Ferdinand Raimund
Die gefesselte Phantasie
Original-Zauberspiel in zwei Aufzügen

Personen

[206] Personen.

    • Apollo.

    • Die poetische Phantasie.

    • Hermione, Königin der Halbinsel Flora.

    • Affriduro, Oberpriester des Apollo.

    • Vipria,
    • Arrogantia, die Zauberschwestern.

    • Distichon, Hofpoet.

    • Der Narr.

    • Odi, ein Höfling.

    • Ein Dichter.

    • Amphio, Hirt der Lilienherde.

    • Nachtigall, Harfenist aus Wien.

    • Der Wirt zum Hahn.

    • Ein Schuster.

    • Ein Spengler.

    • Ein Fremder.

    • Ein Kellner.

    • Hermiones Gefolge. Priester des Apollo. Opferdiener. Dichter. Inselbewohner. Verschiedene Gäste.
    • [206]

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Garten in Hermionens Palaste. In der Mitte ein erhabener Thron mit Veilchengirlanden auf Blumenstufen.
Affriduro. Odi. Opferdiener. Inselbewohner.
Alles in Bestürzung.

CHOR.
Götter, schleudert eure Blitze!
Schickt der Eumeniden Schar!
Vom erhabnen Wolkensitze
Straft das freche Zauberpaar.
AFFRIDURO.
Habt Hermionen ihr berichtet, daß wir um ihr Erscheinen bitten?
ODI.
Es ist geschehen.
AFFRIDURO.
Nicht länger dürfen wir die Frechheit dieser Zauberschwestern dulden. Apollo selbst befiehlt es uns.
ODI.
Hier kömmt der Hofpoet.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Vorige. Distichon mit einer Menge Gedichte in Rollen.

ALLES
ruft.
Willkommen, Distichon.
DISTICHON
feierlich.

Verderben diesen Zaubernymphen! Die ganze Nacht hat meine Phantasie geraset und den geflügelten Gaul beinahe zuschanden geritten, bis Aurora vierzig Schmähgedichte beleuchtete, die mein schöpferischer Geist in dieser Nacht gebar.

MEHRERE.
Hier sind noch mehr. Zeigen sie vor.
DISTICHON.

Ich glaub es euch, an Dichtern fehlt's auf unserer Insel nicht. Flora heißet sie, weil sie die Göttin hat mit Blümlein aller Art bedeckt. Wir kennen keinen Schnee, [207] als wenn uns Zephir weiße Blüten streut, darum begeistert uns der ewige Blumenduft und weihet uns zu Priestern des Apoll. So daß der Schuster selbst mit einer Hand nur seinen Stiefel schafft, und in der andern hält er hoch die goldne Leier.


Sein kühner Geist ist mit Apoll verwandt,
Ist seine Lyra gleich mit Schustergarn bespannt.
AFFRIDURO.
Doch hohe Zeit ists nun, die Leier zu vertauschen mit dem Mut. Die Zauberschwestern müssen fallen.
DISTICHON.
Ich werfe sie mit Knittelreimen tot.
AFFRIDURO.

Ein Jahr ists nun, daß diese beiden Zauberschwestern auf unsere Insel kamen in einem Wolkenwagen, den zwei weiße Löwen zogen. Wir glaubten schon, die Götter hätten sie gesendet, doch bald erfuhren wir, daß sie der Orkus ausgespien. Denn ihre Zaubermacht erbaute schnell ein Schloß, vor dem die beiden Löwen wachen und jeden töten, der sich naht. Sie zertreten unsere Fluren, und mit vergifteten Pfeilen schießen sie nach den Dienern des Tempels.

ALLE.
Wehe, wehe über sie!
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Vorige. Der Narr.

NARR
mit Pathos.

Wehe, wehe über sie! ich weiß zwar nicht über wem, aber ich bin ein Narr, ich muß überall dabei sein. Also weh über euch alle, nur nicht über mich.

AFFRIDURO.
Es freut uns, Narr, daß du so fröhlich bist.
NARR.
Das bin ich immer unter meinesgleichen.
DISTICHON.
Sprich vernünftig, wird die Beherrscherin erscheinen?
AFFRIDURO.
Wir haben große Dinge vorzutragen.
NARR.

Sie kömmt sogleich. Sie ordnet nur ein allgemeines Fest, wozu diesmal nicht, so wie sonst, nur lauter Dichter eingeladen sind, gemeine Leute auch. Verstanden, Distichon?

[208]
DISTICHON.
Sie wird doch nicht gar Handwerksleute laden?
NARR.
Aha, du fürchtest, daß welche darunter sind, denen du schuldig bist.
DISTICHON.

Das fürcht ich nicht, das ist mein Stolz, daß einer lebt, der mir noch borgt. Wer borgt denn nicht? Alles ist auf dieser Welt geborgt. Das Leben selbst ist nur geliehene Ware. Die Erd, auf der wir wandeln, ist nicht schuldenfrei. Der Raum, in dem sie schwebt, gehört der Luft, sie wäre blind, wenn ihr die Sonn den Star nicht sticht. Und auch die Sonne, die Verschwenderin, die ein zu glänzend Haus mir führt, bezieht ganz sicherlich ihr leuchtend Gold aus einer Wucherwelt.

NARR.
Du sprichst ja wie ein Sokrates.
DISTICHON.

Beneid mich nicht um meinen Genius. Ästhetisch Wirken herrscht auf Flora, du gehörst nicht unter uns, wir ringen unermüdet nach Unsterblichkeit.

NARR.

O ihr betriebsamen Florianer, Müßiggang heißt euer Gewerb. Ich will dir ein Mittel sagen, das dich unsterblich macht. Leg du die Zeit, in der du müßig gehst, als Kapital zurück, und wenn dein lumpicht Leben ausgeht, flick' sie hinten dran, dann lebst du fort in alle Ewigkeit.

AFFRIDURO.
Wie kannst dus wagen, Narr, in meiner Gegenwart solch ungeschliffenen Scherz zu treiben?
NARR.

Verzeih, dich hab ich nicht gemeint, dich nehm ich schon ein anders Mal aufs Korn. Er hat ein Spottgedicht auf mich gemacht, drum hetz ich ihn, solang ich Atem hab.

ODI.
Versöhnet euch, ich hab euch etwas zu entdecken.
NARR.
Was? Eine Neuigkeit? Waffenstillstand unterdessen. Vielleicht gibts neuen Stoff zum Schimpfen.
ODI.
So hört denn! Unsere Fürstin ist verliebt.
DISTICHON.
In wen?
ODI.
Ja seht, das weiß ich nicht.
NARR.
Ich bitte dich, bewahre dein Geheimnis.
AFFRIDURO.
Was sprachst du für ein Wort?
ODI.

Als gestern sie den stillen Hain betrat, wo sie so gerne weilt, schlich ich ihr nach und sah, wie ein Gedicht sie aus dem Busen zog, das sie wohl mehr als zwanzigmal geküßt.

[209]
DISTICHON
seufzend.
Oh, wär ich dies Gedicht gewesen!
NARR.
Dann hätt sies sicher nicht gelesen.
ODI.
Dann rief begeistert sie: Nur ein Genie, das so die Liebe schildern kann, ist meiner Liebe wert.
DISTICHON
beiseite.
Wars mein Gedicht? bin ich der Glückliche?
ODI.
Doch in dem Augenblick kam Amphio mit ihrer Lilienherde, und ich ward verscheucht.
AFFRIDURO.

Sag mir doch, Odi, wie kommt Amphio, ein Fremdling hier im Lande, zu der Ehre, Hermiones Lieblingslämmer zu bewachen?

ODI.

Das will ich euch erzählen. Dieser Hirt scheint mir nichts Gewöhnliches zu sein. Der Aufseher der fürstlichen Herde ward vor einem Jahr von einer Schlange überfallen, die ihn getötet hätte, wenn nicht ein junger Wanderer aus einem Busche springt und sie erschlägt. Amphio war der kühne Jüngling, er forderte keinen Dank als einen kleinen Dienst in unserm Land. Er wäre ein Waise, sagte er, und suchte unter fremden Völkern nun sein Glück, da ers in seiner Heimat nicht gefunden hätte. Der Aufseher, von Dankbarkeit bewegt, erinnerte sich, daß er einen Stier besäße, welcher goldne Hörner trägt.

DISTICHON.
Goldene Hörner? Hätt ich diesen Stier, das wär ein Kapital.
NARR.

Mir wär ein Hirsch mit goldnem Gweih viel lieber, der wirft doch alle Jahr Interessen ab. Macht die Pantomime des Geweihabwerfens.

ODI.
Nun stellt euch vor, von Dankbarkeit bewegt, ernennt er ihn zum Hüter dieses Stiers.
NARR
weint.
O zartes Wachen, schöne Vormundschaft!
ODI.

Und da er seinen Dienst so treu versah, schwang er sich bald zum Hirten unserer Lilienherde auf. Doch liegt etwas Geheimnisvolles in dem Jungen, und daß zum Hirten er geboren, glaub ich nimmermehr.

AFFRIDURO.
Hermione naht, zieht euch zurück.
4. Auftritt
[210] Vierter Auftritt
Vorige. Hermione. Gefolge.

CHOR.
Heil Hermione!
Glücklich die Zone,
In der sie thront!
HERMIONE.

Ganz ungewöhnlich ist die Stunde zwar, in der ihr meine Gegenwart verlangt, doch gibt es keine Zeit, in der ich euch nicht angehörte. Stets haben unsere Wünsche freundlich sich begrüßt, daß sie sich heute feindlich trennen werden, hoff ich nicht. Sprecht aus, was ihr begehrt!

AFFRIDURO.

Auf dein Geheiß, o Königin, befragt ich das Orakel des Apoll, wodurch der Übermut der Zauberschwestern sei zu bändigen und was durch sie die dunkle Zukunft unserem Lande droht.

HERMIONE.
Und des Orakels Spruch –?
AFFRIDURO.
Verderben, Krieg droht eurem Blumenreich, wenn ihr die Zauberschwestern nicht daraus verjagt.
ALLE.
Wehe uns!
HERMIONE.
Was raten meine Weisen mir?
DISTICHON
tritt vor.
So höre mich denn, hohe Hermione.
NARR
springt in die Mitte.

Um des Himmels willen, du vergißt dich ja. Die Weisen sollen sprechen. Du hast das Gegenteil verstanden. Bist denn du ein Weiser?

DISTICHON.
Das bin ich – oder hältst du mich für einen Narren?
NARR
bescheiden protestierend.
Du hast mich eben dieser Müh enthoben.
DISTICHON.
Wieso?
NARR.
Du glaubst ja fest, daß du ein Weiser bist?
DISTICHON
unwillig.
Nun ja.
NARR.

Da hältst du dich ja selbst für einen Narren, was brauch denn ichs zu tun? Für naseweis hab ich dich stets gehalten, doch eine andre Weisheit trau ich dir nicht zu.

DISTICHON.
Das gedenk ich dir, Bastard des Jokus.
[211]
HERMIONE.
Endet euren Streit. Sprich, Affriduro. Kann Gewalt uns retten?
AFFRIDURO.

Gewalt? zum erstenmal hör ich dies Wort von dir. Entsprossen aus dem Stamme deines gütgen Vaters, herrschest du durch Sanftmut stets. Wir kennen hier nur Poesie, Gesang und Tanz, der rauhe Klang der Waffen ist uns unbekannt, nur ein arkadisch Leben führten wir bis jetzt. Von einer Seite schützt des Meeres Wellenschild den blumenreichen Strand, und von der andern trennen steile Berge uns von unserm mächtigen Nachbar, dem König von Athunt. Die Waffen sind uns fremd, wir kennen nur die List.

NARR.

Ich rate auch zur List, sie machen sich zu mausig hier, drum muß man sie wie Mäuse fangen.Beiseite. Ich richte eine diamantne Falle auf, und statt dem Speck häng ich zwei türksche Schals hinein.

AFFRIDURO.

Doch höre des Orakels Schluß. Nicht eher wird die Macht der Zauberschwestern sich besiegen lassen, bis Hermione sich vermählt und dem Lande einen Herrscher gibt, der gleich ihr zu herrschen würdig ist. Wenn das geschieht, wird jene Macht verschwinden. Drum hör' die Bitte deines ganzen Reiches und wähle dir den König von Athunt, er strebt nach deiner Hand. Du besitzest Geist, er Mut und Macht. Erwähle ihn, bevor die Zauberschwestern noch in seine Brust des Hasses Samen streun und mit Gewalt er fordert, was du seinem Edelmut verweigert hast. Du wirst dem Schicksal nicht entrinnen, denn die Sterne prophezeien unserm Lande einen Herrscher aus dem Hause von Athunt.

HERMIONE.

Als vor zwei Jahren der König von Athunt mit seinem Sohn an meinem Hof erschien, für sich um meine Hand zu werben, gestand ich ihm ja frei, daß ich vom Wert der Poesie begeistert im Tempel des Apollo ein Gelübde abgelegt, als Gemahl nur einen Sänger hoher Lieder zu umarmen, sei er der Ärmste meines Volkes auch, wenn er nur reich ist an Gemüt und hohem Geist. Der König von Athunt belächelte den Schwur, gestand, daß er die Verse nur mit blutgem Schwert zu schreiben wüßte. Er zog von [212] meinem Hof, doch hinterließ er das Versprechen mir, daß er den schönen Frieden meines Landes niemals stören wolle. Glaubst du, ich hätte meinen Schwur vergessen? Nur einem Sohn der Musen reich ich meine Hand.

DISTICHON
stolz.
Mein Vaterland ist der Parnaß.
NARR.
Ich bin vom kahlen Berg zuhaus.
AFFRIDURO.
Erwäge des Orakels Spruch, und wählest du nicht ihn, so wähle doch und rette dadurch deine Treuen.
HERMIONE
für sich.
Peinliche Verlegenheit. Was beginn ich? – mein Herz ist ja nicht frei.
ALLES
kniet.
Wir flehen zu dir, Herrscherin.
HERMIONE.

Wohlan, so will ich wählen. Wenn wieder uns der Mond die goldne Sichel zeigt, so werd ich meine Hand verschenken.

ALLE.
Heil Hermione!
HERMIONE.

Bis dahin will ich meines Stolzes Panzer mit geschmeidigem Samt der Klugheit überziehen und durch sanfte Worte die Zauberschwestern zu gewinnen suchen. Eilet hin nach ihrem Schloß und ladet sie hieher.

