Christian Reuter
L'Honnete Femme
oder
Die Ehrliche Frau zu Plissine
in einem Lustspiele vorgestellet und aus dem Französischen übersetzet von Hilario

Personen

[2] Personen.

    • Fr. Schlampampe, die ehrliche Frau und Gastwirtin zum Göldnen Maulaffen

    • Clarille und Charlotte, ihre Töchter

    • Edward und Fidele, Schlampampens zwei Hausbursche

    • Melinde, eines Bürgers Tochter in Plißine

    • Cleander, ein Candidatus Juris aus Marburg

    • Ursille, Schlampampens Köchin

    • Laux, ein lustiger Bote aus Hamburg

    • Servillo, ein Weinschenken-Junge

    • Schelmuffsky, Schlampampens ältster Sohn

    • Däfftle, Schlampampens jüngster Sohn

    • Lepsch und Fleck, zwei Hüpeljungen

    • Musander mit etlichen Musikanten
    • [2]

[Widmung]

Denen sämtlichen Herren Studiosis auf der weitberühmten Universität Leipzig, meinen insonders hochgeneigten Gönnern und Patronen.

[3]

[Widmungsschreiben]

S. T.

Allerseits

hochgeneigte

Herren,

wertgeschätzte Gönner etc. etc.


Was sonst Terentius und Plautus hat geschrieben, wird der gelehrten Welt wohl nicht sein unbekannt; was vor Komödien in Frankreich übrigblieben, als Moliere starb, weiß fast das ganze Land. Ja was noch andre mehr, die ich hier nicht will nennen, von solchen Sachen auch der Presse anvertraut; so wird doch jedermann mit gutem Recht bekennen, daß er noch niemals hat die ehrl'che Frau geschaut. Ist die Historie gleich kundbar den und jenen, weil aus französ'scher Sprach dieselbe übersetzt, muß doch der Klügste selbst zum öftern etwas lehnen aus unbekannter Schrift, woran er sich ergötzt. Ich hoffe, man wird mir auch dies nicht übel deuten, daß ich bisweilen wo ein Sprichwort angeführt. – Indessen sei das Spiel hier denen braven Leuten, die man Studenten heißt, gehorsamst dediziert. Sie nehmen's gütig auf und bleiben doch geneiget mir und der ehrl'chen Frau; das bittet zum Beschluß in Untertänigkeit, der sich stets dienstbar zeiget und allezeit verbleibt

Ihr Knecht

Hilarius.

[4]
Der Schauplatz zeigt die Stadt Plißine und im Prospekte ein Wirtshaus.

1. Akt

1. Szene
Scena I
Schlampampe.

SCHLAMPAMPE.

Nun, es gläubet mir's auch kein Mensche, wie ich von meinen Rabenäsern, meinen Mädchen, gequälet werde. Da wollen sie bald dieses und jenes von mir haben. So wahr ich eine ehrliche Frau bin, wenn ich dran gedenke, ich möchte flugs Hörner kriegen; ja, sie tribulieren mich auch, daß es den Göttern im Wolken erbarmen möchte. Man denke doch nur, da wollen sie jetzund wieder neue Kleider von mir haben. Wo soll ich's arme Frau denn endlich noch hernehmen? Kein Verdienst ist groß, und von meinen Studenten im Hause kann ich keinen Heller Stubenzins bekommen. So wahr ich eine ehrliche Frau bin, ich kann's unmöglich länger ausstehn. Ach, wie glückselig muß doch so eine Mutter leben, die gar keine Kinder hat. Ich dächte, wenn ich keine Kinder hätte, ich wollte die geruhigsten Tage auf der Welt haben, allein, was kann ich tun? Der Himmel hat mir sie einmal bescheret, ich muß doch sehen, auf was Art ich sie als eine ehrliche Frau versorge.

2. Szene
Scena II
Charlotte, Clarille und Schlampampe.

CHARLOTTE.
Frau Mutter, Sie sage nur, ob Sie uns keine neue Kleider will machen lassen?
SCHLAMPAMPE.
Ihr Kinder, quält und ängstiget mich doch nicht so. Ihr sehet ja, daß itzo keine Möglichkeit da ist.
CLARILLE.

Frau Mutter, so hole mich flugs der Henker, wo Sie uns keine machen läßt, wenn ich Ihr's nicht gedenken will.

SCHLAMPAMPE.
Du Rabenaas du, hält's Maul, du hörest ja, daß ich itzo kein Geld habe.
[5]
CLARILLE.
Ei, so wollt ich, daß flugs der Donner dreinschlüge, wenn Sie uns keine will machen lassen.
SCHLAMPAMPE
ad Spectat.

Da denke nur ein Mensche, ein Kind seiner Mutter den Donner an Hals zu wünschen! Zu Clarillen. O du Rabenaas, gehe mir geschwinde vor meinen Augen weg.

CLARILLE.
Ja freilich, wenn Sie es sagt!
SCHLAMPAMPE.
Warte du nur, du Hund, du sollst mir den Fluch nicht umsonst getan haben!
CHARLOTTE.
Frau Mutter, es ist auch wahr, man bekommt in Güte auch niemals nichts von Ihr.
SCHLAMPAMPE.
O ihr Hunde! Der Himmel wird euch noch strafen, daß ihr werdet zuletzt müssen betteln gehen.
CHARLOTTE.
Frau Mutter, wenn Sie anfängt, so ist Sie auch manchmal wie ein Narr.
SCHLAMPAMPE.
Man denke doch nur, die Mutter einen Narren zu heißen!
CLARILLE.
Es ist auch wahr, Frau Mutter, warum redet Sie solch albern Zeug.
SCHLAMPAMPE
zu Clarille.
O du Raben-Nickel, dich werden noch die Läuse fressen.
CLARILLE.
Flugs da, wenn Sie es sagt.
SCHLAMPAMPE.
Denke du nur an mich, wenn ich werde lange tot sein, daß ich dieses gesagt habe.
CHARLOTTE.
Frau Mutter, Sie sage nur, ob Sie uns keine neue Kleider will machen lassen.
SCHLAMPAMPE.

Ihr Kinder, quält mich doch nicht so. Ihr braucht sie ja eben so notwendig nicht, geduldet euch doch immer noch ein halb Jahr.

CHARLOTTE.

Frau Mutter, bekomme ich jetzo kein neue Kleid, so heiße Sie mich eine leichtfertige Hure, wenn ich ehe in die Kirche wieder gehen will, bis Sie mir eins geschafft hat. Gehet ab.

[6]
CLARILLE.

Und mich soll flugs der Henker holen, wenn ich einen Tritt will eher aus dem Hause gehen, bis mir der Schneider das Maß zum Kleide genommen. Gebet ab.

SCHLAMPAMPE.

Nun, da denke nur ein Mensche, was das vor Rabenäser sein, die können ihre Mutter recht scheren. Was soll ich tun? So wahr ich eine ehrliche Frau bin, will ich in meinen Hause einen Bissen Brot mit Frieden essen, so muß ich sehen, wie ich's mache, daß ich ihnen welche schaffe. Ja, ich glaube auch nicht, daß eine Mutter unter der Sonnen solchen Verdruß von ihren Kindern ausstehen muß als ich. Was macht's? Die Rabenäser wissen, daß sie ihr gutes Auskommen haben, darum scheren sie sich nicht eine Haare um mich; ich muß nur hingehen und sagen, daß sie welche haben sollen, sonst habe ich keine ruhige Stunde im Hause. Geht ab.

3. Szene
Scena III
Melinde, Edward.

EDWARD.

Mademoiselle, Sie halten mich entschuldiget, diejenige Person, so Ihr dieses hinterbracht, hat mich entweder bei derselben zu verkleinern gesucht oder Sie mit Unwahrheit berichtet.

MELINDE.

Was will's Monsieur aber leugnen? Die Person, so mir solches wieder gesaget, wird's nicht aus ihren kleinen Finger gesogen haben.

EDWARD.
So erweisen Sie mir doch den Gefallen und sagen, wer doch diejenige Person sei.
MELINDE.
Damit Er's doch weiß: es hat mir's eine von seinen Haus-Frauenzimmer gesagt.
EDWARD.
Die Ältste oder die Jüngste?
MELINDE.
Jungfer Charlottchen.
EDWARD.
Das hat sie als keine ehrliche Jungfer geredet.
MELINDE.
Sage Er ihr solches?
[7]
EDWARD.

Wenn sie nur zugegen wäre! Mademoiselle sollte sehen, daß Jungfer Charlotte mir diesfalls unrecht getan.

MELINDE.
Ei, da kömmt sie eben zu rechter Zeit.
4. Szene
Scena IV
Charlotte und die Vorigen.

CHARLOTTE.
Ihre Dienerin, Frauenzimmer.
MELINDE.
Schönen Dank, wie denn so lustig?
CHARLOTTE.
Weiß Sie was Neues?
MELINDE.
Was denn?
CHARLOTTE.

Itzund ist meine Frau Mutter vor ins Gewölbe gegangen und holet mir und meiner Schwester roten Damask zu neuen Kleidern.

MELINDE.
Ich vermeinte, sie hätte euch noch keine wollen machen lassen?
CHARLOTTE.

Sie hatte freilich keine Ohren darzu, alleine wir vermaßen uns bei Teufelholen nicht ehe wieder in die Kirche zu gehen, bis wir neue Kleider hätten.

EDWARD.

Sie setzen doch den Kleiderdiskurs an die Seite, und sage mir Jungfer Charlotte, was ich von diesen Frauenzimmer unlängst zu Ihr Nachteiliges geredet.

CHARLOTTE.
Was will Er denn?
EDWARD.

Sie fragen nur Mademoisellen hier, Weiset auf Melinden. so werden Sie von derselben die beste Nachricht erhalten.

CHARLOTTE.
Ich weiß von nichts.
EDWARD.

Wenn es mit Leugnen ausgerichtet ist; Zu Melinden. Mademoiselle, Sie sagen doch in Gegenwart Jungfer Charlotten hier, was sie mich beschuldiget.

MELINDE.

Daß Er mich soll so durchgenommen haben und viele Klebefleckchen angehänget, da ich Ihn doch die Zeit meines Lebens nichts zuwider getan.

EDWARD.
Von wem hat Sie solches?
[8]
MELINDE.
Hier von Jungfer Charlottchen.
EDWARD.
Jungfer Charlotte, wenn Sie dieses von mir gesaget, so hat Sie solches geredet wie eine Hure.
CHARLOTTE.
Ei, das will ich meiner Frau Mutter sagen, daß Er mich eine Hure geheißen. Läuft behende ab.
MELINDE.
Sie verziehe doch, Jungfer.
EDWARD.
Wenn sie sich gerecht wüßte, der Henker würde sie nicht wegführen.
MELINDE.

Monsieur nehme solches nicht ungütig, daß ich Ihn deswegen zur Rede gesetzt; weil ich aber sehe, daß Er unschuldig, und Charlotte nur solches erdacht, so hege ich deswegen keine Feindschaft gegen Ihn. Allein Charlottens Konversation will ich mich nicht alleine gänzlich entziehen, sondern es soll mich auch kein Mensche vor ein ehrlich Mädchen halten, wenn ich mein Lebetage wieder in ihr Haus kommen will.

EDWARD.

Das können Sie nun halten, wie Sie wollen. Unterdessen rekommendiere ich mich zu dero beharrlichen Affektion.

MELINDE.
Und ich verbleibe Monsieur schuldigste Dienerin.

Gehen an unterschiedenen Orten ab.
5. Szene
Scena V
Cleander, Fidele.

