Johann Nestroy
Judith und Holofernes
Travestie in einem Akt

[716]

Personen

Personen.

    • Holofernes, Feldherr der Assyrier.

    • Idun,
    • Chalkol,
    • Zepho, Hauptleute der Assyrier.

    • Achior, des Holofernes Kämmerling.

    • Ein Herold.

    • Der Gesandte von Mesopotamien.

    • Oberpriester des Baal.

    • Erster,
    • Zweiter , Baalpriester.

    • Jojakim, der Hohepriester in Bethulien.

    • Joab, sein Sohn, Volontär in der hebräischen Armee.

    • Judith, seine Tochter, Witwe.

    • Mirza, Magd in Jojakims Hause.

    • Assad,
    • Daniel (blind und stumm, Assads Bruder),
    • Ammon (Schuster),
    • Hosea,
    • Nabal,
    • Ben,
    • Nazael,
    • Heman (Schneider),
    • Nathan, Einwohner von Bethulien.

    • Rachel, Assads Weib.

    • Sara, Ammons Weib.

Die Handlung geht teils im Lager des Holofernes, teils in Bethulien vor.


[716]

1. Szene

Erste Szene

Oberpriester und zwei Priester des Baal, Idun, Chalkol, Zepho und mehrere Krieger sind vor dem Zelte des Holofernes versammelt.

CHOR.
Holofernes heißt der Held
Vor dem die ganze Welt
Und alles, was drauf lebt,
Erzittert und erbebt.
Er ist der Feinde Schrecken, Schrecken, Schrecken,
Tut alles niederstrecken, – strecken, – strecken.
Blitzstrahl ist sein Grimm, Grimm, Grimm,
Donner seine Stimm, Stimm, Stimm!
Weil er uns sonst niederhaut,
Preisen wir ihn alle laut!

Mit dem Ende des Chores tritt Holofernes aus dem Zelte.

2. Szene

Zweite Szene

Holofernes. Die Vorigen.

HOLOFERNES.
Da bin ich, jetzt kann's angehn.
IDUN.
Was meinst du?
CHALKOL.
Der Sturm?
ZEPHO.
Die Schlacht?
HOLOFERNES.
Nix da, die Götzenopferei. An welchem unserer Götter is denn heut die Tour?
OBERPRIESTER.
Baal hat am längsten kein Opfer gekriegt.
HOLOFERNES.
Gut also. Baal ist überhaupt ein charmanter Gott, der mit einige Lampeln zufrieden ist.
OBERPRIESTER.
Baal wird dir ferner noch Sieg verleihn.
[717]
HOLOFERNES.
Solang ich die Siege erkämpfe, ganz gewiß.
OBERPRIESTER.
Wenn er dich nicht beschirmte –
HOLOFERNES.

Is schon gut, ich halt, mich ja nicht auf, wenn's auch a paar Kalbeln sind. Leiser. Ich kenne den Rummel, und weiß recht gut, wer die Opfertiere speist.

OBERPRIESTER.
Aufgeklärter Holofernes, das blöde Volk –
HOLOFERNES.

Muß an den Opferappetit der Götter glauben. Wenn du mir aber ein Götzen-X für ein Vernunft-U machen willst, so tu' ich einmal deinen Göttern einen guten Tag an und laß dich selber opfern.

OBERPRIESTER.
Herr –
HOLOFERNES.
Kusch!
OBERPRIESTER
zu den Hauptleuten.
Er ist nicht gut zu sprechen.
IDUN
leise.
Mir sagte sein Kämmerling, daß er mit dem linken Fuß aufgestanden.
CHALKOL
ebenso.
An solchen Tagen ist immer seine rechte Hand zu fürchten.
ZEPHO
ebenso.
Es ist eine schöne Kommission in seiner Suite zu sein.

Alle ab bis auf Holofernes.

3. Szene

Dritte Szene

Holofernes allein.

HOLOFERNES.

Ich bin der Glanzpunkt der Natur, noch hab' ich keine Schlacht verloren, ich bin die Jungfrau unter Feldherrn. Ich möcht' mich einmal mit mir selbst zusammenhetzen nur um zu sehen, wer der Stärkere is, ich oder ich. Nach dem Hintergrund blickend. Wer kommt dort in assyrischer Hoflivree? – Ein langweiliger Bote von meinem faden Herrn und König.

4. Szene

Vierte Szene

Herold. Der Vorige.

HEROLD.
Nebukadnezar, der da herrscht vom Orient bis zum Okzident, vom Kontinent bis zum –
[718]
HOLOFERNES.
Fikrament und kein End' –! Was will er der Nebukadnezar?
HEROLD.
Nebukadnezar will nicht, daß ferner andere Götter verehrt werden neben ihm.
HOLOFERNES
für sich.

Da kann man sehen, wie köbig die Könige werden, wenn sie Holofernesse haben, die ihnen die Welt erobern.

HEROLD.
Nebukadnezar will, daß jeden Sonnenaufgang ihm geopfert werde.
HOLOFERNES.

Beim Sonnenaufgang nur? Beiseite. Der Mann wird billig, wir sind ja seine Untertanen, folglich seine Opfer zu jeder Stund'.

HEROLD.
Dies ist der Wille des Königs der Könige.
HOLOFERNES.
Meine Empfehlung, es is schon gut!

Der Herold geht ab.

5. Szene

Fünfte Szene

Holofernes allein.

HOLOFERNES.

Recht eine gute Haut dieser König der Könige, aber ein Glück für diese Haut, daß sie mit lauter Nebukadnezar ausgeschoppt ist. Heda! sind keine falschen Priester da?

6. Szene

Sechste Szene

Oberpriester. Zwei Priester. Der Vorige.

OBERPRIESTER.
Was befiehlst du Holofernes?
HOLOFERNES.

Nebukadnezar ist von heut an Gott; das heißt, von heut an sagt er's laut, was er sich schon lang im stillen eingebild't hat.

OBERPRIESTER.
Herr das begreif' ich nicht.
HOLOFERNES.
Tut nichts, wenn du's nur dem Volk begreiflich machst.
OBERPRIESTER.
Sehr wohl. Ab.
PRIESTER.
Ich werde neue Zeremonien ersinnen.
HOLOFERNES.
Zwölf assyrische Louisdor sind dein Lohn.

Die Priester gehen ab.

[719]

7. Szene

Siebente Szene

Holofernes allein.

HOLOFERNES.

Sixt es, sixt es, jetzt is der Nebukadnezar ein Gott. Und wer hat ihn dazu gemacht? Mein Spadi durch die Bastoni die er den Feinden ausgeteilt. Aufs Schwert schlagend. Hier ist die Götterfabrik. Was in der neuen Zeit durch Bajonette geht, das richten wir, die grauen Vorzeitler mit dem Schwert.

8. Szene

Achte Szene

Achior. Der Vorige.

ACHIOR.
Es sind Gesandte von einem König draußen, sie lassen bitten um ein bisserl a Audienz.
HOLOFERNES.
Von was für einen König?
ACHIOR.
Der Teuxel kann sich die Namen alle merken.
HOLOFERNES.

