[87] Die Pfarrerköchinn und Schuster Veit

Der Inhalt ist aus einer alten Chronik.


Wien im Christmond 1781.


Ein Sohn des heil'gen Benedikt,
Herr Pfarrer Ambros Dinkel,
Soff wacker drauf, und unverrückt
Lag sein Brevier im Winkel.
Ja, was dem Bauernvolk durchaus
Nicht in die Köpfe wollte,
Er lebte mit der Magd im Haus
Vertrauter, als er sollte.
Doch murrte man auch noch so sehr,
So war doch alles eitel;
Er liebte seine Köchinn mehr,
Als selbst den Klingelbeutel.
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Es gab auch in der Gegend da
Kein Kind, wie Jungfer Lene:
Wer im Vorbeygehn nur sie sah,
Dem wässerten die Zähne.
Es strotzten, von Gesundheit voll,
Der Dirne rothe Wangen:
Die Brust zersprengte, wenn sie schwoll,
Oft fast die Miederspangen.
Was es noch ferner schönes gab
Vom Kopf bis zu den Füssen,
Das würde, läg' er nicht im Grab,
Der Pfarrer besser wissen.
Denn Lene traun! liess ihrem Herrn
Nicht allzuhart geschehen;
Sie liebt' ihn. Zwar er keifte gern:
Allein beym Schlafengehen
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Ward Lenchen nach Verdienst gerühmt,
Und man verglich sich wieder:
Sie legten, wie es Christen ziemt,
Nie unversöhnt sich nieder.
Doch Liebe, Glück und Einigkeit
Sind, wie des Hofes Gnaden,
Von kurzer Dauer. Schuster Veit,
Ein Kerl mit derben Waden,
Der sich auf's Schäkern wohl verstund,
Gieng Dinkeln in's Gehäge,
Und machte wohl nicht ohne Grund
Des Pfarrers Argwohn rege.
Lass, schrie der Pfaff' oft ungestüm,
Lass mir den Schuhknecht, Mädel!
Sonst jag' ich eine Kugel ihm,
Glaub's sicher! durch den Schädel.
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Wie magst du doch, dem Galgenstrick
Und seinen Narrenpossen
Zu Liebe, dein gewisses Glück
Mit Füssen von dir stossen?
Doch stumpf war seine Redekunst;
Sie lässt durch seine schwachen
Schreckmittel keinen blauen Dunst
Sich vor die Augen machen.
Veit gilt, so sehr der Pfarrer schmäht,
Doch (mit Respekt zu sagen)
Mehr als die Herrn von A bis Z,
Die schwarze Röcke tragen.
Einst schleppte Pater Dinkel sich
Von einem Festtagssehmause,
Wie leicht zu denken, kümmerlich
Zu seiner Magd nach Hause.
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Sein Bisschen Klugheit, deren Last
Ihn niemals viel gedrücket,
War, bis auf's letzte Quentchen fast,
Im Traubensaft ersticket.
Indess schlich Veit in's Pfarrhaus hin.
Was Veit und Lene thaten,
Wird, ohne mich zu Rath zu ziehn,
Der Leser leicht errathen.
Mit einem Wort, es gab so viel
Zu schwatzen und zu küssen,
Dass keins von beyden drauf verfiel,
Das Hausthor zuzuschliessen.
Durch diess Versehn kam ungehört
Mein Pfarrer in die Stube:
Hab' ich zur Unzeit dich gestört,
Rief er, vermessner Bube?
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Dem Schuster ward nicht wenig heiss,
Doch heisser noch dem Pfaffen:
Er sprach: verfluchtes Hundsgeschmeiss!
Ich will mir Ruhe schaffen.
Schnell lief er weg, und kam voll Wuth
Mit einem Terzerole.
Wo, schrie er, ist die Henkersbrut?
Dass ihn der Teufel hole!
Doch Veit, der von des Pfarrers Zorn
Nichts gutes sich versprochen,
War fort, und hatt' in's nahe Korn
Indessen sich verkrochen.
Du Hure! sprich, ist das mein Lohn?
Fuhr Dinkel fort zu schelten,
Wo ist er? Halfst du ihm davon,
