Christian Reuter
Lamaladie & Lamort de L'Honnete Femme
Das ist:
Der ehrlichen Frau Schlampampe Krankheit und Tod
In einem Lust- und Trauer- spiele vorgestellet und aus dem Französischen in das Teutsche übergesetzt von Schelmuffsky Reise-Gefährten

Personen

[52] Personen.

    • Schlampampe, die ehrliche Frau

    • Charlotte,
    • Clarille, ihre zwei Töchter

    • Camille, der Schlampampe Gevatterin

    • Schelmuffsky,
    • Däfftle, Schlampampe zwei Söhne

    • Schnürtzchen, Schlampampe Jungemagd

    • Fidele,
    • Edward, Schlampampe gewesene Hausbursche

    • Cleander, ein Candidatus Juris aus Marburg

    • Cratippo, ein Medicus

    • Lerius, ein Notarius

    • Lysander, Däfftle sein Informator

    • Holla, ein Leichenbitter

    • Purpe, des Totengräbers Söhnichen

    • Lorentz, Schlampampe lustiger Hausknecht
    • [52]

1. Akt

1. Szene
Scena I
Der Schauplatz präsentieret die Stadt Plißine.
Schlampampe, Camille.

SCHLAMPAMPE.

Nun, Sie gläubt mir's auch nicht, Frau Gevatterin, wie ich so froh bin, daß ich keine Studenten mehr in meinem Hause habe.

CAMILLE.

Sage Sie mir doch, Frau Gevatterin, was es mit den Hüpeljungen gewesen ist. Ich habe es noch keinmal recht erfahren können.

SCHLAMPAMPE.

Sie gedenke doch nur, Frau Gevatterin, was die beiden losen Vögel Edward und Fidele vor Händel vorgenommen haben. Da kriegen sie ein paar Hüpeljungen und ziehen ihnen verschammerierte Kleider an, schicken sie in unser Haus eben den Tag, als mein Sohn Schelmuffsky aus der Fremde wiederkommen war. Wie wir nun über den Tische saßen und speiseten, so pochten sie draußen an. Wie meine Köchin zusiehet, wer da ist, sprechen die leichtfertigen Schelme, sie wären reisende Personen und ob sie nicht könnten Quartier bei mir haben. Meine Köchin, die kam mit großen Freuden wieder in die Stube hineingelaufen und sagte, es wären ein paar fremde Stutzer da, die ließen bitten, ob sie nicht könnten einen Abtritt bei mir nehmen. Nun, dachte ich, du kannst auch reisenden Leuten das Quartier nicht versagen, dieweil dein Haus ohndem ein Wirtshaus ist. Damit kamen sie nun anmarschieret und brachten ihre Worte sehr höflich für; der eine gab sich vor einen Baron aus und der andere vor ein Edelmann.

CAMILLE.

Ich würde aber nun zum Henker gesehn haben, was ein Baron und Edelmann wäre oder was Hüpeljungen wären.

SCHLAMPAMPE.
Je, herze Frau Gevatterin, wer wird sich denn flugs darauf besinnen.
[53]
CAMILLE.
Nun, wie lief es denn weiter?
SCHLAMPAMPE.

Als wir nun vermeinten, sie wären was rechts, so bate ich sie, daß sie mit uns speisen sollten und verlieb nehmen. Sie entschuldigten sich aber und sagten, sie hätten kein Hunger; allein den Gefallen wollten sie uns wohl erweisen und Gesellschaft mit an dem Tische leisten.

CAMILLE.
So satzten sie sich gleichwohl mit an Ihren Tisch?
SCHLAMPAMPE.

Freilich, und fragten allerhand, was das Frauenzimmer Guts in Plißine machte, und redeten von diesen und jenen.

CAMILLE.
Was sagte aber Ihr fremder Herr Sohn darzu?
SCHLAMPAMPE.

Der erzählete nun von allerhand, wie er Schiffbruch gelitten hätte und wie er seine Liebste zu Schiffe eingebüßt hätte und wie er auf einem Brette über hundert Meilen schwimmen müssen, ehe er ans Land gekommen wäre, und wie er wäre in Holland und Engelland gewesen und wie er wäre gefangen genommen worden und wie ihn die großen Läuse so im Gefängnüs gefressen hätten und wie lange daß er hätte sitzen müssen und was sonsten die Rede mehr gab.

CAMILLE.
Was war denn nun das Ende?
SCHLAMPAMPE.

Wie sie nun gar nicht essen wollten, so ließ ich den Tisch wieder abräumen. Hernach so fingen sie wieder an zu reden, womit meine Mädchen nach Tische die Zeit pflegten zuzubringen. Damit fing meine Clarille drauf an mit allerhand Ergötzlichkeiten. Endlich so wurde vom Tanzen geredet, und beschwatzten mich, daß ich mußte Spielleute holen lassen. Wie die nun auch kamen, so fingen sie an zu tanzen; ich hatte selbsten Freude darüber, dieweil mein Sohn Schelmuffsky den Tag gleich aus der Fremde wiederkommen war, und ging dar auch ein Ehrentänzchen mit ihm herum. Wie wir nun in der besten Lust waren, so kam Edward und Fidele zu der Stubentür hineingelacht, daß man's vor dem äußersten Tore hätte hören mögen. Die Spielleute hielten mit den Geigen inne, meine Mädchen [54] fragten, was denn solch Lachen zu bedeuten hätte und sie sollten nur zu ihresgleichen gehen, sie hätten bei so vornehmer Kompagnie gar nichts zu tun. So fing der eine leichtfertige Vogel an, ob sie nicht so gut wären wie die Hüpeljungen, und rissen darauf alsobald den vermeinten Kavalieren die schöne Kleider vom Halse. Da sahen wir erstlich, wer der Herr Baron und der Junker war.

CAMILLE.
Je, da hätte ich mich doch zu Tode geschämet!
SCHLAMPAMPE.

Sie kann leichte denken, Frau Gevatterin, wie einem zumute ist, wann ehrlicher Leute Kinder so geschimpft werden.

CAMILLE.

Ich bin eine schlechte Frau, wenn das mir oder meinen Kindern geschehen wäre, ich hätte mich zu Tode gegrämet.

SCHLAMPAMPE.

Denkt Sie denn nicht, Frau Gevatterin, daß mir solch Ding nicht zu Gemüte gegangen? Ich grämte mich bald ein ganz halb Jahr drüber, daß ich auch bis dato keiner ehrlichen Frauen mehr ähnlich sehe.

CAMILLE.

Je, da hätte ich mich doch zu Tode geschämet! Ich wollte lieber mit dem Henker zu tun haben, als solchen Leuten was in den Weg legen.

SCHLAMPAMPE.

So wahr ich eine ehrliche Frau bin, wenn ich einem ein unschöne Wort mein Lebetage groß gesaget habe.

CAMILLE.

Das glaube ich Ihr alle wohl, allein es läßt sich doch kein Studente gerne von einem Frauenzimmer verachten, und wenn er auch gleich kein Hemd da auf dem Leibe hätte, so will er doch so wohl respektieret sein als der vornehmste Stutzer.

SCHLAMPAMPE.

Ich dächte aber, man müßte doch ein Unterschied machen unter vornehmer Leute Kinder, die ihr gut Auskommen haben, und unter gemeinen Kerlen, die flugs manchmal nicht ein Dreier in ihrem Leben haben.

CAMILLE.

Wenngleich, Frau Gevatterin, es gehet, so wahr ich ehrlich bin, nicht an, und wenn Ihre Töchter auch noch so vornehm und reich wären und wollen ihre eigene Hausbursche [55] verachten und noch darzu übel von sie reden, als wie sie es Herrn Edwarden und Herrn Fidelen getan haben, so stehe ich nicht hier, wenn sie nicht die Studentenjungen anhetzen, daß sie letzlich auf öffentlicher Gasse mit Drecke geworfen würden.

SCHLAMPAMPE.

Sie weiß aber nun, Frau Gevatterin, daß sich meine Rabenäser was Großes einbilden und stets mit vornehmen Stutzern konversieren wollen.

CAMILLE.

Haben sie doch nun gesehen, mit was vor Stutzern sie sind umgegangen, daß die ganze Stadt lange genug wird davon zu reden wissen.

SCHLAMPAMPE.
Es soll mir wohl leichtlich kein Studente wieder über meine Schwelle schreiten.
CAMILLE.

Die rechte Wahrheit zu sagen, Frau Gevatterin, es gehet mich zwar nichts an, ich sage es aber, wie ich's meine, Sie hat Ihren Töchtern in der Jugend so sehre den Willen gelassen; nun sie bei Jahren sein, wollen sie sich nicht mehr ziehen lassen.

SCHLAMPAMPE.

Redet Sie nicht wunderlich, Frau Gevatterin, wie kann sich denn eine Mutter den ganzen Tag mit den Kindern schlagen, wenn man nichts mehr zu tun hätte; und darzu kann ich ja eben nicht groß über sie klagen. Daß sich aber die Rabenäser alle Tage irgend ein paarmal mit mir zanken, das ist nun freilich nicht fein; allein wir sind im Augenblick wieder gute Freunde.

CAMILLE.

Das stünde mir aber nicht an; wenn sich meine Kinder mit mir zanken wollten, ha, der potz Velten, wie wollte ich zuschlagen.

SCHLAMPAMPE.

Ich wollte mich zum wenigsten nicht unterstehen und einer einen Schlag geben, ich dächte gewiß, ich bekäme den andern wieder.

CAMILLE.

Was ist denn mein Sagen, als daß Sie sie sich hat lassen zu den Häuptern wachsen, und werden sie freilich schwerlich folgen; in der Jugend, da sie sind versäumt worden.

SCHLAMPAMPE.

Ich kann mir nicht helfen; wollen sie [56] nicht wissen, was ihnen selbst gut ist, ich kann alles geschehen lassen.

CAMILLE.

Was wollt ich doch fragen? Ja, Sie sage mir doch, Frau Gevatterin, ist's denn wahr oder ist's nur so ein ausgesprenget Wesen, ich habe von vielen Leuten gehöret, sie wollten sich adelen lassen.

SCHLAMPAMPE.
Freilich haben's die Rabenäser im Willen.
CAMILLE.

Es gehet mich zwar nichts an, Sie werde auch deswegen nicht ungehalten auf mich, allein wenn ich als wie Sie wäre, Frau Gevatterin, ich widerriete ihnen solch Ding, denn es kostet ja schröcklich viel Geld, wie ich gehöret habe.

SCHLAMPAMPE.
Frau Gevatterin, ich werde es den Rabenäsern ja gesagt haben, wollen sie denn folgen?
CAMILLE.
So gäbe ich ihnen kein Geld darzu.
SCHLAMPAMPE.
Je, rede Sie doch solch wunderlich Ding nicht, ich kann ihnen ja dasjenige nicht vorbehalten.
CAMILLE.
Ich täte es doch nicht, und wenn sie auch flugs töricht wären.
SCHLAMPAMPE.

Sie würden mich gar nicht anlachen, sie jagten mich, so wahr ich eine ehrliche Frau bin, aus dem Hause.

CAMILLE.
Wenn es aber nun alle ist, wie denn zu Rate?
SCHLAMPAMPE.

Da mögen sie zusehen, wo sie bleiben; so lange als ich noch zu leben habe, will ich vor mich schon auskommen.

2. Szene
Scena II
Schnürtzchen zu den Vorigen.

SCHNÜRTZCHEN.
Frau Schlampampe, die Karosse ist gekommen, die Jungfern wollen aufsitzen.
SCHLAMPAMPE.
Sie werden's etwan versäumen, die Rabenäser.
[57]
CAMILLE.
Wo wollen sie denn hin, Jungemagd?
SCHNÜRTZCHEN.
Wo werden sie hin wollen? Spazieren wollen sie fahren.
CAMILLE.
Ich will's ja nimmermehr hoffen, daß es ihr Ernst ist und wollen nach dem Adelstande reisen.
SCHNÜRTZCHEN.
Was geht's Ihr aber nun an, Frau Camille? Gibt Sie ihnen noch nichts darzu.
CAMILLE.

Sieh da! Sieh da! Ist der Frau Schlampampe ihre Schöne auch lange so protzigt gewesen; Ihr wollt gewiß auch mit reisen, daß Ihr auch eine adelige Jungemagd genennet werdet.

SCHNÜRTZCHEN.
Ich dachte eine adelige Matzdrüte.
SCHLAMPAMPE.
Gehe nur hinein, sprich, ich wollte gleich kommen.
SCHNÜRTZCHEN.
Sie komme ja fein bald, denn der Kutscher sagte, sie sollten sich nicht lange aufhalten. Geht ab.
CAMILLE.
Ihre Jungemagd kann den Leuten recht höflich begegnen, Frau Gevatterin.
SCHLAMPAMPE.

Ach, es ist ein Rabenaas, sie ließe sich totschlagen, ehe sie zugäbe, daß jemand was einen Mädchen zuwider redete.

CAMILLE.

Frau Gevatterin, ich meine es von Grund meines. Herzens gut mit Ihr, und will Sie mir folgen, so rate Sie doch Ihren Töchtern, daß sie solch Ding nicht tun und um ein bißchen Ehre willen sich von ihren Mitteln entblößen.

SCHLAMPAMPE.

Sie gläube mir's doch nur, Frau Gevatterin, ich habe so viel schon davon geprediget, daß sie es nicht tun sollen; nein, sie wollen durchaus nicht, sie sprechen, sie müssen welche von Adel sein und sollten sie kein Hemde auf den Leibe behalten.

CAMILLE.
Je, die närrische Dinger, wer hat sie aber auf die Gedanken gebracht?
SCHLAMPAMPE.

Kann ich's denn erfahren? Wie lange quälten sie mich, ehe ich den elenden Rittersitz hinter dem Röhrkasten mußte anfangen bauen zu lassen.

CAMILLE.
Ist er denn fertig?
[58]
SCHLAMPAMPE.
Er ist wohl gekleibet und gedeckt, aber ausgebauet ist er noch nicht, wie er sein soll.
CAMILLE.
Und das Gebäude kostet Sie wohl viel Geld?
SCHLAMPAMPE.
Das kann Sie leichte denken.
3. Szene
Scena III
Charlotte, Clarille zu den Vorigen.

CLARILLE.

Frau Mutter, was heißt's aber nun, daß Sie sich nicht hereinschiert? Wie viel Boten sollen wir Ihr denn schicken, da Sie sieht, daß wir fort wollen?