's is wahr, die Menge König', die sich mir schon unterworfen haben, 's wird eim völlig der Kopf dumm. Ich werd' nächstens in der Zerstreuung ein Land verheeren und ein Dutzend Städt' verbrennen, nacher wird's mir erst einfallen, daß das ein gutwillig unterworf'ner König war. Zu Achior. Herein mit die Gesandten!


Achior winkt, der mesopotamische Gesandte tritt mit Gefolge samt Idun, Chalkol und Zepho auf.

9. Szene

Neunte Szene

Die Benannten. Die Vorigen.

DER GESANDTE.
Großer Holofernes –!
HOLOFERNES.
Wie heißt Sein Prinzipal?
DER GESANDTE.
Er ist mit Dero Erlaubnis so frei König von Mesopotamien zu sein.
HOLOFERNES.

Das werden wir erst sehn, ob ich's ihm erlaub'. Er is also ein damischer G'sandter, nämlich ein mesopotamischer?

[720]
DER GESANDTE.
Aufzuwarten.
HOLOFERNES.

So is's recht; die Völker müssen kuschen, die Gesandten aufwarten, und die Könige müssen mir ihre Kronen apportieren. Ich möcht', daß die ganze Menschheit aufg'hängt wär', um dann der einzige zu sein, der die Welt als wie einen Hund mit Füßen tritt. Ich bin ein großartiger Kerl.

DER GESANDTE.

Mesopotamien unterwirft sich ohne alle Bedingung, auf Gnad' und Ungnad', selbst die Ungnad' is uns eine Gnad'.

HOLOFERNES.

Warum so spät? Was zieht ihr euch wie Strudelteige? Is es so weit von Mesopotamien bis daher? Warum habt ihr euch keinen Separattrain spendiert?

DER GESANDTE.
Ich erlaube mir im Namen meines Königs vor deinem Grimm zu beben.
HOLOFERNES.
Ich hab' es geschworen, das Volk, was sich zuletzt unterwirft, wird aus'brennt, wie die Schwaben.
DER GESANDTE.

Wir sind aber die vorletzten, und tun gar so schön bitten um Gnad', während die obstinaten Hebräer sich widersetzen, sie verschanzen sich, und schlagen ihre verwegenen Stadttore einem Holofernes vor der Heldennase zu.

HOLOFERNES.
Wer sind die Hebräer?
DER GESANDTE.
Die Hebräer sind ein merkwürdiges Volk.
HOLOFERNES.
Einen Merks will ich ihm geben. Wer ist ihr König?
DER GESANDTE.
Ihr Gott ist zugleich ihr König.
HOLOFERNES.
Und woanders is der König zugleich der Gott, das kommt am End auf eins heraus.
DER GESANDTE.
Künste und Wissenschaften lieben sie, Handwerk und Ackerbau ist ihnen verhaßt.
HOLOFERNES.
Kein Ackerbau? ja, von was leben s' denn hernach?
DER GESANDTE.

Von Rebbach, ihre Nahrung besteht aus Vierteln, aus Achteln und aus Vierzehnteln, auch saugen sie aus allem möglichen Perzente.

HOLOFERNES.
Is sie stark die hebräische Armee?
[721]
DER GESANDTE.

Je nachdem. – Im Kämpfen sind sie schwach, wenn aber der Himmel für sie Wunder wirkt, da triumphieren sie über ihre Feinde, daß es eine Passion is.

HOLOFERNES.

Und sonst haben sie keine Schmerzen? Geh zu ihrem Oberpriester, er soll seinem Gott melden, der Holofernes is da, mit so einen Helden hat er's noch nie zu tun g'habt, da is in ganz Wien, will ich sagen, in ganz Assyrien keiner, der mir 's Wasser reicht. Der Gesandte ab. Und ihr meine Getreuen folgt mir in den Kampf, man sattle mir das buckligste meiner Kamele, auf nach – nach – wie heißt das Nest –?

IDUN.
Bethulien.
HOLOFERNES.
Auf also, nach Bettltuttien!

Kriegerische Musik ertönt, allgemeine Bewegung im Lager. Dem Holofernes wird ein Kamel mit zwei großen Höckern vorgeführt, er besteigt es so, daß er zwischen den beiden Höckern reitet und umkreist unter jubelnden Schlachtruf die Bühne.
Verwandlung.
Strada in Bethulien.

10. Szene

Zehnte Szene

Ammon. Hosea.

AMMON.
Was sagst du Hosea, mein Freund!
HOSEA.
Was soll man da sagen, sie stehn draußen vor'n Tor.
AMMON.
Aber werd'n sie stehn bleib'n draußen? nein, sie werden dringen herein.
HOSEA.
Wir werden ihnen verschließen die Tore.
AMMON.
Dann werden sie uns zernieren!
HOSEA.
Zernieren, was is das?
AMMON.

Zernieren, das is a Manöver wo die Kreuzersemmel steigt auf ein'n Gulden, wo sie die Milch werden bringen auf die Börs', und aufwiegen mit klingenden Gold; wo 's Rindfleisch a solche Rarität wird, daß einer den andern möcht' schächten.

[722]
HOSEA.
Da können wir machen a Geschäft. Schießen wir zusamm.
AMMON.
Zusammschießen? den Holofernes und sein' Armee?
HOSEA.

Was Holofernes! wir schießen zusamm unser Geld, und kaufen alles auf, was is Eßbares in der Stadt; wenn dann wird kommen die Hungersnot, profitieren wir 300 Perzent.

AMMON.
Da verhungern wir dann als reiche Leut'.

11. Szene

Elfte Szene

Assad. Die Vorigen.

ASSAD.
Was steht ihr da ohne Waffen, was is das?
HOSEA.
Waffen, zu was Waffen?
ASSAD.

Alles muß sich bewaffnen, die ganze Bürgerschaft von Bethulien wird geteilt in zwei Glieder, ins erste Glied kommt der Besitz, ins zweite die Intelligenz. Mir hab'n s' eing'schrieben als Korporal, jetzt geh' ich mir kaufen ein Sabel.

AMMON.
Assad, du wirst opfern dein Leben, laß ab von der Kämpferei!
ASSAD.
Wer sagt denn, daß werd' ich kämpfen? Der Sabl gehört zum Exerzieren.
HOSEA.
Exerzieren, und versäumen die Börs'? Schreckliche Zeiten, daß hab' ich müssen das erleben.
ASSAD.

Ohne Ausnahm, exerzieren muß all's; sonst läuft einer dahin, der andere dorthin, so aber wenn wird kommen die Hungersnot, dann verhungert die eine Kolonne halb links, die andere halb rechts.

AMMON.
Mir fangt an zu kommen die Angst.
HOSEA.
Mir auch. Ich werd' mir streuen Asche auf das Haupt, und mich stecken in einen Sack.
ASSAD.
Zu was? Exerzieren is noch 's G'scheiteste.
HOSEA.
Da kommt der Hohepriester Jojakim.
AMMON.
Der wird doch haben Trost für einen frommen Hebräer.
[723]

12. Szene

Zwölfte Szene

Jojakim. Die Vorigen.

