[110] An einen kleinen Fisch in meinem Aquarium

Silberglitzernd kreisest du
Mit zarter Flosse
Um die Stengel der Wasserlilien
Und zwischen Algen und Moosen
Einsam in durchsichtig grüner Wildniß.
Ja, einsam!
Denn all die still beweglichen Leben,
Die in dem hegenden Glase,
Eine Welt für sich,
Reizvoll Aug' mir und Sinn erfreut:
Sie gingen dahin,
Heute dies, morgen jenes –
Und nur du bliebst noch zurück.
Weißt du, daß du allein bist –
Und fühlst du dich einsam?
Vermissest du die einst'gen Genossen?
Durchzuckt dich Erinn'rung an sie
Mit der Ahnung des eigenen Todes? –
Wer vermag es zu sagen?
[111]
Mich aber beschleicht,
Wenn ich dich so betrachte,
Unendliche Wehmuth.
Denn unwillkürlich bedenk' ich,
Was ein Mensch empfinden müßte,
Der als letzter,
Als allerletzter
Auf Erden wandelte –
Am Rande blumiger Wiesen,
Verlassenen Wohnstätten vorüber,
Oder durch dunkelnde Wälder,
Rollende Ströme entlang,
Am Gestade des weitaufrauschenden Meeres –
Die Brust voll Erinnerungen
Und nahenden Todes Gewißheit.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Saar, Ferdinand von. An einen kleinen Fisch. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-AD41-B