[3] Karl Wilhelm Ramler
Oden

An den König

1766.


Friedrich! du, dem ein Gott das für die Sterblichen
Zu gefährliche Loos eines Monarchen gab,
Und, o Wunder! der du glorreich dein Loos erfüllst,
Siehe! deiner von Ruhm trunkenen Tage sind
Zwanzigtausend entflohn; ihnen folgt allzubald
Jedes Denkmaal von dir: alle die Tempel, der
[3]
Götter! wäre doch ich dieser beneidete
Barde! selber zu schwach, aber durch meinen Held,
Und die Sprache gestärkt, die wie Kalliopens
Tuba tönet: wie weit liess ich euch hinter mir,
Sänger Heinrichs! und dich, ganze Zunft Ludewigs.

[4] An den Apoll

Bey Eröffnung des Opernhauses zu Berlin.


Apollo! (denn dir hat Friedrich den Tempel
Aus Stufen erhöht, mit Säulen umpflanzet,
Und deinen Spielen eingeweiht:
Melpomene singt in Eratons Laute,
Terpsichore tanzt in Waffen, im Schleyer,
Dir menschliche Geschichten vor;)
[5]
Vergönne doch auch der süssen Cythere
Den Zutritt, und o! dem freundlichen Amor,
Der leichtgerüstet vor ihr hüpft!
Den Grazien, die der Gürtel entbehren,
Der Suada, mit hold einladenden Lippen,
Und allem jungen Göttervolk!
Komm, munterer Witz, und Muthwill, und Lachen,
Und artiger Trotz, und fröhlicher Leichtsinn,
Und du, schalkhafter kleiner Scherz!

[6] Amynt und Chloe

Ich bins, o Chloe! fleuch nicht mit nacketem Fuss
Durch diese Dornen! fleuch nicht den frommen Amynt!
Hier ist dein Kranz, hier ist dein Gürtel!
Komm, bade sicher, ich störe dich nicht.
[7]
Sieh her! ich eile zurück, und bänge den Raub
An diesen Weydenbaum auf. – – Ach! stürze doch nicht!
Es folgt dir ja kein wilder Satyr,
Kein ungezähmter Cyklope dir nach. –
Dich, schlankes, flüchtiges Reh, dich hab' ich erhascht!
Nun widerstrebe nicht mehr! nimm Gürtel und Kranz,
Und weihe sie der strengen Göttinn,
An deren ödem Altare du dienst.

[8] Sehnsucht nach dem Winter

1744.


Die Stürme befahren die Luft, verhüllen den Himmel in Wolken,
Und jagen donnernde Ströme durchs Land;
Die Wälder stehen entblösst: das Laub der geselligen Linde
Wird weit umher in die Thäler geführt.
[9]
Der Weinstock, ein dürres Gesträuch – – Was klag' ich den göttlichen Weinstock?
Auf! Freunde, trinket sein schäumendes Blut,
Und lasst den Autumnus entfliehn mit ausgeleeretem Füllhorn,
Und ruft den Winter im Tannenkranz her.
Er deckt den donnernden Strom mit diamantenem Schilde,
Der alle Pfeile der Sonne verhöhnt,
Und füllt mit Blüthe den Wald, dass alle Thiere sich wundern,
Und säet Lilien über das Thal.
[10]
Dann zittern die Bräute nicht mehr in wankender Gondel; sie fliegen
Beherzt auf gleitenden Wagen dahin:
Der Liebling wärmet sich falsch im Hermeline der Nymphe,
Die Nymphe lächelt, und wehret ihm falsch.
Dann baden die Knaben nicht mehr, und schwimmen nicht unter den Fischen;
Sie gehn auf harten Gewässern einher,
Und haben Schuhe von Stal: der Mahn der freundlichen Venus
Verbarg der Blitze Geschwindigkeit drein.
[11]
O Winter! eile voll Zorn, und nimm den kältesten Ostwind,
Und treib die Krieger aus Böhmen zurück,
Und meinen erstarreten Kleist. Noch hab' ich ihm seine Lykoris,
Und Wein von mürrischem Alter bewahrt.

[12] Auf einen Granatapfel, der in Berlin zur Reife gekommen war

1749.


Find' ich dich hier in deiner grünen Krone?
Zerspaltest du die purpurrothe Brust
An dieser Sonn'? o Liebling der Pomone!
O Proserpinens Apfel! die mit Lust
Und Wollust deine goldnen Körner
Im Reich des Höllengottes ass,
Und allen Nektar ferner
Und den Olymp vergass.
[13]
Der Erdball ändert sich: das Meer entfliehet,
Und macht dem Pfluge Raum; der Fels sinkt ein;
Und, o Berlin! dein dürrer Boden blühet:
Pomona füllt ihr Horn in dir allein,
In dir kann Flora, nach Begehren,
Sich tausendfache Kränze drehn,
Und ganz verdeckt in Aehren
Die blonde Ceres gehn.
Und fremde Bäum', ihr junges Haupt umschoren,
Bringt dir Sylvan, und zieht ein Labyrinth
Von Büschen auf vor diesen stolzen Thoren,
Die mir und allen Künsten offen sind,
Die jetzt auf Flügeln Dädals eilen,
Hoch über Meer und über Land,
Bleymasse, Meissel, Feilen
In ihrer harten Hand.
[14]
Urplötzlich sind der Felsen graue Rücken
Zu Tempeln und Palästen ausgehöhlt,
Die rund umher der Pyrrha Kinder schmücken,
Noch halb den Steinen gleich, und halb beseelt.
Ihr Götter! prächtig aus Ruinen
Erhebt sich euer Pantheon:
Die Weisen alle dienen,
Die Völker lernen schon.
Sagt, Sterbliche, den Sphären ihre Zahlen,
Und sagt dem wilden Winde seinen Lauf,
Und wägt den Mond, und spaltet Sonnenstralen,
Deckt die Geburt des alten Goldes auf,
Und steiget an der Wesen Kette
Bis dahin, wo den höchsten Ring
Zevs an sein Ruhebette
Zu seinen Füssen hieng.
[15]
Wohl dir, o du, durch meinen Freund regieret,
Athen an Geist, voll Muth, wie Sparta war:
Es zog, von Kastors Liede gern verführet,
Zum Kampf hinaus mit aufgebundnem Haar;
Die Feinde, die den Kampf verloren,
Erwiederten, (nicht ohne Neid!)
Die Stadt sey nur geboren
Zu Waffen und zum Streit. –
So sang Kalliope, die, voll Entzücken,
Mit ihrer kriegerischen Tuba kam,
Und, nicht gesehn von ungeweihten Blicken,
Den Weg zum Tempel des Apollo nahm,
Wo schon mit Lauten und mit Flöten,
Verlarvt und im Zypressenkranz,
Sich ihre Schwestern drehten
Im schönsten Reihentanz.

