218.

Den Höhepunkt in dem Leben der Hexen scheinen die geselligen Zusammenkünfte derselben zu bilden. Die Hauptfeste finden auf dem Blocksberge in der Walpurgisnacht und in der Johannisnacht statt; letztere tritt hier zu Lande häufiger hervor als die erstere. Da macht sich alles auf, was hexen kann, und eilt auf Katzen, Ziegenböcken, Besenstielen, [386] Ofengabeln und anderen Tieren oder Geräten durch die Lüfte. Vor der Reise muß jede Hexe sich mit einer besonderen Salbe beschmieren und einen Zauberspruch sprechen. Ein solcher Spruch ist z.B.:


Liek ut, liek an,
narrens an –
nan Blocksbarg!

Auch können sie durch die Lüfte fliegen, wenn sie sich mit dem Safte des Faulbaums (rhamno cathartica) beschmieren. (Münsterland.) Stellenweise sagt man, ein Wirbelwind trage sie von einem Ort zum andern. Wenn die Hexen in der Johannisnacht unterwegs sind, verspeisen sie die Blütenknospen der Quäken (Waldvogelbeere) als kurzen Kohl, daher findet man nach Johanni an den Quäken fast alle Knospen ausgebrochen. Will man die Hexen auf ihren nächtlichen Reisen sehen, so stelle man sich auf einem Kreuzwege hinter eine eiserne Egge; an Kreuzwegen müssen sie vorbei (Saterland). Außer der Hauptversammlung auf dem Blocksberge kommen aber noch zahlreiche Zusammenkünfte an anderen Orten und zu anderen Zeiten vor. Solche Plätze sind z.B. zu Oldenburg vor dem Eingange zum Kirchhofe, in der Kurwiekstraße neben der Hofapotheke und auf dem Walle hinter dem Schlosse, im Moore hinter Jader Bollenhagen, wohin die Musikanten aus Varel kommen, der Hexenberg bei Stollhamm, der Hexenberg zwischen Ganderkeese und Bürstel, im Saterlande Huddenjebom bei Bollingen und Buddenjepohl bei Hollen, die Hamberger Berge bei Visbek, der Sandbrink bei Erlte im Ksp. Visbek, der Hexenberg zwischen Drantum und Garthe, der Hexenbusch, nördlich von Nienhausen im Kirchspiel Steinfeld, der Bojeberg bei Haddien usw. Musik und Tanz, Essen und Trinken, wobei Pferdefleisch das beliebteste Gericht ist, sind die regelmäßigen Vergnügungen und die Hexen kommen oftmals weit dazu hergereist. 1 Die Hexen wollen bei ihren Belustigungen [387] nicht belauscht sein, und einmal (Ovelgönne) heißt es sogar, daß sie den, welcher unberufen in ihren Kreis träte, ergriffen und ins Feuer würfen; sonst aber begnügen sie sich, dem Störer allerlei Schabernak zu spielen, der selten üble Folgen hat. Wenn Hexen auf die Fahrt gehen, so kann man die Reise mitmachen, wenn man ihr Tun genau beobachtet und nachahmt, doch muß man sich wohl hüten, daß man nichts versehe. – Wenn eine Hexe des Nachts abwesend ist, so liegt derweil ihr Körper leblos im Bette. (Visbek).

Fußnoten

1 In dem kleinen Oythe gibt es sogar zwei Hexenberge, beim Füchteler Holze und beim Bahnhof Holzhausen. Die meisten der sich in Holzhausen versammelnden Hexen kamen von Rechterfeld, das ganz voll saß von diesen Unholden. Sie tanzten in Holzhausen, drangen durch große und kleine Löcher in die umliegenden Wohnungen, stahlen die Butter, brachten die kleinen Kinder ans Weinen, verübten sonstigen Unfug und kehrten dann in ihre Heimat zurück. Die Hexentanz- oder Versammlungsplätze sind also gelegentliche Belustigungsorte der nächstwohnenden Hexen. Wer alle die Orte aufführen wollte, die das Volk als Hexenberge bezeichnet, würde nicht sobald zu Ende kommen. In Zetel erzählt man, in der Johannisnacht brächen die Hexen die jungen Schößlinge der Birken ab, ritten auf Besenstielen zu ihrem Versammlungsort, dem »Exerzierplatz« in dem Schweinebrücker Fuhrenkamp, um dort die abgebrochenen grünen Triebe zu kochen und als Kohl zu verzehren. (Der Exerzierplatz diente früher den Soldaten, die in Neuenburg in Garnison lagen, als Übungsplatz.)

a.