CLEANDER.
Im Göldenen Maulaffen hat der Herr seine Stube?
FIDELE.
Ich weiß nicht anders.
CLEANDER.
Wo solch galant Frauenzimmer sein soll?
FIDELE.

Wenn's nach der Galanterie gehen sollte, so könnten sie mit guten Fug unter fürstlichen Damen gerechnet werden.

CLEANDER.
Wer sind aber ihre Eltern?
FIDELE.

Sie haben nur noch eine einzige Mutter. Ihr Vater hat schon vor etlichen Jahren das Zeitliche gesegnet.

[9]
CLEANDER.
Was ist derselbe gewesen?
FIDELE.
Weiß ich's doch fast selber nicht, er ist, deucht mich, ein Handelsmann gewesen.
CLEANDER.
Womit hat er gehandelt?
FIDELE.
Er hat, halt ich, mit Flintensteinen, item Schwefelhölzerchen und Tobakspfeifen gehandelt.
CLEANDER.
Ich habe mir sagen lassen, es sollen sehr artige Mädchen sein?
FIDELE.
Sie sind nun so, wem sie wohlgefallen.
CLEANDER.
Auf was Art könnte man wohl bei denselben Adresse haben?
FIDELE.
Zu solcher Adresse kann der Herr gar leicht gelangen.
CLEANDER.
Wie aber?
FIDELE.

Er darf nur ein paar Kannen spanischen oder alacanten Wein durch einen Jungen hinschicken und darbei sagen lassen: Es wäre ein guter Freund in einen bewußten Weinkeller ankommen, der hätte von einen Doktor aus Schlesine Kommission an Jungfer Charlotten. (So heißet die eine.) Sobald sie diese Stadt Schlesine wird nennen hören, wird sie Verlangen tragen, mit selbigen bekannt zu werden.

CLEANDER.
Was gebe ich aber dadurch zu verstehen?
FIDELE.

Monsieur höre nur: Es sind ohngefähr vier Jahr, so wollte mein Hausfrauenzimmer, Jungfer Charlottchen, einen Doctor Medicinae haben. Der war gebürtig aus Schlesine, er hatte auch allbereit (ihren Vorgeben nach) das Jawort, bis auf seiner Eltern Konsens, schon von sich gegeben, alleine er wurde schleunigst nach Hause berufen, und wird nun noch täglich dessen Wiederkunft erwartet.

CLEANDER.
Die Invention gehet ganz gut an, allein des Doktors Namen muß ich wissen.
FIDELE.
Sein Name war Feinland.
CLEANDER.
Feinland?
FIDELE.
Ich weiß nicht anders.
CLEANDER.
Aber warum soll ich Wein hinschicken? Sie möchten solches vor eine Affronte aufnehmen.
[10]
FIDELE.
Dafür bin ich gut; sie werden Monsieur solchen nicht wieder zurückschicken.
CLEANDER.
Man siehet, wie es gehet, das Plißinische Frauenzimmer ist bisweilen sehr empfindlich.
FIDELE.

Dafür stehe ich. Monsieur höre nur: Ich war neulicher Zeit auch mit einen guten Freunde in einen bewußten Weinkeller, so schickte derselbe in Regard meiner zwei Kannen von den allerbesten alacanten Weine zu sie, ließ dabei seinen Gehorsam vermelden und auch zugleich sagen, in einer Viertelstunde wollte er zu sie kommen und mit denenselben die Flasche Wein austrinken. Allein wie wir kamen, so war die Flasche leer, und wollte er Bescheid tun, mußte er sie wieder füllen lassen.

CLEANDER.
So ist dasselbe Frauenzimmer so große Liebhaber von Weintrinken?
FIDELE.
Sie haben's von ihrer Frau Mutter gelernet.
CLEANDER.
Trinkt dieselbe ihn auch gerne?
FIDELE.

Ja, der kann man keinen besseren Gefallen erweisen, als wenn man ihr eine Flasche zuweilen schickt. Wenn ich dran gedenke, so muß ich noch herzlich darüber lachen.

CLEANDER.
Worüber?
FIDELE.

Neuerlicher Zeit, so brachte ein guter Freund der Frau Schlampampe eine gute Flasche Wein vors Bette, welchen sie auch mit solchen Appetit verschluckte und sagte: »Herr Damon« (so hieß der gute Freund), »nun, Er ist doch der Beste in ganz Plißine, ich bin Ihn auch von Herzen gut, so wahr ich eine ehrliche Frau bin, Er glaubt mir's nicht, was ich von Ihn halte.« Diese Lobreden währeten, halt ich, acht Tage, so wurde der ehrliche Damon unschuldigerweise in Verdacht gezogen, als sollte er ehrlicher Leute Kinder geschimpft haben, und konnte kein Mensche vor Schlampampens Hause vorbeigehen, den sie nicht aufhielt, und das Leichtfertigste von den rechtschaffenen Damon redete.

CLEANDER.
Erfuhr aber solches Monsieur Damon nicht wieder?
FIDELE.
Er erfuhr es freilich wieder.
[11]
CLEANDER.
Schwieg er aber dazu stille?
FIDELE.

Er ließ ihr durch ihre eigene Köchin sagen, sie sollte der Frau Schlampampe nur melden: Vormals, wie er ihr Fläschchen guten Wein vors Bette gebracht, so hätte es wohl geheißen: Damon ist doch der Beste in Plißine. Da er aber nichts mehr brächte, so redete sie das Schimpflichste von ihn, und wenn sie ihn in Abwesenheit seiner schimpfte, so hielt er sie vor keine ehrliche Frau.

CLEANDER.
Da hat er recht getan, daß er ihr solches hat sagen lassen; es muß eine artige Frau sein.
FIDELE.

Ihres Humors trifft man wohl schwerlich in Plißine an. Es sind ohngefähr drei Jahr, so ging sie im Hause herum und schlug die Hände immer über den Kopfe zusammen und sagte: »Je, daß Gott im hohen Himmel erbarme. Je, daß es den Göttern im Wolken erbarme.« Als ich solches hörete, ging ich eiligst auf sie zu und vermeinte, es wäre etwan ein groß Unglück vorhanden. Wie ich sie nun fragte, was ihr wäre, gab sie zur Antwort: »Er denke doch nur, da haben sie eine Ratte gefangen und haben sie wieder laufen lassen, mein Präzeptor schmeißt mit den Besen nach ihr und schlägt fehl, so läuft sie meiner Charlotte zwischen die Beine durch und kömmt wieder davon.«

CLEANDER.
Ei, da hätte ich mich des Lachens nicht enthalten können. Was sagt Er aber drauf?
FIDELE.

Ich antwortete mit rechter Verwunderung: »Ei, das ist erschrecklich!« Worauf sie wieder antwortete: »So wahr ich eine ehrliche Frau bin, es ist wahr, sie hat mir ein ganz neu seiden Kleid zerfressen.«

CLEANDER.
Ich gestehe es, ich möchte gerne da bekannt sein.
FIDELE.
Wie gesagt, eine Flasche Wein tut viel bei der Sache.
CLEANDER.
Wenn es daran soll gelegen sein, so will ich wohl zwanzig Kannen hinschicken.
FIDELE.
Ich versichere Monsieur, sie lassen ihn nicht matt werden.
[12]
CLEANDER.
Ei, wie wollten sie so viel trinken?
FIDELE.

Monsieur mag mir's glauben oder nicht, die Ältste, Jungfer Charlottchen, kam einsmals auf meine Stube und bat mich, ich möchte ihr doch ein Nössel spanischen Wein holen lassen; ich dachte, du mußt doch sehen, ob sie auch viel trinken kann. Wie das Nössel Wein kam, so währete es kaum ein Augenblick, so war es verschlucket. Ich ließ noch ein Nössel holen, sie machte mit denselben nebst einer Sechspfennig-Semmel auch kurze Arbeit. Ich ließ endlich eine ganze Kanne holen, von welcher auch die Hälfte hineinschlich, aber ganz nicht bezwingen konnte, sondern mich bat, daß ich's selber vollends austrinken mußte. Wie nun dieses Frühstücke verzehret, legten wir uns beide auf mein Bette und hielten Ruhe von früh neun Uhr an bis Nachmittage um fünf Uhr. Alsdenn erwachten wir wieder, und begab sich Jungfer Charlottchen annoch mit halben Tummel wieder von meiner Stube, indem sie wie jene Jungfer sagte: »Gute Nacht, Zeit hat Ehre.«

CLEANDER.
Ei, ei, Monsieur, was redet Er; kann ich doch fast das Ding nicht gläuben.
FIDELE.
Es ist nicht anders, mein Herr.
CLEANDER.
Je, so sauf du und der Teufel.
FIDELE.

Wenn Monsieur solches nicht gläuben will, so will ich Ihn einen Zeugen herführen, der es mit angesehen.

CLEANDER.
Allein, ist das Frauenzimmer auch von großer Einbildung?
FIDELE.

Vormals waren sie noch gut gnug, aber nun sie ein, bißchen steif geworden sein, wollen sie schrecklich hoch hinaus.

CLEANDER.
Sie müssen bei guten Mitteln sein?
FIDELE.
Es hat, deucht mich, eine sechshundert Taler.
CLEANDER.
Nicht mehr?
FIDELE.

Nicht mehr, und von den sechshundert Talern wollen sie künftige Fastnacht fünfhundert nehmen und sich dafür adeln lassen.

[13]
CLEANDER.
Ei, sie werden ja nicht so töricht sein und das tun.
FIDELE.
Ich habe es von unterschiedlichen Leuten gehöret.
CLEANDER.
So werden sie zweifelsfrei Rittersitze haben.
FIDELE.

Auf den Lande ist mir von keinen bewußt, allein sie haben sich einen im Hof hinter den Röhrkasten bauen lassen.

CLEANDER.
Ist das möglich?
FIDELE.

Monsieur darf nur einen von den Zimmerleuten dieser Stadt fragen, so wird derselbe ihn nicht anders berichten.

CLEANDER.
Wie gesagt, ich trage groß Verlangen, in dero Bekanntschaft zu geraten.
FIDELE.
Meine wenige Vorschläge werden Monsieur den Zutritt nicht versagen.
CLEANDER.

Ich bin den Herren dafür obligieret, Er lebe wohl. Und wenn ich da bin gewesen, so will ich Ihn schon von allen Rapport erteilen.

FIDELE.
Ich bin Monsieur sein Diener. Gehen an unterschiedenen Orten ab.
6. Szene
Scena VI
Schlampampe mit einem Pack Damaske in Arme.

SCHLAMPAMPE.

Nun, so wahr ich eine ehrliche Frau bin, das ist vor hundert und zehen Taler Ware. Hätte ich's den Rabenäsern nicht gekauft, so wahr ich eine ehrliche Frau bin, sie hätten mich aus den Hause gejagt, was hätte ich denn wollen anfangen? Ja es glaubt mir's auch kein Mensche, was ich von meinen Kindern ausstehen muß. Was macht's? Wie ich vor gesagt habe: die Rabenäser wissen, daß sie ihr gut Auskommen haben, drum geben sie mir kein gut Wort. Rufet. Köchin.

URSILLE
hinter der Szene.
Frau Schlampampe?
SCHLAMPAMPE.
Komm her.
7. Szene
[14] Scena VII
Ursille kommt heraus.

