[209] Der keusche Einsiedler Pachon

Der Inhalt ist aus der Legende der Heiligen.


Saubersdorf im Steinfeld im Herbstmond 1785.


Zu oft schon leider! hab' auch ich
Der Mönche Kunden freventlich
Bisher bezweifelt und bewitzelt.
Ihr andachtsvollen Herrn und Fraun,
Vergebt mir's! von des Teufels Klaun
Ward, was ich schrieb, mir vorgekritzelt.
Doch reuig leg' ich mich zum Ziel:
In Zukunft soll aus meinem Kiel
Gewiss kein arges Wort mehr triefen.
Von wahrem Eifer angefacht,
Will ich von nun an Tag und Nacht
In Kochems Schriften mich vertiefen.
[210]
Dank sey dir, Fast! dein Unterricht
Erfüllte meinen Geist mit Licht:
Bussfertig küss' ich dir die Hände
Zum Zeichen meiner Huldigung.
Die Ächtheit meiner Besserung
Bewährt dir folgende Legende.
In einem öden Zedernhain
Wählt' einst auf einem Felsenstein,
Bewohnt von Schlangen und von Drachen,
Sich Pachon, der Anachoret,
Ein Plätzchen, um durch sein Gebet
Verjährte Sünden gutzumachen.
Der Eingang in die Felsenkluft,
Worin er, wie in einer Gruft,
Sich einschloss, mass kaum eine Elle.
Ein Kreutz, ein Betstuhl und ein Paar
Vermorschter Todtenköpfe war
Der ganze Hausrath seiner Zelle.
[211]
Ein enges härnes Wamms zerrieb
Ihm mit der Haut zugleich den Trieb
Zur Unzucht und zu bösen Lüsten.
Er als nur Wurzeln, und genoss
Sie nie aus Essgier, sondern bloss
Sein Büsserleben sich zu fristen.
Durch diese strenge Disciplin
Bracht' es der heil'ge Mann dahin,
Das geile Fleisch im Zaum zu halten.
Umsonst versuchte Lucifer,
Der Erbfeind frommer Büssender,
Ihn unter mancherley Gestalten.
Einst abends um die Vesperzeit
Stellt', in das schönste Frauenkleid
Aus Satans reicher Garderobe
Vermummt, ein junges Teufelchen
Von schlankem Wuchs des heiligen
Waldbruders Keuschheit auf die Probe.
[212]
Es trat die saubre Höllenbraut
Als Negerinn mit schwarzer Haut,
Die von Natur den Höllenschaaren
Gemein ist, zur Klausur hinein.
Man sagt, dass damals allgemein
Die schwarzen Damen Mode waren.
Erst suchte sie durch dreisten Scherz
Und freche Zoten Pachons Herz
Vom Weg der Tugend abzuleiten,
Und dann, als unser Eremit
Der Dirne kein Gehör gab, schritt
Sie zu den kühnsten Thätlichkeiten.
Mit schlauem Lächeln setzte sie
Sich auf des spröden Klausners Knie,
Strich buhlerisch ihm Kinn und Wangen,
Und hielt mit geilem Ungestüm
Ihn fest umschlungen, um von ihm
Durch Raub ein Schmätzchen zu erlangen.
[213]
Doch Pachons nervenvolle Hand
Vertrieb dem kühnen Höllenbrand
Mit ein paar wackern Backenstreichen
Die Lüsternheit nach einem Kuss,
Und zwang durch diesen derben Gruss
Das schwarze Fräulein zu entweichen.
O frommer Jüngling, spiegle dich
An diesem Beyspiel! Ritterlich
Verfocht der strenge Mann die Tugend.
Wenn sich ein schönes Kind dir naht,
So schütz' auch du, wie Pachon that,
Mit Backenstreichen deine Jugend!
Wenn dich auch drob die böse Welt
Vielleicht für ungesittet hält,
So schweig, und lass dich's nicht verdriessen!
Wer nach der Gunst des Himmels strebt,
Darf, weil er jener Welt nur lebt,
In dieser nicht zu leben wissen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ratschky, Joseph Franz. Gedichte. Gedichte. Der keusche Einsiedler Pachon. Der keusche Einsiedler Pachon. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8CFD-A