[129] An meine lieben Freunde Blumauer und Prandstetter

Przemysl im Heumond 1783.


Seyd mir gegrüsst! Wie lebt ihr, meine Freunde,
Seit ich im Land der wilden Lechen bin?
Bringt ihr, vereint in friedlicher Gemeinde,
Den Abend noch mit Vater Bachus hin?
Ist euer Kreis noch stäts an süssen Schwänken,
An Liederchen und Epigrammen reich?
Liebt ihr mich noch, und ist mein Angedenken
Noch unentweiht und heilig unter euch?
Nun denn, ihr Herrn! hier send' ich euch zum Pfande,
Dass euer Freund sein Handwerk nicht vergisst,
Diess Pröbchen zu, gereimt in einem Lande,
Das wahrlich nicht der Musen Heimath ist.
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Trägt hie und da ein Verschen einen Flecken,
So fegt ihn aus, wenn's eurer Feile glückt:
Doch fügt es sich, dass ihr an allen Ecken
Geistlosigkeit und lahme Vers' erblickt,
So zücket kühn den Recensentensäbel;
Ein schlecht Gedicht verdienet keine Huld.
Nur meiner schont! an meines Geistes Nebel
Ist bloss der Dunst des dicken Klima Schuld.
Drum mässigt euch! des Dichters Flamme lodert
Am Ister selbst in eurem attischen
Revier noch schwach: zum Geyer! und ihr fodert
Horazens Geist hier in Böozien?
Doch diess beyseit'! Erzählt mir, was hanthieren
Die Skribler Wiens? was macht die Bonzenzunft?
Verheert die Flut tollsinniger Broschüren
Noch immerhin die Früchte der Vernunft?
Wird viel vom Gräul des jüngsten Tags gepredigt,
Und Witzlingen die Hölle heiss gemacht?
Hat Pochlin sich die Lunge schon beschädigt,
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Und ist zeither kein neuer Fast erwacht?
O ganz gewiss! denn eure Kanzelhelden
Sind stäts bereit zum geistlichen Turnier.
Da lob' ich mir, nicht ohne Ruhm zu melden,
Die Priesterschaar der Russniaken hier.
All das Gezänk um lächerliche Grillen,
Wodurch bey euch sich Pater Zipf und Zopf
Ihr Kürbisshaupt mit Hirngespinnsten füllen,
Erhitzet nie des trägen Popen Kopf.
Ihm gilt es gleich, was eigentlich das Manna,
Ob's Butterteig, ob's Pfefferkuchen war:
Nach welchem Schnitt die badende Susanna
Ihr Hemdchen trug, macht ihm kein graues Haar:
Er zankt sich nicht, um wie viel Simsons Wade
Mehr Pfunde wog, als ein Philisterwanst,
Ob David auch, als er der Bundeslade
Nachtaumelte, mitunter deutsch getanzt.
Sagt, was ihr wollt, er füttert Gäns' und Enten:
Und hört euch nicht; sein Dorf ist ihm die Welt,
Er lebt vergnügt, wenn er nebst seinem Zehnten
Nur hie und da ein Stückchen Huhn erhält.
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Was kümmern ihn polemische Gezänke?
Der theure Hirt, in schmutziges Gewand
Gehüllet, sitzt in einer Judenschenke,
Das Brandweinglas in seiner braunen Hand.
Hier trägt der Mann Gesetz und Sittenlehre
Dem Volke vor: er predigt, schreyt und trinkt,
Bis er, geschwächt vom Eifer für die Ehre
Des Christenthums, vom Stuhl hinuntersinkt.
Hier, wenn der Schwarm der Bauern, aufgewiegelt
Vom Brandweindunst, zum Knotenstocke greift,
Wird oft zuletzt der Pope derb zerprügelt,
Und jämmerlich vom Kampfplatz weggeschleift.
Doch gnug, ihr Herrn! mein Lied hat nun ein Ende;
Denn sieh! schon schwebt auf hellgestirnter Bahn
Der Mond einher, streut auf der Berge Wände
Sein Silberlicht, und spiegelt sich im San.
Wie öd' und still ist alles! Frösch' und Kröten
Sind nur noch wach, und singen ihren Chor.
So lebt denn wohl! auch mir ist Ruh vonnöthen;
Denn noch steht mir ein weiter Weg bevor.

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TextGrid Repository (2012). Ratschky, Joseph Franz. An meine lieben Freunde Blumauer und Prandstetter. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8CD0-C