[75] [157]Cäsar Octavianus Augustus.

61. Da ich nun im bisherigen gezeigt habe, wie er sich als Feldherr und Staatsbeamter sowie in der kriegerischen und friedlichen Oberleitung des weltbeherrschenden Staates bewährt und erwiesen hat, will ich jetzt von seinem Privat- und Familienleben berichten und erzählen, in welcher Weise und unter welchen Umständen des Geschickes er in seiner Familie von seiner Jugend bis zum Tage seines Todes gelebt hat. Die Mutter verlor er im ersten Konsulat, seine Schwester Octavia, als er im vierundfünfzigsten Jahre stand. Beiden bewies er, wie er sie im Leben höchst achtungsvoll behandelt hatte, so auch nach ihrem Tode alle möglichen Ehren.

62. Verlobt war er als junger Mensch mit der Tochter des Publius Servilius Isauricus gewesen. Allein nach seiner ersten Aussöhnung mit Antonius heiratete er auf das Andringen [157] beider Heere, welche die Verbindung auch durch eine Verwandtschaft befestigt zu sehen wünschten, dessen Stieftochter Claudia, die Tochter der Fulvia vom Publius Clodius, obschon sie damals kaum mannbar war, schied sich aber von ihr, infolge eines Zwistes mit ihrer Mutter Fulvia, als Jungfrau und ohne sie berührt zu haben. Bald darauf nahm er die Scribonia zur Frau, die früher zweimal an Männer konsularischen Ranges verheiratet gewesen war und von einem derselben Kinder hatte. Auch von dieser schied er sich, weil er, wie er selbst schreibt, »ihren ausschweifenden Charakter nicht länger ertragen konnte,« und entführte sofort dem Tiberius Nero dessen Frau Livia Drusilla, obschon dieselbe bereits schwanger war, und bewies derselben bis an sein Ende die größte Hochachtung und Treue.

63. Von der Scribonia hatte er die Julia, von der Livia gar keine Kinder, so sehnlich er sie auch wünschte. Ein Kind, mit dem sie schwanger ging, kam unzeitig zur Welt. Die Julia verheiratete er zuerst an Marcellus, den Sohn seiner Schwester Octavia, der nur erst aus dem Knabenalter getreten war, dann, als derselbe starb, an den Marcus Agrippa, indem er seine Schwester durch Bitten bewog, ihm ihren Tochtermann zu überlassen. Agrippa hatte nämlich damals die eine der beiden Schwestern, Marcella, zur Frau und Kinder von ihr. Als auch dieser starb, erwählte er, nachdem er sich lauge sogar im Ritterstande nach Partien umgesehen hatte, seinen Stiefsohn Tiberius zu Julias Gatten und zwang denselben, seiner eigenen hochschwangeren Frau, die ihn bereits zum Vater gemacht hatte, den Scheidebrief zu geben. Marcus Antonius schreibt: zuerst habe er die Julia seinem Sohne verlobt, darauf dem Getenkönige Cotys, und zu derselben Zeit habe er auch für sich um eine Tochter des Königs angehalten.

[158] 64. Enkel aus der Ehe der Julia mit Agrippa hatte er drei: Gaius, Lucius und Agrippa, Enkelinnen zwei: die (jüngere) Julia und die Agrippina. Die Julia verheiratete er an Lucius Paullus, Zensorssohn, die Agrippina an Germanicus, den Neffen seiner Schwester. Den Gajus und Lucius adoptierte er, nachdem er sie vorher zu Hause ihrem Vater nach der alten Formel abgekauft hatte, ließ sie früh in den Staatsdienst treten und sie, nachdem sie zuvor zum Konsulat designiert worden waren, die Provinzen bereisen und die verschiedenen Heere besuchen. Seine Tochter und seine Enkelinnen erzog er so streng, daß er sie sogar zum Wollespinnen anhielt und daß sie nichts reden und tun durften, was nicht die Offentlichkeit vertrug und in das Hausjournal aufgenommen werden konnte. Von dem Verkehr mit der Außenwelt hielt er sie so streng entfernt, daß er einmal dem Lucius Vinicius, einem jungen Manne von edler Abstammung und Sitten, es brieflich »als einen Mangel an schicklichem Betragen« verwies, »daß er nach Bajä gekommen sei, um seiner Tochter aufzuwarten«. Seine Enkel unterwies er im Lesen, Schreiben und den sonstigen Anfangsgründen des Unterrichts größtenteils selbst [159] und ließ es sich ganz besonders angelegen sein, daß sie seine eigene Handschrift nachahmen konnten. Wenn er mit ihnen speiste, saßen sie ihm zur Rechten auf dem Seitenpolster des Trikliniums; auf Reisen fuhren sie ihm stets voraus oder ritten neben ihm her.