SCHLAMPAMPE.
Ihr Rabenäser, habt Ihr nicht ein Geeile! Ihr werdet's irgend versäumen.
CHARLOTTE.
Es ist aber wahr, Frau Mutter, wenn Sie ins Klatschen kommt, so kann Sie keinmal wieder aufhören.
CAMILLE.
Ihr Jungfern, wo wollet Ihr denn zu, daß Ihr so eilet?
CLARILLE.
Wer läßt fragen?
CAMILLE.
Wer läßt fragen? Ich werde es ja auch gerne wissen wollen.
CLARILLE.
Ob sie es weiß oder nicht, es wird nicht viel daran abgehn.
CAMILLE.

Ach Ihr herze Schwestern, ob Ihr mir's saget oder nicht, deswegen habe ich's von Eurer Frau Mutter schon erfahren.

CHARLOTTE.
Da haben wir's nun! Sagte ich dir's, Clärchen, sie würde es wohl ausgeklatscht haben.
CLARILLE.

Frau Mutter, was heißt's aber nun? Ich wollte, daß flugs das Wetter drein schmisse, weil Sie gar nichts verschweigen kann.

SCHLAMPAMPE.

Da höre Sie doch nur, Frau Gevatterin, was das vor Rabenäser sein. Die können ihre Mutter doch recht respektieren!

CAMILLE.
Mir dürften meine Kinder nicht so kommen; ich bräche ihnen doch beizeiten die Hälse.
4. Szene
[59] Scena IV
Lorentz zu den Vorigen, im Reisehabite.

LORENTZ.

Ei nun, wie ist's denn, der Kutscher will gerne fort, Sie sollen sich doch zauen, daß Sie aufsitzen, denn er wollte heute gerne noch ein paar Meilen fahren.

CLARILLE.
Wir kommen gleich jetzund.
CAMILLE.
Wollt Ihr denn auch mit, Lorentz, daß Ihr Euch so reisefertig habt angezogen?
LORENTZ.
Das versteht sich, denn ich lasse mich zu unserer Jungfern Kammerdiener adelen.
CHARLOTTE.
Frau Mutter, schere Sie sich doch einmal herein, daß wir fort kommen.
SCHLAMPAMPE.

So kommt doch nun, ihr Rabenäser. Ihr lasset mir doch keinen Friede, weil ihr einen Groschen bei mir merkt. Sie lebe wohl, Frau Gevatterin.


Gehet mit den Töchtern ab.
CAMILLE.
Sie gleichfalls, Frau Gevatterin. Winkt Lorentzen. Hört, Hausknecht!
LORENTZ.
Was?
CAMILLE.
Wo fahret Ihr denn zu?
LORENTZ.
Immer nach dem Tore zu.
CAMILLE.

Verstehet mich doch recht; ich frage, wie der Ort heißt, wo Euere Jungfern hinfahren, da sie sich adeln lassen.

LORENTZ.

Ich denke, es ist dieselbe Stadt, wo Schelmuffsky auf seiner Wanderschaft das Bein gebrochen hat. Doch kann ich's auch eigentlich nicht sagen.

CAMILLE.

Je nun, Glücke auf die Reise, und nehmet Eure Jungfern fein in acht, damit sie nicht Unglücke unterwegens nehmen.

LORENTZ.
Ei, vor dem Unglücke hat's gute Wege; wenn sie nur keinen Schaden an ihrer Jungferschaft nehmen.
CAMILLE.
Drum müßt Ihr sie fein in acht nehmen.
LORENTZ.
Deswegen soll ich auch mitfahren.
[60]
CAMILLE.
Werden sie sich nicht viel wissen, wann sie sie werden eine Spanne höher tragen.
LORENTZ.
Und ich werde mich auch keine Saue dünken, wenn ich geadelter Kammerdiener heiße.
5. Szene
Scena V
Schnürtzchen zu den Vorigen.

SCHNÜRTZCHEN.

Sage mir doch, Lorentz, wo du bleibest. Der Kutscher fährt schon die Gasse dort hinauf, und stehest noch hier und hast Maulaffen feil.

LORENTZ.
Das wäre der Henker; er wird nicht schon fort sein?
SCHNÜRTZCHEN.
Es ist nicht anders.
LORENTZ.
So muß ich laufen, daß ich ihn noch einhole.
SCHNÜRTZCHEN.
Höre, ich will dir noch was sagen.
LORENTZ.
Was denn? Mache fein bald.
SCHNÜRTZCHEN.

Schreib mir auch zuzeiten, wie dir's gehet, damit ich nicht hunderterlei Gedanken darf deinetwegen haben.

LORENTZ.
Ich will ja schon schreiben; halt mich nur nicht auf, daß ich den Kerl noch einhole.
SCHNÜRTZCHEN.
Komm, ich will dir den Ort weisen, wo du ihn noch antreffen wirst.
LORENTZ.
So laß uns geschwinde gehen. Laufen beide ab.
CAMILLE.

Nun, ich will doch gerne sehen, wie das Ding ablaufen wird. Es ist von den Hüpeljungen kaum ein bißchen stille; wenn sie nun werden geadelt sein, so haben die Leute wieder was Neues zu reden in der Stadt. Ich habe über den Narrenspossen zu Hause ein Haufen versäumet, ich werde, halt ich, auch wandern müssen. Geht ab.

6. Szene
[61] Scena VI
Edward, Fidele.

FIDELE.
So hält's der Herr Bruder vor eine gewisse Wahrheit?
EDWARD.

Ich habe von einigen guten Freunden Specialissima; sie wollte uns beiden ein Injurienprozeß an den Hals werfen, und wenn es auch gleich erstlich in dreißig Jahren geschehen sollte.

FIDELE.

Oh, hat es so lange bis dahin Zeit, so laß ich mir nicht leid sein; und darzu, warum sein sie solche Narren und lassen sich von den Hüpeljungen so ein Blendwerk vor die Nase machen.

EDWARD.

Ich gestehe es, wenn ich noch dran gedenke, so kann ich mich des Lachens nicht enthalten, daß es dazumal so ein artigen Possen gab. Aber hat Er's nicht Herrn Cleandern geschrieben?

FIDELE.

Ich werde es ihm ja geschrieben haben, und meldete ich ihm auch in post scripto, sie hätten sein Rezept wegen der Schminke probieren wollen und wären über und über im ganzen Gesichte voller Blasen geworden.

EDWARD.
Ei, ich hätte doch den Brief gerne sehen mögen.
FIDELE.

Ich halte dafür, daß ich von den Konzepte noch etwas bei mir habe, Greift in Schubesack. da will ich dem Hn. Bruder vorlesen, was ich ihme geschrieben. Lieset.

Mein Herr Secretarius!

Redet. Weil er sich vor einen Secretarium bei unsern Frauenzimmer dazumal ausgab, titulierete ich ihn aus Spaß nur so.

EDWARD.
Das weiß ich, der Herr Bruder lese weiter.
FIDELE
lieset.

Ich kann denselben versprochener Parole nach hiedurch nicht unberichtet lassen, wie daß es ein wichtigen Possen mit unserm Haus- Frauenzimmer gesetzet: Ich und Monsieur Edward nahmen ein paar plißinische Hüpeljungen.

EDWARD.
Das von den Hüpeljungen lasse er nur außen und lese von der Schminke.
[62]
FIDELE.

Das wird hier stehen auf der ander Seite.Wendet das Blatt um und lieset. P.S. Eins hätte ich bald vergessen, wenn aber der Herr Secretarius wieder nach Plißine kommt, so kehre Er ja im Güldenen Maulaffen nicht ein oder lasse sich etwan im Vorbeigehen jemand aus dem Hause da blicken. Sie haben alle Ach und Weh über Ihn geschrien, denn wie bewußt ist, daß Er unserm Frauenzimmer ein Rezept aufgeschrieben, wie man schöne werden kann; dasselbe haben sie gebraucht und sind über und über im ganzen Gesichte voller Blasen und Grind geworden, daß sie keinem Menschen fast ähnlich sahen. Die alte Schlampampe hat Ihn wohl hundertmal Galgen und Rad an Hals gewünschet und will mir die Schuld auch mit geben, weil ich sie darzu überredet, daß sie sich des Rezepts bedienen müssen. Sie läuft den ganzen Tag im Hause herum und spricht: »Je, daß Gott im hohen Himmel erbarme, meiner Charlotte ihr schön Gesichte!« Schelmuffsky, ihr Sohn, der aus der Fremde wiederkommen ist, der tut wie ein närrisch Mensche auch darüber. Er hat es hoch und teuer geschworen, wenn er die Krätze nicht so hätte, er wollte den Sekretär nachsetzen und deswegen von ihm Revanche haben. Er hat deswegen wohl tausendmal »der Tebel hol mer« geflucht, denn er ist dem Henker sein Kerl. Drum lasse sich der Herr Sekretär warnen, wenn er etwan nach Plißine wieder kömmt, und gehe ihm ja nicht in den Weg, denn man kann manchmal nicht wissen, wie so ein tyrannischer Kerl, als wie Schelmuffsky aussieht, einem eins kann anhängen.

EDWARD.
Deswegen hat's nun wohl gute Wege, aber wenn haben sie solche Schminke gebraucht?
FIDELE.

Weiß der Herr Bruder nicht, wie die Leute immer sagten, was denn die Ursache wäre, daß das Frauenzimmer zum Güldenen Maulaffen Vorhänge an die Fenster gemacht hätte und ließe sich keine mehr sehen?

EDWARD.

Ach, darum habe ich wohl nicht gewußt, was die Vorhänge haben bedeuten sollen, und hat sich auch in den Fenstern keine groß sehen lassen.

[63]
FIDELE.
Dazumal haben sie des Sekretärs Schminke probiert.
EDWARD.

Es scheint ein loser Gast zu sein, der Herr Cleander, und ich halte dafür, daß er dergleichen Possen wohl öfters hat vorgenommen.

FIDELE.

Es ist mir einer! Er hat manchmal in Marburg Dinge angestellet, daß man sich flugs darüber hätte töricht lachen mögen.

EDWARD.
Aber weiß er nicht, was itzo guts Neues im Güldenen Maulaffen passieren muß?
FIDELE.

Ich habe mit der Frau Camille nicht können zu reden kommen; wenn ich die nur antreffen könnte, sie würde mir alles erzählen, was itzo da passierte.

EDWARD.
Es ist wahr, sie steckt täglich itzo da, und ist, halt ich dafür, gar ihr Gevatter.
FIDELE.

Sie hießen ja dazumal, wie wir noch drinne wohneten, einander immer Frau Gevatterin; als wird es wohl nicht fehlen können.

EDWARD.

Es mag auch die rechte sein, die Camille! Wer, halt ich, was Heimlichs halten will, daß es die ganze Stadt wissen soll, darf nur ihr's anvertrauen.

FIDELE.

Sie wird kein Wort verschweigen, und zumal da, denn sie hat selbsten ihre Freude drüber, wann's manchmal da so kanterbunt zugehet.

EDWARD.

Der Herr Bruder sehe, wo Er sie antrifft, und erkündige sich bei ihr, was da Guts passieret, und sage mir's hernach wieder.

FIDELE.
Wo will der Herr Bruder itzt zugehn?
EDWARD.
Ich habe auf der Post etwas zu bestellen, darum muß ich gehen, daß ich dieselbe nicht versäume.
FIDELE.

Es ist gut, daß der Herr Bruder an die Post gedenket; ich soll einen Brief da abholen, so können wir miteinander gehen.

EDWARD.
Wie es ihm beliebet. Gehen ab.
7. Szene
[64] Scena VII
Schlampampe, Schelmuffsky reisefertig.

SCHLAMPAMPE.

Je, bleib doch immer bei mir, du siehst ja, daß ich jetzund mit Däfftle indem ganz alleine bin, nun die Mädchen weg sein, und wer weiß, wenn sie wiederkommen.

SCHELMUFFSKY.
Frau Mutter, ich bleibe, der Tebel hol mer, nicht, ich muß Frankreich auch besehen.
SCHLAMPAMPE.

Du weißt aber, wie dir's nun schon so unglücklich auf deiner Wanderschaft ist gegangen. Bleib doch immer hier, du hast ja keine Not bei mir.

SCHELMUFFSKY.

Sapperment, Frau Mutter, sage Sie mir nicht von Bleiben, wenn ich hätte bleiben wollen, so wäre ich, der Tebel hol mer, schon längst geblieben.

SCHLAMPAMPE.
Folge mir doch immer, Schelmuffsky.
SCHELMUFFSKY.

Mit einem Wort, Frau Mutter: Ich bleibe, der Tebel hol mer, nicht; Sie lebe wohl, und ich wünsche, daß ich Sie in etlichen Jahren gesund wieder sprechen möge.

SCHLAMPAMPE.
Und willst auch noch darzu so lange wegbleiben?
SCHELMUFFSKY.
Unter zehn Jahren werde ich, der Tebel hol mer, schwerlich wiederkommen.
SCHLAMPAMPE.

Weil's denn nun nicht anders sein kann, daß du bei mir bleiben willst, so reise wohl und nimm dich in acht, damit du nicht unter die Soldaten gerätst; denn es ist in demselben Lande Krieg, wie ich gehört habe.

SCHELMUFFSKY.
Das muß ich, der Tebel hol mer, nur lachen, Frau Mutter, daß Sie solch närrisch Zeug redet.
SCHLAMPAMPE.

Je nun, wenn du es besser weißt als ich, ist's doch alle gut; aber wenn dir's wieder unglücklich geht und wirst bei dem Kopfe genommen, so gib nur mir die Schuld hernach nicht oder schreib, daß ich dich wieder loskaufen soll.

SCHELMUFFSKY.
Es hat deswegen, der Tebel hol mer, gute Wege.
[65]
SCHLAMPAMPE.

Ist es doch alle gut; ich bitte dich aber nochmals, willst du zu Hause bei mir bleiben, so will ich dich von Herzen gerne sehen; wo nicht, so reise hin und komme bald wieder.

SCHELMUFFSKY.

Frau Mutter, Sie hat's aber nun, der Tebel hol mer, bald hundertmal gehöret, daß ich nicht bleibe, und unter zehn Jahren werde ich auch schwerlich wiederkommen.

SCHLAMPAMPE.

Nun, so will ich dir auch kein Wort mehr sagen. Wenn du deiner Mutter nicht folgen willst, so reise hin; ich wünsche nochmals, daß dir's möge wohl gehen.

SCHELMUFFSKY.

Ei Sapperment, ist das nun nicht ein Gewünsche und ein Wohlgegehen da! Geht mir's nicht wohl, so geht mir's nicht wohl, ich frage ja, der Tebel hol mer, nichts darnach. Gehet ab.

SCHLAMPAMPE.

