[632] Fähnriche

Neulich waren wir in Deutschland Zeugen
Von dem ausgeprägten Ehrgefühl.
Vielen Menschen ist es gar nicht eigen,
Und ein Fähnrich hat es gleich zuviel.
Hüssener mit Namen hat in Essen
Einen Menschen durch und durch gespießt,
Dieser hatte nämlich ganz vergessen
Und hat bei der Nacht ihn nicht gegrüßt.
Einen Fähnrich muß es stark erbosen,
Weil sie beinah Offiziere sind,
Darum hat er wütend zugestoßen
Und die Zigarette angezündt.
Auch in Friedrichsort, in einem Hafen,
War die ähnliche Begebenheit.
Einem Fähnrich machten hier zu schaffen
Zwei Matrosen durch Betrunkenheit.
Und sie schlugen ihn mit Namen Abel
Voller Roheit und in das Genick.
Als er ziehen wollte seinen Sabel,
Waren sie schon ziemlich weit zurück.
Die Matrosen haben sich geborgen
Vor dem Vorgesetzten durch die Flucht.
Dieser hat aus Zorn am andern Morgen
Einen Selbstmord mit Erfolg versucht.
Über diese beiden Schreckenstaten
Hat vermutlich jeder nachgedacht,
Und fast alle Zeitungsblätter hatten
Ihrerseits Verschiednes beigebracht.
Und so wissen wir auf diese Weise,
Was nicht jedermann vorher gewißt,
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Daß zur Zeit es nichts Geringes heiße,
Wenn der junge Mensch ein Fähnrich ist.

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TextGrid Repository (2012). Thoma, Ludwig. Fähnriche. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-504C-8