Johann Friedrich Schink
Der neue Doktor Faust
Eine Plaisanterie mit Gesang, in zwei Aufzügen

Personen

Personen:

    • Doktor Faust.

    • Rosalinde, eine Oberstenwitwe.

    • Friz, ihr Bruder, Doktor Fausts Hauspursche.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Frizzens Zimmer in Doktor Fausts Hause.

FRIZ
auf- und abgehend.

Ein närrischer Kauz, der Doktor! will der Mensch mit aller Gewalt, weil er Faust heist, und sein berümter Anherr Teufel zitirt, und mit Geistern in Korrespondenz gestanden hat, auch Teufel zitiren, auch mit Geistern korrespondtren! Es tut mir warhaftig leid um den Menschen, er hat sonst Kopf, und es müst' einen ganzen Poeten geben, wenn er seine Fantasie nur von der Grille abzöge. Aber da hilft kein Zureden! Zum Unglük mus der Mensch noch den Swedenborg lesen, nun ist's gar mit ihm aus. Er drükt sich schon völlig so mistisch, so Hamannisch-überirrdisch aus, daß einem angst und bang dabei wird. Mag's nun mit dem Swedenborg sein, wie's will; mag's immer so eine Wissenschaft geben: du, mein guter Doktor, bist mir warhaftig nicht dazu geboren: du schikst dich warhaftig schlecht zum Geistersehen. Ja, wenn du nicht so gern nach Mädchenbusen gaftest, nicht so gern Mädchenhände drültest – Es wird gepocht. Herein!

[303]
2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Rosalinde in Mannokleidern Friz.

ROSALINDE.
Um Vergebung, mein Herr –
FRIZ.
Nur näher, was steht zu Befel? Für sich. Ein hübscher Pursch!
ROSALINDE.
Ob Sie mir wol sagen können, mein Herr, in weichem Zimmer der Herr Doktor?
FRIZ.
Der Herr Doktor – Sie erkennend. so wahr ich lebe, Rosalinde –
ROSALINDE.
Zu Befel, Herr Bruder –
FRIZ.

Aber in aller Welt, Schwester, wie komm' ich zu der Ehre? und deine Maskerade, was soll die? der Fasching ist ja vorbei.

ROSALINDE.
Zum Doktor will ich, du hast's ja gehört.
FRIZ.
Zum Doktor? was Teufel hast du bei dem Geisterbeschwörer zu suchen?
ROSALINDE.
Ich will ihm zitiren helfen.
FRIZ.
Zitiren? nun ich gratulire, Herr Doktor, der Fang ist gut!
ROSALINDE.

Faunenseele! Man merkt's, daß du Student bist! Ihr Leute seid so durch und durch Sottise, daß ihr nichts als Sottisen seht, und nichts als Sottisen sagt.

FRIZ.

Nun, nur gemach, Frau Schwester. Was Teufel kann ich wissen, was du bei dem [304] Geisterseher willst. Und – nimm mir's nicht übel, Schwester – Du hast eine so spizbübische Fisiognomie in der Mummerei. –

ROSALINDE.

Nun, etwas ist an der Sache. Ich hab' in ganzem Ernst so eine Art von einem Schelmstük, daß ich mit dem guten Doktor vorhabe. Kannst du raten?

FRIZ.
Rat' der Teufel, ich nicht.
ROSALINDE.

Verliebt bin ich, Herr Bruder, in den Geisterseher vorliebt; aus Liebe möcht' ich ihn gern klug machen, ihm seinen Geniesporn aus dem Kopf bringen; das ist es alles. Verstehst du nun?

FRIZ.
Nicht ein Wort!
ROSALINDE.

Und ich sag' dir's doch so deutlich, einfältiger Mensch. Von seinem Stekkenpferd will ich ihn herunter haben. Sich', ich hab den Plan zu einer Komödie im Kopf, – du wirst auch dabei zu tun haben – dich und dein Zimmer brauch' ich. Ich will in die Schule zu ihm, will mich in seine Geistermisteria einweihen lassen, und dann – doch ich halt's nicht mit den Poeten, die gleich in der ersten Szene der Komödie die Entwikkelung verraten. Der Zuschauer mus überrascht werden.

FRIZ.

Nun, warhaftig, Schwester, mich machst du ganz konfus; wenn's dir mit dem Doktor auch so glükt: so hast du gewonnen Spiel.

[305]
ROSALINDE.

Dafür las mich sorgen. Der Doktor ist ein Genie, und was ist so abgeschmakt, und unwarscheinlich, das man einem Genie nicht weis machen könnte? besonders, wenn's sein Stekenpferd betrift! Aber wie ist's mit dem Doktor? wenn kann ich ihn sprechen?

FRIZ.
So bald du willst – Für eine Dame, die sich einweihen lassen will, ist er immer zu Haus.
ROSALINDE
verächtlich.
Student, hebe dich weg von mir!
FRIZ.
Den Augenblik, ich mus über dem in's Kollegium.
ROSALINDE.
Du kömmst doch bald wieder? wie schon gesagt, ich brauche dich und dein Zimmer.
FRIZ
So bleib hier.
ROSALINDE.
Das könnte Verdacht erwekken. Nein, ich will unten im Hörsaal lauschen, bis es Zeit ist. Adieu! –
FRIZ.
Wie du willst! Beide ab.
[306]
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Doktor Fausts Zimmer.

DOKTOR FAUST
nachdenkend, in einem Stul, eine lange Pause, sich aufhebend – die Hand zum Himmel gehoben.