Je, so gehe und komme mir nimmermehrn vor meine Augen wieder, du gottloses Kind! Ad spectat. Dächte es nun wohl ein Christenmensche, daß eine Mutter von ihren Kindern so könnte gequälet und gemartert werden? Je, habe ich meine Plage nicht auf der Welt? Ja, wenn ich so manchmal dran gedenke, so härme ich mich auch so drüber, daß ich flugs ganz krank werde.

8. Szene
Scena VIII
Däfftle.

DÄFFTLE
zu Mutter.
Frau Mutter, ist Schelmuffsky nun auch wieder fort?
SCHLAMPAMPE.
Freilich ist der ungehorsame Mensche hinweg.
DÄFFTLE.

Ach, das ist gut, nun bin ich fein alleine bei Ihr und darf mich nicht besorgen, daß ich Preschen von ihm kriege.

SCHLAMPAMPE
ad spectat.

Nun, wenn ich auch den Jungen nicht hätte! Der ist doch noch einzig und allein mein [66] Trost, sonst wäre ich, so wahr ich eine ehrliche Frau bin, schon längst gestorben.

DÄFFTLE
küsset der Mutter die Hand.
Ist's nicht wahr, Frau Mutter, ich bin Ihr liebster Sohn?
SCHLAMPAMPE
ad spectat.

An den habe ich nun einzig und alleine mein Herze gehangen, und wenn ich sterbe, so will ich ihm vor andern allen was voraus vermachen.

DÄFFTLE.
Sie ist doch meine liebe Mama. Küsset sie.
SCHLAMPAMPE.

Nun, es gläubt mir's auch kein Mensche, wie mich der Junge so lieb hat. Er kann weder Tag noch Nacht von mir bleiben.

9. Szene
Scena IX
Schnürtzchen zu den Vorigen.

SCHNÜRTZCHEN.

Frau Schlampampe, der Herr Präzeptor sagte, was er denn schon schreiben sollte; wären sie doch kaum zum Tore hinaus.

SCHLAMPAMPE.
Er sollte nur schreiben, daß sie sich fein in acht nehmen sollten, daß sie nicht in Unglücke kämen.
SCHNÜRTZCHEN.
Der Hausknecht wird ja Achtung auf sie haben, was ist er denn sonst nütze mit!
SCHLAMPAMPE.

Ja ja, verlasse du dich nur auf den Hausknecht, und darzu, wenn sich die Rabenäser selber nicht in acht nehmen wollen. Der Hausknecht wird nicht in alle Winkel mit sie herumkriechen können.

SCHNÜRTZCHEN.
So rede Sie selber mit, was er ihm schreiben soll.
SCHLAMPAMPE.

Ich muß doch nur gehen, sonst wird heute nichts draus. Komm Däfftle, mit herein.Geht mit Däfftle ab.

SCHNÜRTZCHEN.

Ihr Leute, ich kann's auch nicht sagen, wie es einem so einsam ist, da alles aus dem Hause weg ist. Wir haben einen Hund, das ist so eine schlaue Wetterkröte, er hat die ganze Zeit geheulet, weil die Mädchen sind weg [67] gewesen. Ich habe ihn wohl zehnmal schon deswegen geschlagen; er fragt aber doch nichts darnach. Es bedeutet sonst gemeiniglich nichts Guts, wenn die Hunde heulen. Ich will ja nicht hoffen, daß unsere Leute etwan ein Unglück sollten genommen haben. Der Hausknecht sagte zwar, er wollte mir schreiben, wenn was vorgehen sollte; allein ich habe noch nichts gesehen, und darzu sind sie irgend eine Stunde fort.

SCHLAMPAMPE
ruft inwendig.
Jungemagd!
SCHNÜRTZCHEN.
Potztausend, die Frau ruft, ich werde gewiß wohin gehen sollen.
SCHLAMPAMPE.
Jungemagd!
SCHNÜRTZCHEN.
Frau Schlampampe?
SCHLAMPAMPE.
Du Rabenaas, wo hat dich dann der Henker? Schier dich doch her!
SCHNÜRTZCHEN.
Ich komme ja gleich! Ich muß nur gehen, wenn ich nicht von sie will Ausgerichts bekommen. Gehet ab.

2. Akt

1. Szene
Scena I
Der Schauplatz bleibt die Stadt Plißine.

LORENTZ
ganz von Kot besudelt.

Ich wollte, daß der Henker unsere Jungfern mit ihren Adeln holte; dort liegen sie nun und wissen sich nicht zu helfen. Und wenn ich nicht einen Sprung auf die Seite getan hätte, so will ich kein ehrlicher Kerl sein, wann ich nicht wäre bis unter die Arme in den Dreck gefallen. Je, fahre, Galgenvogel, fahre und schmeiß da ehrlicher Leute Kinder um. Ich will nun gerne hören, was die Frau Schlampampe darzu sagen wird, daß wir wiederkommen. Und wie uns die Kinder auslachen werden, daß es uns so gegangen ist, davon will ich nichts sagen. Es wird's die ganze Stadt unsern Jungfern gönnen, [68] daß sie sein umgeworfen worden, zumal, wo es die Camille erstlich erfahren wird. Aber, wo mir recht ist, so kommt unsere Jungemagd dort die Gasse hergeschludert und hat einen Brief in der Hand, Ja, ja, sie ist's; ich will mich doch an der Ecke hier ein wenig verstecken und hören, wo sie zudenkt.

2. Szene
Scena II
Schnürtzchen.

SCHNÜRTZCHEN.

Kann ich auch den Schwerenotsschelm, den Boten, antreffen, der diesen Brief mitnehmen soll, und es ist mir selbst daran gelegen, denn ich habe den Hausknecht mit grüßen lassen und daß er mir soll sagen lassen, wie es ihm geht. Ich kann's nicht sagen, wie das Aas der Hund immer in einem noch heulet. Sollten sie etwan gar umgeworfen haben und irgend unterwegens ein Unglück genommen?

LORENTZ
hinter der Eck.
Es kann was dran sein.
SCHNÜRTZCHEN.
Wie, hörte ich nicht jemand hier reden?
LORENTZ.
Nein, ich schwatze nur.
SCHNÜRTZCHEN.
Je, was zum Henker, bist du es denn oder bist du es nicht?
LORENTZ.
Das weiß ich selbsten nicht.
SCHNÜRTZCHEN.
Lorentz?
LORENTZ.
Urselchen? Kommt hervor.
SCHNÜRTZCHEN.
Ach, ihr Kinder! Was soll denn das bedeuten, daß du schon wieder hier bist?
LORENTZ.
Was soll's bedeuten? Daß ich nicht mehr weg bin.
SCHNÜRTZCHEN.
Warum kommst du aber wieder zurücke?
LORENTZ.
Ei, ich wollte, daß der Henker drein schmisse!
SCHNÜRTZCHEN.
Wieso denn?
[69]
LORENTZ.
Je, wieso? Daß wir ein Rad zerbrochen haben und können nicht fortkommen.
SCHNÜRTZCHEN.
Ach, ihr Kinder! Ich will's ja nimmermehr hoffen.
LORENTZ.
Ja, wir können uns nicht helfen, und darzu hätte ich bald das größte Unglück davon bekommen.
SCHNÜRTZCHEN.
Je, wie denn so?
LORENTZ.

Wir kamen in ein Morastloch, und der Kutscher wollte geschwind durchrennen und denkt nicht, daß auf der einen Seite so ein tief Loch ist. Da kriegt die Kutsche den Schwang, daß ich flugs hinten runter pralle, und wenn ich nicht noch einen Sprung getan, so hätte der in Gedanken geadelte Kammerdiener bis unter die Arme im Dreck gelegen.

SCHNÜRTZCHEN.
Und das Rad zubrach in dem Morastloch?
LORENTZ.
Freilich ging's vor die Hunde.
SCHNÜRTZCHEN.
Ach ihr Kinder, müssen die Mädchen nicht da erschrocken sein?
LORENTZ.

Das kann man leichte denken. Und der Kutscher war so ein Galgenvogel. Wie er sahe, daß keine Rettung, wieder herauszukommen, war, spannte er die Pferde aus, ließ uns bei der Kutsche liegen und ritte stillschweigens immer seiner Wege fort.

SCHNÜRTZCHEN.
Das ist ein Schwerenotsschelm gewesen. Wo sind aber nun die Mädchen geblieben?
LORENTZ.
Ich bin voran gelaufen, und ich denke, sie werden wohl bald zu Fuße nachkommen.
SCHNÜRTZCHEN.

Drüm hat das Rabenaas, unser Hund, wohl immer so geheulet, weil ihr seid weg gewesen, und es hat doch immer gemeiniglich was zu bedeuten, wenn die Hunde heulen. Aber wie wollen sie es nun halten?

LORENTZ.

Sie sagten, sie wollten es nun gar bleiben lassen; ob sie geadelt wären oder nicht, darzu so würde es ihnen indem nicht viel helfen.

SCHNÜRTZCHEN.

Je, Herzenskind, was will es groß helfen, [70] daß sie das Geld damit vertrödeln, und wäre hernach auch doch ungewiß, ob sie welche von Adel kriegten oder nicht.

LORENTZ.
Wo ist denn die Frau Schlampampe?
SCHNÜRTZCHEN.
Sie ist drin mit ihren Däfftle und speiset.
LORENTZ.
Was macht denn Schelmuffsky?
SCHNÜRTZCHEN.
Je, denke nur, der ist auch wieder in die Fremde gegangen.
LORENTZ.
Was zum Henker will er aber da wieder tun?
SCHNÜRTZCHEN.

Er sagte zur Mutter, er hätte nun fast alle Länder in der ganzen Welt besehen, ausgenommen in Frankreich wäre er noch nicht gewesen; er müßte auch dahin und sehen, was da der Franzmann macht.

LORENTZ.
Ich dachte, er wäre schon in Frankreich gewesen, wie er ist gefangen genommen worden.
SCHNÜRTZCHEN.

Je, das ist, mein ich, nur eine Festung gewesen, die den Franzosen gehöret, allein, da ist nichts zu sehen gewesen.

LORENTZ.
Es ist Wunder, daß ihm die Mutter hat Geld gegeben.
SCHNÜRTZCHEN.

Mich hat's auch sehr gewundert, zumalen da sie sich neulich so sehr verschworen, sie wollte ihm keinen Dreier mehr zu reisen geben.

LORENTZ.

Je, an unser Frauen ihr Schweren darf man sich nicht kehren, denn was sie heute redet, morgen hat sie es schon wieder vergessen. Allein, was wird sie zu unserer Reise sprechen, daß wir wiederkommen?

SCHNÜRTZCHEN.

Ach, ich weiß, daß sie es ganz gerne siehet, daß nichts draus geworden ist. Sie spricht, die Leute würden's ihr gnug vor Übel gehalten haben, daß sie es als eine wackere, ehrliche Frau zugegeben hätte.

LORENTZ.
Es ist freilich wohl wahr; wenn es aber geschehen wäre, was hätte sie machen wollen?
SCHNÜRTZCHEN.
Ich dachte es flugs, wenn ich den Hund hörete so heulen, daß was vorgehen müßte.
[71]
LORENTZ.
Was ist denn vor ein Brief da?
SCHNÜRTZCHEN.

Der Präzeptor hat ihn schreiben müssen, ich sollte ihn einem Boten geben, der denselben unsern Jungfern zustellen sollte; aber wie ich nun sehe, wird's nicht vonnöten sein.

LORENTZ.
Gib mir den Brief und laß uns hereingehn, so denkt unsere Frau, ich bringe ihr Antwort drauf.
SCHNÜRTZCHEN.
Da hast du ihn, und komm fein geschwinde, so treffen wir sie noch über Tische an. Gehen ab.
3. Szene
Scena III
Charlotte, Clarille mit Kappen vermummelt.

CLARILLE.
Ich wollte, daß der Blitz in das Gehen hinein schmisse, bin ich doch den Weg daher ganz lahm worden.
CHARLOTTE.
Was werden aber die Leute nun sagen, wenn sie uns flugs wieder zu Hause sehen?
CLARILLE.
Was werden sie sagen? Brav gevexiert und ausgelacht werden wir werden, wie mit den Hüpeljungen.
CHARLOTTE.
Hätten wir nur die Wetterhändel gar unterwegens gelassen.
CLARILLE.
Wer ist denn schuld dran als du?
CHARLOTTE.

Nun kannst du mir lieber die Schuld geben, da du es am ärgsten triebest, wie die Frau Mutter keinen Rittersitz wollte bauen lassen.

CLARILLE.
Wenn's nur niemand erfähret, daß es uns so närrisch gegangen ist.
CHARLOTTE.
Hast du es denn dem Hausknechte nicht verboten?
CLARILLE.
Ich dachte, du hättest es ihm gesagt.
CHARLOTTE.
Ich hatte es vergessen, sonst hätte ich's ihm verboten.
CLARILLE.
Ja nun, der wird's schon unter die Leute bringen.
CHARLOTTE.
Wir wollen's ihm noch verbieten.
[72]
CLARILLE.

Nun wäre es Zeit; wer weiß, wem er's allen gesagt hat, wenn sie ihn haben sehen durch die Stadt gehen.

CHARLOTTE.
Ich will mich wohl so bald vor keinem Menschen nicht sehen lassen.
CLARILLE.
Deswegen verstecke ich mich wohl gar.
CHARLOTTE.

Weißt du was? Die Frau Mutter soll uns eine Weile auf das Dorf tun zu unserer Muhme, bis es erstlich ein bißchen vergessen ist.

CLARILLE.

Du magst's halten, wie du willst, ich gehe keinen Tritt aus dem Hause. Die Leute mögen reden, was sie wollen.

CHARLOTTE.
So komm nur und laß uns herein gehen; wir wollen hören, was die Frau Mutter darzu sagen wird.
CLARILLE
gehet lahm.
Ich habe mich fürwahr ganz wund gegangen.
CHARLOTTE.
Geh nur fort, wir können schon wieder ausruhen. Gehet ab.
4. Szene
Scena IV
Camille, Lorentz.

CAMILLE.
Nun, man möchte sich auch flugs krank lachen über die Akten, die sie vornehmen.
LORENTZ.

Aber eine Hure, die ein Wort davon gedenket! Die Frau Schlampampe hat mir's aufs Leben verboten, ich sollte keinem Menschen nichts davon sagen.

CAMILLE.

Ei, Ihr seid wunderlich; von mir erfährt indem kein Mensche nichts, und darzu bin ich gut dafür, sobald mich Euere Frau sehen wird, sagt sie mir's indem gleich, denn sie kann ihre eigene Schande selbst nicht verschweigen.

LORENTZ.

Das mag sie tun, wenn's nur nicht heißt, Lorentz hat's ausgeplaudert; denn ich mag gar zu gerne reinen Mund halten.

