Johann Nestroy
Der Unbedeutende
Posse mit Gesang in drei Akten

Personen

[514] Personen.

    • Baron von Massengold.

    • Fräulein Ottilie, dessen Verwandte.

    • Hermine, Mündel des Barons.

    • Puffmann, Sekretär.

    • Von Gröning, ein junger Holländer.

    • Von Packendorf,
    • Von Lockerfeld,
    • Von Seewald,
    • Von Althof, Freunde des Barons.

    • Tupper, Kammerdiener.

    • Rumpf, Schloßwächter.

    • Franz,
    • Friedrich,
    • Heinrich, Bediente.

    • Ein Wirt.

    • Ein Kellner.

    • Peter Span, Zimmermann.

    • Klara, seine Schwester.

    • Thomas Pflökl, Zimmermann.

    • Frau Hußbergerin, Wäscherin.

    • Hänschen, ihr Sohn.

    • Klopf, Klempner.

    • Frau Klopfin, seine Frau.

    • Netti, beider Tochter.

    • Kübler, Bindermeister.

    • Frau Küblerin, seine Frau.

    • Susi, beider Tochter.

    • Schmalzer, Greisler.

    • [514] Frau Schmalzerin, seine Frau.

    • Flachs, Weber.

    • Frau Flachsin, seine Frau.

    • Spring,
    • Biegel,
    • Leicht, Schneidergesellen.

    • Mehrere Einwohner von Kobelstadt.

    • Wächter, Kellner, Musikanten.

1. Akt

1. Szene
Erste Szene
Fräulein Ottilie, dann Puffmann.

OTTILIE
rechts auftretend.

Nun wird es Zeit sein – alle Vorkehrungen sind getroffen. – Sich nochmals vorsichtig umsehend. Ich gebe ihm das Zeichen.Klatscht dreimal in die Hände.

PUFFMANN
kommt aus dem Gebüsche links.
Da bin ich, darf mein Schützling –
OTTILIE
mit Beklommenheit.
Sogleich –
PUFFMANN
hervoreilend.
Ist Ihnen etwas, meine Gnädige?
OTTILIE.
Ich fühle eine Bangigkeit –
PUFFMANN.
Warum? Ihnen betrifft es ja nicht.
OTTILIE.
Und doch klopft mir das Herz, als ob ich selbst entführt würde.
PUFFMANN.
Das sind übertriebene Phantasiebilder, die man mit Brausepulver und Krebsaugen –
OTTILIE.
Bringen Sie ihn! Geht Seite rechts ab.
2. Szene
Zweite Szene
Puffmann, dann von Gröning.

PUFFMANN
der abgegangenen Ottilie nachrufend.

Wird augenblicklich da sein. Ein Schnupftuch hervorziehend. Ein Schnupftüchelwinker, und alle Ersten-Mai-Läufer [517] sind beschämt! Er winkt mit dem Tuche links in die Kulisse. Die Flagge der Liebe mag wehen.

VON GRÖNING
kommt eiligst aus links.
Hermine, Geliebte! –
PUFFMANN.
Aushalten! Nur einige Sekunden noch!
VON GRÖNING
ihm ein Papier gebend.
Hier, Freund, nehmen Sie eine Anweisung auf die doppelte Summe.
PUFFMANN
entzückt.

Also tausend Dukaten?? – Glänzender Belohner, jetzt freut's mich erst, daß ich das Dokumentwagstück unternommen hab'.Gibt ihm eine Schrift. Nehmen Sie!

VON GRÖNING.
Was ist das?
PUFFMANN.

Ein freier Paß ins Hymenäische, eine Geburtsscheinkopie mit improvisierter Majorennität der Fräulein Braut. – Rechts horchend. Still – ich glaub' –

VON GRÖNING.
Es rauscht im Gebüsch –
PUFFMANN.
Es schwebt über die Abendtauperlen –
VON GRÖNING.
Sie ist's! – Hermine –
3. Szene
Dritte Szene
Hermine; Vorige.

HERMINE
von Seite rechts auftretend.
Adolf! – Ach, ich zittre –
PUFFMANN
beiseite.
Das Zittern lass' ich mir gefallen, aber wenn die Alte zittert –
VON GRÖNING
zu Hermine.
Fasse Mut!
HERMINE.
Mir bangt vor dem Schritte –
PUFFMANN
zu Hermine.

Wär' nicht übel! Der Mond scheint, das Heimchen zirpt, die Rosse stampfen, der Kutscher schnauft – wenn Ihnen das Ensemble nicht reizt –

VON GRÖNING
drängend zu Hermine.

Noch in dieser Stunde werden wir über der Grenze getraut – oh, zögere nicht – komm, Geliebte! Führt sie Seite links ab.

[518]
PUFFMANN
den Abgehenden nachblickend.

Fahrt wohl, ihr glücklichen Konvenienzüberhupfer! – Ob denen der Moment jetzt feil wär' um ein paar Dutzend Paradies'? Glaub' nicht. – Wenn das mein Herr und Gebieter morgen erfährt, was heut' in Eschenau hier vorgegangen –

4. Szene
Vierte Szene
Ottilie, Puffmann.

OTTILIE
von rechts.
Sind sie fort?
PUFFMANN
nach links Vordergrund zeigend.
Dort fahren sie hin.
OTTILIE.
So hätte ich sie los, die Nebenbuhlerin!
PUFFMANN
mit Staunen.
Nebenbuhlerin? Die Gnädige entschuldigen einen leisen Starrkrampf der Verwund'rung.
OTTILIE.

Glauben Sie denn, daß mich, indem ich die Schwachheit des Mädchens protegierte, alberne Herzensgüte leitete oder gar schnöder Eigennutz wie Sie –

PUFFMANN.

Die Gnädige belieben in mir immer nur den habsüchtigen Schmutzian zu sehen. Mein Eigennutz hat etwas Respektables, seitdem er sich in den Salonfrack des Dominierens geknöpfelt.

OTTILIE.
Sie durchkreuzten also die Heiratsidee des Barons –?
PUFFMANN.

Weil ich ihn ledig haben will. Den verheirateten Baron würde die junge Frau beherrschen, den ledigen beherrsche ich.

OTTILIE.

Recht so, er verdient es, der Sklave seines Sklaven zu sein, weil er die Rosenfesseln drückend fand, mit welchen damals ein liebend Mädchen ihn umschlingen wollte.

PUFFMANN.

Ha! Aufklärung! Das is die Nebenbuhlerei! Sie selbst sind das damalige Mädchen mit den damaligen Rosenfesseln.

OTTILIE.

Die Liebe, die er damals herzlos mir versagte, wendet er nun vernunftlos seiner Mündel zu. Es ist [519] eine Genugtuung, die ich mir selbst schuldig war, daß ich vereint mit Ihnen wirkte im Zerstörungsplan seiner Wünsche.

PUFFMANN.

Wir feiern einen stillen, aber schönen Triumph. Es versteht sich von selbst: zweckmäßiges Benehmen beim Bekanntwerden der Flucht! Die gnädige Fräul'n schreien Zeter, ich schrei' Mordio!

OTTILIE.
Wenn man nur ihrer Trauung keine Schwierigkeit macht!
PUFFMANN.

Dafür hab' ich gesorgt. Ich habe im Geburtsschein der Fräulein Hermine, den der Baron in Verwahrung hat, eine kleine Korrektur in der Jahreszahl unternommen, die Fräulein um drei Jahr' älter gemacht, folglich majorennisiert und hab' eine vidimierte Abschrift fabriziert, die sich fürs Ausland gültig genug präsentiert.

OTTILIE
erschrocken.

Himmel, was sagen Sie –!? Und mich wollen Sie zur Mitwisserin machen, zur Mitschuldigen einer Tat, wo die Gerichte –

PUFFMANN
sie unterbrechend.
Aber, Gnädige –
OTTILIE.

Still, kein Wort mehr! Ich habe nichts gehört ich weiß nichts – ich will nichts wissen – Gott, wenn die Gerichte – ich bin des Todes! Eilt nach rechts ab.

5. Szene
Fünfte Szene
Puffmann.

PUFFMANN
allein.

Schwache Geistin! – Und wer kann mir beweisen – wer kann mich nur anklagen? – Wenn ich aber jetzt den gewöhnlichen Weg nach der Stadt geh', wie leicht könnte da – am andern Ufer wär' es sicherer – da is ja sonst immer ein Fischerboot angehängt. Eilt zurück und sieht nach dem Ufer. Richtig – alles, wie ich's brauch' – ich spring' hinein. Will, als ob er einen Anlauf nähme, rechts in den Kahn, welcher jedoch nicht sichtbar ist, hinabspringen.

6. Szene
[520] Sechste Szene
Thomas; Voriger.

THOMAS.
Halt! Packt, indem er hinter dem Gebüsch am Ufer, wo er gelegen, sich erhebt, Puffmann am Rockschoß.
PUFFMANN
erschrocken.
Ha – wer da –!? Sich schnell sammelnd. Wer untersteht sich, da zu sein?
THOMAS
freundlich, submiß und mit dummpfiffigem Lächeln.
Ein Zimmermann, ein ordinärer Zimmermann is da im Gebüsch g'legen.
PUFFMANN.
Geh' Er Seiner Weg'!
THOMAS.
Wo geht denn da der Weg in die Stadt?
PUFFMANN
nach links Hintergrund zeigend.
Dort steht die Wegsäul'n an der Straßen.
THOMAS.

Was nutzt mich so a steinerner Wegweiser, der da steht als wie ein Maulaff'; ich hätt' gern ein', der mit mir ging' – kommen S', bester Herr!

PUFFMANN.
Kann Er nicht allein gehn, alberner Mensch?
THOMAS.
Es ist immer besser, wenn zwei miteinander gehn.
PUFFMANN
der Thomas jetzt erst mehr ins Auge faßt.
Und was is denn das? Er kommt ja von der Arbeit? Indem er auf Thomas' Schurzfell und Axt deutet.
THOMAS.
Freilich – hab'n S' mich etwa für ein' Kapitalisten ang'schaut?
PUFFMANN
entrüstet.
Er is also kein reisender Handwerksbursch?
THOMAS.
Zu was reisen? Überall gut, zu Haus am besten!
PUFFMANN
wie oben.
Wie kann denn Er hernach um den Weg fragen?
[521]
THOMAS.
Lassen wir das! Puffmann freundlich, aber zudringlich am Arm nehmend. Sie gehn halt mit mir!
PUFFMANN
erschrocken, für sich.
Teufel! Der hat am End' gehört –! Zu Thomas. Liegt Er schon lang da?
THOMAS
wichtig und mit Beziehung.
Auf jeden Fall lang genug, um Abbrechend. – na, jetzt kommen S' nur mit, ich lass' Ihnen nit aus.
PUFFMANN
mit steigendem Befremden, für sich.
Er fangt mich solo!– Laut zu Thomas mit innerer Angst. Hat Er gehört, was dahier –
THOMAS.
Ich bin grad zurecht aufg'wacht.
PUFFMANN
für sich.
Himmel, er weiß die Geburtsscheinverfälschung, er weiß alles!
THOMAS
mit gutmütigem Ernst.
Schaun S', bester Herr, so eine Tat, wie Sie –
PUFFMANN
ihm mit ängstlicher Hast ins Wort fallend.

Still, Freund, still! Da hat Er zehn Gulden Gibt ihm aus einer Brieftasche eine Banknote. und geh' Er!

THOMAS
das Geld nehmend.
Dank' vielmals, 's Geld nehm' ich, aber auslassen tu' ich Ihnen nicht.
PUFFMANN.
Was wär' das?! Er Buschklepper, Räuber –
THOMAS
immer freundlich und gelassen.
Wenn S' glauben, so geben S' mich halt an bei der Torwacht, da werd' ich dann sagen –
PUFFMANN
gute Saiten aufziehend.
Herzensfreund, Zimmermann meiner Seele – bis in die Stadt gehn wir miteinander – aber dann –
THOMAS.
Geht einer rechts, der andere links, denn ich hoff', bis dahin –
PUFFMANN.
Aufrichtig, Freund, – kennt Er mich?
THOMAS.
Nein.
PUFFMANN
aufatmend.

Na, da nehm' Er diese Erkenntlichkeit, Gibt ihm eine Banknote. und wenn wir auseinandergehn, kriegt Er nochmals zehn Gulden.

[522]
THOMAS.
Ah! – Herzlich. Jetzt g'freut's mich erst recht, daß ich so ein' guten Herrn –
PUFFMANN.
Aber halt' Er Sein Mundwerk im Zaum, braver Handwerker!
THOMAS
treuherzig.
Na, das versteht sich – denn es machet Ihnen auf kein' Fall a Ehr' –
PUFFMANN.
Gewiß nicht.
THOMAS.
Also kommen S', Sie werden mir's noch danken.
PUFFMANN.
Wenn Er gehn wird, aufs herzlichste.
THOMAS.
Sie werden noch oft denken an mich!
PUFFMANN.

Wird mir stets eine wertvolle Erinnerung bleiben. Indem er Arm in Arm mit Thomas sich zum Abgehen wendet. Deutschland, du hast durchaus nichts voraus vor Ägypten, auch hier lauern Krokodile am Uferstrand.

THOMAS.

Von Ägypten woll'n S' reden? Das is das Land, welches nix als Nilpferde, Pyramiden und Traumbücheln erzeugt; gut, wir werden uns schön unterhalten unterwegs. Beide Seite links ab.

Verwandlung


Zimmer im Schlosse mit angezündetem Lüster, rückwärts führt ein Bogen rechts nach dem Speisesaal, rechts eine Seitentüre nach dem Appartement des Barons, links eine Seitentüre nach Puffmanns Zimmer.
7. Szene
Siebente Szene
Franz, Friedrich, dann Heinrich.

FRIEDRICH.
Das hab' ich in meinem Leben nicht g'sehn; es hat ihm gar kein Essen g'schmeckt.
FRANZ.
Weil er am Sekretär so ein' Narr'n g'fressen hat.
[523]
FRIEDRICH.
Während der ganzen Tafel –
FRANZ.

Kein anders Wort als. »Wo er denn bleibt?« – und: »Wo kann er denn sein?« – – Mich ennuyiert der Diskurs – soll s' bedienen wer will, ich geh' gar nicht mehr hinein.

HEINRICH
aus dem Speisesaal kommend.
Der gnädige Herr laßt fragen –
FRANZ
im nachspottenden Ton.
Ob der Herr Sekretär Puffmann noch nicht da is?
HEINRICH.
Na freilich.
FRANZ.
Eine Empfehlung, nein, aber wie er kommt, werden wir 'n auf ein' Teller stellen und hineintragen.

Heinrich geht lachend durch den Bogen rechts nach dem Speisesaal zurück.
FRIEDRICH.
Was zu arg is, is z' arg!
8. Szene
Achte Szene
Tupper; Vorige.

TUPPER
aus dem Speisesaal kommend, zu beiden.

Wenn der Herr Intendant und Sekretär Puffmann kommt, so sagt mir's zuerst – womöglich, noch eh' er zum Herrn hineingeht.

FRANZ.
Können Ihnen verlassen.
FRIEDRICH
leise zu Franz, mit einem Seitenblick auf Tupper.
Das is auch einer.
FRANZ
leise zu Friedrich.
Na, der und der Sekretär – aber nur Geduld!
TUPPER
welcher nach dem Speisesaal gesehen.
Die Herrschaften kommen.
FRANZ.
Aus 'n Speis'saal.
TUPPER.
Sie werden ins Spielzimmer gehn.
FRANZ.
Bewegung is a Hauptsach', is g'sund.
9. Szene
[524] Neunte Szene
Baron Massengold, Herr von Packendorf, Herr von Lockerfeld, Herr von Seewald, Herr von Althof; Vorige.
Die benannten Herren treten durch den Bogen rechts aus dem Speisesaal auf. Die Bedienten entfernen sich, Tupper bleibt im Hintergrunde.

ALTHOF.
Packendorf ist immer der lebendige Widerspruch.
LOCKERFELD.

Wer hört sein Brummen, wenn unser »Hoch lebe der Bräutigam!« den Palast durchdonnert, wenn die holde Braut vom Schlößchen Eschenau als Herrin einzieht in diese Hallen?

MASSENGOLD.
Warum soll ich keine junge Mündel heiraten?
PACKENDORF.
Weil du ein alter Vormund bist.
LOCKERFELD.
Millionärs sind immer liebenswürdig.
MASSENGOLD.
Das sagt mein Sekretär auch.
PACKENDORF.
Ich aber sage: Sei vorsichtig, berücksichtige manches –
LOCKERFELD.

Was Vorsicht, was Rücksicht! Wer mitten in Millionen drinnen steht, der sieht vor sich und hinter sich nur Millionen und braucht weiter keine Vorsicht und keine Rücksicht.

MASSENGOLD.
Das sagt mein Sekretär auch.
PACKENDORF.
Laß mich mit deinem Sekretär –
MASSENGOLD.
Mein Sekretär sagt immer die Wahrheit.
PACKENDORF.
Du bist ein Hans-Narr.
MASSENGOLD.

Das sagt mein Sekretär auch, das heißt Sich korrigierend. er sagt, ich wäre ein Narr, wenn ich nicht tun würde, was mich freut.