JOJAKIM
von Seite links auftretend.
Weh! Weh! Dreimal Weh!
AMMON.
Is das der ganze Trost, den uns die Priesterschaft gibt?
JOJAKIM.

Wenn ihr auch alle solltet umkommen von den Schwertern der Feinde, so denkt, daß ihr's so verdient habt durch eure Sünden.

HOSEA.
Was sagen Sie zu dem Mann? der lebt von unsern Abgaben, dem müssen wir zahlen den Zehent.
JOJAKIM.

Und solltet ihr euch fühlen schuldlos, so denkt nur, der Herr bestraft die Sünden der Väter an den Kindern und Enkeln bis ins zehnte Glied.

ASSAD.

Machen Sie keine beleidigenden Bonmots auf die ewige Gerechtigkeit. Zu den andern beiden. Kommt's, gehn wir exerzieren, das is allweil noch 's G'scheiteste. Geht mit Ammon und Hosea nach links ab.

13. Szene

Dreizehnte Szene

Jojakim allein.

JOJAKIM.

Der Zorn des Himmels fällt herab als feuriger Regen auf die Häupter der Gottlosen, doch so wie der Arzt Balsam in die Wunden, so träufle mein Wort Erquickung in die verschmachtende Seele. Weh! Weh! Dreimal Wehe!!! Geht zur Seite rechts ab.

14. Szene

Vierzehnte Szene

Joab tritt während dem Ritornell des folgenden Liedes von Seite links auf.

Lied

1

Krieg von allen Seiten, drum geht auch per se

Auf Urlaub die ganze hebräische Armee;

Der eine hat a Weib und fünf Kind'r in der Wieg'n,

[724] Der andre wohl nicht, aber er kann s' ja noch krieg'n.

Kurz jeder geht ham – d' Völker die 's nicht verstehn,

Spotten freilich, wenn s' uns sehn mit Waffen h'rumgehn;

Unsre Waff'n sind nicht Luxus bloß, wie mancher meint,

Wir müssen doch was hab'n, was wir strecken vor'n Feind.

Unsre Leut'

Sind gar g'scheit,

Hab'n zum Kriegführn ka Freud'.


2

Wie Gott freie Wahl unt'r all'n Völkern hat g'habt,

Hat er ohne viel B'sinnen auf d' Hebräer glei 'tappt.

Wir sind sein' Passion, drum wer'n wir auch reussier'n,

Ohne daß wir mit Schlachten uns abstrappizier'n.

Tut der Himmel aber auf unsern Fall spekulier'n,

Nutzt's uns nix wenn wir 'n Feind und uns selbst malträtier'n;

Wir Hebräer hab'n Wunder g'nug in unsrer G'schicht',

Auf die Wunder der Tapferkeit leist'n wir Verzicht.

Unsre Leut'

Sind gar g'scheit,

Hab'n zum Kriegführn ka Freud'.


Nach dem Liede.

Der Moses der Moses, das war der wahre General, überhaupt d' größten Generale find't man in der biblischen G'schicht'. Schon der Adam hat gemacht die großartige Retirad' aus'n Paradies, wie is gekommen der Engel mit'n feurigen Schwert, wie schön hat er da gekommandiert: Rechts um! Eva, links schwenkt Euch! Marsch! – Was war der Überschwemmungsheld Noah für ein großer Admiral, dieser sündflutige Kolumbus und Nelson in einer Person! – Was für ein Kommandierender war der Josua. Halt hat er g'schrien, und die Sonn is g'standen, und hat ihm mit die Strahl'n salutiert. Soll's einer probieren jetzt, werd'n wir schon sehn. – Wie kolossal war das [725] Belagerungsmanöver gegen Jericho, tataratatatata! und d' Bastei is im Stadtgrab'n g'leg'n, und damals hab'n s' nicht einmal noch die Klappentrompeten gehabt. Jetzt erst der Moses! Unter dem seinen Kommando hat 's Rote Meer Spalier g'macht trotz der hannoveranischen Gard', bei seiner 40 jährigen Wüstenrekognoszierung hat's Wachteln g'regnet, und Preßburger Zwieback g'schneit, das halt' ich jedenfalls für das Nonplusultra der Strategie. Nach rechts in die Szene sehend. Was is das!? Was seh' ich!? Der Tate –!

15. Szene

Fünfzehnte Szene

Jojakim. Der Vorige.

JOJAKIM.
Joab! mein Sohn! laß dich umarmen, mein Sohn Joab! mein tapferer Kadett! Umarmt ihn.
JOAB
zu Jojakim.
Tate!
JOJAKIM.

Joab, in was bist du gekommen für einer abscheulichen Period! Greu'l der Verwüstung in Israel, Erdbeben in der Handelswelt, die festesten Häuser stürzen übereinander, und vom Geschäftshimmel fallen die Sterne herab.

JOAB.
Sag' mir der Tate, wie stehn die babylonischen Metallique, und die mesopotamischen Livoneser?
JOJAKIM.

Joab, mein Sohn, wer wird jetzt denken an a Börs'? Die assyrischen Nordbahnaktien steigen von Stund' zu Stund', unser Lebenskurs steht pari mit dem Tod, der Holofernes wird kommen als Sensal, und wird machen den Abschluß mit uns.

JOAB.

Sie sagen halt, wir kriegen Teuerung und Hungernot, und da is es am besten, wenn man nimmt Staatspapier' in die Kost. – Man sollt' ihm machen dem Holofernes einen Prozeß, er is nur General, und wie geht er um mit die König'?! is das Supperdination?

JOJAKIM.
Sie sind ihm alle zinsbar, die Könige der Erde.
JOAB.

Was zinsbar! is er der Hausherr, logieren sie bei ihm als Partei? Unter andern Tate, sie sagen auch bei unsrer [726] tapfern Armee, daß er a Menschenfresser is, wenn er tafelt, sagen sie, verspeist er drei Jungfrau'n, zwei als Tauben in einer Pasteten, und die dritte tunkt er ein in Kaffee.

JOJAKIM.

Joab, mein Sohn, es wird alles übertrieben; wer weiß, was er oft verspeist der große Holofernes, waih geschrien!

JOAB.
Aber umbringen tut er s' doch stark.
JOJAKIM.
Konträr! Der starke Held hat nur zwei schwache Seiten, ein guten Wein, und ein schönes Geschlecht.
JOAB.

Gottes Wunder, wie schad' is das, daß is unser Judith nicht da. Die hätt' jetzt können werden die Retterin von ganz Israel.

JOJAKIM.
Was sagst du von deiner Schwester Judith? die wohnt draußen in Gebirg und weint um ihren Manasses.
JOAB.
Unser Judith is a Schönheit, und nicht wahr, Tate, ich seh' ihr gleich.
JOJAKIM.
Du bist worden geschaffen nach ihrem Ebenbild.
JOAB.