[16] Die Wiederkehr

Ich, Kalliopens oft heimlich entflohener
Jünger, der ich, zu lange! dir,
Strenge Kritika, dir, Schwester der eitelen
Pansophia, gefolget bin,
Kehre reuevoll um, eile voll Sehnsucht der
Allgefälligen Göttinn zu.
Denn mein Tadel 1, obgleich ganz in den lautersten
Honig eingetaucht, schmerzete
[17]
Meinen Selim; und noch schwäret sein krankes Herz.
Ja! nun weih ich mich ewig der
Holden Muse! Mit ihr sang ich der Wälder Lob,
Sang Lyäens und Amors Lob:
Und mich liebte mein Freund. O! sich geliebt zu sehn,
Welche Seligkeit! Liebe, dich
Tauscht mein trunkener Geist nicht um das Zeigen mit
Fingern, um der Versammelung
Händeklatschen, des Volks ehrebezeugendes
Aufstehn; dich um Gespräche mit
Grossen Königen nicht, noch um die schmeichelnde
Tafel ihrer Gewaltigen.

Fußnoten

1 Kein schriftlicher, sondern ein mündlicher. Der Verfasser hat vor und nach dem Jahre 1750 an keiner einzigen kritischen Schrift Antheil gehabt: man nehme das Lehrbuch aus, vor welchem sein Name steht.

[18] An die Stadt Berlin

1759.


Ich sahe sie! (mir zittern die Gebeine!)
Ich sah, bekümmertes Berlin,
Die Göttinn deines Stroms vor deinem Tannenhaine
Mit ihren Schwänen ziehn!
Vergönne mir, Najade, nachzulallen,
Was mein erstauntes Ohr durchdrang,
Und was dein Göttermund den Faunen sang, und allen
Hamadryaden sang. – –
[19]
Sey mir gegrüsst, Augusta, meine Krone!
Die Städte Deutschlands bücken sich!
Es höre meinen Stolz Belt, Donau, Wolga, Rhone,
Und weichen hinter mich!
Was fürchten wir, ist gleich die Zahl des Feindes
Wie dieser beiden Ufer Sand?
O Tochter! hast du nicht zur Seite meines Freundes
Stets einen Gott erkannt?
Stritt Jupiter nicht selbst mit Friedrichs Volke,
Und donnerte den Feind zurück?
Warf nicht der Kriegesgott einst plötzlich eine Wolke
Vor seines Mörders Blick?
[20]
Sah ich nicht jüngst, als er vom fernen Süden
Den Riesen aus der Mitternacht
Sein Heer entgegenriss, (ein kleines Heer von Müden,
Bereit zur zehnten Schlacht,)
Wie das Panier, von seiner Hand gefasset,
Zur drohenden Aegide ward?
Die Feinde sahn den Schild der Pallas, die sie hasset:
Und hafteten, erstarrt,
Am Boden; bis sie durch sein Heer zerschlagen,
Das unaufhaltsam weiter drang.
Wie Halmen von des Himmels Shlossen niederlagen
Dreyhundert Hufen lang.
[21]
Ja, dinget nur die halbe Welt zusammen,
Und raset wider Einen Mann,
Und wendet wider ihn Verrath, Nacht, Meyneid, Flammen,
Den ganzen Orkus an:
Borussiens gerechter Held soll siegen!
Die Götter schützen ihren Sohn.
Bald wird er im Triumph zu seinen Kindern fliegen.
Er kömmt, ich seh ihn schon!
Er kömmt, das Haupt mit Stralen rund umwunden,
Wie Delius Apollo kam,
Als er den Python schlug und ihm mit tausend Wunden
Die schwarze Seele nahm.
[22]
Eilt, ihn in Erz den Enkeln aufzustellen!
Eilt, einen Tempel ihm zu weihn
Am Rande meines Stroms! ich brenne, seine Schwellen
Mit Bluhmen zu bestreun.

[23] An die Feinde des Königs

1760.