65. Aber mitten in seiner freudigen Zuversicht auf seine Nachkommenschaft und ihre Erziehung verließ ihn das Glück. Die beiden Julien, die Tochter und die Enkelin, die durch Ausschweifungen aller Art ihren Ruf befleckt hatten, verbannte er. Den Gajus und Lucius verlor er beide in Zeit von achtzehn Monaten; Gajus starb in Lycien, Lucius in Massilia. Den dritten Enkel Agrippa samt seinem Stiefsohne Tiberius adoptierte er auf dem Forum vor den versammelten Kurien. Von diesen beiden verstieß er nach kurzer Frist wieder den Agrippa wegen seines gemeinen und wilden Charakters und verwies ihn nach Surrentum. Doch beugte ihn der Tod der Seinen minder tief, als die Schande derselben. Den Verlust des Gajus und Lucius hatte er ziemlich ungebrochenen Mutes ertragen, über seine Tochter aber ließ er schriftlich durch einen Stellvertreter, den Quästor, der seinen Aufsatz vorlas, an den Senat Bericht erstatten und hielt sich überhaupt aus Schamgefühl lange von allem Verkehr mit Menschen entfernt; ja, er dachte sogar daran, sie töten zu lassen. Wenigstens äußerte er, als um diese Zeit eine der Vertrauten Julias, eine Freigelassene namens Phöbe, ihrem Leben durch Erhängen ein Ende machte: »er hätte wohl gewünscht, der Vater der Phöbe gewesen zu sein«. Der verbannten Tochter entzog er den Genuß des Weines und jede feinere Bequemlichkeit des Lebens. Kein Mensch, weder Freier noch Sklave, durfte [160] ihr ohne seine vorher eingeholte Erlaubnis nahen, und zwar ließ er sich dabei zuvor über Alter, Statur, Gesichtsfarbe, besondere Kennzeichen und Narben des Leibes genau Bericht erstatten. Erst nach einem Zeitraume von fünf Jahren versetzte er sie von der Insel auf das Festland Italiens und ließ ihre Gefangenschaft in etwas mildern. Sie vollständig zurückzurufen konnte ihn aber kein Flehen bewegen; und als das römische Volk nach wiederholten Bitten einmal heftiger als sonst ihn bestürmte, erwiderte er ihnen darauf in offener Versammlung mit den furchtbaren Worten: er wünsche ihnen solche Töchter und solche Gattinnen! Ein Kind, das seine Enkelin Julia nach ihrer Verurteilung gebar, verbot er anzuerkennen und aufzuziehen. Den Agrippa, der nicht fügsamer, sondern täglich nur toller wurde, ließ er auf eine Insel bringen und obenein durch ein Kommando Soldaten eng bewachen. Auch verordnete er mittels eines Senatsdekrets, das er für ewig dort gefangen bleiben sollte; und so oft seiner oder einer der beiden Julien Erwähnung geschah, pflegte er tief aufseufzend den griechischen Vers zu rezitieren:


Wär' ich doch ehelos blieben und kinderlos einsam gestorben!


auch nannte er sie nicht anders, als seine drei Eiterbeulen oder seine drei Krebsgeschwüre.