Die Mämme hat immer gesagt, wenn die Judith nicht wär' gekommen a Jahr früher auf die Welt, wir hätten sein können zwei Zwilling'. Von plötzlicher Inspiration ergriffen. Ha, Beleuchtung von oben –! prophetische Einwirkung von unten –! Begeisterung von allen Seiten –! Schmeichelei – Einschläferei – Betäuberei – Meuterei – Sablerei –!!

JOJAKIM
erschrocken.
Joab! du bist ja besessen, mein Sohn! Murmelt eine talmudische Formel über ihn.
JOAB.
Is schon wieder vorbei, aber – wo is der Kammerschlüssel von der Judith?
JOJAKIM.
Von der Judith?
JOAB.

Tate, Sie werden staunen, wenn werden Sie sehn, was er wird vollbringen der Joab der schöne Kadett! Dringend. Wo is der Kammerschlüssel von der Judith?

JOJAKIM.

Auf meinem Betschemel, da wirst du finden das Buch Genesis, darneben liegt der Kammerschlüssel von der Judith. Aber was du vorhast, warum soll es nicht wissen dein Tate?

[727]
JOAB.

Warum? Darum, wenn der Himmel will wirken a Wunder durch mich, so lassen Sie dem Himmel sein' Freud'!

JOJAKIM.

Joab, schon dein Leben – In die Szene links blickend. Da kommt das Volk von Bethulien, ich darf nicht vergessen meinen großen Beruf – Im Abgehen. Weh! Weh! Geht links im Vordergrunde ab.

JOAB
allein.

Mein Plan is ein Wunder des Himmels, wenn er gelingt –. Ja, wann er jetzt will wirken Wunder der Himmel, so muß es schon sein was Apart's, denn was die Menschen ehmals gehalten hab'n für ein Wunder, das is jetzt was ganz Ordinäres.


Lied

1

In Babylon hab'n s' woll'n ein Stephansturm bau'n,
Der hat soll'n unsern Herrgott in d' Fenster einischau'n,
Kaum warn s' ober der Uhr warn s' schon alle verwirtt,
Eins hat spanisch und 's andre chinesisch diskriert.
Das hab'n d' Leut', unerhört
Für a Wunder erklärt.
Jetzt hab'n auch wollen viele bau'n bis in d' Wolken hinauf,
Aber 's tut's nicht, d' G'schicht' löst in sich selber sich auf,
Denn beim Grundsteinleg'n hab'n s' schon ang'stimmt ein'n Diskurs,
Geg'n den alles Babylonisch's verstecken sich muaß.
So was nennt man kein Wunder jetzt mehr heutzutag',
Man find't 's ganz natürli und kein Hahn kraht darnach!

2

Unsre Vorfahr'n war'n Dalk'n, hab'n sich g'worfen zur Erd',
Und ein goldenes Kalb hab'n sie göttlich verehrt;
Für den Frevel an g'sunder Vernunft hab'n sie büßen,
Und ich weiß nicht wie viel Jahr' in Elend leb'n müssen;
Das hab'n d' Leut', unerhört
Für a Wunder erklärt.
[728] Wie viele gibt's jetzt unter unsern Herrn,
Die a Gans mit viel Geld als a Göttin verehr'n;
Das Schicksal tut ihnen d' verdiente Straf' geb'n,
In Siemandlketten führen s' a elendig's Leb'n.
So was nennt man kein Wunder jetzt mehr heutzutag',
Man find, 's ganz natürlich und kein Hahn kraht darnach!

3

Wie der Jonas ins Meer hineinplumpft is, was geschieht?
Kommt ein Walfisch und schlickt ihn vor laut'r Appetit;
Doch er muß ihm nicht g'schmeckt hab'n, 's war a heikliches Viech,
Nach drei Täg'n gibt er'n ganzen Propheten von sich;
Das hab'n d' Leut', unerhört
Für a Wunder erklärt.
Wir hab'n Politiker jetzt voll prophetische Gab'n,
Denn bei all'n, was g'schieht, sag'n s' daß sie's voraus g'wußt hab'n;
Ohne daß sie wer schlickt lieg'n s' all'n Leuten in Mag'n,
Was kein Walfisch verdaut müss'n oft Menschen vertrag'n.
Und man nennt das kein Wunder jetzt mehr heutzutag',
Man find't 's ganz natürli und kein Hahn kraht darnach!

4

Der ägyptische Joseph hat g'schmacht't im Gefängnis,
Da wendet ein Pharaotraum sein Verhängnis,
Sie hab'n ihn hervorzog'n aus kerk'rischer Nacht
Und gleich zum Minister des Innern gemacht;
Das hab'n d' Leut', unerhört
Für ein Wunder erklärt.
Solche Sprünge g'schehn häufig in neuester Zeit,
Nur machen sie's umgekehrt meistens die Leut';
Gleich in Anfang sehn sie sich als Minister ganz hoch,
Man hilft ihnen aus'n Traum, und 's Finale is 's Loch.
So was nennt man kein Wunder jetzt mehr heutzutag',
Man find't 's ganz natürli und kein Hahn kraht darnach!

[729] 5

D' Salomonischen Sprüche, die sind weltbekannt,
Vorzugsweise hat man ihn den Weisen genannt;
Später hat er mit Götzendienst sich wohl blamiert,
's heißt sein' Massa von Weibern hat ihn dazu verführt,
Trotzdem wurd 'r unerhört
Für ein Wunder erklärt.
Wieviel Männ'r hab'n wir jetzt, wo in Reden und Schrift,
Gar mancher den Salomo weit übertrifft,
Sie leb'n auch in Ansehn als ruhmvolle Herr'n,
Nur wenn s' alt wer'n, wer'n s' dumm, und tun Weiberknecht' wer'n.
So was nennt man kein Wunder jetzt mehr heutzutag',
Man find't 's ganz natürli und kein Hahn kraht darnach!

Im Hintergrund links ab.

16. Szene

Sechzehnte Szene

Jojakim. Volk von Bethulien darunter Ben, Nazael, Daniel, Rachel, Sara treten sämtlich von Seite links aus dem Vordergrunde auf; Rachel führt den blind-stummen Daniel.

SARA.
Das is zu arg! Die Hungersnot kommt zu steigen, und wann sie steigt, so wachst sie.
RACHEL
zu Jojakim.
Mann Gottes! was wird denn geschehn fürs allgemeine Wohl?
JOJAKIM.
Weh! Weh!
SARA.
Das spüren wir ohnedem. 's Paar Hendln kost't sechsundneunzig Gulden.
NAZAEL.
Für ein kälbernen Schlögel geben s' a dreistöckig's Haus.
RACHEL
auf Daniel zeigend.

Mein blinder Schwager hat lassen fallen seine Hand auf ein Maschanzger, hab' ich müssen zahlen zwei blanke Dukaten.