ODI
sieht hinaus und erschrickt.
Götter, seht, dort sind sie schon. Sie streifen durch die Flur und jagen weiße Raben.
HERMIONE.
So eil hinaus und rufe sie.
ODI
erschrocken.
Ich?
HERMIONE.
Ja, du!
ODI.
Verzeih, ich wag es nicht.
AFFRIDURO.
So bist du ja ein ganzer Hase?
NARR.
O nein, er ist ein bloßer Hasenfuß.
HERMIONE.
Beschämet keiner ihn?
DISTICHON
kühn, für sich.
Mut, Distichon! Du stiehlst ihr Herz. Laut. Ich hole sie. Eilt ab.
NARR
tut, als hebe er etwas von der Erde auf.
Pst! Pst! Winkt Distichon zurückzukehren. Freund!
HERMIONE.
Was treibst du, Narr?
NARR.

Er hat beim Fortgehen seine Furcht verloren, ich heb ihm s' unterdessen auf. Tut, als steckte er sie in den Sack.

ODI.
Er ist schon dort und spricht auf sie, – sie drohen ihm, er läuft davon.
[213]
HERMIONE.
Pfui!
ODI.
Sie senden Pfeile nach. Schreit. Er ist getroffen.
HERMIONE
ängstlich.
Götter!
ODI.
In dem Waden steckt ein Pfeil.
NARR.
Jetzt haben wir doch einen gespickten Hasen auch.
HERMIONE.
So sinkt er?
ODI.
Nein, er läuft, hier ist er schon.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Vorige. Distichon, einen Pfeil mitten durch die Wade gesteckt.

DISTICHON
atemlos.
Es ist geschehn!
HERMIONE
verhüllt sich das Antlitz.
Du bist verwundet, Unglückssohn?
DISTICHON.
Im Herzen, Königin.
HERMIONE.
Nicht doch, im Fuß.
DISTICHON.
Nicht möglich? Besieht sich und erstaunt. Ha, das hab ich wirklich nicht bemerkt.
NARR
zieht ihm den Pfeil heraus.
Was das für ein Glück ist, wenn man falsche Waden hat. Unverwundbar wie Achill.
DISTICHON.
Ein kluger Feldherr weiß sich zu verschanzen,
Den Arm weiht man der Schlacht, den Fuß braucht man zum Tanzen.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Vorige. Die Zauberschwestern Vipria und Arrogantia in tigerartigen Kleidern mit Bogen und Pfeilen treten schnell und kühn herein. Allgemeiner Schreckensausruf.

ALLE
mit Entsetzen.
Die Zauberschwestern!

Alles steht erstarrt in Gruppen.
VIPRIA.
Hahaha! Hast dus gehört? wir sind gemeldet.
ARROGANTIA
mit Verachtung.
Ha, furchtsam Volk! Der Schreck ist Kammerdiener hier.
VIPRIA.
Nun? Wie wirds? Habt ihr 's Medusenhaupt geschaut, daß ihr versteinert steht? –
[214]
ARROGANTIA.

Sind zur Komödie wir geladen, daß ein Tableau man uns zum besten gibt? Wo bist du, Hermione, die uns rufen ließ?

HERMIONE.
Frag' sanfter, wenn dus zu erfahren wünschest, solche Frage ist der Antwort Tod.
VIPRIA
persiflierend.

Wo weilt denn die gestrenge gnädge Frau? Befehlend. Wer bist denn du? Bist du die Magd vom Haus, so lös die Riemen auf an meinem Schuh. Aha, du bist das Kammerkätzchen hier, du willst gestreichelt sein, so meld uns an, teil Gnaden aus, wir bitten dich: Zwei arme Zauberschwestern sag, wir küssen dir den Staub an deines Kleides Saum. Sie tun es heuchlerisch.

HERMIONE
erzürnt.
Laßt ab. Ich bin es selbst, ich bin Hermione.
VIPRIA.

Nicht möglich?! Ach verzeih, ich hab dich wirklich nicht erkannt, wir haben dich ganz anders uns gedacht. Zu Arrogantia. Sie hat ja so gesunde Backen.

ARROGANTIA.
Eine gewöhnliche Gestalt.
VIPRIA.
Sie sieht so einfach aus.
ARROGANTIA.
Einfältig fast.
VIPRIA
Hermione heuchlerisch umarmend.
Unendlich freut uns das.
ARROGANTIA
ebenso.
Ich bin entzückt im höchsten Grad.
NARR.
O Schierlingskraut, mit Zucker überstreut!
AFFRIDURO.
Kannst du dies dulden, Zeus!
NARR.
Jetzt kommt der mit seinem Zeus daher.
HERMIONE
für sich.
Bekämpfe dich, mein Stolz! Es gilt ja meines Landes Glück.
VIPRIA.
Du wohnst hier allerliebst. Ein schöner Blumenhain.
HERMIONE.
Es ist mein liebster Garten.
VIPRIA.

Und eine nette Dienerschaft. Narr macht ihr eine Verbeugung. Quelle figure? Sieht durch einen Stecher.

ARROGANTIA.
Der ist gebaut als wie ein Telegraph.
VIPRIA.
Ist der im Garten hier bestimmt, daß er die Vögel dir verscheucht?
NARR.
Ich soll die Fledermäus vertreiben, aber heute sind mir doch ein Paar hereingekommen.
[215]
ARROGANTIA.
Wer bist du, kecker Freund?
NARR.
Man spricht nicht gern davon.
HERMIONE.
Es ist mein Narr.
VIPRIA.
Bravissimo! Bist du der einzige Narr auf dieser Insel?
NARR.
Nein. Auf Distichon deutend. Hier hab ich die Ehre, dir noch einen aufzuführen.
VIPRIA.
Nun, Hermione, uns gefällts in deinem Reich.
ARROGANTIA.
Wir haben doch die ganze Welt durchreiset. Wir sahen Indiens gewürzte Fluren –
VIPRIA.
Und Matzleinsdorfs Gefilde.
ARROGANTIA.
Ägyptens Pyramiden –
VIPRIA.
Die Spinnerin am Kreuz.
ARROGANTIA.
Die Höhe des Mont Blanc –
VIPRIA.
In Wien den tiefen Graben.
ARROGANTIA.
Arabiens Wüstenei –
VIPRIA.
Und Nußdorfs schöne Auen.
ARROGANTIA.
Doch unter allen diesen Welten haben wir zwei Lieblingsinseln uns erwählt.
VIPRIA.
Die meine liegt am Donaustrom.
ARROGANTIA.
Die meine heißet Flora.
HERMIONE.
Wenn ihr die Insel liebt, so ehrt auch ihren Frieden und stört ihn nicht durch frechen Übermut.
ARROGANTIA
auffahrend.
Wer?
VIPRIA
steigend.
Wie?
NARR
grell für sich.
Was? –
HERMIONE.
Verzeiht, daß ich den harten Ausdruck hab gewählt, ich bitte euch, schont dieses Landes Glück.
VIPRIA.
Nicht weiter sprich! Also darum ließest du uns rufen?
ARROGANTIA.
Um einen Mentor hier zu spielen.
VIPRIA.
So wisse denn, wir hassen dich wie Schlangengift.
HERMIONE.
Was hab ich euch getan?
VIPRIA.

Als wir auf deine Insel kamen, hättest du um Schutz uns flehen sollen. Doch mit Verachtung hast du uns empfangen.

ARROGANTIA.
Selbst nicht zum Tee hast du uns eingeladen, das hat die Schwester so empört.
[216]
VIPRIA
zu Arrogantia.
Sprich nicht so albern, schweig.
ARROGANTIA.
Warum? Der Tee ist deine schwache Seite.
NARR
beiseite.
Sie hat ja so schon ihren Tee.
VIPRIA
zu Arrogantia.
Erzürn mich nicht und schweig.
ARROGANTIA.
Was hast du zu befehlen mir?
VIPRIA
heftig.
Ich wills!
ARROGANTIA
ebenso.
Ich nicht!
NARR.
Sie fangen noch zu raufen an, die Damen.
VIPRIA
zu Arrogantia.
Ein andermal. Zu Hermione. Zu dir, du freches Weib!
HERMIONE.
Halt ein, das geht zu weit, soll denn Gewalt nichts gegen euch vermögen? Ergreift sie schnell.

Alles will auf sie.
ARROGANTIA UND VIPRIA
spannen ihre Bogen, schnell.
Wer wagts? –
DISTICHON
zieht sich erschrocken zurück.
Ich nicht –
NARR
ebenso.
Ich detto nicht.
VIPRIA.
Entfernt euch schnell, wir lizitieren euer Leben. Mit gespanntem Bogen drohend.
NARR.
Die Lizitation wart ich nicht ab. Läuft davon.
ODI.
Ich geh schon auf den ersten Ruf. Läuft ab.
ARROGANTIA
zu Distichon.
Was zahlst du für das deine? schnell!
DISTICHON
erschrocken ab.
Das Fersengeld.
VIPRIA
zu Affriduro.
Hast du für unsern Pfeil ein überflüssig Leben?
AFFRIDURO.
Ich hab nur eins, das brauch ich selbst. Leb wohl. Ab.
ARROGANTIA
zu allen.
Und ihr?
ALLES.
Wir fliehen schon!

Alles in Verwirrung ab.
VIPRIA
triumphierend.
Hahaha, Virtuosen in der Furcht.
ARROGANTIA.
Verlassen stehst du nun.
VIPRIA.
Erkenne unsere Macht.
HERMIONE
weinend.
Weh mir!
ARROGANTIA
höhnend.
Was weinst du denn?
VIPRIA
ebenso.
Du zartes Turteltäubchen du.
[217]
HERMIONE.

Auf euer Haupt zurück den Spott, ihr niedern Zauberdirnen! entweicht auch ihr, vergiftet nicht den Hain durch euren Hauch.

VIPRIA.
So komm. Wir wollen sie verlassen.
ARROGANTIA.
Doch unser Haß bleibt ihr zurück.
VIPRIA.

Und diese Flur, des Zwistes bunter Zeuge, die ihn mit farbgem Aug geschaut, verödet soll sie sein. Nimmt einen Stern hervor. Du Zauberstern, der finstern Hekate entwendet, jetzt steh mir bei.Zu Hermione. Du liebest diesen Blumentempel? So stürz ich seine Säulen ein, und eine schlammbedeckte Nessel setz ich dafür hin, Verwesung heißet sie. Blick auf.


Der Garten stürzt zusammen, Sumpf und verdorrte Bäume zeigen sich. Raben sitzen auf den Ästen, flattern in der finstern Luft. Das Ganze ist ein
grauser Anblick. Der Wind heult gräßlich.
HERMIONE
schaudernd.
Entsetzlich!
VIPRIA.

Unersättlich werde meine Rache, gleich dem Hunger Erysichthons, überall will ich dich necken und verfolgen, in jedem Grashalm will ich dich belauschen.

ARROGANTIA.
Aus jedem Unkraut streck ich meinen Hals.
VIPRIA.

Bis die Verzweiflung bittend dich zu meinem Füßen reißt. Dann erst ist Vipria versöhnt. Erschöpft. Ha, wie wird mir, ich bin zu schwach für meinen Grimm.

ARROGANTIA
sanft.
Du hast dich angegriffen, liebes Schwesterchen. Oh, stütze dich auf meinen Arm.
VIPRIA
höhnisch.
Ich danke dir! Heimlich. Wie kommst denn du zu dieser Zärtlichkeit?
ARROGANTIA
heimlich.

Aus Bosheit, weil sies ärgert. Laut. Das macht die Eintracht unsrer Herzen. Wenn du leidest, leid ich auch.

VIPRIA
zart.

O gutes Kind! Umarmt sie zärtlich. Dann mit durchbohrendem Blick auf Hermione. Wart, Schlange! Matt zu Arrogantia. Leit mich, Arrogantia. Geht auf Arrogantia gestützt ab.

HERMIONE
allein.

O ihr Götter, wodurch verdient ich euren Fluch? Erniedrigt, und vor wem? Vor meinem eigenen Geschlecht. Wenns noch ein mächtger Zauberer wär, doch daß es Weiber sind, die mich besiegt, das kränkt [218] mich gar so tief, und wenn ich gleich dem Argus hundert Augen hätte, so würde jedes sich mit Tränen füllen über diese Schmach. O Amphio, könntest du den Schmerz mir tragen helfen! Doch halt! Hat das Orakel nicht bestimmt, daß, wenn ich einen Gatten wähle, die Macht der Zauberbrut vernichtet ist? Doch darf ich meinem Volke sagen, daß ich einen Hirten liebe? Und kann ich einen andern wählen? Ich vermag es nicht, es sind nicht Amors Rosenketten, die mich an ihn binden, eherne Bande sind es, die mein Herz an seines schmieden. Doch wie? Hat Minerva mich berührt? Ja, so gelingt es – so muß er siegen, so wird er mein, ich kann auf seinen Geist vertraun.Narr sieht zur Kulisse herein. Was suchst du, Narr?

7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Vorige. Narr. Dann Distichon, Affriduro, Odi, Volk.

NARR.

Ich muß rekognoszieren, sie trauen sich nicht herein. Nur herein, ihr florianischen Helden, der Feind ist fort, ihr habt gesiegt.

ALLES
kömmt gelaufen und stürzt zu Hermionens Füßen.
Heil Hermione! Ewige Treue geloben wir dir.
DISTICHON.
Nur einen Augenblick hat uns die Furcht besiegt, sie ist vorbei, jetzt bau' auf unsre Kraft.
HERMIONE.
Ich bau auf sie wie auf die Reize dieser Flur.
ALLE
sehen hin.
Ha! was ist das?
DISTICHON
sieht hin.
Verfluchte Zauberei, die prangende Natur in schmutzigen Schlamm verwandelt!
HERMIONE.

Ein blühend Bild von eurem Mut. Er ist so treu wie dieser Sumpf, wer auf ihn baut, sinkt ein. Darum will ich nicht länger ihm mein Wohl vertrauen. Ich befolge des Orakels Wink, noch heute abend soll mein Land gerettet sein, ich will noch heute mich vermählen, damit die morgige Sonne der Zauberinnen Ohnmacht schon bescheint. Affriduro eile hin und schmück den Tempel des Apoll, in einer Stunde seid ihr dort versammelt und höret meinen Eid: Dem reich ich heut noch meine Hand, der, [219] bis die siebente Stunde tönt, mir ein Gedicht ersinnt, das an Wert hoch über alle andern steht. Es gelte gleich, welch Land ihn auch gezeugt, ob ihn ein Lorbeer schmückt, ob er den Hirtenstab erwählt. So fordre ich in die Schranken eure Poesie, weil ihr nicht kämpfen könnt um mich durch eurer Sehnen Kraft, so kämpft um mich mit kräftigen Gedanken. Die Phantasie trag euch die Fahne vor, Vernunft steckt auf den Helm, der Witz sei euer Pfeil, die Verse stellt in dichte Reihen, statt der Trompete laßt den Reim erklingen, so rücket vor und kämpfet um den Preis!


Drei Kronen bietet er zugleich:
Mein Herz, den Lorbeer und dies Reich.

