Johann Christoph RostDie schöne Nacht[5]
Erhitzter Jüngling, höre du
Mir itzt mit deiner Phillis zu!
Wie? soll mich niemand weiterhören?
Ihr alten Buhler, die, wer Mitleid fühlt, beklagt,
Wenn euch, zum Opfer vor Cytheren,
Die frostige Natur den beßten Dienst versagt,
Auch ihr gebt Acht, denn ich will dichten,
Die Schwachen männlich aufzurichten.
Ihr jungen Weiber horcht, denn euch steht mehr noch frey;
Ihr alten auch, doch seufzet stets dabey,
Daß ihr nicht mehr erfahrt, was ihr, in jungen Jahren
Vielleicht genug, vielleicht auch nicht genug, erfahren.
Ihr schöne Mägdchen, fliehet nicht,
Wenns gleich der Vater sagt und auch die Mutter spricht:
Der Aeltern Neid will nicht, daß ihr den Ursprung wißet,
Wie jeder Mensch aus Lust zur Lust entsprießet,
Hier weis' ich euch der Liebe Werkstadt an;
Verlaßt der kleinen Kinder Wahn.
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Ein Löwenbild ist nie auf euch gesprungen,
Und das gemahlte Meer hat keinen noch verschlungen.
Flieht, wenn ihr fliehen wollt, vor allem, was euch quält,
Doch nicht vor dem, der gäumelnd euch erzählt,
Der Männer Pflicht, der Weiber Freuden,
Was jene tun, was diese leiden.
Die süße Nacht brach ein, auf die, seit langer Zeit,
Sich Catulin geschont, sich Magdalis gefreut,
Die sehnlich oft begehrte Nacht,
Die Mann und Weib und Kinder macht;
In der, Trotz züchtigen und kläglichen Gebehrden,
Die Mägdchen erst entzückt und dann entjungfert werden;
Die Nacht, in der sich, mit der Aeltern Seegen,
Die Töchter zu den Buhlern legen.
Die holde Mutter gab itzt den Gesetzen nach,
Sie leuchtete voran, bis in das Schlafgemach;
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Die letzte Tyranney noch liebreich auszuüben,
Befohl sie ihrer Magdalis,
Die schon mit Sittsamkeit die Kleider von sich schmiß,
Durch Widerspenstigkeit den Mann nicht zu betrüben.
Drauf drückte sie die Schlößer selber ab;
Schloß wünschend noch die Türe zu,
Vor der sie, zu des muntern Paares Ruh,
Durchs Schlüßelloch den letzten Seegen gab;
Und lies, ihr Mütter laßt es euch erbarmen!
Ihr Kind, ihr einziges, in wilden Männer Armen.
Was machte Catulin mit seiner Magdalis?
Zum Weibe macht' er sie; dieß wißt ihr schon gewiß,
Und wenn ich hier nichts mehr zu sagen hätte,
So sagt' ich: Er und Sie, sie legten sich zu Bette.
Allein, er hatte längst die Wohllust ausstudirt;
Aus geiler Zauderey, bey der man nichts verliert,
Wollt er nicht übereilt zum schönsten Werke schreiten,
Nein, erst durch ein verbuhltes Spiel,
Bevor er brünstig auf die schönste Beute fiel,
Sie schöner noch zur Lust bereiten.
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Hier stellet euch ein halb entkleidet Mägdchen vor,
Das mit den Augen schon im Bette sich verlohr,
Den Busen halb entblößt, halb eingeschnürt, verwahrte,
Und schalkhaft, vor die Männerhand,
Der Schnürbrust harten Widerstand
Zu kützelnder Entkleidung sparte.
Hier war, o könnt' es doch geschehn,
Den Anblick noch einmal zu sehn!
Damit ich euch recht abzuschildern wüßte,
Ihr, nur zum Reiz verschnürten Brüste;
Hier war der Becher, voller Lüste,
Gefüllt, wie Evan oft den Freudenbecher häuft,
Der schweppernd voll, dennoch nicht überläuft.
Ein dünnes Röckchen, das den kleinen Bauch umfing,
Um den es mehr zur Lust als zur Bekleidung hing,
Das kaum verbarg, was es bedeckte,
Zugleich verrieth und auch versteckte,
Kurtz: Liebe, Reiz und Recht und Nacht ...
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Worzu wird nicht dadurch ein Catulin gebracht?
Klug und beglückt ist, der es auch so macht!
Itzt küßt er sie, und küßt sie länger,
Als kurz vorher. Ein sanfter Biß
Macht in voraus der schönen Magdalis
Schon alles, was sie wünscht, gewiß.