Daniel macht heftige Bewegungen, durch die er seine Indignation kundgibt, und ißt den Maschanzger.
BEN
zu Rachel.
Warum hat er denn nicht g'sagt, daß er blind is?
[730]
RACHEL.
Weil er stumm is, das is ja das Unglück.
SARA
nach rechts in die Szene deutend.
Da schau' die Frau Rachel hin, da kommen unsere Männer.
RACHEL.

Ich glaub' gar – beim Stab Moses! sie exerzieren –! Was für ein Geist is gefahren in die friedlichen Bürger von Bethulien!

SARA.
Sie exerzieren –!

17. Szene

Siebzehnte Szene

Die Vorigen. Assad, Ammon, Hosea, Nabal marschieren mit gezogenen Säbeln heraus.

ASSAD
als Korporal die andern drei kommandierend.
Eins, zwei, eins, zwei, eins, zwei, halt!
RACHEL.
Und wie schön sie das machen!
HOSEA.
Das Herumkommandieren fangt mich an zu verdrießen.
NABAL.
Is er mehr als wir?
AMMON.
Is nicht ein Jüd', als wie der andere?
ASSAD
kommandierend.
Marsch!
HOSEA.
Wohin?
ASSAD.
Wer hat was zu fragen, wenn ich kommandier'?
HOSEA.
Pack ein, g'hörst auch nur unter die klein Leut'!
ASSAD.
Supperdination! Habt acht!
AMMON.
Ich bin neugierig, auf was.
ASSAD.
Links g'schaut!
HOSEA.
Warum? Links is gar nix! Warum sollen wir schauen links? was is da zu sehn?
ASSAD.
Da soll doch das polnische Donnerwetter –!
JOJAKIM.
Weh! Weh!

Hosea, Ammon, Nabal stecken ihre Säbel ein.
AMMON.
Ich lass' mich ausstreichen.
HOSEA, NABAL. Wir auch!
HOSEA.
's Exerzieren macht Appetit, das könnt' man grad brauchen in der Hungersnot.
ASSAD.
Krumm und lahm sollt's ihr werden –
VOLK
zu Jojakim.
Hilfe, schaff Hilfe hoher Priester!
[731]
JOJAKIM.
Der Himmel kann euch nicht helfen, ihr habt ihm die Hände gebunden durch eure Sünden.
ASSAD.
Wunder müssen geschehn, Wunder und Zeichen, sonst –
HOSEA.

Mein Nachbar der Schlosser hat g'sagt, wenn nicht bis zum Schabbes kommt Hilfe von oben, so wird er lassen seine Lehrbub'n braten.

ASSAD.

Unser ganzer Widerstand is eine Dummheit, wir wollen lieber sein schön unterwürfig, dem Holofernes öffnen das Tor, ihm machen ein tiefes Kompliment, und sagen: Euer Exzellenz sind der Beglücker von ganz Israel!

DANIEL
plötzlich die Sprache gewinnend.
Steiniget ihn! Steiniget ihn!
ALLE
mit Staunen.
Was war das? Der Stummerl red't?
RACHEL.
Das is nur bei besondere Gelegenheiten der Fall.
ASSAD.
Für gewöhnlich is er stumm.
JOJAKIM.
Er ist gottbegeistert, hört auf sein Wort!
HOSEA.
Auf die Art müßt' sein Bruder Assad gesteinigt werden.
RACHEL.
Wär' mir nicht lieb, mein Mann –!
ASSAD
zu Jojakim.
Sie müssen ja nehmen, er is blind, und sieht nicht, was er red't.
JOJAKIM
zu Assad.

Du sollst frei ausgehen, aber dem Grimm des Herrn müssen Opfer fallen, des Stummen Mund wird sie bezeichnen.

18. Szene

Achtzehnte Szene

Nathan. Die Vorigen.

ALLE.
Da kommt der Nathan –!
AMMON.
Ganz verstört schaut er aus –
NATHAN
atemlos von Seite links aus dem Hintergrunde herbeieilend.

Das is a Nachricht! Ich hab' a Stafetten bekommen, wenn ich die mach' bekannt, so fallen alle Papier' um fünfzig Perzent.

ALLE.
Schrecklich!
[732]
RACHEL.
Red' der Herr Nathan!
HOSEA.
Nein, schweig' der Herr Nathan!
NATHAN.
Ich kann's nicht verschweigen-
DANIEL
in heftiger Aufregung.
Steiniget ihn! Steiniget ihn!
MEHRERE AUS DEM VOLKE
Nathan packend.
Fort mit ihm! zum Richtplatz! Schleppen Nathan fort, nach Seite rechts.
HOSEA
ihnen folgend.
Aber so laßt euch nur sagen –!
JOJAKIM.
Er sei das Sühnopfer für die allgemeine Schuld.
AMMON
zu Jojakim.

Der boshafte Stummerl hat's ja nur g'sagt, weil er spekuliert aufs Steigen, und fürchtet, daß bekannt wird die Stafetten.

SARA
leise.
Bist still, wenn er's hört – Deutet furchtsam auf Daniel.
JOJAKIM
zu Ammon.
Er ist gottbegeistert, lästre ihn nicht!

19. Szene

Neunzehnte Szene

Heman. Die Vorigen.

HEMAN
von Seite links auf die Bühne eilend.
Es is zu stark, die Teuerung wird immer ärger!
ALLE.
Der Meister Heman!
AMMON.
Der Schneider.
HEMAN.
Wo soll man hernehmen a Geld? Ka Mensch zahlt, ich muß einkassieren die ausständigen Schulden.
NABAL.
Da fahr' ich ab. Läuft davon.
HEMAN
Daniel erblickend, und auf ihn losgehend.

Aha, der Blinde da, der tut auch, als ob er mich nicht sähet, der Herr is mir den Anzug noch schuldig von vorigen Jahr.

DANIEL
in höchstem Affekt.
Steiniget ihn! Steiniget ihn!
HEMAN.
Was? wär' das mein' Bezahlung?!
DAS VOLK.
Fort mit ihm! Fort! Mehrere packen ihn.
HEMAN.
Waih geschrien!!
JOJAKIM.
Der Stumme hat dein Urteil gesprochen, fort!

Mehrere schleppen Heman nach Seite rechts fort.
JOJAKIM.
Die Fügung des Himmels ist wunderbar, ein Schneider ist das zweite Opfer.
AMMON.
Ich bin dem Dickschädl sein Schuster, ich werd' mich hüten, daß ich was red'.
[733]

20. Szene

Zwanzigste Szene

Hosea. Die Vorigen.

HOSEA
von Seite rechts zurückkommend.

Wo is der Daniel? Zu Daniel. Weißt, was er gesagt hat vor sein Tod der Nathan? Der Daniel wird's bereuen hat er gesagt, ich hab' ihm zu zahlen einen Wechsel von dreitausend Gulden, und all mein Gold hab' ich vergraben' kein Mensch weiß wo, kein Kreuzer is zu kriegen nach mein Tod.


Daniel will in verzweiflungsvoller Wut zu sprechen anfangen, bringt aber nur ein unartikuliertes Gewimmer hervor.
ASSAD.
Jetzt hat's ihm wieder die Sprach verschlagen.
MEHRERE AUS DEM VOLK.
Recht g'schieht ihm, recht!
ASSAD.
Und ich verstoß' ihn noch extra, so ein Gottbegeisterter könnt' mir g'stohlen werden im Haus.

