Betrachtung

Seht auf eine Rinderherde!
Friedlich grasen neben Kühen
Andre Kühe, welche gleichfalls
Um ihr Futter sich bemühen.
Alle fressen nur das Quantum,
Welches sie benötigt haben;
Keine kümmert sich, ob andre
Etwa reichlicher sich laben.
Keine will die Nahrungstriebe
Einer andern ruchlos stören,
Und dadurch den Bruch des Friedens
Und den Kampf heraufbeschwören.
Ähnlich zart ist auch der Ochse,
Der die fromme Denkart lernte,
Als man ihm sein Allerschönstes
Mit dem Messerschnitt entfernte.
Nur die bösen Stiere raufen.
Doch ihr dürft es nicht vergessen,
[669]
Daß sie für die Liebe kämpfen,
Niemals aber für das Fressen.
Und dabei ward diesen Tieren
Nie ein Wort des Heils verkündet!
Und es wurde unter ihnen
Keine Religion gegründet!
Wenn wir dieses recht betrachten,
Sagen wir vielleicht bescheiden:
Wie viel schlechter sind die Menschen,
Die sich hassen und beneiden!
Die sich hauen, schießen, stechen,
Leben und Gesundheit rauben
Für die Liebe, für das Fressen,
Und für ihren Gottesglauben!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Thoma, Ludwig. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. So war's einmal. Betrachtung. Betrachtung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-528A-A