Friederike Caroline Neuber
Das Schäferfest
oder
Die Herbstfreude
Ein deutsches Lustspiel in Versen

[217]

Personen

Vorstellende

    • Philemon, ein reicher und in der Sternkunst erfahrener Schäfer.

    • Seladon, sein Sohn, verliebt in Doris.

    • Phillis,
    • Sylvia, , seine beide noch junge Töchter.

    • Mirta, dessen alte Hausmagd.

    • Damon, des Philemons Freund, wohlhabend und der Arzeneikunst zugetan.

    • Doris, seine erste Tochter, des Seladons Braut.

    • Galathe, seine andere Tochter, in Mirtillo verliebt.

    • Mirtillo, ein junger, reicher, fremder Schäfer, Liebhaber der Doris und nachmaliger Bräutigam der Galathe.

    • Sylvan, Seladons lustiger Schäferknecht.

    • Mops, des Mirtillo Knecht.

    • Silen, des Damons Hauswächter.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Eintritt
Philemon. Sylvia und Phillis.

PHILEMON.
Kommt; liebsten Kinder, kommt: ihr zeigt zum Guten Lust.
Folgt weiter meinem Wort, ich will in eure Brust
Das zart' und sanfte Bild der reinsten Tugend drücken;
Es wird euch euer Wohl erhalten und entzücken.
Entzieht euch nicht dem Fleiß und meiner treuen Zucht;
Euch bleibt hernach das Glück, der Segen und die Frucht;
Ihr nehmt an Gütern zu ...
PHILLIS.
Das tu' ich herzlich gerne.
Nicht wahr, ich werde schön, wann ich fein fleißig lerne?
PHILEMON.
Ja freilich, liebstes Kind: jedoch die Schönheit ist
Von unterschiedner Art. Wann du vernünftig bist,
[217] So wirst du die Gestalt mit guter Handlung zieren;
Dein Herz gibt dir den Schmuck, die Wahrheit wird dich führen.
PHILLIS.
Wer ist die Wahrheit? Sprich: ich kenne sie noch nicht.
PHILEMON.
Die Kenntnis findest du nur im Verstand. Ihr Licht
Wird durch Erfahrung stark, durch Übung rein und helle,
Das rauhe Dunkle weicht, und sie tritt an die Stelle.
PHILLIS.
Mein Vater: ich versteh' nicht alles, was du sagst,
Erklär mir's, daß ich's weiß, wann du mich wieder fragst.
PHILEMON.
Mein Kind, zur andern Zeit will ich dir's schon erklären:
Es war nur ein Versuch. Ich wollt' erst von dir hören,
Ob dich die Lehrbegier zum Fleiß geschickt gemacht.
Dein junges Herz hat schon der Schönheit nachgedacht,
Doch mußt du erst davon den Unterschied recht fassen
Und dich den falschen Schein nicht schädlich blenden lassen;
Sonst wird die Schönheit Gift, sie bringt die Tugend um,
Verjaget den Verstand und macht die Wahrheit stumm.
Dafür nimm dich in acht. Die Schönheit legt viel Schlingen,
Die Tugend kann uns nur aus dieser Falle bringen.
Der folge.
PHILLIS.
Herzlich gern.
PHILEMON.
Und Sylvia schweigt still?
SYLVIA.
Das zeigt dir, daß auch ich in allem folgen will.
PHILEMON.
Ich sehe, du hast schon mehr deutliche Begriffe.
Erzähle mir etwas.
SYLVIA.
Als jüngst ein Schäfer pfiffe,
So merkt' ich, daß der Ton sich rührend zu mir drang
So reizend, daß ich auch ganz heimlich mit ihm sang.
War dieses nicht ein Zug, der wahrhaft deutlich zeigte,
Wie schön die Tonkunst ist. Doch als Mirtillo geigte,
Da hört' ich ... Aber nichts, das mir gefällig schien,
Es klang recht widerlich, ich wollte davor fliehn;
Und dannoch blieb ich stehn, auch wider meinen Willen,
Ich hört' ihn mit Verdruß; und den Verdruß zu stillen,
Hielt' ich die Ohren zu. Sprich: Welcher spielt nun schön?
Wer spielt von beiden recht?
PHILEMON.
Mein Kind, das zu verstehn,
[218] Kann dich die Zeit, der Fleiß und selbst die Tonkunst lehren,
Von der erlangest du die Kunst, auch recht zu hören.
SYLVIA.
Ich habe recht gehört; des einen sanfter Ton
War unvergleichlich schön.
PHILEMON.
Auf die Art weist du schon,
Was rein und rührend klingt. Hast du nichts mehr empfunden?
SYLVIA.
Ach nein! nichts.
PHILEMON.
Sprich nur frei.
SYLVIA.
Sogar die Lämmer stunden
Und hörten stille zu.
PHILEMON.
So rede.
SYLVIA.
Ich weiß nicht,
Ob der Schäfer auch so rein und reizend spricht,
Als er die Flöte spielt. Ich kann es nicht vergessen.
Ich wünsch' ihn nur zu sehn.
PHILEMON.
Gedulde dich indessen,
Bis die Gelegenheit den Schäfer dahin bringt,
Daß er sich hören läßt, was pfeifet und was singt.
Ich will dir diese Lust nicht stören, noch verbieten.
SYLVIA.
Ach! ich will auch dafür recht gerne fleißig hüten.
Ich furchte mich vor dir. Du würdest böse sein
Und mich bestrafen; gelt, das tust du nicht?
PHILEMON.
Ach nein!
Dein Herze kann ganz frei nach seinen Trieben handeln.
PHILLIS.
So darf man, wie man will, nach seinem Willen wandeln.
Ei, Schwester, das ist schön.
PHILEMON.
Das hab' ich nicht gesagt
Und sag' es niemals nicht. Dein junger Vorwitz fragt
Zwar scherzhaft, aber auch für dich viel zu gefährlich.
PHILLIS.
Warum dann?
PHILEMON.
Höre nur: Wir Schäfer halten jährlich
Ein reines Freudenfest.
PHILLIS.
Das ist mir wohl bekannt.
PHILEMON.
Nur still! Vernimm mich nur: Es kommen auf das Land
In unsre Flur zur Lust auch feine Bürgersleute.
Wir sehen sie recht gern, und sie, auf ihrer Seite,
[219] Sind auch recht gern bei uns. Da fügte sich's einmal,
Daß ein ganz fremder kam mit einer großen Zahl.
Der unterschiede sich in allen frech und munter,
Er lief zu jedermann und mengte sich darunter.
Er hatte sonst gehört, wir Schäfer lebten frei,
Es wär' uns nichts verwehrt, und unsere Schäferei
Wär' uns ein Sammelplatz von Wollust und von Lachen.
Das wollt' der junge Herr sich recht zunutze machen.
So vornehm, als er war, tat er doch ganz gemein,
Er zog sich aus, war grob, besoff sich, goß den Wein
Aus Übermut im Busch, lief bald bergauf, bald nieder,
War frech und ungestüm, versteckte sich, kam wieder;
Bald schlug er, zwar im Scherz, doch grob und wild um sich,
Er sang ein schlechtes Lied und tat recht liederlich.
Wir stunden alle ganz erstaunet. Seine Sitten,
Die machten uns bestürzt, es half kein freundlich Bitten,
Die Schäfer flohen ihn und schlichen sich davon,
Sie lachten über ihn. Der reiche Bürgerssohn
Der glaubte seinen Stolz und Übermut zu zeigen,
Sein Wille ließe sich durch die Vernunft nicht beugen,
Er schimpfte jedermann und schrie recht ekelhaft,
Kein Bauer blökt so laut mit aller Leibeskraft.
Er wollte sich sogar mit allen Knechten schlagen.
Sie blieben aber klug, und keiner durft' es wagen,
Wir hielten sie zurück aus wahrer Redlichkeit.
Er tate noch viel mehr, sein Wille ging so weit,
Die Väter von der Flur auf sein Gewehr zu fodern;
Er drohte unserm Dorf, daß sollt' im Feuer lodern.
Er riß mit Ungestüm die kleinsten Hütten ein
Und wollte noch darzu von uns verehret sein.
Auch seine Freundschaft konnt' ihn nicht zu Frieden sprechen,
Er wollt' den Kindern gar aus Wut die Hälse brechen.
Sein Wille war verderbt, sein Handeln durchaus schlecht;
Er hieß ein kluger Herr und tat doch als ein Knecht.
Sprich, nennest du das schön, nach eignem Willen leben,
So hast du Freiheit, dich nach dem Ruhm zu bestreben.
[220]
SYLVIA.
O liebste Schwester: nein. Das steht niemand wohl an.
PHILLIS.
Ach! diesen Fehltritt hat ein Mannsbild nur getan.
Ich will ja nicht, wie der, so trinken oder zanken.
Ich hab' was Schönes gern, das hab' ich in Gedanken.
PHILEMON.
Was einen Mann beschämt und den verächtlich macht,
Das hat ein Frauenbild schon gar dahin gebracht,
Daß es zuschanden wird. Du kleine freie Dirne,
Hast eigensinniges und trotziges Gehirne,
Ich wehre dir zwar nicht ein freies muntres Herz,
Nicht eine wahre Lust, noch einen feinen Scherz;
Du mußt dich nur dabei geschickt verhalten lernen
Und dich vom Übermut und Eigenlob entfernen.
Du dünkest dich schon schön, du wünschest dich schon groß;
Dein junger Mutwill' geht schon ziemlich zügellos:
Halt ja beizeiten ein: Flieh alle schlechte Taten,
Betrachte Sylvia, die ist so wohl geraten.
Folg ihr im Guten nach. Ich hab' euch beide lieb.
SYLVIA.
Ach, Schwester! wenn es doch bei dem Verweise blieb!
Geh, gib ein gutes Wort. Sprich: du willst frömmer werden.
Vergib ihr, bitt' ich dich.

Zu Phillis.

Sprich: du willst bei den Herden
In Zukunft fleißig sein. Geh, gib ihm einen Kuß,
Daß er dir dieses Mal auch das vergeben muß.
PHILLIS.
Ich hab' ja nichts getan. Weswegen sollt' ich bitten?
SYLVIA.
Ach! du hast manches Mal sehr vieles überschritten,
Das dir geboten war.
PHILLIS.
Ich gehe doch nicht hin.
SYLVIA.
Warum?
PHILLIS.
Weil ich nicht mag.
SYLVIA.
Du kleiner Eigensinn.
PHILEMON.
Was zankt ihr? Gleich hört auf!
SYLVIA.
Ja! komm: ich will dich küssen.
PHILLIS.
Geh weg und laß mich gehn!
SYLVIA.
Gib Achtung, du wirst müssen ...
Ich kann fein nichts dafür und fürchte mit Bedacht,
Daß noch dein Widersinn den Vater zornig macht,
[221] So gut er sonsten ist. Küß mich zu seiner Freude;
Ich hab' dich wieder lieb und tu' dir nichts zuleide.
PHILEMON.
Geh! Hole frisches Laub, das keinen Meltau hat,
Nimm ein sehr feines Tuch und säubre jedes Blatt,
Daß keine Spinne sich darunter mit verstecket;
Sie schaden zwar wohl nichts, doch wird man nur erschrecket.
Du hast die Reinlichkeit in allen Dingen lieb,
Und zu der Wirtschaft auch so ziemlich guten Trieb.
Nimm von dem großen Tisch die blau- und weißen Teller
Und auch die Schalen her, die sind noch in dem Keller,
Ich sah sie gestern stehn, sie waren ganz voll Staub.
Ich weiß, du putzest gern, bezier sie mit dem Laub
Und leg die Früchte drauf, die sie den Morgen brechen.
Gib Achtung, wenn man wird den frischen Rasen stechen,
Daß es fein ordentlich, wie sich's gehört, geschieht,
Daß man die Flecke nicht gleich in dem Garten sieht.
Laß von dem besten Wein die schönsten Trauben lesen.
SYLVIA.
Vielleicht ist der Sylvan im Weinberg schon gewesen.
PHILEMON.
Es ist jetzt noch zu früh; er kommt erst her zu mir
Und hat hier was zu tun; ich sag' es also dir.
SYLVIA.
Und Phillis ...
PHILEMON.
Weil sie zürnt, soll sie bei mir verbleiben.
Die Mirta wird ihr Lamm für sie zur Herde treiben;
Das soll die Strafe sein. Geh nur, und dieses gleich.
SYLVIA.
Ja! ... Ach! sie dauret mich, mein Herze wird mir weich.
Vergib ihr, bitt' ich dich.

Sylvia gehet ab.
PHILEMON.
Ich will es überlegen.
Das Herz der Sylvia ist so leicht zu bewegen.
Du bist hingegen nicht von solcher sanften Art,
So sehr ich dich durch Fleiß belehret und bewahrt.
[222]
2. Auftritt
Anderter Auftritt
Philemon und Phillis.

PHILLIS.
Ich bitte ...

Will heimlich abgehen.
PHILEMON.
Bleibe: Schweig und setze dich nun wieder.
Dein harter Kopf schlägt dir die guten Lehren nieder.
PHILLIS.
Ich will gehorsam sein; laß mich nur diesmal gehn.
PHILEMON.
Nein ...
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Mirtillo. Philemon. Phillis, welche sich niedersetzt und stille weint.

MIRTILLO.
Darf ich, werter Freund, mich jetzund unterstehn,
Dir einen Morgengruß aus treuer Brust zu sagen?
PHILEMON.
Ich danke dir dafür. Was hast du vorzutragen?
MIRTILLO.
Du bist in dieser Flur der allerliebste Mann,
Ein redlich wahrer Freund, dem man vertrauen kann.
Du hast auch mich als Freund sehr liebreich aufgenommen,
Ich darf ganz ohne Scheu zu dir als Fremdling kommen;
Du sorgest väterlich für unser aller Heil,
Und gönnst mir deinen Rat und von dem Glücke Teil.
Ich fühl' mit Lust den Trieb, dich kindlich zu verehren,
Und bitte dich, mich gern und gründlich zu belehren,
Wann mein noch junges Herz nicht alle Tugend zeigt,
Die einen Mann gebührt, verbleibe mir geneigt.
In deiner sanften Art liegt sehr viel Kraft verborgen;
Du machst uns allen Lust, für unser Glück zu sorgen.
PHILEMON.
Mirtillo sprich nur frei, wann ich was Gutes weiß,
Das dir kann nützlich sein, so spar' ich keinen Fleiß.
Du kannst dich auf mein Wort und redlich Herz fest gründen
Und wirst den treusten Freund und Vater an mir finden.
Das ist die Schuldigkeit; das fordert unsre Pflicht,
Das sagt uns die Natur durch sich und durch ihr Licht.
Warum hast du dich, hör: an diesen Ort begeben?
Was hattest du für Grund?
MIRTILLO.
Ich hab' in meinem Leben
[223] Das weibliche Geschlecht vermieden und gehaßt.
Ihr Umgang schiene mir die allerschwerste Last,
Das allergräßlichste, gefährlichste Verderben.
Als mich der Eltern Tod ließ mein Vermögen erben
Und jede Schäferin sich Müh' und Sorgfalt gab
Um meine Gegengunst, ging ich deswegen ab
An diesen stillen Ort, wo wahre Tugend wohnet,
Wo man die Redlichkeit erkennet und belohnet.
Du zogest mich zu dir als ein wahrhafter Freund.
Hier ist kein weiblicher verhaßter Tugendfeind;
Die Schäfer können frei von aller Neigung bleiben;
Die Wollust kann sie nicht verführen noch vertreiben.
PHILEMON.
Woher kommt dann der Haß? Das weibliche Geschlecht
Hat Vorzug und Gewalt und ein geheimes Recht,
Das allerstrengste Herz zu binden und zu rühren.
MIRTILLO.
Ach, allerliebster Freund: Ihr schändliches Verführen
Ist unser Untergang und der gewisse Fluch.
Es hat ein weiser Mann in einem ganzen Buch
Derselben falsches Herz recht aus dem Grund beschrieben.
PHILEMON.
Im Buche der Natur steht doch: Wir sollen lieben.
Was kann wohl schöner sein, als wann man menschlich ist,
Das Böse zwar erkennt, jedoch nichts Böses schließt;
Dann die Verbindung soll die Menschen dahin bringen,
Daß sie gesellig sind und allen Haß bezwingen.
MIRTILLO.
In allen Weibern ist kein guter Tropfen Blut.
PHILEMON.
Du irrest dich, mein Freund, sie sind wahrhaftig gut.
Im Mißbrauch liegt der Fluch, in dem Gebrauch der Segen.
Wir Männer müssen nur erst reiflich überlegen,
Nach welchem Teil der Zug von unsern Lüsten geht,
Was uns am stärksten reizt und wie man widersteht.
Und unsre Pflichten sind, den schwächsten Teil zu lehren,
Was sie zur Tugend führt.
MIRTILLO.
Ja! wann wir Götter wären.
Wir Männer sind zu schwach für diesen wilden Schwarm.
PHILEMON.
Glaubst du dann, die Vernunft sei an den Kräften arm,
Das schwach' und zarte Herz der Weiber zu verbessern?
[224]
MIRTILLO.
Ich glaube, die Vernunft wird mir den Haß vergrößern.
Je mehr ich Einsicht hab', je mehr bekomm' ich Licht,
Daß sie verderblich sind.
PHILEMON.
Ach! du verstehst noch nicht,
Was Liebe wirken kann, was wahre Freundschaft zwinget,
Wie sehr die Sanftmut reizt und Schönheit in uns dringet.
Dein Haß geht gar zu weit, gewöhn' dich nicht daran.
Gedenke, daß auch oft der Klügste fehlen kann.
Das weibliche Geschlecht liegt uns sehr nah am Herzen;
Es gab es die Natur zur Hilfe, Lust und Scherzen.
Such erst den Nutzen da, wo man die Hilfe braucht,
Hernachmals prüfe dich, ob auch die Glut verraucht,
Die dir gegeben ist zur Lust, zum Scherz, zur Freude.
Ich weiß, du änderst dich.
MIRTILLO.
Zu meinem größten Leide
Fänd' ich in mir die Qual. Ich schämte mich vor mir,
Und bliebe keinen Tag.
PHILEMON.
Ei! schäm dich nicht. Bleib hier!
Es zeiget dein Gesicht in allen deinen Zügen,
Daß dich ein Frauenbild in kurzen wird vergnügen.
Dich blendet jetzund noch ein kleines Vorurteil,
Du glaubest mir noch nicht, daß aller Menschen Heil
Damit verbunden ist: Der Haß ist schon ein Laster,
Er macht uns ungestüm, dabei noch viel verhaßter,
Als man selbst hassen kann. Leg dieses Unheil ab
Und folg dem guten Rat, den ich dir gestern gab.
Du hast viel Zärtliches und Feines in der Seelen.
Laß der Natur ihr Recht und brauch Verstand im Wählen.
Dann du gehörst der Welt und gar nicht dir allein.
Es sagt dir's jedes Tier: Du mußt gesellig sein,
Dann einmal bist du da. Der ganzen Welt Verbindung
Verbietet dir den Haß der zärtlichsten Empfindung;
Er kommt aus falschem Grund, nicht von der Wahrheit her.
Ein schönes Frauenbild zu lieben, fällt nicht schwer;
Drum widerstehe nicht, laß dich die Sanftmut leiten.

[225] Phillis will sich heimlich davonschleichen.