CAMILLE.
So wollen sie nun gar nicht wieder fort?
LORENTZ.
Nein, sie werden's nun unterwegens lassen und zu Hause bleiben, was sie aber ...
[73]
CAMILLE.
Stille, dort kommt die Jungemagd, daß sie nicht höret, was wir reden. Ich will fortgehen.Geht ab.
5. Szene
Scena V
Schnürtzchen und Lorentz.

SCHNÜRTZCHEN.

Es ist dir, halt ich, unmöglich, daß du kannst einen Augenblick im Hause bleiben. Wer war denn die Frau, die so behende von dir weg lief?

LORENTZ.
Was denn vor eine Frau?
SCHNÜRTZCHEN.
Mache du mich doch mit sehenden Augen blind, daß ich nicht sehe, wer bei dir stehet.
LORENTZ.
Es ist, bin ich ein Schelm, niemand bei mir gewesen.
SCHNÜRTZCHEN.

Bist du nicht ein Vogel mit Lügen, da ich doch alles mit angehöret, was du mit der Camille geredet hast?

LORENTZ.
Was ist es denn nun mehr? Ich erzählete ihr's von unserer Reise und wo wir das Rad zubrochen hätten.
SCHNÜRTZCHEN.
Müßt Ihr's aber der Frau nun flugs auf die Nase binden?
LORENTZ.
Ach, die saget nichts wieder.
SCHNÜRTZCHEN.

Es ist gar die rechte, sie wird es schon in der Stadt ausbreiten und noch einmal so viel darzu liegen, denn sie kann es vor einen Meister; ich kenne sie schon.

LORENTZ.

Sie meinte, wenn ich ihr's nicht sagte, so ginge sie zu unserer Frauen, die würde ihr's indem nicht verschweigen. Aber, Schnürtzchen, gedenke du nur nichts davon, daß ich's Camillen gesagt habe, wie es unsern Jungfern gegangen ist.

SCHNÜRTZCHEN.

Ich will dich wohl nicht verraten; allein, wenn es die Camille nur nicht sagt, daß sie es von dir hat. Hernach magst du auch sehen, wie du zurechte kommst.

LORENTZ.
Sie traf mich so ohngefähr hier auf der Gasse an.
[74]
SCHNÜRTZCHEN.
Du könntest auch wohl zu Hause bleiben.
LORENTZ.
Ich vermeinte, unsere Jungfern sollten bald kommen, deswegen bin ich ausgegangen.
SCHNÜRTZCHEN.
Die Jungfern sind schon nach Hause.
LORENTZ.
Je, haben sie mir doch nicht begegnet. Wenn sind sie denn gekommen?
SCHNÜRTZCHEN.
Es ist nicht lange.
LORENTZ.
Ich weiß, daß die armen Dinger ganz müde sein.
SCHNÜRTZCHEN.
Clärchen spricht, sie hätte sich ganz wund gegangen.
LORENTZ.
Je, wollen wir uns immer adeln lassen! Was spricht aber die Mutter?
SCHNÜRTZCHEN.

Was soll sie sprechen? Sie lacht sie noch darzu aus und sagt, es geschehe ihnen gar recht; warum sie solch närrisch Ding hätten wollen vornehmen.

LORENTZ.
Ich muß doch zu sie gehen, sonst denken sie, ihr Kammerdiener ist gar davon gelaufen.
SCHNÜRTZCHEN.
Gehe nur hinein, ich will gleich auch wieder kommen.
LORENTZ.
Wo willst du dann hingehen, Schnürtzchen?
SCHNÜRTZCHEN.
Ich will nur in die Apotheke gehen und vor Clärchen Pomade holen.
LORENTZ.
Ja so, nun komm auch bald wieder.
SCHNÜRTZCHEN.
Augenblicks will ich wiederkommen. Gehen an unterschiedenen Orten ab.
6. Szene
Scena VI
Fidele und Edward.

EDWARD.
Ei, das wäre doch gar der Henker, wenn solches passieret wäre.
FIDELE.

Der Hausknecht hatte ihr alles ausführlich erzählet, und es würde ehstens in der Stadt so ein groß Spiel [75] davon werden, das noch ärger wäre als die Historie von den Hüpeljungen.

EDWARD.

Es ist gar die rechte, die Camille, die wird's schon unter die Leute bringen. Was muß aber Schelmuffsky darzu sagen?

FIDELE.
Ja, das hätte ich bald vergessen, der ist auch wieder gewandert.
EDWARD.
Und ist auch nicht mehr zu Hause?
FIDELE.

Wie die Schwestern fort sein, so spricht er zur Mutter, sie sollte ihm vollends geben, was ihm zukäme, er müßte Frankreich auch besehen.

EDWARD.
Es ist Wunder, daß die Alte hat Pfennige hergegeben.
FIDELE.

Was hat sie können mit ihm machen? Sie soll ihn zwar sehr gebeten haben, er möchte bei sie bleiben, allein er hat durchaus nicht gewollt; sondern »der Tebel hol mer« wäre sein letztes Wort gewesen. Damit hätte er seinen Abschied genommen.

EDWARD.

So gehen sie recht. Ich will doch noch mit Verwunderung sehen, was es vor ein Ende mit den Leuten nehmen wird.

FIDELE.
Ich gebe was drüm, daß der Secretarius dieses wüßte. Er würde schrecklich drüber lachen.
EDWARD.
Hat er aber auf des Herrn Bruders Brief nicht geantwortet?
FIDELE.
Nicht eine Zeile. Ich denke aber immer, er soll ehstens selbst herüberkommen.
EDWARD.

Wenn er etwan kommt, lasse mir's der Herr Bruder wissen, daß ich meine Devoir auch bei ihm abstatten kann.

FIDELE.
Und ich denke, wenn er kommt, so wird er gewiß einen Schiebesack voll neuer Zeitung mitbringen.
EDWARD.
Mon Frère sehe doch, wer kommt denn dort in jener Gasse hergegangen?
FIDELE.
Wo denn?
EDWARD.
Sieht Er nicht? Dort!
[76]
FIDELE.
So wahr ich lebe, es ist der Herr Secretarius.
EDWARD.
Ich will's ja nimmermehr hoffen.
FIDELE.
Ja ja, es ist nicht anders, er ist's.
EDWARD.
Pfeife er ihm doch.
FIDELE
pfeift und winkt ihm.
EDWARD.
Kommt er?
FIDELE.
Ja, er kommt spornstreichs gelaufen.
EDWARD.
Nun wird's wacker was zu lachen sein.
FIDELE.
Ja, ziemlichermaßen.
7. Szene
Scena VII
Cleander zu den Vorigen.

CLEANDER.
Serviteur, Messieurs, Serviteur.
FIDELE.
Je Vôtre tres humbl. Willkommen, Herr Sekretär.
EDWARD.

Sie sein Willkomm, Monsieur, ich gratuliere mir, daß ich das Glück habe, dieselbe vor dieses Mal unbekannterweise auf der Gasse zu sprechen.

CLEANDER.
Monsieur, das Glück wird auf meiner Seiten sein, Sie hier aufzuwarten.
EDWARD.
Sie sagen von keiner Aufwartung nicht, sondern Ihr Befehl wird mein Wille sein.
FIDELE.
Ihr Herrn, komplimentieret ein andermal und lasset uns itzund von neuen Zeitungen reden.
CLEANDER.
Was zum Henker haben Sie denn mit Ihrem Haus-Frauenzimmer vorgehabt? Die Herrn sein wohl lose Gäste?
FIDELE.
Der Herr Secretarius zupfe sich selbst bei seiner Nase.
CLEANDER.

Ich habe mich bald närrisch gelacht, als ich den Brief gelesen habe. Was macht denn der Baron von Hüpelshausen? Ich will's ja nimmermehr hoffen, daß alles wahr ist, was er mir geschrieben hat.

EDWARD.

Monsieur hier hat mir den Brief selbst vorgelesen, den er an Sie geschrieben gehabt. Ich muß selbst attestieren, [77] daß nicht ein Wort drinne gesetzt ist, welches mit der Wahrheit nicht übereinstimmte.

CLEANDER.
Das von der Schminke auch?
EDWARD.
Alles.
CLEANDER.

Ei, ihr Herrn, so müssen Sie mir beistehen, wenn der närrische Kerl, wie spricht er: der Tebel hol mer? etwan mir in die Haare wollte.

FIDELE.
Der Sorge kann der Herr Secretarius vor diesmal überhoben sein.
CLEANDER.
Wieso?
FIDELE.
Er ist wieder in die Fremde gewandert.
CLEANDER.
Was ist es denn vor ein Kerl? Wenn ich ihn doch nur hätte sehen sollen.
EDWARD.

Wer ihn ansahe, der mußte gleich vor ihm erschrecken, so tyrannisch sahe er aus. Allein er liebte doch lieber die Tobakspfeife und einen guten Trunk Klebebier, als daß er hätte sollen Händel anfangen.

CLEANDER.
Wo ist er aber wieder zu?
FIDELE.
Er will Frankreich besehen.
CLEANDER.
So muß er doch brav Geld zu reisen haben.
EDWARD.
Es wird, halte ich davor, nun meistenteils alle sein.
CLEANDER.

Nun, ich habe mich bald töricht gelacht über die Possen; ich dächte aber, sie würden ja gesehen haben, was Hüpeljungen oder was Baronen und Edelleute wären.

EDWARD.
Nein, sie haben's nicht eher gemerkt, bis wir den Hüpeljungen die Kleider wieder ausgezogen haben.
CLEANDER.
Was sprechen sie aber nun?
EDWARD.

Wir wohnen nicht mehr da; allein, wie Monsieur Fidelen von einem guten Freunde ist erzählet worden, so will die Alte auf Revanche bedacht sein.

FIDELE.

Die Frau Schlampampe hat an einem Orte gesagt, sie wollte mir und meinem Edwarden einen Injurienprozeß an den Hals werfen, und wenn es auch erstlich in dreißig Jahren geschehen sollte.

CLEANDER.

O denn! Ist sie doch bald wie bei uns eine [78] Jungfer. Mit derselben hatte sich ein Kerl halb und halb verlobet, wie er aber siehet, daß das Mensch eine Närrin ist, läßt er sie sitzen und heuratet eine andere. Die hatte nun auch gemeint, sie wollte ihm einen Einspruch tun und wann's auch gleich erstlich in zwölf Jahren geschehen sollte.

EDWARD.
Ich will's nimmermehr hoffen.
CLEANDER.

Der Herr glaube nur, es ist gewiß geschehen. Allein was passieret denn nun jetzo im Güldenen Maulaffen?

FIDELE.
Jetzt gibt es bald noch närrischere Händel als mit den Hüpeljungen.
CLEANDER.
Sein denn die Leute ganz albern in Köpfen? Was ist denn nun wieder Neues?
FIDELE.

Der Herr Cleander denke nur, es ist schon vor einem halben Jahre die Rede gegangen, sie wollten sich adeln lassen, und die Mutter hätte ihnen einen Rittersitz in den Hof gebaut.

CLEANDER.
Ei, ich dachte!
EDWARD.
Monsieur gläube nur, daß es wahr ist.
FIDELE.

Wir haben solches selbst immer vor Possen gehalten, allein vor kam der Schlampampe Gevatterin zu mir und fragte, ob ich nichts Neues wüßte. Das Frauenzimmer im Güldenen Maulaffen hätte heute früh an den Ort reisen wollen, wo man die Leute adelt; sie hätten aber unterwegens die Karosse zerbrochen und wären zu Fuße ganz lahm wieder zu Hause gekommen.

CLEANDER.
Könnte man's auch wohl törichter und närrischer sich einbilden! Wer ist aber die Camille?
FIDELE.
Es ist der Schlampampe ihre Gevatterin.
CLEANDER.
Es muß auch denn die rechte sein.
EDWARD.
Ja, wer nur eine Linke darzu hätte!
CLEANDER.
Von wen hat sie es aber flugs erfahren?
FIDELE.
Der Hausknecht hatte ihr solches alles erzählet.
CLEANDER.
Was hat denn die Schlampampe vor einen Hausknecht?
EDWARD.

Er heißt Lorentz, es ist ein grundloser Schelm. [79] Was im Hause passieret, das trägt er unter die Leute; da kriegt er denn manchmal ein Trinkgeld.

CLEANDER.

Was meinen die Herrn, ob ich wohl hingehe und dem Frauenzimmer im Güldenen Maulaffen eine Visite gebe?

EDWARD.

Das stelle ich meinesorts Monsieur frei, allein ob er allda willkommen sein wird, kann ich nicht wissen; ja wenn die Schminke nicht täte.

CLEANDER.

Ja potztausend, jetzt denke ich allererst wieder an die Schminke. Nein, ich gehe nicht hin. Lassen Sie uns lieber sehen, wo ein Weinkeller ist und ein Glas Wein dafür trinken.

EDWARD.

Beliebet Monsieur mit auf meine geringe Stube zu sprechen und sich eine schlechte Ehre erweisen zu lassen, werde ich mich glücklich schätzen.

CLEANDER.

Ich sage Dank, Monsieur. Ich will Sie keine Ungelegenheit verursachen; belieben Sie aber sonst mit in einen Weinkeller zu gehen, da wollen wir einander noch allerhand Historien erzählen.

EDWARD.
Ich werde mich davon nicht ausschließen.
FIDELE.
Die Herrn folgen mir; ich weiß, wo guter Wein ist. Gehen ab.
8. Szene
Scena VIII
Schlampampe, Charlotte, Clarille, Däfftle, Schnürtzchen, Lorentz.

SCHLAMPAMPE.
Habe ich's euch nicht gesagt, ihr Rabenäser, daß es hernach so gehen würde?
CLARILLE.

Frau Mutter, höre Sie doch nur immer einmal auf, davon zu reden, und die Leute mögen sagen, was sie wollen, ich schere mich nichts drüm.

CHARLOTTE.

Wer hat's denn der klatschichten Camille flugs sagen müssen, daß sie es schon in der ganzen Stadt ausgetragen?

[80]
SCHLAMPAMPE.
Da kannst du nur deinen getreuen Kammerdiener fragen, wer ihr's gesaget hat.
LORENTZ.
Wie? Wer? Was soll der Kammerdiener gesagt haben?
SCHLAMPAMPE.

Hast du der Camille, meiner Gevatterin, nit gesagt, daß das Rad zerbrochen wäre, und es würde nun nichts draus aus dem Adeln?

LORENTZ.

Ich will die Camille zwar nicht schimpfen, allein wenn sie dieses mir nachsaget, so redet sie solches wie eine Staubbesenhure.

CHARLOTTE.

Vor den Hausknecht bin ich gut, daß er's nicht gesaget hat. Ich denke aber immer, Frau Mutter, Sie wird's selbsten nicht haben verschweigen können.

