[164] 92. An Karl Freiherrn von Hompesch

1790.


Rüstiger, den
Kränzende Jugend schmückt,
Den Mannheit mit Kraft
Gürtet und edlerem Trotz,
Der die tönende Leier
Liebet, den Säbel nur mehr!
Höre den Landsmann! dich rief
Freundlich Pannonia,
Nannte dich Sohn,
Öffnete mütterlich den Schoß
Dem Fremdling, vertraute, wie wenigen dir;
Und, berauschet vom edlen Tokai
Des Freiheitsgefühls,
Schmiegtest du dich an die Brust
Der Heldenmutter!
Durch Tausende
Redet sie freundlich mit dir.
Aber dein Vaterland
Redet durch einen, durch mich,
Entfremdeter, zürnend,
Noch als Mutter, mit dir.
»Wer härtete dir
In Fluten des Rheines,
O Jüngling, den Arm?
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Wer härtete früh,
In Sag' und in Lied,
Die glühende Klinge
Des edlen Gefühls?
»Tausende, die mich verkennen,
Acht' ich wie Spreu,
Und wie falbes Weinlaub,
Das im ersten Froste sich krümmt,
Wann in Fülle der Beeren die Freude reist!
»Du aber, verkenne mich nicht!
Du verkanntest mich schon,
Als du meiner am wertesten warst!
Ich liebe dich zürnend, o Sohn!
Doch hast mich verkannt;
Drum red' ich im Bilde mit dir.
Deine Väter verkannten die Sprache
Des Vaterlandes, und nun
Verkennen auch Deutsche
Den deutschen Geist.
»Eine dunkle Wolke, hing sie da,
Schwanger mit Red' und Gesang;
Es wetterleuchteten Wölkchen umher;
Sie sandte nur Schauer, verbarg
Den mildaufdämmernden Tag.
»Aber sie donnerte nun;
Die sieben Hügel erbebten!
Kühner, als Franklin,
Leitete Luther aus ihr
Zückenden Blitz,
Und labenden Tau!
»Jahrhunderte ruhte sie dann;
Sie schwoll in nächtlicher Stille,
Verbarg in der Wölbung des Schoßes
Wetter des Gesanges, und des Liedes Tau!
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Ha, wie sie donnert! wie sie blitzt!
Wie sie schmettert mit der Empfindung gediegnem Strahl!
Vor ihr siedet, im erschütterten Gebein,
Das innerste, lebenernährende Mark!
»Und der Weisheit gedankenvoller Baum
Grünet, getränket von ihr;
Es reifet an ihm der Unsterblichkeit Frucht!
Die Blume der zarten Empfindung
Glänzet in träufelndem Tau,
Getränket von ihr!
»Mit dem Gürtel des himmlischen Bogens
Kleidet sie der Liebe Gesang!
Auf Altare des Ewigen
Stürzet mit donnerndem Preise
Die opferverzehrende himmlische Glut!
»Denn mein flammender Geist
Beseelet die Sprache,
Mein niemals wetterleuchtender Geist!
Kleine Dämonen
Spielen, wie Fürsten,
Mit Gunst und mit Zorn;
Aber mein Genius
Harret und sinnt!
»Jahrhunderte sammeln
Auf ragenden Alpen
Starrenden Schnee;
Je länger er starrte,
Je höher er türmte,
Desto – lösen nur Hauche
Des einsamen Hirten
Mit lockendem Horne
Die kleine hangende Flocke –
Eilender, mächtiger,
Felsenwälzender, städtezertrümmernder,
Strömewendender, stürzt er hinab!
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»Sohn, mein Genius
Harret und sinnt!
»So die Rache Gottes!
Seine Liebe so!
»Gereiften Frevel
Schlingt die geöffnete Erd' hinab!
Leise Seufzer
Der frommen Bitte
Steigen heimlich, wie Nebel der Flur,
Am schweigenden Abend.
Gefilde werden glänzen
Mit himmelabträufelndem segnendem Tau!«

Notes
Entstanden 1790. Erstdruck in: Hamburger Musenalmanach 1792.
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TextGrid Repository (2012). Stolberg, Friedrich Leopold Graf zu. 92. An Karl Freiherrn von Hompesch. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1A9A-6