Das Licht

Vom gelben Himmel rollte ein funkelnder Treibriemen durch Yokohama: heut abend sind die bunten Leuchtstraßen matt.

Schmale Sterne der hellen Nacht gehen hinter Fabriken auf.

Europa tanzt wie ein brauner Hund vorm Mond. Gelbe Menschen kommen in schwarzen Röcken wie aus einem Jungfrauenbad.

Paris, wilder Lanzenschein, wenn das Gitter des Luxembourg aus dem Garten der Erde aufsprüht:

Einsiedler kochen Gold auf dem heiligen Berg, die Menschen schaukeln in großen Betten, von Afrika wehen weiße Tücher durch Palmenufer her.

O helle Himmelssäge hinein nach London, wie ein Bergwerk liegt die Stadt unterm fallenden Licht, Diamanten über den Gitterluken der Bank von England, o roter Tower in Whitechapels Schweiß, sechstausend Mann morgens fünf in den Docks, drüben die Felsen des Kaplands, Nigger brechen in die Knie.

Es floß aufkochend flammengrün durch Petersburg, Kiew, Nischny, Odessa,

Mondgoldene Kathedralen im Schlamm, unter Euch Moskau bebt wie ein roter Menschenwald von vielen Glocken, o runde Dächerblüten,

[17] Mauern weich wie Bärte hinauf für die Menschen,

Hoch von Spitzen und Kugeln grünes Fliehen über kupfernen Tag.

Boston, Chicago, über nackte Arme und Zylinderhüte hin zischt das Licht wie Riesenfunken von elektrischen Schnellbahnen,

Über San Franciscos Hotelgebirge leicht und hoch hinüber, durch Kulistädte, Ghettos, Spiegelschein in Fahrstuhlschachte, o Nimbus, Seligkeit, Frühling.

Halt!

Still und grell durch die donnernden Eisenschatten der Brücke New York.


Wir liefen unbekannt durch die weit klappernde Friedrichstraße.

Berlin, hinter schmalen grauen Asphaltgassen flog das rote brennende Fenster himmelsoben zu uns her, o unsere Herzen!

Nachmittags halb fünf, ein Wind ging kurz herüber, häuserleuchtend. Die Zeit war neu.

Fliegende Zeichen zu uns von runden Himmelsbögen.

Milde Zeichen, Himmelslichter neue Häuser zu bauen Sonnentürme,

Sterndächer, Berlin noch feucht, Gottesstadt, schwebend, gläsern hinauf.

Milde Himmelshand, ruhigste Palmglut, herunter zu uns über Schornsteinfassaden.

O Südseeblut, getrieben zu unserm Blut.

Aber wartet Ihr noch? Wir sehen uns um, Kamerad, (Wir kennen uns nicht!) bleich, stehenden Herzschlags, niemand merkt was.

Worauf wartet Ihr noch? Was habt Ihr zu denken?

Halt, Ihr wollt bummeln, schachern, Frauen bepaaren, Ihr werdet essen, lesen, Nachrichten hören, Ihr zählt Eure Stunden:

Aber die neue Zeit ist da. Ihr saht nicht das Licht durch das feurige Fenster der Erde!


Die Menschen schwitzen blind. Die Dächer rollten auf in Angst und sanken zurück.

Die Fenster troffen dunkel trüb,

[18] Die Häuser blähten löckerig Teigwände.

Menschen, Ihr lagt in den Städten wie gärende Wasserpflanzen,

Der Wind schoß über die Menschen, sie trieben scheppernd nach Geld,

Der Fächer des Himmels, in sieben Gluten, schlug auf, sie rückten die schwarzen Hüte, mit zugewachsnem Aug, angesoffen und dick.

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TextGrid Repository (2012). Rubiner, Ludwig. Gedichte. Das himmlische Licht. Das Licht. Das Licht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9EE8-5