Wie lange schwingt die rasende Megäre
Die Fackel? Götter dieser Welt,
Warum verfolgt ihr ihn, zu seiner eignen Ehre,
Den unbezwungnen Held?
[24]
Ists möglich? machen euch so viel Gefahren,
Mit welchen ihr ihn ringen saht,
So viele Kronen, die mit Blut zu kaufen waren,
So manche Götterthat,
So manch von ihm zertretnes Ungeheuer
Nicht wieder zur Versöhnung Lust?
So lange loderte der Rache schwarzes Feuer
In keines Gottes Brust.
Als Herkuls Arm den Löwen erst erdrückte,
Der in Nemäens Felsen lag,
Und, mit der Panzerhaut bedeckt, sein Rachschwerdt zückte,
Und schnell, und Schlag auf Schlag,
[25]
Der Hydra, die ihn zu ermüden wagte,
Ihr immerwachsend Leben nahm,
Obgleich die Fersen ihm ein kriechend Seethier nagte,
Das gieng und wiederkam;
Und dann die falsche Brut der Stymphaliden,
Die wild aus ehrnen Schnäbeln schrien,
Mit ehrnen Klauen raubten, und den Kampf vermieden,
Aus Sumpf und Busch zu ziehn
Ein Mittel traf; (denn diese zu erlegen,
War nur ein Spiel für Herkuls Hand;)
Und drauf aus Thrazien die Rosse, die den Segen
Der Felder weggebrannt,
[26]
Und flammenathmend in die Hütten drangen,
Und ihren Schlund, das offne Grab,
Mit Menschen fülleten, lebendig aufgefangen
Dem wilde Viche gab:
Da sank der Zorn der reuerfüllten Götter;
Und Juno, frey von Rachbegier,
Brach aus: Sohn Jupiters, der Sterblichen Erretter,
O! mehr ein Gott, als wir!
Geneuss, geneuss der Ruh, die dir entzogen,
Seit ich diess Feuer angefacht,
Und alle Himmlischen, durch meine Wut betrogen,
Auf dich entbrannt gemacht!
[27]
Geneuss der Opfer, die von beiden Enden
Der Erde, künftig jedermann
Dir bringen wird, nicht uns! und nimm von meinen Händen
Den ersten Nektar an.

[28] Lied der Nymphe Persante

Den 24 September, 1760.


(Nachdem die Festung Kolberg von dem Russischen Heere einmal zu Lande, und zum zweyten mal von der Russischen und Schwedischen Seemacht vergeblich belagert worden war.)


Er siegt! mein Perseus siegt! – Ihr Freudenzähren,
Erstickt nicht meinen Lobgesang! –
O Fluten meines Stroms, erzählt in allen Meeren
Das Drachen Untergang!
[29]
Hier, wo der Belt, mein Kolberg zu verschonen,
Mit Dünen sein Gestad' umzieht,
Sass' ich, und sang entzückt den horchenden Tritonen
Von meinem Freund' ein Lied.
»Er schlug das Raubthier jüngst, das der beschneyte
Riphäus auf mich ausgespien,
Als ich, verlassen von den Göttern, seine Beute
Unwiederbringlich schien.«
Ich sprachs: als ich urplötzlich einen Drachen
Aus blauer Tiefe steigen sah
Mit fünfzig aufgerissnen feuerspeynden Rachen:
Ohnmächtig lag ich da.
[30]
Mein Perseus flog in diesem Augenblicke
Herab von seiner Warte, schwang
Sein glorreich Eisen, hielt den Tod im Meer zurücke
Dreymal neun Tage lang.
Ha! welche Flammenströme schoss die Hyder
Nach seinem Leben! – Endlich fand
Mein Flehn der Götter Ohr: und Waffen fielen nieder
Da, wo mein Gastfreund stand.
So bald ihm Plutons Helm das Haupt verhüllte,
Ihn Hermes Flügel trug, der Speer
Der schrecklichen Minerva seine Rechte füllte:
Stürzt' er die Pest ins Meer.
[31]
Von meinen Lippen soll sein Lob erschallen,
Ich feyre dankbar meinen Held,
So lang' in dieses Hafens Arme Segel wallen
Vom Ostwind' aufgeschwellt.
Ihm selbst will ich, wann er den Strand begrüsset,
Auf seine Wege Kalmus streun
Und Muscheln; denn mein Fluss ist arm: kein Goldfand fliesset,
Kaum Ambra rollt hinein.
Und du, mein Barde, der du vor den Thoren
Von deiner mütterlichen Stadt
Einst Lieder lalletest, wenn sie, die dich geboren,
Noch deine Liebe hat:
[32]
So singe meinen Liebling, meinen Retter
In jene Laute, die dir jüngst
Besaitet ward, in welche du den Kampf der Götter
Mit den Titanen singst.

[33] Auf ein Geschütz

Berlin, den 3 October, 1760.


(Als von der Russischen Artillerie eine Kugel aus einer ungewöhnlichen Ferne bis mitten in die Stadt getrieben wurde.)


O du, dem glühend Eisen, donnernd Feuer
Aus offnem Aetnaschlunde flammt,
Die frommen Dichter zu zerschmettern, Ungeheuer,
Das aus der Hölle stammt!
[34]
Wer zur Verheerung blühender Geschlechter
Dich an das Sonnenlicht gebracht,
Hat ohne Reue seine Mutter, seine Töchter
Frohlockend umgebracht.
Ganz nahe war ich schon dem Styx, ganz nahe
Dem giftgeschwollnen Cerberus;
Ich hörte schon das Rad Ixions rasseln, sahe
Die Brut des Danaus,
Verdammt zum Spott bey bodenlosen Fässern;
Und Minos Antlitz, und das Feld
Elysiens; den grossen Ahnherrn eines grössern
Urenkels, und sein Zelt
[35]
Voll tapfrer Brennen sah ich: ihre Lieder,
Ihr Fest bey jedem Freudenmahl
Ist er, der wider sechs Monarchen ficht, und wider
Satrapen ohne Zahl.
Schon säng' ich seine jüngste That: wie brausend
Ein Meer von Feinden ihn umfieng,
Er aber seinen Weg hindurch auf zehentaufend
Zertretnen Schedeln gieng.
Alcäus würde jetzt mein Lied beneiden;
Schon säh' ich Cäsarn lauschend nahn,
Mit ihm den weisen Antonin, und den von beiden
Gefeyrten Julian.
[36]
Allein Merkur stand neben mir, und wandte
Durch seinen wunderbaren Stab
Den Ball, der mich ins Reich der Nacht zu schleudern brannte,
Von meinen Schläfen ab.
Denn ich soll noch die Laute stärker schlagen,
Wann er durch Weihrauchwolken zeucht,
Die Kriegesfurie gefesselt an dem Wagen
Des Ueberwinders keucht;
Wann er, auf einem Throne von Trophäen,
Rund um sich her der Künste Kranz,
Und wir im Musentempel seine Siege sehen,
Versteckt in Spiel und Tanz;
[37]
Wann er, ein Gott Osir! durch unsre Fluren
Im seligsten Triumphe fährt,
Indess der Ueberfluss auf jede seiner Spuren
Ein ganzes Füllhorn leert.