URSILLE.
Was will Sie denn?
SCHLAMPAMPE.
Wo sind denn die Mädchen?
URSILLE.
Sie sind drin in der Stube, und ich weiß nicht, wer Charlotten muß was getan haben, sie weint.
SCHLAMPAMPE.
Die Rabenäser werden sich gewiß einmal wieder miteinander gezankt haben.
URSILLE.
Nein, sie haben sich nicht gezankt.
SCHLAMPAMPE.
Rufe sie geschwinde her.
URSILLE.
Clärchen auch mit?
SCHLAMPAMPE.
Freilich. Da habe ich nun den Rabenäsern zu neuen Kleidern geholet.
URSILLE.
Ach, ihr Leute! Das ist schön Zeug.
SCHLAMPAMPE.
Es kostet auch genug.
URSILLE.
Was hat Sie denn dafür gegeben?
SCHLAMPAMPE.
Wie du es da siehest, so kostet es hundertundzehn Taler.
URSILLE.
Ach, ihr Leute! So viel?
SCHLAMPAMPE.
Ich dächte, ich hätte bald drüber geweinet, wie ich das schöne Geld ausgeben mußte.
URSILLE.
Es siehet aber überaus schöne. Damask ist es?
SCHLAMPAMPE.
Das siehest du ja. Geh fein geschwind und rufe mir die Mädchen her. Ich muß einen Gang wohin gehen.
URSILLE.
Gleich will ich sie holen, Will gehen. je, da kommen sie schon von sich selbst.
8. Szene
Scena VIII
Clarille fröhlich, Charlotte traurig.

CLARILLE.
Frau Mutter, ist das zu unsern neuen Kleidern?
SCHLAMPAMPE.
Ich dächte, es wär es. Was fehlt denn dir, Charlottchen?
[15]
CHARLOTTE.
Frau Mutter, Sie denke doch nur, Edward hieß mich eine Hure.
SCHLAMPAMPE
schlägt die Hände überm Kopfe zusammen.

Je, daß Gott im hohen Himmel erbarm! Man denke doch nur, ein Mädchen, die ihr gut Auskommen hat und ehrlicher Leute Kind ist, von so einen geringen Kerl eine Hure geheißen zu werden. Wann's doch noch was Rechts getan hätte! Nun gib dich nur zufrieden, Charlottchen, siehe, da will ich dir auch ein schön Kleid machen lassen.

CLARILLE.
Frau Mutter, wie hoch kömmt denn die Elle?
SCHLAMPAMPE.
So wahr ich eine ehrliche Frau bin, es kostet allzusammen hundertundzehn Taler.
CHARLOTTE.
Frau Mutter, Sie leide nur Edwarden nicht länger im Hause, sondern sage ihm die Stube auf.
SCHLAMPAMPE.

Sobald er mich bezahlet hat, soll er fort, und ich will auch gar keinen Studenten mehr in meinen Hause leiden.

CHARLOTTE.
Ist er Ihr denn noch viel schuldig?
SCHLAMPAMPE.

Er ist mir ein ganz halb Jahr Stubenzins schuldig, und anderthalben Taler habe ich ihn böse Geld gegeben, dafür soll er mir gutes zahlen. Wenn ich erstlich dieses habe, so soll er fort.

CLARILLE.
Ich habe dir's aber gesagt, Charlotte, du sollst dich mit den Studenten nicht so gemeine machen.
CHARLOTTE.

Du Narre, was schiert's denn dich, sage ich doch dir nichts, wenn du den Kerlen Bänder sticken lässest und ihnen spendierest.

CLARILLE.

Ach, die kosten noch lange nicht so viel, als wenn ich mich lasse abkonterfeien und mein Bildnis den Studenten verehre.

CHARLOTTE.

O du gute Schwester, sie haben noch keinmal die Bier- und Tobaktische damit abgewischt, als sie mit deinen gestickten Bande getan haben.

CLARILLE.
Charlotte, ich sage dir, halt's Maul, oder wir werden fürwahr nicht Freunde bleiben.
SCHLAMPAMPE.
Haltet die Mäuler, ihr Rabenäser.
[16]
CLARILLE.
Frau Mutter, was schiert Sie es aber?
SCHLAMPAMPE.
Ich will dich scheren, du Aas. Ist das der Dank, daß ich dir lasse ein neue Kleid machen?
CLARILLE.
Meinthalben mag Sie mir eins machen lassen oder nicht.
SCHLAMPAMPE.

Da denke man nur! Ich kriege kein gut Wort noch darzu. Warte du nur, was gilt's, es wird dir noch in die Schuhe schneien.

CLARILLE.
Ei mag's doch.
SCHLAMPAMPE.
Ich bin's zufrieden, aber denke du nur an mich, daß ich dir's gesaget habe.
CHARLOTTE.
Frau Mutter, Sie erzürne sich nur nicht, Clärchen ist nicht wert, daß man ihr einmal antwortet.
CLARILLE.

Charlotte, ich sage dir's, laß mich zufrieden oder ich schmeiße dir, der Henker soll mich, was an den Hals.

SCHLAMPAMPE
zu Charlotten.

Laß den Hund nur zufrieden, Charlottchen, und nimm hier diese Sachen, trage sie hinein, laß den Schneider zu dir kommen, damit er euch das Maß nimmt, ich muß noch einen Gang auf den Markt gehen.

CHARLOTTE.
Kömmt Sie bald wieder, Frau Mutter?
SCHLAMPAMPE.
Ich werde nicht lange außen bleiben. Köchin, kommst du mit mir?
URSILLE.
Wo denn hin, Frau Schlampampe?
SCHLAMPAMPE.
Ob du es weißt oder nicht, komm du nur fort.
URSILLE.
Ich werde folgen. Schlampampe geht mit Urseln ab.
CHARLOTTE.
Sage mir aber, Clärchen, warum du der Frau Mutter so schnippsch antwortest?
CLARILLE.
Charlotte, ich sage noch einmal, laß mich zufrieden oder es wird, der Henker hole mich, nicht gut.
CHARLOTTE.

Ich will dir wohl kein Wort mehr sagen, allein es kommt dir doch nicht zu, daß du der Frau Mutter so antwortest.

[17]
CLARILLE.
Höre doch du, wie hießest du sie denn vorhin?
CHARLOTTE.
Wie hätte ich sie denn geheißen?
CLARILLE.
Hießest du sie vor ein klein Weilchen nicht einen Narren, he?
CHARLOTTE.

Nun schweig nur stille, ich will dich zufrieden lassen, laß du mich auch wieder zufrieden, so bleiben wir gute Freunde, und komm mit herein, damit wir ein wenig nachsinnen, wie unsere schönen Kleider nach der neuesten Mode mögen gemacht werden.

CLARILLE.

Das wird, halt ich, dafür wohl besser sein, als wenn wir hier stehen und werfen einander unsere Fehler für. Gehen ab.

9. Szene
Scena IX
Laux.

LAUX.

Je, bin ich doch so froh, daß ich Plischüne oder wie es heißt einmal habe ins Gesichte bekommen, ja es glaubt's wohl einem kein Mensche, wie sauer es uns armen Boten wird, und der Verdienst ist sehre, sehre schlecht. Ich bin nun in acht Tagen bald ein 50 Meilen gelaufen, daß ich Blasen an den Fußsohlen habe wie Hühnereier groß; und wenn ich ein klein bißchen stark zehre, so ist das Botenlohn, was ich in acht Tagen verdiene, in einen Tage durch die Gurgel gejagt. Ja, wenn die Kräfte nichts wegnehmen! Was hilft's, wir können nicht alle Edelleute sein. Den wäre ich ein vornehmer Mann geworden, so dürfte ich itzunder mein bißchen Brot nicht mit Botschaftlaufen verdienen. Allein ich bin doch zufrieden mit meinen Stande, drum wundert mich's manchmal, daß es Leute gibt, welche ein gut Auskommen haben, so ehrgeizig sein und trefflich hoch hinaus denken. Doch was schiert's dich, Laux, bekümmere dich nicht um andere Leute, sondern siehe zu, wie du deinen Brief bestellest, damit du bald wieder fortkommest. Aber Potzvelten! wer wird mich nun zurechte weisen, in [18] welcher Gasse der Göldne Maulaffe ist? Dort kommen, deucht mich, ein paar Weibser gegangen, ich muß doch hören, ob die mich irgend berichten können.

10. Szene
Scena X
Schlampampe, Ursille, Laux.

SCHLAMPAMPE.
Verliere auch nichts, Köchin.
URSILLE.
Es wird mir ja nicht durch die Schürze fallen.
LAUX.
Glück zu, Ihr Leutchen.
SCHLAMPAMPE.
Großen Dank, nach wem fragt Ihr?
LAUX.
Könnet Ihr mich nicht zurechte weisen, wo der Gasthof zum Göldenen Maulaffen ist?
SCHLAMPAMPE.
Zu wem wollt Ihr denn da?
LAUX.
Da soll ich einen Brief abgeben an die Wirtin.
SCHLAMPAMPE.
Wo kömmt denn der Brief her?
LAUX.
Er kömmt gar weit her.
SCHLAMPAMPE.
Wo ist denn der Brief?
LAUX.
Hier habe ich ihn. Könnet Ihr mich zurechte weisen, so tut's und haltet mich nicht lange auf.
SCHLAMPAMPE.
Gebt her den Brief, er wird wohl mir zukommen.
LAUX.
Seid Ihr denn irgend gar die Frau Wirtin zum Goldenen Maulaffen?
SCHLAMPAMPE.
Freilich bin ich's.
LAUX.
Ich hätte es leicht denken sollen, denn sie wurde mir, wie Ihr sehet, ebenso beschrieben.
SCHLAMPAMPE.
Nun, wo habt Ihr denn den Brief?
LAUX.
Hier ist er, da habt Ihr ihn, Ihr werdet wohl sehen, was drinne stehet. Gibt ihr den Brief.
SCHLAMPAMPE.
Kommt doch mit herein, Ihr seid doch wohl durstig. Ich will Euch lassen was zu trinken geben.
LAUX.
Ihr müßt mich aber nicht lange aufhalten.
URSILLE.
Wo kommt Ihr aber her?
LAUX.
Ich bin ein extraordinärer Bote und komme von Hamburg daran.
[19]
SCHLAMPAMPE.
Ist denn der Brief in Hamburg geschrieben?
LAUX.

Das denk ich, halt ich, wohl nicht, denn wo mir recht ist, so ist dieser Brief gar in Holland oder Engelland geschrieben, denn die Amsterdamer Schiffe haben ihn in den Posthause zu Hamburg abgegeben.

SCHLAMPAMPE.

Geht nur mit in mein Haus, ich will ihn lesen lassen, und wenn es nötig, Euch mit einer Antwort wieder versehen.

LAUX.
Es ist ganz gut, Jungefrau, aber haltet mich nur nicht lange auf.
SCHLAMPAMPE.
Je, seid Ihr nicht ein Kind, warum sollte ich Euch denn aufhalten? Gehen ins Haus.

2. Akt

1. Szene
Scena I
Der Schauplatz zeigt eine Gaststube.
Fidele und Edward sitzen mit etlichen Studenten um einen Tisch herum, schmausen und singen.

Ich lebe recht vergnügt,

und habe schon obsiegt

die Plagen etc.

2. Szene
Scena II
Schlampampe, hernach Fidele.

SCHLAMPAMPE
schläget die Hände über den Kopf zusammen und spricht.
Je, daß Gott im hohen Himmel erbarm! Ich arme Frau, wo soll ich's denn endlich noch hernehmen?
FIDELE.
Warum lamentieret Sie denn so, Frau Schlampampe?
SCHLAMPAMPE.
Er denke doch nur, da ist ein Bote gekommen und bringet einen Brief von meinen Sohne.
[20]
FIDELE.
Der in der Fremde ist?
SCHLAMPAMPE.
Ja freilich.
FIDELE.
Was schreibt er denn Guts?
SCHLAMPAMPE.