Weisheit! Weisheit! wenn du kein Fantom, wenn du wirklich bist, Warheit, Geist! So komm herab Weisheit!? Sieh', ich sehne nach dir, wie ein Kranker auf der Lagerstatt nach Erquikkung! – Versinkt wieder in Nachdenken, gerät nach und nach in eine Art von Begeisterung. Wie wird mir! welch Drängen und Stürmen in meiner Seele! Gedanke drängt an Gedanken, Gedanken mit Geisterstügeln, sich in Sonnenstral tauchend! Nach einer Pause. Und jezt auf einmal wieder nur Dämmerung, grauender Tag! O wenn wirst du anbrechen, Morgenröte der Erkenntnis? – Die Hände faltend.

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Doktor Faust, Rosalinde.

ROSALINDE.

Verzeih', großer Mann, wenn ich dich im Forschen nach Warheit störe, wenn ich deinen Flug nach Weisheit unterbreche.

[307]
FAUST.
Wer bist du, Fremdling? was willst du? –
ROSALINDE.

Der Ruf von deinem großen Geiste scholl auch zu mir. Du bist die Bewunderung von Europens ersten Gelerten; alle Welt spricht von dir mit Erstaunen. Ich komme, zu deinen Füssen zu sizzen, und Weisheit zu lernen.

FAUST.

Willkommen, Jüngling: wenn du ein Geweihter bist, will ich mit dir teilen, was ich weis. Ich liebe den Durst nach Weisheit, und Gier nach Warheit ist meinem Herzen lieblicher als Gold. Sezze dich, Freund, und entdekko mir deinen Stand.

ROSALINDE.

Ich danke dir, großer Mann, daß du mich würdig hältst, dein Zögling zu werden. Ich habe mich den Wissenschaften geweiht, gern gelernt im Tempel der Musen, suchte Warheit –

FAUST.

Und fandest sie nicht! – Ich glaube dir – auch ich forschte umsonst. Ich bin alles gewesen, hab' allen ihren Schlendrian mitgemacht; ward Theolog, Jurist, Arzt, Filosof: alles Tanz, nichts, das Gottheit witterte! Umsonst sucht' ich göttliche Weisheit in ihrer ursprünglichen Natheit; allenthalben fand ich sie mit Menschensazzungen vertöl pelt, überall mit Schulstaub verkleistert. Umsonst wollt' ich Gerechtigkeit handhaben lernen; verdrehen lernt ich sie; [308] muste einem Gözzen opfern, von den Händen des Eigendunkels und des Interesse geformt, Bastard der Gerechtigkeit, nicht sie selbst! Umsonst wollt' ich lernen menschlichem Bau aufhelfen, wenn er sinkt; zurückbringen vom Grabe, wenn er der Verwesung zuwelkt: Den Menschen mit Methode zu morden lernt' ich, sonst nichts! Und als ich Menschenseele fassen wollte, Warheit entfalten – was fand ich? Schatten! Dunst! Narrheit in ein Sistem geknetet!

ROSALINDE.

Vortreflich! wie in meine Seele geredet! Gerade so hab' ich's auch gefunden. Alle menschliche Weisheit scheint mir Torheit, und all ihr Wissen Marktschreierei. Die Gelerten kommen mir vor, wie die hölzernen Komödianten im Puppenspiel. Als Dratpuppen, Kopf und Hand nach dem Faden bewegend, weder selbst denkend, noch selbst redend, immer aus einem fremden Hals tonirend. Und das alles mit einer solchen Barrokken Steifheit, daß man sich über die hölzernen Herrgötter aus dem Atem lachen mus; steif, wie ihre Manschetten, kraus, wie ihre Parrükken, und voll Falten, wie ihre Kragen. Ich hab's in Reime gebracht, und kann's singen. Sie singt.

All ihr Wesen Püppelspiel!

Was sie denken, was sie handeln,

[309] Liegen, sizzen, stehen, wandeln,

Wie der liebe Faden will.

Hand bewegen, Köpfgen nikken,

Körper drehen, Füsgen rükken,

Wie im lieben Puppenspiel –

One Zwekk und one Ziel!

FAUST.

Du hast Kopf, junger Mann, sei mir willkommen! Du hast Recht, jenseits steht der Tempel der Weisheit, schwebt über die Lüfte, auf Erden findest du seine Spur nicht.

ROSALINDE.

Ueber die Lüfte? Schlimm, Herr Doktor, sehr schlimm! Wie werden wir da hinauf kommen? Flügel haben wir nicht, und dann möcht' uns auch die Luft da oben nicht allzuwol bekommen. Warscheinlicher Weise möchten wir uns einen gewaltigen Schnupfen holen, und hätten denn doch wol nicht einmal an den Drükker der Thür des Tempels der Warheit gefast.

FAUST.
Ernsthaft, Jüngling, Warheit läst sich nur von dem Denker, nicht von dem Lacher finden.
ROSALINDE.

Und ich, Herr Doktor, meine, das wäre gerade der beste Weg, Weisheit zu finden, wenn man sie lachend sucht.

FAUST.
Ein gutes Bonmot; sonst nichts. Die Weisheit –
[310]
ROSALINDE.
Schlendert gemeiniglich mit der Torheit zusammen. –
FAUST
ernst.
Jüngling!
ROSALINDE.

Warhaftig, Herr Doktor, noch hatten alle große Geister, die ich kannte, eine große Porzion Narrheit mehr, als andere gemeine Erdmenschen. Aber sie hingen ihr den Doktormantel um, stekten ihr den Kopf in eine Knotenparükke, und den Hals in einen Kragen. Leute, die den Affenschwanz hinten nicht sahen, machten denn freilich dem falschen Gözzen große Büklinge. Aber, lieber Herr Doktor, man träumt nicht immer, man wacht auch einmal auf.