SCHLAMPAMPE.
So will ich keine ehrliche Frau sein, wenn ich mit einem Worte euch gegen sie erwähnet habe.
CLARILLE.

Frau Mutter, Sie schweige nur stille. Wenn man Ihr Maul nicht wüßte, Sie kann fürwahr nicht schweigen, und wenn's Halsabhacken anbetreffe.

SCHNÜRTZCHEN.

Was ist's denn nunmehr? Laßt die Leute reden, was sie wollen. Deswegen bleiben sie doch wohl ehrlicher Leute Kinder, die ihr gut Auskommen haben.

LORENTZ.
Es ist auch wahr, lasset sie reden, wenn sie nicht wollen die Mäuler halten.
DÄFFTLE.

Ihr Mädchen solltet aber der Frau Mutter nicht flugs so unhöflich antworten, und wann sie solches auch gleich zehnmal gesaget hätte.

CLARILLE.
Denkt doch! Hast du auch geredet?
DÄFFTLE.

Allezeit. Ich gönne euch's gar gerne, ich wollte, daß ihr von den Leuten nur wacker vexieret würdet, damit doch euer verfluchter Hochmut ein bißchen gedämpfet würde.

CLARILLE.
Frau Mutter, Sie verbiete Däfftlen sein lose Maul, oder ich werde sonsten was anders tun.
DÄFFTLE.
Würde ich mich vor den adligen Fräulein, als wie du bist, nicht fürchten?
[81]
SCHLAMPAMPE.
Da hörst du es; der kleine Junge ist zehnmal klüger als du.
CLARILLE.

Ei, so wollte ich, daß flugs was anders dreinschmisse, wenn ich mich von so einem Jungen noch darzu soll vexieren lassen.

SCHLAMPAMPE.
Ei, so laß ihn zufrieden, du Rabenaas du.
CHARLOTTE.
Frau Mutter, es sagt ihm aber niemand nichts, so kann er uns ja nur zufrieden lassen.
SCHLAMPAMPE.
So wahr ich eine ehrliche Frau bin, ihr habt mich mit eurem Schreien ganz sterbenskrank gemacht.
DÄFFTLE.

Frau Mutter, komme Sie nur herein und lege sich ins Bette, ehe Sie kränker wird, Sie sieht indem ganz blaß aus. Ich will mich zu Ihr legen.

CLARILLE.

Wer macht denn eben das Wesen und solch Spiel? Hielte Sie Ihr Maul und ließe dem Jungen seines auch halten, so würden wir uns manchmal nicht so mit Ihr zanken müssen.

SCHLAMPAMPE.
Nun, nun, gib dich nur zufrieden, du kannst mich bald loswerden.
SCHNÜRTZCHEN.
Ist Ihr nicht wohl, Frau Schlampampe?
SCHLAMPAMPE.

Ich weiß fast selbst nicht, wie mir wird; es ist nicht ein Haar anders, als wenn ich mit zwei Köpfen ginge.

SCHNÜRTZCHEN.
Lege Sie sich nur ins Bette, vielleicht wird Ihr besser.
SCHLAMPAMPE.

Komm herein, zieh mich aus, ich kann in Wahrheit nicht länger mehr offen dauren.Gehet mit Däfftle und Schnürtzchen ab.

CHARLOTTE.
Ob's denn ihr rechter Ernst ist, daß ihr nicht wohl ist, oder ob sie sich nur so stellet?
CLARILLE.

Wer weiß, was ihr ist, sie hat etwan, weil wir sind außen gewesen, mit dem Jungen ein bißchen zu viel getrunken, denn das Aas war ja blind voll.

LORENTZ.

Sonst hat sie immer so hübsche rote Farbe gehabt, jetzund aber sähe sie wie ein getemperiertes Apfelmus aus, daß ich mich selbst drüber verwundert habe.

[82]
CHARLOTTE.

Wir wollen doch hinein gehn und sehen, was ihr fehlet, damit wir, wenn es Not hätte, den Hausknecht flugs zum Doktor schicken können.

CLARILLE.
Verlaufe dich nicht weit, Lorentz, damit wir dich im Fall der Not flugs an der Hand haben.Gehen ab.
LORENTZ.

Ich werde nicht weit gehen. Je, ist das nicht eine Plappertasche, die Camille! Bedenke es nur ein Mensche, dahin zu gehen und meiner Frau flugs brühsiedenheiß solches wieder zu sagen. Treffe ich sie nur an, ich will ihr den Text lesen! Zu ihr was im Vertrauen gesagt und nimmermehr nicht mehr. Ja, wenn sie auch gleich schwüre, daß sie kohlrabenschwarz würde, so soll sie zeitlebens von mir wohl nichts wieder erfahren, was in unserm Hause passieren wird. Ich dachte immer, das Bad würde auf mich hinauslaufen, da meine Frau den vertrauten Kammerdiener erwähnete. Alleine, weil es noch so bei einem blauen Auge wegging, mag's noch gut sein. Ich muß doch wohl hinein gehn und sehen, was die ehrliche Frau Schlampampe macht. Ich will ja nicht hoffen, daß sie sich mit Däfftle wird gar zu Bette geleget haben; denn wenn sie krank ist, wird der Junge unfehlbar auch krank sein, und wenn ihm was fehlet, ist's der Frau hinten und vorne auch nicht recht. Ich wollte gerne sehn, wie der Junge seiner beginnen würde, wenn ihm die Mutter sterben sollte. Gehet ab.

3. Akt

1. Szene
Scena I
Schelmuffsky ohne Hosen, Rock und Hut.

SCHELMUFFSKY.

Es gehet mir auch, der Tebel hol mer, recht unglücklich mit meinem Reisen, ei Sapperment. Wäre ich doch nur bei meiner Frau Mutter geblieben, weil sie [83] mich ohndem so sehr bat, daß ich nicht von ihr ziehen sollte. So wäre ich doch nicht unter die Soldaten geraten. Meine Frau Mutter sagte mir's wohl, ich sollte mich vor den Soldaten in acht nehmen, allein ich lachte sie nur aus, weil sie solche närrische Einfalle hatte, und ich hätte mir eher was anders träumen lassen, als daß mir so viel Kerl in den nächsten Dornenbüschen auflauren sollten. Ja, wenn auch ihrer zehen gleich gekommen wären, so hätte ich bald mit sie wollen zurechte kommen; aber funfzig ist ja, der Tebel hol mer, zu viel auf einen Mann. Ich hätte endlich auch gesehen, wie ich mich von ihnen losgerissen, wenn ich nur einen rechten Degen an der Seite gehabt; allein, wer kann wider Unglücke. Sie haben mich, der Tebel hol mer, ausgezogen bis aufs bloße Hemde; nun will ich gerne hören, was meine Frau Mutter darzu sprechen wird. Sie wird trefflich bimmeln, wenn sie mich wieder neu kleiden soll, und so kann ich ja, der Tebel hol mer, nicht gehn. Dort kommt Lorentz, unser Hausknecht, ich will mich doch ein wenig verbergen und hören, wo er zudenkt. Versteckt sich.

2. Szene
Scena II
Lorentz mit einem Uringlase.

LORENTZ.

Dachte ich's nicht, sie würden alle beide im Bette anzutreffen sein, und wenn die Krankheit mit meiner Frau Schlampampe sich nicht ändern wird, siehet es sehr schlimm vor sie aus. Der arme Däfftle tut auch so kläglich über ihre Unpäßlichkeit, daß einer, wer den Zustand mit ansiehet, sich des Weinens unmöglich enthalten kann. Die Jungfern sitzen um das Bette herum und hängen die Köpfe, als wenn sie nicht drei zählen könnten, da doch ihre unnützen Mäuler das meiste zu ihrer Krankheit geholfen. Ich muß gestehen, daß die ehrliche Frau ihre Kinder recht lieb hat, wenn sie sich gleich vielmal mit ihnen bis auf das Schlagen gezankt. Schelmuffsky, der ihr doch so viel Herzeleid[84] angetan, nach demselben sehnt sie sich abscheulich auch und spricht, wenn er doch nur wieder zurücke käme, damit sie ihn vor ihrem Ende doch noch einmal sehen sollte. Die ehrliche Frau sollte mich fürwahr dauren, wenn sie vor die Hunde ginge. Aber wo zum Henker werde ich nun den Herrn Doktor antreffen? Da soll ich ihm meiner kranken Frau ihre geläuterte Tinktur zu besehen bringen und hören, wovon doch ihre Krankheit herrühren möchte, ob sie die Wassersucht oder die Schwindsucht hat. Lässet das Glas fallen. Ei, ei, ei, was mach ich; ach schade, schade, daß da ein Tröpfchen umkommen soll. Was nun anzufangen? Ich soll dem Doktor gleichwohl die Tinktur zeigen, und da liegt der Quark im Drecke. Lorentz, Lorentz, was wirst du deiner Frau wegen ihrer Krankheit doch immer und ewig vor Antwort von dem Doktor bringen?

Quid consilibus? Ich werde her sein und sehen, wo ich ein ander Glas bekomme und meine jüngferliche Tinktur anstatt der kranken Schlampampen ihrer hineinzapfen, solche dem Herrn Doktor hintragen und hören, was meiner Frau doch ihre Krankheit sein. Will abgehen.

SCHELMUFFSKY
kommt hervor und winkt.
Pst, Lorentz, ein Wort.
LORENTZ.
Ruft jemand?
SCHELMUFFSKY.
Höre doch!
LORENTZ.
Alle gute Geister loben ... Läuft davon.
SCHELMUFFSKY.

Der Tebel hol mer, der Kerl ist doch gar ein Narre. Wie ich jenesmal aus der Fremde kam, sahe er mich vor einen Bettler an, jetzt, da er mich kaum in zwei Stunden nicht gesehen, denkt er, ich bin gar ein Gespenste. Aber dort sehe ich die Jungemagd kommen; ich will doch sehen, ob die mich kennen wird. Versteckt sich wieder.

3. Szene
[85] Scena III
Schnürtzchen.

SCHNÜRTZCHEN.

Ist das nicht ein leichtfertiger Vogel, der Hausknecht? Er ist bald eine ganze Stunde weg und kommt noch nicht wieder. Ich dächte, es wäre ja unmöglich, daß er sich so lange bei dem Doktor aufhalten sollte, es wäre denn, daß der Doktor nicht zu Hause gewesen. Oder ist der Vogel etwan gar mit dem Glase gefallen und hat's zerbrochen?

SCHELMUFFSKY
im verborgenen.
Es kann, der Tebel hol mer, was dran sein.
SCHNÜRTZCHEN.
Wen höre ich denn reden und sehe gleichwohl niemand? Ruft. Lorentz!
SCHELMUFFSKY
kommt hervor.
Wie steht's, Jungemagd?
SCHNÜRTZCHEN.
Ach ihr Leute! Alle gute Geister! Läuft davon.
SCHELMUFFSKY.

Der Tebel hol mer, die Jungemagd ist ebenso ein Narre wie der Hausknecht. Ich würde ja vorm Sapperment sehen können, was ein Gespenst oder ein Mensch wäre. Ich muß doch nur vollends hingehen und sehen, was meine Frau Mutter Guts macht, weil sie sich indem, wie der Hausknecht sagte, so nach mir gesehnet hat. Geht ab.

4. Szene
Scena IV
Cratippo, Lorentz.

CRATIPPO.
Ich kann das Ding unmöglich glauben.
LORENTZ.
Ja, ja, Herr Doktor, glaubt's doch nur, sie ist sterbenskrank.
CRATIPPO.

Ihr habt aber gesehen, daß das Wasser in coctione ganz hell und klar schiene und nach des Galeni und Hippocratis Meinung ganz keine Krankheit zu spüren sei.

LORENTZ
ad Spectat.

Wenn ich nur das rechte Wasser [86] nicht hätte lassen in den Dreck laufen. Was gilt's, der Herr Doktor Cratippo würde anders schwatzen. – Aber Herr Doktor, ich dächte, man hätte doch zum wenigsten aus der Tinktur sehen können, wie der Patient im Leibe beschaffen sein müßte.

CRATIPPO.
Habe ich's Euch doch sattsam in meinem Hause gezeiget, daß derselbe Mensch etwas zu viel getrunken.
LORENTZ.
Es kann was dran sein.
CRATIPPO.
Und etwas Erschröcknüs gehabt.
LORENTZ.
Es kann auch sein, wie der Kammerdiener in Dreck fiel.
CRATIPPO.

Item, daß mit der Zeit ein Fieber draus entstehen könnte, wenn der Magen mit unverdaulicher Speise sollte beschweret werden.

LORENTZ.

Es ist gut, daß ich's weiß, so darf ich nicht mehr so viel rohe welke Rüben essen. Zum Doktor. Aber will denn der Herr Doktor nicht mit hingehen, damit er den Patienten nur selbst sieht?

CRATIPPO.
Ich hoffe, es wird nicht nötig sein.
5. Szene
Scena V
Schnürtzchen zu den Vorigen.

SCHNÜRTZCHEN.

Sage doch, Lorentz, wo dich der Henker so lange hat. Die Frau ist bald gestorben, sie liegt todkrank und wartet mit großem Verlangen auf des Doktors Hülfe.

LORENTZ.

Ich bin ja nicht schuld dran, daß ich nicht flugs bin wiedergekommen. Der Herr Doktor da ist schuld dran, daß er mich nicht eher abgefertigt hat.

SCHNÜRTZCHEN.
Ist das der Herr Doktor?
LORENTZ.
Freilich ist er's, frage ihn nur selber.
SCHNÜRTZCHEN.

Er verzeihe mir, mein Herr Doktor, will Er sich nicht einen Gang zu meiner Frau bemühen; sie liegt auf den Tod krank.

[87]
CRATIPPO.
Wie ich aber aus dem Wasser spekuliert habe, so fehlet dem Patienten gar nichts.
SCHNÜRTZCHEN.
Ei, das glaube ich gar wohl, da ist dieses Bürschchen schuld dran.
CRATIPPO.
Wieso?
SCHNÜRTZCHEN.

Der Vogel hat das Glas mit dem rechten Wasser auf der Gasse zerbrochen. Was er aber dem Herrn Doktor vor welches gezeiget, wird er am besten wissen.

CRATIPPO.

Ja, das ist eine andere Sache. Freund, von wem habt Ihr dieses Wasser, welches Ihr mir zu besehen brachtet?

LORENTZ.
Von mir selber.
CRATIPPO.
Warum habt Ihr mir's aber nicht gesagt, daß solches der Patientin ihrs nicht sei?
LORENTZ.

Ich vermeinte, Ihr sollet aus meinem können wahrsagen, was meiner Frauen ihre Krankheit wäre. Deswegen seid Ihr ja ein Doktor.