[38] An den Fabius

Nach der Schlacht bey Torgau.


Den 3 November, 1760.


O Fabius! gereut dich nach drey Jahren
Dein glückliches Verziehn?
Wo waren deine Felsen? Waren
Die Felsen nicht mehr steil für ihn?
[39]
Vergissest du, wie man bey Nacht dem Sieger
Ins müde Lager streift?
Und wie man eine Hand voll Krieger
Mit einem Ocean ersäuft?
Und wie man bundsverwandte Nationen
Bequem zur Schlachtbank schickt,
Indessen man, sein Heer zu schonen,
Von sichrer Höh weit um sich blickt?
Wer nimmt sich nun der Diener armer Staaten,
Der hohen Bassen an,
Und straft den stolzen Potentaten,
Der selbst regieren will, und kann?
[40]
Wer rächt die Feldherrn, die nach Ehre dürsten,
Nach Beute lüstern sind,
An diesem wunderbaren Fürsten,
Der seine Schlachten selbst gewinnt?
Und ach! wer rächt die Zunft der schönen Geister,
Nun du geschlagen bist,
An einem Könige, der Meister
In allen ihren Künsten ist?
Weh deinem Pontifex, der stets die Layen
Mit Wundern hintergeht!
Er kann ja keinen Degen weihen,
Der wider Pallas Helm besteht.

[41] An seinen Arzt

Berlin, den 24 Jenner, 1762.


Mein Arzt, mein Freund, o! lass mich ihn entsiegeln,
Den Hochheims edle Kelter zwang,
Und jenen, alt als ich, der einst auf Tarzals Hügeln
Die Morgensonne trank!
[42]
Dass ich diess thrazisch kalte Fieber höhne,
Das um mein Eingeweide schleicht,
Und hohe säkularische Päanen töne:
Denn Friederich erreicht
Heut seiner Jahre Mittag, den Phalangen
Europens nicht, auch nicht der Wut
Der Horden Asiens bezwinglich, noch den Schlangen
Der Eumenidenbrut;
Und trunkne Jubel jauchze, dass von allen
Feindinnen nur Theresia
Noch trotzen darf; dass Tanaquil jüngsthin gefallen,
Und nun Kleopatra.

[43] An Lycidas

Wen seine Mutter unter den zärtlichen
Gesängen heller Nachtigallchör' empfieng,
Wer ihr in ihren Götterträumen
Nächtlich als Schwan sich vom Busen loswand,
[44]
Hängt nicht erstrittne Fahnen, und Schlüffel von
Bezwungner Städte Thoren, und feindliche
Galeerenschnäbel in Gradivens
Blutige Tempel auf; keine Schiffe,
Mit Künsten aller Völker, mit jeder Frucht
Der sonnenrothen Berge, des kalten Meers,
Der aufgedeckten Hölle wuchernd,
Fliegen für ihn um die beiden Pole.
Ununterwiesen wird er als Knabe schon
Die Frühlingsbluhme singen, und froh bestürzt
Sich einen Dichter grüssen hören.
Ihm wird die jüngste der Charitinnen,
[45]
Die wohlbewachte Scham, sich zur Führerinn
Entbieten. Ihm wird Pallas die Wolke von
Den Augen nehmen, dass ihr Jünger
Wahrheit und blendenden Trug erkenne.
In Wäldern wird er einsam den Vater der
Natur verehren. Endlich, o Lycidas,
Erwartet er, gleich eines fremden
Mannes Besuche den Tod mit Gleichmuth.

[46] An Herrn Christian Gottfried Krause

1762.


Mein Krause, den nicht der Themis Orakel,
Der Zank am Altar', im Tempel der Aufruhr
Entwöhnten, zärtliche Lieder
Aus siebenfach tönenden Saiten zu ziehn,
[47]
Lass andre den Sieg des feurigen Heinrichs,
Den schnellen Triumph des Löwen besingen,
Der, selbst im Schlumme erschrecklich,
Die Lybischen Wüsten in Ehrfurcht erhält;
Und endlich, gereizt vom drohenden Panther,
Den nimmer umsonst gewageten Sprung thut,
Im Bauch des Feindes die Klauen,
Im Nacken den zähnebewaffneten Schlund.
Ich singe mit dir die sanfteren Siege
Der Daphne, das Glück um Iris zu brennen,
Um euch, ihr leuchtenden Augen!
Dich, strebender Busen! dich, Grazienmund!

[48] An die Göttinn der Eintracht

1762.