Ab.
Affriduro mit den Götzendienern zur entgegengesetzten Seite ebenfalls ab.
MEHRERE.
Ha! jetzt gilts!
DISTICHON
mit Ekstase, schnell.
Dichtergeister,
Hört den Meister,
Spornt den Gaul,
Seid nicht faul!
Zieht vom Leder
Eure Feder
Schreibt drauf los,
Der Preis ist groß.
Fortunens Blick
Verkündet Glück.
NARR.
Au weh, zwick. Jetzt wirds mir z' dick! Jetzt fangt er in abscheulichen Jamben an. Hahaha!
DISTICHON.
Was lachst du Schafskopf, Kalb, dem Mond entsprungen?
NARR.

Pfui der Schande, durch ein Gedicht müßt ihr die Hand der Herrscherin erkämpfen, weil ihr so furchtsam seid, daß ihr beim Anblick einer Spinne lauft. O ihr Heroen der Vorzeit! Nehmt euch doch ein Beispiel an dem Theseus von Canova, der halt den Minotaurus schon zehn Jahr beim Schopf und laßt ihn noch nicht aus. Das ist ein Held.


[220]
Und ihr Wichte
Schreibt Gedichte
Voll Gewinsel,
O ihr Pinsel
Dieser Insel.

Apoll, du Zechmeister aller Dichter, schlag ihnen deine Leier um den Kopf, ihre Väter schamen sich im Grab.

DISTICHON.
Mein Vater war ein Held.
NARR.
Der meine auch, er war Hanswurst und hat den Harlekin geschlagen.
ODI.
Wir sind es auch.
NARR
ruft erschrocken.
Die Zauberschwestern!
ALLES
will erschrocken davonlaufen.
Hülfe!
NARR.

Haha, probatum est! O ihr Schmucknadeln, zum Zittern seid ihr auf die Welt gekommen. Einen Esel laßt euch bauen, so groß wie das trojansche Pferd, und schliefts mit eurer Tapferkeit hinein.

DISTICHON.
Nein, das wird zu arg!

Auf, ihr Brüder
Hoher Lieder,
Werft ihn nieder.
Alle prügeln auf ihn los.
NARR
indem er fällt.
Jetzt schreiben sie Vers auf meinen Buckel.
ODI.
Triumph, das Ungeheuer ist besiegt.
DISTICHON.
Ich hab ihm auf das Haupt geschlagen.
ODI
schadenfroh.
Ich gab ihm in die Rippen eins.
DISTICHON.
Wir lassen uns in Kupfer stechen.
ALLE.
Es lebe Distichon, der tapfre Held.

Alles ab.
NARR
seinen Rücken reibend.

Das Schlachtfeld ist leer. Ah! Das nenn ich ein Treffen, 's hat jeder getroffen, keiner hat gfehlt. Aber – dem Verdienste seine Kränze, einer ist dabei, der kanns. Wann das ein Dichter ist, der hat eine shakespearsche Kraft. Überdenkend. O Schicksal eines Narren! Geboren auf Österreichs fetten Triften, studiert bis[221] an den Hals, dann Kammerdiener eines spanischen Lords, vom Schiffbruch ausgespuckt an diesen Strand der Feigheit und der Ochserie. Aus Gnaden haben sie mich zum Hofnarren aufgenommen, mich, der ich mehr Witz in meinem Daumen hab als alle Köpfe dieses Fabellands seit hunderttausend Jahr. Und nun zu euch, ihr giftgen Zauberkröten, denn Frauenzimmer seid ihr nicht. Respekt vor allen andern Frauenzimmern: Ehret die Frauen, sie flechten und weben. Punktum, das andre fällt mir nicht mehr ein – aber das sind keine Frauenzimmer, das sind Töchter des liebenswürdigen Cerberus und der reizenden Hydra. Darum beschwöre ich euch, ihr vier Winde des Himmels, blast mir alle Krankheiten dieses schwindsüchtigen Jahrhunderts auf einen Haufen zusammen und überlaßt sie mir zu meiner Disposition. Herbei, ihr zwölf Monate dieses tiefbeleidigten Jahres, ich will einen Kalender zusammenfluchen und ihnen ein Neujahrsgeschenk damit machen.


Ganz leicht beginnt der Januar
Mit Schnupfen, Halsweh und Katarrh.
Am Abend sanftes Gliederreißen,
Daß sie vor Schmerz die Lippen beißen.
Dann werd, weil beide eitel sind,
Die eine taub, die andre blind,
Und ihre niedlichen Gefriesel
Bedeck ein scharlachroter Riesel.

Dem Februar laß ich die Wahl,
Zu sinnen eine eigne Qual.
Die Gicht ist schön, doch wünscht ich lieber
Die Bleichsucht oder 's gelbe Fieber.
März und April bringt Seitenstechen,
Der Mai muß sich durch Krämpfe rächen.
Im Juni Regen allenfalls,
So habn s' die Wassersucht am Hals.

Im Juli ist die Sommerszeit,
Wo man auf grüner Flur sich freut.
[222]
Nur ihnen blüh kein schönes Tal,
Die ganze Welt sei ihr Spital.
August, da werd ihr Hunger heiß,
Doch bleib ihr Magen kalt wie Eis.
Nichts hemme ihrer Eßlust Lauf,
Vielleicht frißt eine d' andre auf.

September streu vergiften Tau,
Der färbe ihre Haare grau.
Oktober ruft das Blatt nach Haus,
Da brechen ihre Zähne aus.
November fällt ihr Namensfest,
Da schick zum Bindband ich die Pest.
Und bis Dezember kommt herbei,
Sind schon in Zügen alle zwei.

Doch noch ist nicht der Spaß verdorben.
Kaum glauben sie, sie sind gestorben,
So speien sie, der Welt zum Graus,
Aufs neu zwei giftge Drachen aus.
So drück auf ihre Qual die Zeit
Das Siegel einer Ewigkeit.
Den Wunsch bringt froh zum neuen Jahr
Mein gutes Herz den Schwestern dar.

Ab.
8. Auftritt
Achter Auftritt
Verwandlung.
Romantisches Tal. Weiße Lämmer weiden auf den Hügeln. Amphio sitzt auf einem Stein und bläst ein sanftes Lied auf seiner Flöte. Im Vordergrunde befinden sich zwei steinerne Wassernymphen auf Postamenten in Lebensgröße, welche auf Wasserurnen ruhen.

AMPHIO
allein.

Wo weilst du heute, hohe Phantasie, daß sich dein Bild noch nicht auf blauem Äther malt und mit den bunten Schwingen zu mir niedertaucht? So wie der Arzt den Kranken jeden Tag besucht, so schwebst du jeden Morgen zu mir nieder, zu heilen meinen liebekranken Geist. Durch dich begeistert sang ich jene Lieder, die [223] mir das Herz der Königin errangen, dir verdanke ich die schöne Hoffnung, an Hermionens Hand zu herrschen über dieses Reich. Ihre Liebe nenn ich mein, sie selbst gestand es mir. Nun will ich meinen Rang entdecken, um heimzuführn die königliche Braut. Doch dir muß ichs vorher vertrauen, hohe Phantasie, du hast den wilden Mut in mir gezähmt, zum stillen Hirten mich gemacht, und nur dein Rat soll mich bestimmen, ob ich den Schleier ziehen darf von dieser Täuschung Bild. Doch was seh ich? Eine andre Sonne strahlt mir dort entgegen, Hermione ists, die über jene Hügel eilt. Ists Freude? ist es Angst, die ihre Schritte so beflügelt?

9. Auftritt
Neunter Auftritt
Voriger. Hermione.

AMPHIO
eilt ihr entgegen und sinkt zu ihren Füßen.
Gebieterin!
HERMIONE
spricht die ganze Szene schnell und unruhig.
Heut bin ichs nicht, ich hab die Herrschaft abgetreten an die Zeit, ein Sklave bin ich meiner Eile.
AMPHIO.
Mir bangt um dich. Was kämpft in dir?
HERMIONE.

Vertrauen gegen Furcht. Mein Volk, der Zaubernymphen Wut, Apollo selbst befiehlt, daß ich mein Herz noch heute binden muß.

AMPHIO.
Dein Herz, ist es noch dein?
HERMIONE
sanft.
Du weißt es ja. Doch meine Hand –
AMPHIO.
Weh mir!
HERMIONE.

Sei ruhig, Amphio, ein schöner Sieg winkt deinem Geist. Von dem Gedicht, das du mir gestern überreicht, aufs neue überzeugt, daß du gegen alle Dichter meines Reichs ein Krösus bist an Phantasie, hab ich, dich heute abend noch Gemahl zu nennen, den kühnen Schwur gewagt: Wer bis zur siebenten Stunde mir die schönste Dichtung liefert, erhält noch heute meine Hand und dieses Reich.

AMPHIO.

Oh, wie beglückst du mich. Beiseite, schnell. Ha, Wink der Phantasie, die Dichtkunst soll allein den hohen Preis [224] erringen. Nein, ich entdecke mich noch nicht, das höchste Glück soll durch mich selbst mir werden.

HERMIONE.
Was vertrauest du den Lüften deine Worte? Bist du verwirrt?
AMPHIO.

Verzeih, die Freude tanzt mit meinen Sinnen, vertrau' auf mich und meiner Liebe Kraft, mein wird der Sieg, ich kämpfe ja um dich, darum ist das Gefühl der Dichter deines Landes ein Tau gegen das Meer meiner Empfindungen.

HERMIONE.

Ja, ich vertraue dir, die Hoffnung schwingt die goldne Fahne. Doch jetzt leb wohl, ich eile in den Tempel, um zu bekräftigen den Schwur. Und wenn die Sonne sinket in des Meeres Silberschoß, so sink ich dir, dem Sieger, dankend an die Brust. Doch jetzt verbirg dich schnell, man suchet mich. Dann eile nach dem Tempel hin. Dort wird durch des Orakels Mund des Preisgedichtes Stoff dir kund.

AMPHIO.
Leb wohl, vertrau auf mich. Eilt ab.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Vorige. Narr.

NARR.
Verzeih, ich bin vorausgeeilt, dich tiefergebenst abzuholen.
HERMIONE.
Kömmst du allein?
NARR.
O nein, ein Narr bringt zehn. Deutet in die Szene.
AFFRIDURO
tritt auf und verbeugt sich.
Ich bin der zweite – Kleine Pause. der die Nachricht bringt, daß dich Apoll erwartet.

Odi und acht Inselbewohner treten auf und verbeugen sich.
ODI.
Wir sind die andern – und erscheinen, dich zu holen.

Sie stellen sich dann, auf der einen Seite fünf, auf der andern Seite vier, auf, so daß Affriduro der zehnte ist.
NARR.
Ich halte Wort, die Zahl ist voll.
HERMIONE.
So folget mir. Ab.

Alles ihr nach.
NARR.
Ihr Narren geht voraus, der Weise folget nach. Geht gravitätisch ab, ihnen nach.
11. Auftritt
[225] Elfter Auftritt
Die beiden liegenden Statuen verschwinden, und statt ihnen liegen die Zauberschwestern in der nämlichen Stellung auf den Postamenten, springen erzürnt auf und gehen auf und ab.

VIPRIA.

Nein, das ist zu viel. Einen Hirten liebt sie. Das hat die Sonne nicht erlebt. Ist er denn wirklich schön? ich hab ihn nicht genau betrachtet.

ARROGANTIA.
Er hat ein glänzend Aug.
VIPRIA.
Im Ernst?
ARROGANTIA.
Und Lippen wie Rubin.
VIPRIA.
Da hätt er sich in uns verlieben sollen, nicht in sie.
ARROGANTIA.
Der Meinung bin ich auch.
VIPRIA.
Sie darf Ihn nicht besitzen. Wie verhindre ichs?
ARROGANTIA.
Ach, sinne, Schwesterchen, ich bitte dich.
VIPRIA.

Geduld. Durch ein Gedicht soll ihre Hand ihm werden? Ist es nicht so? Das Dichten muß man ihm verleiden. Doch wie? Ich frag dich, Zauberstern. Zieht den Stern heraus und sieht hinein, fährt auf. Holla, was spiegelt sich in dir? Was schwebt da in des Himmels Blau? Blick auf!

ARROGANTIA
blickt in die Luft.
Ein Adler ists.
VIPRIA.
Du irrst, es ist die Phantasie, sie kömmt zu Amphio, sie hat ihm Hermiones Hand gelobt.
ARROGANTIA.
So sagte er.
VIPRIA.

Jetzt lebt es auf in mir, mein Plan ist reif. Wir fangen sie und sperren sie dann ein. Dann will ich sehen, wer ein Gedicht hier schreibt.

ARROGANTIA.
Ich habe viel Verstand, doch dich versteh ich nicht.
VIPRIA.

Begreifs! Wer dichtet denn? Die Phantasie ists, die poetische Gedanken schafft. Wir halten sie gefangen, dann fällt keinem Dichter etwas ein.

ARROGANTIA.
Also wird auch kein Preisgedicht gemacht?
VIPRIA.

Es wird gemacht, heut abend noch. Doch zwingen werde ich die Phantasie, den zu begeistern, den ich für Hermione zum Gemahl bestimmt, und wie der aussehen wird, das kannst du dir wohl denken, und nehmen muß [226] sie ihn, wenn er das Beste liefert, sie schwörts in diesem Augenblick im Tempel des Apoll.

ARROGANTIA.
Ein schöner Plan. Verbergen wir uns jetzt.
VIPRIA.
Flieg nur, mein Vögelchen, du fliegst in unser Netz.

Beide verbergen sich, die Statuen erscheinen wieder an ihrer vorigen Stelle.
Das Ritornell der Arie beginnt.
Die Phantasie schwebt mit ausgespreiteten irisfarbigen Flügeln auf rosigem Nebel nieder.
DIE PHANTASIE.
Ich bin ein Wesen leichter Art,
Ein Kind mit tausend Launen,
Das Niedres mit dem Höchsten paart,
's ist wirklich zum Erstaunen.
Kurzum, ich bin ein Kraftgenie,
Sie sehn in mir die Phantasie.

Ans Publikum.

Wenn rauhe Wirklichkeit auch gleich
Verwundet Ihre Herzen,
So flüchten Sie sich in mein Reich,
Ich lindre Ihre Schmerzen.
Denn alles Glück, man glaubt es nie,
Am End ists doch nur Phantasie.
In dichterischem Übermut
Durchschweb ich weite Fernen.
Ich steck die Sonne auf den Hut
Und würfle mit den Sternen,
Doch vor des Beifalls Melodie
Verbeugt sich tief die Phantasie.

Sich tief verneigend.