66. Freundschaften zu knüpfen entschloß er sich zwar nicht leicht, war aber von ausharrender Treue im Bewahren derselben und wußte nicht nur eines jeden gute Eigenschaften und Verdienste würdig zu ehren, sondern auch seine Fehler und Vergehen, wenn sie nur ein gewisses Maß nicht überstiegen, zu ertragen. Denn man wird aus der gesamten Zahl seiner Freunde kaum irgendwelche in Ungnade gefallene finden, mit Ausnahme des Salvidienus Rufus, den [161] er bis zum Konsulat, und des Cornelius Gallus, den er zur Präfektur von Ägypten, beide aus niedrigsten Verhältnissen, befördert hatte. Den ersteren, der einen Aufstand gegen ihn anzettelte, übergab er dem Senate zur Verurteilung; dem anderen, der sich undankbar und böswillig gegen ihn gezeigt hatte, untersagte er den Zutritt an seinem Hofe und den Aufenthalt in seinen Provinzen. Doch selbst in dem letzteren Falle, als Gallus, von den wider ihn auftretenden Anklägern und den Beschlüssen des Senates hart bedrängt, sich selbst entleibte, belobte er zwar den in dieser Sache von den Verfolgern für ihn bewiesenen großen Pflichteifer sittlicher Entrüstung, vergoß aber nichtsdestoweniger Tränen über das Los des Mannes und beklagte seinerseits laut: »daß ihm allein nicht vergönnt sei, seinen Freunden nur soweit er wolle zu zürnen!« Seine übrigen Freunde genossen, jeder als der erste seines Standes, Einfluß und Reichtum bis an ihr Lebensende, wenn sie ihm auch manchmal zur Unzufriedenheit Anlaß gaben. So hatte er zuweilen Ursache, um anderer nicht zu erwähnen, sich über Marcus Agrippas zu große Empfindlichkeit und über Mäcenas' Mangel an Verschwiegenheit zu beklagen, als jener einmal auf einen leichten Anschein von Kälte seinerseits, und weil er sich dem Marcellus nachgesetzt glaubte, mit Instichlassung aller Geschäfte sich nach Mitylene zurückgezogen und dieser das Geheimnis der entdeckten Verschwörung Murenas an seine Frau Terentia ausgeplaudert hatte. Dagegen verlangte auch er seinerseits von seinen Freunden Beweise ihres Wohlwollens gegen ihn, und zwar ebensowohl nach ihrem Tode, [162] als bei ihren Lebzeiten. Denn obschon er keineswegs nach Erbschaften strebte – wie er sich denn niemals dazu herbeigelassen hat, von dem Vermächtnisse eines Unbekannten irgend etwas anzunehmen –, so war er doch bei seinen Freunden inbetreff der Urteile über ihn, welche sie ihrem letzten Willen einverleibten, überaus empfindlich und verhehlte ebensowenig seinen Schmerz, wenn jemand allzu kurz und in minder achtungsvollen Ausdrücken, als er, seine Freude verhehlte, wenn einer mit Dankbarkeit und Pietät sich über ihn geäußert hatte. Legate oder Erbschaftsanteile, die ihm von Eltern, mochten diese sein, welche sie wollten, vermacht worden waren, pflegte er entweder sofort an deren Kinder abzutreten oder, wenn dieselben noch unmündig waren, am Tage ihrer Mündigkeitserklärung, wenn es Söhne, oder am Tage ihrer Verheiratung, wenn es Töchter waren, mit Zins zurückzugeben.

67. Als Patron seinen Klienten und als Herr seinen Sklaven gegenüber war er ebenso streng als umgänglich und gütig, und viele Freigelassene, wie z.B. Licinius, Enceladus und andere mehr, erfreuten sich seiner Achtung und seines Vertrauens. Den Cosmus, seinen Sklaven, der sich sehr arge Reden über ihn zuschulden kommen ließ, begnügte er sich, statt harter Strafe bloß in den Bock legen zu lassen. Als sein Hausverwalter Diomedes ihn einmal bei einem gemeinsamen Spaziergange einem plötzlich anrennenden wilden Eber gegenüber aus Furcht im Stiche ließ, wollte er darin lieber Furchtsamkeit als böse Absicht erblicken und machte aus einem Verhalten, bei dem sein Leben auf dem Spiel gestanden hatte, weil doch keine böse Absicht vorhanden war, einen Scherz. Derselbe so milde Mann aber zwang den Proculus, einen seiner liebsten Freigelassenen, zum Selbstmorde, als es herauskam, daß er mit vornehmen Frauen im Ehebruch lebe, und ließ dem Thallus, seinem Sekretär, weil er für eine Bestechung von fünfhundert Denaren einen seiner Briefe ausgeliefert hatte, die Beine verstümmeln. Den Hofmeister und die Diener seines Sohnes[163] Gajus, welche dessen Krankheit und Tod dazu benutzt hatten, in der Provinz mit Grausamkeiten und Erpressungen arg zu wirtschaften, ließ er mit schweren Gewichten am Halse im Flusse ersäufen.

68. Als ganz junger Mensch wurde ihm vielerlei Schimpfliches nachgesagt. Sextus Pompejus schalt ihn einen weibischen Weichling; Marcus Antonius sagte ihm nach, er habe die Adoption seines Oheims durch unkeusche Preisgebung verdient; Lucius, des Marcus Bruder: er habe seinen zuerst von Cäsar genossenen Leib auch dem Aulus Hirtius in Spanien für dreimalhunderttausend Sesterzien preisgegeben und, um das Haar an seinen Schenkeln weicher zu machen, dasselbe häufig mit glühenden Nußschalen abgesengt. Ja auch das Volk bezog einmal in Masse am Tage einer Bühnenvorstellung als schimpfliche Anspielung auf ihn unter allgemeinem Beifall einen Vers, in welchem es von einem die Pauke schlagenden Priester der Göttermutter hieß:


Sieh, wie dieser Weichling mit dem Finger hier den Kreis regiert!


