173.

Auch die Sehnsucht nach den zurückgelassenen Verwandten, die Sorge um das Eigentum, zumal wenn nicht nach den Wünschen und Anordnungen des Verstorbenen damit verfahren wird, rufen den Geist wieder zur Erde. Verborgene Schätze werden von den Verstorbenen gehütet. Ja die bloße [205] Gewohnheit, und wie es scheint das Unbehagen an der Gesellschaft im Grabe sind Gründe des Wiedergehens.

a.

Eine kränkliche Frau zu Jader-Außendeich wurde auf Anraten des Arztes nach Dangast ins Seebad geschickt, aber der Aufenthalt dort führte nicht zur Besserung. Sie fühlte, daß ihr Ende nahe sei, und verlangte sehnlichst, noch einmal mit ihrem Manne zu sprechen, aber ehe dieser anlangen konnte, starb sie. Später wurde eines Abends in ihrem Hause an die Haustür gepocht. Die Magd ging, um zu öffnen, und wie sie die Tür öffnete, sah sie eine weiße Gestalt vor sich stehen. Die Magd rief: »Goden Abend!« erhielt aber keine Antwort. Sie rief nochmals so, und als sie auch jetzt noch keine Antwort erhielt, so sagte sie: »Spräk, oder ick hol der de Fork in!« Jetzt sprach die Gestalt mit leiser Stimme: »Nun, laß ihn nur, kommen.« Rasch schlug das Mädchen die Türe zu, ging in die Stube und erzählte, was vorgefallen. Der Mann stieg aus dem Fenster, und als er endlich wieder kam, sagte er zu der Magd: »wenn dir künftig so etwas wieder passiert, so sei nicht wieder so grob, sondern sei freundlich und bescheiden, denn es tut dir nichts zu Leide.« Die Magd hat aber später dergleichen nicht wieder gesehen.

b.

In Elsfleth starb eine Frau mit Hinterlassung eines kleinen Kindes, das nun einer anderen zur Pflege übergeben werden mußte. Diese Pflegemutter hatte aber ihr eigenes Kind lieber und versäumte darüber das angenommene ein wenig. Da fühlte sie einst in der Nacht, wie eine kalte Hand auf dem Bette herumtappte, bald sie selbst berührte, bald das angenommene Kind streichelte. Sie wurde darob von Grauen erfaßt, dachte sich aber bald, daß es die Mutter des angenommenen Kindes sein möge, ermannte sich und rief dieselbe bei ihrem Namen an und sagte zu ihr: »Habe in Gottes Namen Ruhe in deinem Grabe; ich will dein Kind noch lieber haben als mein eigenes.« Darauf verschwand der Geist, und da die Frau ihr Gelübde gehalten hat, ist er auch nicht wieder erschienen.

c.

Eine bejahrte Mutter in Nordenholz, Ksp. Hude, sagte zu ihrem einzigen Sohne: »Gern will ich sterben, aber die Hochzeit mit deiner künftigen Braut möchte ich vorher mit ansehen.« Ihr Wunsch ward indes nicht erfüllt, denn sie starb bald darauf. Wenige Jahre nachher suchte sich der Sohn eine Braut und hielt Hochzeit. Vor mehreren späten Hochzeitsgästen [206] her ging des Abends vom Huder Kirchhofe langsam eine weiße Gestalt über Nordhaide nach Nordenholz in das Hochzeitshaus, stellte sich in einer Ecke hinter der Vordertür und sah der Trauung zu und kehrte am Schlusse derselben ebenso langsam nach dem Huder Kirchhofe zurück.

d.