Im Kirchspiel Neuende wohnte ehedem eine alte Witwe, die für eine Hexe galt. Kinder wagten sich ihr am Tage kaum vorbei; auch Erwachsene gingen ihr aus dem Wege, wenn sie konnten. Kränkelte ein Kind oder auch ein Erwachsener in der Umgegend, so meinten die Leute gleich, sie seien behext von dem alten Weibe, und wenn sich die Leute dann nur besannen, so war die Alte gewiß dagewesen, hatte etwas geliehen oder einige Äpfel oder sonst was geschenkt. Sie wohnte ganz allein in ihrem eigenen Hause; ihre einzige Gesellschaft war bloß eine große gelbe Katze, mager wie ein Stück Holz und auf dem Rücken ganz kahl, darauf soll sie des Nachts geritten haben. Eines Abends sollte ein Knecht hin zu ihr und holen von ihr ein Stück Garn, das sie gesponnen. Wie er vor ihr Fenster kommt, ist die Stube ganz hell erleuchtet, und drinnen wird geschwatzt und gelacht und getanzt. Da denkt er: »Was mag die Alte für Besuch haben?« und klopft ans Fenster. Sogleich ist das Licht aus, die Haustür wird aufgerissen und vorbei sausts ihm, wie wenn der Wind durch die Bäume saust, und er sieht fünf oder sechs Katzen, von alten Weibern geritten, in vollem Galopp fortrennen. Er hat entsetzliche Angst, muß aber doch seine Botschaft bestellen. Wie er nun ins Haus kommt, sitzt die Alte in der Stube und gibt ihm zuerst auf seine Fragen keine Antwort; ihre Augen funkeln wie Katzenaugen. Zuletzt hat sie ihm ganz matt geantwortet, und [388] damit hat er fortgehen können, aber er hat eine entsetzliche Angst ausgestanden und ist nie wieder dahin gegangen.

b.

Eine Frau an der Jaderlangstraße, die kurz vorher von einem Sohne entbunden war, lag in der Stube im Bette, während der Mann vor der Stube am Feuer saß. Die Frau jammerte im Bette, und der Mann glaubte zu hören, daß sie mehreremale hinter einander rufe: »O Donnerstag.« Der Mann ging zu ihr und erkundigte sich, ob ihr etwas fehle, aber sie verneinte es. Als der Mann nun weiter fragte, warum sie denn immer jammere: »O Donnerstag«, gestand sie ihm, sie gehöre zum Verbunde der Hexen und müsse am nächsten Donnerstag nach Galiläa. Dagegen sehe sie sehr an, und deshalb habe sie gejammert: »O Donnerstag.« Der Mann beruhigte seine Frau und erbot sich, an ihrer Stelle die Reise mit zu machen. Des war die Frau zufrieden und sagte: »Nun, so paß auf, in der Johannisnacht, nächsten Donnerstag, wird ein Ziegenbock vor das Haus kommen und sich durch Stoßen gegen die Haustür melden; den besteige getrost, er wird dich hintragen, und wenn er zu langsam ist, so treibe ihn mit Fluchen an.« Als nun die bestimmte Nacht gekommen war, stellte sich der Ziegenbock richtig ein und meldete sich durch Stoßen gegen die Haustür, wie die Frau vorhergesagt hatte. Der Mann setzte sich auf und rasch ging die Reise vor sich. Andere Reisende, teils auf Hähnen, teils auf Schweinen reitend, schlossen sich nach und nach an. Kamen sie an einen Fluß, so wurde geflucht, und der Ziegenbock setzte munter hinüber. Vor einem See an den sie gelangten, wollte der Ziegenbock ein wenig zögern, aber ein derber Fluch brachte ihn auch über den See. Endlich kam die Gesellschaft in Galiläa an, und der Mann, von der Reise erschöpft und über die Erreichung des Ziels vergnügt, rief ein freudiges »Gott Lob!« Da warf der Bock seinen Reiter ab und ließ ihn auch nicht wieder an sich kommen. Nicht lange, so kehrte die ganze Reisegesellschaft, die zusammen gekommen war, wieder zurück, und der Ziegenbock trabte ledig mit den übrigen Reitern mit fort, ohne seinen Reiter wieder an sich zu lassen. Der mußte also zu Fuße wieder heimkehren, und als er zu Hause wieder ankam, da war der kurz vor seiner Reise geborene Sohn vierzehn Jahre alt. (Rastede.)