Es ist doch wahrlich eine Schande, daß die Phantasie, die von oben kommt, als Unterhändlerin in einem Liebesroman erscheint. Apollo selbst will dieses Pärchen einen, denn unter uns gesagt, er ist ein eitler Mann, wie viele Dichter sind, und Hermiones Schwur, nur einen Dichter zu erwählen, hat ihn so entzückt, daß er mir befahl, ihr [227] Amphio zum Dichter und artigen Gemahl zu bilden, zu bil den! – wohlgemerkt, weil gewöhnlich die gebildetsten Dichter die ungebildetsten Ehmänner sind. Hier kömmt mein Kandidat, Ich will ihn doch ein wenig aufziehen.

12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Amphio. Die Phantasie.

PHANTASIE.

Nun mein dichterischer Freund, wie haben wir uns aufgeführt? Hat unser gestriges Sonett Cytherens Bande fester geknüpft?

AMPHIO.
Auf ewig sie zu binden, steht in deiner Macht.
PHANTASIE
weint kindisch.

Ich armes Kind soll andere vermählen, und für mich selbst wird Hymens Fackel niemals leuchten. Verbirgt das Gesicht.

AMPHIO
besorgt.
Wer würde deine Hand verschmähen?
PHANTASIE
lacht laut auf.

Meinst du, ich sprech im Ernste so? Was kümmern mich die Männer dieser irdschen Welt, was gilt mir selbst ein menschlicher Apoll! Ich bin die Phantasie, der höchsten Schönheit Bild kann ich durch eigne Macht erschaffen, denn nach Adonis reizender Gestalt form ich aus rosgem Äther mir den Bräutigam, in sein Gehirn leg ich Minervens Weisheit ihm, der Zunge schenk ich die Beredsamkeit der Polyhymnia, in seine Brust gieß ich Latonas Sanftmut aus. So bild aus Götterkräften ich mein Ideal und flieh mit ihm nach einer Himmelswelt in unbekannte Sphären. Dort bau ich Amors Tempel auf von glänzendem Rubin und laß von tausend Sonnen ihn bestrahlen. Dann raub ich dem Saturn die Sichel seiner Zeit und breche sie ob unserer Lieb entzwei, damit mir jeder Kuß zur ewgen Wonne wird.

AMPHIO.
Ach, du scherzest noch, du weißt nicht, wie poetisch wichtig diese Stunde ist.
PHANTASIE.

Beleidige mich nicht, ich selbst habe heute Hermione zu dem Entschluß begeistert, ein Preisgedicht zu fordern, damit nur einmal dieser langweilige Liebeshandel sein Ende erreicht.

[228]
AMPHIO.
Oh, dann wirst du mir auch deine Hülfe nicht versagen. Der heutge Tag entscheidet.
PHANTASIE.

Du bist doch noch bescheiden, du nimmst meine Hilfe nur bei Tage in Anspruch, aber manche Dichter sind so wahnsinnig, die ganze Nacht zu schreiben, und wenn die Phantasie nicht gleich auf dem Tintenfaß sitzt, so beschwören sie mich durch Punsch und Champagner, daß ich erscheinen soll, und wer kann der Einladung eines so artigen Franzosen, wie der Champagner ist, widerstehen? Ich nicht.

AMPHIO.

In jenem Tempel schwört die Herrscherin, ich eile, um dir zu berichten, was wir zu besingen haben. Wie freu ich mich, wie bebe ich, ach, wie quälend ist dieser Wechsel von Freude und Furcht.

PHANTASIE.

Ach, wie quält dich dieser kleine Wechsel, und wie gerne würde mancher mit dir tauschen, der heute einen recht großen auszuzahlen hat. Die Freude ist ein Wechselhaus, sie muß wechseln, denn im Wechsel liegt Freude. Doch um dich zu beruhigen, will ich dir einen Wechsel ausstellen an das große Wechselhaus Amor et Compagnie. Nun, der wird dir doch sicher sein, denn wenn die Liebe zu zahlen aufhört, dann macht die Welt Bankerott. So geh denn hin und hole den Stoff. Die Phantasie bleibt hier zurück, und wenn du wiederkehrst, umschling ich deinen Geist, und fertig ist das kindische Gedicht.

AMPHIO.
Und wird es Hermiones Hand erringen?
PHANTASIE.
Ich schwör es dir bei Schillers Haupt, in dem ich stolz gethront.
AMPHIO.
Ich trau auf diesen Schwur. Sinkt ihr zu Füßen.
PHANTASIE
hebt ihn auf.

Komm bald, ich harre dein. Amphio ab. Phantasie allein. Heute habe ich einen fröhlichen Tag. Wie wohl ist der Phantasie, wenn sie vom Versemachen ruhn und in ungezwungner Prosa sprechen kann. Sie singt eine lustige Rossinische Melodie. Die Phantasie kann alles. Hüpft herum. Sie ist ein mutwilliges Geschöpf.

13. Auftritt
[229] Dreizehnter Auftritt
Vorige. Vipria und Arrogantia, erstere mit Pfeil, letztere mit Bogen und Pfeil bewaffnet.

VIPRIA
der Phantasie in den Weg tretend.
Halt an!Qui vive?
PHANTASIE.
Bonne amie, die Phantasie.
VIPRIA.
Nichts passiert, gib dich gefangen, bunter Rabe!
PHANTASIE.
Doch nicht so leicht. Entreißt ihr den Pfeil und verwundet sie.
VIPRIA.
Verdammte Schlange! Hält sich den Arm.
PHANTASIE
eilt auf einen kleinen Hügel und macht Miene zum Auffliegen.
Du Hexe, denk an mich.
ARROGANTIA
hat den Bogen gespannt und schießt die Phantasie in eine Achsel, an der der Flügel verwundet wird.
Und du an mich!
PHANTASIE
sinkt.
Weh mir! Das traf!
ARROGANTIA
schadenfroh.
Jetzt kennst du mein Geschoß!
VIPRIA.
Fort mit ihr.

Beide fesseln sie.
PHANTASIE.
O unglückselges Los!
VIPRIA.
Sperr in den Käfig sie. Ich such ihr einen Dichter auf.

Arrogantia zieht die Phantasie an den Fesseln fort.
PHANTASIE.
Apollo!
ARROGANTIA.
Folge mir!

Arrogantia mit der Phantasie ab.
VIPRIA
allein.

Umhülle mich jetzt, magische Finsternis. Schwarze Wolken fallen ein, die in der Mitte einen Stern bilden. Es wird Nacht. Jetzt, Zauberstern, entehre deinen Glanz und strahl Gemeinheit ab und Häßlichkeit, wie sie mein rachetrunkner Sinn begehrt. Der Stern öffnet sich, man sieht das farbige Transparentbild des Harfenisten, mit seiner Harfe sitzend, an der Wand. Hahaha, willkommen, Fratzengesicht, dich ernenne ich zu ihrem Gemahl. Ein Wagen mit sechs Raben bespannt, statt den Laternen zwei Fackeln, erscheint. Durch die Lüfte fort, damit ich es schnell entführe, dies Werk einer hypochondrischen Stunde der Natur. Fliegt ab.

14. Auftritt
[230] Vierzehnter Auftritt
Verwandlung.
Das Innere eines Bierhauses.
Verschiedene Gäste an Tischen. Der Schuster. Der Spengler. Ein Fremder. Der Wirt. Der Kellner. Seitwärts eine Kredenz mit Zimenten. Rückwärts hängt ein Kastel von schwarzem Papier, worauf transparent zu lesen ist: Heut spielt der berühmte Harfenist Nachtigall.
Kurze passende Musik zur Verwandlung.

CHOR.
Herrlich, prächtig, delikat
Sind die Speisen in der Tat,
Und der einzge Fehler ist,
Daß noch fehlt der Harfenist.
Sagt uns doch, Herr Wirt, einmal,
Wo bleibt denn der Nachtigall?
MEHRERE GÄSTE.
Aber was ist denn das, Herr Wirt?
WIRT.

Ich bitt Sie, meine Herren, sind S' nur nicht bös, daß der Harfenist noch nicht da ist. Mit den Menschen ists nicht zum Aushalten.

SCHUSTER.
Wenn er nur nicht so grob wär mit den Gästen.
SPENGLER.
Nein, das ist just recht, da hat man was z' lachen über ihn, er hat gute Einfälle, und so wahr!
SCHUSTER.
Den Herrn hat er neulich ein Esel gheißen, das war ein guter Gedanken.
WIRT.

Ja, es ist wahr, er ist der zweite Narrendattel, ich habe eine Menge Gäst wegen ihm, den Leuten gfallt seine Grobheit, aber er übernimmt sich, ich hab ihms schon gsagt, wie er noch wem beleidigt, muß er ausbleiben.

FREMDER.

Ist das der Harfenist, der gestern gsungen hat? der kann ja gar nichts, da wird jetzt ein andrer kommen von Linz, den werden S' hören. He Kellner, eine Portion Schafköpfel.

KELLNER.
Gleich, Euer Gnaden. Der Nachtigall kommt.
ALLE.
Nu endlich einmal.
15. Auftritt
[231] Fünfzehnter Auftritt
Vorige. Nachtigall, karikiert gekleidet, mit der Harfe, kommt.

NACHTIGALL.
Lied.

Nichts Schöners auf der ganzen Welt

Als wie ein Harfenist,

Wenn er nur seinen Gästen gfällt

Und allweil lustig ist.

Trinkt er sich auch ein Räuschel an,

Dann singt er erst recht frisch,

Und wenn er nimmer singen kann,

So fallt er untern Tisch.


Er hat nur für sein Harfen Gfühl,

Sie ist sein Weib sogar,

Die kann er schlagen, wie er will,

Die fahrt ihm nicht in d'Haar.

So singt er sich durchs Leben hin,

Einmal wird alles gar,

Und ist er tot, sagt man von ihm:

Er war ein guter Narr.


WIRT.
Aber warum denn gar so spat, Herr Nachtigall?
NACHTIGALL.

Ich bitt um Verzeihung, ich hab Kopfweh ghabt, ich hab mich angschlagn. Ich hab gestern einen Rausch ghabt. Und unser Hausmeister, wenn man um zwölf Uhr anläut, so macht er erst um eins auf, und da hab ich mich derweil ans Tor angelehnt und hab eingschlafen, auf einmal macht er gäh auf, und ich lieg nach aller Längst beim Tor drinn. Ihm schlag ich nieder, und mich schlag ich auf.

SCHUSTER.
Weil Er halt wieder ein Rausch ghabt hat. Jetzt nur anfangen.
NACHTIGALL.
Gleich. Hansel, mein Kolophoni zun Halsschmieren.
KELLNER.
Weiß schon. Beiseite. Das sind sechs Maß Bier.
NACHTIGALL.
Und das Zinnteller, zum Einsammeln.
[232]
FREMDER.
Kellner!
NACHTIGALL.
Aha, bist schon da, Vogel, heut setzt es was.
FREMDER.
Wann krieg ich denn einmal meinen Schafskopf?
NACHTIGALL.
Nu, so gebts den Herrn sein Schafskopf, laßts die Leut nicht so lang ohne Kopf dasitzen.

Kellner bringt das Schafköpfel.
WIRT.
Er fangt schon wieder an. Herr Nachtigall, ich rat Ihms.
NACHTIGALL.
Herr Wirt, mit den gibts ein Streit. Ich kenn ihn, er will mich ums Brot bringen.
WIRT.
Untersteh Er sich.
NACHTIGALL.
Nutzt nichts, ich bin ein streitbarer Mann, gstritten wird.
WIRT.
Wenn Er mir ein Gast beleidigt –
NACHTIGALL.
Er ist kein Gast, ich werd ihms schon sagen, warum.
SCHUSTER.
Anfangen einmal und a bissel was Neues singen.
NACHTIGALL.
Allemal. Singt und spielt Harfe.
Lied.

Der Heurige ist ja ein Göttergetränk,

Er wirft oft die schönsten Leut unter die Bänk,

Und wer bei der Nacht will die Sonn scheinen sehn,

Der darf nur recht spot noch zum Heurigen gehn.

Drum, Brüderln, ich rat engs, zum Heurigen gehts!


Der Heurige gibt einem Menschen erst Lust,

Er stärkt ihm die Leber und frißt ihm die Brust,

Er bringt die Leut früher in Himmel hinein,

Denn mancher, der 'n trunken hat, wird schon dort sein.

Drum, Brüderln, ich rat engs, ein Heurigen trinkts!


Der Heurige kennt keine Parteilichkeit nicht,

Er laßt sich nicht spicken, er tut seine Pflicht,

Seis Graf oder Bettler, da schützt gar kein Nam,

Der Heurige packt ihn und reißt ihn zusamm.

Drum, Brüderln, ich rat engs, ein Heurigen trinkts!


[233]

Und wollts nicht viel zahlen, so macht es nur fein

Und duselts den Wirt an mit heurigem Wein.

Im Rausch sieht er doppelt, da zahlts ihn gschwind aus,

So schlupfts bei der Zech mit der Hälfte hinaus.

Drum, Brüderln, ich rat engs, ein Heurigen trinkts!


FREMDER
lacht laut.
Das ist nicht zum Anhören. Kellner, zahlen!
NACHTIGALL.

Ah! Hört plötzlich auf. Oh, heut kommst mir nicht aus. Nimmt den Sammelteller und geht damit herum. Haben Sie die Güte, meine Herren. Zu dem Fremden. Sie, ich bitt untertänig.

FREMDER.
Was gibts? Er hat ja noch nichts gsungen.
NACHTIGALL.
Ich hab ja just aufghört.
SCHUSTER.
Ja, aber der Herr hat schon eher aufghört, eh der Herr angfangt hat.
NACHTIGALL.
Das geht mich nichts an, er hat gestern zwei Lieder bestellt und hat nichts zahlt.
FREMDER.
Impertinent.
NACHTIGALL.
Sie sind impertinent.
FREMDER.
Fahr Er mir nicht auf.
NACHTIGALL.
Fahren Sie mir nicht ab.
FREMDER.
Just nicht. Kellner, zahlen!
NACHTIGALL.
Nichts Kellner zahlen, Harfenisten zahlen.
SCHUSTER.

Ruhig, der Herr hat Recht. Wer wird eh zahlen, eh man was hört? Ich trag als Schuster die War ins Haus und krieg oft kein Geld, viel weniger vorhinein.

NACHTIGALL.

Warum ist der Herr ein Schuster worden? Den Herrn sein War treten die Leut mit Füßen. Aber ich leid das nicht, das ist ein verkleider Harfenist von Linz, der will mich ausstechen.

FREMDER.
Das ist erlogen. Wirft ihm ein Stückel Geld hin. Da hat Er, und jetzt marsch.
NACHTIGALL.