SEEWALD.
Da hat er recht.
MASSENGOLD.
Puffmann hat immer recht – nur daß er heute nirgends zu finden ist, das ist unrecht von ihm.
[525]
ALTHOF.
Nirgends zu finden? Man hat ihn ja noch nirgends gesucht.
MASSENGOLD.
Es ist schwer, in einer Stadt wie Kobelstadt –
ALTHOF.
Die achthundert Einwohner –
PACKENDORF.
Und doch außer diesem Palais respektive nur drei Häuser zählt. –
MASSENGOLD.
Macht mir mein Kobelstadt nicht gar so klein!
SEEWALD.
Wo könnte er da sein?
ALTHOF.
Beim Kaufmann –
MASSENGOLD.
Der eine Cousine hat, die –
SEEWALD.
Oder beim Stadtrichter –
MASSENGOLD.
Der zwei Töchter hat –
LOCKERFELD.
Oder beim Revisor –
MASSENGOLD.
Der drei Frauen hat
PACKENDORF.
Drei Frauen?
MASSENGOLD.
Das heißt, zwei tote und eine lebendige.
LOCKERFELD.
Da kömmt er gerade wegen der lebendigen – ich gehe hin.
SEEWALD.
Und ich geh' zum Stadtrichter.
ALTHOF.
Und ich zum Kaufmann.
LOCKERFELD.
Einer von uns muß ihn finden.
MASSENGOLD.

Das wäre scharmant. Kann man aber so spät noch zu den Leuten –? Tupper, wieviel Uhr ist's? Zu den drei Herren, welche auf ihre Uhren sehen wollen. Plagt euch nicht!

TUPPER.
Halb neun.
MASSENGOLD.
Da ist's wohl schon etwas unschicksam.
LOCKERFELD.
Wir kommen als Abgesandte eines Millionärs, da wird nicht viel Federlesens gemacht.
MASSENGOLD.
's ist wahr.
LOCKERFELD.
Wir müssen dem Herrn Puffmann auf die Schliche kommen.
MASSENGOLD.

Dann wollen wir ihn tüchtig durchhecheln. Zu Packendorf. Und du, Brummbär, machst einstweilen mit mir eine Partie Pikett.

PACKENDORF
etwas mürrisch.
Meinethalben.
[526]
LOCKERFELD.
Also frisch ans Werk! Einer von uns muß den Fuchs im Taubenschlag erwischen.

Lockerfeld, Althof und Seewald gehen durch den Bogen zur Mitte ab. Massengold und Packendorf Seitentüre rechts ab.
10. Szene
Zehnte Szene
Tupper, dann Puffmann.

TUPPER
allein.

Fatal, er ist doch schon öfters von der Tafel weggeblieben, und nie war gar so ein Aufhebens und gerade heut' –! Wenn er nur –

PUFFMANN
aus der Seitentüre links kommend.
Ist g'fragt worden um mich?
TUPPER.
Wenigstens zwanzigmal.
PUFFMANN.
Na, ich sag', ich war beim Kaufmann.
TUPPER.
Da sucht Ihnen der Herr von Althof.
PUFFMANN.
So sag' ich, ich war beim Stadtrichter.
TUPPER.
Dort sucht Ihnen der Herr von Seewald.
PUFFMANN.
So sag' ich, ich war beim Revisor.
TUPPER.
Dort sucht Ihnen der Herr von Lockerfeld.
PUFFMANN
ärgerlich.
Ja, zum Teufel, wo war ich denn hernach?
TUPPER.
Ich rate Ihnen, Herr von Puffmann, präparieren Sie sich auf ein scharfes Examen!
PUFFMANN.
Freilich. Morgen wird die Flucht der Fräulein Hermine bekannt.
TUPPER.
Der alte Packendorf ist Ihnen nicht wohlgesinnt.
PUFFMANN.
Der schlechte Mensch könnt' den Verdacht auf mich –
TUPPER.
Sie müßten dann Beweise liefern, wo Sie heut' abend waren.
PUFFMANN.

Beweise – das Beweisfordern is eine wahre Malträtierung der Menschheit. Wie schön könnte man sich ausreden, wenn das nicht wäre!

[527]
TUPPER.
Hat Sie von der Dienerschaft wer gesehn?
PUFFMANN.
Keine Seel', ich bin über meine Stiegen herauf und durch mein Bureau herüber.
TUPPER.

Dann gehn Sie geschwind wieder fort, irgendwohin, wo Sie von Leuten gesehen werden, die Sie dann als Zeugen ausrufen können.

PUFFMANN
ängstlich.
Das is leicht g'sagt, aber wohin denn?

Man hört im Zimmer rechts lauten.
TUPPER.
Der Herr Baron – ohne Zweifel fragt er wieder nach Ihnen. Seitentüre rechts ab.
11. Szene
Elfte Szene
Puffmann allein.

PUFFMANN
tritt, während Tupper die Türe öffnet, einen Schritt zurück, um nicht gesehen zu werden.

Was tu' ich? – Was sag' ich? Eine Ausred' is einen Taler wert, ich zahlet mir hundert Gulden, wenn mir eine einfallet, und trotz diesem enormen Agio gänzliche Stockung, trostlose Vernaglung! – Kaffeehäuser gibt's hier nicht. – Fürs Wirtshaus bin ich eine zu imposante Erscheinung, da weiß man gleich, um die Minuten is er gekommen, um die Sekunden is er gegangen, der auffallende Herr. – Ich renn' grad blindlings in die Welt hinein. Will in ängstlicher Hast zur Seitentüre links ab.

12. Szene
Zwölfte Szene
Thomas; Voriger.

THOMAS
Seitentüre links eintretend.
Stockan!
PUFFMANN.
Höll' und Teufel!
THOMAS
dummpfiffig lächelnd.
Jetzt weiß ich, wo S' logieren.
PUFFMANN
böse.
Was is denn das, daß Er mir nachgeht?
[528]
THOMAS.
Meine Pflicht is's!
PUFFMANN.
Ich bin da nicht zu Haus, bin nur eingeladen hier in G'sellschaft.
THOMAS.
Und damit ich auch a G'sellschaft hätt', woll'n S' mir ein' Bär'n aufbinden?
PUFFMANN.
Nein, im Ernst!
THOMAS.
Ich weiß ja, wer Sie sein, lieber Herr.
PUFFMANN.
Welcher Satan hat Ihm –?
THOMAS.

Sie selber. Mit dem letzten Zehnguldenzettel haben S' mir z'gleich das Brieferl in d' Hand druckt. Zieht einen Brief aus der Tasche.

PUFFMANN
das Briefchen nehmend.
O, ich Quintessenz –!
THOMAS.
Ich hab' nur die Adress' g'lesen; natürlich, was gehn mich Ihre Geheimniss' an!
PUFFMANN
beiseite.
's größte weiß er so schon.
THOMAS
sich im Zimmer umschauend.

Aber Sie haben da ein Leben! Gutmütig drohend, da er in dem Wahn ist, Puffmann wollte sich in der früheren Szene, wie er in den Kahn springen wollte, in das Wasser stürzen. Ich begreif' nicht, wie Sie so was haben tentieren können.

PUFFMANN
ängstlich.
Schweig' Er, Freund – Verhältnisse –! Gibt ihm eine Banknote. Da hat Er was.
THOMAS.
Ich bitt' – das is zu viel. Das Geld nehmend. Wenn ich jemals in die Lag' kommen sollt' –
PUFFMANN.
Nein, nein, g'schenkt is g'schenkt.
THOMAS
in seiner Rede fortfahrend.
Daß ich anstünd' auf was, an kein' andern wend' ich mich als an Ihnen.
PUFFMANN.
Gott gib's, daß Er nie auf etwas ansteht.
THOMAS.
Sie sein ein seelenguter Herr.
PUFFMANN.
Aber jetzt, lieber Zimmermann, Er wird am besten wissen, wo der Zimmermann 's Loch g'macht hat.
THOMAS.
Ja, ja, es könnt' uns wer –
PUFFMANN
auf den Mittelbogen zeigend.

Geh' Er da hinaus, und wenn Ihn wer fragt, so hat Er mich aufgesucht und nicht getroffen! 's ist keine Zeit zu verlieren.

[529]
THOMAS.
Sie haben recht, ich muß da in der Nachbarschaft einen kranken Kameraden heimsuchen.
PUFFMANN
halb für sich.
Wenn die Krankheit nur epidemisch wär'!
THOMAS.
Etwas damisch is's. – Das is noch vom letzten Sonntag her, da waren wir –
PUFFMANN.
Lieber unerträglicher Freund, ich steh' auf Nadeln!
THOMAS.

Ich geh' schon, ich hab' Ihnen nur woll'n erzähl'n, wie mein Freund, trotz dem festesten Vorsatz, nur ein halbes Seitel –

PUFFMANN
immer ungeduldiger.
Ich kann jetzt unmöglich –
THOMAS.

Sie haben keine Zeit, is schad', denn es is sehr lehrreich, wenn man das hört, was aus ein' Vorsatz und was aus ein' halben Seiterl werden kann.

PUFFMANN.
Er mortifiziert mich –
THOMAS.
Ich weiß ja, was Art is; nur niemanden belästigen!
PUFFMANN
indem er ihn nach dem Hintergrunde drängt.
Na, das is schön.
THOMAS
im Abgehen.
Bin nur froh, daß ich weiß, wo S' logier'n.
PUFFMANN
ihn hinausschiebend.

Ich bin aber 's ganze Jahr nicht zu Haus. Zurückkehrend. Puffmann, was sagst du zu dem Mann? Jetzt heißt's laufen, daß ich das Aufdringlichkeits-Ungeheuer nicht nochmal begegn'. Stürzt in ängstlicher Verwirrung zur Seitentüre links ab.

Verwandlung


Gäßchen mit kleinen unansehnlichen Häusern. Im Prospekt links ein Haus mit beleuchteten Fenstern im ersten Stock. In der Mitte des Prospektes ein Haus mit breitem, offenem Tore, durch welches man in den Hof sieht. Weiter rechts ein Haus mit praktikablen Fenstern. An der Kulisse rechts ein Haus mit praktikablem Tor und Fenster im ersten Stock; an der Kulisse links ein Gasthaus mit praktikablem Eingang. Es ist später Abend, die Bühne vom Mond beleuchtet.
13. Szene
[530] Dreizehnte Szene
Peter tritt während des Ritornells des folgenden Liedes Seite rechts auf.

PETER.

1.

Wann i als Zimmermann arbeit' hoch ob'n auf 'n Dach,
Da g'schicht's mir oft, daß ich Bemerkungen mach';
An der Aussicht auf d' Leut' herab tu' ich mich lab'n,
Seh' ich, was s' oft alls treib'n, ohne a Aussicht zu hab'n.
Da rennt einer mit so ein' Bünkel voll Kleider
Und hat gar keine Aussicht, a Geld z' kriegen, der Schneider –
Der schmacht't auf ein Mädl drob'n beim Blumentopf
Und hat gar keine Aussicht, kriegt 's Wasser au'm Kopf.
Der sucht Schwiegersöhn', wo sich ließ' Geld herausbradeln,
Und hat gar keine Aussicht, zu schiech sind die Madeln!
Der sucht für sein' Sohn a Stell', führt 'n üb'rall um
Und hat gar keine Aussicht, der Bub is zu dumm!
So Ideen bilden unter mein' Dachstuhl sich aus,
So oft ich ein' Dachstuhl wo setz' auf a Haus. –

2.

Doch wann so vom Dach sich mein Kopf herabbeugt,
Meine Aussicht auch Leute mit Aussicht mir zeigt;
Sein's aber Aussichten, wo der Mensch z'frieden sein kann?
D' meisten Leut' haben nur eine, und da is nix dran.
Der Alte kauft Schmuck, daß 'r a jungs Weiberl kriegt,
Und sein' einzige Aussicht is, daß s' ihn betrügt.
Da reit't einer, g'schwufisch in Quäcker gepreßt,
Und sein' einzige Aussicht is Schuldenarrest.
Der steigt einer Frau nach auf heimlichem Weg,
Und sein' einzige Aussicht is a Buckel voll Schläg'.
Da putzt eine Schachtel sich jugendlich modern,
Und ihr' einzige Aussicht is, ausg'lacht zu wer'n.
So Ideen bilden unter mein' Dachstuhl sich aus,
So oft ich ein' Dachstuhl wo setz' auf a Haus. –

[531]

Das Schönste an ein' Zimmermann is, daß er kein Zimmermann is, daß er nicht im Zimmer arbeitet, sondern draußen auf 'm freien Platz, drum hat unsereins auch ganz ein' andern Geist als so viele andre Professionisten, für die die frische Luft nur ein Sonntagsschmaus is, für die es gar keine freie Natur gäbet, wenn einmal den Kalenderdruckern die rote Farb' ausging'. – Standeswahl bei einem Sprößling unterer Stände heißt wohl nichts anderes als: »Jetzt entschließ dich, ob du als Lehrjung' von dieser oder jener Zunft gebeutelt und malträtiert werden willst!« Diese Eröffnung is so reizend, daß: »Es is mir alles eins!« die gewöhnliche Antwort drauf is. Ich hab' aber auch damals schon mehr als andere drüber nachdenkt.

Ich hätt' sollen ein Schneider werden, da hab' ich mir aber denkt: Zugrund'gehn kann wohl jeder Mensch, gerade durch die zugrundegehn, die man kleidet, deren Blöße man bedeckt, dieser Undank muß zu schmerzlich sein, und ist doch das allgemeine Schneiderlos.

Ich hätt' sollen ein Schlosser werden, aber wer Sinn fürs Freie hat, hab' ich mir denkt, der kann kein Talent zu Schloß und Riegel haben.

Ich hätt' sollen ein Bäck werden, aber so ein schlaftrunkenes Mehlgespenst hat immer etwas Mitleiderregendes und Unheimliches für mich gehabt, denn wenn ein Bäck auch keinen Geist hat, so hat er doch viel von einem Geist: er is weiß, geht um bei der Nacht und sehnt sich nach Ruhe, die ihm nimmer wird – das sind offenbar die Haupteigenschaften von einem Geist. Ich war als Bub sehr gern auf der Welt und hab' mich fleißig mit Hund', Tauben, Katzen und Kinigelhasen g'spielt, und da wir dem Altmeister unserer Zunft, dem Archenzimmerer Noah, unser Dasein verdanken sowie auch das Glück, daß wir von Viechern umgeben sind, so hat mich eine Art Dankgefühl zum Zimmermannhandwerk getrieben. – Ich hab's aber auch in späterer Zeit nie bereut. Der Ursprung des [532] Zimmermanns hat schon das vor viele andere Ursprünge voraus, daß er nur halben Teil gemein is, die andere Hälfte is erhaben und folglich das Ganze das, was die noblen Leut' eine Messalliance nennen. Der Holzhacker hat die Geometrie umarmt, und so is der Zimmermann entstanden. Unser Handwerkszeug bestätigt diese Abkunft. Die Hacken is unser simples väterliches Erbteil, wir haben aber auch Zollstab, Zirkel, Winkelmaß als Vermächtnis von unserer tiefsinnigen Mama, und das sind Gegen stände, die man nicht leicht, ohne zu denken, in die Hand nehmen kann. Der Zollstab gibt uns die wahrste Ansicht von Länge und Breite, von Größe überhaupt, und wann man die einmal hat, da fallen einem dann allerhand Mißverhältnisse auf – wie so mancher so groß herauskommt, und wenn man ihn genau abmeßt, so klein is, daß man ihm gern noch was aufmesset. Wie mancher ein Langes und Breites zusammenschreibt und nur eine schmale Kost damit erwirbt, wie oft kleinwinzige Frauen mit langmächtige Männer gar so kurz angebunden sind. Kurzum, der Zollstab hat nur drei Schuh Länge, kann aber die Ideen sehr ins Weite führen. So ist es auch beim Winkelmaß; man denkt dabei unwillkürlich an die vielen menschlichen Winkelzüge, die offenbar unter die Gattung der spitzigen Winkel gehören, an die Aufenthaltsorte des Unglücks und der Armut, die unter die stumpfen Winkel gehören. Die schwierige Genauigkeit, die der rechte Winkel erfordert, mahnt uns daran, daß das Rechte überhaupt nicht leicht in Winkeln zu finden, eine Behauptung, die sich auch bis auf Winkelagenten, Winkelsensalen, Winkelschreiber etc. etc. ausdehnen ließ'. – Ein noch weiteres Gedankenfeld liegt im Zirkel. Zirkel is die vollkommenste Rundung, drum fallt es auch in die Zirkel am meisten auf, wenn sich einer eckig benimmt. – Der gesellschaftliche Zirkel unterscheidet sich vom mathematischen wesentlich dadurch, daß der mathematische einen einzigen Mittelpunkt hat, der akkurat mitten im Zirkel [533] liegt – der gesellschaftliche Zirkel jedoch hat in der Mitte nur den scheinbaren Mittelpunkt, den Kaffeetisch, währenddem der eigentliche Mittelpunkt, um den sich die Peripherie der Unterhaltung dreht, meistens außerhalb des Zirkels liegt, weil gewöhnlich nur die Abwesenden ausgericht't werden. Aber halt! Bis hieher und nicht weiter! Die Zirkelbetrachtungen führen einem zu leicht vom Runden auf das, was zu rund is, und in das mag ich jetzt nicht eingehen, ich geh' lieber in was Viereckiges ein, in meine Haustüre, und kugl' mich in mein längliches Bett.

14. Szene
Vierzehnte Szene
Thomas; Voriger.

THOMAS
von links auftretend und Peter erblickend.
Peter –!
PETER.
Oho! So spät noch?
THOMAS.

Weißt, ich möcht' deiner Schwester gern eine Überraschung machen, das heißt, morgen kauf' ich ihr eine prächtige Überraschung, und das hätt' ich ihr heut' gern g'sagt.

PETER.
Um die Zeit? Nein, das is kein G'schick!
THOMAS.
Hör' auf, sie is ja mein' künftige Schwiegertochter!
PETER.

Eben deswegen! A künftige Schwiegertochter is gegenwärtig noch gar keine, und die Nachbarschaft sieht nur, daß in der Dunkelheit ein Mann aus und ein geht. –

THOMAS.