Nicht viel Guts, als daß er gefangen sitzt unter französischen Seeräubern, und ich soll ihn noch hundert Taler schicken, daß er könnte wieder loskommen.

FIDELE.
Das ist keine gute Zeitung, Frau Schlampampe.
SCHLAMPAMPE.

Nun, ich möchte auch flugs in die Erde kriechen, wenn ich dran gedenke, wie mich mein Lebetage meine Kinder gequälet haben.

FIDELE.
Ist denn der Bote noch da?
SCHLAMPAMPE.
Freilich ist er noch da.
FIDELE.
Was ist aber zu raten in der Sache?
SCHLAMPAMPE.

Was ist zu raten? Will ich ihn loshaben, so muß ich, so wahr ich eine ehrliche Frau bin, hundert Taler zur Auslösung mitschicken.

FIDELE.
Wie muß er aber in solches Unglück geraten sein?
SCHLAMPAMPE.

Er hat geschrieben: Er hätte wollen Spanien besehen und wäre nebst fünfzig Personen auf der See von denen französischen Kapers genommen worden.

FIDELE.
Das ist ein unverhofftes Unglück.
SCHLAMPAMPE.

Ich arme Frau! Habe ich denn nichts als lauter Angst und Not von meinen Kindern auf der Welt auszustehen?

FIDELE.
Ja, wer kann wider Unglücke?
3. Szene
Scena III
Ursel zu den Vorigen.

URSEL.
Frau Schlampampe, der Bote will gerne wieder fort, er bittet um Abfertigung.
SCHLAMPAMPE.
Sprich, ich käme gleich.
URSEL.
Der Präzeptor wollte auch gerne mit Ihr reden.
FIDELE.

Sie lasse sich nicht abhalten, ich will zu meiner Compagnie wieder gehen. Ihr Diener. Gehet wieder in die Stube zu den andern.

[21]
SCHLAMPAMPE.
Schönen Dank. Wo ist denn der Bote?
URSEL.
Er sitzt bei der Jungfer in der Stube.
SCHLAMPAMPE.
Geh nur fort, daß ich ihn wieder loswerde.

Gehet mit Urseln ab.
Die Studenten fangen hinten wieder an zu singen: Mein Mann lebt Tag und Nacht im Sause etc. Wenn solches zu Ende, wird die Stube bedeckt.
4. Szene
Scena IV
Laux.

LAUX.

Ich werde nun sehen, ob ich den Weg um Hamburg herum bald wieder finden kann. Ich hätte es nicht gedacht, daß ich so lange in Plitzschüne würde aufgehalten werden, doch hätte ich gerne noch ein bißchen da geruhet, wenn ich nicht so einen weiten Weg vor mir hätte. Ich muß gestehen, das Bierchen schmackte wie lauter Zucker und klebete einen recht an den Fingern, so gut war es. Ja, es war auch so ein kräftiger Trunk, daß man's mit Fingern hätte mögen austitschen. Das Quartier gefiel mir auch wohl, und hielten sich auch so ein paar schmucke Dinger bei der Frau Wirtin auf, ob's nun ihre Töchter waren, das kunnte ich nicht erfahren, sie hatten, Gott behüt uns, ein groß Geplustere oder wie man's nennt auf den Kopfe und stunden stets vor den Spiegel und klebten sich immer schwarz Pech oder was es sein müßte auf die Backen und neigten sich immer; ich halte dafür, sie gefielen einander selber wohl. Wenn ich ein junger Studente wäre gewesen, ich hätte doch einer ein Schmätzchen gegeben. So dachte ich zurücke: Laux, es tut dir's wohl ein geringer Hölzchen. Aber bin ich nicht ein Narre, daß ich mich hier vergebens aufhalte, da ich doch nicht eine Handvoll Zeit überlei habe. Nun gute Nacht, Plitschüne, Laux muß sehen, ob er bald Hamburg kann wieder zu sehen bekommen. Gehet ab.

5. Szene
[22] Scena V
Servillo.

SERVILLO
mit einer Flaschen Wein siehet ohngefähr Schlampampens Köchin, winket ihr und spricht.
Pst, pst, junges Mensch. Ursel kömmt.
URSEL.
Was wollet Ihr dann?
SERVILLO.
Wo ist denn Ihre Hausjungfer?
URSEL.
Welche denn?
SERVILLO.
Jungfer Charlottchen.
URSEL.
Was wollet Ihr denn bei ihr?
SERVILLO.
Ich soll was bei ihr ausrichten.
URSEL.
Darf ich's denn nicht wissen?
SERVILLO.
Es ist nichts Geheimes, allein ich soll selbst mit ihr reden.
URSEL.
Wer schickt Euch denn her?
SERVILLO.
Es ist ein guter Freund in unsern Weinkeller, der hat mich an sie abgefertiget.
URSEL.
Verziehet ein wenig, ich will sie herausrufen.
SERVILLO.
Macht nur fein bald, denn ich kann nicht lange abkommen.
URSEL.
Sie soll augenblicks da sein. Geht ab.
SERVILLO.

Es ist wohl verdrießlich hier in Plißine, daß, wenn man wohin geschickt wird, so lange verziehen muß, ehe man einmal vorkömmt. Da soll man den Mägden erstlich alles auf die Nase binden, wenn man bei der Jungfer was zu bestellen hat. Alleine von mir erfähret wohl niemand nichts, was mir verboten ist zu sagen. Ach, ich wollte, daß ich einmal abgefertiget würde, daß ich wieder meine Gäste abwarten könnte.

6. Szene
Scena VI
Schlampampe, Charlotte und Servillo.

SCHLAMPAMPE.
Wer schickt Euch her, Junggeselle?
SERVILLO.
Da soll ich was an Ihre Jungfer Tochter ausrichten.
[23]
CHARLOTTE.
Was wollt Ihr denn bei mir?
SERVILLO.

Es ist ein fremder Herr in unsern Weinkeller, der läßt sich der Jungfer ganz schön befehlen und schickt ihr als ein Unbekannter diese Flasche Wein.

CHARLOTTE.
Wer ist er denn?
SERVILLO.

Ich kenne ihn nicht, er sagte auch, ich sollte darbei vernehmen, wenn's Ihr gelegen wäre, er wollte Ihr auf ein paar Wort aufwarten, denn er hätte, deucht mich, einen Gruß von einem Doktor aus Schlesine an sie.

SCHLAMPAMPE.
Ich denke, Charlotte, dein Doktor kömmt wohl gar wieder.
CHARLOTTE.

Hört, Junggeselle, sprecht zu den Herrn: Ich ließe mich vor die überschickte Flasche Wein schönstens bedanken, und wenn er mir die Ehre gönnen wollte und ein wenig bei mir einsprechen, sollte mir's von Herzen lieb sein.

SCHLAMPAMPE.
Die Flasche will ich Euch durch meine Köchin schon wieder zustellen.
SERVILLO.
Es hat nichts zu sagen. Sie leben unterdessen wohl.
CHARLOTTE.
Richtet es auch fein aus, was ich Euch gesagt.
SERVILLO.
Sie tragen deswegen keine Sorge, ich will es schon machen. Gehet ab.
CHARLOTTE.
Frau Mutter, ich will den Wein kosten, wie er schmeckt.
SCHLAMPAMPE.
Gib her die Flasche, ich will dir's zutrinken.
CHARLOTTE.
Da trinke Sie, Frau Mutter, alleine Sie muß ihn auch nicht alle auf einmal austrinken.
SCHLAMPAMPE.

Du bist doch ein Kind, wo wollte ich denn auf einmal den Wein hinsaufen. Ich bringe dir's, Charlottchen. Setzet an und trinkt.

CHARLOTTE.
Wohl bekomme es Ihr, Frau Mutter.
SCHLAMPAMPE.

Nun, das ist auch ein Weinichen, ich dächte, man könnte ihn nicht besser in der Stadt antreffen. Nun habe ich mich auch ganz daran gelabet.

[24]
CHARLOTTE.
Ich muß ihn doch nun auch versuchen, wie er schmeckt. Charlotte trinkt.
SCHLAMPAMPE.
Trink nicht zu viel, Mädchen; höre auf, du Rabenaas.
CHARLOTTE.
Frau Mutter, das ist ein delikater Wein.
SCHLAMPAMPE.
Gib her, ich muß noch einmal trinken. Trinkt wieder.
7. Szene
Scena VII
Clarille zu den Vorigen.

CLARILLE.
Ihr Leute, was habt ihr denn da Guts? Trinkt's einen doch auch zu?
SCHLAMPAMPE.
Ich dächte, es wäre was Guts.
CLARILLE.
Wo habt ihr denn den Wein bekommen?
CHARLOTTE.
Es hat mir ihn ein galant Büfchen geschickt.
CLARILLE.
Wer ist es denn?
SCHLAMPAMPE.
Ich dächte, er würde Charlotten eine Visite geben.
CLARILLE.
Ihr könnet mir's ja sagen, wer er ist.
CHARLOTTE.
Soll ich dir's sagen und kenne ihn selber nicht?
CLARILLE.
Je, wenn er Wein hergeschickt hat, so wirst du ja wissen, wer es ist.
CHARLOTTE.

Ich weiß bei meiner Seelen nicht, wer es ist; es kam ein Weinschenkenjunge her, der brachte mir die Flasche Wein und sagte, es ließe sich ein unbekannter Freund mich schönstens befehlen, und wenn mir's gelegen wäre, so wollte er mir eine Visite geben.

CLARILLE.

Ich werde das galante Büfchen auch noch zu sehen bekommen, wer weiß, was es vor ein Hungerleider ist, der auf der Gasse die Brotkrümelchen aus dem Schubesacke sucht und den Hunger damit stillt.

CHARLOTTE.
Frau Mutter, Sie denke doch nur, was Clärchen vor ein lose Maul hat.
[25]
SCHLAMPAMPE.
Es verdrüßt sie, daß du Wein hast geschickt bekommen und sie keinen.
CLARILLE.
Ob ich einmal Wein trinke oder nicht, ich achte ihn auch eben so groß nicht.
SCHLAMPAMPE.
Ich dächte, du tätest mir doch einmal Bescheid, wenn ich dir's zubrächte.
CLARILLE.
Warum sollte ich das nicht tun?
SCHLAMPAMPE.
Da trink doch nur einmal.
CLARILLE
trinkt.
Prosit, Charlotte.
CHARLOTTE.
Du, sauf ihn auch nicht alle aus. Ich muß auch noch einmal trinken.
SCHLAMPAMPE.
Mädchen, reut dich der Henker!Reißet Clarillen die Flasche vom Maule.
CLARILLE.
Frau Mutter, Sie gönnet einen auch keinen guten Trunk.
SCHLAMPAMPE.
O du Hund söffst wohl einen Zober voll aus.
8. Szene
Scena VIII
Ursel zu den Vorigen.

URSEL.
Ihr Jungfern, der Schneider ist drinne und will Euch gerne die neuen Kleider anversuchen.
CLARILLE.
Komm, Charlotte, wir wollen hineingehen.
CHARLOTTE.

Warte, ich muß erstlich noch einmal Wein trinken. Frau Mutter, will Sie nicht die Flasche noch einmal herreichen?