FAUST.
Ich erstaune über dich: dein Mund fliest über von Warheit und Irrtum, von Geist und von Wansinn.
ROSALINDE.
Warhaftig? nun da bin ich ein ausgemachter grosser Geist.
FAUST.

Junger Mensch, du wizzelst zu viel, haschest zu mühsam nach Einfällen. Wiz läst sich nur überraschen, man mus ihn nicht suchen. Ueberhaupt ist Wiz nur ein Paradekleid, nur für schön Wetter gemacht. Aber Warheit schüzt immer ihren Mann, sei's Sturm, oder Sonnenschein! Ein wizziger Einfall ist Geld wert; aber es geht mit den wizzigen Einfällen, wie mit den Schmetterlingen: man fängt selten einen, der des Rennens darnach wert wäre. Und bist du nicht [311] gekommen, Weisheit zu lernen? Aber Weisheit ist keine Buhlschwester, und bedarf der Flittern des falschen Wizzes nicht.

ROSALINDE.

Aber warum, Herr Doktor? mus denn Weisheit just den Doktormantel umhaben? Sind ihre Pflichten nicht Blumenfesseln? ist nicht ihr Joch leicht, wie Rosen? Wozu also die groteske Aussenseite? Doch Sie könnten leicht schlimmer von mir denken, als ich's verdiene, also – da lesen Sie, Herr Doktor!

FAUST
liest.

Eleusinia, oder erste Urkunde des Geistergeschlechts! – Ist's möglich? – Blättert. Siebentes Kapitel, von der nähern Erkenntnis der Geister; zwölftes Kapitel, von dem Umgang mit Geistern; dreizehntes Kapitel, vom Dienste der Geister – Wie in einer Ekstase. O du seligster Tag meines Lebens, bist du gekomen? hat das segnende Schiksal dich endlich meiner dürstenden Seele zugefürt? Auf die Knie sinkend. Dank! Dank! Hier ist mehr, als meinem Anherrn je träumte, mehr, als je Swedenborgs Augen in der herzlichsten seiner Erscheinungen sahen. Habe Dank, Jüngling! Verweile hier, bis ich mich im Rebenzimmer gesammelt habe, dann komm ich zurük, und du sollst Teil nemen an jenen Wonnevollen Seligkeiten, die mein unaufhörliches Forschen nach Warheit, mir [312] endlich darbietet. Verweile, bald komm ich zurük. Faust ab.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
ROSALINDE.

Ha, ha, ha! Das ist zum totlachen! Armer Doktor, dir wird ein Näschen gedreht, das Alt und Jung zu lachen geben soll. Komm mir nun einer wieder, und behaupte: daß Schwachheit nurgeneris seminini sei. Mein Doktor giebt einen Beweis, daß keine Albernheit zu gros ist, deren nicht ein Mann fähig wäre! Wenn ich so bedenke: ein Doktor aller Fakultäten, der alle Weisheit mit Löffeln gefressen, von mir, von einem Weibe am Narrenseil herumgefürt, und so plump herumgefürt – wenn das nicht Schwachheit ist, was ist denn Schwachheit? – Und wie Justig sich bei alledem die gestrengen Herren über unsre Schwachheit machen, wie oft wir ihrem. Wiz herhalten müssen! Bedächten Sie doch nur daß sie immer auf sich selbst eine Satire machen! Kommen wir nicht von einer Mannsribbe her? und mache einer aus schlechtem Sandstein eine Venus, wie die von Medicis! und wenn's ein Praxiteles wäre: bleiben lassen mus er's. –

[313]
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Rosalinde, Faust.

FAUST.

Da bin ich wieder, Jüngling. Du hast mir einen grossen Schaz in die Hände gegeben – Ich brenne vor Begierde, einzudringen in jene heiligen Tiefen der Warheit; näher zu treten jenen überirrdischen Wesen, die den Aeter durchwallen, von Sonnenstralen leben, und aus Morgenwolken geboren werden. Schon ist die grosse Stunde der ersten Erscheinungen da! Auf dem versengenden Stral der Mittagssonne, sagt dein Autor, zittern diese reinen Geister dem Geweihten herab, oder klimmen auf Flammen der Unterwelt herauf, ihm zu dienen, und zum Anschaun der Herrlichkeiten zu füren, die nur sonst Seelen, los von der Hülle des sterblichen Staubes, sehen dürfen – Aber, sagt dein Autor ferner, dieser Geweihte mus allein sein – kein irrdisches Wesen mus seine entkörperten Gedanken stören, und wieder zum Schlam der Sinnlichkeit zurükfüren können. Sinnlichkeit, färt er in seiner erhabenen Sprache fort, Sinnlichkeit ist eine Leimrute; des Geistes Flügel bleiben daran kleben, wenn er zur Sonne will. Verlas mich also, bis mir die Geister entdelt haben, ob auch du geweiht bist, und Teil nemen darfst an ihren Geheimnissen?

[314]
ROSALINDE
für sich.

Wasser auf meine Müle; jezt kann ich meine Komödie vollenden! Zum Doktor. Grosser Mann, ich gehorche. Ab.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
DOKTOR FAUST.