So dunkel is gar keine Nacht, daß ich gefährlich ausschaun könnt'; und ein Madl, wo in vierzehn Täg'n d' Hochzeit is –

PETER.

Und wenn's in vierzehn Minuten wär', so wär's a g'wagte Sach'. Das Licht hat die größte Geschwindigkeit in der ganzen Natur, drum hat auch das üble Licht, was auf ein Wesen fallt, so eine schnelle Verbreitung. – Übrigens hab' ich dir schon g'sagt, wegen Brautgeschenk', [534] du hast kein Geld zu verschwenden, du mußt auch an deine Zukunft denken.

THOMAS.
Oh, das tu' ich so dann und wann.
PETER.

Dann und wann is z' wenig! Ich hab' einmal einen alten Isabellenschimmel an ein' Ziegelwagen g'sehn, seitdem bring' ich die Zukunft gar nicht mehr aus 'n Sinn.

THOMAS.
So was is wohl traurig; – bei ein' Schimmel is noch das Gute, daß er gar nicht denkt –
PETER.
Und beim Menschen is das Üble, daß er erst zum Denken anfängt, wenn er ein Schimmel wird.
THOMAS.

Du weißt ja noch gar nicht, ich hab' jetzt einen reichen Freund! Wenn mein Sohn ankommt, so führ' ich ihn bei ihm als Bräutigam auf, daß er auch –

PETER.
No, sei so gut, fang so was an!
THOMAS.
Warum? Sich Freunde sammeln und gar reiche Freunde, das is ja –
PETER.

Das Dümmste, was ein Bräutigam tun kann. Ich hab' eine Antipathie gegen die Freunde, die so gern Hochzeiten aushalten, Wirtschaftsbeiträge liefern, erste Bub'n aus der Tauf' heben, und ich weiß schon, warum.

THOMAS.
Jetzt mag der keine Freund'!
PETER.

Oh, ich hab' zwei, die ich schon mag, bewährte tüchtige Kerln, die plagen sich für mich, die Freund', daß mir nix abgeht, sind den ganzen Tag bei der Hand, für mich zu arbeiten, nehmen sich auch an um mich, schlagen den nieder, der mir was tun will –

THOMAS.
Und die zwei Freund', sind das keine Reichen?
PETER.

Nein, Arme sind's – Seine Arme weisend. die zwei. Mit denen hab' ich mich und mein' Schwester erhalten, mit denen hab' ich das, was ihr der Vater hinterlassen hat, vermehrt, daß sie ein anständiges Heiratsgut hat.

THOMAS
freudig gerührt.
Mit dem sie meinen Sohn vom Militär loskauft.
PETER.
Es ist eigentlich nur eine Transferierung, von seinem Regiment kommt er unter ihres.
THOMAS.
Dort nehmen s' einen Ersatzmann an.
[535]
PETER.
Ihr aber wär' kein Mann Ersatz, da muß es akkurat dein Josef sein.
THOMAS.
Mein Sohn kann von Glück reden, so einen Schwagern z' krieg'n und so a Braut.
PETER.
's letzte lass' ich gelten.
THOMAS.
Geh, sollst auch heiraten, vielleicht machst auch so a Glück.
PETER.

Hm, das wird's nicht tun; – mir haben die Lehrer in der Schul' schon 's Glück abg'sprochen. »Das is a g'scheiter Bub!« – haben s' gesagt, und da is 's schon vorbei. Schau s' nur an beim Gipsmann, so a Fortuna; die hohle Kugel, über der sie schwebt, is das Sinnbild von ihre Favoritköpf'.

THOMAS.

Und wenn's auch just nicht ein Engel wie die Klara is; denn die is eigentlich zu gut, zu edel für unsereinen –

PETER.

Das is a dalkete Red'! Das wär' sehr traurig, wenn der Unbedeutende nicht auch Anspruch auf ein braves Mädl hätt'; und bei diesem Anspruch bescheiden sein, wär' eher eine Niederträchtigkeit als eine Tugend. In gar vielem kann und soll sich der Mensch behelfen, sich mit dem Minderen begnügen, wenn er 's Bessere nicht haben kann. Wer's auf kein' Paperl bringt, der spendiert sich zwei Laubfrösch' vors Fenster – wer kein'n Kammerdiener hat, kauft sich ein' Stiefelknecht um sechs Groschen – wer nicht als nobler Kridatar auf seine neugekaufte Villa in d' Schweiz kann fahren, der geht dem Schuster mit a paar Juchtene durch – wer eine Neapelreis' z'kostspielig find't, um den feuerspeienden Vesuv zu sehen, der schaut sich um a zornige Kräutlerin um – kurz, für alles hat der Geringere ein Surrogat und kann das Echte dem Höhern überlassen; – aber was den Punkt der Familienehre betrifft, da steht der Unbedeutende dem Größten gleich und hat ebensogut das Recht, das Makelloseste zu begehren. Jetzt komm auf a Glas Wein.


Beide gehen ins Wirtshaus ab.
15. Szene
[536] Fünfzehnte Szene
Frau Hußbergerin, Hansi.

FRAU HUSSBERGERIN
mit einer leeren Flasche in der Hand, aus dem Haustore im Prospekt kommend, zu Hansi, welcher sich an ihrer Schürze festhält.
Der Bub kann nimmer schaun vor Schlaf und rennt mir bis auf d' Gassen nach.
HANSI.
Weil ich mich vor die G'spenster fürcht'.
FRAU HUSSBERGERIN.
Du sollst schon lang im Bett liegen.
HANSI.
Wie ich im Bett lieg', kommen die G'spenster.
FRAU HUSSBERGERIN.

Wennst mit 'n Fürchten nicht aufhörst, so schick' ich den Schwarzen über dich mit 'n großen Sack, da steckt er dich hinein und tragt dich in 'n Wald hinaus.

HANSI
halb weinend.
Uh mein!
FRAU HUSSBERGERIN.

Begreif' nicht, wie der Bub so furchtsam worden is. Da bleibst, bis ich herauskomm'! Geht in das Gasthaus.

16. Szene
Sechzehnte Szene
Hansi, dann Puffmann.

HANSI.

Wenn's nur keine Finsternis gäbet, da müßten s' alle hin werd'n, die G'spenster, Sich auf den Eckstein neben dem Gasthaus setzend. denn die G'spenster leben von der Finsternis. Gähnt. D' Augen recht zudrucken, das is das beste – da – da verschwinden s' – alle nacheinand' – Schläft ein.

PUFFMANN
von Seite rechts auftretend in großer Aufregung.

Ich find' nix, ich weiß nix, und es fallt mir nix ein! – Der ganze Plebs schlaft schon und denkt nicht, daß er mir eine Ausred' liefern soll –!Nach dem erleuchteten Fenster links im Prospekt im ersten Stockwerke sehend. Da is noch ein Licht – wahrscheinlich [537] die Kreuzerkerzen eines alten Flickschneiders. – Es zeigt sich der Schatten eines Frauenzimmers am Vorhang des Fensters. Halt – der Schatten – diese Umrisse – bei keiner Beleuchtung kann ein Flickschneider so einen Schatten werfen. Da wohnt ein Geschöpf – Von einer Idee ergriffen. ha ich hab's! – Das Geschöpf mit die Umrisse reißt mich heraus! Ein paar Schritte auf und nieder gehend und so Hansi bemerkend. Was is denn das? Da schlaft ein kleiner Bub. – Kolossale Idee! – Der is mein Zeuge! Auf das Fenster zeigend. Dort die Ausrede, Auf Hansi zeigend. hier der Beweis! Rüttelt Hansi am Arm. He – Bursch! Was machst du da?!

HANSI
aufwachend und erschreckend.
Auweh! – Der Schwarze!!
PUFFMANN.
Wirst still sein!
HANSI
weinend.
Nur nicht in 'n Sack stecken und in 'n Wald hinaustragen.
PUFFMANN.
Du unterstehst dich, mir aufzupassen?
HANSI
ängstlich.
Ich hab' geschlafen.
PUFFMANN.

Nicht wahr is's! Du willst sehn, wer da oben – Ihn scharf anfahrend. wer logiert da oben?Auf das erleuchtete Fenster zeigend.

HANSI.
D' Mamsell Klara; dem Peter Span seine Schwester.
PUFFMANN.

Aha! Für sich. Bravissimo! Ich hab' alles, was ich brauch'! Zu Hansi. Und du, neugieriger Spitzbub', paßt auf, wer bei ihr is?!

HANSI.
Ich pass' auf mein' Frau Mutter.
PUFFMANN
in barschem Ton.
Du hast es g'sehn, daß ich von der Mamsell Klara komm'!
HANSI.
Ich hab' g'schlafen.
PUFFMANN
heftig.
Du warst wach und hast mich von ihr herausgehn g'sehn – gesteh's oder ich dreh' dir's G'nack um.
HANSI.
Ja, ich hab's g'sehn.
[538]
PUFFMANN
plötzlich in freundlichem Ton.

Ach, jetzt laßt sich reden mit dir. Sehr freundlich. Weißt was, Buberl, du mußt das nicht jedem auf die Nasen binden, daß ich bei der Mamsell Klara war! Und wenn du recht schön verschwiegen sein willst und nix sagst, daß du mich g'sehn hast von der Mamsell Klara herausgehn, so schenk' ich dir diese drei glänzenden funkelnagelneuen Silbertaler.

HANSI
voll Freude.
O mein! Die gehören mein?!
PUFFMANN.
Alle drei!
HANSI
jubelnd.
Jetzt kauf' ich der Frau Mutter a Haus.
PUFFMANN.

Aber nix sagen, woher du das Geld hast! Für sich. Seine Mutter kitzelt ihm's schon heraus. Der Alibi-Beweis steht juridisch fest. Triumph der praktisch-kasuistischen Genialität! Eilt nach links ab.

17. Szene
Siebzehnte Szene
Hansi, dann Frau Hußbergerin.

HANSI
allein.

Juchhe! Ich war ein armer Bub und jetzt bin ich ein reicher Mann! – Und ich hab' ihn richtig da herauskommen g'sehn, ich hab's nur im ersten Schlaf nicht recht g'merkt, daß ich munter bin. Springend. Juchhe!

FRAU HUSSBERGERIN
aus dem Gasthause mit der gefüllten Flasche.

Was treibt denn der Bub? Wirst still sein so spät auf d' Nacht! Ihn erschrecken wollend. Er wird gleich kommen!

HANSI.
Anpumpt! Er war schon da.
FRAU HUSSBERGERIN.
Wer?
HANSI.

Der Schwarze! Und da schau' d' Frau Mutter her! Ihr die Taler zeigend. Eintausend, zweitausend, dreitausend!

FRAU HUSSBERGERIN
das Geld nehmend.
Was is denn das?!
HANSI.
Achtgeb'n, da gilt jedes Stückl viele tausend Dukaten.
[539]
FRAU HUSSBERGERIN.
Wie kommst du denn zu dem Geld?
HANSI.
Der Schwarze hat mir's geben.
FRAU HUSSBERGERIN.
Bub, wennst nicht ordentlich red'st –
HANSI.
Wann ich aber schon sag', der Schwarze!
FRAU HUSSBERGERIN.
Willst du dein' Mutter für ein' Narren halten?!
HANSI.
Ich darf nix verraten!
FRAU HUSSBERGERIN.
Verraten? Von wem?
HANSI.
Vom Schwarzen.
FRAU HUSSBERGERIN.
Na, wart', der Scheckel wird gleich alles herausbringen aus dir!
HANSI.
Nein, nein, Frau Mutter, ich sag's schon so. Er is bei der Mamsell Klara g'wesen.
FRAU HUSSBERGERIN.
Wer?
HANSI.

Der Schwarze! Ich hab' ihn herausgehn g'sehn, und da hat er mir die Menge Geld gegeben, daß i nix verrat'.

FRAU HUSSBERGERIN
staunend.
Was? Beim Span seiner Schwester?
HANSI.
Still! –
FRAU HUSSBERGERIN.

Ah, da trifft mich der Schlag! Das wär' das Allerneueste! Ah, da muß ich gleich –! Eilt zu einem Fenster des Hauses rechts und klopft an. Frau Flachsin! Liegt d' Frau Flachsin schon im Bett? – Komm' d' Frau Flachsin a wenig heraus! – Zu Hansi. Geh her, Hansi! Wie hat er denn ausg'schaut?

HANSI.
Schwarz!
FRAU HUSSBERGERIN.
Als wie a Schlosser?
HANSI.
Nein.
FRAU HUSSBERGERIN.
Oder wie a Rauchfangkehrer?
HANSI.
Nein, als wie a nobler Herr.
FRAU HUSSBERGERIN.
Nobler Herr –?! – Ah, das is zum Fraiskriegen!
18. Szene
[540] Achtzehnte Szene
Frau Flachsin; Vorige.

FRAU FLACHSIN
eilig aus dem Hause rechts kommend.
Na, was is's denn, Frau Hußbergerin?
FRAU HUSSBERGERIN.
Frau Flachsin – Nachbarin – was glaubt die Frau Flachsin?
FRAU FLACHSIN
neugierig.
Na?
FRAU HUSSBERGERIN.
A vornehmer Herr war bei der Jungfer Klara.
FRAU FLACHSIN
die Hände zusammenschlagend.
Was –?!
FRAU HUSSBERGERIN.
Meinem Buben hat er drei harte Taler geschenkt, daß er nix sagen soll.
FRAU FLACHSIN.

Jetzt sixt es, da hast es! – Die Klarl! Aber hab' ich's nicht allweil g'sagt –?! Na, wann das die Küblerischen hören! – Eilt zu einem Fenster im Prospekte rechts und ruft. Küblerin! Herr Kübler! – G'schwind, geschwind!! – Vorkommend zur Hußbergerin. Sie sitzen noch beim Essen, ich hör' Teller scheppern.

FRAU HUSSBERGERIN.
Die essen doch von fruh bis in die sinkende Nacht.
FRAU FLACHSIN.
Nein, wer hätt' sich das denkt! D' Mamsell Klarl!
FRAU HUSSBERGERIN.
So muß man den Leuten auf d' Schlich' kommen.
19. Szene
Neunzehnte Szene
Kübler und Frau Küblerin er im Schlafrock, eilig aus dem Hause kommend; Vorige.

KÜBLER.
Was ist's?
FRAU KÜBLERIN.
Was gibt's denn?
FRAU FLACHSIN.
Eine entlarvte Heuchlerin gibt's!
[541]
KÜBLER
äußerst neugierig.
Wie, was, wann, wo?
FRAU HUSSBERGERIN
auf Klaras Fenster zeigend.
Da droben!
FRAU FLACHSIN.
Grad is er heruntergekommen und hat den Hußbergerischen Hansi beschenkt.
KÜBLER UND FRAU KÜBLERIN.
Wer?
FRAU HUSSBERGERIN.
Ein fremder Baron.
20. Szene
Zwanzigste Szene
Frau Schmalzerin; Vorige.

FRAU SCHMALZERIN
erscheint mit Nachthaube am Fenster im Hause rechts vorne an der Kulisse im ersten Stock.
Küblerin, Flachsin, Hußbergerin, was habts denn da drunten?
FRAU HUSSBERGERIN.
Eine Neuigkeit!
FRAU SCHMALZERIN.
Ihr sagts ein' ja gar nix.
KÜBLER.

Bei der Mamsell Klara war ein junger Graf und hat dem Hußbergerischen Bub'n einen ganzen Hut voll Gold und Silber g'schenkt, daß er nichts verrat't.

FRAU SCHMALZERIN.

Mir verschlagt's die Red' –! Noch am Fenster. Ich komm' gleich! Zieht sich zurück und ruft von innen. He, Schmalzer! Steh auf!

21. Szene
Einundzwanzigste Szene
Die Vorigen ohne Frau Schmalzerin.

FRAU HUSSBERGERIN.
's kommt halt doch alles auf mein' Red' heraus.
FRAU KÜBLERIN.
Die stille Jungfrau Klara!
FRAU HUSSBERGERIN.
»In der Still und in der G'ham« – über das Sprichwort steht gar nix auf.
KÜBLER.

Diese Augenniederschlagerinnen, diese Nichtauffünfzählenkönnerinnen, das waren von jeher die Ärgsten.

22. Szene
[542] Zweiundzwanzigste Szene
Frau Schmalzerin, Schmalzer; Vorige.

FRAU SCHMALZERIN.
Also, wie war der Hergang?
SCHMALZER.
Große Neuigkeiten muß man haarklein erzählen.
FRAU HUSSBERGERIN
nach der Gasthaustüre sehend.
Still – ich glaub', er kommt.
ALLE.
Wer?
FRAU HUSSBERGERIN.
Der Mussi Bruder, der allweil so achtgibt auf sie!
KÜBLER.
Daß kein Hauch der Verführung auf das Kleinod blast.
FRAU FLACHSIN.
Sehr gut gegeben!
FRAU HUSSBERGERIN.
Der künftige Schwiegervater ist auch dabei.
SCHMALZER.
Gehn wir da ins Haus hinein, daß wir sehen –

Alle ziehen sich in das offene Haustor in der Mitte des Prospektes.
23. Szene
Dreiundzwanzigste Szene
Peter, Thomas; Vorige im Hintergrunde.

PETER
mit Thomas aus dem Gasthause kommend.
's ist Zeit, meine Schwester wird eh' schon Ängsten haben.
THOMAS.
Daß du ja nicht vergißt, ich lass' ihr a gute Nacht wünschen.
PETER.

Die wird sie auf alle Fäll' haben. Arbeitsam, g'sund und a guts Gewissen, wo kommt da a schlechte Nacht her?


