[655] Sorgen

Tiefe Sorgen sind nun eingeschlichen
In das deutsche Heim. Mit kurzen Strichen
Sei das ganze Elend dargestellt!
Ochsen, Kühe, Schweine, Schafe, Kälber
Werden teuer. Reiche Leute selber
Haben ihre Fleischkost eingestellt.
Seufzend stehen in der kleinen Küche
Unsre Frauchen. Alles geht in Brüche,
Und es schwindet das Familjenglück.
Nicht das Herz allein, es hat der Magen
In der Ehe sehr viel mitzusagen,
Und der Fleischpreis gehet nie zurück.
Wer beschreibt die nächtlich wilden Szenen?
Und wer zählt die bitterheißen Tränen
Einer Gattin in dem Ehebett?
Nicht mehr reizt die jugendliche Büste,
Es vergehen alle Fleischeslüste,
Kriegt man täglich nur ein Omelett!
Ja, der Staat wird es mit Reue merken!
Kann der Bürger sich nicht besser stärken,
Dann erlischt die Liebe mehr und mehr.
Und ich sehe schon in weiten Fernen
Gänzlich ausgestorben die Kasernen,
Ausgestorben seh ich Volk und Heer.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Thoma, Ludwig. Sorgen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5065-E