c.

Eine Frau in Klippkanne erzählt: Wo nu Gerdes wahnt, dar hett fröher 'n olen Lootsen wahnt, Ernst Deharr. De is eenmal upstahn nachts Klocke twelw, do is de ole [389] Fischersche oewer de Brügge kamen un hett verkährt uppen Kalf säten un den Stärt in de Hand hadd un is so in'n Klabaster de Drifft nupp räen. 'n annern Morgen is he in är Hus gahn, do hett se noch uppen Bedde lägen und oewer Koppkäld klagt. Do hett de ole Deharr seggt: »Myn Därn, uppen anner Mal lat du de Näs' vant Kalf aff.« Dat hett he nich eenmal, dat hett he woll fief und säbentig mal vertellt.

d.

Einst lag ein Bauernknecht schlafend in der Bettstelle an der Küche und hatte das Schott, den Verschluß des Alkovens, fest zugeschoben. In der Nacht wachte er auf und sah in der Küche viele Frauen, darunter auch seine Herrin, versammelt. Sie nahmen aus einer Kruke Fett, das sie Hexenfett und auch wohl Klickenfett nannten, und rieben sich damit unter den Armen ein. Dann hörte er sagen:


»Upp und darvan
un nargends gägen an,«

und fort gings wie der Wind mit den Frauen zum Schornstein hinaus. Die Kruke mit Fett war stehen geblieben, der Knecht stand schnell auf, rieb sich unter den Armen ein und wollte die Worte nachsprechen, aber er versah sich und sprach:


»Upp un darvan,
allenthalben gägen an!«

Kaum hatte er das gesagt, so fuhr er auch zum Schornstein hinaus, aber er stieß an alle Ecken und Kanten. Immer weiter und weiter ging es, aber er flog an alle Gegenstände, die nur am Wege waren. Ganz blutig und geschunden fand man ihn am nächsten Tage weit von dem Hause im Felde liegen. Er war so verletzt, daß er wenige Tage darauf verstarb. (Pakens.)

e.

In Cappeln hielten die Hexen einmal einen Schmaus, und der Knecht des Hauses guckte durchs Schlüsselloch ihnen zu. Als die Hexen gut gegessen hatten, gelüstete sie auch nach einem Trunke Wein. Sie nahmen ein Töpfchen mit Salbe, schmierten sich ein und sprachen:


»Ower Busk, ower Bom,
ower Water, ower Strom,
to Bremen in 'n Wynkeller!«

und im Hui waren alle auf und davon. Der Knecht wollte es ihnen nachmachen, schmierte sich ein und sprach den Spruch, aber er versah sich und sprach:


[390]
»Doer Busk, doer Bom,
doer Water, doer Strom,
to Bremen in 'n Wynkeller!«

und nun gings mit ihm davon durch Gestrüpp und Wald und Wasser, so daß er, als er in Bremen ankam, kaum noch ein Glied heil hatte. – Die Salbe kommt noch vor 220n.

f.

Bei Bollingen, Ksp. Strücklingen, ist eine Stelle, Huddenjebom, d.i. Horn- oder Stachelbaum, wo ehemals ein Hagedorn oder ein wilder Apfelbaum gestanden haben soll. An dieser Stelle kommen die Hexen von weit und breit zum Tanze zusammen. Ein Mann, der in der französischen Zeit Soldat war, traf einst in Köln, wo er in Garnison lag, zwei schöne Damen in einem Laden. Sie fragten ihn, ob Huddenjebom noch stehe, und ob er ihn wohl kenne? »Ja«, antwortete er, machte aber, daß er fortkam, denn die Weiber mußten Hexen sein.

g.