Alle, im Hintergrund innerhalb des Haustores, kichern und lachen.
THOMAS
sich umsehend.
Wegen was lachen denn die da?
[543]
PETER.
Was kümmert das uns? Unter andern, morgen holen wir dich zum Kirchtag ab.
THOMAS.
Nimmst deine Schwester mit?
PETER.
Freilich.
THOMAS.
Das is g'scheit; 's arme Madl hat eh' ka Freud'.

Alle lachen wie früher.
THOMAS
sich ärgerlich umsehend.
Was s' denn nur allweil z' lachen haben?
PETER.
Ist besser, sie lachen, als sie schneiden den Leuten die Ehr' ab.
THOMAS.
Da scheint sich aber beides zu vereinen.
PETER
das frühere Gespräch aufnehmend.

Viel Unterhaltung wird's wohl für mein' Schwester nicht sein ohne dein' Sohn, ihren einzigen Tänzer, ihr'n Josef.

THOMAS.
A paarmal umundum riskier' ich mit ihr.
PETER.

Ah, beim Schwiegervater, da wird sie a Ausnahm' machen, aber mit ein' Fremden tanzet sie um kein' Preis.


Alle lachen wie früher, doch lauter.
THOMAS.

Aber schon wiederum – jetzt werd' ich bald schiech werd'n. Fährt auf, als ob er nach dem Hintergrunde wollte.

PETER
ihn besänftigend.
Wir wissen, wir haben nichts Lächerliches an uns, also –
THOMAS.
Schau nach, vielleicht hat mir wer einen Esel auf 'n Buckel zeichnet.
PETER.
Ach, wer sollt' denn so was –?
THOMAS.
Ich red' aus Erfahrung, es gibt Witzköpfe –
PETER.
Nein, nein, 's is nix!
THOMAS.
Was haben s' denn nachher?
PETER.

Vielleicht wird jetzt die Walpurgisnacht im September zelebriert; wer kann in diese Verhältnis se dringen?

THOMAS.
's sein aber Männer auch dabei.
[544]
PETER.

Um so schauerlicher, denn das is a alte Wahrheit: über ein altes Weib geht nix als ein Mann, der ein altes Weib is! Gute Nacht!

THOMAS.
Gehn wir nach Haus!

Peter geht in die Haustüre links im Prospekt, Thomas rechts im Vordergrunde. Die übrigen Anwesenden kommen hervor, indem sie spöttisch auf Thomas und Peter zeigen und lachen. – Die Musik fällt ein.
Der Vorhang fällt.

2. Akt

1. Szene
Erste Szene
Baron Massengold, Herr von Packendorf, Herr von Lockerfeld, Herr von Althof, Herr von Seewald, Puffmann.

Massengold sitzt in einem Fauteuil, die übrigen umgeben ihn zu beiden Seiten.

MASSENGOLD
mit trostloser Gebärde.
Millionen hab' ich zehn, Braut nur eine einzige. Warum hab' ich nicht lieber eine Million verloren?
PUFFMANN.

Weil man Bräute weit leichter wiederfindet als Millionen, das wird sich das Schicksal gedacht haben, wie es so unartig war, Euer Gnaden zu beleidigen.

MASSENGOLD.
Bräute genug, aber keine Hermine!
PUFFMANN.
Der arme Baron hat schon ganz eine abgehärmte Miene vor lauter Hermine.
[545]
PACKENDORF
scharf zu Puffmann.

An seiner Traurigkeit über die in Brüche gegangene Trauung liegt wenig, es handelt sich auch nicht darum, mit wem er sich trauen lassen, sondern Scharf betonend. wem er trauen soll, verstanden, Herr Sekretär?

PUFFMANN.

Nein, nicht verstanden! Zu Massengold. Euer Gnaden, Im Tone des Verletztseins. der Herr von Packendorf will mich kränken.

PACKENDORF.
Hm, das zeigt, daß Sie mich doch verstanden haben.
PUFFMANN.
Kränkung leid' ich nur von meinem gnädigen Herrn Baron, aber von Herrn von Packendorf –
PACKENDORF.

Müssen Sie's leiden, wenn er den Verdacht ausspricht, den die Umstände auf Sie werfen, den wir alle teilen.

ALTHOF.
Wir haben ihn eigentlich jeder ganz.
PUFFMANN
im Tone gekränkter Unschuld zu Massengold.
Auch mein Baron und Gebieter?
MASSENGOLD.
Nein, aber eben weil die andern – und in einem fort – und immer gegen Sie –
LOCKERFELD
zu Puffmann.

Man hat Sie zu verschiedenen Malen in Eschenau und den vom Baron abgewiesenen Gröning bei Ihnen gesehen.

PUFFMANN.
Hab' ich ihn hinauswerfen können?
MASSENGOLD.
Oh, hätten Sie's getan! Dieser Gröning, dieser Satan, dieser Basilisk –
ALTHOF.
Ist offenbar der Entführer.
PACKENDORF.

Ein junger Mann, dem ich das Mädchen von Herzen gönne; dem Sie aber Zu Puffmann. keinen Vorschub zu leisten hatten.

PUFFMANN
mit Selbstgefühl.
Wer kann mir beweisen –?
SEEWALD.
Eigentlich niemand.
LOCKERFELD.
Es sind nur Vermutungen –
PACKENDORF
zu Puffmann.

Die Ihre gestrige rätselhafte Abwesenheit und Ihre jetzige Weigerung, zu sagen, wo Sie waren, zum begründeten Verdacht erheben.

[546]
MASSENGOLD.
Puffmann, durch eine Erklärung können Sie sie alle schlagen.
PUFFMANN.
Wenn mein Baron und Gebieter es durchaus wünscht –
MASSENGOLD.
Ja, Puffmann, schlagen Sie sie –
PUFFMANN
mit affektierter Verschämtheit.

Nun denn es war ein Liebesabenteuer, eigentlich nur Liebelei, Passeletang, und ich muß einigermaßen erröten, wegen dem Rangabstand ihrerseits und der Herablassung meinerseits.

PACKENDORF.
Ohne Ziererei: Wohnort, Name?
PUFFMANN
wie oben.
Klara Span, Handnähterin, in der Kleingasse, Eckhaus in die Krummgasse.
MASSENGOLD
triumphierend zu seinen Freunden.
Also gerechtfertigt!
PACKENDORF.
Hm, so etwas ist bald gesagt.
PUFFMANN.
Die Sache dürfte Aufsehen erregt haben, man hat mich gesehen!
LOCKERFELD.

Mich treibt doppelte Neugierde; überlaßt es mir, Freunde, seine Aussage aufs juridischste zu ergründen. Eilt zur Mitte ab.

2. Szene
Zweite Szene
Vorige ohne Lockerfeld.

MASSENGOLD.

Ich habe schon alles ergründet, mein Puffmann ist einmal mein braver Sekretär Puffmann, und über den lass' ich nichts kommen.

PUFFMANN
demütig, mit affektierter Schüchternheit.
Und verzeiht mir mein gnädiger Baron die momentane Michhinwegwerfung an eine unbedeutende Person?
MASSENGOLD.

Oh, Spaß! Schäkerei! – Aber meine Sache ist ernst –! Wie kann ich meine Hermine zum Altar und ihren Holländer ins Gefängnis schleppen? Das sind Lebensfragen, Preisaufgaben!

[547]
PUFFMANN
mit großem Eifer.

Ja, da heißt's, die Klepper aus den Ställen! Späher in alle Weltgegenden, alles aufsitzen lassen, vom höchsten Baron bis zum untersten Stallknecht! –

PACKENDORF
mit Beziehung zu Puffmann.
Auf das scheinen Sie's oft anzulegen.
MASSENGOLD
zu Puffmann.

Nein, das ist nichts, ich will alles gerichtlich, ich will sogleich meine Familienpapiere durchsuchen und sende dann die Dokumente an die Behörde.

PUFFMANN
etwas betroffen.
Was für Dokumente?
MASSENGOLD.
Mein Vormundschaftsdekret, Herminens Geburtsschein.
PUFFMANN
mit aufkeimender Angst.
Oh, ich glaube, das ist unnötig.
PACKENDORF
dem Puffmanns Befremdetsein auffällt.

Nein, sehr nötig, Herr Sekretär! Zu Massengold. Komm, wir wollen dir helfen, dein Archiv durchstöbern.

MASSENGOLD
indem er mit seinen Freunden abgeht.
Ich war Bräutigam und dringe gerichtlich auf Wiedereinsetzung in 'n vorigen Stand.

Alle bis auf Puffmann Seitentüre rechts ab.
3. Szene
Dritte Szene
Puffmann.

PUFFMANN
allein.

Welcher Höllenkobold hat ihm die Geburtsscheinidee ins Hirn gehext!? – Ah, ich hab' wirklich viel von einem gehetzten Eber an mir; immer der ganze Rudel über mich her, der Packendorf als Brakierhund voran, 's Schicksal im roten Frack als Parforcejäger hintendrein. – Die Geburtsscheinradierung kommt jetzt ans Licht – aber der Täter bleibt ja doch im Dunkeln. – Courage! Kann man mir beweisen – kann wer auftreten gegen mich –?

4. Szene
[548] Vierte Szene
Thomas; der Vorige.

THOMAS
zur Mitte eintretend.
Lieber Herr, ich bin da.
PUFFMANN
erschreckend, mit einem unterdrückten Schrei.
Ah – Für sich. jetzt is es mir eiskalt durch alle Glieder gefahren.
THOMAS
pfiffig lächelnd.
Sehn S', ich triff Ihnen halt doch z' Haus.
PUFFMANN.
Glaubt Er denn aber, ich bin nur für Ihn auf der Welt? Ich hab' Geschäfte.
THOMAS.
Die hab' ich auch.
PUFFMANN.
So geh' Er Seinen Geschäften nach!
THOMAS.
Das tu' ich so, deßtwegen bin ich ja da. Sehn S', mein Sohn hat eine Braut.
PUFFMANN.
Gratuliere, kann aber nicht zur Hochzeit kommen, bin schon auf vier Monate eingeladen, alle Tage.
THOMAS.

Nein, es is ein anderer Umstand. Er soll mit ihrem Heiratsgut, was die Braut ihm zubringt, los'kauft werden vom Militär, der Ersatzmann kost't fünfhundert Gulden.

PUFFMANN.

Dann dank' Er Gott, daß Sein Sohn so eine Verschwenderin gefunden hat, und betreib' Er die Sach', eh' sie's reut.

THOMAS.

Es is edel von ihr, ich will aber auch edel sein. Ich nehm's nicht von ihr, mir is's lieber, Sie kaufen mein' Sohn los.

PUFFMANN
aufgebracht.
Wa – was sagt Er da?! – Impertinenter Mensch, hinaus! –
THOMAS
gutmütig.

Oho, ich bin ja Ihr verschwiegener Freund; so bös anschrein könnten S' mich, wenn ich was ausplauschen tät', wenn ich saget, der Mann –

PUFFMANN
ihm den Mund zuhaltend.
Still' Unglückseliger!
[549]
THOMAS.
Ich bin auf kein' Fall unglückselig, aber Sie wären's, wenn ich nicht –
PUFFMANN.

Um 's Himmels willen, still! – Für sich. Was tu' ich? – Mir bleibt nichts übrig – Geht zu seinem Pult.

THOMAS.

Ah, wegen die fünfhundert Gulden bleibt Ihnen noch genug übrig. Meinetwegen b'halten S' die fünfhundert Gulden –

PUFFMANN
freudig überrascht.
Ja, sieht Er ein, daß es zu unverschämt –
THOMAS
in seiner Rede fortfahrend.
Und geben S' mir das, was Ihnen übrigbleibt.
PUFFMANN
grimmig.
Oh, du höhnischer Satan! –
THOMAS.

Hören S' auf! Is das a Red' für so ein' guten Herrn? Mich werden jetzt gleich die ganzen fünfhundert Gulden nicht g'freun. Treuherzig. Schaun S', ich bin ja nicht indiskret', keinem Menschen sag' ich, daß ich ein Geld und wie und warum ich's kriegt hab'. Selbst der Braut wird nur g'sagt, sie haben mein' Sohn nicht mehr braucht bei d' Soldaten, weil der Frieden so stark überhandnimmt.

PUFFMANN
indem er Thomas das Geld gibt.
Da hat Er – aber das sag' ich Ihm, das is zum letztenmal –
THOMAS.
Ein Wort ein Mann! Das is das letzte Geschenk! Nimmt das Geld.
PUFFMANN.
Und jetzt geh' Er!
THOMAS.
Bedank' mich vielmals, mir is nur leid –
PUFFMANN
nach der Seitentüre rechts horchend.
Der gnädige Herr kommt –
THOMAS.

Der kennt mich nicht. Schad'! Wenn er fragen sollt', wer da war, so sag'n S' halt, der Thomas legt sich ihm unbekannterweis' zu Füßen. Geht zur Mitteltüre ab.

PUFFMANN
mit unterdrückter Wut gegen die Türe, wo Thomas abgegangen ist.
Nicht ihm, mir leg' dich lieber zu Füßen, daß ich die Wonne deiner Zertretung genießen kann!
5. Szene
[550] Fünfte Szene
Herr von Packendorf, Herr von Althof, Herr von Seewald; der Vorige.

PACKENDORF
mit Althof und Seewald aus der Seitentüre rechts kommend, zu Puffmann.

Herr, die Sache wird immer kritischer. Herminens Geburtsschein ist durch eine verdächtige Kalligraphie um drei Jahre zurückradiert.

ALTHOF.
Federmesser –
SEEWALD.
Sandrack –
PACKENDORF.
Schwärzere Tinte – alles unverkennbar –
PUFFMANN
mit verstellter Verwunderung.
Was Sie sagen –?
PACKENDORF.

Was wir sagen, das werden Sie gleich hören. Der Baron ist außer sich, das hat eigentlich nichts zu sagen. Wir aber sagen, die Hand, die Gröning bei Herminens Entführung behilflich war, hat auch den Geburtsschein verfälscht.

SEEWALD.
Und wer das eine nicht getan –
ALTHOF.
Der ist auch an dem andern unschuldig.
PUFFMANN
sich in die Brust werfend.
Meine Herren, ich will nicht hoffen –
PACKENDORF.

Wozu viele Worte, Herr Sekretär? Wie wir über Sie zu denken haben, hängt schlechterdings davon ab, ob Ihr gestriges Abhandensein sich durch Bewährung des angeblich gestern, als am siebenten September abends, stattgehabten Liebesabenteuers rechtfertiget. Dixi!

6. Szene
Sechste Szene
Herr von Lockerfeld; Vorige.

LOCKERFELD
zur Mitteltüre hereineilend.
's hat alles seine Richtigkeit! Herr Puffmann, Sie sind ein Teufelskerl!
[551]
PACKENDORF, ALTHOF, SEEWALD. Also wirklich?
LOCKERFELD.

Die ganze Nachbarschaft der Klein- und Krummgasse, und wie sie alle heißen, ist voll davon, daß gestern abends ein eleganter Herr bei Mamsell Klara war. Das Mädchen selbst konnte ich leider nicht zu Gesicht bekommen, aber ich werde Ihr Nebenbuhler, lieber Puffmann! Darauf machen Sie sich gefaßt.

PUFFMANN
jovial.
Eifersucht ist meine Sache nicht.
PACKENDORF
zu Puffmann.

Herr Sekretär, hadern Sie mit den Umständen, nicht mit uns! – Aber Ehrenerklärung, Abbitte, freundschaftliche Genugtuung, das alles drücke sich in diesem Händedruck aus! Reicht Puffmann die Hand.

SEEWALD, ALTHOF, LOCKERFELD Puffmann die Hand schüttelnd. Es tut uns leid –

PUFFMANN.
Dieser rührende Moment entschädigt mich reichlich.

Man hört läuten.
LOCKERFELD.

Die Frühstücksglocke! Beim heutigen Frühstück soll's heiß hergehen! Puffmanns verkannte Unschuld müssen wir leben lassen. –

PACKENDORF.
Und Freund Massengolds Gram in Champagner töten.
LOCKERFELD.
Wir müssen also im strengsten Sinne des Wortes trinken auf Leben und Tod.
PACKENDORF, ALTHOF, SEEWALD lachend. Auf Leben und Tod!
LOCKERFELD
indem er mit Packendorf, Althof und Seewald abgeht, zu Puffmann.
Kommen Sie, Puffmann! Rechts ab.
PUFFMANN.

Sogleich! Schließt sein Pult zu. Ich feiere jetzt den Triumph verkannter Tugend – aber ich kann wohl sagen – Sich die Stirne trocknend. ich habe mir meine Unschuld im Schweiße meines Angesichts erworben. Folgt den übrigen, indem er sich mit dem Schnupftuch Kühlung zufächelt.

[552] Verwandlung

Freier, von Bäumen umgebener Platz vor einem Gasthause außer der Stadt, alles zum Kirchweihfest dekoriert. Im Vordergrunde der Bühne stehen mehrere Tische. Von der dritten Kulisse an über die ganze Breite der Bühne ein um zwei Stufen erhöhter Tanzboden, vom Vorderraume durch Reisiggeländer und papierumwickelte Säulen geschieden; in der Mitte der Aufgang. Rechts auf dem Tanzboden das Orchester. Im Hintergrunde das Gasthaus mit festlich dekoriertem Eingang.
7. Szene
Siebente Szene
Kübler, Frau Küblerin, Susi, Flachs, Frau Flachsin, Klopf, Frau Klopfin, Netti, Schmalzer, Frau Schmalzerin, Spring, Biegel, Leicht, mehrere Handwerker mit Frauen und Mädchen, Kellner, Musikanten.
Alles ist im Sonntagsstaat. Auf dem erhöhten Tanzboden tanzt der jüngere Teil der Anwesenden, darunter Netti, Susi, Spring, Leicht, Biegel. Am Tische vorn rechts sitzen Kübler, Frau Küblerin, Flachs, Frau Flachsin; der Tisch links vorne ist leer. Am nächsten Tische links etwas weiter zurück sitzen Klopf, Frau Klopfin, Schmalzer, Frau Schmalzerin.
An den übrigen Tischen sitzen ebenfalls Gäste, sämtliche Tische sind mit Speisen und Wein bedeckt. Auf dem erhöhten Tanzplatze wird eben der letzte Teil einer Walzertour gespielt, wonach eine Pause eintritt. Die Tanzenden promenieren auf dem Tanzboden; an den Tischen unten wird das eifrig geführte Gespräch fortgesetzt.