SCHLAMPAMPE.
Mädchen, du säufst dich voll.
CHARLOTTE.
Ich dachte vollsaufen.
SCHLAMPAMPE.
Kommt nur herein, wir wollen ihn zusammen vollends austrinken.
CHARLOTTE.
Ich werde der Frau Mutter diesfalls gehorsamen.
CLARILLE.
Und ich den starken Geruche nachgehen.
URSEL.
Und so ein Löffel voll übrig bleibt, wird der Koch auch ein süße Maul machen. Gehen ab.
9. Szene
[26] Scena IX
Cleander.

CLEANDER.

Wie ich vernommen, so hat Monsieur Fidele zuvor die lautere Wahrheit zu mir geredet, und ich glaubte es noch nicht, wenn mir solches nicht ein vornehmer Mann dieser Stadt erzählet, was bisweilen vor Schosen in Goldenen Maulaffen passieren sollen. Ich schickte vor einer halben Stunde eine Flasche Wein hin, so ließen sie sich schönstens bedanken und zugleich sagen, es würde ihnen lieb sein, wenn ich Bekanntschaft bei sie suchte. Nun will ich auch recta hingehen und mich anmelden. Pocht an. Holla?

10. Szene
Scena X
Ursel kömmt heraus.

URSEL.
Was beliebet denn den Herrn?
CLEANDER.
Ist Ihr Frauenzimmer zu Hause?
URSEL.
Was will Er denn bei sie?
CLEANDER.

Ich schickte vor einer halben Stunde eine Flasche Wein zu sie, so ließen sie mir sagen: Ich möchte doch ein wenig zu sie kommen.

URSEL.
Ach, ist Er der Herr, der den Wein hat hergeschickt?
CLEANDER.
Ja, Mädchen, der bin ich.
URSEL.

Ich kann's Ihnen nicht sagen, wie sie Ihn gelobet haben. Die Mutter und die Töchter haben wohl zehnmal des Herrn seine Gesundheit getrunken.

CLEANDER.
Ist das möglich?
URSEL.
Es ist fürwahr wahr.
CLEANDER.
Ich habe dergleichen getan, aber kann man nicht vor sie kommen?
[27]
URSEL.
Der Herr spaziere nur mit mir herein, es wird ihnen recht lieb sein.
CLEANDER.
Gehet voran, junges Mensch, ich will Euch folgen.
URSEL.
Er beliebe nur voran zu spazieren.
CLEANDER.
Ich weiß ja nicht, wo ich zugehen soll.
URSEL.
Nun, so beliebe Er mir zu folgen.
CLEANDER.
Ich folge Euch, und solltet Ihr mich auch gleich in des Frauenzimmers Bette führen.Gehen ab.
11. Szene
Scena XI
Edward, Fidele.

EDWARD.
So hat sie den Herrn Bruder schon die Stube aufgekündiget?
FIDELE.
Wie ich Monsieur Frère berichtet, und ich denke immer, es wird Ihm auch so gehen.
EDWARD.
Wieso denn?
FIDELE.
Sie sagte, sie wollte gar keine Studenten mehr im Hause leiden.
EDWARD.
Was Ursache aber?
FIDELE.

Spricht, was nur in ihren Hause vorginge, das referierten wir andern Leuten, und absonderlich war sie mit mir gar nicht zufrieden.

EDWARD.
Was sagte sie denn zu Ihn?
FIDELE.

Wie ich durchs Haus ging, stund sie in der Küchen und wurde mich gewahr, so rufte sie mich hinein und fing mit diesen Worten an: »Er höre! Ich habe Ihn was zu sagen.« »Was soll's sein«, sagte ich drauf, »Frau Schlampampe?« »Ja«, sagte sie, »ich hätte es nicht in Ihn gedacht, ich habe Ihn noch immer vor den besten gehalten.«

EDWARD.
Was wurde denn endlich daraus?
FIDELE.

Ich wollte nun wissen, was es wäre, kunnte es aber nicht gleich erfahren. Letztlich brach sie mit diesen Worten heraus: »Er ist ein Feiner, Er soll mir immer nachreden, [28] wenn Er zu Leuten kömmt, und ich mag Ihn gar nicht länger im Hause haben«, und sagte mir damit die Stube auf.

EDWARD.
Gedachte sie meiner nicht darbei?
FIDELE.

Allerdings, wie sie mit mir fertig, so fing sie an, von den Herrn Bruder zu reden, und sagte: »Wenn ich Edwarden ansichtig werde, so will ich's Ihn gleichfalls sagen, daß er mir das Haus räumen soll, denn er hat meine Charlotte eine Hure geheißen.« Hat denn der Herr Bruder solches getan?

EDWARD.

Mon frère denke nur, da gehet sie hin und spricht zu Jungfer Melinden hier in der Nachbarschaft, ich hätte von derselben so übel geredet. Das Mädchen kam zu mir und hielt mir solches vor. Ich exkusierte mich so gut als ich kunnte, allein sie glaubte Charlottens Worten mehr als meinen. Es trug sich aber zu, daß Charlotte gelaufen kam und sagte zu Melinden, die Mutter wollte ihr ein neu Kleid machen lassen. Da satzte ich ihr zur Rede, warum sie mich so unschuldigerweise bei Jungfer Melinden angegeben. Charlotte aber wollte nichts davon wissen. So fing ich an und sagte: »Wenn sie mich dieses bei Jungfer Melinden beschuldiget, so hat sie solches geredet als eine Hure.« Darauf lief sie eiligst ins Haus und sagte: »Ei, das will ich meiner Frau Mutter sagen, daß er mich eine Hure geheißen.«

FIDELE.
Wenn ich an des Herrn Bruders Stelle gewesen, ich hätte es selbst nicht anders gemacht.
EDWARD.
So war sie so übel deswegen auf mich zu sprechen?
FIDELE.

Sie trieb es kraß: »Man denke doch«, sagte sie zu allen Leuten, »ein Mädchen, das ihr gut Auskommen hat und vornehmer Leute Kind ist, von so einen gemeinen Kerl eine Hure geheißen zu werden.«

EDWARD.
Warum trieb sie es aber damals nicht so, wie sie eine Kanaille geheißen wurde?
FIDELE.
Die Alte selbst?
EDWARD.

Freilich, es sind ohngefähr vier Jahr, so hatte sie einen Präzeptor, der kam des Abends nach Hause und hatte [29] sich vollgesoffen, ich weiß nicht, worüber sie sich mit ihn zankte, so hieß er sie gar eine Kanaille.

FIDELE.
Und schwieg die ehrliche Frau darzu stille?
EDWARD.
Auf den Morgen ließ er ihr ein Nössel spanischen Wein holen, so war er der Beste wieder im Hause.
FIDELE.

Die Frau Schlampampe scheinet wohl eine ehrliche, aber auch dabei eine sehr dumme Frau zu sein. Aber gedachte sie nichts weiter?

FIDELE.

Ich gab auf alles so eigentlich nicht Achtung. Doch wo mir recht ist, so erwähnete sie auch etwas von Tauben.

EDWARD.
Was denn von Tauben?
FIDELE.
Wie gesagt, ich observierte die Albertäten nicht einmal alle.
EDWARD.

Ach, itzt besinne ich mich, der Handel fällt mir bei, warte nur, ich will dich tauben, du alte Schachtel du. Monsier höre, wenn wir nur einen artigen Possen erdenken könnten, damit die eingebildeten Töchter wichtig prostituieret würden.

FIDELE.

Ich habe mich auf eine artige Invention schon längst besonnen, und wenn das anginge, es sollte wacker was zu lachen setzen.

EDWARD.
Was ist es aber?
FIDELE.
Der Herr Bruder komme ein wenig mit auf meine Stube, ich will's Ihm erzählen.
EDWARD.

Mon frère verziehe nur ein wenig, ich will nur einen Gang wohin gehen, hernach will ich alsobald bei Ihn sein.

FIDELE.
Der Herr Bruder halte sich nicht lange auf, sondern komme bald wieder. Gehet ab.
EDWARD.
In einer Viertelstunde will ich Ihm aufwarten. Gehet ab.

3. Akt

1. Szene
Scena I
Cleander, Charlotte.

CHARLOTTE.
Der Herr Secretarius sei doch so gut und spreche wieder bei uns ein.
CLEANDER.

Mademoiselle sei versichert, wenn ich wider Verhoffen noch heute sollte hierbleiben, so würde ich eine Kühnheit begehen und das Nachtquartier bei Sie aufschlagen.

CHARLOTTE.

Es stehet unser ganzes Haus zu des Herrn Secretarii Diensten. Sie können sich nur, wenn Sie wollen, Ihrer Gelegenheit gebrauchen.

CLEANDER.
Es soll geschehen, unterdessen rekommendiere ich meine Person zu Dero guten Andenken.
CHARLOTTE.

Und ich verbleibe Monsieur gehorsamste Dienerin. Darf ich Sie aber mit einen Gruß an den Herrn Doktor Feinland aus Schlesine beschweren, so würde ich vor solche Mühe höchst obligieret sein.

CLEANDER.
Ganz gerne, Mademoiselle.
CHARLOTTE.
Nun, Sie reisen glücklich. Gehet ab.
CLEANDER.

Und Sie leben fein vergnügt. Ad spectatores. Nun habe ich doch das artige Frauenzimmer zum Goldenen Maulaffen auch kennenlernen, von welcher mir die Leute soviel erzählet. Ich glaube auch nicht, daß es in der Welt törichter und närrischer kann zugehen als in denselben Hause. Wie ich nun hinkam und mein Kompliment gegen sie machte, traten sie alle um mich herum und taten, als wenn sie schon zehn Jahr wären mit mir bekannt gewesen. Die eine fragte gleich, wie hoch die Elle Tuch zu meinen Kleide käme, die andere, ob das Silber auf meiner Weste gut wäre, und lauter solche ungeschickte Reden brachten sie vor. Die Mutter saß am Fenster und schlug sich mit der Hand auf den Leib und sagte: Wer das Fleisch nicht haben will, der ist nicht wert, daß ihn die Raben fressen sollen. [31] Ob sie nun dadurch zu verstehen geben wollte, daß sie wieder Lust zu heiraten hätte, oder ob es ihre Alltagesweise nur so war? Endlich fing Jungfer Charlottchen an, wer ich wäre. So gab ich mich vor einen Secretarium an einen bewußten Hofe aus. Worauf sie anfing: »Das Hoffrauenzimmer hat immer kuriöse Sachen, wie man kann schöner werden. Ich weiß, der Herr Secretarius wird von dergleichen was wissen, Er schreibe mir doch ein Rezept auf.« Ich sagte: »Wenn Sie Feder und Tinte bei der Hand haben, so will ich Ihm schon was aufschreiben, daß Sie vortreffliche klare Haut bekommen sollen.« Sie war geschwinde mit Feder und Tinte parat, da schrieb ich ihr nun was auf. Ich bin gut dafür, wenn sie es gebrauchet, so wird sie in vier Wochen keinen Menschen ähnlich sehen. Wenn ich doch Monsieur Fidelen könnte ansichtig werden, ich müßte ihn doch solches erzählen.

2. Szene
Scena II
Fidele und Cleander.

FIDELE.
Sieh da, Monsieur Cleander, nun wie steht's? Hat Er unser Haus-Frauenzimmer besucht?
CLEANDER.
Ich komme gleich itzo von sie her.
FIDELE.
Nun, wie gefallen sie Ihn?
CLEANDER.
Ich hätte sie mir verständiger eingebildet.
FIDELE.
Sie wollen aber welche mit von den klügsten sein.
CLEANDER.
Narren mögen sie sein, kann man doch kein klug Wort mit sie reden.
FIDELE.