Wo willst du hin? Bleib da!
MIRTILLO.
Ich will nicht widerstreiten
Und mich zur Zeit noch nicht erklären.
PHILEMON.
Das geht an.
Die Zeit und die Vernunft benimmt uns manchen Wahn.
MIRTILLO.
Was fehlt dem guten Kind? Sie ist betrübt.
PHILEMON.
Sie weinet
Aus Eigensinn und Trotz.
MIRTILLO.
Das hätt' ich nicht gemeinet.
Sie sieht ja sonst so fromm. Vergib ihr, bitt' ich dich.
PHILEMON.
Der kleine lose Schalk ist schlau und wunderlich.
Man muß den harten Sinn durch allen Vorteil brechen.
MIRTILLO.
Ist mir dann nicht vergönnt, daß ich darf für sie sprechen?
PHILEMON.
O ja! Dein Vorspruch gilt. Willst du denn artig sein,
Und nicht mehr ungestüm dich widersetzen?
PHILLIS.
Nein.
PHILEMON.
Geh hin: Bedanke dich fein höflich bei Mirtillen,
Daß er jetzt für dich bat, und brich den bösen Willen.
An einer Schäferin steht Eigensinn nicht gut;
Gehorsam und Geduld ziert ein so junges Blut.
Du kannst in Garten gehn und unsre Stäbe winden,
Du wirst das Band darzu auf meinem Tische finden.
Rot, grün und dunkelblau, davon nimm, was sich schickt.
PHILLIS.
Ich weiß, daß Sylvia jetzund schon Blumen pflückt
Zum allerschönsten Kranz, den möcht' ich gerne sehen.
PHILEMON.
Mach erst, was ich gesagt. Hernach kann das geschehen.
Mirtillo, sei so gut und führe sie dahin.
Dein Haß für das Geschlecht macht, daß ich sicher bin.
Die Unschuld ist zur Zeit bei dir in guten Händen;
Allein ich fürchte sehr, das Blatt wird sich bald wenden,
Du hemmest nicht den Lauf der würkenden Natur.
MIRTILLO.
Ich finde noch darzu nicht die geringste Spur.
PHILEMON.
Du bist ein Menschenkind. Dein Herz wird dir durch Schlagen,
Daß du beweglich bist, mehr als zu deutlich sagen.
[226]
MIRTILLO.
Es kann wohl möglich sein. Doch fühl' ich nichts davon.
Leb wohl, mein Freund!
PHILEMON.
Leb wohl: Ach, draußen steht mein Sohn.
Ich bitte, sag ihm doch, er soll her zu mir kommen;
Du hast an unsrer Lust noch niemals teilgenommen.
Gönn uns doch bei dem Fest auch deine Gegenwart
Und haß die Schönen nicht. Es ist gewiß zu hart.

Mirtillo führt die Phillis ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Philemon. Seladon. Sylvan und Mirta von ferne.

PHILEMON.
Daß doch des Menschen Herz sich selbst ins Netz verstricket,
Das Böse hurtig wählt, den guten Trieb ersticket!
Mirtillo ist ein Mensch, der anders denkt als spricht.
In seinem ärgsten Haß steckt ein gewisses Licht,
Das mit der stärksten Glut sich endlich wird vereinen,
Die recht wahrhaftig brennt und nicht nur bloß wird scheinen.
Bist du hier, Seladon? Komm näher: Auch Sylvan
Hat sich mit eingestellt?
SYLVAN.
Ja.
PHILEMON.
Ihr habt wohlgetan.
SELADON.
Wir sind schon lange da und warteten mit Willen,
Du redest ja geheim und heftig mit Mirtillen.
PHILEMON.
Er fragte mich um Rat ... Die Sonne geht schön auf.
SYLVAN.
Es ist kein Wölkgen da.
MIRTA.
Ja, Herr: verlaßt Euch drauf;
Es wird der schönste Tag, der Nebel fällt schon nieder:
Wir kriegen morgen auch das beste Wetter wieder.
PHILEMON.
Sylvan und Mirta, hört: Ihr wißt, daß an dem Tag
Ein jeder Hirte sich vergnügt ergötzen mag.
Auch euch ist freigestellt, der Lust mit beizuwohnen,
Deswegen will ich euch mit schwerer Arbeit schonen.
Die Mühe auf dem Feld hat euch wohl matt gemacht,
Deswegen hab' ich auch an einen Lohn gedacht.
Die Dankbarkeit ist recht an jedem Menschenkinde;
[227] Die Herrschaft dankt mit Recht auch fleißigem Gesinde.
In ihren Händen liegt ein unsichtbares Gut,
Das Segen bringen kann, auch öfters Schaden tut.
Ihr habt den Ruhm verdient und habt euch nichts geweigert
Und von euch selbst die Zahl der Arbeit noch gesteigert.
Ihr habt durch euern Fleiß mich gleichsam mit beschenkt.
Ich seh', daß euer Herz an eure Pflichten denkt.
Seht: das bewegt auch mich. Ich dank' euch allen beiden.
Genießet nun auch Lust und ruhet aus mit Freuden.
SYLVAN.
Herr: Ihr macht uns beschämt; wann ein getreuer Knecht
Das machet, was er soll, tut er nichts mehr als recht.
PHILEMON.
Das weiß ich.
SYLVAN.
Nehmt verlieb, und hab' ich was versehen,
So soll es künftig doch gewiß nicht mehr geschehen.
PHILEMON.
Es ist gut.
MIRTA.
Ja, mein Herr: wann eine fromme Magd
Sich keiner Arbeit schämt und aufsteht, wann es tagt,
So hat sie nichts getan, das dankenswert könnt' heißen,
Man kann sich ohnedem für Arbeit nicht zerreißen.
PHILEMON.
Du läßt dein Scherzen nicht und bleibest, wie du bist,
Sorg nur, daß zu der Lust auch alles fertig ist.
Ziert unsre Hütten aus mit Kranz und Blumenbändern,
Ihr könnt' es, wie ihr wollt, mit neuer Art verändern.
Nehmt euern Witz zur Hand, zeigt Munterkeit und Lust
Zum Zierat. Auch durch Putz dankt eine reine Brust.
Sylvan wird allen wohl die Erntekränze binden.
Du bist ja sonst geschickt und glücklich im Erfinden,
Dein schlauer Grübelkopf sticht, gräbt und schneidet aus.
SYLVAN.
Herr, wann ich Werkzeug hätt', ich schnitzte mir ein Haus.
Ich will schon lustig sein und meine Finten machen,
Dann ich seh' gar zu gern, wenn alle Leute lachen.
Komm, Mirta, hilf mir fein und halte dich recht rund,
Ich tanze heut mit dir, und das ist dir gesund.
PHILEMON.
Nein! Mirta kann jetzt nicht, sie soll die Phillis holen.
MIRTA.
Den kleinen Trotzkopf?
SYLVAN.
Gut. Ich tu', was mir befohlen.

Will abgehen.
[228]
PHILEMON.
Sylvan, du gehst durch's Holz. Bring von dem Haselstrauch
Ein gut Teil Nüsse mit; bedenk die Nachbarn auch
Und sorge mit für dich ...
SYLVAN.
O ja! die lieben Nüsse,
Die knack' ich gar zu gern, sie schmecken mir recht süße.
MIRTA.
Bei der Gelegenheit bring etwas Pilze mit;
Doch die nicht gleich am Weg, die man zuschanden tritt.
Die Pilze sind so gut, als wie die besten Schnecken.
Nicht wahr, Herr Seladon?
SYLVAN.
Mußt du mich immer necken?
Such deine Pilze selbst, ich kann jetzunder nicht.
Du hörst ja, daß der Herr von Haselnüssen spricht.
PHILEMON.
Geht: unterredet euch von euren Wirtschaftssachen,
Wann ihr alleine seid. Sorgt, alles gut zu machen,
Und helft einander gern mit Lust, so tut ihr klug,
So wird es jedem leicht, und jeder tut genug.

Sylvan und Mirta gehen an unterschiedlichen Orten ab.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Philemon und Seladon.

PHILEMON.
Mein allerliebster Sohn, du hast doch alles fertig,
Was heut den Festtag ziert?
SELADON.
Ich habe gegenwärtig
Sehr wenig mehr zu tun. Fast alles ist bereit.
PHILEMON.
So mache dich gefaßt, zeig deine Munterkeit,
Und dicht' ein feines Lied, das unsre Schar ergötzet.
Du hast dich schon durch Fleiß in guten Ruf gesetzet:
Nimm die Gelegenheit vom Dank und von der Lust;
Zeig, daß die Schuldigkeit in eines jeden Brust,
Die rein und redlich ist, den Trieb hat mit geleget,
Daß jede Wohltat uns zum Lob und Dank beweget.
SELADON.
Ich finde mich nur heut nicht recht geschickt darzu.
PHILEMON.
Warum? was fehlet dir? Weswegen zweifelst du
An der Geschicklichkeit? Du dichtest sonst so glücklich,
[229]
Und hast die Fertigkeit, daß du fast augenblicklich
Ein Lied zustande bringst. Ermuntre dich nur recht.
SELADON.
Ich bin nicht aufgeweckt, und da gerät es schlecht,
Wann man sich zwingen muß.
PHILEMON.
Das glaub' ich, aber heute
Ist doch ein Tag der Lust, setz Unruh auf die Seite.
Man ist sich selbst zur Last und niemand angenehm.
Weswegen fällt dir dann jetzt alles unbequem?
Du bist ja sonst nicht so.
SELADON.
Mir ahndet was. Ich denke,
Es wird mir was geschehn, weswegen ich mich kränke.
PHILEMON.
Gib nur der Ahndung nicht sogleich und willig Raum.
Es ist vielleicht sonst nichts, als nur ein bloßer Traum,
Ein Schatten, der dich schreckt. Schlag dir das aus dem Sinne.
Du hast ja sonst ein Herz, das ich ganz leicht gewinne.
Sei munter! Fasse dich!
SELADON.
Ich will gehorsam sein.
PHILEMON.
Mach es, so gut du kannst, und schränke dich nicht ein.
Ich will dir noch etwas, dich aufzumuntern, sagen;
Das wird dir alle Furcht und allen Schmerz verjagen.
Weißt du, daß Doris heut den Tag geboren ist,
Daß sich ihr Anfangsfest in unser Fest mit schließt?
Du hast sie zärtlich lieb. Nun kannst du doch wohl dichten?
Was dir die Kunst versagt, wird deine Treu' verrichten.
Die treibt dich an zur Lust und bringt dich auch dahin,
Gleichwie ich ebenfalls damit zufrieden bin,
Und die Verbindung selbst mit Lust besorgen werde.
Die Doris ist geschickt und fleißig bei der Herde;
Sie sorget für das Haus und gibt auf alles acht,
Sie hat ein reines Herz. Dein Glück ist festgemacht.
Sie liebt dich wahrhaft treu.
SELADON.
Das ist mein Hauptvergnügen.
Ich wünsche sie nur bald zu meiner Frau zu kriegen.
PHILEMON.
Es ist darzu noch Zeit, fragt Euren Wohlstand erst.
Wann du mir nicht so lieb und wohlgeraten wärst,
Ich hätte dich schon lang an eine Frau verbunden;
[230] Ich gönne dir die Lust und die vergnügten Stunden.
Deswegen stund' ich an, doch sag' ich dir fest zu,
Es soll sie niemand nicht erhalten als nur du.
Und bei Gelegenheit will ich den Vater fragen,
Er wird mir auch für dich die Doris nicht versagen.
SELADON.
Wie liebreich bist du nicht. Das war es, was mich quält.
PHILEMON.
Weswegen hast du mir denn deinen Schmerz verhehlt?
Dein Vater wird dir ja dein Glück nicht hindern wollen,
Noch dich um deine Lust und Freude bringen sollen.
Hab nur noch was Geduld und übereil dich nicht,
Denk, daß man mit der Zeit nur erstlich Rosen bricht.
Ergötze dich noch jetzt in Freiheit an der Liebe.
Im Ehstand wird sehr oft der Himmel schwarz und trübe.
Doch muß man nicht dafür erschreckt und furchtsam sein.
SELADON.
Man bildet sich sehr oft die Sachen schlimmer ein,
Als sie wahrhaftig sind.
PHILEMON.
Du hast es nicht erfahren.
Es reizet dich die Lust. Du bist noch jung an Jahren.
Leb immer noch in Ruh'. Brauch deine Zeiten klug;
Kenn deine Doris recht, du hast Verstand genug.
Geh hin und dichte nun auch ihr ein Lied zu Ehren;
Die Liebe wird in dir die Dichtkunst schon belehren,
Und wann du fertig bist, will ich den Inhalt sehn.
SELADON.
Ja, dieses soll ganz gern auf deinen Wink geschehn.
Wann dir es richtig scheint, so bin ich überführet,
Ich habe das gesagt, was sich dabei gebühret.
Nunmehro hab' ich Mut und ein erleichtert Herz.
PHILEMON.
Ein weiser Mann faßt sich und mindert sich den Schmerz.
Man muß sich ohne Grund nicht selbst verdrüßlich machen,
Und sich durch die Vernunft bewaffnen und bewachen.

Ende der ersten Abhandlung.

[231]

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Sylvan. Mops und Silen.

SYLVAN.
Ha! guten Morgen: Mops, was willst du dann so früh?
MOPS.
Der Tag ist lange da ...
SYLVAN
zu Silen.
Und du, versoffnes Vieh,
Bist auch schon auf der Bahn? Was wollt ihr alle beide?
MOPS.
Ja, was schiert's dich, du Narr?
SILEN.
Wir haben unsre Freude,
Und stehen eher auf, als unser Haushahn kräht.
Der doch viel eh als wir ins Nest zu Bette geht.
SYLVAN.
Ich glaub', du bist noch voll.
SILEN
zu Sylvan.
Was hast denn du zu fangen?
Du bist noch früher her ins Holz als wir gegangen.
SYLVAN.
Ich nehm' die Sprenkel aus, such' kleine Buchenkern,
Trag' Haselnüsse heim, die fress' ich gar zu gern.
Sobald ich fertig bin, will ich recht lustig schwärmen
Und auch den ganzen Tag fein schäfermäßig lärmen.
Mein Schäfer, Seladon, ist in der Dichterei.
Er kritzelt sich ein Lied und diedelt die Schalmei.
MOPS.
Mirtillo sitzt am Bach und hascht sich lauter Grillen;
Fast alles, was er macht, tut er mit Widerwillen,
Und noch darzu verkehrt. Er zanket selbst mit sich,
Drum folg' ich meinem Kopf und bleib' allein für mich.
SILEN.
Mein alter Knasterbart, der Damon, darf nicht schmälen.
SYLVAN.
So hat uns heut kein Mensch was weiter zu befehlen.
Wir wollen unser sein.
SILEN.
Heisa! Ich bin darbei.
MOPS.
Ich auch, ich saufe mit. Jedoch, wer hält mich frei?
Ich habe nicht viel Geld.
SYLVAN.
Wir losen um die Zeche.
MOPS.
Nein, da komm' ich zu kurz.
SYLVAN.
Wann ich dir nun verspreche,
Daß du gewinnen sollst?
[232]
MOPS.
Ei! ja, das trifft nicht ein.
Ich will hernach kein Narr und ausgelachet sein,
Wann ich bezahlen muß. Ihr schleicht euch auf die Seite,
Und zischt mich heimlich aus. Nein, nein, ihr guten Leute,
Ihr kriegt mich nicht darzu. Es gibt auch immer Zank
Und immer Schlägerei beim Saufen. Großen Dank!
SILEN.
Du Narr: Ich bin dabei und will gleich Friede machen,
Ich haseliere drein, da gibt es was zu lachen.
Halt du dich nur zu mir, es packt dich keiner an.
Denn ich hab' auch niemand etwas zuleid getan.
Ich bin der beste Kerl, gebt mir nur recht zu saufen,
Ihr mögt euch immerhin als wie die Katzen raufen.
Wann ich besoffen bin, bin ich von Herzen gut.
MOPS.
Du liederlicher Hund, hast kein gesundes Blut,
Dir sieht die Wassersucht aus deinem dicken Ranzen;
Du trinkst nicht als ein Mensch, du saufst das Bier zu ganzen.
SILEN.
Seht doch, den dummen Schöps! Sylvan bezahlt für mich:
Gib ihm ein gutes Wort, so zahlt er auch für dich.
MOPS.
Und wann er auch bezahlt und mich darzu beschenket,
So geht's doch heut nicht an. Ich weiß nicht, was ihr denket,
Wer trinkt dann ohne Durst? Ich kann und will nun nicht.
SYLVAN.
Das bleibt der dumme Mops, ein närrisches Gesicht.
Was hast du dann zu tun? Du wirst die Affen schleiren;
Dein meistes Tun besteht doch nur allein im Feiren.
MOPS.
Ich muß noch heute klug, schlau, hurtig, munter sein.
SYLVAN.
Du klug? Schlau? Hurtig?
MOPS.
Ja.
SILEN.
Was fällt dem Stockfisch ein?
SYLVAN.
Nun, Mops, wann das geschieht, so geht die Welt heut unter.
MOPS.
Lacht ihr mich immer aus, ich bin schon klug.
SILEN.
Du munter?
Das hab' ich nicht gewußt.
MOPS.
Und daß ich es recht bin,
So lauf' ich von euch weg. Geht ihr zum Saufen hin.
[233]
2. Auftritt
Anderter Auftritt
Sylvan und Silen.

SILEN.
Er geht wahrhaftig fort.
SYLVAN.
Kommt mit, ich will ihn fragen,
Was ihm im Kopfe steckt.
SILEN.
Ja, Bruder, laß dir's sagen.

Silen und Sylvan laufen dem Mops nach und ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Mops. Schleicht sachte wieder hervor, sieht sich schüchtern um, und Mirtillo kommt gleich nach auf der andern Seite, steht in Gedanken.

MOPS.
Nun sind die Schwärmer fort. Sie wissen viel davon;
Sie haben gute Herrn und kriegen guten Lohn,
Und müssen nicht hierher früh nüchtern auf die Lausche,
Sie stoßen sich am Kopf im Finstern keine Prausche,
Sie hüten nicht allein den lieben langen Tag,
Wo man für Hitze schwitzt und immer trinken mag.
Sie dürfen ohne Scheu ihr Schäfermädel küssen.
Mirtillo will davon nichts hören und nichts wissen;
Er schmält und flucht im Zorn auf jede Schäferin,
Daß ich in tausend Angst und tausend Sorgen bin,
Der Himmel könnt' einmal ihm auf den Scheitel fallen,
Wer hälfe denn hernach uns armen Knechten allen?
MIRTILLO
ist unvermerkt hervorgegangen, ohne den Mops gewahr zu werden.
Was ist das Menschenherz? Ein schwach und wankend Rohr.
Was es jetzt von sich stoßt, zieht es hernach hervor.
Wie bin ich um mein Herz und meine Ruh' gekommen?
Wer hat mir den Verstand und die Vernunft genommen?
MOPS
zieht sich sachte zuruck.
So? sitzt der Hase da? Still! Still! Es fängt sich was.
Drum hängt er seinen Kopf und sieht so leichenblaß;
Deswegen schnitzt er nichts.
[234]
MIRTILLO.
Ach, Himmel! Was für Plagen
Sind über mich verhängt! Wie muß ich heimlich zagen!
Was macht mein schwaches Herz mir doch für Widerspruch.
Mich selbst trifft nun der Haß, der unbedachte Fluch,
Den ich sonst ungescheut auf das Geschlecht geleget,
Das mich mit Ungestüm, mit Heftigkeit beweget.
Die Rache straft mich nun mit meiner eignen Qual.
Das hätt' ich nicht gedacht, daß ich mich auf einmal
So plötzlich ändern könnt'.
MOPS.
O Himmel! Ohne Prügel
Geht's heut gewiß nicht ab. Ich gib mir Brief und Siegel,
Es regnet Schläge. Ach! Du guter treuer Mops,
Dein Buckel kriegt gewiß noch diesen Morgen Klops.
Geduld! Schick dich nur drein.
MIRTILLO.
Es hilft kein Widerstreben,
Man muß sich in Geduld dem Schmerz gefangengeben.
Auch die Vernunft bleibt schwach zum nötigsten Gebrauch:
Es liebt der Niedrigste, die Weisen lieben auch.
Ach, Doris! Laß mich doch dies Wunderwerk ergründen:
Dein Auge brennt ja nicht und kann mich doch entzünden.
Wo stecket dann die Kraft, das Feuer, das mich quält,
Das sich so heftig zeigt und sich so lang verhält?
Philemon, du hast recht, dein Rat hat feste Gründe.
Die Wahrheit zeigt sich selbst, wann ich sie nicht gestünde.
Ich nahm recht mit Gewalt vorhin Verstellung an.
Du hast als redlicher, als wahrer Freund getan ...

Wird den Mops gewahr.