Nemt meinen Dank, mächtige Geister, die ihr den Forscher nach Warheit mit heiligem Fittig umschwebt! Ihr habt euren Genius gesendet, nemt meinen Dank! Bald werd' ich euch sehen, Einwoner des Aeters, bald wink' ich euch! fasse Morgenröte bey'm Zipfel und halte Sonne am Saum ihres Kleides; schlinge mich in Geisterarmen, und sehe dich, Warheit, im Gewandlosen Glanz! Auf die Knie mit ausgebreiteten Armen. So hört mich dann, wo ihr auch schwebt, wo ihr auch euren segnenden Einfluß über die Natur verbreitet, über die Tiefen, über die Höhen, hoch an den Wolken, oder in tiefen mitternächtlichen Hölen, schwebt nieder auf Sonnenstralen, schwebt herauf auf wehenden Flammen! Feierliche Musik. Ich bin erhört, schon tönen ihre Harmonieen! Sie kommen, sie kommen! –

UNSICHTBARES CHOR.
Wer tief uns? wer rief uns aus mitternächtlichen Gründen?
[315] Wer uns aus Finsternisschwangern Schlünden?
Wer uns aus rasselnden Flammen empor? –
FAUST.
Welche Stimmen? Ha, seid ihr's? Schweben
Eure Gestallten schon um mich? – Welch Beben
Ergreift mich! Nacht sinkt herab!
Wo seid ihr? Mein Auge dekt Dunkel! fall' ab,
Dekke der Nacht, Tag, geh' auf!
Geister der Tiefe, aus euren Schlünden herauf!
UNSICHTBARES CHOR.
Wir kommen, wir kommen im Mondenlichtschimmer.
Hier sind wir, was willst du? gebiete nur immer:
Wir hören und kommen vom Adgrund empor!
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Faust, Rosalinde. in einer Geistermaske

FAUST.
Aber wo seid ihr? Ich höre eure Stimme, aber ich seh' euch nicht.
[316]
ROSALINDE.
Du hast gerufen? was willst du?
FAUST.
Wer bist du? –
ROSALINDE.
Rufst du die Geister, und erkennst sie nicht?
FAUST.
Aber warum du allein? ich hörte der Stimmen viel.
ROSALINDE.
Auch sind sie alle hier – nur unsichtbar.
FAUST.
Warum nicht sichtbar?
ROSALINDE.

Weil du an mir genug hast. Doch wenn du mich nicht brauchen kannst, so wird einer nach dem andern in sichtbarer Gestalt deine Befele erwarten.

FAUST.
Nun, woher namst du deinen Flug?
ROSALINDE.

Neunmal so viel Stunden tief, als die Welt steht, won' ich unter der Erde – da hört ich deinen Ruf, schlug mit meinem Flügel ein paar Sonnen aus einander, dekte mit einem Süden, mit dem andern Osten; ris ein paar Miriaden Fixsterne aus ihrer Axe, und schmetterte eine ganze Nachwelt ins Nichts. Wärend meines Flugs dacht ich, daß ich dir nicht in meiner nächtlichen Gestalt erscheinen dürfte: ein einziger Blik würde dich zermalmt, und alle deine Gebeine zertrümmert haben. So dacht ich, und fülte, daß ich den Saturn auf dem Rükken trug; ich schüttelte ihn ab, und da blieb ich dann mit der Fußsole an einer Wolke hangen, die nam ich statt eines Mantels um, und so komm ich zu dir.

[317]
FAUST.
Ha, du bist ein Teufel: ich kenne dich an deinem Pralen.
ROSALINDE.

Pralen? Soll ich im Wirbelwind über dich faren? Zerstreuen dein Gebein hinauf zum Jupiter, bis hinab zum Orkus? soll ich? Ohnmächtiger, sprich mit mehr Ehrfurcht, wenn du zu Geistern redest.

FAUST.
Du bist kein schlechter Teufel, du drohst auch.
ROSALINDE.

Drohen? Im Nu mach ich wahr, was ich sagte. Nicht ein Stäubchen deines Leibes, nicht ein Quentchen deines Bluts sollst du übrig behalten. Will die Erde zusammenwikkeln, wie Leinwand, brüllen, daß der Donner Westwindssäuseln dagegen sein soll, und der Sturm leises Rauschen eines seidenen Gewandes. Rede mit Ehrfurcht Sklav, oder zittere.

FAUST.

Nun der Teufel verläugnet sich doch nie: Worte, wie Meereswogen, und Gedanken, wie Sandkörner. Aber las doch einmal sehen, was du kannst, zaubre einmal ein Elisium her.

ROSALINDE.

Sachte, Herr Doktor, der Teufel ist so einfältig nicht, machts nicht, wie ihr Menschen. Ihr kramt neue Künste, neue Spinngewebe von Weisheit gleich aus, ohne einen andern Grund, als euch sehn zu lassen. Wir nicht.

FAUST.
Was willst du denn, daß ich tun soll?
[318]
ROSALINDE.

Schwöre, daß du mein sein willst, mein sein willst nach zwölf Jahren. Schreib das, mit deinem Blut zeichn' es hin – dann bin ich zu deinen Diensten.

FAUST.
Teufel, was willst du? dir schwören, dein zu sein! meinst du, ich rase?
ROSALINDE.

Gerast hast du lange, gerast, als du mich riefst: das Geschöpf fodert Schöpfung vom Geschöpf; der Sterbliche will Unsterblichen befelen, ist das nicht Raserei?

FAUST.
Ich glaube gar, du predigst.
ROSALINDE.

Ja, und Besserung; und lernst du sie vom Teufel nicht, so lernst du sie nimmer. Aber der Kontrakt – –

FAUST.
Ist will nicht.
ROSALINDE.

Nun so bleib, was du bist: las dich auslachen. Denn, ausposaunen will ichs im Nordsturm, daß du ein Narr bist, ein feiger, elender Narr; der nicht einmal das Herz hat, eine Narrheit, die er angefangen, zu vollenden. Niedrige, unmännliche Seele!

FAUST.

Spotte, so viel du willst, ich unterschreibe nicht. Geh, ich verlange deine Dienste nicht; meine Seele ist frei, und soll frei bleiben.

