[129] Der Contract

La Chatre hatte Herz und Sinn
Der zauberischen Buhlerinn,
Der schönen Ninon, hingegeben,
Die ihr vermuthlich alle kennt;
Schnell muß er fort zum Regiment,
Und fordert nun mit heißem Beben
Contract der Treu aufs ganze Leben.
Miß Ninon lächelte und schrieb,
Da ihr nichts weiter übrig blieb,
Heiß, wie die höchste Flamme brennt,
Der treusten Liebe Testament.
Nun ließ der gute Mann sich trösten,
Besah das Blatt, wie einen Zauberring,
Und küßte sie und ihre Schrift, und ging.
Doch kaum war er bey der Armee, so lösten
Gemächlich alle Schwüre sich
Bey Ninon auf, und kurze Zeit verstrich,
So spielte sie die feuervolle,
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Natürliche und allerliebste Rolle
Mit einem ihrer Weisheitsbrüder,
Die sie mit Chatre spielte, wieder.
Im allerwichtigsten Momente
Ergriff sie die Gewissenspein;
Der arme Chatre fiel ihr ein.
Sie rang voll Gluth die schönen Hände,
Und rief im schönsten letzten Act:
Ach der Contract, ach der Contract!
Und damit ging das Stück zu Ende.
Nun trug man in dem Publicum
Den kläglichen Contract herum,
Und lachte selbst an Ludwigs Hofe
Von der Prinzessinn bis zur Zofe,
Und sprach und spielte manchen Act
Von dem Contract.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Seume, Johann Gottfried. Gedichte. Gedichte. Der Contract. Der Contract. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0A8F-1