Was willst du, Mops?
MOPS.
Ich? Nichts.
MIRTILLO.
Ich hab' dir ja befohlen ...
Was war es doch?
MOPS.
Nichts, Herr.
MIRTILLO.
Du solltest mir was holen.
Doch nein, du solltest heut recht früh zur Herde gehn.
MOPS.
Das hab' ich auch getan.
[235]
MIRTILLO.
So darfst du hier nicht stehn.
MOPS.
Warum nicht?
MIRTILLO.
Darum nicht. Dieweil ich's haben wollen,
Daß du die Schafe früh zur Tränke führen sollen.
MOPS.
Sie weiden in dem Grund, der Bach fließt nah dabei.
Denkt Ihr, daß unser Vieh nicht selbst so witzig sei,
Daß es zur Tränke lauft, wann es im Wasser stehet?
Und daß es hungrig bleibt, wann es im Grase gehet?
MIRTILLO.
Ja, ja! Ich merk' es schon, sobald der Hirte ruht,
So schlendert auch der Knecht und bleibt nicht auf der Hut.
Ich selbst bin strafenswert, daß ich nicht fleißig weide.
MOPS.
Wir seind ein bißchen faul, so schreibet unsre Kreide.
Mir wird so wunderlich, wann früh die Sonne sticht,
Und abends mach' ich auch nicht gerne viel beim Licht.
Herr, könnten wir uns nicht ein großes Wirtshaus pachten?
So würden wir doch reich, wann wir gleich nichtes machten.
Ihr seid so nicht fürs Land; die Arbeit fällt zu schwer,
Es fehlt Euch stets etwas. Ihr diedelt gar nicht mehr.
Ihr ziehet keinen Strich auf Eurer neuen Geige;
Ihr redet mit Euch selbst und grillet stets.
MIRTILLO.
Ach! schweige.
Zur Unzeit bringt der Scherz nichts weiter als Verdruß.
MOPS.
Ganz gut, ich schweige gleich. Zumal jetzt, da ich muß.
So brauch' ich nicht mein Maul vergebens abzunutzen.
Herr, wollen wir uns nicht ein wenig besser putzen?
MIRTILLO.
Weswegen?
MOPS.
Fragt sich's noch? Die Felder sind ja rein.
Heut wird in unsrer Flur wohl guter Montag sein.
Ich hört' es gestern spät, beim letzten Garbenbinden,
Die Knechte würden sich die Stäbe bunt bewinden.
So seid doch lustig, Herr. Ich hab' noch was gehört.
Seid nicht so wunderlich, nicht so besorgt, verstört.
Des Damons Tochter ist an diesem Tag geboren,
Macht ihr ein Ständchen.
MIRTILLO.
Ach! Nun bin ich gar verloren.
Hätt' ich es doch gewußt. Das wär' die rechte Zeit,
[236] Daß sich mein Herz entdeckt durch die Gelegenheit.
Die Doris?
MOPS.
Doris? Herr, das kann ich Euch nicht sagen.
MIRTILLO.
Du ungeschicktes Tier: Hast du nicht können fragen?
MOPS.
Was liegt dann mir daran, wer heut geboren ist,
Ich sorg' für meinen Leib und daß mein Vieh brav frißt.
Muß ich mir dann mein Maul in allen Quark verbrennen?
Ihr seid ja groß genug und werdet fragen können.
MIRTILLO.
Hab nur noch recht darzu. Das fehlt mir noch.
MOPS.
Ei nun,
So fahrt mich auch nicht an. Ich kann nichts weiter tun.
Ich bin den ersten Tag in dem April geboren.
Das weiß ich.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Mirtillo. Mops, und Mirta kommt hurtig hergeloffen.

MIRTA.
Kommt doch fort! Ihr habt ein Lamm verloren.
Die kleine Phillis lauft und sucht und schreit sich heisch.
Mops, rühr dich doch, du Narr! ... Du bist von faulen Fleisch,
Und tust nicht gerne viel.
MOPS.
Du darfst mir nichts befehlen,
Mein Herr kann ohne dir mich tausendfältig quälen.
MIRTA.
Da tut er recht und wohl, dann du verdienst es auch.
So suche doch das Lamm. Es lief im dicksten Strauch.
Du treibst wohl selbst dein Vieh dem grauen Tier in Rachen
Und würdest noch wohl gar von Herzen drüber lachen.
So geht doch beide fort ... Mirtillo, bist du taub?
Es fehlt dein schönes Lamm.
MIRTILLO.
Das ist ein kleiner Raub.
Es ist vielleicht nicht weit und wird schon wiederkommen,
Dann es ist zahm gewöhnt.
MIRTA.
Der Wolf hat es genommen.
MIRTILLO.
So komm' ich schon zu spät.
MIRTA.
Nicht doch. Ich fürcht' es nur.
Was bist du für ein Mensch? Was hast du für Natur?
Dich rühret kein Verlust? Du bleibest ganz gelassen?
[237] Mach nicht, daß dich bei uns die Hirten alle hassen.
Ein Schäfer, der sein Vieh nicht über alles liebt,
Ist nicht des Namens wert, noch was der Himmel gibt.
Zur Strafe solltest du die ganze Trift vermeiden.
Pfui! schäme dich und geh.
MOPS.
Herr, kommt, ich kann nicht leiden,
Daß uns das böse Tier für faule Hirten schilt,
Die ungeputzte Sau! Das angeschmierte Bild!
MIRTILLO.
Komm fort: Ach! könnt' ich doch die schöne Doris finden,
So möchte Hab und Gut und alles Vieh verschwinden!
MOPS.
Mir also nicht, mein Herr. Ich brauch' erst meinen Lohn,
Hernach werft alles weg und machet Euch zum Hohn.
MIRTA.
Geht nur und plaudert nicht.

Stoßt sie beide fort.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Mirta allein.

MIRTA.
Da sind die rechten Schäfer,
Die man zur Herde treibt. Die alten Siebenschläfer
Sind wirklich nicht so faul ... Sylvan, was willst du hier?
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Sylvan und Mirta.

SYLVAN
siehet sich um.
Ist nicht Mirtillo da?
MIRTA.
Nein, er ist nicht bei mir.
SYLVAN.
Ich hab' sein zahmes Lamm auf unserm Feld gefunden
Und wieder heimgebracht.
MIRTA.
Er ist dir nichts verbunden,
Und er bekümmert sich um seine Herde nicht.
Der Herr ist, wie der Knecht, ein fauler Bösewicht.
Sein bißchen Hab und Gut kann wohl noch alle werden.
Der liederliche Tropf lauft weg von seinen Herden.
Es ist der ganzen Schar ein Schimpf.
SYLVAN.
Wem geht's was an?
Hab' ich doch auch mein Geld und Vaterteil vertan,
[238] Daß ich nun dienen muß. Du hast dein Maul in allen.
Bekümmre dich um dich.
MIRTA.
Das lass' ich mir gefallen.
Wem nicht zu raten steht, der hab' auch den Verdruß
Und nehm' den Schaden mit, der daraus folgen muß.
Hätt' ich mein bißchen Lohn nicht recht in acht genommen,
Ich wäre nicht so weit und bis hieher gekommen.
SYLVAN.
Ach tu nur nicht so groß. Ich weiß die liebe Zeit,
Als unser Stacks, der Knecht, vordem nach dir gefreit,
Daß du den ganzen Lohn ihm hast am Hals gehangen,
Und der hat dich dafür fein sauber hintergangen.
Die klügste Henne legt sehr oft im Nesselstrauch,
Und brennt sich wacker. Gelt, so ging dir's damals auch.
MIRTA.
Ei, mag's doch: Stacks war gut, ich bin ihm noch nicht böse,
Es war ein flinker Kerl und fast in deiner Größe,
Er pfiff auch bald wie du, der war mir nicht beschert.
Hab' ich doch keine Not und ess' vom fremden Herd,
Und kann auch recht vergnügt im Jungfernstande leben.
SYLVAN.
Du wirst kein Ärgernis uns armen Knechten geben
Und sagen: daß du jetzt noch eine Jungfer bist,
Drum schwöre nur nicht drauf, weil es unmöglich ist.
Ich kenne schon den Stacks, von andern will ich schweigen.
MIRTA.
Sylvan! ich will dir gleich die rechte Wahrheit zeigen,
Heirate mich.
SYLVAN.
Nein! nein, das ist kein Werk für mich
Und, unter uns gesagt, auch gar kein Werk für dich.
MIRTA.
Warum! so kannst du sehn.
SYLVAN.
Nein, ich will blind verbleiben,
Ich mag den Glauben nicht bis hin zur Wahrheit treiben.
Zu der Versuchung fühlt mein Herz gar keine Lust.
MIRTA.
Ach! Wann der Himmel will, mein guter Narr, du mußt.
SYLVAN.
Ei! mit dem Himmel will ich mich darum betragen,
Der gibt mir eben ein, die Hochzeit auszuschlagen;
Dem folg' ich ohne Zwang, sobald er mir nur winkt,
Dann ich bin ohne Ruhm sein bester Sohn.
[239]
MIRTA.
Das hinkt.
Jedoch ich will dein Lob nicht mehren noch vermindern,
Wir beide richten uns nach andern Menschenkindern.
Sind diese gut genug, so schlendern wir mit drein.
Ich mag so in der Welt nicht gern die Beste sein.
Man wird nur ausgelacht, denn mit der alten Tugend
Da schleppen wir uns nur in unsrer harten Jugend,
Doch wenn man älter wird und mehr Erfahrung kriegt,
So wird man nach und nach erst mit sich selbst vergnügt,
Man grübelt nicht so sehr und läßt es bei dem alten,
Die Welt muß uns doch so, als wie wir sind, behalten.
Der Staub gehört zum Gold so gut als wie der Glanz,
Er fällt drauf, wann er will, deckt und versteckt ihn ganz,
Die Würmer müssen sich so gut als wir vermehren.
Wir essen Tiere weg, sie müssen uns verzehren,
Drum nimmt ein kluger Kopf die Zeit zur Lust in acht.
Ins Grab wird uns kein Mann, kein Brot, noch Fleisch gebracht.
Da siehst du, wie ich bin. Da hast du mein Bekenntnüs.
SYLVAN.
Wahrhaftig, du bist frei; das zeiget dein Geständnüs;
Die Weisheit kommt wohl nicht von deiner Mutter her.
MIRTA.
Die alte gute Frau lebt lange schon nicht mehr.
Die hat mich nichts gelernt, nichts als das bißchen Sticheln,
Und was im Stall gehört, das Grasen mit den Sicheln,
Wie man die Schafe schert und solches Siebenzeug;
Ein bißgen Kräuterkunst, davon ich aber schweig',
Das dient zu weiter nichts, als nur Verdacht zu machen.
SYLVAN.
Und teutsch davon gesagt: den Künstler auszulachen.
Ich lobe mir die Kunst der Kräutersupperei,
Die macht den Magen stark fein ohne Hexerei,
Da braucht man sich den Kopf darüber nicht zu brechen,
Es geht natürlich zu und ohne Segensprechen.
Der Drache fliegt dir nach, dafür nimm dich in acht,
Daß man dich nicht zuletzt zu einer Hexe macht.
Geh, Kräutermarthe, geh: Philemon wird dich fragen,
Ob du den Schafen Salz hast auf den Trift getragen.
MIRTA.
Ach! du erinnerst recht. Ich hab' noch viel zu tun;
[240] Die Liebe hielt mich auf. Bedenke du dich nun,
Ob du mich haben willst. Hernach wirst du schon sehen,
Wie gut ich's meinen kann; jetzunder will ich gehen.
SYLVAN.
Ei ja! nun sieh' ich wohl, du mußt erinnert sein;

Stoßt sie fort.

Geh, ich erinnre dich, geh, laß mich hier allein;
Verhindre mich nicht mehr, ich muß noch Kränze binden.
Heut abends kannst du mich bei unsrer Herde finden.
MIRTA.
Leb wohl, mein Kind!

Gehet ab.
SYLVAN.
So geh, du klebst so fest als Pech.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Sylvan allein.

SYLVAN.
Der Henker! Daß ich auch nicht gar zu helle sprech',
Daß mich mein Herr nicht hört. Dort kommt er hergetreten;
Er wird sein Festtagslied erst ganz alleine beten,
Eh er es lesen läßt.
8. Auftritt
Achter Auftritt
Seladon, mit einer Schreibtafel, und Sylvan.

SELADON.
Bist du schon aus dem Busch?
SYLVAN.
Ja, Herr!
SELADON.
Das ist geschwind.
SYLVAN.
Ich mach' mein Werk im Husch;
Bei mir geht alles flink.
SELADON.
Mir will es nicht so fließen.
Für heute werd' ich wohl das Dichten lassen müssen,
Mein Herz ist mir so schwer ... Ich weiß nicht, was mir fehlt.
SYLVAN.
Der Vater hat doch heut kein Wort mit Euch geschmält.
Ihr müßt nur erst ein Glas Poetenwasser trinken,
So werden Euch gewiß die Reimen nicht mehr hinken.
SELADON.
Das hilft mir alles nicht. Sahst du die Doris?
SYLVAN.
Nein.
SELADON.
Ich seh' sie heut auch nicht.
SYLVAN.
Sie wird zu Hause sein.
[241] Das Mädgen muß gewiß vor Arbeit noch ersticken;
Sie spinnt, sie näht, sie kocht, sie kann auch künstlich flicken,
Sie wartet allem Vieh, versorgt das Haus, den Stall,
Singt, wann sie fertig ist, als eine Nachtigall,
Das wird ein Weibgen sein! Ich will recht hurtig springen,
Wann ich ihr soll den Kranz als Bräut' gamsdiener bringen.
SELADON.
Ach, wär' es schon so weit!
SYLVAN.
So fasset doch ein Herz:
Die Hochzeit kommt gewiß.
SELADON.
Sei stille mit dem Scherz.
SYLVAN.
Geht, sucht die Doris auf.
SELADON.
Ich habe noch Bedenken.
SYLVAN.
Sie wird Euch schon ein Band an Eure Tasche schenken.
SELADON.
Heut mag ich kein Geschenk.
SYLVAN.
So nehm' ich's für Euch an.
Seid nicht so wunderlich. Hat sie dann was getan?
SELADON.
Sylvan, ich weiß es nicht, ob sie mich wahrhaft liebet?
SYLVAN.
Ach, grillt Euch doch nicht ein.
SELADON.
Ich bin verwirrt, betrübet.
Es geht gewiß was vor.
SYLVAN.
So geht doch hin und fragt,
Ihr wißt ja, daß sie gleich die reine Wahrheit sagt.
SELADON.
Ich folge deinem Rat, ich geh' und will sie sprechen.

Gehet ab.
SYLVAN.
Ich weiß nicht, was ihn heut für tolle Grillen stechen.
Wer kommt?
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Mirtillo, und Phillis geht ihm nach, hat Blumen an der Brust.

PHILLIS.
Ich suche dich, ach, rede doch mit mir!
Ich sehe dich recht gern ... Ei, der Sylvan ist hier.
Sprich nur nicht gar zu laut.
SYLVAN.
Sieh da, du kleine Lose!
Gehst schon den Schäfern nach als wie die ältste Große.
PHILLIS.
Verrate mich ja nicht.
SYLVAN.
Ei nicht, doch rede frei.
[242]
PHILLIS.
Mirtillo ist so hübsch, so höflich ...
SYLVAN.
Ei, ei, ei!
Du fängst sehr zeitlich an. Wann das der Vater wüßte,
Ich wette, daß ich dich nach Hause tragen müßte.
PHILLIS.
Je, hat er mich doch selbst Mirtillen anvertraut.
SYLVAN.
Du machest dir's zunutz, du kleine lose Haut.
PHILLIS
zu Sylvan.
Geh doch ein bißchen weg. Ich schäm' mich sonst ... Fort, gehe.
SYLVAN.
Nun ja, das will ich tun.

Sylvan tut, als ob er ginge.
PHILLIS
zu Mirtillo.
Wann ich gleich nichts verstehe,
So seh' ich doch, daß du ein feiner Schäfer bist.
Du hast ja heut gehört, daß Lieben nötig ist.
Ich wollte dir wohl ... was ... vertrauen.
SYLVAN
zu Phillis.
Ei! wie feine
Käumt schon der Mandelkern! ... Du bist ja noch zu kleine.
PHILLIS
zu Sylvan.
Bist du schon wieder da? So geh doch fort!

Führt Sylvan weg.

Mirtill

Mirtillo tut, als ob er wegginge

Wart einen Augenblick, weil ich was sagen will.
MIRTILLO.
Soll ich dich wieder heim zu deinem Vater führen?
PHILLIS.
Ach nein! Es ist noch Zeit.

Sylvan schleicht wieder vor.
SYLVAN.
Den Schäfer kann nichts rühren.
PHILLIS.
Mein Bruder küsset oft das Mädchen, das er liebt,
Und wenn ihm seine Braut die Küßchen wiedergibt,
So werd' ich rot dabei, daß sie sich gar nicht schämen;
Ich muß die Schürze gleich vor das Gesichte nehmen,
Dann ich erschreck' so sehr ... Mirtill, erschrickst du auch?
MIRTILLO.
Nein, ich erschreck' für nichts ...
SYLVAN.
Das ist kein Schäferbrauch.
Dafür erschrickt man nicht.
PHILLIS.
Du mußt auch alles hören.
SYLVAN.
Ich glaub', du wünschest gar, daß keine Ohren wären.
PHILLIS.
Ich schenke dir ein Band, verrate mich nur nicht.
SYLVAN.
Nun gut, das nehm' ich an. Hör, was Mirtillo spricht.
PHILLIS.
Komm her, versuche doch, wie gut das Blümgen riechet,
Das also zart hervor aus diesen Blättern kriechet.
[243]
MIRTILLO.
Die Blumen sind zwar schön.
PHILLIS.
Nun rede.
MIRTILLO.
Doch ich bin
Davon kein großer Freund.
PHILLIS.
Da nimm den Strauß ganz hin.
MIRTILLO.
Der Kopf tut weh davon.
SYLVAN.
Hätt' ich was zu bezahlen
Und könnt' die Zeichenkunst, das Stückgen müßt' ich malen.

Zur Phillis.

Ei, Mädchen, bist du toll? Der Henker ficht dich an.
Du machst es bald so arg, daß ich nicht schweigen kann;
An Riemen lernen sonst die Pferde Leder käuen.
PHILLIS.
Nun, du behorchest mich, das soll dich schon gereuen.
SYLVAN.
Dort kommt die Sylvia.
PHILLIS.
Geschwind, verstecke mich.
SYLVAN.
Nein, bleib nur stille stehn. Ich sprech', ich hole dich.
10. Auftritt
Zehender Auftritt
Mirtillo, Sylvan, Phillis und Sylvia mit einem kleinen Schächtelchen mit Goldpapier.

SYLVIA
zur Phillis.
Du schleichst dich immer weg. Wo bist du dann gewesen?
SYLVAN.
Sie hat hier dem Mirtill die Fabel vorgelesen
Vom kleinen Liebesgott.
SYLVIA.
Das muß wohl artig sein.
Erzähle mir's doch auch.
SYLVAN.
Heut abends.

Zur Phillis.

Nicht wahr?
PHILLIS.
Nein.
SYLVIA.
Mirtillo wird wohl auch viel schöne Märgen wissen?
MIRTILLO.
Ich weiß sehr wenig, Kind.
PHILLIS.
Erzähl uns eins von Küssen.
MIRTILLO.
Die Wahrheit zu gestehn, ich bin nicht aufgeräumt.
SYLVIA.
Dir hat gewiß die Nacht ein böses Stück geträumt?
MIRTILLO.
Was trägst du dann, mein Kind, in dieser goldnen Schachtel?
SYLVIA.
Mirtillo, rat einmal.
PHILLIS.
Ach, eine junge Wachtel?

Sylvia schüttelt allemal mit dem Kopf.
[244]
SYLVAN.
Ein Mäusgen?
MIRTILLO.
Etwas Geld?
PHILLIS.
Ein Bildnüs?
SYLVAN.
Einen Strauß?
SYLVIA.
Ihr trefft es alle nicht.
SYLVAN.
So sag es doch heraus.
SYLVIA.
Johanneswürmgen sind's, die glänzen abends helle,
Mirtillo, willst du sie?
PHILLIS.
Ich geb' dir eine Schelle.

Zornig.
SYLVAN.
Ei sachte, Jüngferchen ...
SYLVIA.
Was ficht dich dann jetzt an?
MIRTILLO.
Die Schwester hat dir ja gar nichts zuleid getan.
Du mußt nicht böse sein.
PHILLIS
zu Mirtillo.
Wann du sie sollst vertreten,
So redest du geschwind, ganz gern und ungebeten.
MIRTILLO.
Das gute Kind tut nichts ...
SYLVIA.
Nicht wahr, ich bin ganz fromm?
PHILLIS.
Nun, nun, es ist schon gut, wann ich nach Hause komm',
So will ich ...

Drohet Sylvien.
SYLVAN.
Haltet ein, sonst muß ich Friede machen.
MIRTILLO.
Die Mädgens bringen mich beinahe fast zum Lachen,
So wenig lächerlich mir sonst zumute ist,
So sehr mich jetzund auch der reinste Scherz verdrießt.
SYLVAN.
Ich lerne nach und nach die Leute recht verstehen,
Sie will fruh zur Natur in ihre Schule gehen.
Ihr Mädgens fort, geht heim, ihr stiftet Händel an,
Die man mit Schlägen nur an euch verbessern kann.
PHILLIS.
Drum packt euch gleich von hier.
SYLVAN.
Ja, fort geschwind nach Hause.
SYLVIA.
Ich geh'.
PHILLIS.
Ich bleibe da.
SYLVAN.
Komm! leg des Vaters Krause.