In Bardenfleth is mal Kinnerlähr wäsen, un is na de Karktied wäsen, so dat'r nüms mehr in de Karke wäsen is, as de Pastohr un de Köster mit sin Kinner. As de Pastohr knapp'n paar Fragen dahn hett, so fangt de groten Därens an to flüstern, stöt sick an un kikt ümmer na de Priecheln. Den Pastohr fallt dat up, he kikt 'r ok hen, un do sitt dar'n old Minsk mitn swart Bindke vor de Stirn. He spreckt lise mitn Köster un seggt to de Kinner, se schullen man na Hus gahn. Do sünd de Pastohr un de Köster mit'nanner 'nup wäsen un hebbt dat o! Minsk fragt, wat se dar to sitten deh. Un do hett se seggt, se harr dar ok 'n Kind mit sitten. Dat hett awer jedereen wußt, dat dat ol Minsk all vor länger Jahren sturwen weer. (Nach einer anderen Erzählung ist die Verstorbene Mutter eines Kindes gewesen, das der Prediger nicht mit seinen Altersgenossen hat konfirmieren wollen, und hat durch ihre Bitte die Zulassung des Kindes zur Konfirmation erreicht.)

e.

Einer Frau im Kirchspiel Dinklage war der Mann gestorben. Eines Nachts schreien die Hühner, sie steht auf und sieht Wasser durch das Hühnerloch fließen. Sie erschrickt und sucht schleunigst das Bett wieder auf. Bald schreien die Hühner wieder. Beim Aufstehen sieht sie wieder Wasser durch das Hühnerloch fließen. Am andern Morgen ist die Tenne mit Stroh bestreut, obwohl sie in der Nacht rein gefegt gewesen. Sie glaubte, ihr verstorbener Mann habe das angerichtet.

f.

Die hochbetagte Frau eines wohlhabenden Landmanns zu Oldenbrok war verstorben. Ihre Stelle nahm kurz darauf eine sehr junge Person ein. Eines Nachts schlief die Mutter der letzteren in dem Hause ihres Schwiegersohnes auf der Kellerstube, und vor ihr lagen auf zwei Stühlen die beiden Schoßhunde der Verstorbenen. Da ward sie durch ein Gewinsel der Hunde, die zu ihr aufs Bett sprangen, geweckt, und als sie die Augen aufschlug, stand vor ihr und über sie hingebeugt die verstorbene Frau, just so absonderlich gekleidet, wie sie stets im Leben war, und sah ihr drohend ins Gesicht, ballte ihr die Faust entgegen und schwebte dann, die Augen [207] unverwand auf die Liegende gerichtet, rückwärts zur Tür und verschwand.

g.

In Nordloh, Ksp. Apen, gingen drei Knaben hin, um Äpfel zu stehlen. Der eine kletterte in den Baum und schüttelte, die anderen suchten auf. Der auf dem Baume sah hinunter und erblickte unter dem Baume drei, die suchten, und wie er nun genauer zusah, bemerkte er, daß eine Frauengestalt darunter war, der Geist der kürzlich verstorbenen Frau des Hauses, wohin die Äpfel gehörten. Voll Angst und Schrecken liefen die Knaben davon. Am folgenden Abend wollte der eine, ein Schiffer, zu seinem Schiffe und nahm einige von den Äpfeln mit. Als er nun wieder an dem Hause vorbei kam, gesellte sich der Geist der Frau abermals zu ihm. Schleunigst nahm er das Tuch mit den Äpfeln, schüttete es aus und machte, daß er wegkam.

h.

Bei einem Bauer in Bardewisch diente eine Magd, deren Bräutigam Soldat war. Als dieser nun in den Krieg mußte, gab er seinem Bruder sein Geld, um es der Braut zu überliefern, wenn er selbst nicht wiederkommen sollte. Der Soldat kam im Kriege wirklich ums Leben, der Bruder aber lieferte das Geld nicht ab, sondern verwandte es zu seinem eigenen Vorteile. Nun hatte aber der Geist des Verstorbenen keine Ruhe. Oft erschien des Nachts eine weiße Gestalt bei der Braut, und als die Braut aus Furchtsamkeit die andere Magd veranlaßte, bei ihr zu schlafen, kam der Geist dennoch über die andere Magd weg zu ihr. Endlich ging sie zu ihrem Pastoren. Der riet ihr, den Geist zu fragen, weshalb er zu ihr komme. Sie tat dies, und der Geist erwiederte, er sei ihr Bräutigam; er habe seinem Bruder Geld für sie anvertraut, das habe dieser unterschlagen. Nun habe er keine Ruhe, bis sie es bekomme. Die Magd verlangte und erhielt nun das Geld, und von da an ward der Geist nicht wieder gesehen.

i.