Ein Mann ging in der Nacht nach Hagstedt, Ksp. Visbek. Als er zu den Hagsteder Kämpen kam, wo mehrere Schafställe sind, hörte er Musik. Er horchte auf, woher sie komme, und vernahm, daß sie in einem Schafstalle war. Leise ging er hin und sah durch die Tür, da erblickte er mehrere, auch vornehme Personen, welche daselbst tanzten und sehr schöne Musik bei sich hatten. Er dachte gleich, daß es wohl Hexen sein würden, und lief davon. Am folgenden Morgen ging er mit anderen hin zu dem Schafstall, da konnten sie noch die Spuren sehen, wie sie im Kreise getanzt hatten, fanden daselbst auch eine Scheere. – Als nachher die Leute nach Holland gingen zum Grasmähen, fragte sie dort eine Dame, ob sie zu Hagstedt nicht eine Scheere gefunden hätten, sie habe dort eine verloren, es sei eine silberne. Und als sie später nachsahen, war wirklich die Scheere, die sie im Schafstall gefunden hatten, eine silberne. Also war die Frau aus Holland in jener Nacht zu Hagstedt gewesen, um zu tanzen.

h.

Zwischen Visbeck und Endel in den Hamberger Bergen sollen des Nachts die Hexen tanzen und ihre Schmäuse halten. Ein Mann, der einst nachts von Visbek in die Berge kam, erblickte einen Tisch und auf demselben allerhand schöne Speisen, auch sah er mehrere Personen, meist Frauen, um den Tische sitzen. Er ging neugierig hinzu, aber als er ganz nahe war, kam ein Wirbelwind, der ihm die Augen voll Sand wehete, und ihn überfiel eine Angst, daß er eiligst davon lief. [391] Am andern Morgen fand man an der Stelle ein Messer, eine Gabel und eine Schnapsflasche, die niemand gehörten.

i.

Vor etwa vier Menschenaltern lagen die Esche von Drantum und Garthe, Ksp. Emstek, sobald die Frucht abgeerntet war, zur gemeinen Weide für beide Dörfer. Eines Morgens sollte Knaggen Harm, der Knecht des Zellers Knagge, die Pferde einholen, fand sie aber nahe beim Hexen- oder Lünzhopsberge, der zwischen beiden Eschen liegt, weiden und sah die Hexen auf dem Berge tanzen. Die Pferde mußten notwendig zu Hause, und obwohl Harm sich erst nicht getraute, mußte er sich endlich doch entschließen und ging auf die Pferde zu. Sofort ward er aber auch von den Tanzenden umgeben, die ihn zu mißhandeln drohten und erst nach langem Bitten wieder freiließen. - Ungefähr ein Jahr darnach ging einer der Söhne des Zellers Knagge nach Holland, um Strümpfe zu verkaufen. Wie er mit seinen Strümpfen in ein Haus kam, fragte ihn die Hausfrau: »Well, Landsmann, wo bint ji van danne?« Er antwortete: »Aus Garthe, wenn ihr dort bekannt seid.« »Well, min Heer,« sagte die Frau, »aber kennt ji well den Lünzhopsberg, de bi Garthe liggt?« »Ja wohl,« antwortete er, »und ich bin schon mehreremal darauf gewesen.« Da fuhr die Frau fort: »Op de Berg heff ick mal en silberne Scheer verlarn, heff ji de nit gefunde oder gehort, we se gefunde?« Der Strumpfhändler verneinte das und fragte: »Wie seid ihr doch dorhin gekommen?« Die Frau erwiderte: »En ick bint doch oft da gewest op de Langedans!« Der Strumpfhändler schwieg und dachte: »Also gibts auch hier Gesellschaften vom Hexenberge,« und glaubte jetzt auch, daß der alte Harm die Geschichte vom Hexenberge nicht erlogen habe.

k.