CRATIPPO.

Wenn ich der Doktor wäre, welcher aus Eurem oder aus eines andern Menschen seinem Urin judizieren könnte, was der Tertius der Secundus vor eine Krankheit hätte, so wäre ich ein kluger Mann: allein so muß der Doktor noch geboren werden, der diese Wissenschaft erstlich erlernen soll.

LORENTZ.

Ja, das habe ich nicht gewußt, aber sage mir doch, Schnürtzchen, wer das Ding nur flugs muß wiedergesaget haben, daß ich das Glas mit dem Wasser habe lassen in den Dreck fallen?

SCHNÜRTZCHEN.
Kannst du auch wohl raten?
LORENTZ.

Was will ich's raten können, da es keine lebendige Seele nicht gesehen hat, wie ich's zubrochen habe.

SCHNÜRTZCHEN.
Vor was bist du gelaufen auf der Gasse?
LORENTZ.

Ach, du Herzenkind, höre nur, wie mir's ging. Es pste mir jemand aus einem Winkel und wie ich mich umsähe, so stund ein schleierweißer Geist an einer Ecke. Da fing ich an: »Alle gute Geister.« Und lief spornstreichs davon.

[88]
SCHNÜRTZCHEN.

Derselbe Geist hat mich auch betöret, allein weißt du denn, wer's gewesen ist? Es ist kein Geist gewesen.

LORENTZ.
Was wäre es aber sonst gewesen?
SCHNÜRTZCHEN.
Es ist unser Schelmuffsky gewesen.
LORENTZ.
Ei, ich dachte, was mir sonst wäre; wo käme denn derselbe im weißen Hemde daher?
SCHNÜRTZCHEN.

Es ist gewißlich wahr, er ist wiedergekommen; die Soldaten haben ihn nicht weit von hier bis aufs Hemde ausgezogen und alles miteinander genommen. Der hat's eben gesagt, daß du das Glas zerbrochen hättest.

LORENTZ.

Ei, was du sagest, ist er ausgezogen worden? So geht's, wenn man den Eltern nicht folgen will, daß man weder Stern noch Glücke hat. Was spricht aber die Mutter?

SCHNÜRTZCHEN.
Was soll sie sprechen? Sie ist froh, daß sie ihn hat wieder zu sehen bekommen.
LORENTZ.
Hat er nicht schon brav aufgeschnitten wieder, was er unterwegens gesehen hat?
SCHNÜRTZCHEN.
Was sollte er denn aufgeschnitten haben? Ist er doch kaum zwei Stunden weg gewesen.
CRATIPPO.

Ja. Mädchen, wenn ich soll mit Euch hingehen und Eure Frau besuchen, so müsset Ihr bald machen, denn ich habe sonsten noch mehr Patienten abzuwarten.

SCHNÜRTZCHEN.
Ganz wohl, der Herr Doktor beliebe mir nur zu folgen, ich will Ihm den Weg weisen, wo sie liegt.
CRATIPPO.
Ganz gerne. Cratippo und Schnürtzchen gehen ab.
LORENTZ.

Nun sind wir doch alle fein wieder zu Hause; das ist artig, so fressen wir doch fein miteinander. Wir sind artige Kinder mit unserm Reisen, schade ist's, daß wir die Tour à la mode nicht längstens angestellt haben, so hätte sie Schelmuffsky können mit zu seiner gefährlichen Reisebeschreibung ...

6. Szene
[89] Scena VI
Camille.

CAMILLE
schlägt Lorentzen auf die Achsel.
Wie steht's, Lorentz, was haben wir guts Neues?
LORENTZ.
Es ist gut, daß Ihr mir in Weg kommt, denn ich habe längstens gerne gewünscht, mit Euch zu reden.
GAMILLE.
Wieso? Passiert wieder was?
LORENTZ.
Euch sollte man wohl mehr was Geheimes vertrauen.
CAMILLE.
Warum denn?
LORENTZ.
Darum, daß Ihr hingehen könntet und die Stadt davon voll machen, wie neulich.
CAMILLE.
Wieso denn?
LORENTZ.

Ihr Plappertasche, hättet Ihr nicht schweigen können, was ich Euch neulich vertraute. Jetzund sagte ich Euch nun wieder was Neues, allein so sollet Ihr einen Quark von mir erfahren.

CAMILLE.
Ich habe mit keiner Silbe dran gedacht, und die mir's nachreden, lügen's wie Huren und Schelme.
LORENTZ.

Ei gnug, daß Ihr's zu welchen gesagt habet, und die saugen mir's nicht aus den Fingern. Hättet Ihr nur fein reinen Mund gehalten, so sagte ich Euch auch itzunder, daß unser Schelmuffsky wäre von fünfzig Soldaten ausgezogen worden und daß er im bloßen Hemde wäre wieder zur Mutter gekommen. So aber sollet Ihr nicht eine alte Eselsdeute mehr von mir erfahren. Gehet ab.

CAMILLE.

Je, du einfältiger Tropf, willst du mir nichts mehr sagen und sagst's in deiner Dummheit doch. Lauf immer hin, ich weiß nun schon, was ich wissen will. Hört man nicht Händel? Ist der Sohn nun auch wiederkommen und haben ihn die Soldaten ausgezogen bis aufs Hemde? So gehen sie recht, nun sind sie doch fein alle wieder zu Hause. Die ehrliche gute Frau muß doch genug von ihren Kindern ausstehn. Sie ist zwar nicht zu klagen, warum hat [90] sie dieselben in der Jugend nicht besser gezogen. Ich habe vernommen, sie soll sehr unpaß sein, ich muß sie doch wohl itzund, wenn ich wieder vom Markte komme, besuchen. Gehet ab.

7. Szene
Scena VII
Schnürtzchen kömmt gelaufen.

SCHNÜRTZCHEN.

Je, daß es den Himmel erbarme, wo werde ich doch flugs einen Notarichs, oder wie es heißt, antreffen! Es wird mit meiner Frau alle Minuten schlimmer, sie will so gerne ein Testament machen lassen. Sonst hat immer einer in jener Gasse dort gewohnet, ich muß doch sehen, ob ich ihn ausfragen kann. Will abgehen.

8. Szene
Scena VIII
Lorentz.

LORENTZ
kömmt hintennach und ruft.
Schnürtzchen, Schnürtzchen, pst, komm doch wieder her.
SCHNÜRTZCHEN.
Nun, was hast du denn zu rufen, da du weißt, daß die Sache keinen Verzug leidet.
LORENTZ.
Je, laß dir doch sagen.
SCHNÜRTZCHEN.
Nun, was willt du denn?
LORENTZ.
Du sollst den Weg ersparen, und es ist gleich ein Notarichs kommen.
SCHNÜRTZCHEN.
Wer hat's ihm denn zu Wissen getan?
LORENTZ.
Es ist der Kerl, welcher sonst immer pflegt hin zu kommen.
SCHNÜRTZCHEN.
Ach, Herr Lerius wird's sein.
LORENTZ.

Ganz recht, derselbe Kerl ist's. Er sagte, weil er vernommen, daß die ehrliche Frau krank wäre, als hätte es seine Schuldigkeit erfordert, sie zu besuchen.

[91]
SCHNÜRTZCHEN.
Komm, laß uns doch hinein gehen, damit wir doch hören, was die Kinder alles vermacht kriegen.
LORENTZ.

Ja, du Herzenskind, es darf keiner bei dem Testamente von uns sein; sie hießen mich auch aus der Stube gehen. Es dorfte niemand drinne bleiben als der Herr Doktor, der Herr Notarichs, die Jungfern und Däfftle.

SCHNÜRTZCHEN.
Mußte Schelmuffsky auch herausgehen?
LORENTZ.
Freilich.
SCHNÜRTZCHEN.
Es ist Wunder, daß er's getan hat.
LORENTZ.

So viel als ich von ihm vernehmen kunnte, mußte er's, halt ich, wohl nicht gerne tun, er fluchte lästerlich und schmiß die Tür zu, daß alles schmetterte.

SCHNÜRTZCHEN.
Wer weiß, ob sie ihm gar was vermachen läßt, weil er indem das Seine schon weg hat.
LORENTZ.
Sie kann ihm doch das Mutterteil nicht vorbehalten.
SCHNÜRTZCHEN.
Ja, wenn er auch nichts schon drauf weg hätte.
LORENTZ.
Wenn gleich, von rechtswegen kann sie ihn doch nicht enterben.
SCHNÜRTZCHEN.
Man wird's wohl erfahren, wenn sie sterben sollte.
LORENTZ.
Ich zweifele, daß sie des Lagers wieder aufkommt.
SCHNÜRTZCHEN.
Was hilft's, sie muß doch einmal sterben, und wir ebensowohl auch.
LORENTZ.

Sie mag immerhin sterben, wenn ich und du nur leben bleiben, daß wir's erstlich auch versuchen, wie es im Stande der geflickten Hosen zugehet. Willst du mich aber noch haben?

SCHNÜRTZCHEN.

Davon ist nun jetzo nicht zu reden, es wird sich mit der Zeit schon geben. Komm, wir wollen ein bißchen an der Stubentüre horchen, was sie drinne reden.

LORENTZ.
Meinthalben, vielleicht vermacht sie uns auch was. Gehn ab.
9. Szene
[92] Scena IX
Camille.

CAMILLE.

Der Frau Gevatter ihr Hausknecht meinte zuvor, es würde es nun kein Mensch erfahren, daß ihr Sohn Schelmuffsky wäre wiedergekommen und daß ihn die Soldaten bis aufs Hemde ausgezogen hätten; so höre ich wohl, es reden schon alle kleine Jungen auf der Gasse darvon. Herr Edward und Herr Fidele wissen's auch schon, ich halte dafür, sie bringen's selber untereinander aus. Wie mir eine Frau da erzählete, so soll meine Frau Gevatterin noch sehr krank sein. Ich muß doch hingehn und dieselbe besuchen, sonst möchte sie mir's vielleicht vor eine Grobheit auslegen, wenn ich nicht zu ihr käme. Geht ab.

10. Szene
Scena X
Cleander, Fidele, Edward.

FIDELE.

Ich rate es dem Herrn Secretarius nicht, daß er hingehet, und zumal jetzo, da die ehrliche Frau sehr krank sein soll.

CLEANDER.
Der Kerl dürfte aber wohl denken, man steckte vor ihm Zitterfedern auf.
EDWARD.
Ach, es hat sich wohl. Er ist selbsten froh, daß ihn die Leute nur ungevexiert lassen.
FIDELE.

Weiß der Herr Secretarius was? Die Camille sagte vor zu mir, sie wollte die Alte besuchen, hernach zu mir kommen und alles erzählen, was da passierete.

CLEANDER.

So wollen wir es so lange dabei bewenden lassen. Wenn ich höre, daß es mit der Alten wieder besser ist, so will ich doch hingehen und hören, was sie sagen werden.

EDWARD.
Wie wird sich aber der Herr Cleander wegen seiner Schminke zu exkusieren wissen?
[93]
CLEANDER.
Dafür lasse der Herr mich sorgen, ich will das Ding schon zu karten wissen.
EDWARD.
Ei, daran zweifele ich gar nicht.
FIDELE.
Wenn der Fremde nun im Hemde dort sitzt, er wird den Herrn Secretarium gar nit sauer ansehen.
CLEANDER.
Haben denn ihm die Soldaten die Hosen auch ausgezogen?
FIDELE.
Ich halte, ja.
CLEANDER.
So hätte ich doch lachen müssen, wenn ich ihn im Hemde hätte sehen zur Stadt hereinkommen.
EDWARD.

Er wird wohl flugs früh oder bei Torschließen sein angestochen kommen, damit ihn die Leute nicht groß gesehen haben.

CLEANDER.

Ich werde ihn ja auch noch zu sehen bekommen. Aber wollen wir nicht dort hingehen, wie wir versprochen haben?

EDWARD.
Wie Monsieur beliebet.
CLEANDER.
So lassen Sie uns fein bald gehen.
FIDELE.
An mir lieget es nicht. Gehn ab.
11. Szene
Scena XI
Der Prospekt eröffnet sich: Der Schlampampe ihr Schlafzimmer, allwo sie mit Däfftle in einem Bettkorbe liegt, und stehen folgende um sie herum: Camille, Charlotte, Cratippo, Lerius sitzt an einem Tisch mit drei Zeugen, Schelmuffsky liegt im Hemde auf der Erden vor dem Bette, Lorentz, Schnürtzchen.

CRATIPPO.

Wie gesagt, meine Frau, wir können nichts weiter tun, als daß wir erwarten, wie diese Arznei anschlagen wird.

SCHLAMPAMPE
redet ganz kränklich.
Ach, wenn ich nur nicht so matt wäre.
CAMILLE.

Wie ist Ihr aber die Krankheit, Frau Gevatterin, so geschwinde angewandelt? Es fehlte Ihr ja vorhin nichts.

SCHLAMPAMPE.

Ich gebe es nichts anders als der Bosheit [94] und Eifer Schuld, denn wie vielmal ich mich über meine Rabenäser lebenslang erzürnet habe, das ist auf keine Kühhaut zu schreiben.

CLARILLE.

Ei ich dächte, wir hätten uns zehnmal mehr über sie erzürnet als sie über uns, und nun kann sie sagen, wir wären Ursache an ihrer Krankheit.

SCHLAMPAMPE.
Nun, nun, gib dich nur zufrieden, du wirst mich bald loswerden.
DÄFFTLE.
Nein, liebe Frau Mutter, Sie muß nicht sterben, hernach müßte ich alleine schlafen.
SCHLAMPAMPE.

Du herzer Sohn du, ich lebte freilich lieber, als daß ich sterben sollte; ich kann aber nit dafür, wenn der Tod nicht will.

DÄFFTLE.
Es ist wohl endlich wahr, Frau Mutter, wir müssen alle sterben, wenn Zeit und Stunde kommt.
CRATIPPO.
Der kleine Sohn redet gar klug.
LORENTZ.

Alleine, ginge es aber nicht an, wenn man dem Tode so ein paar gelbe Zahlpfennige in die Hadern schmisse, daß er etliche Jahr Nachsicht hätte?

LERIUS.

Ihr herzer Freund, wenn das anginge, so würde mancher noch am Leben sein, der jetzo schon längst vergessen ist.

SCHELMUFFSKY.
Der Tebel hol mer, ich wollte, daß ich schon tot wäre, daß ich nur von der Welt weg käme.
CHARLOTTE.
Frau Mutter, wie ist's dann itzo, wird Ihr denn nicht ein bißchen besser?
SCHLAMPAMPE.
Ach du herze Tochter, es wird immer schlimmer.
SCHNÜRTZCHEN.
Ihr Leute, wenn sie nur schlafen könnte; ich bin gut dafür, es würde sich ändern.
CRATIPPO.