ROSALINDE.

Ist sie? armer Mensch, und habe dich doch schon so gewis. Einen Atemzug gieb dem Teufel, und du entkommst ihm nicht mehr; er fast dich, und sollts beim lezten Röcheln sein. [319] Schon lange hatt' ich deine Seele beim Schopf, ich gab dir deine Rasereien ein, spielte dir das Manuskript in die Hände – ich. Elender, kannst du mir noch entgehen?

FAUST.
Aber wenn ich nun nicht will, nicht unterschreiben will, was für Recht hast du?
ROSALINDE.

Was für Recht? Also, daß du mich für nichts, und wider nichts von meinem Felsentron herauf riefst, mich entrissest dem Jubelklang der Donner da unten, dem Brüllen der erschlagenen Geister, das rechnest du für nichts? Meinst, könntest mich wieder mit einer langen Nase heimschikken? Glaub, Satan steht um keine so arme Menschenseele auf, wenn er ihrer nicht gewis ist. Gut, unterschreib nicht. Aber stürzen will ich dich in 'n Staub, schlagen dich mit Wunden und Eiterbeulen; dich zum Ekel aller Menschen, zum Spott der Knaben, und zum Ekel der alten Weiber machen. Willst du das? – Schreibst du aber: so bist du Herr über die ganze Welt; herschest über Meer und Land; bist zwölf Jahr lang das Staunen der Erde; bist Schöpfer; wirst geschmeichelt von Weibern; wirst angebetet von Sklaven, die dir den Staub von den Füssen lekken. Wäle!

FAUST
betäubt.
Ich wäle! Gieb her. Unterzeichnet. Und was nun?
ROSALINDE.
Nichts!
FAUST.
Nichts?
[320]
ROSALINDE.

Geduld – Ein König über die Welt ist nicht so gleich gemacht. Bist du Doktor aller Fakultäten, und weist das nicht?

FAUST.
Teufel, ich begreife dich nicht.
ROSALINDE.

Das glaube ich, Teufel und Weiber sind ein Studium, das den grösten Weisen zum Narren machen kann. – Merk dirs. Vor izt leb wol. Mitternacht komm ich wieder. Fort ihr Geister! Rosalinde ab.

UNSICHTBARER CHOR.
Wieder zur Höllen,
Ihr lüftgen Gesellen!
Er ist geschlossen,
Mit Blute beflossen
Der festliche Bund.
FAUST.
Wo seid ihr Schatten?
Wo schwebt ihr, ihr Schatten?
Wo seid ihr, ihr Lieben?
Ich hab ihn geschrieben
Den festlichen Bund.
UNSICHTBARER CHOR.
Wir habens vernommen,
Sind darum gekommen;
Jezt faren wir wieder
Zur Hölle hernieder,
Zum rasselnden Schlund.
[321]
FAUST.
Doch müst ihr mir halten,
Ihr Geistergestalten,
Den Bund, der geschlossen,
Mit Blute beflossen;
Müst halten den Bund.
UNSICHTBARER CHOR.
Wir werden ihn halten
Wir Flammengestalten!
Juchheia zur Höllen,
Ihr lüftgen Gesellen,
Zum rasselnden Schlund!

Der Chor schweigt, Faust steht wie im tiefen Erstaunen, nimmt sein Manuskript und versinkt in Nachdenken. Der Vorhang fällt.
[322]

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Frizzens Zimmer in Doktor Fausts Haus – es ist tief in der Nacht.

ROSALINDE
sizt am Klavier, spielt und singt.
Luna malt mit ihrem Scheine
Nun die Erde überall;
Und im Schattenvollem Haine
Klagt nur noch die Nachtigall!
Alles schläft – bei seinem Täubchen
Schläft der Täuber girrend ein;
Alles schlummert Mann und Weibchen –
Ich nur wach, und wach – allein!
2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Friz. Rosalinde.

FRIZ
stürzt mit einem lauten Gelächter ins Zimmer.
O du verdammter Doktor!
ROSALINDE.

Behüte der Himmel, schlägt der Mensch nicht ein Gelächter auf, als ob er bei einem Faunengelage unter seinen Brüdern sässe.

FRIZ.
Lach du anders, wenn du einen Narren siehst.
[323]
ROSALINDE.
Pflegst du da zu lachen? – Ich nicht.
FRIZ.
Nicht? –
ROSALINDE.
Wie du siehst!
FRIZ.
Ich will nicht hoffen, Schwester –
ROSALINDE.
Daß ich dich meine? Bravo, du bist noch nicht verloren. Du fülst dich doch.
FRIZ
den Hut ins Gesicht drukkend, und drohend.
Schwester!
ROSALINDE
mit kaltem Spott.
Student!
FRIZ.

Ja so, du bist nur ein Weib! Aber mach mich nicht böse, Schwester, oder ich verrat deine ganze Posse dem Doktor –

ROSALINDE.

So? – da mus ich denn freilich wol gelindere Saiten aufziehn! Also, Herr Bruder Ihm die Hand reichend. bonne amitie!

FRIZ
giebt ihr die Hand.
Es gilt! Und nun ein. Wort von deinem närrischen Doktor –
ROSALINDE Hast du ihn gesprochen?
FRIZ.

So eben! Ich habe nie etwas tollers gesehn, als den Menschen. Glaubt der Mensch steif und fest, daß er mit dem Teufel gesprochen hat, und kanns nicht erwarten bis es zwölfe schlägt.