Ein Mann von Obenstrohe, Ksp. Varel, ging einst in der Johannisnacht durch den Vareler Busch nach Hause. Als er an das Rondeel kam, welches zwischen Varel und dem Kaffeehause rechts am Pfade liegt, fand er den Platz erleuchtet und auf demselben eine große Gesellschaft teils bekannter, teils unbekannter Personen in sonderbaren Aufzügen. Einige tanzten, andere kamen auf Besenstielen, Ofengabeln, Heuforken u. dgl. eben an, und alle zusammen waren überaus lustig. Unter den Versammelten erblickte der Obenstroher auch seinen Nachbar, und er konnte sich nicht enthalten zu rufen: »Jan, wat makstu dar?« Aber kaum hatte er das Wort gesprochen, so [392] wurde er gepackt, jämmerlich zerzaust und durchgeprügelt und darauf in den Busch gejagt. Hier irrte er bis Tagesanbruch herum und fand sich nicht eher zurecht, als bis es helllichter Tag war.

l.

Vor längerer Zeit lebte in Drantum, Ksp. Emstek, ein Schneider, welcher, obschon 40 Jahre alt, noch nicht verheiratet war und mit seiner Mutter einen kleinen Haushalt führte. Dieser hatte einmal spät im Herbste ein kleines Schwein geschlachtet und beschloß, die Schinken in Emstek zu verkaufen. Um aber nicht zu viel Zeit und einen Tagelohn zu verlieren, wollte er die Schinken in der Abenddämmerung, in der sogenannten Sniders Ulenflucht, nach Emstek bringen und gedachte, dies in Zeit einer Stunde abzumachen. Er begab sich mit dem Schinken auf den Weg, aber ehe er denselben halb zurückgelegt hat, ist es so finster, als es nur werden will, und zwar ungewöhnlich finster, weil es diesen Abend sehr mistig (nebelig) war. Um so rascher ging der Schneider vorwärts und glaubte, bald die sogen. Giesenwinkels erreicht zu haben. Diese Giesenwinkels waren nämlich einige große Holzkämpe, unmittelbar am Emsteker Esch und etwa zehn Minuten vom Dorfe, und es sollte dort von jeher gespukt haben. Indessen diese Winkel blieben über Erwartung lange aus, und als er sie endlich erreichte, waren sie zu seinem Erstaunen nicht zur linken Hand, wie sie doch mußten, sondern zur rechten. Aber noch mehr erstaunte er, als er in einiger Entfernung ein stattliches, hellerleuchtetes Haus erblickte und lauten Gesang und schöne Musik von demselben her erklingen hörte. »Wie ist das doch möglich,« sagte er bei sich selbst, »hier hat ja nie ein Haus gestanden, nein, und es steht auch noch keins.« Er schlich sich näher, aber es war in der Tat so, es stand dort ein vornehmes Wirtshaus, in welchem lauter Lust und Freude zu sein schien. »Jetzt ists nicht richtig,« dachte er, machte sich heimlich fort und suchte und fand, wie er glaubte, den rechten Weg nach Emstek. Er ging und ging, kam aber nicht nach Emstek, sondern gelangte abermals bei diesem fremden Hause an. Der Schneider fing nun wirklich an, sich zu fürchten, schlich sich wieder heimlich fort und suchte und verfolgte mit aller Vorsicht den Weg nach Emstek. Aber auch zum drittenmal kam er bei dem wunderbaren Hause an. Diesmal aber bemerkten ihn die Türhüter des Hauses und luden ihn aufs freundlichste ein doch einzutreten, und als er nicht wollte, fingen [393] sie an ihn zu bedrohen, bis er sich endlich bewegen ließ. Die Türsteher behandelten ihn nun sehr artig und zuvorkommend, nahmen ihm seine Schinken ab und stellten sie an einen sicheren Ort und zeigten ihm alle Speise-und Tanzsäle und die wohlbestellten Küchen und Keller. Dort ward gegessen und getrunken, gesotten und gebraten, Speise- und Tanzsäle waren überfüllt von bekannten und unbekannten Leuten, von vornehmen und geringen, jungen und alten, von Freiern und Bräuten, und alle so lustig, als wäre es Hochzeit. Aber es waren alle Hexen. Der Schneider konnte sich nicht freuen und wollte sich auch nicht freuen, aber er mußte doch zum Scheine mitmachen, und mußte, obwohl er es nicht gelernt hatte, auch mittanzen, denn es befanden sich dort auch einige der Mädchen, mit denen er früher gefreit hatte. Er schickte sich aber bald zur Abreise an und erhielt nach anhaltendem Bitten auch seine Schinken wieder eingehändigt. Als er sich indes verabschieden wollte, ließen ihn seine früheren Bräute, gegen die er wohl nicht ganz recht gehandelt hatte, nicht sogleich ziehen, sondern bedrohten ihn und machten Miene, ihn zu mißhandeln. Doch legten andere gute Bekannte Fürbitte für ihn ein und sagten: »O lasset ihn doch diesmal, er ist doch eigentlich allezeit ein guter Junge gewesen und wird sich gewiß auch noch bessern.« Da gaben die Bräute nach, nahmen aber dem Schneider die zwei Schweineschinken und steckten dieselben, so groß sie waren, in ihren siedenden Topf und entließen den Schneider dann mit der Bedrohung des Todes, wenn er etwas von seinem Erlebnis weiter sage. Der Schneider machte, daß er nach Hause kam. Bei Tagesanbruch aber ging er, begleitet von seinen Nachbarn nach jenem Orte, aber es war von allem, was er gesehen, auch keine Spur mehr da, nur seine Schinken fand er, sie staken unverletzt im Schnee. Froh nahm der Schneider die Schinken zu sich und verkaufte sie in Emstek, hat sich aber wohl gehütet, diesen Weg je wieder im Finstern allein zu machen.

