß ich, ihn zu erfreun, und seiner Base
Beleidigung zu sühnen, ihm verzeihe.
DON DIEGO.
So wird erfüllet, was ich heiß ersehnt.
KÖNIG.
Ihr könnt ihm sagen, die Verlobung sei
Auf diesen Abend.
DON DIEGO.
Alles endet gut.
Leicht wird sich der Marques bereden lassen;
Er ist in seine Base heiß verliebt.
KÖNIG.
Setzt auch Octavio gleich davon in Kenntniß.
Der Herzog hat mit Weibern nun kein Glück;
Sie alle sind Einbildung nur und Laune.
– Ich hör', er grolle heftig eurem Sohn.
DON DIEGO.
Mich wundert's nicht; – wenn er Don Juans Vergehn
Erfuhr, das so viel Schlimmes ihm gebracht.
– Der Herzog kommt.
[134]
KÖNIG.
Bleibt mir zur Seite hier;
Denn das Vergehen habt ihr mit zu tragen.
20. Szene
Zwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Octavio.

OCTAVIO.
Siegreicher König, deine Hoheit reiche
Den Fuß zum Kusse mir.
KÖNIG.
Steht auf; bedeckt
Das Haupt euch, Herzog. Sagt, was ihr begehrt.
OCTAVIO.
Zu euren Füßen hingestreckt, fleh' ich
Um eine Gnade; meine Bitte ist
Gerecht, und würdig der Gewährung.
KÖNIG.
Herzog,
Wenn sie gerecht ist, geb' ich euch mein Wort,
Sie zu gewähren. Nennt die Bitte.
OCTAVIO.
Herr,
Du weißt durch Briefe deines Abgesandten,
Und durch des Rufes Zunge weiß die Welt:
Don Juan Tenorio hat mit spanischer
Anmaßung in Neapel eines Nachts
(O Schreckensnacht für mich!) das heilige
Asyl entweihet einer hohen Frau,
Und meinen Namen zu der That mißbraucht.
KÖNIG.
Genug; dein Unglück kenn' ich. Was begehrst du?
OCTAVIO.
Mir zu gestatten, daß im offnen Feld
Ich ihm beweise, daß er ein Verräther.
[135]
DON DIEGO.
Das nicht! In seinem Blut fließt solche Ehre – – –
KÖNIG.
Don Diego!
OCTAVIO.
Und wer bist du, daß du so
In Gegenwart des Königs sprechen darfst?
DON DIEGO.
Ich bin der Mann, der schweigt, weil es der König
Gebeut; sonst gäb' dir Antwort dieses Schwert.
OCTAVIO.
Du bist ein Greis.
DON DIEGO.
Doch in Italien
War ich ein Jüngling einst, zu eurem Schmerz;
Mailand und Neapel kannten wohl mein Schwert.
OCTAVIO.
Dein Blut ist eingefroren längst. Ich war,
Gilt wenig; nur: ich bin.
DON DIEGO.
Ich war und bin!

Greift zum Schwert.
KÖNIG.
Nicht weiter! haltet ein! Laßt gut sein, schweigt,
Don Diego; ehrt des Königs Angesicht!
Ihr, Herzog, wenn vorüber die Vermählung,
Mögt ihr mit beßrer Muße mit mir sprechen.
Don Juan ist Kammerherr, ist mein Geschöpf,
Und dieses Stammes Zweig; so zollt ihm Achtung.
OCTAVIO.
Ich werde thun, o Herr, wie du befiehlst.
KÖNIG.
Folgt mir, Don Diego.
DON DIEGO
für sich.
O mein Sohn, wie schlecht
Zahlst du die Liebe, die ich dir geweiht!
[136]
KÖNIG.
Herzog!
OCTAVIO.
Mein König?
KÖNIG.
Morgen sei auch eure
Vermählung.
OCTAVIO.
Wohl, sie sei, da du's befiehlst.
Der König und Don Diego ab.
21. Szene
Einundzwanzigster Auftritt.
Octavio. Gaseno. Aminta.