ROSALINDE.
Bravo! Es ist alles schon in Bereitschaft: meine ganze Maskerade liegt im Nebenzimmer.
[324]
FRIZ.
Und wie lange wird die Posse noch dauern?
ROSALINDE.
Nur bis heute.
FRIZ.
Und das Ende vom Liede?
ROSALINDE.
Ist – Kannst du auch schweigen, Herr Bruder?
FRIZ.
Wie einer.
ROSALINDE.
Ich kanns auch, Herr Bruder!
FRIZ.
Sieh, wie schnippisch! Und doch weis ich so gut, wo's hinaus soll, als du.
ROSALINDE.
Das wäre! wo hinaus denn?
FRIZ.
Nun, auf eine Kleinigkeit, nur auf eine Szene – unter vier Augen.
ROSALINDE
verächtlich.
Student!
FRIZ
beleidigt.
Schon wieder der Student da?
ROSALINDE.
Zeigst du ihn etwa nicht immer?

Ab ins Kabinet.
FRIZ.

Verdammt Naseweis! Aber, daß ich ein Narr wäre, und mich ärgerte. Machen wir den Landesvater und trinken ein Glas Punsch.


Nimmt Hut und Stok, und geht.

[325]
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Doktor Fausts Zimmer.

FAUST
tiefsinnig auf- und niedergehend.

Wars Traum? wars Fantasie, was ich sah, was ich hörte? Sprach ich wirklich mit Geistern, hört ich wirklich einen Bewoner des Abgrunds? oder träumt ich? dekte Nacht mein Auge? – Nach einer Pause. Nein, nein, es war kein Traum; ich sah, ich hörte; werde noch sehen, noch hören – O die Stunde der Entscheidung – warum zaudert sie? – Herr der Welt – Herscher der Geister, König der Natur, das alles soll ich werden, werd ich werden – Und noch nicht zwölfe! – Es schlägt zwölf Uhr. Ha jezt – – –

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Faust. Rosalinde, als Teufel

ROSALINDE.
Faust.
FAUST.

Ha du! Willkommen! Jezt verrichte deine Dienste, und zur Probe: verwandle dies Haus in einen Pallast.

ROSALINDE.
Das kann ich nicht.
[326]
FAUST.

Was? den Augenblik las Rosenhekken hier hervorgehn, düftende Jasminlanden. Schaffe rieselnde Quellen hieher. Mach diesen Saal zu Elisium.

ROSALINDE.
Wenn ich das könnte.
FAUST.

Bringe mir das blühendste Mädchen des Landes, daß ich ihre Knie umfasse, küsse die Spizzen ihrer seidnen Finger.

ROSALINDE.
Auch das kann ich nicht.
FAUST.
Narre mich nicht länger, und gehorche! Türme Arabiens Schäzze vor mir auf, schaf Indiens Gold her.
ROSALINDE.
Das kann ich noch weniger.
FAUST.
Windiger Praler, was kannst du denn?
ROSALINDE.
Null mit Null geht auf – Nichts!
FAUST.
Machtloser Teufel, wenn du nichts kannst, was willst du denn hier?
ROSALINDE.
Dich fragen: ob du fertig bist?
FAUST.
Fertig? wozu?
ROSALINDE.
Zum Abmarsch.
FAUST.
Zum Abmarsch?
ROSALINDE.
Nun ja! was starrst du? weist du nicht mehr, was du versprachst?
FAUST.
Teufel! – Sind das die zwölf Jahre? kaum ein Punkt der bestimmten Zeit.
ROSALINDE.

Ganz recht. Der Weise läst nicht den Punkt eines Augenbliks ungenüzt vorbei. Wir Teufel auch nicht. Jeder mus uns eine [327] Seele bringen. Wer hielte sonst die Langeweile der Ewigkeit aus?

FAUST.
So seid ihr auch Sofisten, ihr Teufel?
ROSALINDE.
O die ausgemachtesten: wir haben die Sekte gestiftet.
FAUST.
Und du willst nicht erfüllen, was du versprachst?
ROSALINDE.
Ha ha ha!
FAUST.
Du lachst?
ROSALINDE.
Mus ich nicht, armer Doktor?
FAUST.
Geist der Finsternis, wirst du Wort halten?
ROSALINDE.
Wort halten? ein Teufel? ha ha ha!
FAUST.
Sklavischer, ohnmächtiger Geist, du vermagst nicht.
ROSALINDE.

Freilich nicht! O daß Weisheit so zum Kinde werden kann! So was überlegt der grosse Mann erst nachher, was er mit Händen hätte greifen können, was ein Kind mit Händen greifen kann. Aber nun kömmt dir die Weisheit zu spät. Wenn die Gefar von ferne droht: dann flich; nicht, wenn sie dir schon auf der Ferse sizt, oder wenn du bis über die Ohren drinn stekst. Das ist eine Teufelsmoral, und ich will den von euren Pfaffen sehen, der eine bessere geben kann.

FAUST.
Der Teufel ein Sittenlerer! – unbegreiflich!
[328]
ROSALINDE.

Armer Tor, der du Teufel für Schöpfer hältst, die selbst Geschöpfe sind, hingeworfen im Abgrund, an ewigen Ketten geschlossen, niedergebeugt zum Sklavenstand; und sollen Schöpferkraft haben, Allmacht?

FAUST.
O du hämischer Betrüger, elender Teufel!
ROSALINDE.

Der wär ich, wenn ich Wort hielte. Kennst du den Teufel nicht besser? Mus dirs ja schon deine Amme gesagt haben, daß der Teufel der Vater der Lüge ist. Ha, ha, ha!