69. Seine Liebschaften mit verheirateten Frauen stellen jedenfalls selbst seine eigenen Freunde nicht in Abrede, obschon sie allerdings entschuldigend hinzufügen: hier sei nicht Wollust, sondern Politik als Motiv im Spiele und solche Buhlschaften für ihn das Mittel gewesen, um so leichter die Anschläge seiner Gegner durch deren Frauen auszukundschaften. Marcus Antonius wirft ihm außer der eilfertigen Verheiratung mit der Livia auch noch die Geschichte mit der Frau eines Mannes von konsularischem Range vor, die er in Gegenwart ihres Gatten aus dem Speisesaale[164] ins Schlafzimmer geführt und darauf mit geröteten Ohrläppchen und in Unordnung gebrachter Frisur wieder zur Tafel zurückgeführt habe; desgleichen daß er die Scribonia darum verstoßen, weil sie ihren Unwillen über den maßlosen Einfluß der Mätresse zu heftig geäußert und daß er seine Freunde als Kuppler benutzt habe, die in seinem Auftrage verheiratete Damen und erwachsene Jungfrauen zu diesem Zwecke, als kauften sie dieselben, bei dem Sklavenhändler Thoranius nackt in Augenschein nehmen mußten. Auch schreibt ihm Antonius einmal in einem vertraulichen Briefe aus der Zeit, wo er ihm noch nicht völlig entfremdet oder gar offenbarer Feind war: Was hat dich (gegen mich) verändert? Etwa, daß ich bei der Königin schlafe? Sie ist meine Frau. Habe ich denn erst jetzt damit angefangen oder nicht vielmehr schon vor neun Jahren? Und du selbst, schläfst du nur bei der Drusilla? Ich wette auf dein Leben, daß du, wenn du diesen Brief liesest, bereits die Tertulla oder die Terentilla oder die Rufilla oder die Salvia Titiscennia oder alle zusammen gehabt hast. Und liegt denn überhaupt etwas daran, wo und bei wem man seine Lust befriedigt?

70. Auch von einer geheimen Tischgesellschaft, die man die Gesellschaft der Zwölf Götter nannte, fabelte man viel in den Stadtgesprächen. Die Gäste sollten in der Tracht der Götter und Göttinnen bei Tische gelegen und Augustus selbst die Rolle des Apollo übernommen haben; so lautet der Vorwurf nicht nur in den Briefen des Antonius, wo die Namen der einzelnen mit den bittersten Bemerkungen aufgezählt sind, sondern auch in jenen allbekannten Versen eines anonymen Autors:


[165] Als den Choragen der Tisch der sauberen Brüder gedungen

Und sechs Götter und sechs Göttinnen Mallia sah;

Als dort Cäsar sich frech vermißt den Apollo zu spielen,

Feiernd beim nächtlichen Schmaus göttlicher Liebschaften Bild, –

Alle Himmlischen wendeten da den Blick von der Erde,

Jupiter selber, er floh fort von dem goldenen Thron.


Verstärkt wurde das Gerede von dieser Tischgesellschaft durch die damals in der Stadt herrschende sehr große Hungersnot, und tags darauf rief man bei seinem Erscheinen auf der Straße laut: »Alles Brotkorn hätten die Götter aufgegessen!« und »Cäsar sei der richtige Apoll, aber der Henkerapoll!« Unter diesem Beinamen wurde nämlich der genannte Gott in einem gewissen Stadtteile verehrt. – Gestichelt wurde auch auf ihn wegen seiner übergroßen Begier nach kostbarem Hausrat und korinthischen Gefäßen sowie auf seinen Hang zum Würfelspiele. Denn zur Zeit der Ächtungen schrieb man an seine Statue:


Mein Vater war ein Argentarius, ich bin ein Korinthiarius!


weil die Meinung verbreitet war, daß er manche bloß wegen ihrer korinthischen Gefäße habe auf die Liste der Geächteten setzen lassen; und später, im Sizilischen Kriege, setzte man gegen ihn das Epigramm in Umlauf:


[166] Nachdem er zweimal zu Meer besiegt die Schiffe verlor

Treibt er, um endlich einmal zu siegen, das Würfelspiel!