FLACHS.
Und wer weiß, wie oft der vornehme Herr schon bei ihr war!
KÜBLER.

Das sag' ich ja, der erste, der attrappiert wird, is immer der, der nach dem letzten von allen denen kommt, die nicht attrappiert worden sind.

KLOPF
zu Netti, welche eben vom Tanzboden herabkommt.
Aber du mußt wieder getanzt haben!
[553]
FRAU KLOPFIN.
Da setz' dich her und kühl' dich ab! Netti setzt sich zu ihren Eltern.
KÜBLER
zu den am nächsten Tische Sitzenden.
Was, Sie wissen die G'schicht' in unserer Gassen noch nicht? Ah, das muß ich Ihnen erzählen!
FRAU FLACHSIN
zur Frau Küblerin.
's liegt alles an der Erziehung.
FRAU KÜBLERIN.
Hübsch achtgeben, nie ein Mädel außer Augen lassen!
SUSI
mit Spring, Leicht und Biegel vom Tanzplatz herabkommend, zu ihren Begleitern.

Ich kann mich doch nicht zerteilen! Zu Frau Küblerin. Frau Mutter, die Herren streiten, wer die nächste Tour mit mir tanzt.

FRAU KÜBLERIN
geschmeichelt zu den drei Begleitern.
Oh, ich bitte –
SPRING.

Wenigstens lass' ich mir das Recht nicht nehmen, jetzt mit der Fräul'n zu promenieren. Gibt Susi den Arm.

BIEGEL UND LEICHT.

Wir auch nicht! Nähern sich mit Galanterie Susi von der andern Seite und gehen mit ihr und Spring links im Vordergrund ab.

FRAU KÜBLERIN
wie oben.
Oh, ich bitte! – Zu Frau Flachsin. Wie's um meine Susi zugeht! –
KLOPF.
Den Brudern, den rechtschaffenen Span, bedauere ich wirklich von Herzen.
KÜBLER
steht auf, nimmt sein Bierglas und gebt zu Klopfs Tisch.

Der Bruder – lieber Himmel – dieser Bruder – man hat ja mehr so Beispiele; ich sag', wenn er nicht einverstanden wär' mit der ganzen G'schicht' –

KLOPF
entrüstet.

Einverstanden?! – Wer kann dem braven Span so was nachsagen, Herr? Sich erhebend. So eine Schwester zu haben is ein Unglück, und wer einen Unglücklichen noch schlecht machen will, der verdient – Macht Miene, Kübler zu packen.

KÜBLER.

Sie haben eine kuriose Ansicht über die G'schicht' in unserer Gassen. Geht wieder zu sei nem Tisch zurück und setzt sich.

[554]
SCHMALZER.
Recht hat er, der Herr Klopf.
FRAU SCHMALZERIN
zu Schmalzer.
Still sei, dich geht's gar nix an.
8. Szene
Achte Szene
Peter, Klara, Thomas; die Vorigen; dann ein Kellner.

THOMAS
mit Peter und Klara von rechts aus dem Vordergrunde.
Aber wie's da voll is! Die ganze schöne Welt –
KLARA
entzückt, ohne auf die Leute zu sehen.
Der Himmel so blau und die Erde so grün.
PETER.
Und doch habens' Blau und Grün zur Narrenfarb' gemacht, das kecke Menschengeschlecht!
THOMAS
zu den Anwesenden.
Gehorsamer Diener allerseits! –
PETER
die Anwesenden grüßend.
Servus!
KLOPF
zu Peter.
Guten Tag!
PETER
ohne zu bemerken, daß nur Klopf seinen Gruß erwidert.
Da is noch ein leerer Tisch, da kann man völlig von Glück reden.
THOMAS
gutmütig schmollend, zu Klara.
Aber Mamsell Klara, Sie schauen immer, was fliegt, aber unserein' schauen S' gar nicht an!
KLARA.
Sein S' nicht bös –
PETER.

Sie is halt überrascht, wie schön der blaue Musterstreif Himmel, der in unser Gassel eingezwickt ist, sich im ganzen Stuck ausnimmt. Sie setzen sich an den Tisch links vorne.

FRAU KÜBLERIN
zu Kübler, Flachs und Frau Flachsin.
Ich begreif' nicht, wie solche Leut' noch wo hingehen können.
KÜBLER.
Frechheit, reine Frechheit!
PETER
zu Klara.
Wenn dir das Heraußtsitzen nur nicht schad't, Klara! Die Septemberluft –
[555]
KLARA.
Will ich eben genießen.
THOMAS.
Und dauert eh' nur bis ersten Oktober.
FRAU FLACHSIN
zu Flachs, Kübler und Frau Küblerin.
Setzen wir uns da hinauf! Nach dem erhöhten Tanzplatz zeigend.
FLACHS, KÜBLER UND FRAU KÜBLERIN. Ja, das tun wir. Stehen auf.
KÜBLER
zu den am nächsten Tische Sitzenden.

Kommen Sie mit uns, das Auf Peter, Klara und Thomas zeigend. ist keine Gesellschaft. Gehen nach dem erhöhten Platze.

THOMAS.
Kellner!
KELLNER
aus dem Hintergrunde zu Thomas.
Sie schaffen?
FRAU SCHMALZERIN
zu Schmalzer.

Unser Tisch wär' gar schön in der Nachbarschaft! Komm! –Steht auf und geht mit Schmalzer nach dem erhöhten Platze.

KELLNER
zu Thomas und Peter.
Sehr wohl. Entfernt sich.
PETER
zu Klara.
Weil's dir gar so g'fallt, so wollen wir da deinen Ehrentag feiern.
KLARA
freudig.
Wirklich?
PETER.

Da dein Josef ohne Loskaufung militärfrei geworden is, dürfen wir schon anderseits etwas weniger ökonomisch sein.

FRAU KLOPFIN
zu Klopf.
Du hast recht! Im Hintergrunde hört man die Instrumente stimmen.
KLOPF.

Es tut einem weh – gehn wir! Geht mit Frau Klopfin und Netti nach dem erhöhten Tanzplatz, die am nächsten Tische Sitzenden folgen ihnen.

THOMAS
dies bemerkend.
Regnet's denn, daß alles geht?
KLARA.
Wir sitzen auf einmal ganz allein.
PETER.
Hörst denn nicht? Die Musikanten stimmen, das zieht alles hinauf.

Kellner kommt mit Gläsern und Wein, Thomas und Peter schaffen während der nächstfolgenden Reden an.
[556]
NETTI
kommt vom Tanzplatze zurück und geht zu dem Tische, wo sie früher gesessen.

D' Frau Mutter muß doch immer was vergessen. Nimmt einen Beutel vom Stuhl und will wieder zurückeilen.

KLARA.
Grüß' dich Gott, Netti! Nimmt sie bei der Hand.
NETTI
sich losreißend.
Laß mich gehn! Läuft nach dem Tanzplatze.
KLARA
befremdet, für sich.
Warum is denn die so unfreundlich? Ich hab' ihr doch nix getan.
SPRING
mit Susi von Seite rechts herbeieilend.
Meine Tänzerin sind Sie, reizende Susette, und kein anderer soll –
BIEGEL UND LEICHT
nacheilend, zu Spring.
Du hast es mit uns zu tun.
KLARA
freundlich.
Susi!
SUSI
zurückweichend.
Geh, die Mutter hat mir's verboten!
KLARA.
Was?
SUSI.

Ich darf nit reden mit dir, ich könnt' verdorben werden. Geht mit Spring nach dem Tanzplatz, Biegel und Leicht folgen.

KLARA
äußerst befremdet.

Was? – Ich kann unmöglich recht verstanden haben. – Sie will einen Spaß machen, aber – Musik im Hintergrunde spielt einen Walzer.

KELLNER
zu Thomas und Peter.
Sehr wohl. Entfernt sich nach dem Hintergrunde.
THOMAS.
Mamsell Klara, verschmähen Sie mich als Kirchtagsupplenten meines Sohnes?
KLARA.
O nein!
THOMAS.
Wenn Sie den Willen fürs Werk nehmen, werden Sie an mir recht ein' guten Tänzer finden.

Thomas, Klara, Peter gehen auf den erhöhten Tanzplatz. Thomas beginnt mit Klara zu tanzen,
allsogleich hören die andern Paare zu tanzen auf; Thomas und Klara tanzen jedoch fort, ohne es zu bemerken. Frau Schmalzerin geht mit Schmalzer, Klopf, Frau Klopfin, Netti und noch einigen Personen vom Tanzplatze herab.
[557]
SCHMALZER.
Solchen Leuten muß man's fühlen lassen.
KLOPF
zu den Seinigen.
Die Netti soll ihr Tuch nehmen, wir gehen nach Haus.
FRAU KÜBLERIN
mit Kübler, Flachs, Frau Flachsin, Susi, Spring, Biegel, Leicht und noch einigen Personen vom Tanzplatz herabkommend, zu Susi.
Mich g'freut's nur, daß du s' so ab'trumpft hast, die Person.
KÜBLER.
Wenn sie's jetzt noch nicht merken, müssen s' Tippelbäum' im Kopf haben.
PETER
noch oben auf dem Tanzplatz, staunend und aufgebracht, für sich.
Was soll denn das bedeuten? Zu Thomas und Klara. Hörts auf! Ihr tanzts ja ganz allein?!
THOMAS UND KLARA
zu tanzen aufhörend.
Was is denn g'schehn?
PETER.

Das werden wir gleich hören. Zum Tanzorchester. Still, Musikanten! Zu dem Tanz spiel' ich mir selber auf! Die Tanzmusik schweigt, zu Thomas und Klara. Kommts! Nimmt beide bei der Hand und führt sie vom Tanzboden herab in den Vordergrund.

KÜBLER
zu den Seinigen.
Für mich is so was ein Genuß!
PETER
zu allen Anwesenden.

Jetzt bitt' ich mir Red' und Antwort aus! Das Aufstehn früher, wie wir uns niederg'setzt haben, das Aufhören jetzt, wie meine Schwester mit ihrem künftigen Schwiegervater zu tanzen hat ang'fangt – war das zufällig oder is es auf uns gemünzt?

MEHRERE ANWESENDE.
Ja, wie man's nimmt – jetzt, das heißt – Ziehen sich zurück.
FLACHS.
Es kann eigentlich jeder tun, was er will.
PETER
ihm drohend.
Das wär' ein Unglück für 'n Herrn, wenn ich jetzt seiner Meinung wär'!
KÜBLER
spitzig zu Peter.
Ohne Ursach' is wohl nix auf der Welt.
SCHMALZER.
Die Nachbarschaft hat Augen im Kopf.
KÜBLER.
Und dann hat jede Nachbarschaft wieder eine Nachbarschaft, die auch nicht blind is.
[558]
FLACHS.
Und 's Reden laßt sich schon gar keine Nachbarschaft verbieten.
FRAU KÜBLERIN, FRAU FLACHSIN, FRAU SCHMALZERIN.
Das ging' uns ab!
PETER.

Oh, jetzt is G'legenheit, jetzt muß g'red't werd'n, und zwar ins G'sicht, das is ganz was Neues für euch, die ihr nur g'wohnt seids, hinter'm Rücken zu reden. Heraus mit der Sprach'!

KLOPF.
Herr Span – ich bin überzeugt, daß der Herr Span keinen Teil hat an der gegebenen Ärgernis –
PETER
frappiert.
Ärgernis –?!
SPRING
zu Peter.

Wenn Sie Fasson hätten, würden Sie uns nähere Erklärungen ersparen und mit den Ihrigen das Weite suchen.

PETER
Spring mit Geringschätzung messend.
Lauf auf d' Herberg', Jüngling, und hol' dir elf Kameraden, über ein' Schneider geh' ich nicht!
KLOPF
zu Peter.
Es is traurig, wenn ein rechtschaffener Bruder so eine Schwester hat. –
PETER.
Was –?!
THOMAS.
Mein' Sohn seine Klara!?
PETER
mit Entrüstung.
Wer kann gegen das Mädel, gegen das Muster von Eingezogenheit und Sitten –
KÜBLER.
Hier is nicht die Red' von die Sitten, die sie hat, sondern von die Visiten, die sie kriegt.
FLACHS.
Alle Abende eine andere.
KÜBLER.
Gestern Abend gar a noble, während Bruder und Schwiegervater im Wirtshaus waren.
PETER
wütend zu Kübler.

Mensch, das war dein letztes Wort, nicht einmal zum Widerruf sollst du mehr ein' Atem kriegen. Will ihn packen.

KLOPF
Peter zurückhaltend.
Halt – er hat leider nicht gelogen.
PETER
entrüstet zu Klopf.
Herr Klopf, Ihnen erwürg' ich mit schwerem Herzen – wann's aber sein muß –
KLOPF.
Ruhig, Freund – ohne Beweis, ohne Gewißheit traueten wir uns keiner, so was zu sagen.
[559]
PETER
seiner Sinne kaum mächtig.

Beweis? Gewißheit? Leut', ihr müßt seit gestern trinken, euer Rausch ist zu enorm für einen Tag, selbst wenn's ein Kirchtag is. – Zu Klara sich wendend. Klara! jetzt is es an dir. Ich hab' nur Fäust' für solche Menschen, du wirst Worte haben für sie. Ich kann nur ihre Leiber blau färben, und das sehr fleckig, du aber kannst ihre ganzen Seelen blutrot machen vor Schand', wenn du ihnen sagst, wie namenlos sie sich an dir versündigt hab'n. Red'!

THOMAS.
Ja, Klara, reden S'!

Klara, die bisher, vor Staunen halb besinnungslos, die Anwesenden anstarrte, bedeckt mit beiden Händen das Gesicht und weint.
FRAU KÜBLERIN
nach einer Pause.
Sie weint!
FRAU FLACHSIN.
Das können wir auch.
MEHRERE FRAUEN.
Jawohl!
PETER
zu Klara.
Red' – so red' doch – es is unmöglich, daß du schuldig bist! Pause.
KÜBLER
zu Flachs.
Wie g'fallt dem G'vattern die Rechtfertigung?
PETER
zu den Anwesenden.
Wo sind die Zeugen einer solchen Beschuldigung?
MEHRERE.
Die werden wir stellen.
KÜBLER UND EINIGE MÄNNER.
O ja, das können wir auch.
PETER
sich dringend zu Klara wendend.
Klara, ich bitt' dich um alles in der Welt – red'!
THOMAS
bittend zu Klara.
Sie blamieren durch Ihr Stillschweigen zwei Häuser.
KÜBLER.
Wenn sie uns Lugen strafen könnt', tät' sie's schon.
FLACHS
zu Thomas.
Die Hußbergerin sitzt drin.
SCHMALZER
Thomas unter den Arm nehmend.
Da kann sich der Herr Thomas am besten überzeugen.
THOMAS
mit Staunen und erwachendem Argwohn.

Was? – Ah, also – ah?! Wird von Flachs und Schmalzer [560] über den erhöhten Tanzplatz nach der Wirtsstube geführt.

PETER
heftig zu Klara.

Red', du unglückseliges Geschöpf! Klara ringt die Hände, will sprechen, aber das Schluchzen raubt ihr die Stimme, sie bricht noch heftiger in Tränen aus und schweigt, ihr Gesicht mit beiden Händen bedeckend.

FRAU KÜBLERIN
zu Kübler, indem sie höhnisch auf Klara zeigt.
Verstehst du die Sprach'?
KÜBLER.
Nein.
FRAU SCHMALZERIN.
Sie weiß halt nix.
FRAU KÜBLERIN.
Welche von uns is denn still, wenn sie was weiß?
KÜBLER.

Recht hat s', die Meinige. Gehn wir jetzt wieder zu unserer Unterhaltung und melieren wir uns nicht weiter.

ALLE
außer Peter, Klara und Klopf.
Freilich, was geht's uns weiter an?! Gehen alle, außer Peter und Klara, auf den Tanzplatz ab.
9. Szene
Neunte Szene
Peter, Klara.

PETER
im Tone des bittern Vorwurfs.
Sie gehn alle – und du laßt das auf dir und –
KLARA
plötzlich wie aus einer Betäubung erwachend.
Er auch? – Sich umsehend. Der Vater Thomas!
PETER.
Der, scheint mir, war einer von die ersten, die sich empfohlen haben.
KLARA.
Er zweifelt an mir?
PETER
etwas schroff und böse gegen Klara.
Man kann ihm's im Grunde nicht verargen.
KLARA.

Er zweifelt an mir und du gibst ihm recht? Das ist dein Ernst nicht, Bruder, mein Herz war ja immer offen, wo hätt' ich da so viel Laster und Betrug versteckt vor dir? Nein, du zweifelst nicht an deiner armen, schuldlos gekränkten Schwester!

[561]
PETER
gerührt, staunend.
Jetzt red't s' auf einmal und früher war s' still.
KLARA.

Ich hab' nicht können, solang' die abscheulichen Leut' da waren – ich hab's anfangs nicht recht verstanden, was s' wollen, wie ich aber auf einmal g'sehen hab', was ihre Absicht is, daß sie wirklich – da hab' ich weinen können, aber mit 'n Reden war's vorbei, ich hab' g'schnappt nach Luft, aber sie war so von Verleumdung verpest't, daß die Sprach' der Wahrheit hat müssen ersticken drin.