Am alten Fahrwege von Hooksiel nach Waddewarden, wo der Weg nach Jever abbiegt, stand bislang ein altes Bauernhaus, Mehringsburg genannt. In alten Zeiten ist hier einmal die Hausfrau gestorben, und wie sie beerdigt werden soll, hält ihr der Pastor von Waddewarden vor versammelten Leidtragenden die Leichenrede. Ehe er aber damit zu Ende ist, röten sich auf einmal die Wangen der Verstorbenen, und kurze Zeit darauf erhebt sie sich im Sarge und lebt wieder. Aus Dankbarkeit für ihre Genesung beschenkte die Frau den [208] Pastoren mit einem fetten Ochsen, behielt aber den Ochsenkopf zum Andenken für sich und ihre Nachkommen und hing denselben an dem Hahnebalken des Hauses auf. Nach langen Jahren kam die Mehringsburg in die Hände einer anderen Familie, und der neue Besitzer, der von der Geschichte nichts wußte, fand auch den alten beräucherten Ochsenkopf und warf das unnütze Ding in eine Ligusterhecke neben dem Hause. In der folgenden Nacht hörten die Hausbewohner einen großen Lärm in der Scheune im Viehstall, und als sie aufstanden, fanden sie alles Vieh verkehrt auf dem Stalle stehend in großer Unruhe. Der Eigentümer erzählte dies seinen Nachbarn, da sagte ihm ein alter Mann, das komme davon, daß er den Ochsenkopf aus dem Hause entfernt habe; er solle denselben nur wieder an den Hahnebalken hängen, dann werde so was nicht wieder vorkommen. So ist es denn auch geschehen, und die Ruhe war wieder hergestellt.

k.

Eine Gräfin von Delmenhorst übergab auf ihrem Sterbebette ihren drei Töchtern zehn Diamanten, davon waren neun ganz gleich, der zehnte aber sehr groß und wie ein Auge gestaltet. Sie bat dabei die Töchter, sich wegen der Steine unter einander zu einigen; sie selbst wolle die Teilung nicht vornehmen, damit es nicht scheine, als wolle sie eine bevorzugen. Die Töchter in ihrem großen Schmerze über den bevorstehenden Verlust ihrer Mutter gelobten, daß die Steine keinen Zwist unter sie bringen sollten, und jede war sogar bereit, sogleich den großen Diamanten den anderen zu überlassen. Die Gräfin starb nun in Frieden. Lange Zeit wurde der Diamant nicht erwähnt. Endlich aber wünschten die Töchter doch, ein Andenken von der Verstorbenen zu besitzen, und gingen an die Teilung. Die neun gleichen Steine waren bald verteilt, aber auf den großen Stein, den früher keine haben wollte, erhob nun jede Anspruch. Die älteste machte ihr Alter geltend, die zweite, sie führe der Mutter Namen, die dritte, sie sei der Mutter Liebling gewesen. Die Schwestern, bisher ein Herz und eine Seele, gerieten in große Uneinigkeit, und alle Bemühungen des Vaters, den Frieden wieder herzustellen, blieben fruchtlos. Da nahm ihnen der Vater den großen Diamanten weg und sagte, daß nun keine denselben besitzen solle. Aber auch hierdurch kam kein Friede, denn jede von ihnen warf nun den anderen vor, daß sie von ihnen um ihr Recht betrogen sei. Seit aber die Töchter ihres Gelübdes [209] der Einigkeit so vergessen hatten, erschien allnächtlich der Geist der Verstorbenen wehklagend unter den Fenstern des Grafen. Der bekümmerte Graf wußte kein Mittel, seinen Töchtern die Eintracht und seiner verstorbenen Gemahlin ihre Ruhe wieder zu geben, bis endlich ein alter Pilger, der bei ihm einkehrte, ihm den Rat gab, den Diamanten in eine Kirche zu vermauern, die Kirche aber da zu bauen, wo ein Gänserich, den er vom Schlosse aus fliegen lasse, sich setzen würde. Der Graf befolgte den Rat und baute die Kirche zu Ganderkesee, welche den Diamanten noch in einer ihrer Mauern birgt. Seitdem war der Streit der Töchter vorbei, und die Mutter konnte ruhig in ihrem Grabe bleiben (Delmenhorst).