Treibt sie vor sich her.

Husch! husch! Ihr Gänsgen, husch! Fort! fort! Nun treib' ich ein.

Phillis lauft zurück, Sylvan holt sie.

Daß doch das junge Vieh nicht will gehorsam sein.

Phillis lauft geschwind zum Mirtillo.
[245]
PHILLIS
zum Mirtillo.
Du kommst doch heut zum Fest? ...
MIRTILLO.
Ja.

Sylvan hascht Phillis und trägt sie fort.
MIRTILLO.
Himmel! Was für Triebe
Seind uns ins Herz gelegt durch die Gewalt der Liebe!
11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Damon, Mirtillo und Galathe.

MIRTILLO.
Mich reizt der Doris rein und angenehm Gesicht,
Ihr Umgang, ihr Verstand, jedoch ihr Reichtum nicht.
Mops bleibt sehr lange weg zu meiner größten Plage,
Er sucht die Doris ... Still! ...
DAMON
zur Galathe.
Hör, wann ich etwas sage,
So folg, ich rate dir. Ich schickte dich ja heut
Zu dem Philemon hin bei früher Tageszeit,
Er sollt' an meiner Statt dich alles Gute lehren;
Ich ginge selbst noch hin, den Mann mit anzuhören.
Die Liebe, die Vernunft und Tugend spricht durch ihn;
Er weiß sein ganzes Haus recht redlich gut zu ziehn.
MIRTILLO
vor sich.
Das ist die Doris nicht ...
GALATHE
zu Damon.
Ich kann ihn nicht verstehen
Und will nicht als ein Kind noch in die Schule gehen,
Schick nur dein frommes Kind, die Doris, hin für mich.
DAMON.
Ja, Doris ist mir lieb, und sie beschämet dich.
Sie sorget für das Haus und auch für deine Sachen,
So groß und stark du bist, so magst du doch nichts machen.
GALATHE.
Ach, ja, das kluge Kind, ich nehme mir die Müh' ...
DAMON.
Schweig: Widersprich mir nicht. Genug, ich liebe sie.
Könnt' ich zu Hause sein und auf dich Achtung geben,
Du solltest mir niemals so trotzig widerstreben.
Gehorche mir, geh hin ...
GALATHE.
Mirtillo hört' es ja,
Daß du so mit mir schmälst.
DAMON.
Ach! Ist Mirtillo da?
Ich grüße dich, mein Freund.
[246]
MIRTILLO.
Ich danke dir dagegen.
Was kann dich dann so stark und hart zum Zorn bewegen?
DAMON.
Ei, Freund: ich habe recht. Hier meine Galathe,
Die ich von Tag zu Tag nun größer wachsen seh',
Soll, weil mich mein Verdienst früh in die Wälder jaget,
Zu dem Philemon gehn, der sehr viel Gutes saget.
Noch eh der Morgen kommt, lehrt er sein Hausgesind,
Und wer ihn drum ersucht, auch jedes Nachbars Kind.
Ich habe viel zu tun mit meinem Kräutersammeln,
Die Mägde seind im Stall, die Knechte bei den Hammeln.
Die Doris sorgt indes als Mutter für das Haus,
Und Galathe tut nichts; was wird dann endlich draus?
Ich muß wohl böse sein. Ich will doch alle Pflichten
Als Vater recht und gut an meinem Kind verrichten.
MIRTILLO.
Führ sie mit Sanftmut an ...
DAMON.
Ei ja! Da käm' ich recht;
Der allerhärtste Zwang gehört für ihr Geschlecht.
Die Mädgens ihrer Art seind unbeugsame Stöcke,
Die Köpfe, so wie der, das seind verstockte Pflöcke.
Mein ander Mädgen folgt auf einen Wink für sich;
Die denkt an alles selbst.
GALATHE.
Das eben ärgert mich.
Damit sticht sie mich aus.
MIRTILLO.
Sie wird schon besser werden;
Das hoffe noch von ihr.
DAMON.
Gewiß nicht hier auf Erden.
Doch da du nun mit uns in unsern Hütten lebst
Und dich nach unsrer Art zu leben mit bestrebst,
Oh! So versuch dein Heil und red mit ihr alleine.
Sie kann wohl artig tun, jedoch nur bloß zum Scheine.
Philemons Stunden sind für heute nun vorbei.
Sprich: daß sie morgen früh mit dir zugegen sei.
Du gehst auch hin zu ihm, ich hab' noch was zu lesen.
Und bin schon heute früh nach Kräutern ausgewesen.
Red ihr nur wacker zu ... Ich wollt', er nähme sie;
So käm' ich von ihr los und brauchte keine Müh'.
[247]
MIRTILLO.
Ich will mein Bestes tun. Ach, wann es Doris wäre.
DAMON.
Vergib mir, daß ich dich mit dieser Last beschwere.
Leb wohl ...
MIRTILLO.
Ach du ...
DAMON
zur Galathe.
Bleibe da.

Gehet ab.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Galathe und Mirtillo.

GALATHE.
Mirtillo sieht mich an.
MIRTILLO.
Ich weiß nicht, hab' ich klug, schlecht oder recht getan,
Daß ich mich dreingemengt, jedoch ich will es wagen
Und bei Gelegenheit mit nach der Doris fragen.
GALATHE.
Du redest ja für dich ...
MIRTILLO.
Das pflegt oft zu geschehn.
GALATHE.
Komm mit, wir wollen hier etwas spazierengehn.
MIRTILLO.
Mir ist nicht gar zu wohl ... Ich habe Seitenstechen,
Deswegen kann ich auch jetzund so wenig sprechen.
Dein Vater war erzürnt.
GALATHE.
Ach! dieser zürnet leicht.
Bei ihm ist fast kein Tag, der ohne Zank verstreicht.
Philemon hat die Schuld mit seinen Tugendgrillen.
MIRTILLO.
Du bist doch angenehm! Mach es nach seinem Willen.
GALATHE.
Ich bin dir angenehm? Das Wort klingt schön für mich.
Weißt du, was drauf gehört? Mein Schatz: Ich liebe dich.
MIRTILLO.
Ist Doris dann zu Haus?
GALATHE.
Das kann ich jetzt nicht wissen;
Die hat sich heute schon vor Arbeit fast zerrissen.
Ich bin ihr herzlich gram. Was willst du dann von ihr?
MIRTILLO.
Ich sah sie jüngst einmal, und da gefiel sie mir.
GALATHE.
Ich dachte, deine Brust wär' gänzlich frei vom Lieben,
Dich hätte nur der Haß in unsre Flur getrieben.
MIRTILLO.
Du hast ganz recht gedacht. Der Haß trieb mich hieher,
Damit die Liebe hier mein Hauptvergnügen wär'.
GALATHE.
Hör: Wann du lieben kannst, so lieb die Doris nicht,
Sie hat ein falsches Herz und ein verbrannt Gesicht,
[248] Sie putzet sich sehr schlecht, hat harte grobe Hände.
Wann ich ein Schäfer wär' und dieses an ihr fände,
Ich ließ sie gerne gehn. Und bin ich gleich nicht schön,
So kann ich zehnmal doch die Doris übergehn.
MIRTILLO.
Ei! Du bist schön genug.
GALATHE.
Gefall' ich dir?
MIRTILLO.
Von Herzen.
GALATHE.
Und du gefällst mir auch.
MIRTILLO.
Beliebe nicht zu scherzen.
GALATHE.
Es ist mein rechter Ernst; bleib heute nur gleich da
Und sprich den Vater an. Ich gebe dir mein Ja.
Der Vater wird dabei, wann er nicht will, schon müssen.
Ich will recht freundlich sein.
MIRTILLO.
Ei! das ist leicht zu schließen.
13. Auftritt
Dreizehenter Auftritt
Mops, Mirtillo und Galathe.

MOPS.
Herr, kommt: Die Doris geht auf ihres Vaters Feld;
Ich hab' nach diesem Fang viel Stunden aufgestellt.
MIRTILLO.
Das ist ein Glück für mich. Nun krieg' ich neues Leben.

Lauft geschwind ab.
MOPS.
Und ich bin abgelöst und darf nicht Achtung geben.
GALATHE.
Weswegen geht Mirtill so schleunig von mir fort?
Das ist erschrecklich grob. Er saget mir kein Wort;
Der Schimpf ist gar zu groß, das soll ihn schon gereuen.

Lauft ihm nach.
MOPS.
Ich muß nach Wasser gehn, dann die will Feuer speien.

Ende der anderten Abhandlung.

[249]

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Damon und Philemon.

PHILEMON.
Freund, Damon, liebster Mann, mein Herze, das dich ehrt,
Schätzt dich der reinesten, der besten Freundschaft wert.
DAMON.
Ich freue mich recht sehr, dich heut einmal zu sehen,
Und mir kann in der Welt kein größer Glück geschehen,
Als wann du zu mir kommst. Du bist mein bester Freund,
Und unser aller Schutz, auch keines Menschen Feind.
Wir alle lieben dich. Ich fühl' mit größten Freuden
Die wahre Redlichkeit recht würkend in uns beiden.
Du bist der bravste Mann, dein Vorbild nimmt ganz ein;
Sogar dein ärgster Feind kann bei dir sicher sein.
PHILEMON.
Ich schämte mich gewiß auch meinen Feind zu hassen.
Was die Natur nicht will, das muß man unterlassen.
Mich rührt sogar das Wohl von einem jeden Tier;
Und ich erhielt' es gern, stünd' es allein bei mir.
Ich trete keinen Wurm aus Übermut mit Füßen,
Mich schmerzt die Kreatur, wann sie hat leiden müssen.
Vielleicht bin ich zu weich und rührend; einem Mann
Steht sonst das Weichliche nicht eben männlich an.
Auch bei des Feindes Not bricht mir das Herz. Ich meine,
Ich sei kein rechter Mensch, wann ich nicht mit ihm weine.
So geht mir's ebenfalls bei meines Freundes Lust;
Es hupfet mir das Herz, es schläget meine Brust
Geschwind und heftiger aus zärtlichem Vergnügen,
Wann er viel Gutes hat und auch noch mehr soll kriegen.
Auch gestern war ich ganz erstaunet und entzücket.
Beim Schluß der Feldarbeit. Wir alle seind beglücket
Durch Vorrat. Unser Feld hat uns den reichsten Segen
Aus seinem Schoß geschenkt, uns dadurch zu bewegen.
Es schmückt sich erstlich aus mit angenehmen Grün,
Im Blühen mit Geruch uns recht an sich zu ziehn.
Die Halmen, welche sich aus Schwere niederbeugen,
[250] Sind gleichsam recht bemüht, uns ihre Frucht zu zeigen,
Als bäten sie: Nehmt hin, ach nehmt doch fröhlich an
Zum Dank, daß eure Hand an uns hat Fleiß getan.
Den Morgen hab' ich auch viel neue Lust empfunden,
Und ich ergötzte mich an meinen Morgenstunden.
Die Kinder, das Gesind' ist früher auf als ich;
Sie weckt die Lehrbegier, und sie erwarten mich.
In diesem Jahr trifft mich zum Erntefest die Reihe ...
DAMON.
Freund: Ich gestehe dir, daß ich mich darauf freue.
Bei dir ist immer was von ganz besondrer Art,
Ich hab' mir alle Lust auf diesen Tag verspart.
Mich soll der frische Most in deiner Hütten laben;
Du sollst von mir darzu den allerbesten haben.
Silen hat dir vielleicht den Eimer schon gebracht,
Den ich mit eigner Hand selbst hab' zurechtgemacht.
PHILEMON.
Ich danke dir dafür.
DAMON.
Auch Trauben wird er bringen.
Wir wollen unser Lied dabei mit Freuden singen.
PHILEMON.
Du sorgest gar zu viel; ich nehm', was du mir gibst.
Da du mich nun als Freund so wahrhaft redlich liebst,
So hab' ich auch ein Wort aus Freundschaft vorzutragen.
DAMON.
Du kannst mir, was du denkst, aus Herzensgrunde sagen.
PHILEMON.
Mein Sohn, mein Seladon, der liebt dein erstes Kind;
Und da sie beiderseits nun in den Jahren sind,
Daß sie die Wirtschaft wohl und gut genug verstehen,
So wünscht' ich, daß ich sie könnt' gar verbunden sehen.
Ich finde beider Herz in allen Stücken rein;
Der Himmel flößet ihm und ihr viel Gutes ein.
Hast du nun nichts dabei Erheblichs einzuwenden,
So übernehm' ich sie von deinen Vaterhänden.
Wir trachten beide nicht nach großem Geld und Gut,
Wir suchen nur Verstand und ein recht redlich Blut.
DAMON.
Dein Antrag hat mein Herz ganz unverhofft gerühret.
Dies wird ein feines Paar; das bin ich überführet.
Doch sollte Galathe für ihm nicht besser sein?
Sie scheint mehr aufgeweckt.
[251]
PHILEMON.
Ich glaube schwerlich. Nein.
Die Neigung bleibt uns frei, die soll kein Mensch bezwingen.
Das lehrt uns die Natur beinah in allen Dingen,
In dem geheimen Zug ist man kein Herr für sich.
Ich wähl' für meinen Sohn, jetzt aber nicht für mich.
DAMON.
Nun gut. Ich geb' mein Wort, doch will ich Doris fragen.
PHILEMON.
Ja; laß dir, was sie denkt, auch ungezwungen sagen.
Ihr Tag fällt heut mir ein, da sie geboren ist;
Da sich nun diese Lust in unsre Lust mit schließt,
Will ich sie auch darzu von dir als Vater bitten.
DAMON.
Die Knechte seind bereits zum Mittagbrot geschritten.
Sie wird nicht fertig sein.
PHILEMON.
Sie hat noch lange Zeit
Zum reinen Schäferputz. Der Abend ist noch weit.
DAMON.
Auch das sei dir vergönnt. Ich dank' dir für die Ehre;
Du gehst so mit ihr um, als wann sie vornehm wäre.
PHILEMON.
Mein allerbester Freund, das ist der Unterschied,
Den man an großen Herrn und frommen Schäfern sieht.
Wir werden ebenfalls, wie Könige, geboren,
Und sind auch so, wie sie, zur Dankbarkeit erkoren.
Die Kostbarkeit und Pracht bleibt nur bei uns davon;
Und die Zufriedenheit ist unsrer Sehnsucht Lohn.
DAMON.
Du bist ein Ehrenmann; man muß dich wahrhaft lieben.
PHILEMON.
Hat dein Gesinde heut zur Tränke schon getrieben?
DAMON.
Ich glaube ja, mein Freund.
PHILEMON.
Gönn ihnen auch die Lust.
Es schlägt auch menschlich Blut in ihrer treuen Brust.
DAMON.
Dir soll mein ganzes Haus zu deinen Diensten stehen;
Du sollst uns ingesamt in deiner Hütten sehen.
PHILEMON.
Ich hab' auf meinem Feld nur etwas noch zu tun.
Denk meinem Vortrag nach und überlege nun,
Was dich mein Vaterherz und Doris' Neigung lehret;
Dein Kind wird gut bei mir versorget und ernähret.
Leb nun indessen wohl. Ich geh' zu meinem Sohn.
DAMON.
Ich geh' zur Doris hin. Grüß deinen Seladon.

Gehen beide an unterschiedenen Orten ab.

[252]
2. Auftritt
Anderter Auftritt
Doris. Mirtillo geht der Doris nach.

MIRTILLO.
Holdseliges Gesicht: Bist du nicht zu bewegen?
Verschmähst du dann mein Herz? Was sagest du dargegen?
DORIS.
Mirtillo, fragst du mich im Ernst?
MIRTILLO.
Ja.
DORIS.
Nicht im Scherz?
MIRTILLO.
Nein.
DORIS.
Nun, so sag' ich dir: Ich habe gar kein Herz.
Du warest sonst sehr scheu, als ich dich hab' gesehen;
Jetzt bist du umgekehrt. Was ist dir dann geschehen?
MIRTILLO.
Du bist an allem schuld.
DORIS.
Damit verschone mich.
Du tust mir unrecht.
MIRTILLO.
Nein. Ich lieb', ich ehre dich,
Ach könnt' ich dir doch was, das mich so quält, entdecken!
Die Worte fehlen mir, ich muß davon erschrecken.
So liebreich als du bist, so bringst du doch in mir
Ganz unbekannte Forcht für dich dabei herfür.
DORIS.
Ach, fürchte nichts, mein Freund. Ich kann dir gar nichts schaden.
Du mußt dich nur nicht selbst mit etwas überladen,
Das dir beschwerlich fällt.
MIRTILLO.
Du gibst mir zwar den Rat;
Doch hilf mir auch dazu, und dieses mit der Tat.
DORIS.
Was soll ich dir dann tun?
MIRTILLO.
Mich lieben, mich nicht lassen,
Mein Herze nicht verschmähn, nicht fliehen und nicht hassen.
DORIS.
Ich flieh' dich ja niemals, und hassen kann ich nicht.
Doch dich zu lieben ist, was Doris nicht verspricht;
Dann ich sag' gar nichts zu, was ich nicht auch kann halten,
Du weißt wohl, das steht gut an Jungen und an Alten.
MIRTILLO.
Ich bitte dich, mein Kind, aus aller meiner Kraft.
DORIS.
Es ist mir leid, daß dir das keinen Nutzen schafft.
MIRTILLO.
Warum? Was hindert dich, mir diese Lust zu gönnen?
DORIS.
Ich wollt', du hättest mich darum nicht fragen können;
[253] Dann ich behalte mir die Antwort drauf zurück.
Bleib doch in deiner Ruh'. Genieß dein Gut, dein Glück.
An mir ist gar kein Reiz; ich schick' mich nicht zur Liebe.
MIRTILLO.
Und doch erregest du die allerstärksten Triebe.
Die größte Zärtlichkeit erweckt dein Augenpaar;
Sie seind voll Glut für mich und bringen mir Gefahr.
DORIS.
Freund; ich beklage dich gewiß von Grund der Seelen.
Doch helfen kann ich nicht.
MIRTILLO.
Willst du mich denn so quälen?
DORIS.
Ich kann ja nichts dafür und habe keine Schuld,
Ertrage deinen Schmerz doch stille mit Geduld.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Galathe. Doris und Mirtillo.

GALATHE.
Sieh da, du schönes Tier: Hab' ich dich nun gefangen?
Bist du darum allein ins dicke Holz gegangen,
Daß dich den ganzen Tag kein Mensch nicht finden kann?
Und triff' ich dich allhier bei meiner Schwester an?
Ihr ungezogenes Paar, ihr seid die rechten Leute.
Von mir schleichst du dich fort mit dieser auf die Seite.
DORIS.
Ich glaub', du sprichst im Traum? Besinne dich doch recht.
GALATHE.
Du stilles Wasser suchst dir einen solchen Knecht.
Jetzunder will ich gehn und es dem Vater sagen.
MIRTILLO.
Weswegen willst du dich dann über sie beklagen?
GALATHE.
Weswegen? Ei, wie schön! Bist du der Leutescheu?
Bei andern und nur hier bei meiner Schwester frei?
DORIS.
So fasse dich doch nur.
GALATHE
zu Doris.
Ja, ja. Ich will dich fassen.
Wann es der Vater weiß, wird er dich schlagen lassen.

Zu Mirtillo.

Du stundest ja vorhin bei mir als ein Stück Holz,
Und sahst mich höhnisch an, steif, trotzig, stumm und stolz,
Hier kann dein Mäulgen gehn geschwinder als die Brechen.
MIRTILLO.
Darf ich dann nicht ein Wort mit deiner Schwester sprechen?
DORIS.
Du bist recht unverschämt; ich weiß nicht, was du willst,
Daß du sowohl mit mir als mit dem Schäfer schiltst.
[254] Ich bin sonst von Natur gar nicht zum Zank geneiget;
Drum folg' ich jetzt dem Rat: Der Klügste geht und schweiget.

Gehet etwas unwillig und ernsthaft ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Mirtillo und Galathe.