PETER
sie gerührt ans Herz drückend.

Gott, wenn das Mädel vor d' Leut' so red'n könnt'! – Mir is alles klar, Klara, ich versteh' dich; andere Leute sagen viel und 's heißt nix, bei dir aber heißt grad das sehr viel, daß du nix hast g'sagt. – »Eure Anklage is meiner Verteidigung nicht wert. Worte der Unschuld sind zu gut, um an euren verdorbenen Trommelfellen abzuprallen, eine Taube wird sich nicht vor den Richterstuhl giftschlammiger Kroten stellen; ihr seid nicht wert, daß ich, daß ich –« mit einem Wort, das alles hast du mit dem Nixsagen g'sagt; ich begreif's akkurat, aber die haben's nicht begriffen. Das Volk muß physisch beim G'nack gepackt und moralisch mit der Nasen drauf g'stoßen werd'n.

KLARA.
Wenn das mein Josef hört!
10. Szene
Zehnte Szene
Thomas; Vorige.

THOMAS
ganz desperat aus dem Hintergrunde kommend.

Mamsell Klara, das schreib' ich mein' Sohn. So hätten Sie nicht handeln soll'n, für so haben wir Ihnen nicht g'halten, denn so

KLARA.
Also können Sie wirklich glauben?
THOMAS.

Was ich glaub', das schreib' ich mein' Sohn. Er darf nicht mehr daher. Seine Rührung bekämpfen [562] wollend. Er soll sich einen Ort suchen, wo er ohne Glück, aber auch ohne Schand' leben kann. Mit vor Tränen erstickter Stimme. Das schreib' ich meinem Sohn.

PETER
scharf zu Thomas.
Hörst du, Thomas, so red't man nicht wegen einem bloßen Verdacht.
THOMAS.

Nein, so red't man nur, wenn man Beweise hat. Bei die Beweis' wär's nicht mehr möglich, ungläubiger Thomas zu bleiben. Ich hab' das Geld in der Hand g'halten, was der vornehme Herr der Hußbergerin ihrem Buben fürs Maulhalten g'schenkt hat; alle Leut' haben's gesehn, er erzählt's öffentlich. Alles drängt sich um ihn, der Hußbergerbub ist der Mann des Tages geworden.

KLARA
vor Staunen fast verwirrt.

Hör' ich recht – ein Geld g'sehn, was man zur Verschwiegenheit –? – Gott im Himmel! – Wie kann denn –? – Ich verliere den Verstand!

THOMAS.

Diese Wohltat wird mir leider nicht zuteil. Ich werd' mit klarem Verstand zuschauen müssen, wie mein desperater Sohn seine ganze Hoffnung auf 'n Nagel hängt und vielleicht sich selber auch dazu.

11. Szene
Elfte Szene
Kübler, Spring, Flachs; die Vorigen.

KÜBLER
mit Spring und Flachs von dem Tanzplatz herabkommend, ruft Thomas angelegentlich zu.
Noch was, Mussi Pflökl! Der Bub sagt, ganz schwarz ang'legt war er, derjenige!
THOMAS.

Und mein Josef glaubt an ihre schneeweiße Unschuld! Armer Sohn – jetzt hast du's schwarz auf weiß.

KÜBLER, SPRING, FLACHS. Komm' der Mussi Pflökl! Nehmen Thomas unterm Arm und führen ihn wieder über den erhöhten Tanzplatz im Hintergrunde ab.

12. Szene
[563] Zwölfte Szene
Peter, Klara.

KLARA.
Er geht! –
PETER.
Und schreibt! –
KLARA.
Entsetzlich!
PETER
kopfschüttelnd und einigermaßen von Zweifeln ergriffen, für sich.

Hm, die G'schicht' mit dem Buben und mit 'n Geld is etwas. – Laut und sehr ernst. Klara, auf ein Wort – es is nur eine Frag'.Verlegen, seinen Zweifel aussprechen zu können.

KLARA.
Oh, mein lieber Bruder, du jetzt noch mein einziges auf dieser Welt! Sinkt weinend an seine Brust.
PETER
mit Herzlichkeit und Vertrauen.
Nein, die Frag' wär' zu dumm! Ich hab' dich fragen wollen, ob du mir ins G'sicht schauen kannst?
KLARA
mit Innigkeit seine Hand fassend und zu ihm aufblickend.
Peter, ich schwöre dir –
PETER.

Du hast nix zu schwören, Schwester, für dich hat die Natur schon 's Zeugnis abgelegt. Stirn und Aug' sind ihre Protokolle, unsere Konduitelisten, unser Steckbrief' und Belobungsdekret' sind da notiert! – Und wer dir in d' Augen schaut und nicht auf 'n ersten Blick Unschuld lest, der is ein ABC-Bub, und wenn er Doktor von fünfzehn Fakultäten wär'!

KLARA
mit Tränen.
Und doch halten s' mich alle für schlecht!
PETER.
Wird alles anders werden, wenn ich von meiner Wanderung zurückkehr'!
KLARA.
Du willst auch wandern?!
PETER.
Ja, durch die Schluchten der Verleumdung bis an den Ursprung der Niederträchtigkeit und dann –
KLARA.

Guter Gott, ich hab' dir ja nichts getan, warum hat denn solches Unheil kommen müssen über mich? Die Hände ringend. Ich kann's nicht überleben.

PETER.

Oho, gar so übel steht's nicht mit dir, du hast inwendig ein reines Bewußtsein und hast auswendig [564] einen Brudern, der sich g'waschen hat; was auf solche Weise von innen und außen g'stützt is, das fallt nicht gleich zusammen wegen ein bisserl Sturm – den Trost kann ich dir als g'lernter Zimmermann geben. Führt Klara im Vordergrunde rechts ab.


Die Tanzmusik beginnt wieder, einige Paare tanzen. Die Spielenden kommen wieder vom Tanzplatz herab, einige rufen den Kellner und schaffen an, währenddem fällt der Vorhang.

3. Akt

1. Szene
Erste Szene
Franz, Rumpf.

FRANZ.
Der Baron is wütend auf die alte Fräul'n.
RUMPF.

Er spricht von Untersuchungsverzweigung, Mitwissenschaft, Helfershelferei. Sie hat ja deswegen von Schloß Eschenau hereinmüssen.

FRANZ.
Wenn man da den Herrn Puffmann dreinbringen könnt', diesen – ich mag gar nicht sagen, wer er ist –
RUMPF.

Ruhig, er ist mein Bureauchef, mir tut 's Herz weh, wenn wer über ihn schimpft, weil ich in meiner Stellung nicht nach Gusto mitschimpfen kann.

FRANZ.
An Ihnen hat er auch schmählich gehandelt.
RUMPF
mit tiefer Kränkung.
Weiß der Franz, was das heißt, dem Amtspersonale die Sporteln entziehn?
FRANZ.
Uns Dienerschaft hat er's ebenso gemacht.
[565]
RUMPF.
Wie gesagt, mir erlaubt meine ämtliche Stellung nicht –
FRANZ.
Setzen wir uns bei mir drin zusamm' zum zweiten Gabelfrühstück.
RUMPF.

Das erlaubt meine ämtliche Stellung, ich lass' es mir wenigstens nicht verbieten von ihr.Geht mit Franz links im Hintergrunde ab.

2. Szene
Zweite Szene
Peter, Frau Hußbergerin, Hansi treten durch das Gittertor links ein.

PETER
zu Frau Hußbergerin.

Es is ihm gestern nix g'schehn und ebensogut garantier' ich der Frau heut' wieder Ihren ganzen, unverletzten Hansi.

FRAU HUSSBERGERIN.
Im Grund kann er ja doch nix davor, der Hansi.
PETER.

Das is g'wiß. Der Wind kann auch nix davor, daß er d' Regenwolken z'sammentreibt, deswegen muß er aber doch hernach die Erde trocknen, die er durch die dritte Hand naßgemacht hat; ebenso muß jetzt der Hansi helfen, das Unheil gutzumachen, was er unschuldig herbeig'führt hat.

FRAU HUSSBERGERIN.
Ich fürcht' nur, daß ein gnädiger Herr dabei im Spiel is.
PETER.

Das is ganz g'wiß, aber deswegen fürchten wir uns doch noch nicht. Der Beschreibung nach muß es einer von die Herren g'wesen sein, die immer beim gnädigen Herrn in Visit' sind, oder der gnädige Herr Baron selbst.

FRAU HUSSBERGERIN.
Gott steh' uns bei!
PETER.

Das wird er, denn 's Recht is auf unserer Seiten. Übrigens kann das Ganze nur an mir ausgehen. Die Gefahr sucht sich in der Regel Opfer, die ringen mit ihr, mit kleine Bub'n gibt sie sich nicht ab.

FRAU HUSSBERGERIN.

Schick' mir 'n der Mussi Span nur bald nach Haus, 's Mutterherz is halt doch immer in Angst. Geht durch das Gittertor links ab.

3. Szene
[566] Dritte Szene
Vorige ohne Frau Hußbergerin.

PETER.
So, Hansi, jetzt werd'n wir wieder da Schildwacht stehn wie gestern.
HANSI.
Nachher krieg' ich aber ein' lebzeltenen Reiter und ein' neuen Ballon.
PETER.

Einen kugelrunden g'schecketen Ballon und ein' lebzeltenen Reiter, der manchen lebendigen an Haltung übertrifft. Schau die Herren nur alle recht gut an, die ich dir zeig'! Nach dem Hintergrunde links zeigend. Sieh, dort kommen zwei.

4. Szene
Vierte Szene
Packendorf, Althof; Vorige.

PACKENDORF
aus dem Hintergrunde links kommend und rechts nach der Terrasse gehend.
Sie ist einmal seine Verwandte.
ALTHOF.
Und wenn er noch so aufgebracht ist über sie!
PACKENDORF.
Wir tun deshalb doch, was die Höflichkeit erfordert.
PETER
der sich nach vorne rechts gezogen, leise zu Hansi.
Is es der? Auf Packendorf zeigend.
HANSI.
Nein.
ALTHOF
mit Packendorf die Treppe hinaufgehend.
Die Sache ist schnell abgetan.
PETER
wie oben, zu Hansi.
Oder der andere? Auf Althof zeigend.
HANSI.
Nein.
PACKENDORF.

Machen wir ihr ein paar Kratzfüße in ihrem Appartement, wo er sie hin verbannt. Geht mit Althof in die Eingangstüre oben auf der Terrasse ab.

5. Szene
[567] Fünfte Szene
Peter, Hansi, dann Seewald.

PETER
zu Hansi.
Also, der dir neulich auf d' Nacht das Geld gegeben hat, das war keiner von die zwei?
HANSI.
Nein, die zwei waren's nicht, es is nur einer g'west.
PETER
auf Seewald zeigend, der eben aus dem Hintergrunde links tritt.
Da schau den Herrn an, Hansi!
HANSI.
Ich seh' ihn schon.
SEEWALD
für sich, ohne Peter und Hansi zu bemerken.

Die andern tun's auch, warum sollt' ich nicht? – Die Terrassentreppe hinaufsteigend. Eine Art von Respekt erfordert, daß man ihr eine Art von Artigkeit erzeigt. Geht rechts oben ab.

6. Szene
Sechste Szene
Peter, Hansi, dann Puffmann.

PETER.
Also, der is's auch nicht?
HANSI.
Nein, der is es gar nicht, da könnt's eher noch einer von die zwei andern sein.
PETER.
Bub, mit dir hab' ich a Kreuz! Still! Zieht ihn rechts in den Vordergrund.
PUFFMANN
aus dem Hintergrunde links, ohne beide zu bemerken.

Mach' ich ihr keine Visit', so erregt es Verdacht, mach' ich ihr eine, so erweckt es Argwohn, das juste milieu sagt: im Beisein der andern eine kurze Aufwartung gemacht. Geht oben rechts ab.

7. Szene
Siebente Szene
Peter, Hansi, dann Lockerfeld.

PETER.
Na, hast dir 'n recht ang'schaut, den?
HANSI.
Ja!
PETER.
War er's?
[568]
HANSI.
Nein, der mir's Geld geben hat, der war schwarz.
PETER.
Du mußt denen Herren auf die G'sichter schaun und nicht auf die Frack'.
HANSI.
So groß muß mein Ballon sein wie dem sein Bauch.
PETER.
Da kommt wieder einer – paß auf, Hansi!Zieht ihn rechts in den Vordergrund.
LOCKERFELD
links aus dem Hintergrunde, ohne beide zu bemerken.

Die Rücksichten soll der Guckguck holen! Macht man Fräulein Ottilie die Honneurs, so beleidigt's den Baron, daß man artig war gegen eine Person, auf die er zürnt; in acht Tagen verzeiht er ihr, und erfährt er dann, daß man ihr nicht die Honneurs gemacht, so beleidigt's ihn, daß man unartig war gegen eine Person, die ihm verwandt ist. Ist während dieser Rede hinaufgegangen. Das Schmarotzerwesen hat doch auch seine Last. Geht oben rechts ab.

8. Szene
Achte Szene
Peter, Hansi.

HANSI.
So muß er ausschauen!
PETER
hastig.
Der dir 's Geld geben hat?
HANSI.
Nein, der lebzeltene Reiter, den ich krieg'.
PETER
mit getäuschter Erwartung, für sich.
Geduld, verlaß mich nicht!
HANSI.
Der mir 's Geld geben hat, der war schwarz.
PETER.

Aber alle Tag' wird er nicht schwarz sein.Beiseite. Wenn alle die Tagdieb', die sich mit erlogne Liebesabenteuer prahlen, immer schwarz gingen, wie brächten denn da die Tuchhändler ihre lichten Codrington und ihre quadrillierten Hosenzeug' an! Nachsinnend. So geht's nicht, ich muß das Ding auf ein' andere Art – die Gelegenheit lass' ich nicht mehr aus. Mir scheint, sie werden sich nicht lang aufhalten da oben. Eine Idee erfassend, zu Hansi, welcher gedankenlos umhergafft. Hansi! Hörst nicht? Da schau, der spiegelblanke Zwanz'ger g'hört dein zum Vernaschen.

[569]
HANSI.
O je!
PETER.

Du mußt aber zu die Herren, wenn s' wieder kommen, sagen: »Die Mutter laßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.«

HANSI
spricht es nach.
Die Mutter laßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.
PETER.
Brav, junges Genie!
HANSI.
Ah, um ein' Zwanz'ger merk' ich mir schon was, aber in der Schul' soll man umsonst alles wissen.
9. Szene
Neunte Szene
Seewald; die Vorigen.

PETER
zu Hansi, auf Seewald zeigend, welcher oben aus rechts heraustritt und die Treppe herabkommt.
Da – sag' jetzt dein' Spruch auf! Zieht sich links nach dem Vordergrunde.
HANSI
Seewald entgegengehend.
Die Mutter laßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.
SEEWALD.

Was für ein Abend? – Was für ein Geld? – Und was für eine Mutter? Hansi schaut ihn an, ohne etwas zu antworten. Dummes Zeug! – Geht links im Hintergrunde ab.

10. Szene
Zehnte Szene
Hansi, Peter, dann Packendorf und Althof.

PETER.

Bravo, Hansi, so war's schon recht. Wenn wieder einer kommt, so sagst du's wieder! Auf die beiden Kommenden zeigend. Siehst, kommen schon!

HANSI.
Das sind aber zwei.
PETER.
Macht nix, sag' nur dein' Spruch! Zieht sich wieder zurück.
HANSI
Packendorf und Althof entgegentretend, welche von der Treppe herabkommen.
Die Mutter läßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.
PACKENDORF
verwundert zu Althof.
Wen geht denn das an, dich oder mich?
[570]
HANSI.
Alle zwei.
ALTHOF.
Das ist eine Bettelei! – Hab' nichts Kleines.
PACKENDORF.

Oder eine Fopperei, und da hätt' ich was Großes drauf. Hansi anfahrend. Wer hat dich angestiftet, du Bursch, du?

HANSI
erschrocken.
Ich kann nix davor. Weint.
ALTHOF.
Laß ihn gehen!
PACKENDORF.
Ich will wissen –
HANSI
weinerlich.
Werd's in mein' Leben nimmer mehr tun.
ALTHOF.
Komm, 's ist nicht der Mühe wert.
PACKENDORF
indem er mit Althof links im Hintergrunde abgeht.
Werd' dich lernen, du Bursch!

Beide im Hintergrunde links ab.
11. Szene
Elfte Szene
Peter, Hansi.

HANSI
weinend.
Frau Mutter! Wo is d' Frau Mutter?
PETER
ihn besänftigend.
Na, was is's denn, Hansi?
HANSI
wie oben.
Zu der Frau Mutter möcht' ich, ich fürcht' mich.
PETER.
Vor wem?
HANSI.
Vor dem Herrn, er hat mich fressen wollen.
PETER.

Die Herrn, die alles fressen wollen, sein am wenigsten zu fürchten. Und was fallt dir denn ein, er hat sich ja vor dir g'forchten!

HANSI.
Wer sagt's denn? Er hat mich ang'schrien.
PETER.
Aber davong'rennt is er.
HANSI
sich umsehend und Mut bekommend.
Richtig – er is fort.
PETER.
Und du bist da, du hast das Feld behauptet.
HANSI.
Weil ich Courage hab'!
PETER.
's traut sich keiner über dich!
HANSI
sich in Positur werfend.
's sollt' nur einer kommen!
12. Szene
[571] Zwölfte Szene
Puffmann, Lockerfeld; Vorige.

PETER
auf beide zeigend, welche eben oben herabkommen.
Da sind gleich zwei.
HANSI
bramarbasierend.
Und wann's sechse wären!