71. Von diesen, soll man sagen Anschuldigungen oder boshaften Verläumdungen hat er die schimpfliche Beschuldigung unnatürlicher Wollust am leichtesten durch die Keuschheit seines damaligen gleichzeitigen und späteren Lebens widerlegt. Desgleichen den gehässigen Vorwurf der Prunkliebe, indem es Tatsache ist, daß er nach der Eroberung von Alexandria, mit Ausnahme eines einzigen myrrhinischen Kelches, von dem gesamten königlichen Hausrate für sich nicht das geringste zurückbehielt und bald darauf auch das zum täglichen Gebrauche dienende goldene Tafelgeschirr samt und sonders einschmelzen ließ. In den Netzen der Frauenliebe dagegen blieb er sein Leben lang verstrickt und war auch in späteren Jahren, wie die Rede geht, ein großer Freund junger Mädchen, die er von überall her, sogar durch Vermittlung seiner eigenen Frau, sich zu verschaffen wußte. Das Gerede über sein Würfelspiel ließ er sich vollends in keiner Weise anfechten und spielte ohne Hehl und Heimlichkeit zu seinem Vergnügen fort, selbst noch als Greis und nicht bloß im Dezembermonat, sondern auch an anderen Fest- und Werkeltagen. Auch steht dies zweifellos fest. In einem eigenhändig geschriebenen Briefe an den Tiberius sagt er zu demselben: Meine Tischgesellschaft war die dir bekannte, noch durch Vinicius und Silius den Vater als außergewöhnliche Gäste verstärkt. Bei der Tafel haben wir alten Leute ganz gemütlich unser Spielchen gestern wie [167] heute gemacht. Wir würfelten nämlich so, daß, wer den Hund oder den Sechser warf, für jeden Würfel einen Denar in den Pott setzen mußte, und wer die Venus warf, das Ganze bekam. – Wieder in einem anderen Briefe heißt es: Wir haben, lieber Tiberius, das Minervenfest der fünf Tage recht heiter verlebt. Wir haben nämlich alle Tage gespielt und das Würfelbrett nicht kalt werden lassen. Dein Bruder hat dabei ein großes Geschrei verführt; zu guter Letzt hat er indessen nicht viel verloren, sondern sich aus seinen großen Verlusten allmählich wider Erwarten herausgezogen. Ich habe zwanzigtausend Sesterzien verloren, doch nur, weil ich überaus liberal gespielt habe, wie das gewöhnlich meine Art ist. Denn wenn ich alle die nachgelassenen Würfe eingefordert oder das behalten hätte, was ich den einzelnen Mitgliedern geschenkt habe, so hätte ich wohl an die fünfzigtausend gewonnen gehabt. Aber es ist mir so lieber. Denn der Ruhm meiner Freigebigkeit wird bis an den Himmel erhoben werden. An seine Tochter schrieb er: Ich schicke dir hier 250 Denare als die Summe, welche ich jedem meiner Tischgäste zum Würfeln oder Paar- und Unpaarspiel bei Tisch gegeben habe. – In allen übrigen Lebensverhältnissen war er tatsächlich von höchster Enthaltsamkeit und ohne den Verdacht eines Fehlers.

72. Seine Wohnung war zuerst am römischen Forum oberhalb der Stiegengasse der Ringschmiede, in dem Hause, welches ehemals dem Redner Calvus gehört hatte, später [168] auf dem Palatium, aber auch dort nur in dem mäßigen Hortensischen Hause, das weder durch großen räumlichen Umfang, noch durch bauliche Pracht in die Augen fiel, nur kurze Säulenhallen von albanischem Peperin und in den Zimmern keinen Schmuck von Marmor oder kunstvollen Mosaiken hatte. Und zwar bewohnte er über vierzig Jahre lang Sommers und Winters dort ein und dasselbe Schlafzimmer, obgleich die Erfahrung ihn lehrte, daß die Stadt im Winter seiner Gesundheit keineswegs zuträglich war und er den Winter durchgängig in der Stadt zubrachte. Wollte er einmal etwas im geheimen und ohne Störung arbeiten, so hatte er dazu eine besondere, auf der Höhe liegende Wohnung, die er sein Syrakus und Atelier zu nennen pflegte. Dorthin begab er sich in solchen Fällen oder auch wohl auf die nahe bei der Stadt gelegene Villa irgendeines seiner Freigelassenen. In Krankheitsfällen pflegte er das Haus des Mäcenas zum Aufenthalte zu benutzen. Sommeraufenthalte machte er meistens am Meere und auf den Inseln Kampaniens oder auch in den der Hauptstadt nahe gelegenen kleinen Landstädten Lanuvium und Präneste sowie in Tibur, wo er auch in den Portiken des Herkulestempels sehr oft zu Gericht saß. Große und prächtige Lusthäuser konnte er nicht leiden. Das von seiner Enkelin Julia mit verschwenderischer Pracht erbaute Landhaus ließ er sogar bis auf den Grund niederreißen und seine eigenen, so mäßig sie auch waren, schmückte er nicht mit Statuen [169] und Gemälden, sondern mit Spazierwegen und Baumpflanzungen sowie mit Altertümern und Raritäten aus, wie z.B. in seinem Landhause auf der Insel Capri noch jetzt die Sammlungen von Riesenknochen ungeheurer Land- und Seetiere sich befinden, welche man Gigantenknochen und Heroenwaffen nennt.