Erweisen Sie mir den Gefallen und lassen Sie etwas mit Reden verschonet; vielleicht findet sich ein Schlaf.

LERIUS.
Ich hielte es auch vor den besten Rat.
CRATIPPO.

Indessen wünsche ich gute Besserung, meine Frau, und auf den Abend will ich Ihr wieder was verordnen, [95] auch, wann's meine vielfältigen Geschäfte zulassen wollen, einen Gang mit einsprechen.

SCHLAMPAMPE.

Es ist ganz gut, inmittelst sage ich Dank, daß der Herr Doktor mich besucht hat, und vor seine gehabte Müh soll er schon mit Dank kontentiert werden.

CRATIPPO.
Es hat nichts zu sagen. Geht der Herr Notarius mit?
LERIUS.

Ich bin doch hier nun auch nichts mehr nütze, ist doch ihr letzter Wille vollbracht. Hat sie aber mir noch was zu befehlen, meine Frau? Wo nicht, so will ich hiermit auch Abschied genommen haben und wünsche gleichfalls gute Besserung.

SCHLAMPAMPE.

Ich weiß ja nichts mehr, Er habe indessen Dank, daß Er mich besucht hat, und wegen des Testaments soll Er schon seine Gebühr zu gewarten haben.

LERIUS.
Es hat nichts zu sagen. Sie leben allerseits wohl.
CRATIPPO.
Ihr Diener allerseits. Geht mit Lerio aus dem Schlafzimmer.
CHARLOTTE UND CLARILLE.
Schönen Dank.
LORENTZ.
Großen Dank.
SCHNÜRTZCHEN.
Schönen Dank.

Das Schlafzimmer wird bedeckt.
12. Szene
Scena XII
Cratippo, Lerius.

LERIUS.
Was hält der Herr Doktor von der Krankheit?
CRATIPPO.

Die reine Wahrheit zu sagen, nicht viel Guts, und wenn sich's in einer halben Stunde nicht mit ihr bessert, so wollte ich hernach nicht einen Heller vor ihr Leben geben.

LERIUS.

Ich halte dafür, daß das gemeiniglich bei einer [96] kranken Person keine gute Anzeigung ist, wenn die Augen flugs so verfallen.

CRATIPPO.

Auch dieses nicht, sondern ich bin des Hippocratis Meinung, wenn der Patient große Hitze hat und braucht wieder dieselbe Medicamenta, daß die Hitze soll gedämpft werden, und sie verlieret sich gleich, so ist das eine gewisse Regul und wird nimmermehr fallieren, daß der Mensch keine zwei Stunden mehr lebet.

LERIUS.
Ist denn dieses bei der Frau Schlampampe approbieret und observieret worden?
CRATIPPO.
Deswegen zweifele ich an ihrer Genesung.
LERIUS.
Sonst heißt es aber bei denen Herren Medicis: Aegroto dum anima est, spes esse dicitur.
CRATIPPO.

Ja, wenn wir Medici allemal denen Patienten gleich zusagen wollten, wie manchmal gefährlich diese und jene Krankheit wäre, so würden sie uns schlecht affektionieret bleiben.

LERIUS.
Man wird ja sehen, was es vor einen Ausgang mit ihr gewinnen wird.
CRATIPPO.

Die Zeit wird's in einer Stunde lehren. Unterdessen lebe mein Herr wohl. Ich wollte gerne länger mich bei Ihm aufhalten, allein so habe ich einige Patienten in dieser Stunde noch abzuwarten. Drum muß ich eiligst gehen und Rezepte in die Apothecam schicken.

LERIUS.
Sie lassen sich nicht abhalten, mein Herr Doktor. Ich bin Ihr Diener.
CRATIPPO.
Großen Dank. Gehen an unterschiedlichen Orten ab.
13. Szene
Scena XIII
Schnürtzchen.

SCHNÜRTZCHEN.

Wo werde ich doch augenblicks den Herrn Doktor wieder antreffen, daß er geschwinde, geschwinde wieder hinkommt zu meiner Frauen. Es ist ihr ein [97] Steckfluß gefallen, daß sie schon nicht mehr reden kann. Ich glaube nicht, daß sie eine halbe Stunde mehr lebt.

14. Szene
Scena XIV
Lorentz kommt geschwinde gelaufen.

LORENTZ.
Schnürtzchen, du sollst geschwinde wieder zurücke kommen, der Doktor ist mög' nun nichts nütze.
SCHNÜRTZCHEN.
Wieso, ist's besser mit ihr worden?
LORENTZ.
Ach ja, es ist besser mit ihr worden. – Morixit.
SCHNÜRTZCHEN.
Was heißt denn das?
LORENTZ.
Du Närrichen, verstehest du denn kein Latein? Das heißt so viel: sie ist mause-, mausetot.
SCHNÜRTZCHEN.
Ich will's ja nicht hoffen, daß sie schon gestorben ist.
LORENTZ.

So wahr ich ein ehrlicher Kerl bin, tot ist sie. Ob sie nun aber auch mag gestorben sein, davon kann ich nun nicht sagen; aber das weiß ich gewiß, daß sie mausetot ist.

SCHNÜRTZCHEN.

Ach, ihr Leute, kann es nicht geschwinde flugs mit einem Menschen kommen! Was sprechen aber die Kinder?

LORENTZ.

Schelmuffsky, der arme Dieb, sitzt in der Hölle und heult wie ein kleiner Junge Rotz und Wasser. Er spricht, wenn sie nur noch so lange leben sollen, bis sie ihm ein Kleid hätte auf den Leib geschafft, daß er wieder hätte reisen können. Hernach hätte sie immerhin mögen sterben.

SCHNÜRTZCHEN.
Was spricht aber Däfftle?
LORENTZ.
Der will sich nun gar nicht trösten lassen.
SCHNÜRTZCHEN.
Wie wird's aber nun sollen gehalten werden?
LORENTZ.

Es sind schon ein Haufen Leute drinne von ihren Freunden und machen Anstalt, wie sie soll begraben werden.

SCHNÜRTZCHEN.
Sie werden sie doch wohl beisetzen?
[98]
LORENTZ.
So habe ich gehört, und das soll auf den Abend noch, wenn's möglich sein will, geschehen.
SCHNÜRTZCHEN.
Ach, es ist wahr, sie hat ein schön Begräbnüs draußen; da werden sie sie wohl hineinbringen.
LORENTZ.

Mich deucht, sie redeten davon, ich soll gleich jetzund hingehen und soll mir einen Flor auf den Hut holen. Du magst immer auch beizeiten hineingehen, daß du was zu trauren bekommest. Gehet ab.

SCHNÜRTZCHEN.
Ach ihr Leute, ich muß flugs hineinlaufen, sonst möchten sie mich vergessen.Geht ab.
15. Szene
Scena XV
Camille, Edward, Fidele, Cleander.

FIDELE.
Ich hätte mir das Ding nimmermehr eingebildet, daß die ehrliche Frau sterben würde.
CAMILLE.

Und ich hätte mir auch ehe was anders träumen lassen, als daß sie so geschwinde mit Tode abgehen sollte.

CLEANDER.
Was spricht aber der Tebelholmer?
CAMILLE.
Er meinet ja den Sohn, welcher in der Fremde ist gewesen?
CLEANDER.
Ja, den meine ich.
CAMILLE.
Ach, der arme Schelm sitzt in der Hölle und weinet die bittersten Tränen, daß er kein Kleid hat.
EDWARD.
Er wird nun schon wieder eins bekommen.
CAMILLE.

Freilich lassen sie ihm eins machen; allein auf den Abend wird er sich wohl mit einem geborgten derweile behelfen müssen, bis die Trauer fertig ist.

FIDELE.
Was soll er damit tun auf den Abend?
CAMILLE.
Sie soll beigesetzt werden.
CLEANDER.
Läßt sich's aber sobald mit ihr tun?
CAMILLE.
Ach ja, es wurde stracks Anstalt darzu gemacht. Der Sarg ist auch bald fertig.
FIDELE.
Lassen sie sie aber auch sehen?
CAMILLE.

Das wird wohl nicht geschehen, weil sie etwas [99] unscheinbar aussieht. Wollen die Herrn aber ihr Begräbnüs sehen, so können Sie auf den Abend mit hinaus gehen auf den Gottesacker, da werden sie die Leiche hineinbringen.

CLEANDER.
Wollen wir hinaus gehen?
FIDELE.
Ich gehe schon mit.
EDWARD.
Ich möchte ihre Sepultur selbst gerne sehen.
CAMILLE.
Ach, gehen Sie immer hinaus, es werden indem viel Leute aus der Stadt mit hinaus laufen.
FIDELE.
Wird denn keine Abdankungsrede dabei gehalten werden?
CAMILLE.
Ich habe auch davon gehört, der Präzeptor soll sie noch tun.
CLEANDER.
Gibt derselbe einen guten Orator ab?
CAMILLE.
Ich verstehe es nicht, ihr Herren.
FIDELE.

Er mag wohl was getan haben, man kann nicht wissen. Ich habe zwar dergleichen noch nicht von ihm gehöret.

EDWARD.
Ich wüßte mich's auch nicht zu entsinnen.
CLEANDER.

Sie sollten's dem Hausknechte auftragen, der würde wohl was herschwatzen, daß sie alle bei großem Leide lachen müßten.

FIDELE.
Wo muß denn der Vogel stecken, daß er sich nicht einmal blicken läßt?
CAMILLE.

Sie haben ihm Geld gegeben, er soll sich einen Flor im Gewölbe holen, daß er seine Frau auch betrauren kann.

CLEANDER.

Wenn wir ihn doch antreffen, wir wollten ihm eine Nase machen, daß er seiner verstorbenen Frau, wenn sie beigesetzt würde, die Abdankung tun sollte.

FIDELE.

Ich bin gut dafür, man dürfte ihm nur leichtlich was davon gedenken. Er unterstünde sich, solch Ding vorzunehmen.

16. Szene
[100] Scena XVI
Lorentz zu den Vorigen, in einem langen Flor auf dem Hute.

LORENTZ.
Nun wird es gar nicht an ein Trauren gehen.
CLEANDER.
Das ist er ja!
CAMILLE.
Ja, das ist der närrische Dieb.
LORENTZ.
Aus dem Wege, daß die Leute sehen, daß ich einen Flor auf dem Hute habe und meine Frau betraure.
CAMILLE.
Hört doch, Lorentz!
LORENTZ.
Was gibt's?
CAMILLE.
Der fremde Herr da wollte Euch gerne sprechen.
LORENTZ.
Ich habe itzund nicht Zeit, ich muß trauren. Gehet immer auf und nieder.
CLEANDER.

Hört, Freund, ich wollte nur dieses fragen, ob eine Abdankungsrede bei Eurer verstorbenen Frau Begräbnüs auf den Abend auch gehalten würde.

LORENTZ.
Was ist das vor ein Ding?
CLEANDER.
Das ist so eine Rede, die eine wohlberedte Person in einem langen Trauermantel verrichten muß.
LORENTZ.
Wie muß er aber sprechen?
CLEANDER.

Er redet die sämtliche Leichbegleiter an, bedankt sich im Namen der gegenwärtigen Leidtragenden und macht von ihrem Leben und Tode eine kleine Lobrede.

EDWARD.
Haben sie noch niemand, der es verrichten soll?
LORENTZ.
Ich weiß darzu noch keinen; allein, könnte ich's nicht wohl verrichten?
CLEANDER.
Warum nicht? Ihr solltet Euch vortrefflich darzu schicken.
LORENTZ.

Wißt Ihr was? Ich will mir unsern Präzeptor so ein Ding lassen aufsetzen und flugs auswendig lernen, so denken die Leute, ich schwatze solch Zeug alles aus dem Kopfe daher.

FIDELE.
Es ist wahr, so gehet es gut an.
LORENTZ.
Ich will flugs laufen und sehen, wo ich einen Trauermantel geborget kriege. Läuft ab.
[101]
CLEANDER.
Nun, ich lache mich doch närrisch, wenn sich der Kerl solch Ding unterstehet.
FIDELE.
Ich bin gut dafür, er tut's.
CAMILLE.
Wenn er's nur nicht der Jungemagd sagt, die ratet ihm von solchem Vornehmen ab.
EDWARD.
Wir werden ja sehen, wie es ablaufen wird. Es wird etwas dunkel.
CAMILLE.

Ja, ich muß wohl gehen, es wird schon alle finster, daß ich meine Sachen zu Hause zurechte mache, denn ich muß auch hinausgehen und ihr Begräbnüs sehen. Sie leben wohl, die Herrn. Geht ab.

FIDELE.
Sie im gleichen, Frau Camille, ich danke indessen vor gute Nachricht.
CLEANDER.

Ja, ihr Herren, wie wollen wir's halten? Speisen wir erstlich ein wenig oder wollen wir ein bißchen in der Stadt herumgehen, bis es wird Zeit sein, hinauszugehen?

FIDELE.

Wir wollen in einen Weinkeller gehen und uns die Zeit unterdessen mit einem Glase Wein vertreiben, bis es vollends Nacht wird.

CLEANDER.
Ich bin's auch zufrieden. Gehn ab.
17. Szene
Scena XVII
Lorentz in einem groß langen Trauermantel.

LORENTZ.

Ich denke ja, der soll mir lang genug sein, wenn ich die Abdankung meiner verstorbenen Frauen halten werde. Sie ist zwar unserm Präzeptor aufgetragen worden, er hat sich schon drauf geschickt gemacht, aber ich habe ihm die Abdankung gestohlen, weil er mir nichts aufsetzen wollte. Nun will ich ihm zuvorkommen und das Ding auswendig lernen, damit er's hernach nicht tun darf. Geht ab.


Der Schauplatz verwandelt sich, bei der Nacht, in einen Kirchhof mit vielen Gräbern, und im Prospekte präsentieret [102] sich der Schlampampe Sepultur annoch verdeckt. Es wird eine traurige Sonate gehöret, und kommen unter währender Musik viel Leute hervorgetreten, welche die Beisetzung mit sehen wollen; worunter Camille und Purpe sich auch mit einfinden. Nachdem die Trauermusik aufhöret, treten auf.
18. Szene
Scena XVIII
Edward, Fidele, Cleander.

CLEANDER.
Ich sehe wohl, es ist noch alle früh.
FIDELE.
Sie werden nun nicht lange mehr bleiben.
EDWARD.
Wie kommt's aber, daß das Begräbnüs noch zu ist?
PURPE
unter dem Volke.
Ihr Herrn, es wird nicht eher aufgemacht, bis sie drinne sein.
FIDELE.
Woher weißt du es dann?
PURPE.
Ich werde es ja wissen müssen, wofür wäre ich denn des Totengräbers sein Sohn?
EDWARD.