Geht beiden entgegen.
PETER
leise zu Hansi.
Bist ein Mordmann! Zieht sich nach links im Vordergrunde.
HANSI
zu Puffmann und Lockerfeld in keckem Tone.
Die Mutter laßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.
PUFFMANN
betroffen.
Was?! –
HANSI.
Die Mutter –
LOCKERFELD
zu Hansi.

Die Mutter soll ein andermal keinen so dummen Buben schicken, der die Leute nicht kennt. Sich zu Puffmann wendend. Nun ja, uns geht die Post nicht an.

PUFFMANN.

Freilich, uns geht's nichts an, diese Post, gar eine dalkete Post! Hat Lockerfeld bis in den Hintergrund links begleitet. Werd' gleich nachkommen. Während Lockerfeld abgeht, kehrt Puffmann eilig zurück.

13. Szene
Dreizehnte Szene
Vorige ohne Lockerfeld.

PUFFMANN.

Knab' – wo bist denn, lieber Knab'? Geh her, guter Knab'! Sehr freundlich zu Hansi, ohne Peter, welcher sich links lauschend verbirgt, zu bemerken. Hast du mir sonst noch was auszurichten?

HANSI.
Die Frau Mutter laßt sich bedanken für das Geld –
PUFFMANN.
Sonst nichts? –
HANSI
seine Rede ergänzend.
Von neulich abends.
[572]
PUFFMANN
beiseite, mit Beziehung auf den eben abgegangenen Lockerfeld.

Das hätt' der schon hören dürfen. Zu Hansi. Weißt was, sag' du deiner Mutter, sie braucht kein solches Aufhebens zu machen über die bewußte Sach'! Da schick' ich ihr drei Taler, sie soll aber nur dann reden, wenn sie befragt wird. Kannst dir das merken, Bubi? Gibt ihm Geld.

HANSI
ihn groß anglotzend.
Ja. Nimmt das Geld.
PUFFMANN.

Also jetzt geh und laß dich nicht wieder da sehen, Bubi, sonst packet dich vielleicht wer beim Schopfi oder ziehet dich tüchtig beim Ohri, daß du auf einer Seite ausschauest als wie ein Esi – das merk' dir, du Bubi! Geht im Hintergrunde links ab.

14. Szene
Vierzehnte Szene
Peter, Hansi.

PETER
frohlockend, doch mit inneren Grimm vortretend und dem abgehenden Puffmann nachblickend.
Hab' ich dich!?
HANSI.
Mussi Peter, das war der Mamsell Klarl ihr Schwarzer, heut' hat er sein' lichten Tag.
PETER.
Geh nach Haus zu deiner Mutter!
HANSI
freudig springend.
Und die Menge Geld! Juheh! Der Schwarze soll leben! Läuft im Vordergrund links ab.
15. Szene
Fünfzehnte Szene
Peter, Rumpf kommt aus dem Hintergrunde links.

PETER
hastig zu Rumpf.
Wer war der Herr? Sie müssen ihn begegnet haben.
RUMPF.
No, no, is Feuer im Dach?
PETER.
Nein, Für sich. mich brennt's nur unter die Sohlen.
RUMPF.
Und was is denn das für eine Manier? –
[573]
PETER.

Ich hab' g'fehlt! So wird's vielleicht recht sein: Wollten Sie die gütigste Gewogenheit haben, mich hochgeneigt mit einer Auskunft beehren zu wollen – wer war der Herr?

RUMPF.

Dieser Herr war der Herr von Puffmann, Güterintendant, Generalinspektor, geheimster Sekretär, Kassendirektor und Fadteekoktum des Herrn Baron von Massengold, und ich bin vom Amt. Geht stolz die Treppe rechts hinauf und oben ab.

PETER
sich verneigend.
Hab' keinen Augenblick daran gezweifelt.
16. Szene
Sechzehnte Szene
Peter allein.

PETER.

Jetzt kenn' ich also meinen Mann, ich sage, meinen Mann – er is mir verfallen, er is Eigentum meiner beleidigten Familienehre. Ja, ja, Herr Intendant, Faktotum und dirigierender Gott weiß was, wenn du noch zehn Chargen hättest und wenn du Obergroßmufti des Sultans von Babylon und Ninive wärst, für mich bist du ein Taschendieb des ehrlichen Namens, du bist versetzt im Pfandhaus meiner Rache, nur die vollste Wiederherstellung der Unbescholtenheit meiner Schwester löst dich aus! – Aber halt! Ist die Zuversicht, auf der mein blinder Glaube stolziert, nicht etwa eine dünne Eisrinde, wo mir vielleicht beim nächsten Schritt Einsturz ins kalte Wasser der Beschämung droht? – Ich glaub' fest an meine Schwester, das ist schön von mir – aber das Schöne kann auch dumm sein, wir haben an vielen Schönen den Beweis. – Wenn sie vielleicht doch – wenn vielleicht – verfluchtes Losungswort des Zweifels! – Lächerlich! Geschmacksverirrung in diesem Grade! Klara, die Luftgestalt, und dieser von Erdengenuß ang'schoppte Wohllebensack, unmöglich! – Hm – welcher Entdecker hat das schon bemessen, wie weit sich die äußersten Vorgebirge der Möglichkeit ins Meer der Unmöglichkeit hinein erstrecken? – »Glänzende [574] Partie« heißt die Fee, die oft Wunder wirkt in jungfräulichen Herzen, und selbst die ordinäre Hex' »Reichliche Versorgung« hat schon in zarten Wesen riesige Selbstverleugnung erzeugt. – Ich muß wissen, ob er ihr ganz fremd ist – ich muß sie einander gegenüberstellen. Fallt die Überzeugung nicht so günstig aus, wie ich überzeugt bin, daß sie ausfallen muß, das wär' von so einem Mädel ganz was Neu's, und es gibt ja nix Neues unter der Sonne, man sagt wenigstens, es war alles schon da. Ich aber sag' konträr, es war eine Menge noch nicht da, und dann kann man ja das, was sich in Jahrhunderten nur einmal ereignet, doch auch unter das Neue rechnen.


Lied


1.

Es tut einer prassen
Ganz über die Maßen.
Um Geld z' kriegen in d' Hände,
Verspricht er Prozente;
D' Leut' blend't d' Equipagi,
Vertraun ihm ihr Laschi.
Gach tut er verschwinden,
Is in Neu-York zu finden;
Die Gläubiger fluchen,
Dort können s' ihn suchen.
Solche Fälle, na ja, war'n schon tausendmal da.
Doch daß einer saget: »Meine Herren Kreditoren,
Noch habts nix verloren;
Doch Betrug bringt kein' Segen,
Drum nehmts mein Vermögen,
Daß ich niemand betakl',
Mit mein' G'schäft hat's a Hakl.
Auch, was auf d' Frau geschrieben,
Nehmts hin nach Belieben.
Sie geht gern mit mir betteln, wenn ich Ehr'nmann nur heiß'!« –
Ja, so eine Krida wär' ganz etwas Neu's.

[575] 2.

D' Frau is jung und sauber,
Und ihr alter Tauber
Hat ein' jungen Bekannten,
Weitläufig Verwandten;
Der Alte is rheumatisch,
Der Freund is sympathisch;
Der spielt ohne Ende
Cavaliere servente
Und seufzt sehr bedeutend
Auf d' Frau, sie begleitend.
Solche Fälle, na ja, war'n schon tausendmal da.
Doch daß so ein Freund saget: »Bedenken Sie, Gnädige,
Sie sind keine Ledige,
Verfolgen mich mit Blicken,
Das tut sich nicht schicken;
Wie S' von Liebe was sagen,
Muß ich Ihnen verklagen,
Denn in jeder Hinsicht,
Ihr Mann, der verdient's nicht,
Trotz Husten und Podagra liebt 'r Ihnen heiß!«
A Hausfreund, der so red't, wär' ganz etwas Neu's.

3.

Eine Stelle is offen
Nach zwanz'gjährigem Hoffen;
D' Praktikanten, die rennen,
Wenn s' vor Hunger noch können;
Die schon z' schwach auf 'n Füßen,
Es schriftlich tun müssen.
So auch d' schwarzenfracklosen
Besitzer lichter Hosen;
Kurz, alle tun s' bitten
Mit Schrift und Visiten.
Solche Fälle, na ja, war'n schon tausendmal da.
Doch daß einer saget: »Ich soll avancieren? –
Da muß i deprezieren!
's soll'n noch Jahre verfließen,
[576]
Muß mich erst recht einschießen;
Und dann wär's auch billi,
Ein' z' wähl'n mit Famili.
Sie werden vor mir und hinten
Verdienstvoll're finden;
Unter uns praktiziert manch gar würdiger Greis.« –
A Praktikant, der so red't, das wär' ganz etwas Neu's.

4.

»Heiraten S' mein Mädl,
's Herz is gut und edel;
Die Welt hat nichts zweites
So Braves und G'scheites;
Sie is sanft und geduldig
Und gar so unschuldig;
Und trotz ihrer Schönheit
Tragt s' nur a Delaine-Kleid;
Sie machen ein' Terno!
Was Terno? Weit mehr no!«
Solche Mütter, na ja, war'n schon tausendmal da.
Doch daß d' Mutter saget: »So erwünscht Sie mir wären,
Müssen S' doch d' Wahrheit hören.
's Madel is voller Fehler,
Wirft um mit die Teller;
Jeder Putz is ihr z' weni,
Steht auf erst um zehni;
Und damit S' alles wissen,
Bevor S' den Bund schließen,
Sie hat auch schon zwei Liebhaber g'habt, die ich weiß.« –
A Mama, die so red't, das wär' ganz etwas Neu's.

5.

Z' Georgi, z' Michäli,
Wann der Zins is kaum fälli,
Kummt er glei mit 'n Wachter;
Wann d' Parteien warten, lacht er;
Und tät's d' Partei wagen,
Beim Zinszahl'n zu sagen:
[577]
»Rep'ratur wär' sehr nötig!« –
Das nimmt er ungnädig;
So a Begehr'n wird verweigert,
Zur Straf' d' Partei g'steigert.
Solche Hausherrn, na ja, war'n schon tausendmal da.
Doch daß der Hausherr saget: »Sie tun viel spendier'n,
Hab'n alls lass'n reparier'n, –
Die prächtig'n Tapeten,
D' neuen Öfen, die netten,
Parketten von Ahorn,
Aus an Zimmer sein zwa wor'n –
Meiner Seel', es wär' schändli,
Wir' i da nit erkenntli.
Hundert Gulden vom Zins lass' i Ihnen nach zum Beweis.« –
A Hausherr, der so red't, wär' ganz etwas Neu's.

6.

D' Köchin rechnet alls teuer,
Fleisch, Butter und Eier,
Auch bei d' Hendeln und Anten
Profitiert s' für 'n Amanten;
Er muß s' einkaufen führ'n
Und beim Einbrenneinrühr'n
Halt't er zärtlich ihr 's Pfandl,
Nennt sie »Laura« statt »Sandl«,
Und so oft s' mit ihm g'spannt is,
Kocht s' gar, daß 's a Schand' is.
Solches Dienstvolk, na ja, war schon tausendmal da.
Doch daß eine saget, tut s' ihr Liebhaber b'suchen:
»Kuchel g'hörte zum Kuchen,
Ale nit, daß scharmier' ich,
Traktament ganz ruinier' ich;
Drum scher' dich Weg' deinige,
Leid't 's nit Frau meinige;
Hab' ich Dienst prächtiges,
Zahl'n s' Lohn grußmächtiges,
Daß ich betrag' mich mit sittsame Fleiß.« –
A Köchin, die so red't, wär' ganz etwas Neu's.

[578] 7.

Daß Entrepreneure
Sag'n: »Alls für die Ehre!
Ich bin glücklich hienieden,
Wann's Publikum z'frieden;
Will gar nix gewinnen
Als Beifall von Ihnen;
Mit freudigem Herzklopfer
Bring' ich jedes Opfer;
's glimmt dankbar der Funke,
Auch wenn ich zugrund geh' –«
Solche Floskeln, na ja, war'n schon tausendmal da.
Doch daß einer nix sagt und alles anwendet,
Um herz'stell'n vollendet
Mit tüchtige Kampel
Ein rundes Ensemble,
Auch von nahe und ferne
Z'samm'trommelt die Sterne,
Die hell strahl'n am Himmel
Im Künstlergewimmel –
Und alles das um die gewöhnlichen Preis'!
So ein Unternehmer, das wär' ganz etwas Neu's.

8.

's tut oft Mißjahre geben
Fürs Korn und für d' Reben;
Kein Getreid' fechst der Bauer,
Die Weinbeer' bleib'n sauer,
Ka Zuspeis kann wachsen,
's Wetter macht solche Faxen,
Daß sogar – wer sollt's denken?
Sich d' Erdäpfel kränken.
Natürlich heißt's dann: Heuer
Wird's unsinnig teuer.
Solche Fälle, na ja, war'n schon tausendmal da.
's gibt aber auch Jahre, wo alles g'rat prächti,
's Korn dick und hochmächti;
's gedeiht Kelch und Weizen,
[579]
Die Obstbäum' tun s' spreizen
Antivi und Zeller –
Zu klein werden d' Keller;
Stoff zu zahllosen Affen
Tut im Mostquantum schlafen;
Daß in so ein' Segen-Gottes-Jahr' d' Lebensmittelpreis'
Dann wohlfeil'r auch wurden, wär' ganz etwas Neu's.

Links ab.

Verwandlung

Puffmanns Bureau wie im Anfang des zweiten Aktes.
17. Szene
Siebzehnte Szene
Puffmann, Thomas.

PUFFMANN
sehr aufgebracht aus der Seitentüre links kommend, zu Thomas, welcher ihm folgt.
Und wann Er mir ein halbes Jahr lang aus ein' Zimmer ins andere nachgeht, es is umsonst. Punktum!
THOMAS.
Ach nein, Sie können mir nix abschlagen, lieber Herr, das weiß ich schon.
PUFFMANN.
Zweitausend Gulden! Heillose Unverschämtheit!
THOMAS.

Nur zu leihen, und das nur auf unbestimmte Zeit. Ein anderer, wenn er mit Ihnen in dem Verhältnis wär', verlanget's g'schenkt, natürlich, ein unbescheidener Mensch machet sich so was zunutzen.

PUFFMANN
seinen Grimm kaum bemeistern könnend.
Red', Vampyr!
THOMAS.
Ich hab' kein' Tropfen Bier trunken seit drei Täg'!
PUFFMANN.
Bist du ein Mensch oder bist du reines Qualgespenst?
THOMAS
traurig.
Bei meinem Unglück wär's wirklich kein Wunder, wenn ich a bißl aufdringlich wurd'.
[580]
PUFFMANN.
Was hat Er denn für ein Unglück, was Ihn zu solcher Brandschatzung treibt?
THOMAS.
Mein Sohn hat heiraten wollen.
PUFFMANN.
Woll'n? Das is noch kein Unglück! Wenn er g'heirat't hätt', könnt' man eher so sagen.
THOMAS
schmerzvoll.
Wenn nur das nicht g'schehn wär' –
PUFFMANN
mit erzwungener Treuherzigkeit.

Was denn, guter Zimmermann? Teil' dich mir mit, ich werd' dir statt dem Geld einen guten Rat geben, der mehr wert is. Red'!

THOMAS.
A nobler Herr hat mein' Sohn seiner Braut ihren Ruf verschandelt.
PUFFMANN.
So soll er sie sitzenlassen.
THOMAS.
Wär' das recht und billig?
PUFFMANN.

Freilich, recht billig. 's Sitzenlassen is immer billiger als 's Heiraten. Wirst sehen, lieber Professionist, wir richten's ohne die zweitausend Gulden.

THOMAS.

Nein, 's Madel is brav; nur in Anfang das G'schrei von die Nachbarsleut' – das hat mir den Kopf so voll g'macht – ich bin das nicht g'wöhnt – und da hab' ich in der Verwirrung – aber nein, sie kann nicht schlecht sein, die Klara.

PUFFMANN
betroffen.
Was? »Klara« sagt Er?
THOMAS.
So heißt sie, Nähterin ist sie, in der Kleingassen logiert sie.
PUFFMANN
beiseite.
Verflucht! – Zu Thomas. Und kennt Er denjenigen, der –
THOMAS
immer mehr in Aufwallung geratend.

Haben Sie g'hört, daß seit 'n Siebenten einer zerrissen worden is? Nein, also kann ich ihn noch nicht kennen.

PUFFMANN
ängstlich.
Und Sein Sohn?
THOMAS.

Mein Josef vom Militär? O je, gegen den bin ich noch ein Lamperl! Wenn der den Täter erwischt, der wirft augenblicklich sein Fleisch den Geiern vor, gibt sein Blut dem Erdboden zu trinken und laßt mit seiner Asche die Winde »Frau G'vattrin, leih mir d' Scher'!« spiel'n.

[581]
PUFFMANN
unwillkürlich schaudernd.
Gräßlicher Kerl!
THOMAS.
Ein guter Kerl, so lang er's mit honette Leut' zu tun hat.
PUFFMANN.
Und was hat Er denn mit die zweitausend Gulden vorg'habt?
THOMAS.

Die muß ich haben. Mit die reisen wir, ich, mein Sohn und die Klara, in die Fremd', vielleicht noch um a paar hundert Meilen weiter, und wenn wir in der Fremd' recht ein' unbekannten Ort finden, so lassen wir uns nieder. Sie hat fürs Ausland einen unbefleckten Ruf, und mein Sohn hei rat't sie.

PUFFMANN.
Wann reist ihr fort?
THOMAS.
Heut' noch, zuerst zu mein' Josef und dann weiter.
PUFFMANN
aufatmend, als er ihn für immer loszuwerden hofft.