73. Die Sparsamkeit in betreff seines Mobiliars und Hausgeräts erkennt man auch jetzt noch an den erhaltenen Ruhebetten und Tischen, wovon das meiste kaum für einen gewöhnlichen Privatmann schicklich ist. Selbst seine Schlafbettstelle war stets niedrig und die Polster und Betten von geringem Werte. Als Kleidung trug er nicht leicht etwas anderes als sein Hauskleid, das ihm Gattin, Schwester, Tochter und Enkelinnen anfertigten. Seine Toga war weder zu eng, noch übermäßig weit; der Purpurstreifen derselben hielt die Mitte zwischen dem breiten und dem schmalen, dagegen trug er etwas erhöhte Sohlen, um größer, als er war, zu erscheinen. Seine Amtskleider endlich und seine Schuhe mußten stets in seinem Schlafzimmer befindlich und für plötzliche und unerwartete Fälle bereit sein.

74. Tafel mit Gästen hielt er regelmäßig und nie anders als vollständig, doch beobachtete er bei den Einladungen genau Rücksicht auf Rang und Charakter. Valerius Messala erzählt, daß er nie einen Mann freigelassenen Standes zur Tafel gezogen habe, ausgenommen den Menas, der jedoch, nachdem er die Flotte des Sextus Pompejus verraten hatte, [170] mit allen Rechten eines Freigeborenen beschenkt worden war. Augustus selbst schreibt, er habe einmal einen Mann, auf dessen Villa er Quartier zu nehmen beabsichtigte, zur Tafel gezogen, der früher sein Spekulator gewesen. Zur Tafel kam er zuweilen später (als die übrigen) und verließ sie auch wohl früher, doch durften die Gäste die Tafel beginnen, ehe er Platz nahm, und blieben auch an derselben weiter sitzen, wenn er sich zurückgezogen hatte. Seine Tafel bestand meist nur aus drei, wenn es hoch herging, aus sechs Gängen, aber wenn der Aufwand auch nicht übermäßig war, so war doch seine Freundlichkeit als Wirt vollendet, denn er zog gern die Schweigenden oder halblaut sich Unterredenden zur allgemeinen Unterhaltung heran und ließ auch wohl zur Abwechslung nicht nur Vorleser, Sänger und Schauspieler, sondern selbst gewöhnliche Possenreißer vom Zirkus und noch häufiger sogenannte Moralprediger auftreten.

75. Feste und feierliche Jahrestage feierte er mit großer Freigebigkeit, bisweilen jedoch bloß mit einem Scherze. So pflegte er am Saturnalienfeste, und wenn es ihm sonst einfiel, bald Geschenke an Kleidung, Gold- und Silbergeschirr, bald Münzen von jedem Gepräge, auch wohl alte königliche und ausländische, zu verteilen, zuweilen aber auch gar nichts, außer härene Decken, Schwämme, Rührlöffel, Zangen und dergleichen mehr, mit dunklen und zweideutigen Inschriften. [171] Auch pflegte er bei Tafel zuweilen Lose für Gewinne von den allerungleichsten Werten und verdeckte Gemälde zu versteigern, wobei dann der ungewisse Ausfall die Hoffnung der Käufer bald täuschte, bald erfüllte. Die Gäste boten dabei tischweise, so daß Gewinn und Verlust gemeinsam war.

76. An Speise (denn auch dies möchte ich nicht unerwähnt lassen) genoß er überaus wenig und meist nur Hausmannskost. Schwarzbrot, Sardellen, mit der Hand gepreßter Kuhkäse und frische Feigen von der Art, welche zweimal des Jahres reifen, waren seine Lieblingsgerichte. Dabei pflegte er auch vor der Hauptmahlzeit zu jeder Zeit und an jedem Orte, sobald er Appetit verspürte, zu essen. Er sagt darüber einmal in seinen Briefen wörtlich: Wir haben im Wagen etwas Brot und Datteln genossen ... und an einer anderen Stelle: Auf der Rückkehr nach Hause von dem Pompejanischen Palaste habe ich in meiner Sänfte eine Unze Brot nebst einigen harthäutigen Weinbeeren gegessen ... und an einer dritten: Kein Jude, mein lieber Tiberius, hält sein Fasten am Sabbat strenger, als ich es heute gehalten habe; denn erst im Bade, eine Stunde nach Sonnenuntergang, habe ich, bevor ich mich salben ließ, ein paar Bissen gekaut. Infolge dieser Unregelmäßigkeit speiste er dann auch wohl vor Anfang oder auch nach dem Ende der Tafel allein zur Nacht, während er bei der Tafel selbst nichts anrührte.