Daniel fallt zur Erde und schlägt sich mit den Fäusten selbst zum Kopf.
HOSEA.

Und ich nehm' ihn zu mir, da sperr' ich ihn in ein Zimmer, wo gar kein Möbel is als ein großer Nagel an der Wand, da geb' ich ihm dann einen Strick zum Spielen, vielleicht daß ihn die Einsamkeit auf einen zweckmäßigen Gedanken bringt.Nimmt Daniel mit sich fort.

ASSAD
zum Volk.
Und wir eilen zum Hohen Rat, und sagen ihm, daß er dem Holofernes soll öffnen das Tor.
ALLE.
Ja das wollen wir! zum Hohen Rat!

Alle eilen links im Hintergrunde ab.
JOJAKIM
ihnen folgend.
Wehe! Wehe! Ab.

Verwandlung.
Das Innere des Feldherrnzeltes.
Im Prospekte links der mit einem Vorhang geschlossene Ausgang ins Lager; im Prospekte rechts der Eingang in das Schlafzelt des Holofernes, ebenfalls mit einem Vorhang geschlossen. Im Vordergrunde links ein goldverziertes Ruhebett, davor ein goldener runder Tisch, und ein Taburett.

[734]

21. Szene

Einundzwanzigste Szene

Holofernes, Idun, Chalkol, Zepho, Achior treten aus dem Lager ein.

HOLOFERNES.
Wenn ich wieder rekognoszieren reit', so muß der Koch mitreiten. Zu Achior. Wein!

Achior winkt in die Szene, ein Sklave stellt eine goldene Kanne und Becher auf den Tisch links, und geht ab.
IDUN.
Fühlt mein Feldherr Appetit?
HOLOFERNES.
Hauptmann, für diese Frage degradier' ich dich zum Vizeg'freiten.
IDUN.
Ich dachte nur –
HOLOFERNES.

Das ist dein Verbrechen; ich allein denk', und wer sich Gedanken anmaßt, der begeht einen Einbruch in meinen Kopf. Zu Achior. Der Koch soll sich Bethulien anschau'n, morgen zünd' ich's an, und ich weiß nicht, ob's ihm Glut genug geben wird, ein' Kartoffelschmarrn für mich zu schmoren. Trinkt im Verlauf der Szene zu wiederholten Malen.

ACHIOR.
Sehr wohl, ich hab' mir denkt, da 's so was is.
HOLOFERNES.
G'seheiter Kerl! da nimm dies Goldstück. Gibt ihm Geld.

Achior geht zum Ausgang in das Lager ab.

22. Szene

Zweiundzwanzigste Szene

Die Vorigen ohne Achior.

IDUN
leise zu Chalkol und Zepho, mit Beziehung auf Achior.
Der darf denken.
CHALKOL
leise zu Idun.
Ja ein Kämmerling darf viel, was wir nicht dürfen.
HOLOFERNES.
Chalkol! wie hat dir die Hebräermaid gefallen die durch unser Lager zog?
CHALKOL.
Oh, unendlich! bei ihrem Anblick fuhr mir's durchs Herz wie –
HOLOFERNES.
So vielleicht? – Durchbohrt ihn mit dem Schwerte.
CHALKOL.
Ah! Stürzt zusammen und stirbt.
HOLOFERNES.

Ich werd' dir's austreiben, auf Mädeln [735] schau'n, die deinem Feldherrn in die Augen stechen. Teuxel noch einmal! – Zu Zepho. Man fange sie, und gebe zehn gefangne Juden frei – und noch was drauf.

ZEPHO.
Wozu Herr? Wir fangen sie auch so.
HOLOFERNES.
Willst du mich zu einer Schmutzerei verleiten? stirb! Ersticht ihn.
ZEPHO.
Ah! Sinkt zu Boden und stirbt.
HOLOFERNES.
Nun, Idun, was sagst du? Ist die Hebräerin nicht reizend, backschierlich, schön?
IDUN
beiseite.

Jetzt leg' ich mir ein Bildl ein, bei ihm. Laut. Schön? hm – ich hab' sie eigentlich gar nicht angeschaut.

HOLOFERNES.
So wenig Ehrfurcht hast du vor dem Geschmack deines Herrn? Stirb Elender! Ersticht ihn.
IDUN.
Ah! Sinkt zu Boden und stirbt.
HOLOFERNES.
Ich werd' euch Mores lehren – zwar nein – denen lern' ich nix mehr.

23. Szene

Dreiundzwanzigste Szene

Achior. Die Vorigen.

ACHIOR
meldend.
Die reich und reizgeschmückte Hebräerin wünscht aufzuwarten.
HOLOFERNES.

Aha, kennimus nos. Laß aber erst 's Zelt ordentlich zusamm'räumen, überall lieg'n Erstochene herum – nur keine Schlamperei!

ACHIOR
winkt in die Szene, mehrere Sklaven kommen, und tragen Idun, Chalkol und Zepho fort.
HOLOFERNES
zu Achior.

Drei Stellen sind vakant, man verkünde im Heere das Avancement. Man bringe Wein und Speisen, aber nix Süß's, das Süße soll die Dirne selber sein.


Achior öffnet den Zeltvorhang links im Prospekt, und Judith im reichen glänzenden Gewande tritt von der Mirza begleitet ein.

24. Szene

Vierundzwanzigste Szene

Judith. Mirza. Die Vorigen.

JUDITH (JOAB)
zu Holofernes.
Ich hab' gebeten, daß man melden mich möcht',
Den Herr von Holofernes such' ich – geh' ich recht?
[736]
HOLOFERNES.

Wär' mir nicht lieb, wenn's außer mir noch einen gäbet. Ich hab' die Spiegeln abg'schafft, weil sie die Frechheit haben, mein Gesicht, was einzig in seiner Art is, zu verdoppeln. – Wie heißt du?

JUDITH (JOAB.
)
Aufzuwarten gehorsamst,
Judith bin ich bevornamst.
Ich bin eine jung Alttestamentarische.
Wohl manchmal a Gretl, a narrische,
Aber Witwe aus ein sehr guten Haus.
Und kenn' mich vor Unschuld gar nicht aus.
HOLOFERNES.
Unschuldige Witwen hab'n sie in Bethulien? Dahin hat es die assyrische Industrie noch nie gebracht.
JUDITH (JOAB.
)
Ich bin die einzige, durch ein Schicksal ein rasses,
Und wer is schuld dran? der Manasses.
HOLOFERNES.
Der Manasses? Aha das is wohl der Selige?
JUDITH (JOAB.
)
Selig war er so wenig als ich;
Wenn's g'fällig is, hören Sie mich.
Erfassen wird Sie Entsetzen und Graus,
Und, merkwürdig, auf d' Letzt, kommt gar nix heraus.
HOLOFERNES.
Eine ganz eigne Art, dem Intresse des Intressanten ein gesteigertes Intresse zu verleihn. Erzähle!
JUDITH (JOAB.
)
Der Vater, zwei Beiständ', und noch ein Vierter
Brachten mich als so frisch kupolierter
Ins manassische Haus;
Ich wär' gern wieder h'naus,
Denn mir sagte ein Ahnungsgesicht:
's schaut nix heraus bei der G'schicht'.
Alles ging, und wir waren allein,
Die Kammer erhellte Millikerzenschein;
Drei war'n's – er umschlingt mich, und auslöscht die erste –
Vor Herzklopfen glaubt, ich grad, daß ich zerberste; –
Da küßt er mich, und – 's geht ins Weite –
[737] Im nämlichen Moment löscht auch aus die zweite;
Und trotz Flehn, und jungfräulicher Bitte,
Macht er einen Blaser, und aus war die dritte.
HOLOFERNES.