FAUST.
Und du lachst noch?
ROSALINDE.
Aus vollem Halse. Ueber eure Torheiten zu lachen, das ist ein Fest für uns Teufel.
FAUST.
O des schreklichen Erwachens vom Traum, des schreklichen Erwachens zum Elend!
ROSALINDE.
Spas du nicht mit Teufeln, die lonen nicht anders.
FAUST.
O hab Erbarmen!
ROSALINDE.
Erbarmen? das kennt kein Teufel. Die Menschen kennens nicht, und wir solltens!
FAUST.
Was hab ich getan! Verderben gefunden, und suchte Warheit.
ROSALINDE.

Torheit sage. Wer mehr wissen will, als er darf, wird ein Narr. Und wer höher klimmt, als es seine Kräfte zulassen, bricht den Hals, das ist natürlich.

[329]
FAUST.
Sagst du das, Teufel? und bist selbst so tief gefallen.
ROSALINDE.

Eben deswegen. Der moralisirt immer am besten, der selber in die Grube stürzte. Ruch der Teufel fiel, weil er zu viel wissen wollte. Und nun fort.

FAUST.
Unmöglich!
ROSALINDE.
Du must!
FAUST.
Nur noch einen kurzen Raum.
ROSALINDE.
Keine Minute!
FAUST.
So bin ich unwiederruflich verloren? Weh! weh!
ROSALINDE.

Nun, Faust, du sollst sehen, daß ich ein honorabler Teufel bin. Hör, ich will dir ein Weib über den Hals schikken, ein schönes Weib. Wenn du vermagst ihrer Schönheit zu widerstehen: so bist du frank und frei vom Kontrakt, so will ich ihn zerreissen. Widerstehst du nicht, so bleibts beim Alten.

FAUST.
O sende sie, und wenns die Göttin der Liebe selbst wäre, ich widersteh ihr gewis.
ROSALINDE.

Nicht das Ding so auf die leichte Achsel genommen. Glaub mir: wenn der Teufel am sichersten verfüren will, so kriecht er in ein Weib. Daß deine Stammmutter Eva sich vom Satan verfüren lies, wundert mich nicht; aber daß Eva den Satan nicht verfürt hat, das wundert mich. Nimm dich in Acht! .... Ab.

[330]
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
DOKTOR FAUST
auf- und niedergehend, lange Pause, dann im Ton der Verzweiflung.

O ich Tor, ich unbesonnener, gemeiner Tor! mit Teufeln in Bündnis zu treten, von Teufeln Treu und Glauben zu erwarten! – Menschliche Weisheit, was bist du, wenn du so tief bis zur Torheit sinken kannst? Wie soll ich mich retten? Ein Weib! ein schönes Weib! Faust, Faust, was wird aus dir werden? was aus dir werden mit dieser deiner Empfänglichkeit für weibliche Schönheit? – Aber hier steht Ruhe und Glük aufs Spiel! – ich widerstehe, widerstehe gewis. Aber wenn ich auch widerstehe, bin ich gerettet? kann ich erwarten, daß ein Geist der Hölle Wort hält? hat ers gehalten? hat er nicht selbst meiner Leichtgläubigkeit laut gelacht? – O ich bin verloren! – verloren! –


Verhülle sich das Gesicht, und sinkt verzweifelnd in einen Stul.

[331]
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Faust. Rosalinde. in einer sehr verfürerischen, reizenden Kleidung.

ROSALINDE
sie bleibt in der Ferne stehen, tritt zu des Doktors Klavier, und singt.
Rosen blühen, Nelken düsten,
Balsamhauch schwimmt in den Lüften,
Wolgeruch steigt auf vom Tal,
Frende winket überall.
Lerchen trillern, Nachtigallen
Lassen süsse Lieder schallen;
Liebe winkt, o Jüngling! dir:
Höre sie, und folge ihr!
FAUST
aus seiner Verzweiflung erwachend.

Was ist das? welche zauberische Töne! Erblikt Rosalinden und färt zusammen. Ha das ist sie! Mit trunkenem Auge an ihr hangend. Himmel, welche Schönheit! Das Lüchein der Liebe schwimmt in ihren Augen, auf ihren Wangen glüht Morgenrot, und auf ihren Lippen Florens Kinder. Plözlich sich abwendend. O ich darf sie nicht länger ausehn, oder ich bin verloren.

ROSALINDE
näher tretend.
Sieh mich an, liebenswürdiger Sterblicher; las dich mein Auge zur Liebe laden.
[332]
FAUST
mit abgewanten Gesicht, mit einer Bewegung des Entfernens.
Weg, Weib des Verderbens, weg!
ROSALINDE
seine Hand ergreifend.
Ich dich verderben? womit sollt ich das? Mit diesem Blik voll Liede? Sich mich doch an!
FAUST
wie oben.
Weg!
ROSALINDE.

Nur einen Blik! Faust hat den Blik zur Erde gesenkt, sie fast ihn an dem Kinn, und hebt ihm das Gesicht in die Höh. Nur einen! sieh mich an.

FAUST
mit der Leidenschaft kämpfend, aber noch immer den Blik abgewant.

Weh mir! mit dem Berüren ihrer Finger schlagen elektrische Funken in meine Seele. O was wirds erst werden, wenn ihre Augen den meinigen begegnen? Mit beiden Händen ihre Hand fassend, den Blik immer auf die Erde. Weib, las mich! willst du mich nicht ins Elend stürzen?

ROSALINDE.
Dich ins Elend stürzen? Ihm abermal das Gesicht in die Höhe hebend. Närrchen, sieh doch her.
FAUST
mit einem Blik auf sie, wie versteinert.
Himmel und Seligkeit, was für ein Glanz!
ROSALINDE.
Nun, war das ein Blik voll Verderben?
[333]
FAUST
halb in Entzükkung, halb in Verzweiflung.