So magst nun du's entgelten!
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Sie weint' und bat. Umsonst! er schoss
Sie durch's Gehirn: die Dirne
Sank todt dahin, und rauchend floss
Das Blut ihr von der Stirne.
Zur wohlverdienten Strafe glaubt
Ihr nun für sein Vergehen
Vielleicht des Thäters Hand und Haupt
Auf's Rad gepflanzt zu sehen.
Ihr irrt. Es ward der Kirchenrath
Zum Richter ihm bestimmet,
Und so ward, trotz der schwarzen That,
Kein Härchen ihm gekrümmet.
Denn wie mein alter Oheim spricht,
Auf den ich trau' und glaube,
Ein Geyer hackt den andern nicht,
Es wäre denn beym Raube.
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Des Mörders Strafe war, ein Jahr
Kein Pfarramt zu verwalten,
Und sich von Kanzel und Altar
Und Beichtstuhl zu enthalten.
Veit unterdess auf Monatsfrist
Zum Arbeitshaus verdammet,
Weil er die Magd durch Zauberlist
Zu geiler Brunst entflammet,
Schrie fruchtlos von Partheylichkeit
Und Tyranney der Pfaffen,
Und schwur, sich selbst in kurzer Zeit
Am Pfarrer Recht zu schaffen.
Gesagt, gethan. Als Dinkel sich
Einst durch den Gottesacker
Mit Schaudern nächtlich heimwärts schlich,
Kam Veit, und rief: du Racker!
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Suchst du vielleicht, wo Lene ruht?
Hier, mörderischer Drache!
Hier ist ihr Grab, hier schreyt ihr Blut
Zum Himmel laut um Rache.
Versöhne denn, so gut du kannst,
Mit Gott dich, und erwecke
Nun Reu' und Leid! denn lebend, Wanst!
Kömmst du mir nicht vom Flecke.
Als Dinkel drob sich sträubte, stach
Veit stracks ihn durch die Kehle.
Er sank dahin, sein Auge brach,
Und zückend schied die Seele.
Veit hatte zwar sich nach dem Mord
Zu flüchten nicht geweilet;
Er wanderte von Ort zu Ort:
Allein so schnell er eilet,
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Gelingt's doch einem alten Weib,
Den Flüchtling auszuforschen,
Und sieh! man fällt den Schluss: sein Leib
Soll auf dem Rad vermorschen.
Kaum wurde diess ihm kundgethan,
So schrie er: seyd ihr Richter?
Nein, Buben seyd ihr Mann für Mann!
Nicht wahr? ihr Bösewichter!
Des Pfaffen That war gut und recht?
Der wusst' euch zu bestechen:
Allein mich armen Schusterknecht,
Mich wollt ihr radebrechen.
Und doch war er des Hochgerichts
Weit würdiger, der Schächer!
Er war ein Mörder: ich bin nichts.
Als eines Mordes Rächer.
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So tobte Veit. Das Volk erfuhr
Des Delinquenten Schreyen,
Strömt' auf das Rathhaus los, und schwur
Den Schuster zu befreyen.
Man sucht' umsonst durch Flehn und Drohn
Des Pöbels Wuth zu kühlen:
Das aufgebrachte Volk drang schon
Bis zu den Richterstühlen.
Siegprangend ward vom Pöbel nun
Ein neuer Rath bestellet,
Und, um dem Volk genugzuthun,
Veits Urtheil so gefället:
Es werde, weil, was Veit verbrach,
Der Pfarrer auch verbrochen,
Das Urtheil, das man Dinkeln sprach,
Auch Veiten nun gesprochen!
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Der Pfarrer durft' ein Jahr Altar
Und Beichtstuhl nicht verwalten:
So soll denn Veit sich auch ein Jahr
Der Schusterey enthalten!

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TextGrid Repository (2012). Ratschky, Joseph Franz. Die Pfarrerköchinn und Schuster Veit. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8D23-8