Das sagen andere Leute auch, allein ich habe sie immer defendiert und gesagt, wenn sie groß würden, so würde sich der Verstand schon finden.

CLEANDER.
So, vermeint Er? Sie sollen noch größer werden?
FIDELE.
Ich vermeinte, weil ich noch klein wäre, so könnten sie ja auch nicht gar groß sein.
[32]
CLEANDER.
Er ist mir wohl einer.
FIDELE.
Wenn Monsieur noch einen Tag in Plißine bleibet, so soll es was Artiges zu lachen setzen.
CLEANDER.

Nein, ich muß itzo gleich fort. Hat derselbe was nach Marburg zu bestellen, so will ich's Ihn ausrichten.

FIDELE.
Es wird ja nicht sein Ernst sein, daß Er fort will?
CLEANDER.
Ich habe einen Brief bekommen, drum muß ich schleunigst fort.
FIDELE.
Es würde Ihn nicht gereuen, wenn Er dabliebe.
CLEANDER.
Ein andermal. Ist es was Kuriöses oder Lächerlichs, so bitte mir solches schriftlich zu melden.
FIDELE.
Es soll einen artigen Spaß setzen.
CLEANDER.

Ich gestehe es, ich möchte ihn gerne mit ansehen, allein so läßt sich's vor diesesmal nicht tun. Er lebe wohl, und wenn Ihn sein Weg nach Marburg trägt, so nehme Er das Logier bei mir.

FIDELE.

Es soll geschehen, und sobald der Spaß, welcher itzo unter Händen, wird glücklich abgelaufen sein, so soll Monsieur alles ausführlich mit der Post haben.

CLEANDER.
Es wird mir lieb sein, adieu!
FIDELE.
Serviteur Monsieur glückliche Reise.Gehen an unterschiedenen Orten ab.
3. Szene
Scena III
Schelmuffsky in einen zerrissenen Reiserock.

SCHELMUFFSKY.

Der Tebel hol mer, wie froh bin ich, daß ich Plißine wieder zu sehen bekomme. Ich hätte mir's nicht eingebildet, daß ich so bald aus der Fremde wiederkommen sollte. Es ist mir auf meiner Reise, der Tebel hol mer, sehr unglücklich gegangen: In Schweden brach ich ein Bein, in Holland lag ich vier ganzer Jahr krank, in Engelland hatte ich kein Geld, und als ich wollte nach Spanien segeln, geriet ich den französischen Kaperschiffen in die Hände, allwo ich ein ganz halb Jahr habe müssen gefangen sitzen und auf der [33] harter Erden schlafen. Der Tebel hol mer, wenn mir meine Frau Mutter kein Geld geschickt, ich wäre noch nicht wieder los. Nun will ich auch, der Tebel hol mer, nicht mehr reisen, sondern bei meiner Frau Mutter bleiben und die Zeit, weil ich lebe, mit faulen Tagen zubringen. Siehet sich um. Wo ist denn nun ihr Haus? Kömmt mir doch, der Tebel hol mer, alles so fremde in Plißine vor; doch hier wird es sein, ich sehe es an den Schilde, ich will anpochen und hören, ob sie mich auch kennen werden. Pocht an. Holla! Holla!

4. Szene
Scena IV
Ursille kömmt heraus.

URSILLE.
Was wollt Ihr?
SCHELMUFFSKY.
Glück zu, junges Mensch!
URSILLE.

Helf Euch Gott, ich kann Euch nichts geben, Ihr seid ein junger, starker Flegel, Ihr könnet wohl arbeiten. Gehet wieder hinein.

SCHELMUFFSKY.

Der Tebel hol mer, die Köchin sahe mich gar vor einen Bettler an. Sapperment! Bin ich denn so unkenntbar worden? Ich will es noch einmal versuchen, vielleicht hat sie mich zuvor nicht recht gesehen. Pocht an.

5. Szene
Scena V
Schlampampe kömmt heraus.

SCHLAMPAMPE.

Ihr Leute, wenn man allen wollte geben, es sind ihrer heute wohl hundert schon da gewesen. Ihr müsset zum Almosenherrn gehn.

SCHELMUFFSKY.
Frau Mutter, Sie wird mir ja, der Tebel hol mer, vor keinen Bettler ansehen.
SCHLAMPAMPE.
Je, bist du es, Schelmuffsky?
SCHELMUFFSKY.
Wer wird's denn, der Tebel hol mer, sonst sein?
[34]
SCHLAMPAMPE.

Je, sei mir von Herzen willkommen! Fället Schelmuffsky um den Hals. Wie hat dir's denn gegangen, du lieber Sohn?

SCHELMUFFSKY.
Der Tebel hol mer, Frau Mutter, sehr schlecht.
SCHLAMPAMPE.
Ich habe es wohl gehöret, als mir der Bote den Brief brachte.
SCHELMUFFSKY.
Ja, Frau Mutter, wer kann wider Unglücke.
SCHLAMPAMPE.
Komm doch herein, daß dich die Mädchen auch sehen.
SCHELMUFFSKY.
Ich zweifele, Frau Mutter, ob sie mich kennen werden.
SCHLAMPAMPE.
O schlimm genug!
SCHELMUFFSKY.

Der Tebel hol mer, Frau Mutter, die Köchin sahe mich auch vor einen Bettler an, hieß mich einen starken Flegel, ich könnte wohl arbeiten. Es verdroß mich, der Tebel hol mer, recht sehr.

SCHLAMPAMPE.

So wahr ich eine ehrliche Frau bin, wann du mich nicht angeredet, ich hätte dich gleichfalls vor einen Bettler angesehen.

SCHELMUFFSKY.
Ja, Frau Mutter, auf der Reise ist einen kein gut Kleid nütze.
SCHLAMPAMPE.
Es ist mir doch lieb, daß ich dich nur habe wieder zu sehen bekommen.
SCHELMUFFSKY.
Frau Mutter, was hat Sie denn Guts zum besten?
SCHLAMPAMPE.
Komm nur herein, es wird sich schon was finden.
SCHELMUFFSKY.
Ich werde der Frau Mutter folgen. Gehen ab.

Fleck ruft inwendig: 4. lösch aus. 6. lösch aus. 1. lösch aus. 2. lösch aus. 4. zahl aus. 4. zahl aus. 5. zahl aus. 3. lösch auch fein sauber aus.
6. Szene
[35] Scena VI
Lepsch und Fleck mit Hüpelkörben.

LEPSCH.
Wenn haben sie dich denn wieder herbestellet?
FLECK.
In einer halben Stunde.
LEPSCH.
Was sollst du aber da?
FLECK.
Ich soll noch einen mitbringen, sie wollen uns wozu gebrauchen.
LEPSCH.
Wozu denn?
FLECK.
Ich weiß selber noch nicht. Willst du mitgehen, so kannst du auch acht Gr. verdienen.
LEPSCH.
Wenn ich die verdienen kann, so will ich mich gebrauchen lassen, wozu sie wollen.
FLECK.

Höre, Lepsch, komm nur in einer halben Stunde zu mir; ich will erstlich noch wohin gehen, daß ich meine Hüpelchen vollends los werde.

LEPSCH.
Mich haben sie ganz reine ausgespielet.
FLECK.
Tauften sie dich nicht?
LEPSCH.
Freilich, ich kriegte drei Gr. Patengeld.
FLECK.
Nun, komm nur darnach zu mir, ich muß gehen. Gehet ab.
LEPSCH.
Ich will dich schon abholen. Gehet ab.
7. Szene
Scena VII
Schlampampe, Charlotte, Clarille in roten Damaskenkleidern und hohen Fantanschen. Schelmuffsky und Däfftle.

SCHLAMPAMPE.
Ich dächte, wer nun nicht wollte, der wäre nicht hungrig?
SCHELMUFFSKY.
Der Tebel hol mer, die Kleider lassen recht propre.
CHARLOTTE.
Zum wenigsten, wer mich haben will, muß einer von Adel sein.
[36]
CLARILLE.
Und wer das Jawort von mir holen will, muß führwahr Federn auf den Hute tragen.
CHARLOTTE.
Frau Mutter, nun muß Sie uns auch künftig Kutsche und Pferde halten.
CLARILLE.
Führwahr, Frau Mutter, wenn Sie solches nicht tut, die Leute halten es Ihr vor übel.
SCHLAMPAMPE.
Wartet, bis ihr Männer bekommt, hernach möget ihr euch gar lassen in der Sänfte tragen.
SCHELMUFFSKY.

Der Tebel hol mer, Frau Mutter, hat Sie nun so viel auf die Mädchen gewandt, so kann Sie ihnen ja noch wohl eine elende Kutsche und Pferde halten.

SCHLAMPAMPE.
Ei, du hast mir die Kutsche und Pferde jetzt ausgezogen.
SCHELMUFFSKY.

Was, ausgezogen? Sie darf sich nur, der Tebel hol mer, über mich beschweren. Als wenn Sie es von den Ihrigen gegeben.

SCHLAMPAMPE.
Ich weiß am besten, wo mich der Schuch druckt.
SCHELMUFFSKY.

Der Tebel hol mer, Frau Mutter, Sie ist auch wie Matz ... Sie bimmelt, und treibt Sie keine Not darzu.

SCHLAMPAMPE.
O du lausigter Hund, ich wollte, daß ich dich nur unter den Franzosen hätte verzappeln lassen.
SCHELMUFFSKY.
Ich weiß Ihr's, der Tebel hol mer, keinen Dank, daß Sie es getan hat.
SCHLAMPAMPE.

Je, du Schelm, hättest du solches nicht von mir begehret, es würde wohl nachgeblieben sein. Hundert Taler fallen einen nicht gleich aus den Ärmel.

DÄFFTLE.
Frau Mutter, Sie erzürne sich nur nicht über den Franzmann.
SCHELMUFFSKY.
Du Junge, wenn du dein Maul nicht hältest, so will ich dir ein paar stattliche Ohrfeigen geben.
SCHLAMPAMPE.
Komm nur, hast du ein Herze und schlage mir ihn, ich will dir die Wege weisen.
SCHELMUFFSKY.

Das Herze hätte ich, der Tebel hol mer, auch wohl noch. Ob Sie gleich denkt, Frau Mutter, daß er [37] das Hätschelchen ist und alle Nacht bei Ihr schläft, daß alle Leute davon zu reden wissen.

DÄFFTLE.
Was gehet's denn so einen Kaper an?
SCHELMUFFSKY.

Junge, schweig, sag ich dir, oder, der Tebel hol mer, du kriegst eine, daß dir Hören und Sehn vergehet.

SCHLAMPAMPE.
Melde dich nur an!
DÄFFTLE.
Von so einen verlausigten Franzmanne ließe ich mich wohl gar schlagen.
SCHELMUFFSKY
schlägt ihn hinters Ohr.
Da hast du doch nur eine, du Hundsfott!
SCHLAMPAMPE.

Je, daß es den Göttern in Wolken erbarme, du Schelm, schlag. Ach, hätte ich dich nackigten Lauserum nur in der Fremde sitzen lassen, daß dich die Läuse aufgefressen, so dürfte ich mich doch über dich nicht so ärgern. Komm, Däfftle, wir wollen hingehen und vor den Ofen knien, vielleicht erhören die Götter unser Gebet und befreien uns von den bösen Menschen. Gehet mit Däfftle ab.

SCHELMUFFSKY.
Meinthalben mag sie wohl mit ihn an den Galgen knien.
CLARILLE.

Hättest du nur stille geschwiegen, Schelmuffsky, du weißt ja, wie sie ist; wenn sie Lust zu zanken hat, so macht sie es uns eben nicht anders.