GASENO.
Gewiß kann dieser Herr uns sagen, wo
Don Juan Tenorio weilt. – O gnäd'ger Herr,
Ist ein Don Juan wohl hier herum zu finden?
Bekannt muß sein Familienname sein.
OCTAVIO.
Ihr meint Don Juan Tenorio?
AMINTA.
Ja, ganz recht;
Der Don Juan ist's.
OCTAVIO.
Der weilet hier. Was wollt ihr
Von ihm?
AMINTA.
Der edle Herr ist mein Gemahl.
OCTAVIO.
Wie?
AMINTA.
Wißt ihr's nicht, da ihr am Hofe lebt?
OCTAVIO.
Er hat mir nichts gesagt.
[137]
GASENO.
Ist's möglich?
OCTAVIO.
Freilich!
GASENO.
Doña Aminta ist mit Recht geehrt
Durch solche Heirath; sie ist durch und durch
Bis auf die Knochen eine alte Christin,
Und weiß mit ihrem Gut in Dos-Hermanas
Viel besser Haus zu halten, als ein Graf
Und ein Marques. Don Juan verlobte sich
Mit ihr und nahm sie dem Patricio weg.
AMINTA.
Sagt auch, daß ich als Jungfrau ward sein eigen.
GASENO.
Hier ist ja kein Gericht; hier klagt man nicht.
OCTAVIO
für sich.
Das ist ein Streich, wie sie Don Juan verübt;
Und meiner Rache kommt zu gut die Kunde.

Laut.

Was wollt ihr denn?
GASENO.
Ich möchte, weil die Zeit
Vergeht, daß baldigst nun die Hochzeit sei;
Sonst klag' ich bei dem König.
OCTAVIO.
Eure Absicht
Ist gut.
GASENO.
Und ganz gebührlich, und gerecht.
OCTAVIO
für sich.
Nach Herzenswunsch kommt die Gelegenheit.

Laut.

Im Schlosse giebt es Hochzeit.
AMINTA.
Meine Hochzeit?
[138]
OCTAVIO.
Damit es uns gelingt, ersinn' ich Etwas
Für euch: – kommt, Fräulein! zieht ein Hofkleid an;
Dann geht ihr mit mir in des Königs Saal.
AMINTA.
Ihr führt mit eurer Hand mich zu Don Juan.
OCTAVIO.
So fangen wir's gescheidt und listig an.
GASENO.
Das Mittel deucht mir gut.
OCTAVIO
für sich.
Die Beiden hier
Verschaffen Rache mir an diesem Buben
Für seine Frevelthat an Isabella!
Alle ab.
22. Szene
Zweiundzwanzigster Auftritt.
Platz vor der Kirche.
Don Juan. Catalinon.

CATALINON.
Wie hat der König dich empfangen?
DON JUAN.
Besser
Und wärmer, als mein Vater.
CATALINON.
Warst du auch
Bei Isabella?
DON JUAN.
Auch.
CATALINON.
Wie sieht sie aus?
DON JUAN.
So wie ein Engel.
[139]
CATALINON.
Nahm sie dich wohl auf?
DON JUAN.
Das Angesicht in Milch und Blut getaucht,
So wie die Rose, die beim Morgenroth
Erwacht und ihres Kelches Blätter öffnet.
CATALINON.
Und Hochzeit ist heut Nacht?
DON JUAN.
Unfehlbar heut.
CATALINON.
So kriegst du nun den aufgewärmten Braten;
Er wäre frisch, hätt'st du sie nicht vorher
Betrogen! – Doch du nimmst dir eine Frau
Mit schweren Lasten.
DON JUAN.
Wirst du unverschämt?
CATALINON.
Und besser wär's, du hieltest morgen Hochzeit;
Heut ist ein böser Tag.
DON JUAN.
Was für ein Tag
Ist heute denn?
CATALINON.
Ein Freitag 1.
DON JUAN.
Tausend Heuchler
Und Narren baun auf solche Albernheiten.
Den Tag nur nenn' ich bös, abscheulich, grausig,
Wo mir das Geld fehlt; Alles sonst ist Wind.
CATALINON.
Komm nun, dich anzukleiden. S' ist schon spät;
Und man erwartet dich.
[140]
DON JUAN.
Wie dringend auch
Man uns erwarte, haben wir doch erst
Ein anderes Geschäft.
CATALINON.
Was?
DON JUAN.
Bei dem Todten
Zu speisen.
CATALINON.
Thorheit über Thorheit!
DON JUAN.
Was?
Ich gab mein Wort!
CATALINON.
Und wenn du's ihm auch brichst,
Was liegt dran? Wird ein Steinbild Rechenschaft
Dir für dein Wort abfordern?
DON JUAN
ironisch.
Nun, es kann
Der Todte öffentlich mich ehrlos schelten.
CATALINON.
Die Kirch' ist schon verschlossen.
DON JUAN.
Klopfe denn!
CATALINON.
Was nützt das Klopfen hier? Die Küster schlafen;
'S macht Keiner auf.
DON JUAN.
Klopf' an der Seitenthür
CATALINON
drückt auf die Klinke.
Die steht schon offen.
DON JUAN.
Komm.
[141]
CATALINON.
Da geh' ein Pfaffe
Hinein mit seinem Wedel und der Stola!
DON JUAN.
Folg' mir, und schweige.
CATALINON.
Schweigen soll ich?
DON JUAN.
Ja.
CATALINON.
Gott helfe mir mit heiler Haut von solchen
Gastmählern!
Sie gehen in die Kirche.
Fußnoten