Nichts marsch, halt! wird kommandiert. Da haben Sie Ihre zwei Groschen, mit denen kaufen Sie mir die Grobheiten nicht ab, die ich Ihnen heut noch antun will. Über meine Stimme haben sie gschimpft, Sie haben [234] gsagt, ich heiß deswegen Nachtigall, weil die Leut immer ein Gall haben, wenn ich auf die Nacht sing.

FREMDER.
Kerl, ich nimm mein spanisches Rohr und –
NACHTIGALL.

Was – für deutschen Gesang wollen Sie spanische Schläg hergeben? Wenn Sie ein gschickter Harfenist sein, so lassen Sie ein paar tüchtige Triller heraus, aber Sie sind ein Sänger der Vorzeit, der in der jetzigen nichts mehr kann.

FREMDER.
Meine Herren, nehmen Sie sich um mich an, ich bin ein Reisender.
NACHTIGALL.

Und ich bin ein Rasender, und wenn Sie noch so weit gereist sind, in meinen Augen sind Sie doch nicht weit her.

WIRT.
Jetzt sei der Herr still, oder ich red aus einen andern Ton.
NACHTIGALL.
So stimmen Sie einen an, ich red einmal aus den F.
WIRT.
Und ich sag drauf G. Zeigt auf die Tür.
NACHTIGALL.
Was G? Solche Buchstaben stoßen Sie aus? A, jetzt muß ich als Harfenist andre Saiten aufziehen.
SCHUSTER.
So, jetzt geht er übern Wirt auch.
WIRT.
Ich verbiet Ihm mein Haus ganz.
NACHTIGALL.

Ganz? Das können Sie nicht, weil Sie noch die Hälfte darauf schuldig sein. Übrigens sind Sie in meinen Augen ein braver Mann, aber Ihr Bier ist nichts nutz.

WIRT.
Weil Er Seine Grobheiten nicht aufgibt, so geh er gleich.
NACHTIGALL.

Weil ich meine Grobheiten nicht auf gib, so bleib ich gleich. Allen Respekt vor meine verehrten Gäst', aber meine Herren, ich fordere Sie bei Ihrer Ehr auf, können Sie mir etwas Höfliches nachsagen?

ALLE.
Nein, das ist wahr.
NACHTIGALL.

Sehen Sie. Nur eine Stimme. Ich bin ein gerader Mann, ich laß mich kerzengrad bei der Tür hinauswerfen, ich geh doch wieder herein, ich weiß schon warum, aber zwei Leirer in einen Wirtshaus tun nicht gut. Das ist ein Harfenist, der muß hinaus.

[235]
ALLE.
Er muß hinaus.
NACHTIGALL.
Ich will sehen, wer mich aus den Haus bringt.

Donnerschlag. Nacht.
Vipria aus der Versenkung.
VIPRIA
stark.
Ich!
NACHTIGALL.
O Jegerl, der Mon-Mon!

Beide versinken. Alles in Staunen.
CHOR.
O Spektakel, welch Gebraus,
Es erbebt das ganze Haus,
Gütger Himmel, steh uns bei,
Das ist Satans Hexerei.

Heftiger Donnerschlag, ein Blitzstrahl fährt schief über die Hinterwand und spaltet sie, so daß die untere Hälfte eine Art Dreieck bildet, der obere Teil stürzt ein, und man sieht in lichter Ferne ganz im kleinen den Wolkenwagen mit Nachtigall und Vipria schweben. Während es vorne finster bleibt, ist der Hintergrund mit griechischem Feuer beleuchtet.

Weh, weh, wir sind verloren,
Seht, die Hexe und der Schuft
Fliegen pfeilschnell durch die Luft.

Die Kortine fällt.
Ende des ersten Aufzuges.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Romantische Gegend vor dem kolossalen Palaste der Zauberschwestern.
Zwei weiße Löwen liegen vor dem Eingange.
Vipria sinkt unter leiser Musik mit Nachtigall in ihrem Wolkenwagen nieder. Sie streiten noch während dem Niedersinken.

NACHTIGALL.
Lassen S' still halten, ich bleib einmal nicht.
VIPRIA.
Schweig!

Der Wolkenwagen ist am Boden, Nachtigall springt erzürnt heraus.
[236]
NACHTIGALL.

Wann ich aber nicht will. Da haben wirs, jetzt geht s' mit mir in einem Land nieder, wo ich gar nimmer z' Haus find, da muß ich verhungern, das ist eine unwirtbare Insel, wo soll ich da einen Wirt finden, der einen Harfenisten braucht?

VIPRIA.
Beruhige dich, ich werde deine Tafel schon besorgen.
NACHTIGALL.
Sie? Nun da hab ich schon gegessen, wenn ich das hör. Sie führen mich nimmer an.
VIPRIA.
Die Zunge halt im Zaum, Raison nimm an.
NACHTIGALL.

Was Raison? Ich räsonier genug. Wie können Sie eine ordentliche Person sein? Sie gehn ganz allein ins Wirtshaus wie ein Husar, packen mich auf und entführen mich, mich unschuldsvollen Mann, schamen Sie sich nicht?

VIPRIA.
Ich habe dich zu deinem Glück entführt.
NACHTIGALL.

So? und da kommen Sie mit der Equipage? Da kommt man mit sechs Rappen, aber nicht mit sechs Raben, da muß einer ja rabiat werden.

VIPRIA.
Und doch werd ich dich hoch erheben.
NACHTIGALL.

Ich bedank mich für eine solche Erhebung. Wann ich in der Luft oben häng, und fliegen die Raben um mich herum. Wollen Sie ein Rabenbratel aus mir machen?

VIPRIA.
Ein Bettler bist du jetzt, ein Krösus sollst du werden.
NACHTIGALL.

Ah, da muß ich bitten, jetzt heißt s' mich gar einen Bettelmann. Haben Sie meine glänzenden Verhältnisse nicht bemerkt, haben Sie nicht ghört, wie mich der Wirt auf den Glanz hergestellt hat? Jetzt werden Sie gleich mit mir gehen und werden mich an ein Ort führen, wo ich Sie verklagen kann.

VIPRIA.
Den Löwen schenk ich dich zum Mahl, wenn du dich nicht in meinen Willen fügst.
NACHTIGALL.

Was für Löwen? Sieht sich um und erblickt das Gebäude samt den Löwen, erzittert. O saprerment, das sind zwei Bologneserl. Auf einen Löwen deutend. Das eine muß ein Weibel sein, sie kokettiert auf mich. Jetzt zieh ich andre[237] Saiten auf. Verehrteste! Fällt auf die Knie. Ich bin jetzt, was Sie wollen, ich bin ein Bettelmann, ein Bettelweib, eine ganze Bettlerfamilie, wenn Sie befehlen, ich bitt gar schön, schenken S' mir nur ein bissen mein Leben.

VIPRIA.
Steh auf, gib Augen deiner blinden Furcht, und sieh dich um im Vaterland der Blumen.
NACHTIGALL
bleibt knien.

Ich weiß es, ich bin voll Respekt, ein schönes Land, ich küß ihm die Hand, und blumenreich, mir hats von weiten schon gfallen, ich habs für ein großes Gartengschirr ghalten.

VIPRIA.
Entzückt dich nicht der Wohlgeruch?
NACHTIGALL.
Das glaub ich, die Woll riecht hier sehr gut. Das ganze Land ist ein völliger Pomadetiegel.
VIPRIA.

Steh auf. Beiseite. Der Narr taugt ganz für meinen Plan. Laut. Dies Land ist nicht so unbewohnt, als du es wähnst. Hier atmen Tausende, und über sie herrscht eine junge, und eine schöne Königin.

NACHTIGALL.

Also zwei Königinnen? eine Junge, und eine Schöne? Nu wenn die Junge auch schön ist und die Schöne auch jung, da muß einem schön die Wahl weh tun. Das wär' ein Glück, wenn ich da Harfenist werden könnt?

VIPRIA.
O du bescheidner Wurm! An ihrer Seite wirst du herrschen, morgen schon.
NACHTIGALL.

Hören S' auf. Sie Gspassige, Sie foppen mich. Eine Kinigin soll ich erhaschen? ein Kinigelhasen vielleicht.

VIPRIA.

Zum Werkzeug meiner Rache hab ich dich entführt, noch heute abend wirst du hier ein Preisgedicht verfassen, wodurch die Hand der Herrscherin dir werden muß. Unter Tausenden wirst du das beste liefern.

NACHTIGALL.
Das Beste liefern? Seltne Tugend eines Lieferanten.
VIPRIA.

Jetzt eilst du hin und meldest dich in jenem herrlichen Palast, dort gibst du vor, du wärest ein Minstrel, ein Sänger aus dem fernen Engelland, dir wär Apoll erschienen, im Begeistrungstraum, und hätte dir befohlen, in dies Land zu segeln und der Dichtkunst Ehre hier zu retten [238] und eine Würde zu erringen, die deinem Geist gebührt und deinem Stolz.

NACHTIGALL.
Das wird ein pompöser Einzug werden, mit den zerrissenen Hut und den gflickten Rock.
VIPRIA.
Ein Wort von mir wird dich in goldene Kleider hüllen, und eine goldene Harfe schenk ich dir.
NACHTIGALL.

Ah, da werd ich eine goldene Schneid haben, da geben S' acht. Das ist die neueste Erfindung in der Medizin, daß Gold die Nerven stärkt. Und wie haben s' das entdeckt? Da haben s' einen armen Teufel, der vor Hunger kaum mehr gehn hat können, alle Säck voll mit Dukaten gefüllt, und auf einmal hat sich eine solche Kraft an ihm geäußert und er ist so impertinent geworden, daß er die schönsten Leut bei der Tür hinausgworfen hat. Pums, haben s' ihm das Gold wieder weggenommen, und er war wieder so miserabel wie vorher.

VIPRIA.

Ich will an dir erproben diese Kraft. Geh hin! Du wirst dort viele Dichter treffen, doch lache ihres Spotts. Zu Hermione laß dich führen, so heißt die Königin, dort bläh dich auf, durch Prahlerei vermehr die Häßlichkeit, die dir Natur verliehn, damit dein Anblick ihre Heiterkeit vergifte. Dann kehrst du schnell zurück und schlägst an dieses Tor, hier wirst durch Hülf der Phantasie du das Gedicht erschaffen, das dich zu Hermionens ewger Qual zum Herrscher stempelt ihres Reichs und ihrer halb verloschnen Reize.

NACHTIGALL.

An das Tor soll ich anklopfen, wo die zwei Hausmeister vor der Tür liegen? Das laß ich bleiben. Wenn einer unrecht versteht, so macht er statt der Tür den Rachen auf. Da geh der Aken hinein, ich nicht.

VIPRIA.
Den Löwen kümmert nicht die Maus. Geh hin, versuch's. Die Schwester öffnet dir.
NACHTIGALL.

Jetzt haben die Löwen eine Schwester auch noch. Was ist zu tun? Hier zwei männliche Löwen, Auf Vipria deutend. dort ein weiblicher Tiger. Wer ist jetzt bissiger? Aufs Beißen gehts einmal los. Entschlossen. Ich halts mit die Löwen. Vielleicht sind sie ebenso großmütig, als[239] ich kleinmütig bin. Mut, Richard Löwenherz'!Lauft hin, klopft schnell an und springt gleich wieder zurück. Getroffen hab ich, was ich troffen hab, das wird der Himmel wissen.

2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Die Torflügel springen auf. Arrogantia tritt hervor. Vorige.

ARROGANTIA.
Wer wagt es, anzupochen hier?
NACHTIGALL.
So ists recht. Eine war nicht gnug zu meiner Qual, die Fortsetzung kommt auch heraus.
ARROGANTIA.
Was willst du, Übergang vom Affen zu den Menschen?
NACHTIGALL.
Da haben wirs, ich habs ja gwußt, der zweite Teil ist immer schlechter als der erste.
VIPRIA.
Wie kannst du den beschimpfen, den mein Blick aus Millionen sich zum Werkzeug hat erkoren?
NACHTIGALL.
Just mich hat s' erwischt, das ist ein solches Glück, als wenn der zehnte Mann erschossen wird.
VIPRIA.
Hier stell ich dir den Helden dieses Tags, den künft'gen Schach der Insel vor.
ARROGANTIA.

Welch eine herrliche Karikatur! Hahaha, Freund, du bist die schönste Mißgestalt, die ich erblickt noch hab.

NACHTIGALL.

Ich bitt recht sehr, meine schöne Bella-Donna, Sie sind zu gütig. Nein, was die für eine Beschreibung von mir herausgibt, das ist schandvoll.

VIPRIA.
Was macht die Phantasie, hat sie den Käfig nicht zertrümmert?
ARROGANTIA.

Verzweiflung hat in ihr gewütet, doch blickt sie ruhig jetzt um sich, und bald erglänzt ihr Aug, bald spiegelt eine Träne sich in ihm.

VIPRIA.
Sie dauert mich, die arme Nachtigall.
NACHTIGALL.

Also da drinn haben s' auch eine Nachtigall? Auf die Letzt gehn die herum und fangen die Nachtigallen zusamm. O ich unglücklicher Nachtigall, auf die Letzt komm ich in ein Vogelhaus und muß aus einen Nirschel saufen, und mir ist ein Maßziment zu klein.

[240]
VIPRIA.
Wie stehts mit unserem Dichterschwarm, wirkt ihre Gefangenschaft auf ihn?
ARROGANTIA.

Herrlich. Alle Dichter dieser Insel rennen in geistloser Verwirrung durcheinander, auch nicht ein Vers steht ihren hohlen Köpfen zu Gebot, seit sich die Phantasie daraus entfernt.

VIPRIA.

So komm, ich will der Phantasie verkünden, wodurch sie ihre Freiheit kann erringen. Unterdessen wird sich dieser im Palaste Hermionens zeigen. Berühre ihn mit deinem Pfeil.

ARROGANTIA.
Erglänze, Kies, und werd zum Edelstein, von außen wenigstens.

Sie berührt Nachtigall, er hat ein goldgesticktes Staatskleid an, zu gleicher Zeit erscheint auf der
Rasenbank unterm Baum der Hut mit Federn geschmückt, den ihm Arrogantia gibt. Vipria berührt einen Baum, es hängt augenblicklich eine goldne Harfe daran.
VIPRIA.
Und ich schenk diese Harfe dir,
Geh hin und lasse sie erklingen.
Durch Harfenton erfreutest du so manches trübe Herz.
Doch heute bring ein fröhliches durch ihren Klang zum Schmerz.
Erring durch sie das Preisgedicht, du Sänger froher Lust,
Und bohr dadurch den Rachepfeil in Hermiones Brust.

Beide in den Palast ab.
NACHTIGALL
allein.