GALATHE.
Ja, gehe; du hast Zeit.
MIRTILLO.
Das steht mir gar nicht an,
Die Doris hat hier nichts, das sie beschämt, getan.
Doch nimmt der Eifer ein, du solltest dich erst schämen.
Ich könnte wohl mit Recht dir alles übelnehmen.
GALATHE.
Das stünde dir auch an, ein Schäfer tät so groß.
Ich lachte dich recht aus.
MIRTILLO.
Gib dich doch nicht so bloß.
Vergib mir. Ich muß frei und ernsthaft dir das sagen:
Du mußt den besten Freund mit deiner Art verjagen.
GALATHE.
Ich frage nichts darnach. Ihr beide sollt schon sehn,
Eh noch der Tag vergeht, was hieraus wird entstehn.
MIRTILLO.
Ei nun! wann die Vernunft dich gänzlich will verlassen,
So will ich meinen Schluß dargegen auch schon fassen.
Ich hörte mit Geduld dein Schelten, deine Wut.
Versteh mich jetzo recht. Es tut gewiß nicht gut.
Mach ja der Doris nicht den kleinsten Widerwillen,
Sonst weiß ich auch noch Rat, dir deinen Trutz zu stillen.
GALATHE.
Ich glaub', du drohst mir gar; nun lauf' ich auch gleich hin
Und schwöre dir gewiß, so wahr ich liebreich bin,
Die Schwester soll noch heut vom Vater Schläge kriegen.
Wann auch die Wahrheit fehlt, so will ich sie belügen.
Das tu' ich dir zum Trotz ...

Will abgehen.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Doris, Galathe und Mirtillo.

DORIS.
Der Vater fragt nach dir.
GALATHE.
Ich komm' anjetzo gleich. Nicht wahr, du bleibest hier?
Es ist dir wohl recht lieb, daß dich der Vater schicket;
[255] Die Not hat dir gewiß das Herz fast abgedrücket,
Weil du nicht bei ihm bist.
MIRTILLO.
Du mißbrauchst die Geduld.
Ich sag' dir noch einmal, die Doris hat nicht schuld.
Besinne dich zuvor ...
GALATHE.
Ich will mich schon besinnen.
Ich leg' den Rocken an, du kriegst ihn abzuspinnen.

Galathe drohet Doris und lauft böse ab.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Doris und Mirtillo.

MIRTILLO.
Mein Kind, du daurest mich. Ich hätt' es nicht gedacht,
Daß deine Schwester sich so gar verächtlich macht.
Sie sollte sein wie du.
DORIS.
Vergib ihr ihre Grillen.
Ich bin es schon gewohnt, ich lass' ihr ihren Willen.
MIRTILLO.
Nein, das kann nicht geschehn, ich muß zuwider sein.
DORIS.
Hast du ihr was getan?
MIRTILLO.
Soviel als ich weiß, nein.
DORIS.
Sie hat viel Stolz im Kopf. Ich weiß sie bloß durch Lachen,
Wann sie recht heftig zürnt, oft wieder gutzumachen.
Ich schäme mich vor dir. Verzeiht mir, ich muß gehn;
Ich habe Wein und Obst in unsern Kellern stehn;
Das muß noch erst herauf, hernach werd' ich noch müssen ...

Geht unterdessen stille vor sich ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Silen und Mirtillo.

SILEN.
Mirtillo, deinen Mops hat jetzt ein Hund gebissen;
Er bittet dich durch mich um ein Maß Branntewein.
MIRTILLO.
Der Bengel muß auch stets so dumm und närrisch sein!
Wo liegt er?
SILEN.
Dort bei mir in meinem kleinen Stalle.
Es ist ein rechtes Loch. Wir andern lachten alle
[256] Im Anfang, als er schrie; nun hab' ich's angesehn.
Er bate mich recht sehr, ich sollt' her zu dir gehn.
MIRTILLO.
Was hat er denn gemacht?
SILEN.
Er warf nach unsern Hunden
Und zupfte sie aus Scherz, da sie beim Fressen stunden.
Dein neuer Kettenhund, der hat es ihm getan.
MIRTILLO.
Es ist dem Narren recht, warum greift er ihn an.

Gehet mit Silenen ab.
8. Auftritt
Achter Auftritt
Philemon und Doris.

PHILEMON.
Es ist mir herzlich lieb, daß ich die Doris finde.
Du bist das beste Herz von einem Schäferkinde:
Hat dir dein Vater nichts von meinem Sohn gesagt?
DORIS.
Er hat mich wohl vorhin so dunkel was gefragt;
Allein, ich habe nicht recht Achtung drauf gegeben.
PHILEMON.
Ich hoff', du wirst ihm doch dabei nicht widerstreben?
DORIS.
Nein, was mein Vater will, das tu' ich recht mit Lust,
Und wann es noch so schwer, sobald mir's ist bewußt.
PHILEMON.
Das wird nichts Schweres sein. Du sollst dein Herz verschenken.
DORIS.
An wen?
PHILEMON.
An meinen Sohn. Wirst du dich drauf bedenken?
DORIS.
Philemon, du beschämst mein ungeübtes Herz.
PHILEMON.
Ich red' als Vater hier und rede nicht zum Scherz.
Laß mir nur ohne Scheu dein redliches Entschließen,
Und was dein Herze denkt, aus deinem Munde wissen.
DORIS.
Ich weiß nicht, ob ich auch des Glückes würdig bin.
Dein Sohn bekäme wohl die reichste Schäferin,
Die schöner wär' als ich und auch noch mehr verstünde.
PHILEMON.
Wann ich in deinem Wert nun alles dieses finde
Als Vater, und mein Sohn aus wahrer Redlichkeit
Dein gutes Herz verlangt, bist du dazu bereit?
DORIS.
Wann du mich würdig glaubst, so muß ich dich verehren;
Ich will dir herzlich gern als Tochter zugehören.
[257]
PHILEMON.
Heut abends stellst du dich an unserm Fest mit ein?
DORIS.
Mein Vater hat gesagt, wir würden bei dir sein.
PHILEMON.
Dort kommt mein Seladon; er wartet recht mit Schmerzen
Auf dein gewünschtes Ja von deinem reinen Herzen.
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Seladon, Philemon und Doris.

PHILEMON.
Komm, sprich nur selbst mit ihr. Mir gab sie schon ihr Wort.

Will abgehen.
DORIS.
Mein Freund, ach geh doch nicht so gar geschwinde fort.
Ich schäme mich, allein mit deinem Sohn zu reden.
PHILEMON.
Ihr kennt einander schon. Du darfst dich nicht entblöden.
Des Vaters Gegenwart gehöret nicht hieher,
Wann du heut zu mir kommst, so reden wir noch mehr.
Ich wünsch' euch beiden Glück und geb' euch meinen Segen.
10. Auftritt
Zehender Auftritt
Seladon und Doris.

SELADON.
Der Vater weiß mein Herz recht zärtlich zu bewegen.
Nun, Doris, sagst du nichts? Warum bist du verstört?
DORIS.
Ich weiß nicht, was ich sag'.
SELADON.
Hast du mich nicht gehört?
DORIS.
Ach! ja, ich hört' es wohl ... Mir ward so jähling bange,
Ich denk', mein Vater kommt schon dort im grünen Gange.
SELADON.
Weswegen fürchtest du dann seine Gegenwart?
Ich weiß, er gibt es zu.
DORIS.
Ach! Er ist zwar nicht hart;
Ich fürchte nur etwas von meiner Schwester wegen.
SELADON.
Warum? Die Galathe, was hat dann die dagegen?
DORIS.
Du kennst den wilden Kopf.
SELADON.
Verdirb mir nicht die Lust.
Gedenk jetzund an mich, du weißt, daß meine Brust
Dich wahrhaft zärtlich liebt. Mit unsrer zarten Jugend
Wuchs auch der Trieb in mir zugleich mit deiner Tugend.
[258] Du hast ein schönes Herz, ich bin so sehr beglückt,
Als heftig du mich hast gerühret und entzückt.
Ich hab' mit deiner Hand den Segen selbst gefunden.
Was für entzückende vergnügte Abendstunden
Bringt unsre Liebe nicht und unser treues Band!
Komm, reiche mir darauf die liebe reine Hand.
Ich wollte dich wohl gern aus wahrer Neigung küssen,
Jedoch du schämest dich, ich werd' es lassen müssen,
Wirst du schon rot dabei! ... Leg diese Furcht nun ab,
Mach, daß ich ohne Furcht auch deine Neigung hab'.
Noch hab' ich dir gewiß kein scherzhaft Wort gesaget,
Ich hätt' es auch noch jetzt für diesmal nicht gewaget,
Doch da der schönste Tag uns solche Hoffnung gibt,
Daß unser Herz ganz frei und ungezwungen liebt,
So laß die Blödigkeit aus deinen Augen weichen;
Und gib mir auch zum Trost von deiner Gunst ein Zeichen.
DORIS.
Du weißt ja, wie ich bin.
SELADON.
Tu doch so schüchtern nicht.
Komm, sieh mich freundlich an und gönn mir dein Gesicht.
Du sahst mich sonsten ja mit anmutsvollen Augen;
Jetzt, da du mir gehörst ...
DORIS.
Ach wozu soll das taugen?
Scherz doch jetzund nicht so.
SELADON.
Wir sind ja ganz allein.
DORIS.
Man muß auch bei sich selbst stets wohl gesittet sein.
Das ist dir ja bekannt.
SELADON.
Jetzund gehört die Freude,
Der Scherz, die Süßigkeit alleine für uns beide,
An diesen schönen Tag steht uns ein Scherzwort frei,
Steh mir nur dann und wann mit etwas Neigung bei.
Heut muß dich schon ein Kuß, ein sanftes Händedrücken,
Ein kleiner Liebesscherz erfreuen und entzücken.
Doch ich will artig sein, verlasse dich auf mich,
Sei nur nicht mehr bestürzt, gewiß, ich schone dich,
Ich will dein gutes Herz mit keinem Scherz erschrecken
Und schon zur andern Zeit dir mehr dafür entdecken.
[259]
DORIS.
Ich danke dir dafür gewiß von Herzensgrund.
SELADON.
Du machst mir heute schon dein zärtlich Herz noch kund,
Ich hab' dir ohnedem noch einen Wunsch zu bringen,
Dein Tag lehrt mich auch dir viel Freudenlieder singen
Heut abends bei dem Fest, wenn alles fröhlich ist.
DORIS.
Ich danke dir recht schön, daß du so gütig bist.
SELADON.
Nun siehst du mich doch an und lachst ein wenig.
DORIS.
Stille!
Beschäme mich nicht so.
SELADON.
Ei, nicht doch, denn mein Wille
Tut gar nichts wider dich; was dir gefallen kann,
Das tu' ich herzlich gern.
DORIS.
Du hast es stets getan,
Ich habe nicht ein Wort aus deinem Mund gehöret,
Das nicht bescheiden wär', du hast mich nie gestöret.
SELADON.
Für das Vertrauen küss' ich deine werte Hand.
DORIS.
Das ist zuviel für mich.
SELADON.
Doch nicht für unser Band.
Ich werde dich jetzund zu deinem Vater führen;
Wir müssen keine Zeit zur schönsten Lust verlieren.
DORIS.
Ich folge dir recht gern.
SELADON.
Nicht wahr, du liebest mich?
DORIS.
Ach ja, mein Seladon!
SELADON.
Nun gut. Erhole dich.
11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Damon und Galathe.

DAMON.
Das kann unmöglich sein. Wann das die Wahrheit wäre.
Die Doris und Mirtill ...
GALATHE.
Wann ich dir nun drauf schwöre.
DAMON.
Du hast nicht recht gesehn.
GALATHE.
Ich bin doch wohl nicht blind.
DAMON was das für Antwort ist!
Du ungeratnes Kind:
Ertapp' ich dich diesmal auf einer groben Lügen,
Sollst du, so groß du bist, wahrhaftig Schläge kriegen.
[260]
GALATHE.
So frag nur den Silen.
DAMON.
Hat der das auch gesehn?
GALATHE.
Ja freilich. Ach, sie konnt so niedlich bei ihm stehn.
Er sagte nichts zu ihr als lauter süße Wortgen;
Sie sah so freundlich aus, als äß' sie Manteltortgen.
Ich zankte brav mit ihr, sie ging recht mit Verdruß;
Das ist doch wohl ein Werk, das ich dir sagen muß?
DAMON.
Ei freilich!
GALATHE.
Du ließt mich hernachmals zu dir holen.
Was ist dein Wille?
DAMON.
Ja, dies hab' ich ihr befohlen.
GALATHE.
Sie blieben ganz allein und haben ausgedacht ...
DAMON.
Ach, daß das Rabenaas sich so zuschanden macht!
Heut an dem Freudentag muß sie mich so betrüben.
GALATHE.
Dein bestes frömmstes Kind, das du so sehr mußt lieben,
Das stille Wasser schleicht und gründet schrecklich tief.
Wie wär' es, wann ich hin zu dem Philemon lief,
Und ...
DAMON.
Nein. Heut mag ich nicht den frommen Mann erschrecken.
Komm mit: Sie soll schon sehn ...
GALATHE.
Sie wird sich wohl verstecken.
DAMON.
Ich finde sie gewiß ... Doch lügst du, so komm mir
Nicht wieder vors Gesicht.
GALATHE.
Nein, nein. Ich geh' mit dir.

Ende der dritten Abhandlung.

4. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Damon, Doris und Galathe, welche etwas zurücke stehenbleibt.

DAMON.
So, Doris, legst du dich auch auf die schlimme Seite?
Gehst du den Schäfern nach? Weißt du, was das bedeute,
Wann eine Braut sich nicht nach ihrem Bräut'gam hält?
Du schämst dich gar nicht mehr? Hast du dich so verstellt?
[261] Ich bin aus Herzensgrund bei diesem Schimpf erschrocken.
Läßt du dich auch so gern durch Schmeicheleien locken?
Pfui, schäme dich ins Herz, du bist recht liederlich.
Ich bin dir spinnenfeind, du liebst die Wollust.
DORIS.
Ich?
Wann hab' ich was getan, das du bestrafen könntest?
Wann du mir nur Geduld zur Widerlegung gönntest,
Dein Zorn würd' über mich so strenge gar nicht gehn.
DAMON.
Du sollst mir gleich jetzund den Frevel frei gestehn.
DORIS.
Ich weiß nichts und hab' auch nichts Schändliches verbrochen.
DAMON.
Hast du mit dem Mirtill hier nicht verliebt gesprochen?
DORIS.
Ich? ... Liebster Vater, nein, das hab' ich nicht getan.
DAMON.
Ich rat' dir, leugne nicht. Es geht gewiß nicht an.
DORIS.
Dring nicht so hart in mich mit so erzörnten Fragen;
Ich habe nichts getan, drum kann ich auch nichts sagen.
DAMON.
Nun, du verstocktes Kind, das hätt' ich nicht gedacht,
Daß mir dein böses Herz jetzt so viel Schande macht.
Ist das der gute Schein, der so von außen schimmert?
Du hast in kurzer Zeit dich gar zu sehr verschlimmert.
DORIS.
Betrübe mich doch nicht und glaub mir auf mein Wort.
DAMON.
Ich jage dich gewiß aus meinem Hause fort.
Zur Strafe sollst du mir bei fremden Leuten dienen;
Da lebe immerhin mit Schanden unter ihnen.
DORIS.
Das wär' zwar hart für mich, doch wann es dir beliebt,
So folg' ich dir ganz gern.
GALATHE.
Was sie für Antwort gibt!
Nun kann ich auch gewiß nicht länger stille schweigen.
Wie? Leugnest du so frech? Ich will dich überzeugen.
Hast du nicht den Mirtill heut in der Früh gesehn?
Und sprach er nicht mit dir? Willst du das nicht gestehn?
DAMON.
Da siehst du, Galathe hat selbsten zugehöret.
GALATHE.
Ja, Vater, glaub ihr nicht, wann sie gleich darauf schwöret.
DORIS.
Ich schwöre gar niemals.
DAMON
zu Doris.
Sprich doch, was sagest du?
GALATHE.
Viel Schönes, ach, ich hört' und sahe beiden zu.
Sie waren ganz entzünd't und voller Liebesflammen;
[262] Sie schwätzten ganz vergnügt in Heimlichkeit zusammen.
Wer weiß, wie lang sie schon das süße Spiel verübt?
DAMON.
Du hast mich, böses Kind, beschimpfet und betrübt,
Und du gestehst noch nichts von deinen Freveltaten?
DORIS.
Ich habe nichts getan.
DAMON.
Ich sage, laß dir raten.
GALATHE.
Nun siehst du, weil du doch so hart und boshaft bist,
Und weil die Wahrheit nicht aus dir zu bringen ist,
So hol' ich den Silen, der war auch mit zugegen,
Der soll dir deine Tat klar vor die Augen legen.
DAMON.
Ja, hol ihn nur. Geh hin.
GALATHE
bei sich.
Das soll auch gleich geschehn,
Ich will zum Seladon in einem Gange gehn:
Der liebt sie, und bei dem will ich sie recht verklagen,
Der wird ihr schon darnach die Wahrheit trocken sagen.
DAMON.
So geh doch.
GALATHE.
Gleich jetzund.

Gehet ab.
2. Auftritt
Anderter Auftritt
Damon und Doris.

DAMON.
Nun sind wir ganz allein.
Gesteh mir's, mache nicht, daß ich muß zornig sein.
Ich hab' dich sonst so lieb, mach nicht, daß ich dich hasse
Und dich für deinen Trotz enterbe und verlasse.
DORIS.
Ach, Vater! glaube nicht, daß ich so boshaft bin.
DAMON.
Die Schwester sagt es doch.
DORIS.
Sie tut's aus Eigensinn.
DAMON.
Nun warte, wird Silen auf ihrer Rede bleiben,
So will ich dich gewiß recht in die Enge treiben.
Ich mag kein solches Kind, das keine Tugend hat.
DORIS.
So straf die Galathe für mich an meiner Statt.
Zwar will ich sie bei dir aus deiner Gunst nicht setzen,
Doch laß mich auch von ihr so schimpflich nicht verletzen.
DAMON.
Wo bleibt nun der Silen? Das ist doch ärgerlich!
Ich hab' so viel zu tun, und du verhinderst mich.
[263]
DORIS.
Es ist mir herzlich leid.
DAMON.
Du schmeichelhafte Schlange.
Dir macht gewiß nunmehr die Überführung bange?
DORIS.
O nein! dort kommt Silen? befrag ihn ohne Scheu.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Damon und Silen.

DAMON.
Komm her und sage mir die Wahrheit. Rede frei:
Wen hast du heut gesehn? Gesteh es mir geschwinde:
Dann wann ich dich jetzund auf einer Lügen finde,
So sieht es übel aus.
SILEN.
Den Mops und den Sylvan;
Sie spielten Blindekuh, der eine lief bergan
Und fiel erschrecklich hart; wir mußten herzlich lachen.
DAMON.
Du willst nach deiner Art uns Narrenpossen machen.
SILEN.
Es ist mein rechter Ernst.
DAMON.
Sag: Wen hast du gesehn?
SILEN.
Des alten Glauckus Sohn hat im Vorübergehn
Mir einen Strauß geschenkt, er bracht' auch Most zum Feste.
DAMON.
Das mein' ich nicht, du Narr.
SILEN.
Es kamen auch schon Gäste.
Sonst hab' ich nichts gesehn, so wahr ich durstig bin.
DAMON.
Wo bleibt doch Galathe?
SILEN.
Sie lief dort unten hin
Nach des Philemons Haus.
DAMON.
Ich bin doch ganz verstöret.
So hast du vom Mirtill kein einzigs Wort gehöret?
SILEN.
O ja, er redete mit Doris heute früh;
Hernach ging er aufs Feld und weidete sein Vieh.
DAMON.
Was sprach er? Siehst du nun, gleich wird die Wahrheit kommen,
Was haben sie dann hier zusammen vorgenommen?
Sprich ohne Furcht mit mir, verschweige mir kein Wort,
Sonst jag' ich dich gewiß noch diesen Abend fort.
SILEN.
Ja, Herr, das weiß ich nicht, sie schwatzten was vom Lieben.
[264]
DAMON.
Und Doris?
SILEN.
Ich ging weg, und sie sind dageblieben.
DAMON.
Oh! das ist schon genug du ungezognes Kind!,
Das ist die rechte Höh', wann so die Mädgen sind.
Geh mir aus dem Gesicht, ich muß mich deiner schämen;
Dich wird der Seladon wahrhaftig nun nicht nehmen.
DORIS.
Ach, Vater, rede doch nicht gar zu streng und hart.
Ich bin ganz außer Schuld. Des Schäfers Gegenwart
War mir selbst ein Verdruß.
DAMON.
Ja, ja, so sagen alle,
Die Reue kommt nur erst natürlich nach dem Falle,
Silen, den Augenblick such mir die Galathe.
SILEN.
Wann ich beim Wirtshaus, Herr, etwan vorübergeh' ...
So tränk' ich wohl ein Glas.
DAMON.
Geh, du versoffner Bengel.
SILEN.
Wir leben auf der Welt nicht nüchtern als die Engel.
Ihr trinkt ja selbst einmal.
DAMON.
Laß jetzund deinen Spaß.
SILEN.
Ich geh' ja immer fort ... Herr! Krieg' ich nicht ein Glas?
DAMON.
Ich will dir bald ein Glas auf deinen Buckel geben.
Der Zufall ist mein Tod, der bringt mich um das Leben.
DORIS.
Mein Vater, sei doch gut.
DAMON.
Nein! nein, ich höre nicht,
Ich warte nur darauf, was der Philemon spricht.
Geh! sag' ich. Ach! wie wird der gute Mann erschrecken;
Ich weiß nicht, wie ich soll den Fehler klug bedecken.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Mirta und Damon.