m.

Ein Jüngling, welcher die Gewohnheit hatte, daß er des Abends oft nach den Mädchen ging, um sie zu necken, kam spät in der Nacht von Visbek nach Endel. Als er in die Hamberger Berge gelangte, erblickte er von weitem ein Licht. Näher gekommen sah er, daß das Licht auf einem Tische stand, und daß mehrere Personen um den Tisch herum tanzten. Er blieb voll Verwunderung stehen, da winkten sie ihm, er solle [394] herankommen, aber er getraute sich nicht. Da sprangen zwei junge Mädchen auf ihn zu, ergriffen ihn bei der Hand, führten ihn zu dem Tische und fingen mit ihm zu tanzen an. Erst mußte er lachen, daß er jetzt wider Willen tanze. Aber das Lachen verging ihm bald, das Tanzen nahm kein Ende. Zuletzt konnte er es nicht mehr aushalten, er wurde ganz müde, aber alles Sträuben half ihm nichts, er mußte tanzen. Endlich konnte er gar nicht mehr, seine Beine wollten ihn nicht mehr tragen, und die Mädchen mußten ihn nur so mit herumschleppen. Da legte er sich aufs Bitten, sie möchten ihn doch gehen und am Leben lassen, er müßte sich sonst zu Tode tanzen. Da fingen sie alle an zu lachen, ließen ihn aber endlich gehen, aber er war so abgemattet, daß er kaum nach Hause kommen konnte, und als er am andern Morgen aufstehen woll te, konnte er nicht gehen. Dies hatte übrigens geholfen, er ist nachher nachts nicht wieder ausgegangen.

n.

In der Gemeinde Essen kam eines Abends ein Knecht mit Pferden und Wagen nach bereits eingetretener Dunkelheit vom Acker. Hinter sich hörte er plötzlich Gelächter. In der Meinung, es seien Nachbarsmädchen, rief er: »Wollt ihr mit, dann steigt auf!« Nun kamen so viel unbekannte Mädchen auf den Wagen, daß die Pferde diesen nicht mehr ziehen konnten. Dem Knechte wurde es klar, daß er Hexen geladen hatte. Er rief: »Habe ich auch meinen Wagen übergeben, die Pferde habe ich nicht übergeben!« Er schlug den Pferden die Stränge auf und ritt davon. Am andern Morgen holte er den Wagen.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 218. [Den Höhepunkt in dem Leben der Hexen scheinen die geselligen Zusammenkünfte]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3457-E