Jetzt laufen s' alle zwei davon und lassen mich dastehn. Wenn ich nur ein Wort verstanden hab von der ganzen Schnatterei, so bin ich ein schlechter Mann. Ich weiß gar nicht, was mit mir da wollen, wann ich lieber in meinen Bierhaus wär, mir wird mein Lungenbratel kalt, was ich mir angschafft hab. Und tu ich nicht, was sie schaffen, so bringen s' mich am End gar um, die zwei Bisgurn. Anzogen hätten s' mich schön, es könnt was herausschauen. Aber, ich kenn mich nicht aus. Mir bleibt der Verstand aus, und ich soll ein Preisgedicht machen. Um keinen Preis, das kann ich nicht. Lieder hab ich genug gemacht, ich war sehr liederlich, will ich sagen, [241] liederreich. Aber trauervolle Vers, gerührte, die hab ich noch nie versucht. Ah was, ich verlasse mich auf meine zwei Rabenschwestern, ich geh jetzt einmal in den Palast und hol mir entweder einen tüchtigen Respekt oder tüchtige Schläg ab. Der Zufall ist ein kurioser Patron, der hat schon manchen herausgeholfen.

Arie

Der Zufall, der sendet viel Vögelchen um

Von zweierlei Gattung per se,

Die flattern der Welt um die Nase herum

Und bringen ihr Wohl oder Weh.

Die Glücklichen habn eine rote Montur,

Die Schlimmen sind schwarz wie ein Rab,

Doch streifen die roten auf blumigter Flur,

Die schwarzen, die fliegen talab.


Drum send mir, o Zufall, ich bitte dich fein,

Ein rosiges Vögelchen heut,

Das flieg in den Saal meiner Zuhörer 'nein

Und stimm sie zur Nachsicht und Freud.

Dann schwing ich die Harfe, erobre die Braut

Und führ sie im Jubel nach Haus.

Doch ist sie mein Weibchen, dann rufe ich laut,

Freund Zufall, jetzt pack dich hinaus.


Die Treue darf nie bloß durch Zufall bestehn,

Der Zufall bringt oft ein Chapeau,

Und Zufälle, die wir mit Eifersucht sehn,

Die machen fürwahr uns nicht froh.

Doch stürbe mein Weibchen, fatale Geschicht,

Mein Wunsch wird es niemals zwar sein,

Dann, glücklicher Zufall, vergesse mich nicht,

Find mit einer andern dich ein.


Ab.
3. Auftritt
[242] Dritter Auftritt
Verwandlung.
Hermiones Palast. Odi.
Alle Dichter der Insel stürzen herein.

CHOR
zu Odi.
Laß uns vor, eile hin,
Rufe schnell die Herrscherin.
Wir erdulden nicht die Qual,
Sie verschieb die Dichterwahl.
ODI.
Seid ihr denn unsinnig geworden? Hat das Dichten euch die Sinne verwirrt?
EIN DICHTER.

Vorbei ists mit der Dichtkunst hoher Gabe, wir sind behext, uns fällt kein Vers mehr ein. Hermione bitt hieher, wenn du ein Freund zu deinem Rücken bist.

ALLE.
Ja, hörst du, Wicht.
ODI
schreiend.
Ich höre schon. Im Abgehen für sich. Du grobes Dichtervolk. Ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Narr. Vorige.

NARR
eilt herein.

Ists wahr, was ich gehört? Die Hippokrene ist vertrocknet, die ganze Dichtkunst sitzt auf dürren Sand! O weh, o weh, o weh!

ALLE.
Hermione ist für uns verloren.
NARR.
Fällt euch denn gar nichts ein?
ALLE.
Gar nichts.
NARR.

O arme Waisenkinder des Apoll, ich will nach Deutschland reisen und bei unsern Dichtern eine Gedankenkollekte für euch machen.


Distichon verstört, rasch eintretend.
DISTICHON.
Verrat, Verrat! Mein Geist hat sich empört.
NARR.
Dem Himmel sei gedankt, hier ist der Weisheitsmillionär.
DISTICHON.
O Brüder, stimmt in meine Klage ein, Apoll hat mich verflucht, Verzweiflung, nimm als Sohn mich an.
[243]
NARR.
Da kriegt s' ein saubers Kind.
DISTICHON.
Verloren ist mein Geist. Wo find ich ihn?
NARR.
Ich trommle ihn dir aus, es bringt ihn jeder gern, er nützt so niemand was.
DISTICHON.
Gar, gar nichts fällt mir ein. Und ich soll heut den Preis erringen.
NARR
kniet sich nieder.
O du Herkules aller Dichter, ich winde mich im Staube und bewundere deine Unfähigkeit.
DISTICHON
verzweifelnd sich vor die Stirne schlagend.
Oh, hätte ich meine Gedanken in Spiritus bewahrt.
NARR
ebenso.
Oh, hätte ich meinen Witz an einen Eseltreiber verkauft.
DISTICHON.
So dürft ich die Schmach nicht erleben, der Narr dieses Narren zu sein.
NARR.
So dürft ich die Schand ihm nicht antun, an euch ihn zu üben.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Vorige. Hermione schnell.

HERMIONE.
Wer ists, der mich begehrt, was will die bunte Menge mir?
NARR.
Die Verzweiflung hält ihren Triumpheinzug hier.
HERMIONE.
Hier ist nicht euer Platz, im Tempel sehn wir uns. Zu rasch war euer Geist.
DISTICHON.
O Königin, laß mich zu deinen Füßen sterben.
HERMIONE.
Stirb im Gedicht, nicht in der Wirklichkeit. Ein Distichon darf nur in Versen enden.
DISTICHON.

An Knittelversen werd ich noch ersticken. Unmöglich ists uns heut, dich, Hohe, zu besingen. Es ist, als hätten wir alle nur einen einzgen hohlen Schädel, aus dem die Dummheit selbst mit einem ungeheuren Besen die Vernunft hinausgefegt. Ein Zauberkrampf zieht unser Hirn in einen dichten Knaul zusammen.

HERMIONE.
Bist du mein Hofpoet, was sprichst du so gemein?
DISTICHON.

Das ist das Schönste noch, was ich den ganzen [244] Tag gesagt, ich kann nichts Edles denken mehr, und wo ich hinseh, seh ich eine Fratze. Sieht auf den Narren.

NARR.
Ich auch.
DISTICHON.

Darum, o Herrscherin, verschieb den heutgen Preis, wir können dich heut nicht erringen, laß uns bis morgen Zeit, wenn du nicht unbesungen aus dem Tempel eilen willst.

HERMIONE.

Die Furcht ist es, die euren Geist bestrickt. Wie? Wagt ihrs zu behaupten, daß hier außer euch kein Dichter lebt? Bestraft sei euer Stolz, ich halte meinen Schwur, und ich erneu ihn hier, und wenns ein Bettler ist. Verse will ich klingen hören. Hermione heißt der Stoff. Sieben ist der Stunde Zahl. Jetzt eilet hin und erjammert ein Gedicht, weil ihr zu feig es zu ersinnen seid.

DISTICHON.

So leb denn wohl, du stolze Dichterbraut! Kommt, ihr enterbten Söhne lyrscher Muse, erleichtern wir durch Schimpfen unser edles Herz. Wir sind doch Genies der Welt zum Trotz, und wenn wir gar nichts wüßten, wissen wir doch das. Wir finden uns im Tempel ein, vielleicht, daß sich die Zaubernacht in unsern Köpfen lichtet, dann brüllen wir die Verse gegen seine Kuppel, daß sie erdröhnet und ihr dreifach Echo uns den Preis entgegenruft. Stürzt ab.

ALLE.
Ja, das wollen wir.

Alle ihm nach.
NARR.
Jetzt haben s' ihms geben. O ihr verseverarmten, prosaischen Bettelhunde.
HERMIONE.
Das ist Apollos Werk. Amphio, nun hast du leichteres Spiel.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Vorige. Odi.

ODI.

Gebieterin, ein Fremdling bittet um Gehör, er richtet viele Grüße von Apollo aus, der ihn gesandt. Er ist der schnellste Schwimmer, den das Meer je trug, in einer [245] Nacht schwimmt er von England her. Es ist ein spaßiger Patron.

NARR.
Vielleicht Apollo selbst?
HERMIONE.
Ist es ein schöner Mann?
ODI.
Von weitem hielt ich ihn für einen Pavian. In der Nähe magst du selbst ihn hier betrachten.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Vorige. Nachtigall mit der goldenen Harfe.

NACHTIGALL.
Arie

Serviteur, Serviteur!

Ist ihnen allerseits ein Ehr.

Ich bin ein großer Dichtersmann,

Das sieht mir jeder Narr gleich an,

Und schwimme übers Rote Meer

Als goldner Fisch aus England her.

Apollo selbst ist mein Herr Vetter,

Im Himmel lauf ich ab und zu,

Und erst mit alle andern Götter

Da bin ich gar auf du und du.

Kurzum, ich bin hieher gekommen,

Weil, wer ein Preisgedicht ersinnt,

So hab die Kunde ich vernommen,

Am ersten Ruf die Braut gewinnt.

Drum lach ich mir voll an den Bugel,

Der Sieg, ich wette drauf, ist mein,

Ich stiehl Fortunen ihre Kugel

Und scheib als Dichter alle Neun.


Hab ich die Ehre, die Prinzessin Hermione zu be trachten?

HERMIONE.
So ist es, Freund, du hast dich nicht geirrt.
NACHTIGALL.

Bin ungemein erfreut. Beiseite. Ah, das ist eine liebe Person, wenn die meine Frau ist, schau ich vierzehn Tag keine andre an. Zum Narren. Und wie heißt dieser Herr?

[246]
NARR.
Ich heiße Muh!
NACHTIGALL.
Ein schöner Nam, so leicht, so flüssig, eine jede Kuh kann ihn aussprechen.
NARR.
Ich hab ihn auch schon aus eines Esels Mund gehört.
NACHTIGALL.
Vielleicht ein Anverwandter der Prinzessin?
NARR.
Der Hofnarr bin ich hier.
NACHTIGALL.
Hofnarr? fi donc! Da gehört Er in den Hof hinunter, Freund, und nicht im Saal herauf.
NARR.
Heut ist schon so ein Tag, wo alle Narren eingelassen werden. Sonst wärst du auch nicht da.
NACHTIGALL.
Also wie stehts mit uns, Verehrteste?
HERMIONE.
Mit uns? Du sprichst sehr kühn, mein Freund.
NACHTIGALL.
Ja, wer wird denn da viel Umständ machen, wir werden heut abend Mann und Weib.
HERMIONE
lächelnd.
Weißt du das so gewiß?
NACHTIGALL.

Gar kein Zweifel. Sie sind der Preis, der ausgesungen wird, und ich der entsetzlichste der Dichter in der Welt. Das merkt man gleich an der – wie sagt man nur – nun, an Verschiedenen.

NARR.
An der Ideenfülle hauptsächlich.
NACHTIGALL.

Das will ich hoffen, die gefüllten Ideen sind immer besser als die ungefüllten, das ist so wie mit den Krapfen. Übrigens hab ich als Dichter eine außerordentliche Leichtfertigkeit. Ich hab schon über fünfhundert Trauerspiels geschrieben, und je mehr als ich schreibe, desto trauriger wird das Publikum.

HERMIONE.
Kennst du den Homer?
NACHTIGALL.

Nein, aber den Humor kenn ich, und der soll mir auch Ihr Herz erobern. Auch darf man gar nicht glauben, daß ich ein armer Teufel bin, ich hab in England schöne Revenüen.

NARR.
Also nicht der arme Poet vom Kotzebue?
NACHTIGALL.

Nein, der Reiche, aber es sind nicht alle so reich. Es gibt geschickte Dichter, wenn sie den Mund auftun, machen sie sehr witzige Ausfälle, aber wenn sie den Sack auftun, fällt ihnen nie was heraus. Doch zur Sache jetzt. Mein Herr Vetter, ein gewisser Apollo, ist mir die [247] vorige Nacht im Traum erschienen und hat mir Ihre Hand versprochen und den heutgen Abend zur Vermählung bestimmt. Machen Sie also keine Umstände und fügen Sie sich in seinen Willen. Meine Aufwartung hab ich gmacht. Ich werde jetzt noch ein kleines Jausenschlaferl machen, und dann fang ich zum Dichten an, daß der Rauchen aufgeht. Mit dichterischer Begeisterung. Und eh die Sonne in das Meer noch plumpst, bin ich so glücklich, Ihr Gemahl zu sein. Will ab.

HERMIONE.
So lebe wohl, beweise bald, ob du ein Meister in dem Versbau bist.
NACHTIGALL.

Was Bau? Verzeihen Sie, da muß ich nochmal umkehren. Ein Baumeister bin ich nicht. Das sag ich gleich.

HERMIONE.

Ist nicht die Dichtkunst mit der Baukunst formverwandt? Denn wie der Bauherr Stein an Stein aus edlem Marmor füget, so reihet der Poet Gedanken an Gedanken und bindet sie durch seines Witzes Mörtel.

NACHTIGALL.

Sie irren sich. Wissen Sie, was für ein Unterschied ist zwischen ein Dichter und einem Baumeister? Wenn einen Dichter etwas einfallt, ists ihm eine Ehr, wenn aber einem Baumeister etwas einfallt, das ist eine schöne Schand. Das glauben Sie mir, der ich die Ehre habe, mich zu empfehlen. Ab.

HERMIONE.
Ein sonderbarer Mensch, ein Abenteurer ists, der hier sein Glück versucht, doch er erheitert mich.
NARR
neidisch.
Wenn der den Preis gewinnt, dann gibst du unterm Preis dich weg.
HERMIONE.

Schweig, Narr, ein Dichter ist er nicht, doch besser scheinet sein Gemüt als deins zu sein. Und seine Laune könnte deiner leicht gefährlich werden. Verlaß mich jetzt.

NARR
für sich.

So muß sogar ein Narr auf seiner Höhe zittern? O undankbare Welt, da glaubt so mancher oft, er wär allein der Narr im Haus, da kommt ein andrer her und sticht ihn wieder 'naus, und dieser andre wird von einem andern andern dann verdrängt, und so zerstreiten sich die armen[248] Narren ums traurge Narrentum. Ein jeder möcht der größere sein, und jeder narrt sich selbst. O eitle Narretei, o närrische Eitelkeit, ich wollt, ich hätt brav Geld, dann mach ein Narrn, wer will. Ab.

HERMIONE
allein.

Gemeiner Neid, der selbst den Weisen schändet oft. O Amphio, wie wird man dich beneiden, wenn dich die Myrte und der Lorbeer schmückt.

8. Auftritt
Achter Auftritt
Vorige. Amphio, verstört und bleich.

AMPHIO.
O Hermione, find ich dich? Wenn du mich je geliebt, so blick mich gütig an.
HERMIONE.
Was quält dich, Amphio, was führt dich jetzt hieher?
AMPHIO
starr.