Konkordia! – durch dich rollt jede Sphäre;
Und wo dein Fuss ein Land betrat,
Da zeichneten volkreiche Städte, Tänze, Chöre
Der Jungfraun deinen Pfad:
[49]
(Doch Drat und Beil trägt dir mit schnellem Schritte,
Die Blicke drohend, taub das Ohr,
Der Brüder Blut, der Ehen Schmach, den Raub der Hütte
Zu rächen, Ate vor:)
Zu dir erheben aus zerstörten Städten,
Zu dir auf Trümmern um den Strand,
Zu dir auf Saaten, die des Rosses Huf zertreten,
Die Völker, Mund und Hand;
Zu dir die Pflanzstadt ungeborner Söhne,
Die deiner milden Künst' entbehrt: –
Dass doch dein Geist den Zorn der Könige versöhne,
Der itzt die Welt verheert.
[50]
Dir hat dein Freund, Teutoniens Erretter,
Der Held, der dreymal Frieden heischt,
Bevor sein schwerer Arm durch sieben Donnerwetter
Der Fürsten Raubsucht täuscht,
Vereint mit Suecien durch deine Bande,
Und mit Ruthenien vertraut,
Nach langer Arbeit einen Tempel an dem Rande
Des alten Belts erbaut.
Schränkt sich Semiramis in ihre weiten
Fruchtreichen Dynastien ein:
So wird er mit entzückter Seele dir den zweyten
Auf den Sudeten weihn.

[51] Auf die Wiederkunft des Königs

Berlin, den 30 März, 1763.


Der Held, um den du bebtest, wann im Streite,
Wohin ihn dein Verhängniss trug,
Der ehrne Donner von den Bergen ihm zur Seite
Die Feldherrn niederschlug:
[52]
Da wider ihn mehr Feinde sich gesellten,
Als dir die Nachwelt glauben darf,
Und er sich mit entschlossner Seele zweyen Welten
Allein entgegenwarf;
Dein König, o Berlin! durch den du weiser,
Als alle deine Schwestern bist,
Voll Künste deine Thore, Felsen deine Häuser,
Die Flur ein Garten ist;
Dein Vater, der dich oft in deinem Mangel
Gespeist, – kehrt wieder in dein Land,
Und hat in Fesseln an der Höllenpforten Angel
Die Zwietracht hingebannt.
[53]
Fall' an sein Herz, o Königinn, mit Zähren
Der Freude! Fleuch an seine Brust,
Amalia, von deinen frommen Dankaltären,
Und rede, wenn die Lust
Dich reden lässt! Vermählte seiner Brüder,
Küsst sein friedselig Angesicht:
Willkommen, Schutzgeist deines Volkes! und sagt wieder:
Willkommen! und mehr nicht.
Ihr Jungfraun, deckt mit immergrünen Zweigen,
Mit einem ganzen Lorbeerhain
Den Weg! mischt Bluhmen, die der offnen Erd' entsteigen,
Und frühe Blüthe drein!
[54]
Ihr edeln Mütter, opfert Specereyen,
Die Maraba den Tempeln zollt,
Da wo sein goldner Wagen durch gedrängte Reihen
Entzückter Augen rollt.
Heil uns, dass unser Morgen in die Tage
Des einzigen Monarchen fiel!
So sagt, ihr Jünglinge. Du, Chor der Alten, sage:
Heil uns, dass wir das Ziel
So viel gekrönter Thaten sahn! wir sterben
Von Wonne trunken: Friederich
Bleibt hinter uns; ihr stolzen Enkel sollt ihn erben!
Triumph! so sag' auch ich,
[55]
Wenn, unter hohen, jubelvollen Zungen,
Ein süsser Ton auch mir gerieth:
Triumph! ich hab' ein Lied dem Göttlichen gesungen,
Und ihm gefällt mein Lied.

[56] An Hymen

Lyäens und Cytherens Sohn,
Im schönsten Rausch geboren,
Gott Hymen, der du dir zum Thron
Das Hochzeitbett erkohren!
Dir fleht der sorgenvolle Greis:
O Stifter der Geschlechter,
Nimm, was ich nicht zu schützen weiss,
Nimm mir die grossen Töchter!
[57]
Dir schmückt das fromme Mädchen sich
Bey seinem Morgenliede;
Der weise Jüngling hofft auf dich,
Des falschen Amors müde.
Dich rufen junge Wittwen an
Im hochbetrübten Schleyer;
Im Flohr bekennt der Tranermann
Dir sein gewaltig Feuer.
Du, mehr als andre Götter werth,
Dir flehen auch die Prinzen:
Erfülle, was der Krieg geleert,
Erfüll' uns die Provinzen!
[58]
O! wenn dich noch ein Opferschmaus
Herab vom Himmel ziehet:
So komm in meines Leukons' Hans,
Der am Altare knieet!
Komm! einen Ring an jeder Hand,
Und um die Schläfe Myrthen,
Und um den Arm ein goldnes Band,
Das Knie der Braut zu gürten,
Die, wann von Wein und Liebe voll,
Ein Gast zu viel begehret,
Und sie doch etwas missen soll,
Am liebsten Band entbehret.
[59]
Die Schaar der trunknen Räuber theilt.
Sich in die goldne Beute:
Sie flieht indess, der Liebling eilt,
Und giebt ihr das Geleite.

