Die Frühen

Die Stimme stieg aus der Erde, sie stieg wie Saft der Erde in Menschengebein.


Aus bebenden Ländern trieben sie hoch wie Blasen aus grünem Sumpf, einzeln und früh. Sie öffneten runde Augen und schauten sich um.


O was sollten sie tun? In ihnen stieg und fiel wie brennendes Blut das Gedächtnis ans selige Licht. Ein Schein glomm aus der Ferne vor ihrer rußigen Geburt.


Sie lachten laut über die elektrischen Bogenlampen, über die Cafés, über die stumpfen genährten Armeen, über die zischelnden Börsenhallen,


Ihre Worte, einzeln und dünn, tropften, ab wie Perlengekicher von den Fenstern der steinernen Parlamente.


[30] O hinauf! Schweben über der satt glucksenden Erde! O aufleuchten feurige Planetenflüge zwischen den gefletschten Zähnen:


O glühendes Blut vom Himmel, das um ihre gekrümmten Körper rollt,


O schwebender Mensch, Feuermensch, Lichtmensch über den Himmel, Kamerad, Bruder, Genosse, fern, über der Erde, vor der Erde! Zu ihm!

Die dunkle Erde wälzt sich über die Augen der ganz Armen.

Sie steigt gebläht vor die Augen der Armen, ein feister schwarzer Ball.

O Dunkelheit, Schatten. Drüben ist das himmlische Licht.

O die Erde wegrollen! Aufreißen die schlammige Erdkugel, Löcher eintreiben, Schächte zum Licht!
Auseinanderballen den Erdklumpen, der feuchte Dunkelheit über die Augen schattet!
Hinein in die Erde, Sturmlauf, Ihr Brüder, an die starre gefräßige Mord-Erde,
O die Erde zersprengen zu Milliarden Staubplaneten in Brand,
Die Erde sprengen mit einem Ruck der göttlichen Hand in alle Höhlungen des schimmernden Himmels:
O Gottes brennender Finger sein, der das Träge winzig zerstäubt,

O leben im himmlischen Licht, Gemeinsamkeit mit dem göttlichen Menschen des Himmels, Bruderschaft, zu ihm, Chorgesang einer hellsteigenden Vielmundstimme durch das Sonnen-Universum!


Erde, was erhebst du deine mächtige Kugel vor dem Bruder des Menschen!


Kommt nun der Kampf? Und der Kamerad des Menschen zerstört deine Finsternis, und du zerplatzest in leuchtende stille Trümmerflocken zum langen gewölbten Himmel?

Aus unreinen Barackenvorstädten schlichen nachts Männer verhüllt durch enge Keller bei Juwelieren ein, unentdeckt.


[31] Männer in Masken sprangen schreiend am Mittag in die Banken, die Kassierer flohen erschreckt.


In Paris wurde die Straßenpolizei aus entschwindenden Autos niedergeschossen.

Im Londoner Hundswinkel belagerten straffe Truppen das ärmliche Haus des Genossen.

(O gekrümmte Whitechapel-Juden, Ihr seid jung, Eure Eltern röchelten mit verdrehten Augen in hundert Pogromen.

Das eiserne Dach über Euch brach auf, wie ein finsterer Synagogenhimmel, der entschwebt; das Licht floß zu Euch.)


Sie lebten nicht weiter, sie wurden verraten, guillotiniert, oder krepierten in den Flammen.


O Städte alt in Süddeutschland, bärtige Schullehrer stiegen entrückt wie assyrische Priester auf den Turm unters Licht, und schossen mit rostigen Flinten das Menschengeschlecht unten zusammen.


Sie ergaben sich nicht. Sie standen im Licht. Sie kämpften bei Dachbrand, in den Kleidern Läuse und Kot.

Sie waren allein. Sie hörten die Brüder nicht schrein. O Lichtmensch im Dunkel. O Krieg, der kam. O Tod!

Augen wollten Licht nicht sehen. Ohren hörten keinen Hall.
Träge Erde war verstoßen, Feindschaft schuf den neuen Ball.
Die Menschenkugel zersprang.
O seht den göttlichen Lichtschein um Euch, dann dauert der Krieg nicht mehr lang!

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TextGrid Repository (2012). Rubiner, Ludwig. Gedichte. Das himmlische Licht. Die Frühen. Die Frühen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9E86-1