[19] 13. Das Märchen von der Geiß (Ziege) und ihren Zicklein.

a) Die Geiß und der Bär.

(Niederbayern: Hutthurm, B.-A. Passau.)


* Die Aufschreibung in der Mundart.


Amoi is a goas gwen und dö had dro kitzl ghad und da iß hoid oft füa d' kitzl ös lauwad ganga. amoi iß a wida fuat und had an kitzln recht aftragn. »manö hewein«, hads gsoad, »spiads enk guad zua und loßts neamt ei, und wann i kimm, afft klopf i und sag: manö hewein, mochts af, i han enk a lauwad und a dütei draf,« und aso iß fuat. dös ding is recht; dawei(l) is da beafoan feuschta auscht gschtandn und had glust und had oiß ghead. na an hübschn zeidl klopft ea in d' tüa. na, und wea auscht is, habmt d' kitzl gschrian. na, had da bea gsoad und had a raungatsadö stimm antnumma: »enka muada iß; mochts af, i han enk a lauwad und a dütei draf!« da habmt eam d' Kitzl volla freidn aftmocht, aba da bea hads ollö droi grad af da stöi gschlickt, aft had a sö nina gload und is schloffad woan. dawei is d' goas hoam kema und wia s n bean lign siagt und d' kitzl hand hi, denkts eam glei, das sö ebbs gschickt had, aba is deaf eam niks ankenna lossn. »o mei goas«, had da da bea gsoad, wiar as gsegn had, »miar is goa nöd guad und d' läus beißnt mö so vi(l), wennst ma na grad a weng suachatst!« da had eam d' goas läus gsuacht, und wia s a wei(l) suacht, is da bea wida schloffad woan. iatz had eam nacha d' goas n bau afgschnin und d' hewein hand ausa gesprunga. afft hads eam an bau voi stui anta(n) und had wida zuatnad, neta koan knopf hads nöd tmocht. wia da bea afkimmt, jammad a hoid na bössa. »o, mei goas,« soad a, »i ka s frei nima aushoin, so we tuad mia da bau!« »ge,« had d'goas gsoad, »wannst as probiaratst und kuglatst dö an öttlas moi übas bahafada aba, ebba wuas bössa«. da wi(ll) sö da bea übas bahafada abakugln, aba ön wearadn kugln is eam da bau afbrocha und d' stui hand eam ausa gfoi(ll)n und da bea is dond gwen.


Aufgeschrieben durch Herrn Gymnasiallehrer Gg. Maurer in Neustadt a.H., gestorben 1913 als Professor in Münnerstadt. Dem Verein übergeben 1898. (Urschrift.)


** Die wörtliche Übertragung ins Schriftdeutsche.


Einmal ist eine Geiß gewesen und die hat drei Kitzlein (Kitzel) gehabt und da ist sie halt oft für die Kitzlein ins Laub gegangen (ins Futterholen). Einmal ist sie auch wieder fort und hat ihren Kitzlein recht aufgetragen (gut anbefohlen): »Meine Heweln (Heppeln),« hat sie gesagt, »sperrt euch gut zu und laßt niemand ein, und wenn ich komme, dann klopfe ich und sage: meine Heweln, macht auf, ich hab [für] euch ein Laub und ein Euter voll Milch darauf« (darnach, hernach), und noch im Reden (»aso« = so sprechend) ist sie fort. Das Ding ist recht. Derweil ist der Bär vorm (vor dem) Fenster außen gestanden und hat gelust (gelauscht) und hat alles gehört. Nach einer hübschen Zeit klopft er in die Tür. Na (na nun), und wer außen ist! haben die Kitzlein geschrien. Na, hat der Bär gesagt und hat eine hohe krächzende Stimme[20] angenommen: »Eure Mutter ist es, macht auf, ich hab' [für] euch ein Laub und ein Dittel darauf!« Da haben ihm die Kitzlein voller Freuden aufgemacht, aber der Bär hat sie alle drei gerade auf der Stelle (gleich darauf) geschluckt. Dann hat er sich nieder gelegt und ist schlafend geworden. Derweil ist die Geiß heim gekommen, und wie sie den Bären liegen sieht und die Kitzlein sind hin (fort), denkt sie sich gleich, daß etwas vorgekommen ist (»daß sich etwas geschickt hat«), aber sie darf sich nichts ankennen (anmerken) lassen. »O, meine Geiß,« hat da der Bär gesagt, wie er sie gesehen hat, »mir ist gar nicht gut und die Läuse beißen mich so viel, wenn du mir nur grad ein wenig suchtest!« Da hat ihm die Geiß Läuse gesucht, und wie sie eine Weile sucht, ist der Bär wieder schlafend geworden. Jetzt hat ihm nachher die Geiß den Bauch aufgeschnitten und die Heweln sind außer gesprungen. Dann (daraufhin, hintennach) hat sie ihm den Bauch voll Steinen eingetan und hat wieder zugenäht, nur keinen Knopf hat sie nicht gemacht [an den Faden]. Wie der Bär aufkommt (aufsteht), jammert er halt noch besser: »O, meine Geiß«, sagt er, »ich kann es frei nimmer aushalten, so weh tut mir der Bauch!« »Geh'!« (fränkisch: ei! gelt!) hat die Geiß gesagt, »wenn du es probierest und kugelest dich etliche mal über das Backofendach hinunter, etwa (vielleicht) wird es besser.« Da will sich der Bär über das Backofendach hinabkugeln, aber im Kugln ist ihm der Bauch aufgebrochen und die Steine sind ihm herausgefallen und der Bär ist tot gewesen.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Spiegel, Karl. Märchen. Märchen aus Bayern. 1. Echte Märchen. 13. Das Märchen von der Geiß (Ziege) und ihren Zicklein. a. Die Geiß und der Bär. a. Die Geiß und der Bär. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-13C2-D