[60] An die Muse

Willst du den allerhöchsten Zevs erhöhen,
Der sein allmächtig Haupt bewegt,
Und den Olymp erschüttert? oder Athenäen,
In diesem Haupt gepflegt,
[61]
Die mit bestälter Esche, nimmer müde,
Den Typhon, den Encelados
Zurückewarf, und mit der ewigen Aegide
Die Felsen, ihr Geschoss?
Singst du den ersten König in die Saite,
Die Patareus dir aufgespannt?
Ihn? oder seinen Bruder? oder wählst du heute
Den Gwelfen Ferdinand?
In königlicher Weisheit unterwiesen,
Zu Kriegestugenden erhitzt,
Sind beide hoher Hymnen werth. – Bald singe diesen,
O Muse! jenen itzt.
[62]
Wohlan, mein Lied! spann' alle deine Segel
Bis an den Wimpel auf, und sprich:
Als der Monarch, den Sprea, Viadrus und Pregel
Anbeten, Friederich-
Arminius, von Völkern angefallen,
Die Neid und Wahn und Hass verband,
Mit seinem Donner nicht allgegenwärtig allen
Und ewig widerstand:
Da brach, genährt im sorgelosen Frieden,
Gleich einem neuen Meteor,
Das den Orion auslöscht und die Tyndariden,
Prinz Heinrichs Geist hervor.
[63]
Als Jüngling schlief er ehmals in der Höhle
Anoniens, und war die Lust
Der Musen; itzt erhöheten sie seine Seele:
Mit unbewegter Brust
Hielt er der Söhne Teuts verschworne Heere
Züruck von unsrer Flur; (so stand
Das Isthmische Gebirge, trennte beide Meere,
Ward zweyer Völker Band;)
Und plötzlich schlug er die betäubten Schaaren,
Und krönete, diess war der Schluss
Der Götter! jene zwölf Herkulischen Gefahren
Des Deutschen Genius.
[64]
Wagst du noch mehr zu singen? – Dass der Sieger,
So weit er in der Feinde Land
Mit seinem Lager flog, gesegnet, seine Krieger
Zum Wohlthun ausgefandt?
Selbst unerforschlich, jeden Anschlag kannte?
Früh thätig, jeden hintertrieb? –
Nein; sage, dass ihn Friedrich selbst den Feldherrn nannte,
Der ohne Fehler blieb.

[65] Glaukus Wahrsagung

(Als die Französische Flotte aus dem Hafen von Brest nach Amerika segelte.)


Als Ludewigs Pilot mit stolzer Flotte
Westgalliens beschäumtes Thor
Verliess, hub Glaukus aus der tiefen Felsengrotte
Sein blaues Haupt empor:
Unglücklicher! der schon, von Hoffnung trunken,
Des Oceans Gebieter ist,
Du führst in deinen Schiffen einen Feuersunken,
Der beide Welten frisst!
[66]
Bald nimmt der Abgrund eine Myriade
Zu früh entleibter Seelen ein;
Bald werdet ihr im Meer der Hayen, am Gestade
Der Aaren Beute seyn!
Die Götter, die jetzt lachend mit euch ziehen,
Bereuen ihr geschenktes Glück,
Verachten euren Uebermuth, und alle fliehen
Nach Albion zurück:
Dass Albion der meerumflossnen Erde
Gerechte Friedensrichterinn,
Das Schrecken der beraubten Oceane werde,
Der Inseln Königinn;
[67]
Ihr aber, flüchtig unter jeder Zone,
So manchen schwimmenden Palast,
Und Port, und Meer, und Eyland, und der Kolombone
Durchströmte Flur verlasst.
O! weiche Söhne tapfrer Franken, sprechet
Helvetien um Männer an!
O! plündert unbewehrte Fürstenthümer! brechet
Mit Wagen, Ross und Mann
In eurer Väter alte Sitze! schreitet
Kühn über den gehörnten Rhein,
Sucht Pallas Liebling auf, der für sein Erbe streitet,
Und, eurer Macht zu klein,
[68]
Und von verschwornen Barbarn überfallen,
Einst wanken muss: erdrücket ihn! –
Ihr unter den verschwornen sollt, ihr unter allen
Allein mit Schande fliehn!
Der Ort, wo sieben Krieger funfzig jagen,
Ob ihr ihn zu vernichten sucht,
Ein Brandmaal wird er euch, worauf in späten Tagen
Ein bessrer Enkel flucht.
Ob alle Reisigen aus euren Vesten,
Ob eine neue Helene
Euch alle Prinzen aus Lutetiens Palästen
Zu Feldherrn sendete:
[69]
Dort auf den Gräbern Römscher Legionen
Erwartet eure Tapferkeit
Ein Fürst, den Jupiter, der Hirtenstäb' und Kronen
Aus Einer Urne streut,
Nicht zum Monarchen, aber zum Vergnügen
Des menschlichen Geschlechts erkohr.
Ha! welch ein lauter Päan steigt von seinen Siegen
In mein entzücktes Ohr!
»Also zerbrach mit sieggewohnter Rechte
Der Alkumena Sohn, im Zorn,
Dem wandelbaren Gotte das zum Blutgefechte
Wild aufgeworfne Horn;
[70]
Also entkräftete der göttergleiche
Ulyss den Riesen, der an Macht
Dreyhundertmal ihn übertraf, mit Einem Streiche,
Nicht ohne Muth vollbracht:
Also besieget euch, auf eure Listen
Und Punischen Betrug entbrannt,
Ein Held, den Pallas und der Brennen Friedrich rüsten,
Der Gwelfe Ferdinand;
Und so mit ewig unerschöpftem Witze
Verhöhnt er euch, die ihr den Streit
Durch stärkre Heere, Wälle, donnernde Geschütze
Zu führen muthig seyd,
[71]
So bald sein himmlisch Feuer wenig Britten,
Und Deutschlands jugendlichen Rest
Beseelt: ein Wunder allen, welche Krefelds Hütten
Bewohnen, und das Nest
Des hohen Roncevalls, und die Gefilde,
Wodurch der Esse Giessbach rinnt.
Hier sahen euch, gelehnt auf ihre goldnen Schilde,
Sein Ahnherr Witekind,
Und der Cheruskerfürst, der grosse Schatten
Des Legionentödters fliehn:
Zehn Parasangen hinter eurer Flucht die Matten
Voll Raub und voll Ruin.
[72]
Vergeblich flieht ihr diesen Feind, geschwinder
Als Kraniche den Adler; setzt
Vergeblich zwischen euch und euren Ueberwinder
Jetzt Berge, Ströme jetzt:
Auf ungezähmten Rossen, mit der Flamme
Des Shwerdtes, zürnet hinter euch
Ein zweyter Ferdinand aus diesem Götterstamme,
Dem Sohn der Thetis gleich,
Nicht wundenfrey, doch unverkürzt an Jahren:
(Geh, lebe! war der Parze Schluss,
Nach deinem Vater spät ein Kriegesgott der Schaaren
Am stillen Ockarus.)
[73]
Ihm folgen seine Brüder; alle glühen
Nach Ehre: Kriegesdonner, wie
Die Scipionen, und im Frieden, von Thalien
Geliebet, so wie sie.
Ein Eigenthum durch alle Folgezeiten
Von Braunschweigs Helden: jeder spannt
Des Gottes Silberbogen und des Gottes Saiten
Mit gleich geübter Hand.
Und dennoch übersteigt so weit und weiter
Des Herzens Güte diesen Werth,
Als jenen Sonnenball der grosse Tag, der heiter
Durch alle Himmel fährt.«
[74]
So, gleich Arions Liede, gleich dem Tone,
Der Götter und Delphine zwang,
So, zu des Gwelsen Ruhm, des Burboniden Hohne,
Teutoniens Gesang.
Du stehst beschämt, o Burbons Enkel? – Höre
Ein nie zuvor geträumtes Glück!
Des Britten schwacher Kriegesdämon giebt dir Ehre,
Und Land und Meer zurück.