1 Bei den Spaniern ist es der Dienstag.

23. Szene
Dreiundzwanzigster Auftritt.
Das Innere der Kirche.
Don Juan. Catalinon.

CATALINON.
Herr, wie finster ist die Kirche
Für ihren großen Raum! O weh! o weh!
Herr, halte mich! Sie packen mich am Mantel.
24. Szene
Vierundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Don Gonzalo's Standbild tritt ihnen entgegen.

DON JUAN.
Wer da?
DON GONZALO.
Ich bin's.
CATALINON.
Ich bin des Tods!
[142]
DON GONZALO.
Ich bin
Der Todte; zittre nicht! – Ich dachte nicht,
Daß du dein Wort mir hieltest; denn dir ist
Doch Alles Spott.
DON JUAN.
Glaubst du mich feige?
DON GONZALO.
Ja;
Denn als du mich getödtet, jene Nacht,
Flohst du hinweg von mir.
DON JUAN.
Vor dem Erkennen
Entfloh ich. Doch nun hast du mich vor Augen;
Sag' eilig, was du willst.
DON GONZALO.
Ich will zum Mahl
Dich laden.
CATALINON
zitternd, steht seitwärts.
Wir erlassen dir das Mahl;
Es kann ja doch nur kalten Braten geben,
Da eine Küche nicht zu sehen ist.
DON JUAN.
So laß uns speisen.
DON GONZALO.
Um zu speisen, mußt
Du diesen Grabstein aus dem Boden heben.
DON JUAN.
Liegt dir daran, heb' ich die Pfeiler auch
Aus ihrem Grund.

Er stemmt sich gegen den Grabstein; dieser schiebt sich seitwärts; es erscheint ein schwarzgedeckter Tisch.
DON GONZALO.
Du bist ein starker Held.
DON JUAN.
Ich hab' in meinen Adern Muth und Kraft.
[143]
CATALINON.
Das ist ein Tisch aus Mohrenland, so schwarz!
Dort giebt es also keine Wäscherin?
DON GONZALO.
Nimm Platz!
DON JUAN.
Wo?
CATALINON.
Schau, mit Stühlen kommen schon
Zwei schwarze Edelknaben.