Mit dem Referenten einverstanden; so hätt' ich's auch gemacht. Bis jetzt bin ich noch auf'n Manasses seiner Seiten.

JUDITH (JOAB.
)
Der Manasses hüpft vor Wonne, und zärtlich grinst er,
O Judith, ich sehe dich auch in der Finster.
Nun ja, er konnte leicht mich sehn,
Denn der Mondschein schien schon schön.
Mich schwach nur sträubend sink' ich in ein Fauteuil,
Da springt er zurück, – rührt sich nicht von der Stell'.
Unbeweglich – mir graut –
's hat grad so ausg'schaut,
Als hät' ihm ein Dämon von unten
Die Füß' an ein'n Felsen anbunden.
Ich denk' mir: was ist's denn, was treibt er,
Doch in seiner Stellung verbleibt er.
Willst mich schrecken – sag' ich – genug des Spaßes,
Komm zu deiner Braut, du garst'ger Manasses!
HOLOFERNES.
Na, da wird er doch deutsch – will ich sagen hebräisch verstanden haben?
JUDITH (JOAB.
)
Da sagt er, mit schauerlich starrem Schafsgesicht,
Zehnmal in ein Atem: »Ich kann nicht.« –
HOLOFERNES.
O du verflixter Manasses!
JUDITH (JOAB.
)
Weinend ring' ich die Hände vor Kummer,
Da umfing mich
HOLOFERNES.
Aha –
JUDITH (JOAB.
)
Nicht er – nein, nur ein Schlummer. –
Den andern Tag war er still,
Und auch ich sprach nicht viel –
Und wir lebten sechs Monat' in Frieden,
Aber grad so gut, als wär'n wir geschieden. –
[738]
HOLOFERNES.

Es muß ja aber doch zur Sprach' gekommen sein, war er verhext, oder hat man ihm einen Weidmann gesetzt, oder –

JUDITH (JOAB.
)
Erst wie er zum Sterben war, hab' ich's übers Herz bracht
Zu fragen: Was war es denn in der Hochzeitsnacht?
»Ja« – sagt er – »jetzt will ich dir's sagen; du –«
Bumsdi! fall'n ihm die Augen zu;
Der Tod brach ihm die Stimm',
Des Rätsels Lösung starb mit ihm.
Ein ewig Dunkel bleibt's, und niemand waß es
Das eigentliche Bewandtnis mit 'n Manasses. –
HOLOFERNES.

Das kommt jetzt auch nicht mehr auf. Erschlagen könnt' ich ihn, aber lebendig machen kann ich ihn nicht. Aber auf Ehr', du bist gar kein übler Schneck. Ich krieg' Achtung vor Bethulien. Schad', daß ich alle Städte, die ich achte, anzünden muß. Mittlerweile werden von Sklaven Speisen aufgetragen. Was verschafft mir aber eigentlich das Vergnügen?

JUDITH (JOAB.
)
Man sagte mir, Menschenleben schonen Sie nie,

Schalkhaft.

Sie sind eine kleine Bosheit Sie.
Man sagte auch, – ich kann's nicht glaub'n von so einen Herrn, –
Daß Sie ein Judenfresser wär'n.
HOLOFERNES.

Es ist nicht so arg; ich hab' nur die Gewohnheit, alles zu vernichten. Setz dich und speis mit mir. Legt sich in antiker Stellung auf das Ruhebett.

JUDITH (JOAB.
)
Ich hab' Appetit,
Meinthalb'n ich ess' mit.
HOLOFERNES
auf Mirza deutend.
Die könnt' aber derweil in die Küche gehn.
JUDITH (JOAB.
)
Oh, laßt sie hier, sie kann mir nützen,
Ich hab' die Gewohnheit, mich öfters auf sie zu stützen.

Sie lehnt sich in malerischer Stellung auf Mirza.
[739]
HOLOFERNES.
Wohlan – prenez place! Setzt sich.
JUDITH (JOAB)
die Tafel musternd.
Aber, sehr frugal speist der große Holofernes,
Nur ein Huhn mit Salat, und ein Schnitzl ein kälbernes.
HOLOFERNES.
Ich bin mehr Trinker. Nun dein Anliegen?
JUDITH (JOAB)
hat sich aufs Taburett gesetzt.
Sehn Sie, mein Volk grabt sich selber sein Grab,
Sie g'wöhnen sich das Sündigen nicht ab;
Der Himmel leid't das nicht,
Jetzt hab'n wir's die G'schicht'.
HOLOFERNES
nach und nach benebelt werdend.
Was heißt das, »Sündigen«?
JUDITH (JOAB.
)
Um so was müssen Sie mich nicht fragen,
Selbst wenn ich's wußt', tät' ich's nicht sagen.
HOLOFERNES.
Trink, und sprich weiter.
JUDITH (JOAB.
)
Ich bitt', ich bin das nicht g'wöhnt,
Ich hab' ohnedem z'viel Temperament.

Trinkt und verzieht das Gesicht.

Hm, euren Wein dacht' ich süßer und würziger,
Das is sein Leb'n kein Guld'n, das is ein Achtundvierziger.
HOLOFERNES.
Judith, gib mir das erste Bussi!
JUDITH (JOAB.
)
Jetzt schon? wie ungestüm!
Aber, Holofernes, Sie sind schlimm!
Ich muß sagen, daß der Schritt mich fast reut,
Mich werden s' weiter nicht ausrichten unsere Leut'!
HOLOFERNES.
Wer kann dich ausrichten? Morg'n um die Zeit gibt's gar kein Juden mehr.
JUDITH (JOAB.
)
Was sagst du!? Sieh, ich rück' mit meiner Bitte näher,
Schone, ach schon' meine guten Hebräer!
Denk, Stolzer, mein Volk bild't sich viel zu viel ein,
Wenn es glaubt, deines Zornes würdig zu sein.
HOLOFERNES.

Guter Gedanken! hätt' ich ihn gehabt, eh bien; – aber er is von dir, und ich – steh' nicht an auf deine [740] Gedanken; folglich – folglich wird dein Volk verbrennt – rein alles verbrennt.