MIRTA.
Ach, Damon, komm geschwind, Philemon bittet dich
Auf einen Augenblick in Garten hin zu sich.
Es gehet etwas vor, du sollst ihm Kräuter bringen,
Ich will indes geschwind nach frischen Rauten springen.
Komm ja gleich hurtig nach.

Lauft ab.
DAMON.
Den Augenblick, ja gleich.

Gehet ab.

[265]
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Doris und Mirtillo.

DORIS.
Ich bin in tausend Angst, der unverhoffte Streich,
Den nur die Schwester macht, hat Furcht in mir erreget,
Als hätt' ich alle Schuld. Mein schüchtern Herz das schläget,
Und ich hab' nichts getan, das strafenswürdig ist.
Mein Seladon ist bös. Ach, was mich das verdrießt!
Dort kommt Mirtillo her, den muß ich künftig fliehen.

Will abgehen.
MIRTILLO.
Ach, Doris, warte doch!
DORIS.
Erspare dein Bemühen.
Ich darf nicht ... Doch was hilft's? Ich mach' dir nur Verdruß.
MIRTILLO.
Ach ja; es ist mir leid, daß ich dir sagen muß,
Daß deine Schwester dir ein böses Stück gespielet.
DORIS.
Ach ja, ich hab' es schon mit Herzensqual gefühlet,
Doch schlägt ein redlich Blut in dir, so bitt' ich sehr,
Geh, mache dir und mir das Leben nicht so schwer.
Ich kann und mag dir nicht die Sache ganz erklären;
Man sieht uns dafür an, als ob wir strafbar wären.
Sag mir nur weiter nichts und laß mich lieber gehn.
Wir wollen redlich sein und uns nicht weiter sehn.
Drum bitt' ich, meide mich. Was hilft dir meine Plage?
MIRTILLO.
Wann ich mit deinem Schmerz ein wahres Mitleid trage,
So fordert meine Pflicht das alles, was ich tu' ...
Ich schwör', die Schwester soll ...
DORIS.
Ach, gib dich doch zur Ruh'.
MIRTILLO.
Das ist unmöglich. Nein!
DORIS.
Ich kann nicht bei dir bleiben.

Will abgehen.
MIRTILLO.
Bleib einen Augenblick.
DORIS.
Dein Zorn muß mich vertreiben.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Sylvan rückwärts, Mirtillo und Doris.

SYLVAN.
Es ist doch wirklich wahr. Da stehen sie allein.
Da sieht man nun, wie bös die frömmsten Mädchen sein.
Das stille Rabenaas schleicht heimlich her aufs Naschen,
[266] Der Vater wird ihr heut den Nischel richtig waschen.
Mein armer Seladon ist fast halb tot für Gram,
Und ich erschrak für ihm als ich vom Felde kam,
Er sieht sich nicht mehr gleich, ich soll ihn hier erwarten.
Indessen muß ich doch mein Stückgen listig karten,
Sie merken sonst, daß ich hier auf der Wache steh'.
Mirtill, es ist mir lieb, daß ich dich jetzund seh'.
Ich habe dir gewiß den schönsten Kranz gewunden
Und in dein Haus gebracht.
MIRTILLO.
Ich bin dir sehr verbunden.
SYLVAN.
Geh und betracht ihn nun.
DORIS.
Ich bitte dich, geh hin!
MIRTILLO.
Ich folg' dir, daß ich dir nicht mehr beschwerlich bin.

Geht ab.
7. Auftritt
Siebender Auftritt
Doris und Sylvan.

SYLVAN.
Ei! Doris, ei, ei, ei! Was hast du angefangen?
Die ganze Lust zum Fest ist fast zugrund gegangen.
DORIS.
Ach, kränke mich nur nicht, ich bin genug gequält.
SYLVAN.
Mir hat die Galathe den ganzen Kram erzählt.
Sie hat ein rechtes Maul.
DORIS.
Sie sagt doch nichts als Lügen.
Aus Bosheit will sie nur den Vater mit betrügen.
Ich fürchte mich vor Zank und hab' ein gutes Herz,
Darum erduld' ich still den zugefügten Schmerz.
Gewiß, Sylvan, sie lügt; du kannst es sicher glauben;
Kein Fehler wird mich je der Redlichkeit berauben.
SYLVAN.
Hör nur! du dauerst mich, du bist sonst nicht so schlimm;
Dein Seladon ist bös, und das in vollem Grimm.
Ihn plagt die Eifersucht, drum gehe noch beiseite.
Die Eifersüchtigen sind harte, grobe Leute.
Geh lieber erst davon, der Zorn greift heftig an.
DORIS.
Weswegen soll ich gehn? Ich hab' ja nichts getan.
Er wird doch billig sein.
SYLVAN.
Du wirst gewaltig fehlen.
[267] Du weißt noch nicht, wie sehr die jungen Schäfer schmählen.
Ein Bräut'gam ist bei mir gar nicht ein solcher Mann,
Der sich im ersten Zorn sogleich bezwingen kann.
Im Zanken ist der Mund bei allen gut beschlagen.
Sprich nur den Seladon: du wirst mir's wiedersagen.
DORIS.
Ach! mache mir nicht angst.
SYLVAN.
Sieh hin, da kommt er schon.
DORIS.
Ich zittre recht aus Furcht.
SYLVAN.
Ich glaub's.
8. Auftritt
Achter Auftritt
Seladon, Doris und Sylvan.

DORIS.
Mein Seladon!
Bist du dann bös auf mich?
SELADON.
Geh weg, laß mich in Frieden,
Und höre kurz und gut: Wir beide sind geschieden.
DORIS.
Ach! ich verstumme fast.
SELADON.
Treulose! Schäme dich.
DORIS.
Du sagtest ja ... vorhin ... zu mir: du ... liebtest mich.
Ach! zürne nicht mit mir und rede nicht so heftig.
SYLVAN.
Gib immer gute Wort', der Teufel ist geschäftig.
Er macht sein Stückgen schon noch vor dem Ehrentag.
Wie wohl ist mir, daß ich mich nie verbändeln mag.
Seht nur, ihr Leute, seht: Da stehen sie und maulen!
Laß die Gedanken doch in Herzen nicht verfaulen;
Sag deinem Seladon, was du begangen hast.
Vielleicht vergibt er dir.
DORIS.
Ach! das ist Herzenslast.
SELADON.
Ja ja, Verwegene; du kannst es nicht beschönen,
Mußt du so freventlich getreue Liebe höhnen?
Ein fremder Schäfer kommt und sieht dich, nimmt dich ein.
Du falsches, böses Herz bist künftig nicht mehr mein.
SYLVAN.
Da hast du deinen Korb mit Spitzen ohne Schaden.
Wen solle man jetzt nun zu deiner Hochzeit laden?
DORIS.
Unschuldig angeklagt, von allen Lastern frei,
[268] Weiß ich bis jetzt noch nicht, was boshaft fehlen sei.
Hör mich nur erstlich an ...
SELADON.
Geh weg, ich mag nichts hören!
Ich will dir steten Haß anstatt der Liebe schwören.
Dein sittsam guter Schein betrog mein redlich Herz.
DORIS.
Du machst mir ohne Grund und auch dir diesen Schmerz.
SELADON.
Was sagst du? Noch so kühn? Sind das noch keine Gründe,
Wann ich dich ganz allein bei fremden Schäfern finde?
Wann deine Schwester dich nebst den Silen verklagt.
DORIS.
Ach! meine Schwester hat die Wahrheit nicht gesagt.
Jedoch weil du mich falsch und voller Untreu' glaubest,
Und mir dein liebstes Herz so jählingen beraubest,
So kränkst du mich recht hart. Bedenk das süße Wort ...
SELADON.
Geh nur den Augenblick von meinen Augen fort!
Du Lasterhafte bist mein rechter Abscheu worden.
Und find' ich den Mirtill, so will ich ihn ermorden.
SYLVAN.
Nun geht der Henker los!
DORIS.
Ach, schone doch sein Blut.
SELADON.
Ich rate dir; geht fort, du bringst mich sonst in Wut.
DORIS.
Gut! Soll ich von dir gehn? Wird es dich nicht gereuen?

Geht langsam und betrübt ab.
SYLVAN.
Das arme Ding geht fort. Ihr solltet ihr verzeihen.
Ich dächt', sie hätt' nicht schuld und hätt' Euch wahrhaft lieb,
Dort kommt ihr Vater her.
SELADON.
Ach, wann er von mir blieb!
SYLVAN.
Er ist recht angezünd't und steht in vollem Feuer.
Die Eifersucht bleibt wohl das größte Ungeheuer!
Philemon kommt auch mit; sie reden ziemlich hart.
Ich will nach Hause gehn ... Herr, soll ich? ...
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Philemon, Damon, Seladon und Sylvan.

SELADON.
Bleib und wart!
SYLVAN.
Es wird mir selber angst.
SELADON
zu Philemon.
Ach! Vater, hilf mir raten.
[269] Was Doris und Mirtill den Morgen beide taten,
Ist dir bereits bekannt. Ich mag nun Doris nicht.
Ich bin durch sie beschimpft und frei von aller Pflicht,
Sie soll mich nicht umsonst so kränken und beschämen.
PHILEMON.
Wer wird nun gleich so streng die Schwachheit übelnehmen?
SELADON.
Was, Schwachheit? Nein, gewiß ...
PHILEMON.
Ach! hemme deinen Grimm.
Der Zorn fehlt allemal und handelt schlecht. Vernimm:
Ich habe nachgedacht. Die Galathe ist witzig,
Geschwind zum Zorn geneigt, schlau, arg und ziemlich hitzig.
Wer weiß, ob sie dir das nicht bloß zum Possen tut?
Besänftige dein Herz und still nur erst dein Blut,
Das gar zu heftig wallt. In dieser ganzen Sache
Fehlt mir noch viel Bericht.
SELADON.
Ich weiß nicht, ob ich wache,
Ob ich noch lebend bin, so schmerzhaft leid' ich Pein.
PHILEMON.
Geh, folge meinem Rat, du mußt erst ruhig sein.

Seladon geht im Zorn ab.
10. Auftritt
Zehender Auftritt
Philemon, Damon und Sylvan.

PHILEMON
zu Sylvan.
Ruf mir die Doris her; doch schlage sie nicht nieder
Mit furchtsamen Bericht, und komm auch mit ihr wieder.
Sprich ihr gelassen zu.
SYLVAN.
Ach! wer weiß, wo sie steckt?
Dein Seladon hat sie gewaltig sehr erschreckt.
Er zankte sich mit ihr.
PHILEMON.
Das hätt' ich sollen wissen.
SYLVAN.
Ich werde sie gewiß sehr lange suchen müssen.
Es ist mir bang um sie; sie sah recht kläglich aus.
PHILEMON.
Vielleicht ist sie bei mir.
SYLVAN.
So geh' ich erst nach Haus'.
PHILEMON.
Das kannst du tun. Geschwind ...

Sylvan lauft ab.

[270]
11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Damon und Philemon.

PHILEMON.
Freund, Damon, sei zufrieden;
Es wird mit Heftigkeit kein schweres Werk entschieden.
Noch find' ich eben nichts. Das, was du mir erzählt,
Macht es noch nicht gewiß, daß Doris hat gefehlt.
Silen, du kennst ihn ja, trinkt fast zu allen Zeiten,
Mehr, als ihm dienlich ist.
DAMON.
Das will ich nicht verstreiten.
Und es kann leicht geschehn, daß er gedoppelt sieht
Und glaubt, wann ihm was träumt, daß es gewiß geschieht.
PHILEMON.
Ich halte Galathe und ihn für keine Zeugen,
Die gültig können sein.
DAMON.
Doch Doris mußte schweigen;
Sie schlug die Augen zu und sah mich gar nicht an.
PHILEMON.
Das ist noch nicht genug. Sie hat's aus Furcht getan.
DAMON.
Ich bin voll Ärgernis, ich wollt' sie gleich verfluchen!
PHILEMON.
Ei! Nein, beileibe nicht! Geh, Freund, ich will versuchen,
Ob ich die Wahrheit find'.
DAMON.
Es bringt sie der Sylvan.
PHILEMON.
Laß mich mit ihr allein.
DAMON.
Ganz gern.

Gehet ab.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Doris, Sylvan und Philemon.

PHILEMON.
Mein Kind, hör an.
Komm näher, fürchte nichts und trockne deine Tränen.
Man gibt dir etwas schuld, das will ich nicht erwähnen:
Hab das Vertrauen nur zu mir, als deinen Freund,
Den deine Qual betrübt, der es als Vater meint.
Erzähl mir ohne Scheu nur den Verlauf der Sache,
Daß ich dein zärtlich Herz nicht noch betrübter mache.
DORIS.
Ach ja, das will ich tun. Mirtillo sprach mit mir.
PHILEMON.
An eben diesem Ort?
[271]
DORIS.
Auf dieser Stelle hier.
PHILEMON.
Wovon?
DORIS.
Von Liebe.
PHILEMON.
Nun! ...
DORIS.
Und auch von seinen Schmerzen.
PHILEMON.
Und ...
DORIS.
Weil ich weichlich bin, so ging es mir zu Herzen.
PHILEMON.
Du hättest sollen gehn.
DORIS.
Ich hab' nicht dran gedacht,
Daß einen Menschen sehn die größte Schande macht.
PHILEMON.
Hast du ihn sonst gekannt?
DORIS.
Ja; doch mit meinem Wissen
Kein Wort mit ihm gered't.
PHILEMON.
Aus diesem ist zu schließen,
Daß er dir dieses Mal sein Herz zuerst entdeckt.
DORIS.
Ich hielt es erst für Scherz, allein ich wurd' erschreckt.
PHILEMON.
Weswegen, liebes Kind?
DORIS.
Als ich den Ernst verspürte.
Ich dacht', wie bald geschieht's, daß er mich gar verführte;
Und sagte weiter nichts, als trag' doch mit Geduld
Dein Leiden, dann ich bin gewiß daran nicht schuld.
Drauf kam die Galathe und schrie und zankte heftig,
Es half kein gutes Wort, kein Bitten war so kräftig.
Ich war in lauter Angst, ich schämte mich so sehr,
Als ob ich wahrhaft schuld und wirklich strafbar wär'.
Mein Vater zürnte auch und drang mit harten Drohen
In mein gekränktes Herz. Ich wär' zu dir geflohen
Und hätte dich für mich um guten Rat gefragt;
Allein ich war zu hart verleumdet und verklagt;
Ich bin von aller Welt in dieser Not verlassen.
Dein Sohn verlangt mich nicht und schwöret, mich zu hassen.
Ich zittre noch vor Angst; so zornig schien er mir;
Er schwur Mirtill den Tod und schaffte mich von hier.
PHILEMON.
So hat er dich gesehn?
DORIS.
Ach ja, die bösen Worte
Verfolgen mich noch jetzt an einem jeden Orte.
[272]
Ich hab' ihm nichts getan, was wider Treu' und Ehr',
Das wider meine Pflicht und den Gehorsam wär'.
PHILEMON.
Sagst du die Wahrheit rein, so darfst du nicht verzagen.
Ich will den Seladon schon was dagegen sagen,
Das ihn versöhnen wird. Drum hab nur noch Geduld.
Das bin ich überzeugt: Die Liebe hat mehr schuld.
DORIS.
Ach, allerliebster Mann, darf ich dich Vater nennen?
Ich wollte dir gewiß, ich weiß nicht was, bekennen.
Hätt' ich es nur getan.
PHILEMON.
Gut. Komme nur mit mir.
Sylvan, bleib unterdes solang alleine hier,
Bis Damon wiederkommt; sprich, er soll auf mich warten.
SYLVAN.
An was für einem Ort?
PHILEMON.
In seinem eignen Garten.

Führet Doris ab.
13. Auftritt
Dreizehender Auftritt
Sylvan allein.

SYLVAN.
Nun, das muß ich gestehn. Es ist ein gutes Kind,
Ein rechtes frommes Herz, dergleichen wenig sind.
Ha! was erhebt sich dort im Busch für ein Geräusche?
Mirtill und Seladon? wann ich mich selbst nicht täusche.
Nein! Ich betrüge mich, Mirtill und Galathe.
Es wird am besten sein, daß ich beiseite geh'.

Gehet zurück, bleibet aber seitwärts stehen.
14. Auftritt
Vierzehenter Auftritt
Mirtillo, Galathe und Sylvan.

MIRTILLO.
Was unterstehst du dich, Verwegene, so zu lügen?
Die Schwester, mich zu schmähn, den Vater zu betrügen?
Und heut der ganzen Schar ihr Lust Verderben sein?
Das geht dir nicht so hin; das bilde dir nicht ein.
Du zeigst dein böses Herz in allen gar zu deutlich
Und auch so dumm darzu. Man findet das sehr zeitlich,
Was du im Schilde führst. So wahr die Weide grünt,
[273] Du hast dem Fehler nach die Strafe stark verdient.
Dein Vater soll indes die ganze Wahrheit wissen.
Ich sag' ihm alles selbst, der wird dich strafen müssen.
Nun ruh' ich eher nicht.
GALATHE.
Was fährst dann du mich an?
Du bist ein Fremdling hier, der gar nichts soll und kann.
Und selbst mußt dich nach uns in allen Stücken richten,
Und du schiltst mich so aus? Ei nein, mein Herr, mitnichten!
So wett' ich nicht mit dir.
SYLVAN.
Die weist ihm das Gebiß
Recht scharf. Das Kräutgen hilft und heilet ganz gewiß.
Mirtillo! die laß gehn, das ist der rechte Zeisig,
Ja, sie verschweigt kein Wort und schnattert immer fleißig,
Es fehlt dem Klapperstorch zum Zanken nicht ein Wort,
Wann dir zu raten ist, so geh und mach dich fort.
GALATHE.
Hör doch: Geht's dich was an?
SYLVAN.
Ach nein, mein holdes Täubgen:
Jetzt bist du wenig nutz und wirst ein böses Weibgen.
Das prophezeih' ich dir; dann unter uns gesagt:
Ich weiß, mein Herzenskind, daß dich die Liebe plagt,
Und kann dir ganz gewiß davon die Wahrheit sagen.
GALATHE.
Ich dörfte dich dafür bald ins Gesichte schlagen.
SYLVAN.
Gelassen, schönes Kind, dann eine Schäferin
Muß still und artig sein, so fromm, als ich hier bin.
MIRTILLO.
Wo ist dann Seladon?
SYLVAN.
Dem geh fein aus dem Wege.
MIRTILLO.
Warum?
SYLVAN.
Du machst ihm sonst die Galle wieder rege.
MIRTILLO.
Was? Zürnet er mit mir?
SYLVAN.
So? Fragt sich dieses noch?
MIRTILLO.
Weswegen?
SYLVAN.
Ei, Mirtill, erinnere dich doch,
Was hast du ihm getan.
MIRTILLO.
Er wird mit mir nicht streiten.
Ich will ihm alles schon erzählen und bedeuten.
Er hat Vernunft genug.
[274]
GALATHE.
Ja, ja, die läuft ihm nach;
Dann als ich heute früh mit ihm vom Tanzen sprach,
So stund er als ein Pflock, den man erst glatt muß schnitzen,
Er sah mich an, schwieg still, ging weg und ließ mich sitzen.
Er ging als halb im Schlaf, stand still an einem Baum
Und schnitt etwas darein. Ich glaub', er denket kaum
Und ist jetzund schon tot.
SYLVAN.
Nun, nun! Ich will's erleben,
Daß seine Redekunst dir rechtes Salz wird geben.
Geh, wage dich an ihn, hast du mehr Herz als Maul.
GALATHE.
Mit diesem nehm' ich's an. Der ist mir viel zu faul.
Dort schleicht er in den Busch.
MIRTILLO.
Ich will hin zu ihm gehen.
SYLVAN.
Ich bitte dich, bleib da.
MIRTILLO.
Warum?
SYLVAN.
Du wirst schon sehen,
Daß ihr zu Händeln kommt.
GALATHE.
Ei, laß ihn. Mag's doch sein!
Geh immer fort, Mirtill, und schlage herzhaft drein.
MIRTILLO
zur Galathe.
Schweig, rede nicht ein Wort, du Grund von dieser Sache,
Du Quell von allem Zank!
GALATHE.
Du machest, daß ich lache.
MIRTILLO.
Die Bosheit lacht aus dir, der Frevel und der Neid.
SYLVAN.
Du wirst sehr schlecht gemalt, mein Kind, es ist mir leid.
Da siehst du, wie es geht, wann man das Mäulgen wetzet
Und sich aus aller Gunst bei klugen Schäfern setzet.
Gib nur ein gutes Wort.
15. Auftritt
Funfzehender Auftritt
Seladon und Mirtillo.