Zwei Vermummte bringen Stühle.
CATALINON.
Trägt man dort
Auch Trauerkleider und Flanell aus Flandern?
DON JUAN.
Nimm Platz!
CATALINON.
Ich, Herr? Ich nahm heut Nachmittag
Ein Vesperbrod.
DON GONZALO.
Sprich nicht!
CATALINON.
Ich spreche nicht.
Gott helfe mir mit heiler Haut von hinnen! –
Herr, was für eine Schüssel ist dieß wohl?
DON GONZALO.
Dieß hier ist eine Schüssel Scorpionen
Und Vipern.
CATALINON.
Eine schöne Schüssel!
DON GONZALO.
Das
Sind unsre Speisen. Ißt du nichts?
DON JUAN.
Ich esse,
Und gäbst du mir auch Basilisken, und
So viele Basilisken trägt die Hölle!
[144]
DON GONZALO.
Du sollst Gesang auch bei der Tafel haben.
CATALINON.
Was trinkt man dort für einen Wein?
DON GONZALO.
Versuch' ihn!
CATALINON
versucht.
Puh! Essig ist und Galle dieser Wein.
DON GONZALO.
Das ist der Wein, den unsre Keltern pressen.
GESANG
hinter der Bühne.
Merk' es, wer da gegen Gottes
Strafgerichte stolz geprahlt:
Jede Frist kommt an ihr Ende;
Keine Schuld bleibt unbezahlt.
CATALINON.
O Jesus! das ist schlimm, daß ich dieß Lied
Muß hören, und daß es uns Beide meint!
DON JUAN.
O! Eisesfrost verbrennt den Busen mir.
GESANG
hinter der Bühne.
Solche frechen Worte scheue:
»O noch hab' ich lange Zeit!«
Der du trägst des Staubes Kleid,
Kurz nur ist die Frist der Reue.
CATALINON.
Wovon ist dieß Ragout?
DON GONZALO.
Von Krallen.
CATALINON.
So?
Wohl von den langen Fingern eines Schneiders?
DON JUAN.
Ich bin gesättigt; heb' die Tafel auf.

Der Tisch wird entfernt.
[145]
DON GONZALO.
Gieb deine Hand mir; zittre nicht. Die Hand!
DON JUAN.
Was sagst du mir? Ich zittern? –

Reicht ihm die Hand.

Ich verbrenne;
Verbrenne du mich nicht mit deiner Glut!
DON GONZALO.
Das ist noch wenig gegen jene Glut,
Die du erstrebet hast. Die Wunder Gottes,
Don Juan, sind unerforschlich; er gebeut,
Daß eines Todten Hand den Lohn dir zahle.
Das sind des Herrn Gerichte; wie die Thaten,
So auch der Lohn.
DON JUAN.
Ich brenne! Laß die Hand
Mir frei; ich tödte dich mit diesem Schwert.
Weh! weh! umsonst! Ich treffe nur die Lüfte.
– Ich habe deine Tochter nicht beleidigt;
Denn sie entdeckte den Betrug zuvor.
DON GONZALO.
Die böse Absicht zählet gleich der That.
DON JUAN.
Gestatte einen Priester mir, daß er
Mich beichten hör', und mir die Sünd' erlasse.
DON GONZALO.
Es kann nicht sein; du denkst zu spät daran.
DON JUAN.
Ich glüh', ich brenne! Weh! ich bin des Todes.

Stürzt nieder.
CATALINON
knieend.
Kommt Niemand hier davon? Auch ich muß sterben,
Weil ich ihm hergefolgt.
DON GONZALO.
Das sind des Herrn
Gerichte; wie die Thaten, so der Lohn.
Das Grabmal versinkt mit Don Juan und Don Gonzalo.

[146]
25. Szene
Fünfundzwanzigster Auftritt.
CATALINON
auf den Knieen sich vorwärts schleppend.
O Gott! was ist das? Die Kapelle steht
In Flammen; und ich bleibe hier, und halte
Die Leichenwacht. – Ich schleppe mich hinweg,
So gut ich kann, und will's dem Vater melden.
O heiliger Georg! o du Lamm Gottes!
Helft mir mit heiler Haut nur auf die Gasse.

Ab.
26. Szene
Sechsundzwanzigster Auftritt.
Schloß.
Der König. Don Diego. Gefolge.

DON DIEGO.
Schon harret der Marques des hohen Glücks,
Daß er des Königs Füße küssen dürfe.
KÖNIG.
Er möge kommen. Laßt dem Grafen sagen,
Daß er nicht säumt.
27. Szene
Siebenundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Patricio. Gaseno.

PATRICIO.
Kann hier zu Lande, Herr,
So frecher Hochmuth wohl gestattet sein,
Daß deine Diener arme niedre Leute
In Schimpf und Schande stürzen?
KÖNIG.
Sprich, was meinst du?
[147]
PATRICIO.
Don Juan Tenorio hat verrätherisch
Und schändlich an dem Abend meiner Hochzeit,
Eh sie vollzogen war, mich um mein Weib
Betrogen. Zeugen hab' ich hier.
28. Szene
Achtundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Tisbea.