[75] Der Triumph

Schäme dich, Kamill,
Dass du mit vier Sonnenpferden
In dein errettetes Rom zogst!
Und du, Romulischer Feinde
Glücklicher Sieger, o Julius,
Dass dich, mit goldenen Städten und Schlachten,
[76]
Und mit Adlern und Spolien
Deiner Brüder umgeben,
Zum hohen Kapitol dein stolzer Wagen trug. –
Friederich, ein Prinz der Brennen,
Ward angefallen von Völkern Hungariens,
Von Illyriens Reitern und Daciens:
Alle dem Zepter der Königinn zinsbar,
Die Vindobonens saatenreiche Fluren,
Und Austrasiens Auen beherrscht,
Und der Bajonen Gebirge,
Und Hesperiens goldene Gärten;
Dieser erhabenen Fürstinn,
Deren Wohlfahrt vom Himmel in
Sieben Sprachen erflehet wird;
[77]
Deren Heere, geführt vom Stab' Eugens,
Ehmals unbezwinglich, – und itzt
Verbunden waren mit allen, die
Am Mäotischen, Kaspischen, Finnischen
Sunde wohnen, den rauhen
Samojeden, den Ostiaken,
Und dem Tartar am Sangarfluss:
Einer Monarchinn dienstbar, einer,
Die den weiten Umkreis
Ihrer Welten nicht kennt.
Auch trat zu ihnen der Söhne Sarmatiens
Selbsterwähleter König,
Und stellte seine Sachsen, ein treues Volk,
Mitten auf den Pfad des Siegers,
Unter eine Felsenburg.
[78]
Und die hohen Satrapen Germaniens
Fielen zahlreich dem Bunde bey.
Und die theur erkauften Suenonen
Drangen aus dem beeisten Norden hervor:
Enkel der Helden, mit denen ein Jüngling
Europen und Asien schreckte.
Und Gallien, das an zwey Meeren thront,
Dessen Fahnen und Wimpel
Unter allen Himmeln wehn,
Liess seinen Schwarm aus,
Gleich dem Heere schwirrender Grillen,
Die vor sich her ein blühend Land,
Und hinter sich Wüsten sehn. –
Aber, Thalia, lass ab
Die Flotten und Fussknecht' und Reiter zu zählen!
[79]
Friederich, so sage, bekriegt
Von scheelsüchtigen, oder getäuschten,
Oder gezwungenen Fürsten,
Kehrte, nach sieben blutigen Jahren,
So mächtig zurück, als er auszog,
Nur an Ehre grösser,
Und triumphirte nicht. –
Siehe! er lenkt unsern Ehrenbogen aus,
Und unsern goldbehängten Rossen,
Und besteigt den pralenden Wagen nicht!
Denn sich selbst mit eines Gottes Zufriedenheit
Ansehn, ist der Triumphe
Allerhöchster. – Und des Dichters
Allerhöchster Triumph ist,
Diesen König besingen.
[80]
Drum schweige du nie von ihm, mein Lied,
Stolzer, als der Ceïsche
Und der Thebanische Päan,
Keinem Golde feil,
Auch selbst dem seinigen nicht.
Und ob er auch diesen Triumph verlenkt,
Und, deiner Töne nicht gewohnt,
Sein Ohr zu Galliens Schwänen neigt:
So singe du doch den Brennussöhnen
Ihren Erretter unnachgesungen.