77. Auch im Weingenusse war er von Natur höchst mäßig. Im Lager von Mutina trank er während der Hauptmahlzeit, wie Cornelius Nepos erzählt, gewöhnlich nur dreimal. Später ging er, selbst wenn er sich recht gütlich tat, nicht über sechs Gläser; oder wenn er ja einmal [172] darüber hinausging, so pflegte er sich zu übergeben. Am liebsten trank er rhätischen Wein. Zwischen den Mahlzeiten trank er selten. Statt Getränkes nahm er in solchen Fällen in kaltes Wasser getauchtes Brot oder ein Stück Wassermelone, einen Lattichstengel oder frisches herbes Obst von weinsäuerlichem Geschmacke.

78. Nach dem Pranzo pflegte er vollständig bekleidet und beschuht mit bedeckten Füßen ein wenig zu ruhen, indem er die Hand vor die Augen hielt. Vor der Hauptmahlzeit zog er sich in sein Studierzimmer auf sein Arbeitssofa zurück. Hier verweilte er, mit der vollständigen oder doch hauptsächlichen Beendigung der laufenden Tagesgeschäfte beschäftigt, bis tief in die Nacht hinein. Dann begab er sich in sein Schlafzimmer, wo er meist nicht über sieben Stunden schlief und selbst diese nicht hintereinander weg, weil er wohl während dieser Zeit drei- bis viermal aufwachte. Konnte er den durch solche Unterbrechungen gestörten Schlaf, wie es zuweilen vorkam, nicht wiedergewinnen, so ließ er einen Vorleser oder Erzähler an sein Bett kommen und sich wieder in den Schlaf bringen, den er dann wohl bis an den hellen Morgen fortsetzte. Auch wachte er in der Nacht nie, ohne daß jemand bei ihm saß. Frühes Aufstehen war ihm widerwärtig, und wenn er sich eines Geschäfts oder [173] eines Opfers wegen früh wecken lassen mußte, so übernachtete er gewöhnlich der Bequemlichkeit halber in der dem Orte, wohin er sich zu begeben hatte, am nächsten liegenden Wohnung des ersten besten seiner Hausbekannten. Aber auch dann schlief er oft aus Schlafbedürfnis, während man ihn in seiner Sänfte durch die Straßen trug oder wenn die Sänfte niedergesetzt wurde, in Zwischenpausen wieder ein.

79. Seine Körpergestalt war überaus schön und durch alle Altersstufen von großer Anmut, obschon er alle Toilettenkünste verschmähte und in betreff seiner Haarfrisur so unbekümmert war, daß er sein Haar in Eile von mehreren Friseuren zugleich schneiden und den Bart bald mit der Schere, bald mit dem Messer abnehmen ließ und unter der Zeit immer entweder etwas las oder schrieb. Sein Gesichtsausdruck war, er mochte nun reden oder schweigen, von solcher Ruhe und Heiterkeit, daß ein gallischer Häuptling einmal seinen Landsleuten gestand, durch diesen sanften Ausdruck verhindert worden zu sein, ihn, wie er sich vorgenommen hatte, beim Übergange über die Alpen, als er unter dem Vorwande einer Mitteilung in seine Nähe gelangt war, in einen Abgrund hinabzustürzen. Seine Augen waren hell und glänzend; er mochte gern, daß man in ihnen eine gewisse göttliche Kraft fand, und freute sich, wenn jemand, der ihn scharf anblickte, wie von der Sonne geblendet das Auge niederschlug, doch sah er im Alter mit dem linken weniger scharf. Seine Zähne waren abstehend, klein und schadhaft, sein Haar sanft gewellt und ins Gelbliche spielend, die Augenbrauen zusammengewachsen, die Ohren mittelgroß, die Farbe ein Gemisch von sonnenbraun und weiß; seine Statur war kurz – (Julius Marathus, sein Freigelassener, gibt sie in seiner Biographie auf fünfdreiviertel Fuß an) –; doch verdeckte die Schönheit und das Ebenmaß der Glieder diesen Umstand, der sich nur durch [174] Vergleichung bemerkbar machte, wenn er neben einem schlanker Gewachsenen stand.