Wo wollen sie aber hineinkommen, wenn sie nicht eher aufmachen, bis sie drinne sein, wie du sprichst?

PURPE.
Sie gehen zur Hintertür hinein, damit nicht so ein Gedränge von dem Volke wird.
CLEANDER.

Das will ich glauben. Höre, Kleiner, ich will dir einen Dreier geben. Gib Achtung, wenn sie aufmachen, daß du uns solches hier sagest.

PURPE.
Ja, ich will's tun, aber Ihr müsset mir hernach auch den Dreier gewiß geben. Geht ab.
CLEANDER.
Du sollst ihn haben, sobald als du wiederkommst.
FIDELE.
Sieh da, Frau Camille, ist Sie auch hier?
CAMILLE.
Ich werde es ja auch mit sehen wollen.
CLEANDER.
Wie muß es denn mit dem Hausknechte wegen der Abdankung stehen?
[103]
CAMILLE.

Ach, ihr Herzenkinder, wie ich vorbei ging, so stund er in einem großen, langen Trauermantel im Hause und hatte einen Zettel in der Hand und murmelte immer mit sich selbst.

EDWARD.
Er wird ja nicht des Henkers sein und sich die Abdankung zu halten unterstehen wollen!
CAMILLE.
Er ging so protzig im Hause herum, als wann er was Rechts wäre.
CLEANDER.
Ich warte nur mit Schmerzen, wie es ablaufen wird.
19. Szene
Scena XIX
Purpe.

PURPE
kommt gelaufen und spricht zu Cleandern.

Herr, es wird itzund gleich aufgemacht werden. Die Trauerleute sind schon drinne mit der Leiche. Gebt mir auch nun meinen Dreier.

CLEANDER.
Hier, mein Sohn, da hast du einen, vernasche ihn auch nicht, sondern kaufe dir Zucker dafür.
PURPE.
Nein, ich will ihn wohl besser anlegen.
CLEANDER.
Woran willst du ihn denn legen?
PURPE.

Ich habe zu Hause eine kleine töpferne Sparbüchse, da stecke ich alle die Dreier hinein, wenn ich welche geschenkt kriege.

CLEANDER.
Was tust du denn damit?
PURPE.

Wenn ich nun gnug gesammlet habe, so gebe ich das Geld hernach meinem Vater, er muß mir einen neuen Rock davor machen lassen.

CLEANDER.

Du armer Schelm, so mußt du auch lange genug sammlen, ehe du zu einem Kleide Dreier zu Wege bringest.

PURPE.

Wer kann sich denn anders helfen? Und darzu wird's ja besser sein, wenn ich die Dreier aufhebe, als wenn ich sie vernaschte oder Zucker dafür kaufte.

[104]
EDWARD.
Der Junge, so klein als er ist, redet er in Wahrheit sehr gescheit.
PURPE.

Sehet, ihr Herrn, jetzt machen sie das Begräbnüs auf. Der Prospekt eröffnet sich und zeiget der Schlampampen Sepultur mit schönen Epitaphiis ausgezeichnet. Die Leidtragende stehen um die verdeckte Totenbahre herum, das Volk siehet zu.

CLEANDER.
Das Begräbnüs sieht sehr wohl aus.
FIDELE.
Es soll eines mit von den besten sein dieser Stadt.
CLEANDER.
Welches ist denn nun der Fremde, welcher den Secretarius hat prügeln wollen?
EDWARD
zeiget mit Fingern.
Jenes ist er, der dort oben stehet.
CLEANDER.
Sieht er doch bald aus wie der Kerl, der Eisleben soll angesteckt haben.
EDWARD.
Er siehet desperat gnug aus.
PURPE.

Wenn sich die Herren wollen im Begräbnüs hernach umsehen, wenn die Trauerleute heraus sein, so sagen Sie mir's nur, ich will's meinem Vater wissen lassen.

CLEANDER.
Es ist nicht nötig, wir können's schon hier gut genug sehen.
20. Szene
Scena XX
Lorentz im langen Trauermantel, Schnürtzchen in einem Kopfschleier.

LORENTZ.
Platz ein wenig, ihr Leute, daß ich Raum habe.
SCHNÜRTZCHEN.

Wenn du doch solche närrische Dinge nicht vornähmest, daß die Leute was zu lachen haben. Es muß wohl ein klug Mensche sein gewesen, der dir solches hat weisgemacht.

LORENTZ.
Schnürtzchen, tritt du doch nur auf die Seite und verstöre mich in meinem Konzepte nicht.
SCHNÜRTZCHEN.

Ich bitte dich drum, Lorentz, unterstehe dich doch nur nicht solcher Dinge, die dir nicht gehören, [105] und darzu ist unser Herr Präzeptor ja schon darzu bestellt, der die Abdankung tun soll.

LORENTZ.
Wann ich sie tu, darf er sie nicht tun, und laß mich nur zufrieden, daß ich anfangen kann.
SCHNÜRTZCHEN.
So folge nur deinem Kopfe, ich wollte, daß dich nur die Leute wacker auslachten.
LORENTZ.
Ei, lasse sie lachen, wenn sie nicht mit weinen wollen. Macht närrische Reverenze.
LORENTZ.
Ehrbare, wohlgeborne ... Macht wieder einen närrischen Reverenz.
CLEANDER.
Ei, das räumt sich auch zusammen.
LORENTZ.
Ehrenfeste und namhafte ...
FIDELE.
Der Anfang läßt sich gut an.
LORENTZ.
Vorachtbare und hochedele ...
EDWARD.
Er muß ein recht absonderlich Titularbuch haben.
LORENTZ.

Haltet doch die Mäuler, ihr Leute, daß ich mich im Titul nicht verstoße. Sie fangen alle an zu lachen.

SCHNÜRTZCHEN.
Ich bitte dich, schweige stille.
LORENTZ.

Ist doch der Titul nun bald aus, hernach soll's schon gehen. Halt doch – – – Wo bleib ich denn – – – Ach, jetzt fällt mir's wieder bei. Vorachtbare und hochedele – – – Vorachtbare und hochedele.

CLEANDER.
Es scheinet, als wenn er gar nichts mehr wüßte.
FIDELE.
Es kommt bald so heraus.
LORENTZ.
Vorachtbare und hochedele – – – wie auch – – – wie auch – – – wie auch weise, hoch- und wohlweise.
CLEANDER.
Wohlgegeben.
LORENTZ.

Und wohlweise Herrn. Im gleichen respektive – – – respektive ehrbare und wohlgeborene, ehrbare und wohlgeborene, tugendbegabte und tugendbelobte.

FIDELE.
Das mag noch hingehen.
LORENTZ.
Tugendbegabte und tugendbelobte Frauen und Jungfrauen.
EDWARD.
Das war doch noch ein Wort.
[106]
CLEANDER.
Ei, nun wird's schon besser gehn.
LORENTZ.
Daß der Tod – – – Ich sage, daß der grimmige Tod – – – daß der grimmige Tod – – –
CLEANDER.
Was wird er doch noch aus dem grimmigen Tode machen?
LORENTZ.
Ich sage, daß der grimmige Tod, daß der grimmige Tod – – – Sie fingen alle wieder an zu lachen.
21. Szene
Scena XXI
Holla, Lysander.

HOLLA.
Hört, Freund, wer hat Euch denn hieher berufen, daß Ihr die Abdankungsrede halten sollet?
LORENTZ.
Warum?
HOLLA.

Es kommt Euch gar nicht zu, daß Ihr Eure närrischen Grillen bei solcher Zeit auslassen wollet. Weg von der Stelle hier, daß der reden kann, dem es aufgetragen ist.

LORENTZ.
Ich habe aber nicht anders gedacht, man hat mir das Ding aufgetragen.
HOLLA.
Packet Euch nur Eurer Wege.
SCHNÜRTZCHEN.
Habe ich dir's nicht gesaget, daß es so ablaufen würde?
LORENTZ.
Kann ich doch wohl stille schweigen.
HOLLA.
Er beliebe anzufangen.
LYSANDER
macht ein Kompliment gegen die Herren Leichbegleiter und redet.

Daß der grimmige Tod sowohl an vornehmer und reicher Leute Häuser klopfe als an des geringsten und armseligsten Bettelmanns Türe, hat der vor viel hundert Jahren wohlbekannte Heide Horatius folgendes nicht unrecht gesprochen: Pallida mors aequo pulsat pede pauperum tabernas Regumque turres. Und sollte ja jemand, wie ich nicht hoffen will, bei gegenwärtiger hochschätzbaren Trauerversammlung dieses Gedichtes einen Beweistum oder Exempel verlangen, so kann derselbe nur gegenwärtige verdeckte Totenbahre sich zu einem gnugsamen [107] Exempel oder Beweistum dienen lassen, ich meine auf derselben, die weiland wohledele, hoch ehr- und tugendbegabte Frau Schlampampe, gewesene Gastwirtin im Güldenen Maulaffen. War dieselbe nicht vornehmer und ehrlicher Leute Kind? Hatte sie nicht ein stattliches und gutes Auskommen? Führte sie nicht allzeit den Titul einer christlichen und aller Welt bekannten ehrlichen Frauen? Lebte sie nicht mit jedermann in höchster Vertraulichkeit und Freundschaft? War sie nicht eine vortreffliche Zuchtmeisterin ihrer sehr wohlgezogenen Kinder? Wurde dieselbe nicht wegen ihrer allzu großen Verschwiegenheit von jedermann gerühmet und gelobet? Daß auch ein jedweder höchst Verlangen trug, in dero Bekanntschaft zu sein, und mußte gleichwohl (leider) in der schönsten Blüte ihrer Jahren, als wie die elendeste und notleidendste Bettelfrau, dem grimmigen Tode so unverhofft und plötzlich zuteile werden. Als dorten – – – als dorten jener Spanier – Hustet. –, als dorten jener Spanier ... Hält etwas inne.

LORENTZ.
Der Herr Präzeptor kömmt bald auf meinen Schlag.
LYSANDER.

Als dorten jener Spanier – – – als dorten jener Spanier, Langet das Konzept heraus, blättert darin. als dorten jener Spanier – – –

HOLLA
heimlich.
Der Herr schließe nur, wenn's nicht gehen will.
LYSANDER.

Als dorten jener Spanier – – – als, sage ich, ist mir im Namen der höchst Leidtragenden Ihnen, allerseits hochschätzbare Leichbegleiter, vor so große Bemühung dienstlich gehorsamsten Dank abzustatten befohlen worden. Es wünschen dieselben nichts mehr, als nur Gelegenheit zu haben, jedoch bei fröhlicher Begebenheit ihr dankbares Gemüte hinwiederum sowohl schuldigst als dankbarlich zu erweisen. Gehet mit Holla ab.


Die Sepultur wird bedeckt, und das Volk verläuft sich wieder.
LORENTZ.

So mag's doch noch gehen, allein mich deucht, der Herr Präzeptor ließ wohl in der Mitten was außen, [108] denn er blätterte, er blätterte, und wußte nicht, wo er geblieben war.

CLEANDER.

Wenn sie Euch nur hätten reden lassen! Ob's gleich im Anfange ein bißchen schwer herginge, wenn's zum Ende wäre gekommen, würde sich's hernach schon geweist haben.

LORENTZ.

Ei freilich, ob gleich der Titul und der Anfang nicht wohl fließen wollte, wenn's aber wäre zum Schlusse gekommen, hätte es schon gehen sollen.

FIDELE.
Ja, es fehlt manchmal wohl dem Gelehrtsten, daß er mitten in der Rede steckenbleibet.
CAMILLE.
Gehen die Herren wieder mit in die Stadt?
EDWARD.
Hier werden wir wohl freilich nicht bleiben.
SCHNÜRTZCHEN.
Komm, Lorentz, wir wollen auch gehen, damit wir zu Hause die Stühle und Bänke wieder wegschaffen.
LORENTZ.
Gleich will ich mitgehen.
EDWARD.
Reiset Monsieur Cleander morgen wieder fort?
CLEANDER.
Mit dem allerfrühsten.
FIDELE.
So kann der Herr Sekretär nun was Neues mit nach Marburg bringen.
CLEANDER.
Weil meine Augen offen stehen, werde ich an die ehrliche Frau Schlampampe gedenken.
FIDELE.
Es nimmt mich wunder, daß keine Carmina seind gedruckt worden.
CLEANDER.
Ja, wo hat es so geschwind sein wollen, in einem Tage, es hätte sich ja unmöglich tun lassen.
EDWARD.
Wenn ihre Gedächtnüspredigt wird gehalten werden, dürften sie wohl nachkommen.
CLEANDER.

Wenn welche gedruckt werden, so werde ich Monsieur Fidelen bitten, daß er mir solche nach Marburg sendet.

FIDELE.
Ganz wohl, mein Herr Sekretär.
CAMILLE.
Wollen die Herren mit, so kommen Sie, ich gehe.
CLEANDER.
Hier wird doch nun wohl nichts mehr zu sehen sein.
[109]
EDWARD.
Auf dasmal wohl nicht.
CLEANDER.
So lassen Sie uns gehen und der ehrlichen Frauen hier das Geleite geben.
FIDELE.
Wie dem Herrn Sekretär beliebet.

Edward, Fidele und Cleander gehen mit Camillen ab.
SCHNÜRTZCHEN.
Worauf sollen wir denn warten?
LORENTZ.
Gleich will ich mitgehen.
SCHNÜRTZCHEN.
Was hast du nun wieder vor Schelmstücke in deinem Kopfe, daß du so drauf dichtest?
LORENTZ.
Ich wollte nur dieses sagen, Schnürtzchen, hast du nicht ein bißchen Kreide?
SCHNÜRTZCHEN.
Was willst du denn mit der Kreide machen?
LORENTZ.

Ich habe was ausgesonnen, das wollte ich dort noch zu Ehren meiner verstorbenen Frau an die Begräbnüstür schreiben. Hast du welche?

SCHNÜRTZCHEN.
Ich habe fürwahr keine bei mir.
LORENTZ.
Ei, so will ich's auch nun bleiben lassen.

Weil demnach sanfte ruht die ehrliche Schlampampe,
so geht ihr Leute nur fein wiederum zu Haus.
Und wenn der Tod auslöscht uns unsre Lebenslampe,
hernach ist's mit uns auch wie dieses Schauspiel aus.
Ende

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TextGrid Repository (2012). Reuter, Christian. Dramen. Der ehrlichen Frau Schlampampe Krankheit und Tod. Der ehrlichen Frau Schlampampe Krankheit und Tod. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8D5F-4