Ja, ja! mit all dem Elisium, das aus ihm stralt – Weib, als der Schöpfer dich bildete, schlug er einen Funken aus der Sonne, und schuf dein Auge. Aber las mich, du bringst mich um Ruh und Glükseligkeit, giessest Verzweiflung in meine Seele.

ROSALINDE.
Glaubst du, daß ich das könnte – mag dirs dieser Händedruk sagen.
FAUST.
Las mich, las mich! Ich füle durch alle meine Adern verderbendes Feuer.
ROSALINDE.

Wart, ich wills löschen. Küst ihn. Widersteh mir nun länger, wenn du kannst! – Seine Hand fassend. Deine Hand bebt – du zitterst – O las gut sein, bald soll dein Zittern schwinden. Höre: Sie tritt ans Klavier, spielt und singt mit der verfürerischsten Melodie.

Hörst du nicht in Rosenbüschen

Nachtigallen Liebe singen?

Hörst du nicht aus Liliennischen

Leise Weste Liehe zischen?

Hörst du nicht auf Rasensizzen

Stille Grillen Liebe schwirren?

Nicht auf grüner Bäume Spizzen

Stille Täubchen Liebe girren?

Warum sollten Rosen glühen,

Warum Nelk und Lilien blühen?

[334] Sollst sie brechen, ihren Dust

Liebeatmend in dich ziehen!

Warum wär auf meinen Wangen

Sonst der Früling aufgegangen?

Sollst sie küssen, sollst in Küssen

Ganz in Seligkeit zerfliessen;

Darum winkt dir Liebe hier,

Und du widerständest ihr!

FAUST
vom Zauber ihrer Stimme auser sich, ganz in trunkner Ekstase versunken, stürzt zu ihren Füssen, fast ihre Hände, drükt sie an seine Lippen, und ruft.

Nein! ich widersteh nicht länger, Zauberin, ich widersteh nicht länger, vermag nicht! Ich bin dein, auf ewig dein. O las mich nun hangen an deinen Lippen, vergehn im Wonnegenus! las mich!

ROSALINDE
auf einen Augenblik von seiner Schwärmerei angestekt, drükt ihm die Hand, neigt sich zu ihm herab, zieht sich aber plözlich zurük, und schlägt ein Gelächter auf.

Hab ich dich? Armer Faust – der Teufel und das vermeinte schöne Weib, dem du die Hände drükst, sind eins!

FAUST
mit Entsezzen ausspringend.
Eins? –
ROSALINDE.

Eins! Nun bist du mein, und ich lasse dich nicht, lasse nicht ein Fäserchen von dir. Da ist dein Kontrakt, mit deinem Blut unterzeichnet, du bist mein!

[335]
FAUST
wild, verzweifelnd die Hände ringend.

Wehe! Wehe! Elend ohne Ende! Jammer und Qualen ohne Namen! Bitter und heftig. O du hämischer, Schadenfroher Teufel.

ROSALINDE
in ihrem wahren Ton.

Nein Doktor, kein Schadenfroher, ein rechter Spashafter Teufel, ein rechter guter Teufel. Hören Sie mich nur, Doktor: kennen Sie nicht in ihrer Nachbarschaft eine junge Frau, Namens Rosalinde, eine Oberstenwitwe?

FAUST.
Deren Bruder bei mir im Hause wont?
ROSALINDE.
Die nemliche! Kennen Sie sie?
FAUST.

Dem Namen nach, ja. Man hat mir viel von ihrer Schönheit gesagt, und ihr Bruder viel von ihrem Geiste.

ROSALINDE.

Nun, Herr Doktor, der Student, der heut bei Ihnen hören wollte, der Teufel, den Sie zitirten, das schöne Weib, das er Ihnen über den Hals schikte, und diese Rosalinde Mit einem tiefen Kniks. machen Ihnen ihr Kompliment, denn alle sind eins.

FAUST.
Was? –
ROSALINDE.

Ja, Herr Doktor, ganz richtig. Ich hatte mich in Sie verliebt. Ihre Narrheit mit den Geisterzitazionen ging mir zu Herzen; ich entschlos mich, Sie zu kuriren, und da spielt ich Ihnen denn die Komödie. Wenn Sie sich nun einem Teufel, wie ich, mit Leib und Seel [336] ergeben, und zum Rekompens ein Vermögen von 50000 Thaler dafür nemen wollen, so steh ich zu Befel. Und, daß Sie nur nicht etwa Anstand nemen: da ist Ihr Kontrakt, Sie dürfen nicht zurük!

FAUST
voll Entzükken ihre Hand ergreifend.
Weib! Engel! o wie schön hast du mich von meiner Torheit geheilt – Und du könntest mich lieben?
ROSALINDE.
Ueber die Frage! Wozu denn alle meine Maskeraden, wenn Liebe nicht im Spiel war?
FAUST
sie in seine Arme fassend.
O so darf ich? gütiges, himmlisches Weib! daß ich nicht sterbe für Freude!
ROSALINDE.

Sachte! mit der Freude wäre mir nicht gedient. Ueberlassen Sie das unsern Poeten, lieber Doktor, die sterben so gern für Ihre Damen. Auch bin ich keine grausame Prinzes. – Und nun kommen Sie mit zu meinem Bruder – auch der war einer von den Teufeln. Er mus doch wissen, daß der Teufel den Doktor Faust wirklich geholt hat. Nicht wahr? –

FAUST.
Tor, der ich war – und bin nun so glüklich! Verdien ichs? –

Sie gehen ab.
[337]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schink, Johann Friedrich. Dramen. Der neue Doktor Faust. Der neue Doktor Faust. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D130-1