80. Sein Körper war, wie erzählt wird, mit Flecken und Mälern besetzt, die über Brust und Unterleib so zerstreut waren, daß sie Form, Ordnung und Zahl des Siebengestirns bildeten, sowie auch mit Schwielen, die wie Flechtenausschlag anzusehen waren und die er sich durch beständigen und heftigen Gebrauch der Badestriegel infolge des Hautjuckens zugezogen hatte. Hüftgelenk, Schenkel und Wade der linken Seite waren minder kräftig als die der rechten, und er hinkte zuweilen infolge dieser Schwäche, stellte sich aber durch den Gebrauch von (warmen) Sandbädern und Schilfumschlägen immer wieder her. Auch fühlte er zuweilen in dem Gesundheitsfinger der Rechten eine solche Schwäche, daß er das erstarrte und von Kälte abgestorbene Glied nur mühsam mittels eines umgelegten hornenen Reifs zum Schreiben brauchen konnte. Auch litt er zuweilen an Blasenbeschwerden, von deren Pein er gewöhnlich erst, wenn die Steine mit dem Urin abgingen, erleichtert wurde.

81. Schwere und gefährliche Krankheiten hat er im Laufe seines Lebens mehrere durchgemacht, die bedeutendste nach Beendigung des Kantabrischen Feldzuges, wo er, zuletzt durch Stockungen in der Gallenabsonderung der Leber zur Verzweiflung gebracht, sich einer, der gewöhnlichen zuwiderlaufenden, gefährlichen Kurmethode unterwarf. Da nämlich warme Bähungen keinen Erfolg gewährten, ließ er sich notgedrungen auf den Rat des Antonius Musa mit kalten Mitteln behandeln. Manche Krankheiten machte er alljährlich und zu bestimmt wiederkehrenden Zeiten durch. [175] So litt er um die Zeit seines Geburtstages fast regelmäßig, an Nervenabspannung, und während ihn bei Frühlingsanfang eine Entzündung des Zwerchfells heimsuchte, litt er, wenn Scirocco wehte, am Schnupfen. Daher vermochte sein erschütterter Körper weder starke Kälte noch starke Hitze ohne Beschwernis zu ertragen.

82. Im Winter schützte er sich durch vier übereinander angezogene Tuniken und eine dicke Toga, dazu durch ein Hemd und einen Brustlatz von Wolle und durch Schenkelbeinkleider und Strümpfe. Im Sommer schlief er bei offenen Türen, oft auch im Peristyl neben einem Springbrunnen, oder er ließ sich auch wohl von einem Diener fächeln. Sonne konnte er selbst im Winter nicht ertragen und ging deshalb selbst zu Hause nie im Freien ohne Sonnenhut spazieren. Reisen machte er in der Sänfte, meist bei Nacht, und zwar langsam und in kurzen Stationen, so daß er zu einer Tour nach Präneste oder Tibur zwei Tage brauchte und, wenn er zur See an den Ort, wohin er wollte, gelangen konnte, lieber die Reise zu Schiffe machte. Bei dieser großen Schwächlichkeit des Körpers hielt er sich indessen durch äußerste Sorgfalt der Diät aufrecht, besonders dadurch, daß er selten badete. Salben ließ er sich öfter, schwitzte dann am Feuer und ließ sich darauf mit lauem oder von starker Sonnenhitze erwärmtem Wasser übergießen. Sooft er aber seiner Nerven wegen (warme) Seesalzbäder oder albulische Quellbäder brauchen mußte, begnügte er sich damit, daß er, in seiner hölzernen Badewanne sitzend, die er mit einem spanischen Worte »Dureta« zu nennen pflegte, Hände und Füße abwechselnd bewegte.

83. Die kriegerischen Waffen- und Reitübungen gab er gleich nach den Bürgerkriegen auf und ging dafür anfangs zum Ball- und Ballonspiel über. Später machte er sich nur noch Bewegung durch Spazierreiten oder Spazierengehen, [176] wobei er in einen Überwurf von Leder oder Linnen eingehüllt am Ende der Bahn jedesmal in kleinen Sprüngen lief. Zur geistigen Abspannung fischte er auch wohl mit der Angel oder spielte mit Würfeln oder mit Schnellkügelchen und Nüssen in Gesellschaft kleiner Sklavenknaben, an deren artigem Äußern und geschwätzigem Wesen er seine Freude hatte und die er deshalb von allen Weltgegenden her, besonders aus Syrien und Mauretanien, anschaffen ließ. Denn vor Zwergen und Verwachsenen, und was sonst dahin gehört, hatte er einen Abscheu, weil sie ihm als Spottgeburten der Natur und von übler Vorbedeutung erschienen.


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TextGrid Repository (2012). Suetonius Tranquillus, Gaius. Cäsar Octavianus Augustus. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3992-D