[81] An den Herrn Generalleutenant von Buddenbrook, bey Uebersendung einiger heroischen Oden

Der du den Kriegesgeist in der Geschichte liebest
Und in der Poesie;
Und Deutsche Redlichkeit bey Welscher Klugheit übest,
(Die schwerste Harmonie!)
[82]
Empfiehl, o Buddenbrook, mir nicht die Heldensöhne
Von Sparta, Rom, Athen;
Verlange nicht durch mich auf väterlicher Scene
Dein Lieblingsvolk zu sehn.
Ein Dichter, unerlöst von fremder Sorge, singet
Ein leichteres Gedicht;
Kornelljens Diadem, Voltärens Kranz erringet
Der müde Kämpfer nicht.
Als Ludwigs Maler sich des jüngern Ammons Züge
Durch Kodomannus Land
(Dem stolzen Gallier ein Vorbild eigner Siege!)
Zu schildern unterwand:
[83]
Da richtete sein Arm nicht Fechter ab, nicht Schützen,
Erzog nicht Ross und Mann;
Denn Künste dieser Art, wie sehr sie Kriegern nützen,
Stehn taufend Händen an.
Und hätte sein Geschick ihm dieses Loos beschieden:
Dann hätt' er aus der Schlacht
Am Granikus uns nicht den grossen Philippiden
Bis Babylon gebracht. –
Freund deines Königes, nimm kleine Siegeslieder,
Nimm, was ich geben kann,
Ein Opfer Friederichs und seiner tapfern Brüder,
Mein achtes Lustrum an!

[84] Ptolomäus Evergetes und Berenice

1765.

Ptolomäus.

O Berenice! schöner, als der Morgen,
Für mich geboren, lange mir verborgen,
Ich sahe dich, ich liebte dich:
Doch ach! was fühltest du für mich?
[85] Berenice.

Ich fühlte deine feuervollen Blicke,
Und wandte schnell die meinigen zurücke:
Schon traut' ich ihnen selbst nicht mehr;
Denn ach! sie liebten dich zu sehr.
Ptolomäus.

Nach dir kann nichts hinfort mein Herz gewinnen,
Nach dir auch nicht die schönste der Göttinnen:
Vergeblich böte sie mir heut
Mit ihrer Hand Unsterblichkeit.
[86]
Berenice.

Vor dir hat nichts mein junges Herz gerühret;
Nun würde dirs durch keinen Gott entführet,
Und gäb' er mir mit seiner Hand
Die Gottheit über Meer und Land.
Ptolomäus.

Ach! willst du mir nicht bald dein zweytes Leben,
Dein Ebenbild in einer Tochter geben?
Nicht dieser Augen schlauen Witz?
Nicht diesen Mund, der Suada Sitz?
[87] Berenice.

Dein sey das Ebenbild des ersten Sohnes!
Wann dich dereinst die Sorgen deines Thrones
Aus meiner Arme Banden ziehn,
Umarm' ich doch, statt deiner, ihn.
Ptolomäus.

Wenn mich und dich die Göttinn Isis liebet,
Und mir dein Bild in einem Sohne giebet:
So bring' ich diese Schal' ihr dar,
Die Zeuginn unsres Bundes war.
[88] Berenice.

Und wenn die Götter mir dein Bild verleihen,
So will ich ihnen diese Locke weihen,
Die funfzehn oder sechzehn Jahr
Die Zierde meiner Scheitel war.
Ptolomäus.

Ach! soll ein Stal diess schöne Haar verletzen,
So muss ein Gott es an den Pol versetzen;
Dort ist der Raum noch nicht gefüllt,
Dort flamm' es als ein Sternenbild.
[89] Berenice.

Bis in den Himmel fliege deine Schale!
Dort werde sie, bey jedem Freudenmahle,
Voll Nektar, der die Götter tränkt,
Und voll Unsterblichkeit geschenkt.
Ptolomäus.

Wann, spät nach mir, dich selbst der Himmel fodert,
Dann thronest du, wo deine Locke lodert:
Der ganze Norden ehret dich;
Doch lange nicht so sehr, als ich.
[90] Berenice.

Mit mir zugleich geneuss im Sternensaale
Den Göttertrank aus deiner goldnen Schale.
Geliebter! kann er süsser seyn,
Als dieser hochzeitliche Wein?

[91] Abschied von den Helden

Nicht Friedrichs Helden, welche der Brenne liebt,
Schwerin und Heinrich, Bevern und Winterfeld,
Nicht jeder Gwelse nur und Seidlitz
Sind der gewaltigen Hymne würdig.
Auch ihr, der Staaten friedliche Wächter, habt
Ein hohes Recht an unsern geflügelten
Gesängen; auch der tapfre Richter
Mächtiger Frevel und armer Unschuld;
[92]
Auch deren Geist dem immer erneuerten
Geschlecht der Menschen Güter und Künste fand;
Auch wer allwachsam seinen Bürgern
Ueberfluss, Sitte, Gesundheit austheilt.
Noch viele goldne Pfeile ruhn unversucht
Im Köcher eines Dichters, der frühe schon
Sein Leben ganz den liederreichen
Schwestern Uraniens angelobt hat;
Der, hoffend auf die Krone der Afterwelt,
Den bürgerlichen Ehren entsagete;
Der alle Wege, die zum Reichthum
Führen, verliess: ein zufriedner Jüngling.
[93]
Verleiht, bevor diess Haupthaar der Reif umzieht,
Ein guter Gott mir Einen Aonischen
Mit Bächen und Gebüsch durchflochtnen
Winkel der Erde: so sollen alle
Durch alle Winde fliegen, den Weisesten
Ein süsser Klang, dem Ohre des blöden Volks
Unmerklich. – Ungeschwächt soll ihre
Töne der Brittische Barde trinken;
Sie sollen hell den Himmel Ausoniens
Durchwirbeln; (dort war ehmals ihr Vaterherd:)
Auch Galliens vergnügter Sänger
Höre den Nachhall, nicht ohne Scheelsucht.
[94]

Notes
Ramlers Oden wurden von 1746-1766 in verschiedenen Zeitschriften oder als Einzeldrucke veröffentlicht. Erstdruck der ersten Sammlung der Oden: Berlin 1767. Dem vorliegenden Text liegt die zweite Auflage dieser Sammlung zugrunde: Berlin (Voß) 1768.
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TextGrid Repository (2012). Ramler, Karl Wilhelm. Oden. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8C1E-D