SELADON.
Mirtill, find' ich dich hier?
Komm mit.
MIRTILLO.
Wohin?
SELADON.
Hieher.
MIRTILLO.
Ganz gern. Ich folge dir.

Gehen beide ab.

[275]
16. Auftritt
Sechzehenter Auftritt
Sylvan, Mirta und Galathe.

SYLVAN.
Nun geht der Henker los! du zänkisch böse Sieben,
Du Schuld an allem Zank ...
MIRTA.
Wo bist du dann geblieben?
Philemon fragt nach dir.
SYLVAN.
Geh nur, ich komme schon.
Ich muß nur erstlich her zu meinem Seladon.
Der braucht mich. Ich muß sehn, ob sie sich jetzund schlagen.

Ab.
MIRTA.
Wer?
GALATHE.
Mirtill, Seladon.
MIRTA.
Ei nun! das muß ich sagen.
GALATHE.
Ach nicht doch. Mirta, bleib.
MIRTA.
Nein, nein. Das geht nicht an.
Wer weiß, was weiter noch daraus erfolgen kann?
Hernach hätt' ich die Schuld. Philemon wird erschrecken.

Geht ab.
GALATHE.
Ich weiß nicht, was ich mach'; ich werde mich verstecken.

Ende der vierten Abhandlung.

5. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Philemon, Doris, Seladon und Mirtillo.

PHILEMON
zu Doris.
Komm! Weine nicht, mein Kind, du bist nicht schuld daran;
Es hat's die Eifersucht, der Neid, die List getan.
Ein wenig fehltest du, da dich dein Vater fragte.
Wie kam es, daß dein Mund ihm nicht die Wahrheit sagte?
DORIS.
Ach! ich erschrak zu sehr. Sein Zorn bewegte mich,
Ich bin es nicht gewohnt.
[276]
PHILEMON.
Ich weiß, er liebet dich;
Darum hat ihn der Zorn so heftig eingenommen.
Warum bist du nicht gleich zu mir aufs Feld gekommen?
DORIS.
Ich furchte dich und ihn; ein jedes leichte Laub
Bracht' mich zur größten Furcht, der allerkleinste Staub
Schien mir ein Berg zu sein; ich konnte fast vor Zagen
Mir selbsten nicht die Qual, die mich doch rührte, klagen.
PHILEMON.
Du bist ein schüchtern Reh.
DORIS.
Ich sehe es wohl ein,
Man ist schon strafenswert auch durch den bloßen Schein.
Es soll mir künftig doch zu guter Warnung dienen;
Ich will behutsam sein, und zwar in allen Mienen.
Mein lieber Seladon war auch sehr aufgebracht;
Er stieß mich von sich weg und hat mich ausgemacht.
Er warf mir Sachen vor, die mir ganz fremde waren.
PHILEMON.
So hat der Seladon mit dir so hart verfahren?
DORIS.
Ach! sei nicht bös auf ihn; er ist gewiß recht gut.
Es klopfte mir das Herz, es wallete mein Blut;
Ich hätt' ihm gar zu gern das alles abgebeten,
Was ich mein Tage nicht getan, noch übertreten.
Allein er war so bös; er sagte mir den Kauf
Mit rechtem bittern Schimpf vor allen Leuten auf.
Ich will ihn jetzund nicht dadurch bei dir verklagen;
Du wolltest ja von mir, ich sollt' dir alles sagen.
PHILEMON.
Ei, ei, mein Seladon, das hätt' ich nicht gedacht,
Daß dir ein Schatten gleich so großen Argwohn macht.
Das ist zu fürchterlich. Auf Freundschaft und Vertrauen
Muß man die Festigkeit der zarten Liebe bauen.
Du kränkest mir zu früh das gute treue Herz.
DORIS.
Ach! schmäle nicht mit ihm.
PHILEMON.
Versüß ihr diesen Schmerz.
SELADON.
Die Unschuld ihrer Brust wird ihr das schon versüßen,
So gut, als meine Brust sie frei hat sprechen müssen.
Nicht wahr, du denkst nicht mehr an die Verdrießlichkeit?

Zu Doris.

Nein; ich vergess' sie gern und war darzu bereit,
Viel eher, als mich konnt' der harte Zufall rühren.
[277]
PHILEMON.
Dadurch zeigt sie dir an, wie du dich aufzuführen
Und zu verhalten hast. Gib mir die Hand, mein Sohn,
Und denk vernünftig nach.

Gibt ihm die Hand.

Gelt, du verstehst mich schon?
Mirtillo, darf ich dir wohl meinen Rat erteilen?
So hüte dich hinfort; du kannst dich übereilen.
Im Lieben ist man sich für diesen Fall nicht gut:
Siehst du die Macht davon? Hat sich nun nicht dein Blut
Mit solcher Kraft gezeigt, die deinen Haß bezwungen?
Der Sieg ist keinem Held, auch keinem Held gelungen,
Die Liebe gar zu fliehn. Da sind wir alle schwach;
Sie hat verborgne List und fängt uns tausendfach.
Wann wir der einen Art gleich mit Bedacht entweichen,
So weiß sie doch geschwind in unser Herz zu schleichen,
Eh man bewaffnet ist. Auch die Vernunft bleibt stehn
Und läßt uns in dem Fall für uns alleine gehn.
Du hättest mir dein Herz nur gleich eröffnen sollen;
So hätt' ich dir als Freund darinnen raten wollen.
Die Doris war als Braut an meinen Sohn bestimmt,
Der sehr unleidlich ist und das gleich übelnimmt,
Wenn man ihn, was er liebt, in die Gefahr will setzen;
Sein Lieben hat die Art; man kann sie leicht verletzen.
SELADON
zum Philemon.
Du warest noch sein Schutz.
PHILEMON.
Es war nicht gar zu fein.
Dein Zorn muß künftighin nicht zu gefährlich sein.
Mir war zwar dein Gemüt nicht ganz und gar verborgen;
Doch glaub' ich nicht an dir die Härte zu besorgen.
MIRTILLO.
Ich habe nicht gewußt, daß Doris dir gehört.
Sonst hätte mich gewiß schon die Natur belehrt,
Was eines andern ist, für mich nicht zu begehren.
Du liebest deine Braut, und ich darf sie doch ehren.
Vergib mir nur, mein Freund.
PHILEMON.
Heut ist ein Tag der Lust,
Da du dich und den Wahn und Haß bezwingen mußt.
Die Wildheit schickt sich nicht für sanfte Schäferherzen;
Die Tugend, die Vernunft, die Billigkeit, das Scherzen
[278] Soll ihnen eigen sein. Die hülfreich gute Hand,
Die gerne freundlich gibt, ein unschuldsvoller Stand,
Die Treue, der Bestand, soll ihre Tugend heben;
Das Mitleid und der Fleiß muß auch das Ansehn geben.
Dadurch die Zärtlichkeit ihr sanftes Recht erlangt;
Daran das ganze Wohl der Menschen wahrhaft hangt.
Das ist die Pflicht von euch, das müßt ihr gut studieren,
So nutzet euch die Welt und so könnt' ihr sie zieren.
So müßt ihr hier vergnügt, dort wahrhaft glücklich sein.
Die Freudigkeit, der Ruhm, das Glück ist ungemein
Selbständig, wahr, gewiß; der Tod kann es nicht rauben.
Das ist den Seelen Ruh', das könnt' ihr mir fest glauben.
Nun, meine liebe Braut, leg deinen Zierat an;

Zur Doris.

Zeig, daß dein gutes Herz auch recht vergeben kann.
Nimm keinen Groll mit dir; das reine Band der Liebe
Muß ohne Flecken sein. Dein Herz hat sanfte Triebe.
Dem folge.
DORIS.
Herzlich gern!
PHILEMON.
Nun gehe, putz dich schön.
DORIS.
Darf dann mein Seladon mit mir nach Hause gehn?
PHILEMON.
Wann du wirst fertig sein, so soll er dich gleich holen.

Doris geht ab.
2. Auftritt
Anderter Auftritt
Philemon, Seladon und Mirtillo.

PHILEMON
zu Seladon.
Ich habe dir ein Lied zu machen heut befohlen;
Wie weit bist du damit?
SELADON.
Ich schäme mich vor dir.
Es ist nicht gar zu gut geraten.
PHILEMON.
Zeig es mir!
SELADON.
Hier ist es.

Gibt ihm ein Blatt, und Philemon lieset.
PHILEMON.
Ei, mein Sohn, du hast dich bloß gegeben,
Streich diese Zeilen aus.
[279]
SELADON.
Gleich ohne Widerstreben.
PHILEMON.
Das andre geht noch an: Der Einfall taugt nur nicht,
Der deinen Eifer zeigt und was von Fehlern spricht.
Geht beide nun auch hin, euch reinlich anzuziehen:
Seid Freunde: Laßt die Lust in euren Augen blühen
Und macht das Herze rein von allem Haß und Groll,
Seid nur dem Laster feind, das hier nicht wohnen soll.

Mirtillo und Seladon gehen ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Philemon und Sylvan.

PHILEMON.
Sylvan, wie sieht es aus?
SYLVAN.
Herr! alles schön geschmücket,
Rein, aufgeputzt, geziert, so artig, als sich's schicket.
PHILEMON.
Du bist ein feiner Kopf: dein Einfall ist nicht schlecht.
Geh, wann noch etwas fehlt, so mach es noch zurecht:
Hier ist am Vorderplatz gewiß noch was vergessen.
SYLVAN.
Ich habe lange schon den Platz hier abgemessen:
Er wird zum Tanz zu klein, sonst stünde schon mehr da;
Drum unterließ' ich's noch: Soll ich's noch machen?
PHILEMON.
Ja.
SYLVAN.
Gleich soll es fertig sein.

Geht ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Philemon, Phillis und Sylvia, alle mit vielen Blumen geziert.

PHILLIS.
Sind wir nicht schön geputzet?
PHILEMON.
Ei freilich.
SYLVIA.
Du wirst sehn, wie unsre Mirta stutzet.
PHILEMON.
Ja, ja, das glaub' ich schon. Wo kommt ihr jetzund her?
SYLVIA.
Aus Damons Gartenhaus; da war es still und leer;
Wir zogen uns dort an.
PHILEMON
zu Phillis.
Du siehst ja schröcklich sauer,
Das schickt sich nicht zum Putz.
SYLVIA.
Sie stieß sich an die Mauer
Und hat den Hut verrückt.
[280]
PHILEMON.
Um solche Kleinigkeit
Siehst du verdrießlich aus? Bleib in Gelassenheit,
Sonst mußt du gleich von hier.
PHILLIS.
Ach nein, ich will gleich lachen.
SYLVIA.
Ich will dir deinen Hut schon wieder feste machen.
PHILEMON.
Habt ihr die Galathe im Garten nicht gesehn?
SYLVIA.
Ihr Vater suchte sie.
PHILEMON.
Ich will selbst nach ihr gehn.

Geht ab.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Sylvia und Phillis.

SYLVIA.
Ach! liebe Phillis, komm, wir wollen Doris suchen;
Sie gab mir heute früh zwei schöne Zuckerkuchen.
PHILLIS.
Ich hab' ihr einen Strauß von Flintrichen gemacht.
SYLVIA.
Und ich hab' ihr ein Lamm mit schönem Band gebracht.
Der Vater gab mir's heut zu Doris' Angebinde.
PHILLIS.
Und mir gibt er fein nichts.
SYLVIA.
Sei doch nicht so geschwinde,
Und gleich zum Neid geschickt.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
In der Mitte aufgezogen, wo die Schäferhütte so schön als möglich ausgezieret ist. Sylvan und Mirta bringen einen Korb, worinnen noch unterschiedene Auszierungen liegen, welche sie aufhangen und anbinden.

SYLVAN.
Ihr Mädgens, fort! beiseit!
Ihr steht mir hier im Weg. Es ist die höchste Zeit.
Kommt, helft und greift mit an, ihr sollt auch Männer kriegen.
PHILLIS.
Ist dieses wahr, Sylvan?
MIRTA.
Warum nicht in der Wiegen?
Du machst den Kindern gleich so große Sachen weis
Und bringst sie selber drauf.
SYLVAN.
Das tu' ich recht mit Fleiß:
[281] Dadurch gewöhn' ich sie zum Hoffen, zum Verlangen,
Zum Warten ...
MIRTA.
Und zugleich auch mit zu dem Empfangen.
SYLVAN.
Schweig nur und binde dort die Garbenbindel an,
Daß man den Bänderbusch fein deutlich sehen kann;
Mach auch die Leuchter fest, die noch im Korbe stecken.
MIRTA.
Ach, unser guter Star, der mag sie feste pflöcken;
Der weiß, wie sich's gehört.
SYLVAN.
Fein hurtig, fein geschwind,
Damit wir auch hernach zum Trinken fertig sind.
MIRTA.
Die kleinen Tische sind schon fertig mit den Früchten,
Du darfst sie nur noch erst in das Geschicke richten.
SYLVAN.
Nur her, wo sind sie dann?

Zieht aus dem Flügel einen Tisch.

Der kommt hierher zum Wein.
Der muß dem andern Tisch gleich gegenüber sein.
Dann, wo ich Hausknecht bin, muß alles richtig stehen.
Ihr Mädgens, werft nichts um; es ist gar bald geschehen,
Daß was zerbrochen wird. Stellt euch fein häuslich an
Und lernt die Wirtschaftskunst. Das lehrt euch der Sylvan.
MIRTA.
Ei tausend! Mir fällt ein: Der Vater hat befohlen,
Ihr Mädgens solltet gehn und unsre Doris holen.
Lauft, was ihr laufen könnt, eh euch der Vater sieht;
Er will, daß, was er sagt, auch alsobald geschieht.
PHILLIS
zu Mirta.
Nun siehst du, wie du bist, da stehest du und plauderst
Und sagest uns kein Wort; wann du nur immer zauderst.
MIRTA.
Es ist noch Zeit genug, lauft jetzo nur gleich hin,
Sagt, daß ich lange schon mit allem fertig bin.
SYLVIA.
Nun, diesmal helf' ich dir, den Vater mit belügen,
Komm, Phillis!
MIRTA.
Geht doch nur, ihr sollt auch Kuchen kriegen.

Sylvia und Phillis gehen ab.

[282]
7. Auftritt
Siebender Auftritt
Silen, Mops, Mirta und Sylvan.

SILEN.
Ist Galathe nicht hier?
SYLVAN.
Ich hab' sie nicht gesehn.
SILEN.
Wo steckt das böse Kraut?
SYLVAN
zu Silen.
Du kannst ja nach ihr gehn.
SILEN.
Ich bin schon dreimal hin in Haselbusch gegangen
Und dacht', sie hätte sich an einen Strauch gehangen;
Ich hab' im ganzen Tal und auf dem Feld gesucht,
Wann ich gut raten kann, ist sie gar auf der Flucht.
MIRTA.
Nicht doch, sie wird gewiß im alten Schlosse stecken?
SILEN.
Der Vater sucht sie gar in allerdicksten Hecken.
MIRTA.
Sie geht dort meistens hin, wann sie sich putzen will.
SILEN.
Da sitzt der Poltergeist! Ach, schweige lieber still!
Mir schauert schon die Haut, wann ich Gespenster nenne;
Ich finde sie doch nicht, wann ich gleich hinter renne.
Der Winkel sind zu viel vom Keller bis zum Dach,
Und Treppen, schneckenweis', viel hunderttausendfach.
Ich geh' gewiß nicht hin, der Rix sitzt dort am Teiche,
Ich werd' ihn oft gewahr, wann ich ins Wirtshaus schleiche.
Nein, ich vermenge mich mit keinem bösen Geist,
Der große Grallen hat und alles gleich zerreißt.
SYLVAN.
Ich glaub', du hast ein Herz von einem jungen Hasen.
SILEN.
Ei, hörst du nicht bei Nacht den wilden Jäger blasen?
Nichts, ich vertrage mich mit den Gespenstern nicht,
Mir ist das Rabenzeug so auf den Hals erpicht,
Der Werwolf geht mir nach, der Kobold zupft mich immer,
Die Klagemutter heult von Tag zu Tage schlimmer,
Und der Bieresel da, das steh' ich gar nicht aus:
Sie stecke, wo sie will; ich bring' sie nicht nach Haus.
MOPS.
Ei nun, so will ich gehn! In alten wüsten Mauern
Kann doch das arme Kind wahrhaftig nicht versauern.
Wann ich ihr Vater wär', ich tät' sie in die Stadt,
[283] Da kriegte sie gewiß das Mannsvolk zeitlich satt;
Ich finde sie gewiß. Komm! wirst du mit mir laufen?
SILEN.
Nein! geh du nur dahin: Hier gibt es was zu saufen.

Mops geht ab.
8. Auftritt
Achter Auftritt
Mirta, Sylvan und Silen.

MIRTA.
Hast du den Dudelsack zum Tanzen mit bestellt?
SYLVAN.
Horch! hörst du nicht Musik? Das ist die beste Welt,
Wo man noch Geigen hört und helle Feldschalmeien;
Hier ist nur wenig Platz zum alten teutschen Reihen.
Kommt mit, daß wir fein stolz mit in die Reihe gehn,
Die Väter werden gern ein lang Gefolge sehn.
Vier Tische sitzen schon im grünen Gartenhause:
Sie trinken recht mit Lust und essen gut beim Schmause.

Gehen ab.
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Phillis und Sylvia gehen voran; hernach Galathe und Doris; dann Seladon und Mirtillo; darauf Philemon und Damon. Hinter diesen Sylvan und Mops; und endlich Silen und Mirta. Unter der Zeit des Herausgehens wird Musik gemacht; der Sackpfeifer gehet vorher.

PHILEMON.
Nun, Freunde, seid vergnügt und nehmt mit mir verlieb:
Die Lust entsteht in uns von einem Tugendtrieb;
Es würket sie der Dank für viel empfangne Gaben,
Davon wir Nutzen, Lust und unsre Nahrung haben.
Seht immer noch im Geist die vollen Fluren an,
Von denen jedermann den Winter leben kann.
Betrachtet hier den Schmuck von so viel bunten Früchten,
Die sich nach jedem fast in dem Geschmacke richten.
Die allerkleinste Frucht ist nützlich und gesund
Und macht durch Süßigkeit des Himmels Liebe kund.
Die Blumen, welche sich durch schöne Farben schmücken,
[284] Sind Redner in das Herz und müssen uns entzücken;
Die Mannigfaltigkeit ist schön, groß, ungemein.
Wie groß, wie herrlich muß nicht ihr Erschaffer sein?
Die Trauben, die den Saft zur Stärkung für uns tragen,
Die können ebenfalls uns eine Lehre sagen,
Daß uns der mäßige Gebrauch sehr nützlich ist,
Und daß der Mißbrauch nur das Herz, den Mund aufschließt,
Daß man den Grund erkennt. Oh! braucht doch alle Güter
Mit kindlich reiner Lust, ihr zärtliche Gemüter;
Zeigt, daß ein reines Herz das Opfer wahrer Treu',
Die Lust, die Pflicht, der Dank an eurem Geber sei.
Seht nur, wie sanft er herrscht, wie liebreich er euch weidet,
Wie gut er euch versorgt, wie reinlich er euch kleidet.
Oh! habt ihn herzlich lieb, tut gern, was er befiehlt,
Laßt, was ihm nicht gefällt, seid lustig, trinkt und spielt.
DAMON.
Du bist ein rechter Freund und Vater, unser Lehrer,
Ein Vorbild wahrer Treu', der gründlichste Verehrer.
Ich bin durch dich beglückt; mein Kind kriegt deinen Sohn.
Ich danke dir nochmals.
PHILEMON.
Das ist der kleinste Lohn
Für ihren wahren Wert; sie hat Verstand und Tugend
Und hat das Gute schon gezeigt in ihrer Jugend.
DAMON.
Ich hoffe, daß sie nun auch alles gut versorgt,
Der Treue nicht vergißt, noch den Gehorsam borgt.
PHILEMON.
Wir Väter wollen uns zu unsrer Tochter setzen,
Ihr andern möget euch hier lagern und ergötzen,
So gut es dieser Platz und Speis' und Trank vergönnt;
Nur schade, daß ihr hier nicht alle tanzen könnt.
DAMON.
Was heute nicht geschieht, oh! das geschieht wohl morgen.
PHILEMON.
Sylvan, du magst dabei fein alles wohl besorgen.
SYLVAN.
Herr! es ist alles da, was gut schmeckt und vergnügt.
Wann es gleich nicht so stolz in goldnen Schüsseln liegt.
DAMON.
Es sieht ja hier recht bunt, geschmücket, schön und zierlich.
SYLVAN.
Der Zierat kommt von mir, drum ist es so manierlich.
PHILEMON.
Laßt arme Nachbarn auch zugleich mit fröhlich sein;
[285] Gebt ihnen Brot und Fleisch, gebt ihnen Obst und Wein,
Daß sie das matte Herz nach schwerer Arbeit laben,
Sie sollen auch mit teil an unsern Segen haben:
Wehrt keinem, daß er her in unsre Hütten geh'
Und unsre wahre Lust sich zum Ergötzen seh';
Dadurch vergessen sie den Mangel, der sie drücket,
Und werden unvermerkt ein wenig mit erquicket.
SYLVIA.
Ach! laß mir diese Lust, ich gebe gar zu gern.
PHILEMON.
Ja, gib von jeder Frucht das Beste und den Kern,
Was ihnen seltsam ist, es steht dir frei zu wählen.
SYLVIA.
Ich nehm', was mir gut schmeckt, so kann ich doch nicht fehlen.
DAMON.
Das liebe junge Kind hat ein recht gut Gemüt,
Das man an ihr mit Lust zugleich mit wachsen sieht.
PHILEMON.
Ein jeder bringe nun der Doris sein Geschenke
Und wünsch' ihr heute Glück.
SILEN.
Ich habe kein Gelenke
An meiner rechten Hand, wann ich was geben soll:
Mein Schubsack hat ein Loch.
SYLVAN
zum Silen.
Ich glaub', du bist schon voll.