Laß mich in deine Augen schaun, ich bitte dich, so lang, bis sich mein Geist an ihrem Strahl entzündet. Hermione sieht ihn verwundernd an. Ich danke dir. Er macht das Spiel, als wollt er sich durch ihren Anblick zum Dichten begeistern, und vermag es nicht. Er geht daher hoffnungsvoll einen Schritt von ihr und sagt nachdenkend gegen Himmel schauend. So – so nun wird es gehn.Immer unruhiger. Flamm auf, Gemüt, flamm auf!Verzweifelnd. Es ist umsonst, sie ist für mich verloren! Will ab.

HERMIONE.
Wo willst du hin?
AMPHIO.
Ins Meer. Lacht wild. Ich will Neptun mich weihn.
HERMIONE.
Doch seiner ungetreuen Tiefe nicht?
AMPHIO.

Sie ist nicht tiefer als mein Schmerz, und seinen Wellen kann ich nur vertraun, warums in ihren Grund mich reißt.

HERMIONE.
Bist du mein Amphio? Hermione sei der Stoff, sprach das Orakel heut, und so besingst du mich?
AMPHIO.

So wisse denn, ich kann dich nicht besingen, mein Geist ist wüst, mein Herz ist kalt, seit du mich sprachst, bin ich nicht Amphio mehr.

HERMIONE.
Ermanne dich, dir fehlt Vertraun auf deine Kraft.
[249]
AMPHIO.
Betrogen bin ich durch die Phantasie, sie ist ein Weib, hätt ich ihr nie getraut.
HERMIONE
empört.
Oh, könnt ich für dich dichten, um dir zu beweisen, wie schön ein Weib aus Liebe denken kann.
AMPHIO.
Sie ist erschöpft, sie hat sich selbst verbannt.
HERMIONE.
Oh, lästre nicht, sagst du nicht selbst durch dein Gedicht:
Es ist die Phantasie ein tiefer Zauberbrunnen,
Aus dem wir der Gedanken Nektar schöpfen.
Er reichet vom Olymp bis in des Orkus tiefsten Schlund,
Mit seinem Ring umschließet er die Welt,
Und unausschöpfbar ist sein ewger Born,
Denn alle Ströme der Verhältnisse
Ergießen sich auf seinem Grund.
AMPHIO.

O Königin, warum hast du den kühnen Schwur gewagt? es hätte des Gedichtes nicht bedurft, nur deine Liebe braucht ich zu erringen, denn wisse, daß – doch nein, nun ists zu spät, du wirst des Siegers Braut, und mein Geheimnis laß ich mit mir untergehn.

HERMIONE.

O halt, noch hab ich einen Hoffnungsstrahl. Wie du, so klagen alle meine Dichter, vielleicht, daß es ein Spuk der bösen Zauberschwestern ist, drum Mut, denn in dem Tempel des Apolls muß dieser Zauber schwinden. Freude, Amphio, mir sagts mein Herz.

AMPHIO.

Das Elend hascht nach jedem Hoffnungswahn. So will ich mein Vertraun mit deinem Hoffen denn vermählen und einen Sohn erwarten, der Erfüllung heißt.

HERMIONE.

Ich will noch vor dem Fest schnell das Orakel fragen, mehr darf ich nicht für unsere Ruhe tun. Nicht mir gehör ich an, nein, ich gehör Apoll, mein höchst Vertrauen setz ich auf ihn, den Weltbestrahlenden, denn eine Ahndung hat er mir in meine Brust gelegt, daß mich ein andrer nicht erringen darf als du. Darum erwart ich in dem Tempel dich. Mut, Amphio, die Götter sind uns nah. Vertrau auf ihren Schutz. Ab.

AMPHIO
allein.

Nun wohl, ich will mein Glück dem letzten [250] Augenblick vertraun, und konnte mich die Phantasie, die hohe, täuschen, dann laß mich ziehen aus dir, Welt, in der das Edle trügt und nur Gemeines sich bewährt.


Ab.
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Verwandlung.
Gemach im Palaste der Zauberschwestern. An der Seite ein griechisches Schreibepult, auf einer Stufe stehend.
Vipria und Arrogantia treten rasch ein.

VIPRIA.
Wo bleibt der Tropf?
ARROGANTIA
sieht durch das Fenster.
Hier kommt er schon.
VIPRIA.
Jetzt bring die Phantasie.

Arrogantia ab.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Vipria. Nachtigall.

NACHTIGALL.

Da bin ich schon, ich hab meine Sachen prächtig gemacht. Nun wie schauts jetzt mit den Gedicht aus? machen wirs zusammen gschwind. Ich kanns gar nicht erwarten, die Königin ist schön, da sind Sie nichts dagegen, ich bin in sie verliebt, ich kanns gar nicht erwarten, bis ich König bin.


Arrogantia zerrt die Phantasie in Ketten herein, die Flügel sind ihr abgeschnitten.
ARROGANTIA.
Hier bring ich sie, sie hat entwischen wollen, als ich den Käfig öffnete.
VIPRIA.
Wo hast du deine Flügel?
ARROGANTIA.
Ich hab sie ihr beschnitten.
VIPRIA.
Das hast du klug gemacht. Höhnisch. Wo wolltest du denn hin, du Täubchen du?
PHANTASIE
ebenso.
Ich hab zum Geier fliegen wollen, weils bei der Eule mir mißfiel.
ARROGANTIA.
Ich will auf Kundschaft mich begeben, mache mit ihr, was du willst. Ab.
[251]
VIPRIA
zu Nachtigall.
Durch diese wirst du das Gedicht hier schreiben, das ist die Phantasie.
NACHTIGALL.

Ah, das freut mich, daß ich die Ehr hab kennenzulernen. Heimlich zu Vipria. Was ist denn das, die Phantasie?

VIPRIA.
Es ist der Geist, der im Gehirn der Dichter tobt.
NACHTIGALL.

Also die springt den Dichtern im Gehirn herum, da ists kein Wunder, wenns bei ihnen rappelt, drum sagt man, die Dichter sind närrische Köpf.

VIPRIA.

Ich schmied sie dir an diesen Schreibtisch an. Sie hängt die Fessel der Phantasie in einen Ring, der an der Seite des Schreibepultes angebracht ist, ein, so daß die Phantasie an der Seite des Tisches gegen die Mitte der Bühne auf der breiten Stufe sitzt, doch ja nicht etwa auf dem Boden. Sei stolz darauf, kein Dichter kann sich dessen rühmen, daß sie als Sklavin ihm gedient. Was sie dir vorsagt, zeichne emsig auf. Hermione ist der Name des Gedichts. Den schreibst du oben hin.

NACHTIGALL.

Also ich bin ein Dichter, der nur schreibt, ohne daß er was denkt? Da bin ich nicht der einzige. Und sie ist die, die für die Dichter alle denkt?

VIPRIA.
So ists.
NACHTIGALL.
Das muß a Marter sein. Drum schaut s' so mager aus.
11. Auftritt
Elfter Auftritt
Vorige. Arrogantia.

ARROGANTIA
ängstlich.

Hermione ist auf dem Wege zu den zwei Orakelpriestern, um vor der Wahl noch das Orakel zu befragen, warum die Geistesnacht auf ihren Dichtern ruht. Wenn das geschieht, ist unser Plan vereitelt.

VIPRIA.

Das muß verhindert werden. Komm, wir wandeln diese beiden Priester schnell in Stein und setzen uns an ihre Stelle hin. In der Gestalt des Affriduro frag ich dich, und du sprichst als Stimme des Orakels aus: Apollo habe einem Fremdling seine Gunst geschenkt, den Hermione wählen muß. Zu Nachtigall. Unterdessen bleibst du hier und schreibest dein Gedicht. Doch bevor die Stunde halb verfließt, findst du dich in dem Tempel ein und trägst es mit der Harfe vor. Wenn es auch schlecht ausfällt, das beste ist es [252] doch, wenn es das einzge ist. Zur Phantasie. Du halte deinen Schwur, begeistre ihn, soviel in deiner Macht es steht. Zu Nachtigall. Laß sie nicht frei, wenn du dein Leben liebst, und will sie dir nicht dienen, zwinge sie, du bist ihr Herr.


Beide ab.
PHANTASIE
für sich.
O Amphio! welch schrecklich Los, ich kann dich nicht erretten.
NACHTIGALL
setzt sich an den Tisch.

Jetzt werden wir halt schauen, daß wir was zusammendichten. Das wird ein Arbeit werden. Also. Hermione. Und eine rote Tinte haben s' mir hergestellt, das wird ein blutiges Gedicht. Also, gschwind anfangen. Kommt was oder nicht?

PHANTASIE
seufzt.
Ach!
NACHTIGALL.

Ach? Ist denn das ein schöner Gedanken, ach? Da wird einem völlig bang dabei.Ungeduldig. Nu weiter um ein Haus, ich komm nicht von der Stell. Nu? Er rüttelt sie.

PHANTASIE.

Was willst du Tropf? Die Phantasie muß frei in blauer Luft sich schwingen, nie wird sie dir in Fesseln dienen.

NACHTIGALL.

Was ist das für ein Diskurs? Wo ist denn ein Stock? Nimmt einen Thyrsusstab von einer Draperie. Da liegt er jetzt auf den Tisch, jetzt, wie nicht ordentlich phantasiert wird, wird er woanders aufgelegt.

PHANTASIE
lacht verzweiflungsvoll.
Hahaha!
NACHTIGALL.
Wie dumm als sie lacht.
PHANTASIE
wie wahnsinnig.
Einst war ein goldnes Vögelein,
Das nannt sich Phantasie.
NACHTIGALL.
Was ist denn das, die phantasiert ja ohne Hitz?
PHANTASIE
fährt wild auf.
Ich duld es nicht.
NACHTIGALL
tunkt ein und schreibt schnell.
Nu endlich einmal.
PHANTASIE.
Ihr Blitze, stürzt herab.
NACHTIGALL
schreibt schnell nach.
Jetzt gehts drauf los.
PHANTASIE.
Und euren glühenden Kuß –
[253]
NACHTIGALL
wie oben.
Holla, hast es nicht gsehen.
PHANTASIE.
Drückt auf die freche Stirn.
NACHTIGALL.
Die freche Stirn. Nicht gar so gschwind, ich komm nicht nach.
PHANTASIE
toll.
Du Flachkopf, schweig.
NACHTIGALL
stutzt, ohne zu schreiben.
Was ist das für ein Vers?
PHANTASIE.
Willst du ihn zweimal hören?
NACHTIGALL.

Was die alls zusammdichtet! was hab ich denn da gschrieben? Liest das Geschriebene. »Ich duld es nicht, Ihr Blützer stürzt herab Und euren glühenden Fuß Drückt auf den frechen Stier – Pause. Du Schafskopf, schweig.« Was ist denn das für eine Phantasiererei? da phantasier ich ja besser, wenn ich das Nervenfieber hab.

PHANTASIE.
Zu gut für dich, gemeiner Wicht.
NACHTIGALL.

Das Weibsbild halt mich für einen Narren. Die Zeit vergeht, ich bring nichts zsamm. Wann nur die zwei Schwestern von Prag da waren, die ganze Sach ist schon dumm angestellt, ein andrer hat die Phantasie im Kopf, und ich hab s' bei den Füßen da, wie soll da was herauskommen? Ich krieg schon alle Hitzen. Er zieht den Rock aus. O Himmel, was ist das für ein Marter um einen Dichter, den nichts einfällt. Du mußt mir helfen, oder ich verzweifle.

PHANTASIE.
Du zwingst mich nicht, du feiger Tropf.
NACHTIGALL.

Das ist eine boshafte Person. Ich bring s' um, ich schneid ihr den Kopf ab und nimm ihr die Gedanken heraus. Läuft zu dem Tisch. Ich setz mich nochmal nieder. Liest den Titel. Hermione. Diktier weiter. Boshaft in den Tisch trommelnd. Hermion. Lokal. Sie hört mi halt nit an. Ich fahr durch die Luft. Jetzt hab ich hier Auf die Phantasie zeigend. eine personifizierte Gedankenfabrik – und ich hab von den ganzen Gedicht noch nichts fertig als das einzige Wort Hermione. Da kann ich doch den Preis nicht kriegen damit. Ich verzweifel.

PHANTASIE.
Hahaha, das freut die Phantasie.
[254]
NACHTIGALL
wütend.

Jetzt lacht s' mich aus, ich werd noch wahnsinnig. Kniet sich vor ihr nieder. Ich beschwöre dich bei allen Sternen, phantasier.

PHANTASIE
kniet auch.
Ich dich bei allen Sonnen, laß mich frei.
NACHTIGALL.
Ich beschwör dich bei allen griechischen und walachischen Dichtern, phantasier.
PHANTASIE.
Ich bau dir eine Welt aus glücklichen Gedanken, laß mich frei.
NACHTIGALL.
Ich kann ja nicht, hab doch Barmherzigkeit. Weint.
PHANTASIE
weint.
Du unempfindlich Tier.
NACHTIGALL.

Jetzt fangt s' zum Weinen an, jetzt sind wir alle zwei im Wasser. Wenn s' nur in Versen weinte, um des Himmels willen, die helle Prosa lauft ihr übers Gsicht. Ein sanftes Glöcklein läutet in der Ferne. Jetzt muß ich fort, jetzt läuten s' siebene, im Apollosaal. Du gfreu dich, wenn ich wiederkomm. O Todesschweiß, du stehst mir an der Stirn! Ich weiß kein anders Mittel. Ich kann ein Lied von der schönen Magellone. Das änder ich um und sing statt Mageroni Hermioni, und wanns nicht gfallt, ich schieß mich tot, ich häng mich auf, ich bring mich viermal nacheinander um, ich Dummkopf ohne aller Phantasie!


Rennt verzweiflend ab.
PHANTASIE
allein.

Quodlibet.
Die Musik beginnt, es schlägt Dreiviertel auf sieben. Die Phantasie springt ängstlich auf.

Ha! was ist das, die Stunde tönt,
Und Amphio ist verloren!
Wenn, Apoll, du mich nicht rettest,
Werd ich noch des Wahnsinns Raub.

Trauernd.

Durch den Äther, durch die Lüfte
Schwebt ich leichten Flugs dahin.
Ihr ungetreuen Flügel, nur einen Augenblick
Wünscht ich euch zu besitzen, ihr wärt mein höchstes Glück.
[255] Entsetzlich, entsetzlich!
Wenn Phantasie so weit es bringt,
Daß sie ein Quodlibet gar singt.
Doch mir leuchtet am Himmel ein tröstendes Licht,
Ich fleh zu den Göttern, sie täuschen uns nicht.

Kniet.

O Jupiter, der du mich einst aus deinem Haupt gebarst,
Der du mir stets ein gütger Vater warst,
Kannst du die Tochter hier gefesselt sehn?
Oh, schleudre deinen Blitz und laß mich untergehn!
O Jupiter, o Jupiter, erhöre mich!