SCHELMUFFSKY.
Was Sapperment gehet's aber den Jungen an?
CHARLOTTE.
Wir haben uns Däfftle wegen mit ihr vielmal bis auf das Schlagen gekiffen.
SCHELMUFFSKY.

Sie darf aber, der Tebel hol mer, nicht denken, daß der Junge meinesgleichen ist. Er mag auch erstlich in die Welt wandern und sich ein Jahr oder etliche den rauhen Wind lassen unter die Nase gehen, wie ich getan habe, darnach soll er reden.

8. Szene
[38] Scena VIII
Ursille.

URSILLE.
Ihr Kinder, der Tisch ist gedeckt, Ihr sollet hineinkommen, ehe das Essen kalt wird.
CHARLOTTE.
Wo speisen wir denn?
URSILLE.
Hinten in der großen Stube.
CLARILLE.
Komm, Bruder, wir wollen essen.
SCHELMUFFSKY.
Ich mag, der Tebel hol mer, nicht essen.
URSILLE.

Warum denn nicht? Und ich habe Seintwegen einen schönen Karpfen sieden müssen. Was würde denn die Frau Mutter sagen?

SCHELMUFFSKY.
Wo ist denn die Frau Mutter?
URSILLE.
Sie sitzt schon am Tische und wartet auf Sie.
CLARILLE.
Komm nur fort, Schelmuffsky, sie ist schon wieder gut.
SCHELMUFFSKY.
Ich kann, der Tebel hol mer, leichte mitgehen. Gehen hinein.
9. Szene
Scena IX
Fidele, Edward tragen schöne Kleider in Händen, Lepsch und Fleck mit Hüpelkörben.

FIDELE.

Setzet eure Hüpelkörbe nur so lange hier auf die Seite, es soll euch nichts davonkommen, und ziehet eiligst diese Kleider an.

FLECK.
Vor was soll ich mich ausgeben?
EDWARD.
Vor einen Edelmann, der viel Rittersitze hat.
LEPSCH.
Und ich soll ein Baron sein?
FIDELE.
Ja, ein Baron.
LEPSCH.
Woher aber?
FIDELE.
Von Hüpelshausen.
FLECK.
Und ich ein Edelmann?
EDWARD.
Ja, ein Edelmann.
FLECK.
Wie soll ich mich aber nennen?
[39]
EDWARD.
Auf Schreib an und Lösch aus.
FLECK.
Und sollen den Frauenzimmern im Göldnen Maulaffen eine Visumpe geben?
EDWARD.
Eine Visite heißt es, dummer Junge.
FLECK.
Nu, nu, ich will's schon machen.
LEPSCH.
Wenn sie uns aber kein Quartier geben wollen?
FIDELE.
Dafür trage keine Sorge, sie werden euch noch darzu auf das delikateste traktieren.
FLECK.
Sie mögen uns was geben oder nicht, ich habe indem schon gegessen.
LEPSCH.
Aber dürfte es zuletzt auch wohl ein bißchen Schläge setzen?
FLECK.
Du Narr, sie werden ja vornehme Herren nicht mit Schlägen traktieren.
FIDELE.
Lasset euch dafür nur nicht leid sein, ihr werdet auf das beste akkommodieret werden.
LEPSCH.

Wenn sie uns nur nicht taufen. Ich frage zwar auch nichts darnach, es wäre aber schade, wenn die schönen Kleider sollten naß werden.

FLECK.
Sie werden uns ja nicht kennen, daß wir Hüpeljungen sein?
FIDELE.
Sie kennen euch in Wahrheit nicht, macht nur fort, daß ihr euch vollends anziehet.
LEPSCH.
Ich bin gleich fertig.
FLECK.
Und ich darf nur noch den Degen anhängen, so stehet der völlige Edelmann da.
FIDELE.

Nun kommt nur herein, damit wir's euch ein wenig weisen, wie ihr eure Komplimenten sollet vorbringen. Gehet mit Edwarden ab.

LEPSCH.
Der Junker von Schreib an und Lösch aus beliebe zu folgen.
FLECK.
Ich werde den Herrn Baron von Hüpelshausen nicht vorgehen.
FIDELE
kömmt wieder zurücke und spricht.
Scheret euch fort, ihr Bärnhäuter.
LEPSCH.
Wir werden gehorsamen. Gehen ab.
10. Szene
[40] Scena X
Der Prospekt zeiget Schlampampens Speisestube, und sitzen um den Tisch herum Schlampampe, Schelmuffsky, Clarille, Charlotte und Däfftle. Ursille wartet vor den Tische auf.

SCHLAMPAMPE.

So wahr ich eine ehrliche Frau bin, hat mir doch neulicherzeit nichts so gut geschmeckt als dieser Karpfen.

CHARLOTTE.
Gibt's denn in Holland auch viel Fische?
SCHELMUFFSKY.
Der Tebel hol mer, da gibt's Fische wie große Kälber und haben Ellen dicke Fett auf den Rücken.
URSILLE.
Ihr Leute, müssen das nicht Fische sein!
SCHELMUFFSKY.

In Engelland habe ich mir vor einen Jahre einen Karpfen sieden lassen, der war wie ein klein Kind groß und hatte über zwölf Kannen Fett.

CHARLOTTE.
Müssen die Leute da nicht Fische essen?
SCHELMUFFSKY.

Wie wir zu Schiffe gingen, da nahmen wir über zwanzig Zentner geräucherte Hechtzungen mit, die schmeckten, der Tebel hol mer, auch so delikat.

URSILLE.
Wie werden denn die zugericht?
SCHELMUFFSKY.
Mit Bomolie werden sie zugericht, und das ist ein galant Fressen.
DÄFFTLE.
Frau Mutter, hat doch der Franzmann auch schon vergessen, was auf deutsch Baumöl heißt?
SCHELMUFFSKY.
Schweig, Junge, sage ich dir.
URSILLE.
Was machten sie aber mit so viel Zungen?
SCHELMUFFSKY.
Wie wir gefangen wurden, nahmen die französischen Kaper sie uns alle weg.
CLARILLE.
Was sind aber das vor Leute, die Kapers?
SCHELMUFFSKY.
Es sind Seeräuber. Wo sie nur ein Schiff können übermannen, da fallen sie ein.
URSILLE.
Haben Ihn denn solche Leute auch gefangen genommen?
SCHELMUFFSKY.
Wie andere.
URSILLE.
Ach ihr Leute! Muß es Ihn nicht sein angst gewesen?
[41]
SCHELMUFFSKY.

Mir? Der Tebel hol mer, nicht. Wenn sie sich nur alle so gewehret, wie ich getan habe, wir hätten die Viktorie erhalten.

CLARILLE.
Stellten sie sich denn auch zur Wehre?
SCHELMUFFSKY.

Ja freilich mußten wir uns wehren. Wie das Kaperschiff kam, fing ich an: »Ihr Herrn, der Tebel hol mer, es ist Feind da.« Ich lief geschwinde unten ins Schiff und machte Anstalt, daß die Stücken parat gehalten wurden. Allein der Feind kam uns geschwinde auf den Hals, daß wir uns nach wenigen Gefechte mußten gefangen geben, jedoch kann ich ohne Ruhm sagen, daß dreißig Franzosen von mir sind blessieret worden.

DÄFFTLE.
Ja ich weiß, daß du dich wohl brav wirst gewehret haben, wenn man deine Courage nicht wüßte.
SCHELMUFFSKY.
Junge, ich sage halt's Maul, oder ich schmeiß dir, der Tebel hol mer, den Teller am Kopf.
DÄFFTLE.
Ich werde ja auch irgendein Wort Macht zu reden haben!
SCHLAMPAMPE.
Ach schweig stille, Däfftle, hörst du nicht, was er vor Taten getan hat?
CLARILLE.
Sind denn die Schiffe auch groß auf der See?
SCHELMUFFSKY.
Der Tebel hol mer, in Holland gibt's Schiffe, da eins wie halb Plißine groß ist.
URSILLE.
Ach ihr Leute, so groß?
CHARLOTTE.
Gehen aber auch bisweilen solche Schiffe unter?
SCHELMUFFSKY.

Ich war einmal auf so einem großen Lastschiffe, da wollten wir mit nach Ostindien gehen, allein es kam ein Sturm, der schmiß die Wellen häuserhoch über unser Schiff, und endlich kam es an eine Klippe, so ging es in tausend Stücken.

URSILLE.
Ich dächte, so wäre ja alles ersoffen.
SCHELMUFFSKY.
Es waren auf 40000 Seelen auf den Schiffe, da kamen nicht mehr davon als unser zwei.
CLARILLE.
Wie kamet ihr aber davon?
SCHELMUFFSKY.
Wir hatten ein Brett, darauf mußten wir über 100 Meilen schwimmen, ehe wir ans Land kamen.
[42]
DÄFFTLE
zur Mutter heimlich.

Frau Mutter, es sind lauter Lügen, was er erzählet, ich glaube, daß er niemals ein Schiff gesehen hat. Es wird inwendig angeklopft.

SCHLAMPAMPE.
Ursel, mich deucht, es pocht jemand. Sieh doch zu, wer da ist. Ursel gehet ab.
CHARLOTTE.
So ist's gut, wenn man Bretter auf den Schiffe hat?
SCHELMUFFSKY.
Ein einziges Brett hat einmal unser fünfzig beim Leben erhalten.
DÄFFTLE.
Ich dächte doch, das wäre eine Lügen.
SCHELMUFFSKY.
Redest du wieder, Junge? Du willst gewiß noch eine Presche haben. Ursel kömmt wieder.
SCHLAMPAMPE.
Wer war da, Köchin?
URSEL.

Sie denke doch, Frau Schlampampe, es sind ein paar fremde Stutzer draußen und lassen fragen, ob sie könnten Quartier haben.

CHARLOTTE.
Gehen sie galant?
URSEL.

Überaus galant. Der eine hat ein ganz verschameriert Kleid an und der andere einen großen Federbusch auf dem Hute.

SCHLAMPAMPE.
Ich denke, es sind wohl gar Freier?
CLARILLE.
Frau Mutter, Sie lasse sie doch hereinkommen.
SCHLAMPAMPE.

Sprich, wenn sie mit einen schlechten Quartier wollten verliebnehmen, so stünde es zu ihren Diensten. Ursel gehet ab.

CHARLOTTE.
Frau Mutter, das ist gut, daß wir noch angeputzt sein.
CLARILLE.
Wer müssen sie aber sein?
CHARLOTTE.
Da kommen sie.
11. Szene
Scena XI
Lepsch und Fleck in schöner Kleidung.

FLECK
zu Schlampampen.
Sie verzeihe uns, meine Frau, daß wir als ein paar Unbekannte das Quartier bei Sie nehmen.
[43]
SCHLAMPAMPE.

Sie haben es gute Macht, die Herren brauchen Ihre Gelegenheit, beliebet Sie mit zu speisen, setzen Sie sich her, wiewohl zwar wenig wird zum Besten noch da sein.

LEPSCH.
Es ist nicht lange, daß wir gespeiset.
SCHLAMPAMPE.
Sie belieben sich doch immer zu uns herzusetzen.
LEPSCH.
Wir wollen uns wohl zu Sie setzen, aber den Essen werden wir nicht viel tun.
SCHLAMPAMPE.
Kommen Sie denn gleich itzo von der Reise?
LEPSCH.

Ja, wir sind vor den nächsten Tore abgestiegen, es werden unsere Kutschen und Pferde gleich nachkommen.