Itzt wird ihr um den Busen enger;
Itzt macht ihr selbst der Lüste Hoffnung bänger;
Itzt wehrt sie sich; Itzt stellt sie sich auf einmal strenger.
Doch, weil er ihr nicht Zeit zu denken laßen muß,
So gibt er ihr entzündet Kuß auf Kuß;
Und küßend fängt er an, dürft ich die Hand ihm führen!
Den Leib, den schönsten Leib, begierig auszuschnüren.
Nur noch ein Knoten hält den Lauf
Verbuhlter Männer Finger auf,
Ein Knoten, den vielleicht der Mutter List erdachte,
Ein Knoten, den vielleicht der Mutter Neid belachte.
Gewalt war hier der beßte Rath,
Drum riß auch Catulin, klug, wie ein Alexander,
Ich selber thäte, was er that,
Den Senkel gleich entzwei, die Schnürbrust voneinander,
Kurtz, er empfing mit hohler Hand,
Die kützelnd sich gar bald noch tiefer wand,
Den Busen, der sich strotzend theilte,
Und hüpfend ihm entgegen eilte.
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Wie emsig ward die schöne Brust durchwühlt,
Wie geil geküßt, wie oft befühlt,
Wie wild erhitzt, wie sanft geknippen,
Mit hungrig saugenden entbrannten Lippen
Geprüft, bezogen und bekriegt,
Betriumphirt, noch eher, als besiegt.
Itzt sah' ihn Magdalis die eine Hand verschwinden;
Vielleicht das Röckchen aufzubinden?
Noch nicht; Im Augenblicke war,
Zu ihrer größten Lust, der Irrthum offenbar;
Dießmal blieb es unaufgebunden,
Denn, bey dem Bande selbst war seine Hand verschwunden.
Verschwunden! Wie? Ihr Schönen bleibt in Ruh,
Es ging auch hier natürlich zu.
Weg war die Hand, das heißt: sie war nicht mehr zu sehen;
Was im Geheim mit ihr geschehen,
Das sag' ich nicht; doch wenn ihr schärfer fragt,
So merkt: es war, was man viellieber thut, als sagt;
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Was ihr viel lieber fühlt, als davon reden höret,
Was auch die Keuschesten empöret.
Das leichte Röckchen fiel herab,
Und weil er seiner Hand die größte Freyheit gab,
So schmiegte sie sich bald an Brust und Halse fort,
Bald gaukelte sie spielend um den Ort,
Den wir stets in Gedanken meynen;
So oft wir einer Schönen Hand
Aus Ehrfurcht anzurühren scheinen,
Den schönsten Ort, den noch ein Zärtlicher gekannt,
Der Lieb' und Menschheit Vaterland,
Nach welchem wir uns oft in aller Stille sehnen,
Wenn wir die schwehren Glieder dehnen.
Seht, wie der Geile, halbberauscht,
Mit offenem und erhitzten Munde,
An seiner Schönen Busen lauscht.
Gebt Acht! nun ist sie ziemlich nah,
Nun kommt sie gleich, nun ist sie da,
Die mächtige, die große Stunde.
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Itzt reißt sich Magdalis aus seinen Armen los,
Itzt springt sie auf, verläßt den buhlerischen Schoos;
Sie eilt, sie flieht, jedoch nicht zu entfliehn,
Sie eilt, sich länger nicht den Lüsten zu entziehn.
Verschmachtet fällt sie dort aufs weiße Lager nieder;
Er folgt und kömmt und küßt die allerschönsten Glieder.
Betrachtet sie, und küßt sie wieder.
Itzt sinkt er nach; die Schöne zieht ihn hinn.
Wie glücklich wird er nicht bezwungen!
Sie hält den heißen Arm mit Kraft um ihn geschlungen.
Nun spricht die stumme Rednerinn,
Die Wohllust, durch die That: Die Lippen und die Zungen
Hat Liebe hier zum Küßen nur gedungen.
Ihr Mägdchen, horcht! Die Schöne stehnt und ächzt,
Der Jüngling kämpft und schnaubt und lechzt;
Nichts hält ihn auf, er folget nur
Die ihn schon längst geruft, der Stimme der Natur;
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Der Brunst des schäumenden erhitzten Blutes,
Dem Uebermuthe seines Muthes,
Und ...
doch, ihr Schönen wollt, man soll euch alles sagen;
Die mehr noch wissen will,
Die zwinge sich und schweige still,
Sie kann ja doch den Dichter heimlich fragen.
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TextGrid Repository (2012). Rost, Johann Christoph. Gedichte. Die schöne Nacht. Die schöne Nacht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9E6B-1