TISBEA.
O Herr,
Wenn eure Hoheit an Don Juan Tenorio
Mir nicht Gerechtigkeit verschafft, muß ich
Mein Leben lang vor Gott und Menschen klagen.
Das Meer warf ihn ans Ufer; er verdankt
Sein Leben mir und gastlichen Empfang:
Und zu der Freundschaft Lohn belog er mich,
Betrog mich durch ein falsches Ehversprechen.
KÖNIG.
Was sagst du mir?
TISBEA.
Die Wahrheit.
29. Szene
Neunundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Octavio mit Aminta die sich in Hofkleidern linkisch bewegt.

KÖNIG.
Was ist das?
AMINTA.
Weiß man's noch nicht? Der Herr Don Juan Tenorio,
Drum komm' ich her, ich will zum Mann ihn haben;
Er muß mir meine Ehre wiedergeben.
Er ist ein Edelmann; er darf mir's nicht
Abschlagen. Gieb Befehl zur Trauung, Herr!
[148]
30. Szene
Dreißigster Auftritt.
Die Vorigen. De la Mota.

DE LA MOTA.
Es ist nun Zeit, die Wahrheit an das Licht
Zu ziehn, mein hoher Herr! Erfahr' es denn:
Don Juan Tenorio trägt die Schuld, die du
Mir beigemessen; denn als falscher Freund
Hat der Verräther mich getäuscht. Dafür
Hab' ich zwei Zeugen.
KÖNIG.
Ha, der Büberei!
Nehmt ihn in Haft; gebt ihm den Tod zur Stunde.
DON DIEGO.
Ich selbst erfleh', als meiner Dienste Lohn:
Laß ihn ergreifen; laß die Schuld ihn büßen,
Damit für meines Sohnes Bosheit nicht
Des Himmels Blitze fahren auf mein Haupt.
31. Szene
Einunddreißigster Auftritt.
Die Vorigen. Catalinon.

CATALINON.
Vernehmt, ihr Herrn, das gräßlichste Begebniß,
Das je sich zugetragen auf der Welt;
Und wenn ihr es vernehmt, so bringt mich um!
Don Juan, nachdem er dem Komtur geraubt
Die zwei Kleinode, die am höchsten gelten,
Verübte eines Abends Spott an ihm,
Und griff dem Marmorbild frech an den Bart,
Und lud ihn höhnend ein zum Abendessen;
– O hätt' er doch ihn nimmer eingeladen! –
Das Bildniß kam, und lud ihn gleichfalls ein:
Und nach der Mahlzeit, daß ich's kurz berichte,
[149] Jetzt eben, unter tausend Wunderzeichen,
Nahm es ihn bei der Hand, und preßte sie,
Bis daß es ihm das Leben ausgepreßt,
Und sprach: Gott will's, daß ich dich also tödte,
Zu deiner Sünden Strafe; wie die Thaten,
So auch der Lohn.
KÖNIG.
Was sagst du?
CATALINON.
Reine Wahrheit.
Don Juan hat vor dem Tode noch bekannt,
Daß Doña Anna's Ehre rein geblieben,
Weil ihn die Leute hörten, eh er noch
Vollführte den Betrug.
DE LA MOTA.
Für diese Kunde
Geb' ich dir tausendfachen Botenlohn.
KÖNIG.
Das ist des Herrn gerechtes Strafgericht!
– Und nun geziemt's, daß Alle sich vermählen;
Die Ursach alles Unheils traf der Tod.
OCTAVIO.
Da Isabella nun verwitwet ist,
Führ' ich sie zum Altar.
DE LA MOTA.
Und ich mein Bäschen.
PATRICIO.
Und so auch wir die Unseren, auf daß
Es mit dem steinernen Gast zu Ende komme.
KÖNIG.
Das Grabmal aber werde nach Madrid
Versetzt in San Francisco's hohen Chor,
Auf daß sein Angedenken ewig glänze.
[150]

Notes
Die Verfasserschaft ist nicht erwiesen. Inzwischen gilt sein Zeitgenosse Andrés de Claramonte (1580–1626) als Verfasser des Dramas. Uraufführung: Madrid, um 1624. Erstdruck anonym: Barcelona 1630. Hier nach der Übers. v. Ludwig Braunfels.
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TextGrid Repository (2012). Tirso de Molina. Der Spötter von Sevilla und der steinerne Gast. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-57A0-C