Ein Blitzstrahl fährt herab und zertrümmert ihre Fessel.

Ha, ich bin frei, hohen Dank euch, ihr Götter,
Ha, wie durchströmt mich dies freudige Sein!
Fort sind von mir jetzt die lästigen Ketten,
Schnell hin zu Amphio, ihn zu befrein.
Amphio, halt! Amphio, halt!
Die Phantasie ist frei!

Sie wirft einen griechischen Mantel der Zauberschwestern um und eilt ab.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Verwandlung.
Das Innere des Apollotempels. Der geöffnete Hintergrund bietet die Aussicht auf das Meer. In der Mitte die Statue des Apoll, vor ihr ein Opferaltar, auf dem die Flamme lodert.
Im Vordergrunde ein Seitenthron, worauf Hermione sich befindet. Neben ihr Hofleute, ihr gegenüber die Schar der Dichter. Dem Thron gegenüber sitzt auf einem hervorragenden Postamente einer Säule Amphio in verzweifelnder Attitüde. Volk, Vipria, Arrogantia als Opferpriester verkleidet, Mehrere Priester des Apoll.

ALLE DICHTER.

Chor der eben endet.

Vergebens winkt des Preises Glück,
Die Phantasie kehrt nicht zurück,
Und beschämt gestehen wir
Unsre Geistesohnmacht hier.
[256]
VIPRIA
im Tone des Affriduro.

Verhüll dein Antlitz, hohe Muse! Hermione, hör das Unerhörte an! Alle Dichter deines Landes erklären laut, daß sie nicht fähig waren, ein Gedicht zu deinem Lob zuschreiben, und selbst Apollos hehrer Anblick kann sie nicht dazu begeistern.

HERMIONE.
Sind das die Weisen meines Landes, die gelehrten Männer?
EIN DICHTER.

Verzeih, o Königin, Gelehrsamkeit allein verfasset kein Gedicht. Wissen ist ein goldener Schatz, der auf festem Grunde ruht, doch in das Reich der holden Lieder trägt uns nur der Phönix Phantasie.

HERMIONE
sieht auf Amphio.
So lebt auf Flora keiner mehr, der Hermionens Ehre retten kann?
AMPHIO.
Hörst du es, Nemesis?
NARR.
In einem Lobgedicht gewinn ich keinen Preis, ich bin zum Schimpfen auf die Welt gekommen.
HERMIONE
steht auf.
So hebt die Feier auf!
ARROGANTIA.

Halt ein, noch tönt' die siebente Stunde nicht. Du kennest des Orakels Spruch, ein Fremdling wird es sein.

HERMIONE.
Auch das Orakel ist bezaubert.
VIPRIA.
Lästre nicht. Für sich. Wo bleibet der Verräter nur?
NACHTIGALL
von innen.

He, he, halt ein, ein Gedicht, ein Gedicht! Stürzt atemlos herein. Halt ein, ein Gedicht und auch ein Dichter, alle zwei sind da.

ALLE.
Was ist das?
VIPRIA.
Wie, du hast ein Gedicht?
NACHTIGALL.
Ein schreckliches Gedicht.
NARR.
Mich trifft der Nervenschlag.
ALLE.
So lies es vor.
DISTICHON.
Ja, lies.
NACHTIGALL.

Das kann ich nicht, das hab ich nicht gelernt. Ich sings, weil ich ein Sänger bin aus Eng- und Schottenland. Mein ist der Preis. Merkt auf.

NARR.
Das wird was Schönes werden.
NACHTIGALL
stellt sich in die Mitte, spielt mit der Harfe und singt.
Liebe Leutchen, kommt zu mir,
Will euch etwas singen,
[257] Ich will Hermionen hier
Schnell ein Loblied bringen.
Jeder, der sie nur erblickt,
Liegt in Liebesbanden,
Selbst der Weise wird berückt,
Habt ihr mich verstanden?
CHOR.
Wie gemein, wie gemein,
Was sind das für Verse?
NACHTIGALL.
Zeigt sie sich im Blumenreich,
Atmet alles Wonne,
Alle Blümchen rufen gleich:
Servus, Hermione.
Wandelt s' auch in finstrer Nacht
Ganz ohne Laterne,
Ihre Äuglein voller Pracht
Leuchten wie zwei Sterne.
CHOR.
Hahaha! Hahaha!
Das ist nur zum Lachen.
NACHTIGALL.
Und der lieben Vöglein Zahl
Ist ihr recht gewogen,
Auch ein alte Nachtigall
Kommt herbeigeflogen.
Kurz, ihr holder Nam erschallt
Laut in jeder Zone,
Selbst die Bären in den Wald
Brummen Hermione.
CHOR.
Hört den Wicht, solch Gedicht
Wagt er hier zu singen.
NACHTIGALL.
Alle Tiere sind auf Ehr
Für sie eingenommen,
[258] Endlich komm auch ich daher
Voller Lieb geschwommen,
Führ sie schnell zum Brautaltar,
Sie glänzt wie die Sonne,
Und ich bin vor Freud ein Narr.
Vivat Hermione!
CHOR.
Ha, zu viel! Ha, zu viel!
Straft den frechen Buben.
HERMIONE.
Bin ich zum Spotte dieses Narren hier geworden? Soll ein Gedicht das sein?
DISTICHON.
Das heißt Apoll gelästert, schleppt zum Tempel ihn hinaus.
ALLE.
Hinaus mit ihm!
VIPRIA.

Halt ein. Erfüllen mußt du, Hermione, deinen Schwur. Er hat das beste dir gebracht, er werde dein Gemahl.

HERMIONE.
Unmöglich, nein!
ALLE.
Verräterei, zu schlecht ist sein Gedicht.
VIPRIA.
Wer spricht ein besseres hier? Ich fordere nochmal auf.
AMPHIO
leise.
Wehe mir, ich vermag es nicht.

Allgemeines Schweigen.
VIPRIA.
Dies Schweigen spricht dein Urteil aus. Arrogantia winkt, es donnert. Und Apoll bestätigt es.
NACHTIGALL.
Jetzt donnerts gar wegen mir.
VIPRIA.
Wagt ihrs zu widersprechen?
ALLE
langsam.
Nein, er werde ihr Gemahl.
AMPHIO.
Entsetzliches Geschick!
NARR.
Je dummer der Mensch, je größer sein Glück.
HERMIONE.
So ist denn keine Rettung mehr?
NACHTIGALL
trippelt kindisch.
Ich werd König, ich werd König!

Die Phantasie tritt ein, im Mantel gehüllt, ergreifet Amphios Hand.
PHANTASIE
leise ihm ins Ohr.
Amphio, die Phantasie ist frei, nur dich begeistert sie.
AMPHIO
springt auf, plötzlich inspiriert.

Halt ein, ich rett des [259] Tempels Ehre hier, wage ein Gedicht. Zu kostbar ist der Preis, ich entreiß ihn dir.

ALLE.
Apoll, wir preisen dich.
AMPHIO.
Die Nacht zieht fort ins ewig finstre Heimatsland,
Die Welt umkränzt ihr Haupt mit Phöbus' Strahlenband,
Und wie Auror die Erd in Purpur hüllt,
Entdeckt sie einen Jüngling gramerfüllt.
Ein Königssohn ists, der die Nacht durchweint
Und seines Auges Tau mit dem des Morgens eint.
Aurora grüßt ihn sanft und strahlt ihm Trost ins Herz,
Da fleht er zum Apoll, gibt Worte seinem Schmerz.

Im Wunderland, das meines Vaters Reich begrenzt,
Wo die Natur im tausendfarbgen Schmuck erglänzt,
Thront meiner heißen Liebe Königin.
Mit zartem Reiz vereint sie hohen Sinn,
Es haben sich die anmutsvollen Musen
Zum Sitz erkoren ihren holden Busen.
Und wie sich Daphne einst dem Dichtergott entwand
So reichet sie nur einem Dichter ihre Hand.

Darum, Apoll, magst du nur schnell die Muse senden,
Soll Amors bittre Qual nicht bald mein Leben enden.
So jammert er und fluchet seinem Leben,
Da faßt sein Herz ein namenloses Beben,
Mit seinem Schmerz fühlt er die Freude ringen,
In Wolken hört er Harmonien klingen,
Es schwebt die Phantasie auf Rosennebel nieder
Und schwingt im Morgenstrahl ihr glänzendes Gefieder.

Mich hat Apoll gesandt, ihn rühren deine Leiden,
Vertauschen wirst du sie mit Hymens Götterfreuden.
So spricht die Phantasie, ergreifet seine Hand
Und schwebt mit ihm nach Hermionens Land.
Zwei kühne Aar durchsteuern sie die Lüfte
Und rauschen nieder in dem Reich der Düfte.
Dort wandelt sich der Prinz zum stillen Hirten um
Und sucht durch Poesie zu gründen seinen Ruhm.

[260] Ihn sieht die Königin, er weiht ihr sein Gedicht.
Da faßt sie ein Gefühl, ihr Herz erklärt sichs nicht.
Doch Eros spricht: Du darfst ihn nimmer lassen.
Ein Preisgedicht läßt sie im Land verkünden,
Nur mit dem Sieger will sie sich verbinden.

So wie der Fels im Meer trotzt sturmbewegten Wellen,
Will des Geliebten Geist auf gleiche Prob sie stellen.
Schon harrt das Volk, da kommt der Hirt heran,
Trägt Wahrheit vor, nicht, was die Dichtung sann.
Dann tritt er auf und fordert seinen Lohn,
Die Hand der Königin und Florens Thron.
Wagt kühn den Kauf und schließt mit ihm den Herrscherbund,
Denn wißt, ich bin der Sohn des Königs von Athunt!
ALLE
freudig.
Heil dem Sohn des Königs von Athunt! Es lebe unser neuer Herrscher!
ZAUBERSCHWESTERN.
Verdammt!
DISTICHON.
Das Gedicht hat eine Menge Fehler.
HERMIONE
in Amphios Arme stürzend.
O Amphio – mein Prinz, oh, nehmt mein Herz, mein Reich und meinen ewgen Dank.
NACHTIGALL.
Jetzt steh ich frisch.
AMPHIO
stürzt zu den Füßen der Phantasie.
Nur ihr gebühret unser Dank.
ALLE.
Wer ist das?
PHANTASIE
wirft den Mantel ab.

Ich bin die holde Phantasie, die euch nicht retten konnte, bis mich Jupiter befreit, weil ich gefangen in den Händen eurer Zauberschwestern war.


Vipria und Arrogantia verwandeln sich schnell in ihre wahren Gestalten.
ARROGANTIA.
Ihr triumphiert zu früh.
VIPRIA.

Noch atmet Vipria und ihre Zauberwut. Dem Tod send ich als Braut dich zu. So stürz denn dieser Tempel ein, und unter seinem Schutt begrab dich ewge Hochzeitnacht. Winkt mit dem Zauberstern.

ALLES.
Weh uns!

[261] Es wird Nacht, zwischen dem Tempel und dem Meer sinken finstre Wolkenschleier ein, Donner und Blitz. Die Statue des Apoll samt dem Opferaltar versinkt.
VIPRIA.
Warum trotzen diese Hallen, wer verhindert ihren Sturz?

Heftiger Donnerschlag. Die Bühne wird licht der Nebel verrinnt zu beiden Seiten, man hat die vorige Aussieht auf das Meer. Apoll mit den Sonnenrossen
will soeben in den Schoß der Thetis sinken. Der Sonnenwagen gleitet noch auf der Oberfläche des Meeres.
APOLLO.
Wer wagt es, meinen Tempel zu zerstören?
ALLES.
Apoll!
ZAUBERSCHWESTERN.
Weh uns, er selbst.

Apoll steigt aus und tritt vor. Die Phantasie sinkt zu seinen Füßen.
PHANTASIE.

Um Schutz fleht dich die Phantasie für deine Insel an, zwei Zauberinnen rasen hier, gefangen nahm man mich.

APOLL.
Wer hats gewagt, die Phantasie zu fesseln?
PHANTASIE.
Diese hier.
APOLL.
Der Orkus strafe sie dafür.

Zauberschwestern versinken.
NARR.
Jetzt haben sies überstanden.
APOLL
zu Hermione.

Ich war es selbst, der Amphio dir bestimmt. Das Orakel ist erfüllt, dein Land hat einen Herrscher aus dem Hause von Athunt. Von mir gesendet war die Phantasie.

ALLE.
Heil Dir, Apoll!
APOLL.

Mein Tempel ist entweiht, baut einen neuen auf und weihet ihn der Phantasie. Sie wird vereint mit mir in Zukunft eure Insel hier beschützen, die auch von heute an die Dichterinsel heißt.

NACHTIGALL.
Den Namen kriegt s' nicht wegen mir.
NARR.
Ich such mir jetzt ein Land, wo lauter Narren sind.
NACHTIGALL.
Und ich schau, daß ich eine Nachtigalleninsel find.
APOLL.
Wer ist der Fremdling hier?
NACHTIGALL.
Jetzt kommt er über mich. Das wird a schöne Wäsch.
[262]
DISTICHON.
Aus England ein Minstrel.
NACHTIGALL
kniet nieder.
Und Harfenist aus Wien. Die Rabenschwestern haben mich entführt.
HERMIONE.
Ich nehme dich zum zweiten Narren auf.
NACHTIGALL.
Ich küß die Hand.
NARR.
Den Kerl bring ich um.
NACHTIGALL.
Ich bin der singende und das der redende, ich hoff, daß man mit beiden wird zufrieden sein.
APOLL
zur Phantasie.

Die bunten Flügel hat man dir geraubt, dich werden künftig goldne zieren. Zu Amphios Vater sei dein erster Flug, bericht des Sohnes Glück dem König von Athunt.

PHANTASIE
tritt vor.
Ein Schlußwort spricht die Phantasie.
Oh, lohnt mit Nachsicht ihre Müh,
Wenn sie auch Kleines nur gebar,
So denkt, daß sie gefesselt war.
APOLL.
Die Götter wachen über euer Los,
Mir winkt die Nacht, ich sink in Thetis Schoß.

Er geht zurück, steigt in den Sonnenwagen, mit welchem er langsam untersinkt. Eine allgemeine Abendröte verbreitet sich über die ganze Bühne. Die Meereswellen erglänzen mit roter Folio, und der Chor dauert so lange, bis Phöbus ganz im Meere ist. Am Himmel glänzt der Abendstern.
CHOR.
Sink hinab, Du heißer Tag,
Und vergolde Dir Dein Grab.
Doch zum schönern Lebenslauf
Strahle morgen neu herauf.

Ende.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Raimund, Ferdinand. Dramen. Die gefesselte Phantasie. Die gefesselte Phantasie. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8BCD-9