Im namen einer Fräulein an ihren Hauptmann

B.N.


Ach könte dir mein hertz wie meine dinte fliessen!
Ach zöge dieses blat auch meine seuffzer an!
So würde/ werther/ leicht dein mund bekennen müssen/
Daß mich der himmel itzt nicht höher straffen kan.
Du würdest meinen brieff mit bleichen lippen netzen/
Die thränen würden dir biß an die seele gehn/
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Und endlich müste mich doch dieser trost ergetzen:
Dein hauptmann wird dir bald vor deinen augen stehn.
Nun aber kan ich dir mein leiden nicht beschreiben/
Die feder ist zu klein für meine traurigkeit;
Und was mir etwan noch soll meine geister treiben/
Hat schmertz und ungedult mit wermuth überstreut.
Ich schreib/ und weiß nicht was; es irren hand und sinnen/
Die sylben halten nicht gewichte/ maß und ziel.
Der sorgen schwartze nacht umbnebelt mein beginnen/
Ich selber aber bin der liebe gauckel-spiel.
Ich weiß nicht/ ob ich dir die warheit darff bekennen/
Mein schatz/ dein strenger schluß hat meine qual erregt:
Du schaffest/ daß mir nichts als trauer-kertzen brennen/
Du hast mir unverhofft die martern angelegt.
Ein land/ ein weites land hält deinen leib gebunden/
Du suchst in fremder lufft bekrönte frühlings-ruh/
Doch glaube/ hast du dich mit rosen gleich umbwunden/
So weht dein freuden-wind mir doch die dornen zu.
Ich soll mich nur entfernt mit schatten-wercken speisen;
Wie aber reimt sich doch verliebt und ferne seyn?
Wie schickt sich doch mein weh zu deinen anmuths-reisen/
Und deine grausamkeit zu meiner seelen-pein?
Die liebe läst sich leicht durch lange meilen dämpffen/
Ein frischer amber-kuß sticht tausend alte weg.
Wo schönheit und verstand die schwache treu bekämpffen/
Da pflastert leicht die lust den süssen liebes-steg.
Wir jungfern müssen nur den kleider-moden gleichen/
Was heute prächtig scheint/ wird morgen ausgelacht;
So könt ihr männer uns auch sanffte pflaumen streichen/
Biß ihr den leichten mund wo besser angebracht.
Ihr spielet mit der lust/ wie winde mit narcissen.
Bald kommt ihr gantz entfernt mit complimenten an/
Bald wolt ihr uns die hand/ bald auch die schürtze küssen/
Da doch der zehnde kaum die buhlen zehlen kan.
Itzt stürmt ihr hertz und mund uns durch Syrenen-lieder/
Und schließt uns unbedacht in liebes-fässel ein/
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Itzt zieht ihr wieder fort/ und endlich kommt ihr wieder;
Denn wolt ihr kälter noch als Salamander seyn.
Doch/ liebster/ tadle nicht mein allzukühnes schreiben.
Ich weiß zwar/ daß du mir mehr als gewogen bist/
Die regel aber wird auch noch der nachwelt bleiben/
Daß furcht und eyfersucht der liebe zunder ist.
Die größte gluth besteht in thränen-vollen hertzen.
Wer sonder eyfer liebt/ der liebt auch ohne treu;
Auch winde blasen feur in die erstorbne kertzen/
So macht ein kleiner streit uns aller zweiffel frey.
Zwar ich gedencke noch der zucker-süssen stunden/
Als ich die rosen dir von deinen lippen laß/
Als sich die nelcken mir umb meinen mund gewunden/
Und mir das glücke selbst zu meinen füssen saß.
Wo aber ist der glantz der freuden hingeschossen?
Wo bleibt der stille tag/ wo die beperlte zeit/
Da deine leffzen mir mit nectar-safft geflossen/
Und mich dein reiner kuß mit bisem eingeweyht?
Mein Hauptmann prüfe selbst die schmertzen meiner wunden/
Und dencke/ was vor angst mir alle glieder schlug/
Als sattel/ pferd und knecht zur reise fertig stunden/
Und dich der schnelle gaul aus meinen augen trug.
Ich dachte dazumahl vor thränen fast zu brechen/
Was aber dazumahl? Itzt lern ich erst verstehn/
Wie nacht und finsterniß die freuden-lichter schwächen/
Und wie die lampen uns von winden untergehn.
Ach liebster/ laß mich nicht in dieser noth versincken/
Steh auff/ und stelle dich in meinen armen ein!
Komm/ weil die sterne dir zur liebes-taffel wincken/
Und selbst der himmel will zu deinen diensten seyn.
Wer wunden heilen will/ muß keine zeit verschertzen/
Ein allzuspäter rath schlägt leider! wenig an/
Der lindert nicht die qval/ und mehret nur die schmertzen/
Der nicht den augenblick auff mittel dencken kan.
Mehr weiß ich nicht in eil hier worte beyzusetzen/
Genung/ daß meine lust in deinen händen steht/
Daß mich dein wille kan betrüben und ergötzen/
Und ewig mein magnet nach deinem norden geht.
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Du kanst wohl selber leicht aus deiner treu erdencken/
Daß uns in Dännemarck noch keine rosen blühn/
Daß sich dein auge muß nach meinen augen lencken/
Und dein entfernter mund nach meinem munde ziehn.
Ich grüsse schon den tag mit tausend freuden-küssen/
Da mir ein engel wird an meiner seite stehn.
Da mir dein süsser mund wird wieder nectar giessen/
Und nichts als malvasier von deinen lippen gehn.
Ach Hauptmann eile fort/ beflügle pferd und wagen/
Und gönne meiner lust bald deinen sonnenschein!
Wo nicht/ so glaube nur/ daß ich durch diese plagen
Bald meiner lebens-zeit werd überhoben seyn.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Neukirch, Benjamin. Gedichte. Gedichte. Im namen einer Fräulein an ihren Hauptmann. Im namen einer Fräulein an ihren Hauptmann. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-608D-6