l.

In den Hamberger Bergen, Ksp. Visbek, liegt ein Schatz verborgen, er hat aber bis jetzt noch nicht gehoben werden können, denn er muß in der zwölften Stunde der Nacht gehoben werden, und es hütet ihn ein Mann mit einer hohen spitzen Mütze auf dem Kopfe. Wenn auch Leute hingehen, so laufen sie doch stets davon, sobald sie den Mann erblicken; denn wenn einer ihm zu nahe kommt, wirft er ihm Sand in die Augen. Es sind daher schon viele, welche bei Nacht dieses Weges gingen, verirrt, weil sie so viel Sand in die Augen bekamen.

m.

Zwischen Hohenkirchen und Mederns liegt eine Warfstelle, auf welcher noch bis vor wenigen Jahren ein Haus namens Klingswarfen gestanden hat. Jetzt sieht man dort des Nachts zwei Fräulein Arm in Arm auf und ab gehen, die einen in der Anhöhe vergrabenen Schatz bewachen. Die Versuche, den Schatz zu heben, sind noch immer mißlungen, da in dem entscheidenden Augenblicke jedesmal einer der Schatzgräber ein Wort sprach, sodaß der Schatz wieder in die Tiefe hinabrollte.

n.

Einstmals ging eine Frau aus Hüllmanns Hause zu Wiefelstede in der Johannisnacht um 12 Uhr über den Wiefelsteder Esch. Auf einmal erblickte sie links vom Wege, der nach Gristede führt, ein großes helles Feuer. Die Neugier trieb sie hinzu, und als sie niemand dabei bemerkte, trat sie ganz nahe an die Glut und sah, daß dort ein großer Schatz aufgehäuft lag, der wie ein helles Feuer glänzte. Schnell entschlossen warf sie einen Kreuzdornstock, den sie gerade in der Hand trug, auf das Feuer, das nun augenblicklich erlosch. Die Frau säumte nicht, eifrig die Schätze aufzusammeln; da erscholl [210] eine Stimme ganz in ihrer Nähe: »Nimm so viel du tragen kannst; wenn du aber deine Last niedersetzen mußt, ehe du sie im Hause hast, so verschwindet der Schatz.« Die Frau folgte dem Rate, belud sich zwar tüchtig mit dem Golde, brachte es aber richtig nach Hause hin, ohne abzusetzen. Seit dieser Zeit war die Familie sehr reich, aber die Frau war von dem schweren Tragen ganz schief geworden.


Vgl. 180 e.

o.

Die erste Leiche, die in der gräflichen Familiengruft zu Varel beigesetzt wurde, war die einer Gräfin von Ungnad, welche von Geburt bürgerlich war. Als nun nach ihr Leichen beigesetzt wurden, alle von Personen adeliger Geburt, ging sie wieder und erschien alle Abend, sobald es dunkel ward, auf dem Kirchhofe. Das Gespenst verschwand, seit die letzte Leiche beigesetzt ward, die der Gräfin Sarah, welche gleichfalls von Geburt bürgerlich war.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 173. [Auch die Sehnsucht nach den zurückgelassenen Verwandten, die Sorge]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2A1B-5