Zum Philemon.

Als Vater mußt du ja den Anfang selber machen.
PHILEMON.
Das werd' ich auch wohl tun: Holt ihr nur eure Sachen.
10. Auftritt
Zehender Auftritt
Sie gehen alle ab, auch der Sackpfeifer mit Musik, und holen die Geschenke und kommen wieder hernach im Aufzug mit Musik. Philemon, Damon und Doris bleiben.

PHILEMON.
Nun, liebe Tochter, merk dir diesen Tag recht fest,
Da dich des Himmels Hand durch uns verbinden läßt;
Hat gleich verschiedenes dein gutes Herz gerühret,
So hast du dich doch auch vernünftig aufgeführet.
[286]
11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Die Musikanten vorher; wie sie herausgegangen sind, und tritt ein jedes an seine vorige Stelle. Sylvia, Phillis, Galathe, Seladon, Mirtillo, Sylvan, Silen, Mirta, Mops und die Vorigen.

SYLVIA.
Da, liebe Doris, hast du ein recht zahmes Lamm:
Ich wünsch' dir vieles Glück zu deinem Bräutigam.
Den Kranz wird dir für mich mein Vater selbsten geben.
PHILEMON.
Der Himmel segne dich mit guten, langen Leben.

Gibt ihr den Kranz.
PHILLIS.
Die Tauben, die so weiß als reine Schwängen sind,
Geb' ich dir zum Geschenk.
DORIS.
Ich danke dir, mein Kind.
SELADON.
Ich bringe dir ein Lied, nimm diese kleine Gabe:
Den Ring, das grüne Band und alles, was ich habe,
Das soll nun deine sein.
MIRTILLO.
Nimm diesen Bienenstock
Zum Angebind von mir; dergleichen noch zwei Schock.
SYLVAN.
Ich werde dir für mich nur Seidenwürmer bringen:
Sie nähen zwar nicht selbst und können auch nicht singen,
Doch spinnen werden sie, drum nimm sie freundlich an,
Weil dir ein armer Knecht nichts Reiches schenken kann.
MIRTA.
Das Sträußgen soll für dich zum kleinen Angebinde,
Du nimmst nicht gerne viel, zumal von dem Gesinde.
Da bring' ich dir auch was von kleinem Federvieh.
SYLVAN
macht den Bauer auf und läßt sie fliegen.
Ich glaub', du bist ein Narr: Verlohnt sich das der Müh'?
Fliegt aus! Fort! weg mit euch! Wer wird dann Spatzen bringen?
Die Vögel stehlen nur. Fort mit so schlechten Dingen!
MOPS.
Das junge Ferkel ist mein ganzes Hab und Gut,
Das gar zu artig ist und recht sehr freundlich tut.
Ich nahm es mit zu Bett, du sollst es nun bekommen.
SYLVAN.
Ich glaub', du hast etwas vom Narrenkraut genommen,
Das dir den Kopf verrückt. Schickt sich das für die Braut?
MOPS.
Ei, das verstehst du nicht. Es ist von zarter Haut.
[287]
SYLVAN.
Schweig!
DAMON.
Galathe bringt nichts?
GALATHE.
Das tu' ich recht mit Willen.
DAMON.
Du wirst doch niemals klug und bleibst auf deinen Grillen.
SYLVAN.
Potz Stern! Ich hab' noch was. Hier diese Nachtigall;
Ich fing sie gestern früh an unserm Wasserfall,
Die hang dir fein vors Bett, sie wird recht helle schlagen,
Und wenn du heimlich lachst, kein Wort nicht wieder sagen.
Ich bin dir gut dafür.
DORIS.
Ich danke dir, Sylvan.
SYLVAN.
Ei, seht doch, unsre Braut nimmt das auch freundlich an.
SILEN.
Ihr gebt der Doris viel und gebt ihr nichts zu trinken,
So stirbt sie ja für Durst mit unsern schönen Finken.
Da bring' ich dir ein Glas mit rechtem frischen Most;
Ich geb' dir solchen gern, dieweil er mich nichts kost't.
DAMON.
Da, Tochter, hast du Geld, zum Anfang dich zu nähren.
Der Himmel laß es dich gesund, vergnügt verzehren.
DORIS.
Ich bin ganz überhäuft von so viel Guten hier
Und dank' euch allerseits aus Herzensgrund dafür.
PHILEMON.
Trinkt doch und schenket ein, kommt, laßt uns lustig machen:
Es leb' die neue Braut!

Trinkt.

Es lebe Scherz und Lachen!
DAMON.
Es leb' der Bräutigam vergnügt und gut mit ihr!

Trinkt.

Es leb' auch der Mirtill und unser Vater hier!
SELADON.
Es lebe meine Braut!
DORIS.
Ich danke dir mit Freuden.
MIRTILLO.
Ich trinke recht mit Lust das Wohl von allen beiden.
PHILEMON.
Es leb' die Galathe! Es leb' die ganze Schar!
Es treff' die Nachbarschaft kein Unglück, noch Gefahr!
DAMON.
Trinkt, Kinder, auf das Wohl der allertreusten Freunde!
PHILEMON.
Trinkt alle mit zugleich das Wohlergehn der Feinde!
Nun, da wir fröhlich sind, so zeigt mir bei der Lust
Das Innerste von euch und eurer reinen Brust.
Ein jeder sage das, was er bei dem Geschenke,
Das er der Braut gebracht, in seinem Herzen denke.
Der Kranz, den ich dir gab, schließt einen Zirkel ein.
Du sollst hier stets vergnügt und ewig glücklich sein.
[288]
DAMON.
Was mein Geschenk betrifft, das ich dir hab' gegeben,
Das Geld dient zum Gebrauch, mit Ehren gut zu leben.
Es ist so schön als rund, es gilt in jedem Land.
Es wechselt mit sich selbst und bleibt in keiner Hand.
Drum laß dich nicht den Geiz, auch niemals das Verschwenden,
Vom nötigen Gebrauch, auch nicht vom Wohltun wenden.
MIRTILLO.
Die Bienen sind ein Bild der Süßigkeit und Fleiß;
Dein Herz, das Tugend hat und seine Pflichten weiß,
Wird zwar nicht ohne Müh' in Zukunft leben können,
Doch wird dir auch dein Fleiß die süßen Früchte gönnen.
PHILLIS.
Die Tauben sollen ja das Bild der Liebe sein:
So lieb nun deinen Schatz auf immer hübsch und fein.
SYLVIA.
Mein Lamm hat stets Geduld und läßt sich willig führen.
Dein Herz ist auch so gut und läßt sich gern regieren.
SYLVAN.
Die Seidenwürmgen sind zur Fruchtbarkeit geneigt,
Wann man sie fleißig wart't, wie die Erfahrung zeigt:
Sie pflegen sich des Jahr's wohl zweimal einzuspinnen;
Du kannst darvon für dich ein schönes Kleid gewinnen.
MIRTA.
In meinem Strauße steckt kein böses Nesselkraut,
Das an die Hände brennt. Du bist von zarter Haut.
Ich wünsche dir dadurch, du sollst dich nicht verbrennen,
So darf ich in die Stadt niemals zum Bader rennen.
PHILEMON.
Du bist ein närrisch Tier und bleibest, wie du bist.
MIRTA.
Genug, daß gar kein Falsch in meinem Herzen ist.
MOPS.
Im Sprichwort sagt man sonst: Man soll kein Ferkel machen.
Ihr braucht mich eben nicht deswegen auszulachen.
Hör, wenn du Jungens kriegst; so sollen sie recht rein,
Fein artig und fein klug und keine Ferkel sein.
GALATHE.
Mein Nichts soll ebenfalls auf etwas Gutes deuten,
Daß dich nichts Böses treff', nur lauter gute Zeiten.
SYLVAN.
Silen, hast du noch nicht ein großes Glas geleert?

Bringt ihm Wein und trinken zusammen.
DAMON.
Er ist recht bei der Lust!
PHILEMON.
Das ist ihm unverwehrt.
MIRTILLO.
Ihr Väter, da ihr nun so viel Vergnügen sehet,
So gönnt mir, daß mein Herz auch jetzt etwas gestehet.
[289] Da mir die Doris nun niemalen werden kann,
So nehmet mich dadurch mit zum Verwandten an.

Zu Damon.

Gib mir die Galathe!
MOPS.
Das Mädgen hat viel Feuer.
Und ein recht loses Maul.
MIRTILLO.
Vielleicht ist sie getreuer
Im Ehstand, ist sie gleich noch ledig, nicht so still.
Ich glaube, daß ich sie sanftmütig machen will.
MOPS.
Nun, du hast sehr viel Herz.
MIRTILLO
zu Damon.
Willst du sie mir versprechen?
DAMON.
Ja! Hier ist meine Hand. Ich will mein Wort nicht brechen.

Zu Galathe.

Was sagest du darzu?
GALATHE.
Ich geb' ihm meine Hand
Zum Zeichen meiner Treu', zum festen Eheband.

Zu Mirtillo.

Gedenke mir ja nicht mein Fehlen, mein Vergehen.
MIRTILLO.
Es ist nunmehr vorbei.
GALATHE.
Und wird nicht mehr geschehen.
MIRTA.
Heut muß ein Glückstag sein. Wer hoffte dieses Zeug?
Die Galathe wird Braut! Nun! nun! viel Glück! Ich schweig.
Zur Hochzeit will ich dir recht schön zu Tische dienen:
Siehst du? Wer warten kann, dem muß der Brautkranz grünen.
GALATHE.
Nun, Doris, bist du bös? Vergib mir, bitt' ich dich.
DORIS.
Ach ja, von Herzen gern, sei nur nicht bös' auf mich.
GALATHE
zu Philemon und Damon.
Verzeiht mir beiderseits!
DAMON.
Du hast mich recht betrübet.
PHILEMON.
Freund! Denk nicht mehr daran. Ein Vater straft und liebet.
DAMON
zu Mirtillo.
Die Heirat ist mit dir so gut als schon vollbracht.
Ich wünsch' euch beiden Glück!
PHILEMON
trinken alle.
Nun, Freunde: gute Nacht!

Ende.

[290]

[Nachspiel]

Die Väter wollen abgehen, die andern stellen sich an zum Tanzen; zugleich verwandelt sich die Schäferhütte und mit selber die ganze Schaubühne in eine prächtig beleuchtete Weinlaube, daran eine Menge goldene Trauben zu sehen seind; anbei erscheinet der Monat Oktober in Begleitung der Treue, der Liebe, der Freude und der Verehrung. Alle in Schäferkleidungen.

OKTOBER.
Bleibt, Schäfer: Laßt euch nichts an eurer Freude stören.
Ich komme, und mein Licht soll euch die Ursach' lehren;
Ich muß vom höchsten Thron bis in die Täler gehn
Und komm auch her zu euch, nach eurer Lust zu sehn.
VEREHRUNG.
Willkommen, großer Herr und liebster Freund der Freude,
Auf unsre sanfte Flur und reine Schäferweide!
O liebsten Freunde: Nun reizt euren heißen Trieb
Zu neuen Feuer an.
TREUE.
Ihr habt die Tugend lieb,
Ihr seid ein wahres Bild der Unschuld und der Treue;
Die Demut zieret euch und stärkt mich auf das neue.
LIEBE.
Die Liebe, die den Strahl allein vom Himmel nimmt,
Ist frommen Schäfern nur zum wahren Schmuck bestimmt.
Das ist der Freundschaftstrieb; mit diesen reinen Flammen
Vereinigt sie die Pflicht und hält sie fest zusammen.
FREUDE.
Daraus entsteht hernach die Freude; und der Mut
Ist dankbar und erkennt die Wohltat und das Gut.
Dann öffnet sie den Mund, spricht aus erfreuten Trieben,
Wird herzhaft, zeigt die Treu', kann mit Verehrung lieben.
VEREHRUNG.
Es hat heut eure Lust ein Dankfest vorgestellt.
Ihr lobet die Natur, die durch die ganze Welt
Den Segen ausgestreut, ihr küsset mit Verehrung
Des Schöpfers reiche Hand für Güter und Ernährung.
Dadurch habt ihr mehr Wert, als es von außen scheint,
Ihr liebt auch und verehrt den unschätzbaren Freund;
In dessen Zeitmaß sich die Güter übergießen,
Daß sie von oben ab bis in die Täler fließen.
LIEBE.
Er bringt mit sich ein voll- und reichgesegnet Jahr;
Wir nehmen ganz entzückt sein hohes Dasein wahr.
[291] Die Tage, die zu dir in deinen Lauf gehören,
Sind voller Wichtigkeit.
VEREHRUNG.
Und würdig zu verehren.
Freund, sprich den redlichen und frommen Schäfern zu.
Sie kennen deinen Wert der Hoheit. Rede du.
OKTOBER.
Es lenkt auf mich die Welt die Augen und die Herzen,
Und ich schaff' ihnen Lust, ich seh' sie gerne scherzen.
Die Fülle meiner Zeit schenkt allen Überfluß,
Und diese würkt den Dank im fröhlichen Genuß.
Preßt meiner Trauben Saft, brecht Früchte, sammelt Garben,
Daß ihr nach meiner Zeit an keinem Gut dürft darben.
Mein Strom der Güter steht in seinem Lauf nicht still,
Indem ich das Geschöpf damit erhalten will;
Mein himmlisch Feuer wird beim irdischen ergötzen,
Erkennt ihr die Natur, euch in Verwundrung setzen.
Seid ihr durch Schuldigkeit in eurer Pflicht gelehrt,
So seid ihr auch dadurch der schärfsten Einsicht wert.
Ihr habt sie durch den Dank schon an den Tag gegeben,
Es füllet eure Brust ein heilig sanftes Beben;
Und ihr erinnert euch, was in der Zeit geschehn,
Und noch geschehen wird. Ihr wollt es nicht gestehn.
Weil ihr gehorsam seid; doch Freude, Treu' und Liebe
Und die Verehrung sagt mir eure wahre Triebe;
Des will ich Zeuge sein, mein Zeugnus gilt und bleibt
Bis in die späte Zeit, an die man alles schreibt.
Fahrt fort in diesem Trieb. Es soll euch nichtes stören;
Die Nachwelt wird man noch darüber jauchzen hören.
Bleibt nur der Tugend Freund, liebt euch vernünftig treu,
Und liebt auch mich zugleich. Ich werde für euch neu
Und komme euch zugut.
TREUE.
Freund: darf ich sie vertreten,
Ihr sanftes, gutes Herz hat mich darum gebeten.
Ja, weil sie meine Hand als wahre Treue führt,
Muß ich ihr Fürspruch sein. Dein Wort hat sie gerührt;
Sie freuten sich auf dich mit Ehrfurcht, mit Verlangen,
Und sonnen eifrigst drauf, dich würdig zu empfangen;
[292] Sie haben deiner Zeit die Stunden nachgezählt
Und keinen herrlichen, noch großen Tag verfehlt.
Sie schickten Lieb' und Treu' und Freude dir entgegen;
Ja, sie verspürten schon das zärtlichste Bewegen,
Noch ehe deine Zeit, dein prächtig Licht erschien,
Allein sie fühlten auch, daß alles ihr Bemühn
Verborgnes Feuer blieb, das keinen Schein könnt' zeigen.
FREUDE.
Ja! Freund, ihr rührendes, ihr still verehrend Schweigen
Verschließet zwar den Mund, jedoch das Herze nicht.
Die Freude, die durch mich zugleich aus ihnen spricht,
Hofft aus dem Überfluß von deinen reichen Gaben
Auch deiner Wiederkunft den öftern Trost zu haben.
LIEBE.
Der Liebe Zärtlichkeit hemmt Lob- und Freudenlieder;
Sie schlägt die Helden oft, geschweig' die Demut nieder;
Doch ringt sie um den Ruhm, wer besser lieben kann,
Und legt dem stärksten Trieb der Klugheit Zügel an.
VEREHRUNG.
Wann alle Pflichten recht um ihren Vorzug ringen
Und jede sich zuerst will in Erfüllung bringen,
So wirkt gemeiniglich doch dieser Grad nur still,
Weil man sich aufmerksam dabei verhalten will.
Laß meinen Freunden auch den Trieb zustatten kommen,
Die dich, noch eh du kamst, verehrend aufgenommen.
Gesetzt, sie täten nichts, als was die Unschuld tut,
Die ohne Forcht im Schoß der höchsten Weisheit ruht,
Und hätten weiter nichts als brennendes Verlangen,
Dich so in deiner Pracht mit Ehrfurcht zu empfangen,
So würden sie doch wert, daß in dem hellen Schein
Von dir auch ihre Pflicht könnt' jedem kenntlich sein.
OKTOBER.
Ihr denkt und redet wahr und sucht mit euren Gründen
Fast aller Menschen Herz recht feurig anzuzünden.
Ich find' euch allerseits, wie ich euch finden soll,
Und mach' euch nun entzückt das Maß der Freuden voll.
Ich weiß, warum ihr heut nur Schäferaufputz traget
Und kein heroisches, kein tragisch Lied gewaget.
Die Demut kleidet sich in Unschuld, Lieb' und Treu'
Und zeugt, daß ihr mein Licht zu hoch und herrlich sei,
[293] In prächtiger Gestalt sich in die Höh' zu schwingen;
Ihr wollt nur redliche und wahre Lieder singen;
Ihr denkt: die Sonne strahlt auf Wiesen und auf Klee
Und zieht das Niedrige auch liebreich in die Höh'.
VEREHRUNG.
Wir können dir zum Ruhm zwar sonst nichts weiter wagen,
Als Ehrfurcht für die Zeit in stiller Brust zu tragen;
Dein Segen fließt auch gern in ein gereinigt Tal.
Komm, unschätzbare Zeit, komm noch unzähligmal!
Dein reicher Überfluß und dein gekrönter Segen
Soll unser Herz durch sich zur Dankbarkeit bewegen.
Du zeigst in deiner Pracht die goldene Natur
Und zeichnest in dem Glanz der Freuden schönste Spur;
Ja, wir ergötzen uns sogar an deinem Schatten,
Du lehrst den besten Wunsch, an dem wir Mangel hatten.
Daß wir durchs Sichtbare den unsichtbaren Schein
Von deiner höhern Kraft
ALLE.
Demütigst dankbar sein.

Ende.

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Notes
Erstdruck in: Die deutsche Schaubühne zu Wien, nach alten und neuen Mustern, 5. Theil, Wien (Johann Paul Krauß) 1754.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Neuber, Friederike Caroline. Das Schäferfest oder Die Herbstfreude. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5FF1-5