[620] Die Königsfrage

Was hat bloß der Kommerzjenrat?
Man sieht doch, daß er etwas hat!
Er denket nach; er denket tief;
Sein ganzes Wesen ist pensiv;
Sein Auge blicket feucht empor;
Es kommt ihm etwas heilig vor.
Ach freilich! Ja! – Das Vaterland!
Es trauert noch im Witwenstand,
Indem es keinen König hat.
Das schmerzet den Kommerzjenrat.
Seit Sechsundachtzig trinken wir
In der Regentschaft unser Bier.
Die Kinder, wo geboren wer'n,
Sind unter einem Unglücksstern.
Der Vater, der wo sie erzeugt,
Bewältigt dieses gramgebeugt.
Die Mutter, wo sie still gebiert,
Ist auch nicht heiter disponiert.
Und überhaupts, die Bayern sind
Verlassen wie ein Waisenkind.
Sie fragen sich und seufzen schwer:
Bleibt denn der Thron noch immer leer?
Das drückt den Herrn Kommerzjenrat.
Das sind die Sorgen, die er hat.
Da tritt er nun entschlossen vor
Und ruft zur Residenz empor:
Die Königstreu' im Bayernland
Braucht endlich einen Gegenstand!

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TextGrid Repository (2012). Thoma, Ludwig. Die Königsfrage. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-510B-0