Nutzen des Reisens

Man soll vom Hause sich entfernen,
Um in der Fremde neu zu lernen.
Mit off'nen Augen, frischem Sinn
Schöpft jeder Reisende Gewinn.
Ist dir im Kleinen wie im Großen
Gar manches seltsam aufgestoßen,
Beacht es wohl! Veracht es nie!
Und suche das »Warum« und »Wie«!
Du gehst ins Land der Italiener.
Da siehst du bald, wie der und jener
Mit Lächeln an der Ecke steht
Und seine Notdurft hier begeht.
Nun also, diese Menschlichkeiten,
Die uns Beschwerden oft bereiten,
Der mühsam unterdrückte Drang
Vollzieht sich hierorts ohne Zwang.
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Auch dieser Vorgang kann belehren
Und unsern Wissenskreis vermehren,
Wenn man das Typische daran
Mit Klugheit unterscheiden kann.
Zwar läßt sich die Behauptung wagen:
Die Art, das Wasser abzuschlagen,
Bleibt immer gleich, und nur das »Wo«
Ist unterschiedlich, so und so.
Jedoch man urteilt oberflächlich,
Erachtet man dies nebensächlich.
Der Denkende sieht die Kultur
In der Befolgung der Natur.
Ihm ist es auch kulturgeschichtlich;
Der Vorgang macht es ihm ersichtlich.
Er weiß jetzt und durchschaut es tief:
»Das Volk des Südens ist naiv.«

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Thoma, Ludwig. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. So war's einmal. Nutzen des Reisens. Nutzen des Reisens. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-522D-D