JUDITH (JOAB)
heftig vom Stuhl auffahrend.
Also keine Rettung für meine Nation?!
Meinen Ruf bracht' ich zum Opfer, und hab' nix davon?!
HOLOFERNES
für sich.
Sie wird köbig. Steht etwas wankend auf und ruft. Kämmerling!
ACHIOR
vortretend.
Befehlen –?
HOLOFERNES.
Wo steckst du, wenn ich sag': »Kämmerling«? Leise. Du der trau' ich nicht.
ACHIOR
leise.
Ich trau' gar keiner.
HOLOFERNES
leise.
Du weißt, was mir einmal getraumt hat – du weißt –
ACHIOR
leise.
Ich weiß auch welche Vorkehrung Dieselben treffen ließen.
HOLOFERNES
leise.
Ganz recht – muß heute vorgekehrt werden – die Vorkehrung – verstanden?
ACHIOR
leise.
Sehr wohl! Geht ins Schlafzelt ab.
HOLOFERNES
zu Judith, sich ihr nähernd.
Bussi! bei meinem Zorn, ein Bussi!
JUDITH (JOAB.
)
Zorn und Bussi, wie reimen sich diese Worte?

Mit grimmiger Aufwallung.

Geben S' lieber Obacht, daß ich Ihnen nicht morde.
Ja ja so spricht sie die Judith,
Denn sie kennt sich vor Wut nit –
HOLOFERNES
lachend.

Hoho! Hohoho! Ich soll mich fürchten? Da müßt' ich ein sauberer Holofernes sein. – Schad' – ich hab' jetzt meinen Schwindel –


Achior tritt aus dem Schlafzelte, und läßt den Vorhang desselben offen; man sieht das reichverzierte Innere, und das Bett des Holofernes. Achior geht links in der Szene ab.
JUDITH (JOAB)
zu Holofernes.
Schwindel? die Unsern nenne 's einen Affen,
Und wer ihn fühlt der legt sich schlafen.
HOLOFERNES.

Das tu' ich auch – Nimmt sein Schwert ab, und legt es auf den Tisch. Mit stolzem Hohn zu Judith. Hier liegt mein [741] Schwert – du kannst hier Schildwach' stehn – Indem er in das Schlafzelt wankt. damit dir die Zeit vergeht. – Sich niederlegend. Wenn ich ruf': »G'wehr aus!« so gibst du mir – das Bussi. – Siehst du hier lieg' ich mit dem Kopf – »G'wehr aus« – Bussi – Läßt den Vorhang zufallen.

MIRZA
leise zu Joab.
Ich zittre an allen Gliedern – was haben Sie gewagt, junger Herr! Ihr junges Leben –
JUDITH (JOAB)
mit natürlicher Stimme.

Als Frau'nzimmer riskiert man hier nix. – Still – hast du nicht gehört – mir scheint, er schnarcht, der grausige Feldherr.

MIRZA
horchend.
Mir war auch so – ja –
JUDITH (JOAB.

) Der Rausch is ein Vogel, der leicht verfliegt. Auf was wart' ich –? G'schwind, gib das Zeichen zum Ausfall den Bethuliern, zünd an das versteckte Raketl, wie es fliegt in die Luft, fallt der Holoferneskopf auf die Erd'.

MIRZA.

Dasmal tu' ich's, aber zeitlebens geh' ich mehr in kein Lager. Wie mich diese Krieger alle angeschaut haben und ich ohne Schleier –

JUDITH (JOAB.
) Oh, mache doch, daß du weiterkommst.
MIRZA.
Ich eile – Ab.
JUDITH (JOAB.
) Ich soll hier Schildwach stehn –?

Zieht das auf dem Tisch gelegte Schwert aus der Scheide.

Ich bin avanciert,
Mit dem Feldherrnschwert wird kommandiert.
Es ist des Schicksals Beschluß –
Holofernes! Kopf bei Fuß!

Eilt in das Schlafzelt ab, und schließt den Vorhang hinter sich. Von diesem Moment an begleitet melodramatische Musik das Ganze bis zum Schluß.
Holofernes guckt mit listigem Lächeln an der rechten Seite des Vorhangs heraus.
JUDITH (JOAB)
tritt nach einer kleinen Weile mit einem dem Holofernes ähnlichen, aber größeren, kaschierten Kopf in der linken Hand aus dem Schlafzelt, und ruft, das Schwert in der Rechten hoch emporhaltend.
Hat ihm schon!!
HOLOFERNES
für sich.
Anpumpt!
[742]
JUDITH (JOAB)
zu dem, in das Lager führenden Ausgang eilend, und den Vorhang öffnend, ruft mit lauter Stimme hinaus.
Seht, Assyrier! hier halt' ich ihn beim Schopf,
Ihr habt einen Feldherrn ohne Kopf!
STIMMEN
von außen.
Oh, Schrecken! o Graus!
JUDITH (JOAB)
nach der Tiefe sehend.
Was naht sich dort, wie Lützows wilde verwegene Jagd –?
STIMMEN
von außen.
Weh! die Hebräer!
HOLOFERNES
hat dem Achior, welcher von der andern Seite kam, zugewinkt, sich Judith genähert, und packt sie mit Achior zugleich.
Haben wir dich erwischt!?
JUDITH (JOAB)
über Holofernes' Anblick aufschreiend und den Vorhang zufallen lassend.
Ah –!! Was is das!? welch ein Überfluß an Köpfen!?
ACHIOR.
Was hör' ich denn draußen für eine Bewegung. Eilt zum Vorhang und sieht ins Lager hinaus.
HOLOFERNES
grimmig zu Judith.
Jetzt fallt dein Kopf! Ruft. Herein! ein Karree von vier Regimentern!
ACHIOR.

Herr, nicht ein einzig's is da, alle laufen s' mit dem Schreckensruf »Unser Feldherr hat den Kopf verlor'n!«

JUDITH (JOAB)
triumphierend.
Ha, auch der falsche Kopf hat die rechte Wirkung getan!
HOLOFERNES
zu Achior.
Sie soll'n mich anschau'n, die dummen Kerln!
ACHIOR.
Zu spät!
JUDITH (JOAB)
zu Holofernes.
»Zu spät!« Hörst du das große Wort? »Zu spät!«

Die hebräischen Krieger stürmen unter lärmender Schlachtmusik herein nehmen Holofernes gefangen, legen ihm eilig Ketten an, der Zeltvorhang wird herabgerissen, so daß sich die freie Aussicht ins Lager öffnet Jojakim tritt mit den Bethulier Bürgern ein, umarmt seinen Sohn, man hebt Judith (Joab) auf einen Schild, und trägt ihn im Triumphe herum; vor ihm wird Holofernes in Ketten geführt. Während der Zug die Bühne vorne umkreist, sieht man im Hintergrunde das Lager in Flammen aufgehn. Unter dem Triumphgeschrei der Hebräer fällt der Vorhang.
[743]

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TextGrid Repository (2012). Nestroy, Johann. Dramen. Judith und Holofernes. Judith und Holofernes. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5FB9-3