SCHLAMPAMPE.
Sie verzeihen mir, die Herren, daß ich frage, wo sein Sie her?
LEPSCH.
Ich bin der Baron von Hüpelshausen.
FLECK.
Und ich der Junker auf Schreib an und Lösch aus.
CHARLOTTE.
Der Herr Baron beliebe sich doch an meine Seite zu setzen.
LEPSCH.

Woferne meine Person derselben nicht wird zuwider sein, will ich Dero Befehl gehorsamen. Setzet sich zu Charlottchen.

CLARILLE.

Monsieur setze sich doch auch nieder. Ich wollte wohl sagen, Er sollte den Platz an meiner Seite nehmen. So zweifle ich, ob ich das Glück würde haben können.

FLECK.
Das wird vor Sie ein schlecht Glücke sein.
CLARILLE.
Sie setzen sich doch immer zu mir?
FLECK.
Nach Dero Belieben. Setzet sich zu Clarillen.
LEPSCH.
Nun, wie lebet denn das plißinische Frauenzimmer?
CHARLOTTE.

Wie einfältige Mädchen pflegen. Wir kommen nicht groß aus, und was Rechtes kommt nicht zu uns, und mit gemeinen Kerln zu konversieren stehet uns auch nicht an.

SCHLAMPAMPE.
Lege doch den Herrn Baron was vor, vielleicht ist er hungrig.
[44]
LEPSCH.
Ich sage Dank, nicht ein Bissen.
CLARILLE
zu Flecken.
Beliebet Monsieur, so will ich Sie was vorlegen.
FLECK.
Ich könnte nicht einen Bissen mehr essen, so satt bin ich.
SCHLAMPAMPE.
Was bringen Sie uns denn Neues mit?
FLECK.
Wir wissen von nichts.
SCHELMUFFSKY.
In Engelland und Holland hat man, der Tebel hol mer, alle Tage was Neues.
LEPSCH.
Ist der Herr ein Engelländer?
SCHELMUFFSKY.
Nein, ich bin nur da gewesen.
FLECK.
Sie werden der Herr Sohn sein.
SCHELMUFFSKY.
Ich weiß nicht anders, in Holland, in Schweden bin ich auch gewesen.
LEPSCH.
Ich hätte nicht vermeint, daß ich solch artig Frauenzimmer in Plißine antreffen sollte.
CHARLOTTE.
Monsieur, Sie schrauben doch Ihre Dienerin nicht so.
SCHELMUFFSKY.
In Engelland, da gibt's, der Tebel hol mer, schöne und galante Mädchens.
FLECK.
Wer tadelt aber die plißinischen?
SCHELMUFFSKY.
Ich tadele sie nicht, allein sie sind, der Tebel hol mer, weit schöner in Engelland.
SCHLAMPAMPE.
So belieben Sie gar nicht zu essen?
LEPSCH.

Nicht einen Bissen, und wenn Sie nicht mehr belieben, können Sie nur den Tisch lassen wieder abräumen.

SCHLAMPAMPE.
Weil Sie uns gar verachten, so will ich's lassen wieder aufheben.
FLECK.
Das können Sie tun.
SCHLAMPAMPE.
Köchin.
URSILLE.
Frau Schlampampe?
SCHLAMPAMPE.
Räume wieder ab. Die Köchin räumt den Tisch ab.
FLECK.
Womit vertreibt denn das Frauenzimmer nach Tische die Zeit?
CLARILLE.

Mit allerhand Ergötzlichkeiten. Bisweilen gehen [45] wir spazieren, bisweilen singen wir eins, bisweilen lesen wir ein lustig Romän, bisweilen tanzen wir auch eins.

LEPSCH.
Sein Sie Liebhaber von Tanzen?
CHARLOTTE.

Ich tanze überaus gerne, und wenn itzund Musikanten da wären, ich erkühnete mich gleich, mit den Herrn Baron eins zu tanzen.

FLECK.
Kann man keine nicht bekommen?
CLARILLE.
Ach ja, es wohnen allernächst hier welche in der Gasse.
FLECK.
Könnte man einen Boten haben?
CLARILLE.
Ach ja, Frau Mutter, Sie lasse doch die Köchin hingehen.
SCHLAMPAMPE.
Köchin!
URSILLE.
Frau Schlampampe?
SCHLAMPAMPE.
Geschwinde, hole die Musikanten her.
URSILLE.
Ach ihr Leute! Sie wollen gewiß tanzen.
CLARILLE.
Köchin, gehet fein geschwinde.
SCHELMUFFSKY.

In Engelland tanzen sie galant. Der Tebel hol mer, die Mädchen setzen die Füße so artig, daß es ein Geschicke hat.

FLECK.
Ich halte dafür, das plißinische Frauenzimmer wird es auch wohl gelernet haben.
CHARLOTTE.
Das plißinische Frauenzimmer ist ganz ungeschickt darzu.
LEPSCH.
Das beliebet Sie nur so zu reden.
CHARLOTTE.
Sie werden es nicht anders befinden.
CLARILLE.
Dort kommen die Musikanten.
FLECK.
Immer herein, Ihr Herren.
12. Szene
Scena XII
Musander mit etlichen Musikanten, sie stehen von Tische auf.

LEPSCH.
Nun hallo, macht eins von den allerbesten auf!
MUSANDER.
Belieben Ihre Gnaden eine Boure, eine Menuett oder einen teutschen Tanz?
[46]
LEPSCH.
Macht nur erstlich einen teutschen Tanz, die andern werden sich hernach schon geben.

Die Musikanten spielen auf. Lepsch nimmt Charlotten, Fleck Clarillen, Schelmuffsky die Mutter und tanzen. Nachdem sie eine Weile getanzet, kömmt Fidele und Edward, fangen abscheulich an zu lachen, worauf sie mit den Geigen aufhören.
13. Szene
Scena XIII
Fidele, Edward.

CHARLOTTE.
Was soll denn das Lachen bedeuten?

Fidele, Edward lachen noch mehr.
CHARLOTTE.
Herr Baron, er weise doch solchen geringen Kerlen nur die Wege.
CLARILLE.
Was soll aber das Auslachen heißen?
SCHLAMPAMPE.
Wer weiß, was die Vögel einmal wieder haben angestiftet.
FIDELE.
Sollen wir auch mit tanzen?
CHARLOTTE.
Man nehm sich die Müh und machte sich mit solchen Kerln so gemeine.
EDWARD.
Ich höre wohl, so sind die Hüpeljungen bei Sie noch vornehmer als wir.
CLARILLE.
Ich dachte Hüpelnarren.
CHARLOTTE.
Ihr Herren, gehet Ihr nur zu Euresgleichen und lasset uns unsere Lust hier ungestöret.
FIDELE.

Wenn ich aber nun wollte vornehme Frauenzimmer sein, wofür Ihr Euch ausgebet, so hielte ich mich auch zu was Rechts.

CHARLOTTE.
Ist denn der Herr Baron hier nichts Rechts?
CLARILLE.
Ist dann ein Edelmann was Gemeines?
FIDELE.

Es hat sich was zu Baronen und zu Edelmannen da. Runter mit den Kleidern, ihr Jungen, und lachet sie wacker aus.

[47]
LEPSCH.
Lasset sie uns immer noch ein bißchen an, ich will erstlich noch einmal tanzen.
EDWARD.
Fort, ausgezogen, damit sie sehen, daß ihr Hüpeljungen seid. Fleck und Lepsch ziehn sich aus.
SCHLAMPAMPE.

Könnte man's doch törichter und närrischer ersinnen? Man denke doch nur, Hüpeljungen vor was Rechts auszukleiden und ehrlicher Leute Kinder damit zu beschimpfen. Die Hüpeljungen lachen sie aus.

SCHELMUFFSKY.

Der Tebel hol mer, ihr Bärenhäuter, lasset das Lachen bleiben, oder ich werde euch was anders weisen.

LEPSCH.

Je, nicht doch, seid Ihr auch acht Tage in Engelland gewesen und könnt die Muttersprache nicht recht mehr fluchen?

SCHELMUFFSKY.
Halt's Maul, Junge.
LEPSCH.
Vor Euch irgend, Ihr seid der Kerl nicht darnach.
SCHLAMPAMPE.

Damit Ihr's wißt, Ihr Herrn, räumt mir mein Haus und bezahlt mich, denn ich mag Euch gar nicht länger drinne leiden.

FIDELE.
Wenn die Zeit um ist, kann dazu Rat werden.
CHARLOTTE.
Was haben Sie aber nun davon, daß Sie uns diesen Possen bewiesen?
FIDELE.

Hört, Frauenzimmer, hieltet Ihr Euch Euren Stande gemäß, wäret von keiner Einbildung und ließet ehrliche Bursche ungetadelt, jedermann würde Euch aufs höflichste begegnen.

EDWARD.
Der verfluchte Hochmut wird Euch noch in das äußerste Verderben stürzen.
SCHLAMPAMPE.
Wem tun sie aber was? Sind sie denn nicht ehrlicher Leute Kinder und haben ihr gut Auskommen?
EDWARD.
Das tut alles nichts zur Sache.
SCHLAMPAMPE.
Wie sollen sie sich aber anders aufführen?
EDWARD.
Sie können nur Ihre eigene Freunde fragen, dieselben werden's mir recht geben.
[48]
SCHLAMPAMPE.

So wahr ich eine ehrliche Frau bin, ich wüßte auch nicht, wie sie sich besser in Kleidung halten sollten.

FIDELE.

Da sitzt eben der größte Knoten. Darum hält's ihnen auch jedermann vor Übel, daß sie sich über ihren Stand halten und große Narrenhauben auf den Köpfen tragen; es kommt ihnen doch nicht zu.

SCHLAMPAMPE.

Es gibt ihnen niemand nichts darzu, drüm könnt Ihr sie nur ein andermal zufrieden lassen und nicht so beschimpfen, wie Ihr itzt getan habt.

MUSANDER.
Wir werden doch hier nichts mehr nütze sein, können wir nicht unsere Abfertigung bekommen?
SCHLAMPAMPE.
Ihr möget sehen, wo Ihr bezahlet werdet, ich gebe Euch nichts.
FIDELE
zu Musandern.
Der Herr muß sich an den Herrn Baron halten.
LEPSCH.
Ei, da würde er feine Pfennige bekommen.
MUSANDER.
Ei, man muß ehrliche Leute nicht vexieren.
FIDELE.

Da hat der Herr einen Dukaten, und wann ich Ihn mit Seinen Leuten werde wieder vonnöten haben, wird Er mir schon wieder aufwarten.

MUSANDER.

Sie schicken zu mir, wenn Sie wollen, so bin ich parat. Unterdessen leben Sie wohl.Gehet mit seinen Leuten ab.

FIDELE.
Großen Dank.
SCHLAMPAMPE.

Ich sage es den Herrn hiermit noch einmal, Sie bezahlen mich und räumen mein Haus, denn ich mag gar keine Studenten mehr bei mir leiden.

EDWARD.
Es soll ehster Tage geschehen.

Beschluß

SCHLAMPAMPE.
Hat mich das Unglück denn behänget mit Studenten,
daß ich nichts als Verdruß von ihnen muß ausstehn?
EDWARD.
Sie weiß, Studenten sind bisweilen lose Enten,
wenn's ihnen nicht will recht nach ihren Köpfen gehn.

Notes
Erstdruck: anonym als angebliche Übersetzung aus dem Französischen, Plißine [d.i. Leipzig, 1695]. Uraufführung am 24.10.1937, Stadttheater, Halle.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Reuter, Christian. L'Honnête Femme oder die Ehrliche Frau zu Plißine. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8D67-1