Hochzeitsgedicht für Heinrich Gottfried Koch und Demoiselle Buchner.

An dem besondern Tag! der wenig Aufsehn macht,

Hab ich so gut ich konnt dieß Hochzeitlied erdacht,

Es gieng sehr stille zu, Herr Koch war doch zufrieden,

Und wer zugegen war ist froh von uns geschieden.

Friederica Carolina Neuberin.

Kiel, den 30. December. 1737.


Die Gesellschafft zu verehren,
Läst sich meine Muse hören;
Die sonst schlecht und heischer singt,
Und nicht viel zusammen bringt,
Doch ich will es immer wagen,
Und getrost die Meynung sagen.
Braut und Bräutgam ehr ich schweigend!
Denn mein Fleiß ist überzeugend:
Daß ihr Glück auch mich erfreut.
Ich thu ihnen nichts zu leyd,
Und sie werden nichts verüben
Das mich künftig könt betrüben.
Hochzeitreime hinzuschreiben
Und dabey im Schranken bleiben
Ist ein schweres Werk vor mich.
Darum wollen du und ich,
Lieber Leser! darauf denken,
Was uns die Vernunft wird schenken.
Mir will sie den Einwurf machen,
Daß ich zwar zu hohen Sachen
Nicht geschickt und würdig bin,
Dennoch spricht sie: Schreib nur hin!
Wies die Redlichkeit verlanget,
Wenn sie nicht mit Schminke pranget.
Dich, mein Leser! läst sie bitten,
Wenn ich etwas überschritten
Und nicht alle Regeln gab,
Rechne fein vernünftig ab,
Wenn zuweilen auch dein Leben,
Uns kan wenig Regeln geben.
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Alle Stände durchzugehen,
Ihren Wehrt recht einzusehen,
Macht den klügsten Mann zu thun,
Und ich untersteh mich nun
Auf den Schauplatz alle Sachen
Rein und känntlicher zu machen.
Ist der Vorwitz nicht zu kühne
Daß ich mich des Rechts bediene,
Daß sonst Männern nur gehört,
Wenn mein Fleiß die Boßheit stört,
Wenn ich allen Lastern fluche,
Und die Tugend eifrigst suche.
Ja, spricht offt die Welt mit Lachen,
Du willst uns ein Stückgen machen
Das der Tugend Titul führt,
Weist du denn was ihr gebührt?
Doch du nennest ihren Namen
Und weist listig nachzuahmen.
Laß der Tugend ihre Seyde
Von dem schlechten Narrenkleide,
Du und sie sind nicht verwant,
Sie ist dir gar nicht bekannt,
Dir gehört ein schlechtes Leben,
Und dich allen Preis zu geben.
Was? ein Schauspiel? ein Gedichte?
Hätt den Eindruck, das Gewichte,
Daß ein reines Herz dabey
Edel, klug, vernünftig sey?
Nein! wahrhaftig diese Leute
Müssen auf die linke Seite.
Denkt: wo seyd ihr hergekommen,
Euer Ursprung ward genommen
Von dem wilden Bachus Fest
Das kein Laster übrig läst,
Wo man in der Wollust wühlen
Taumelnd singen stumm kont spielen.
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Ey, sind das nicht schöne Gründe?
Wird die Tugend da zum Kinde,
Wo die Laster Mütter sind?
Geht doch; helfft dem guten Kind
Auf dem Schauplatz auf die Beine,
Der allein ist keusch und reine.
Der ist unser Sittenrichter,
Der verziert uns die Gesichter
Wenn der Stellung was gebricht.
Folgt dem Lehrer, hört ihr nicht?
Seht ihr nicht die großen Thaten
Die des Staats verbeßrung rathen?
Welt und Laster muß ich schweigen!
So müst ihr mir das bezeugen,
Daß der Hohn euch mehr betrifft,
Saugt ihr doch aus Rosen Gifft;
Sind doch alle Himmels Lehren
Viel zu schwach / Nicht genug euch zu bekehren.
Tret ihr doch das Kraut mit Füssen
Das euch sonst erhalten müssen
Das euch zur Gesundheit dient.
O! wer sich so viel erkühnt,
Selbst sein Gutes zu verachten,
Mag mich nimmer schlecht betrachten.
Ihr habt Recht: doch euch zur Schande
Daß ihr offt in größern / bessern Stande
Noch viel kleiner / wilder seyd als ich,
Glaubt: ich Arme kenne mich,
Und dürft ich euch käntlich machen,
Gäb es öffters viel zu lachen.
Wenn wir an den Ursprung denken,
Müssen wir uns alle kränken,
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Denn der Mutter Erde Schooß
Zieht uns wahrlich alle groß,
Kriegt gleich mancher mehr zum Kleide,
Spinnt ihm doch der Wurm die Seide.
Wer die alte Wahrheit liebet
Und die neue nicht betrübet
Denkt zuweilen auch an sich:
Mein! warum erheb ich mich?
Darum: daß die andern lachen
Und aus mir ein Mährgen machen.
Welt und Laster! seyd gebethen,
Wenn ihr etwas übertretten
Meßet mir die Schuld nicht bey,
Fehlt ihr: so gestehts auch frey!
Denn im Spiegel sind die Flecken
Nicht so künstlich zu bedecken.
Ich mag euch nicht mehr beschämen,
Und ihr könnt kein Vorbild nehmen,
Wenn gleich Treu und Redlichkeit
Euch dazu den Weg bereit.
Nun so bleibt: ich kann euch leyden
Und will euch doch ewig meiden.
Last der Schauspielkunst die Ehre,
Und gestehts: daß ihre Lehre
Wenn sie rein, vernünfftig ist,
Sehr viel Gutes in sich schliest,
Wer nicht sieht, nicht hört, nicht fühlet,
Diesen wird auch nicht gespielet.
Nun ich seh, ich kan im Schreiben
Nicht gar wohl im Schranken bleiben,
Drum ists besser: Ausgemacht!
Koch hat sich erst lang bedacht,
Fest entschloßen, fest gewehlet,
Daß ihm nur mein Wunsch noch fehlet.
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Der soll ihm zu statten kommen,
Was er heute vorgenommen,
Seegne Gott mit seiner Hand,
In dem neu erwehlten Stand;
Wie ich ihm das beste gönne,
Und mich heute Mutter nenne.

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Notes
Entstanden am 30. Dezember 1737.
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TextGrid Repository (2012). Neuber, Friederike Caroline. Hochzeitsgedicht für Heinrich Gottfried Koch. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5FCB-C