Sein Schicksal geht mir sehr nahe – Er soll das Geld haben. Geht zu seinem Pult und schließt ein Fach auf.

THOMAS
gerührt.

Oh, Sie guter Herr, ich hab's ja gleich g'wußt. Sie stell'n Ihnen nur manches Mal, als ob Sie hartherzig wären, 's is aber nicht Ihr Ernst. Ich war so g'wiß, daß ich gleich den Schuldschein mitgebracht hab'. Legt das Papier aufs Pult. Aber Sie haben da a Menge Geld.

PUFFMANN.

Is schon viel weniger g'worden, seit ich das Vergnügen Seiner Bekanntschaft hab'. – Aber noch eins, wenn Er oder Sein Sohn in späterer Zeit jemals erfahren sollte, wer das Mädel ins G'schrei hat bracht –

THOMAS.

Dann fallt derjenige auf eine furchtbare Art, und er kann nix G'scheiters tun, als früher schon im Grab zu liegen.

PUFFMANN.

Nein, Freund, so böse Menschen unterstütz' ich nicht. Rachsucht is was Abscheuliches; Er kriegt das Geld nur, wenn Er mir heilig verspricht, daß Er dem Verleumder, der außerdem vielleicht ein [582] lieber Mensch ist, verzeiht und Seinem Sohne befiehlt, dasselbe zu tun.

THOMAS.

Euer Gnaden nehmen sich an um den unbekannten schlechten Kerl? 's is völlig rührend, was Sie für a gutes Gemüt haben. – Ihnen zulieb' wollen wir ihm verzeihn.

PUFFMANN.

Schöne Flatusen, die Er mir sagt! Gibt ihm das Geld. Da nehm' Er also, reis' Er glücklich und vergess' Er nie, was Er versprochen hat.

THOMAS.
Oh, Sie rarer Mann! –
PUFFMANN.

Jetzt geh' Er durch das Zimmer Nach links deutend. und eil' Er über die Schneckenstiegen, daß Ihn niemand sieht.

THOMAS.

Weiß schon, durchs kleine Türl; oh, ich bin ja bei Ihnen schon wie zu Haus. – Pfirtgott!Geht zur Seitentüre links ab.

PUFFMANN.
Geh zum Teufel!
18. Szene
Achtzehnte Szene
Puffmann, dann Tupper.

PUFFMANN
allein.
Schicksal, sag' mir nur, was du auf einmal für ein vermaledeites Schicksal wirst!?
TUPPER
aus der Seitentüre rechts kommend.
Herr von Puffmann!
PUFFMANN
erschöpft vor Ärger.
Oh, mein lieber Tupper –
TUPPER.
Die Desperation des gnädigen Herrn –
PUFFMANN.
Kommt auf keinen Fall der meinigen gleich.
TUPPER.
Wieso? Ihr Blutegel war doch nicht schon wieder da?
PUFFMANN.

Nicht genug, daß er zufällig Mitwisser der Geburtsscheinverfälschung ist, er ist noch viel zufälliger der Vater vom Bräutigam des Mädels.

19. Szene
[583] Neunzehnte Szene
Friedrich; Vorige.

FRIEDRICH
tritt meldend ein.
Es sind zwei Leute draußen –
PUFFMANN.
Sollen warten!
FRIEDRICH.
Sie sagen, sie sein herb'stellt.
PUFFMANN.
Dann soll'n s' erst recht warten.
FRIEDRICH.
Ganz wohl. Zur Mitte ab.
20. Szene
Zwanzigste Szene
Vorige ohne Friedrich.

PUFFMANN
kleinlaut.
Sie haben mir was sagen wollen vom –
TUPPER.

Vom gnädigen Herrn, daß er über den Brief, den er eben von seiner entflohenen Hermine, nunmehrigen Frau von Gröning, erhalten, außer sich ist.

PUFFMANN.

Brief von der Hermine? Das is wichtig, da wollen wir vor allem an seiner Türe Barometerbeobachtungen über den Grad und die mutmaßliche Dauer seiner Desperation anstellen. Kommen Sie, Tupper! Beide gehen zur Seite rechts ab.

21. Szene
Einundzwanzigste Szene
Peter, Klara.

KLARA
noch unter der Türe zu Peter, der ungeduldig eintritt.
Aber, Peter, du sollst doch nicht –
PETER.
Der Livreeknopf hat Zeit g'habt, daß er gegangen is.
KLARA.
In dem Zimmer is niemand.
PETER.

Macht nix, ich wart' hier leichter als im Vorzimmer. Ich bin doch Zimmermann, aber in die Vorzimmer [584] kann ich mich nicht finden. Ein Vorzimmermann is halt eine ganz eigene Profession. Viele erheben s' zur Kunst, mancher bringt's bis zur Virtuosität darin, 's is schwer z' lernen, und doppelt schwer für den, den sein Unstern in sein' alten Tag'n erst zum Lehrbub'n im Vorzimmermannhandwerk macht.

KLARA.
Ich begreif' aber nicht – –
PETER
ohne auf sie zu hören, für sich, indem er auf seine silberne Uhr sieht.

Jetzt wart' ich noch da fünf Minuten – wenn der Herr Puffmann aber vielleicht glaubt, ich geh' fort aus Ungeduld, dann wart' ich erst noch den ganzen Tag.

22. Szene
Zweiundzwanzigste Szene
Puffmann; Vorige

PUFFMANN
aus der Seitentüre rechts kommend und die Anwesenden erblickend.
Was is denn das für eine Art?
PETER.
Euer Gnaden verzeihn –
PUFFMANN.
Hab' ich nicht gesagt, draußen warten?
PETER.
Euer Gnaden haben aber nicht gesagt, wie lang; drum bin ich herein'gangen.
KLARA
ängstlich, leise.
Gehn wir, Bruder!
PUFFMANN.
Was will das Frauenzimmer?
PETER.
Die Tücheln hat s' bracht.
PUFFMANN.
Was für Tücheln?
KLARA
schüchtern.

Die ich vom Kaufmann zum Einsaumen hab' kriegt; mein Bruder sagt, sie g'hören für Euer Gnaden, und hat g'sagt, Euer Gnaden haben befohlen, ich soll s' selbst überbringen.Will Puffmann ein Päckchen seidne Sacktücher reichen.

PUFFMANN.

Ich weiß nichts von Tücheln. Zu Peter. Und wie kann Er ihr denn sagen, ich hab' sie bestellt, eine Person, die ich in meinem Leben nicht gesehn hab'?

[585]
PETER
welcher Klara und Puffmann mit prüfendem Blicke betrachtet.
An mein Herz, du unschuldiges Wesen, ich hab's voraus g'wußt, aber nur nicht ganz g'wiß. Umarmt sie.
PUFFMANN
erstaunt.
Was is denn das?! Seit wann umarmt man sich in meinem Bureau?
PETER
zu Klara.
Sei nicht bös, aber ich hab' die Überzeugung zu notwendig gebraucht.
KLARA
unruhig.
Ich weiß nicht, Peter –
PETER
auf Puffmann zeigend.

Da schau dir 'n an, das is der noble Herr, der sich mit deiner gemeinen Ehre einen noblen Spaß hat g'macht.

KLARA
sehr ergriffen.
Was? Der is es – also gibt's wirklich so einen Menschen? – Himmel – mir wird ganz –
PETER.
Nein, dir braucht gar nicht zu werden, laß mich für alles sorgen und geh.
KLARA.
Aber, lieber Bruder –
PETER.

Unten vor 'n Schloßtor wart' auf mich, meine gute, reine Klara. Führt sie zur Mitteltüre, Klara geht ab, er kehrt um.

23. Szene
Dreiundzwanzigste Szene
Puffmann, Peter.

PUFFMANN
halb für sich.
Hab' ich recht g'hört? – Klara, hat er g'sagt?
PETER.
Ja, Klara Span, g'spannen S' was?
PUFFMANN
verlegen und mit erzwungener Freundlichkeit.

Und der Herr is der Bruder? Älterer Bruder vermutlich. Na, mich g'freut's, daß ich die ganze Familie kennenlern'.

PETER.

Besteht nur aus zwei Personen, aus einer beleidigten Schwester und aus einem Rechenschaft fordernden Bruder, is ganz eine unbedeutende Familie.

[586]
PUFFMANN
verlegen.
Es scheint bei der ganzen Sache die Obwaltung eines Irrtums stattzufinden.
PETER.

Bei Ihnen kann man sich auch leicht irren. Ich, zum Beispiel, hätt' Ihnen für einen honetten Mann gehalten. Entschuldigen, das kommt von dem distinguierten Futteral, in dem Ihre verleumderische Schlechtigkeit steckt.

PUFFMANN
imponieren wollend.
Freund, bedenk' Er, was Er spricht!
PETER.
Ich sprech', wie ich denk'.
PUFFMANN.
Denk' Er, was Er will, aber menagier' Er sich im Reden!
PETER.

Ja, ja, ich red' zu viel und vergiß, daß ichEtwas die Faust ballend. handeln soll. Ihm nähertretend. An das haben Sie mich doch nicht erinnern woll'n?

PUFFMANN
sich etwas retirierend.
Hat Er Beweise?
PETER.
Ich war dabei, wie Ihnen der kleine Bub wiedererkannt und von Ihnen 's zweite Mal Geld kriegt hat.
PUFFMANN.
Also Er und ein kleiner Bub? Letzterer kann keine gültige Zeugenschaft –
PETER.
Kinder und Narren reden die Wahrheit.
PUFFMANN.
Dann hat's aber nur ein Kind und, salva venia, ein Narr g'sagt.
PETER
geht erzürnt auf Puffmann los.
Herr, wissen Sie, daß einem Narren nicht zu trauen is?
PUFFMANN
retiriert sich hinter das Pult.
Zurück, ich steh' unter dem Schutz mehrerer Kodexe, Paragraph –
PETER.

Ich brauch's Numero nicht zu wissen, genug, daß ich den Inhalt weiß. Den Geldräuber darf ich aus Notwehr niederstechen, aber wer mir Unersetzliches raubt, dem soll ich nachschauen mit trostlosen Kalbsaugen und ungeballter Faust? – Wissen Sie aber auch, daß gerade dieser Paragraph am wenigsten auf wallendes Blut und zuckende Nerven berechnet is?

PUFFMANN
einlenkend.

Zu was Zuckung, zu was Wallung? Wir richten's ungezuckt und ungewallt. Ich [587] gesteh's, ich hab' g'fehlt, und daß ich das eing'steh', is ja schon edel, und da schau' Er her! –Ein Fach in seinem Schreibpult aufschließend. Dieses Metall is noch edler.

PETER.

Sie wollen mir Ihren Reichtum produzieren? Das is ja eine ganz verfehlte Spekulation! Wenn man die Nachsicht des gereizten Armen braucht, soll man ihn am wenigsten erinnern an die angeborne Feindschaft zwischen arm und reich.

PUFFMANN.
Ich zeig' Ihm ja das Geld, um Ihm einen Ersatz zu leisten –
PETER.

Sie haben also wirklich die Keckheit, mir Geld für Ehre anzubieten? Möglich, daß Ihre Ehre fünfmal Platz hat in dem Dukatenladl, für einen rechtschaffenen Mann seine is die Schatzkammer z' klein.

PUFFMANN.

Ah, das is stark! Ein Mensch, der kein Geld nimmt! Außer sich vor Staunen. Das is über ein' Starl, der kein' Mehlwurm frißt! Red', liebes Wundertier, das ich so gern befriedigen möchte! Red', was ist dein Gusto, was willst du?

PETER.
Nichts als eine Erklärung!
PUFFMANN.
Erklärung? Hm, kuriose Passion!
PETER.

Eine vor Zeugen, die ich bestimmen werd', abzugebende beweiskräftige Erklärung, wo Sie waren und was Sie unternommen haben am siebenten September abends, nämlich an demselben Abend, wo Sie durch schmähliche Lügen meine Schwester um ihre Reputation gebracht.

PUFFMANN
betroffen.
Was ich am siebenten September abends unternommen?
PETER.

Müssen Sie unwiderlegbar dartun, denn die Zeugen müssen überzeugt werden, daß Sie gar nicht haben bei meiner Schwester sein können.

PUFFMANN
kleinlaut.
Freund, das geht nicht, das kann ich nicht.
PETER
auffahrend.
Was? – Sie weigern sich noch?
[588]
PUFFMANN.
Fordre, was du willst, nur den siebenten September lasse mir ungeschoren!
PETER.
Das scheint ja mit dem siebenten September ein eigenes Bewandtnis zu haben?
PUFFMANN.

Na, freilich. Zutraulich. Drum verlang' Geld, viel Geld und extra noch Septemberbeweise, so viel du willst, nur den siebenten b'halt' ich mir vor.

PETER
ihn verächtlich betrachtend.

Wie doch der letzte gute Freund des Schlechten, das bisserl Verstand, Reißaus nimmt in der Angst! Ihr Hirn muß Staubferien haben oder es is mit dem Naturalquartier in Ihrem Kopf nicht zufrieden, daß es Ihnen feindlich den Rat gibt, mir Ihren verwundbarsten Punkt zu verraten.

PUFFMANN
von Angst ergriffen.
Freund, Er wird doch nicht –
PETER
entschlossen.

Gerade jetzt mit doppelter Unerbittlichkeit auf die Erklärung dringen! Sieben is die Zahl des Bösen; mit Ihrem Leibnumero geh' ich Ihnen zu Leib. Unsere abgeschnittene Ehre kann Ihnen Ihr ganzes Ansehen kosten. Sie sollen womöglich Ihre Ehrenstelle verlieren, weil sie bei Ihnen, wie bei manchem andern, nur die Stelle der Ehre vertritt.

PUFFMANN.
Nehm' Er Räson an, Er wird's bereuen!
PETER.

Drohen Sie nicht, Sie Hochgestellter, der gerechte Zorn hat Flügel, die einen hoch über jeden Beleidiger erheben! Wart' nur, Bedeutender, du sollst die Bedeutendheit des Unbedeutenden empfinden. Will zur Mitte ab.

PUFFMANN
in der Angst einen Entschluß fassend.
Halt, Freund, halt! Für sich. Ist denn kein Tupper in der Nähe? Zu Peter. Ich werd' Ihn befriedigen.
24. Szene
Vierundzwanzigste Szene
Tupper; die Vorigen.

TUPPER
aus der Seitentüre rechts kommend, zu Puffmann.
Der gnädige Herr hat soeben –
[589]
PUFFMANN
zu Peter, indem er ihm andeutet, zurückzutreten.

Es betrifft Amtsgeschäfte. Tupper entgegeneilend, leise. Du himmlischer Wolf, der du gerennt kommst, wenn man ihn nennt.

TUPPER.
Nun, Herr von Puffmann?
PUFFMANN
ihn beiseite führend, leise.

Die Handnähterin war da mit ihrem handfesten Bruder dort.Verstohlen auf Peter zeigend. Schau' sich 'n der Tupper an, diesen grimmigen, satisfaktionlechzenden Kerl.

TUPPER
leise.
Verdammt!
PUFFMANN
wie oben.
Wie werd' ich ihn los?
TUPPER.
Wenn man ihn nicht loslaßt.
PUFFMANN.
Aha, Arrest!
TUPPER.
Im Kotter.
PUFFMANN.
Provisorisch –
TUPPER.
Interimistisch –
PUFFMANN.
Bis ich mit dem Baron eine Zerstreuungsreise angetreten.
TUPPER.
Ganz recht; und der Vorwand?
PUFFMANN.
Unanständiges Bureaubetragen in mei nem Zimmer.
TUPPER.
Werde sogleich das Nötige veranstalten.Geht durch die Mitte ab.
25. Szene
Fünfundzwanzigste Szene
Vorige ohne Tupper.

PETER.
Sie haben g'sagt, Sie wollen mich befriedigen.
PUFFMANN.
Kann Er's denn gar nicht erwarten?
PETER.
Nein, und wegen die Zeugen muß eine Stund' festg'setzt werd'n –
PUFFMANN.
Festg'setzt, nach Gusto!
PETER.
Und zwar das heut' noch –
PUFFMANN.
In dieser Stund' noch wird festgesetzt, hab' Er nur eine kleine Geduld!
26. Szene
[590] Sechsundzwanzigste Szene
Franz; Vorige.

FRANZ
aus der Seitentüre rechts kommend.
Der Herr Sekretär möchten geschwind zum gnädigen Herrn –
PUFFMANN.
Was is es denn?
FRANZ.

Er kränkt sich, Sie sollen ihn g'schwind trösten, eh' er ganz außer sich kommt. Geht wieder in die Seitentüre rechts ab.

PUFFMANN
für sich.

Fatal –! Zu Peter. Jetzt muß Er schon noch einen Augenblick Geduld haben.Geht in die Seitentüre rechts ab.

27. Szene
Siebenundzwanzigste Szene
Peter allein.

PETER.

Meine Geduld setzt den Hut auf, und ich seh' s' völlig nach 'n Stock greifen, mir scheint, sie geht aus. – Und die verdächtige Wisplerei – am End' bin ich schon in eine Falle gegangen – hm – wenn auch – ich komm' schon wieder heraus. Gott sei Dank, 's Mittelalter is beim Teufel – Hungertürm', Torturvermummte, Bleidächer und Eiserne Jungfrauen hat man in unserm milden Säkulum nicht mehr.

28. Szene
Achtundzwanzigste Szene
Voriger; Tupper, Rumpf, vier Wächter.

TUPPER
zu Rumpf und den Wächtern, auf Peter zeigend.
Der ist's!
PETER
für sich.
Jetzt gilt's.
RUMPF
zu den Wächtern, welche zur Mitteltüre eintreten.
Aufgepaßt! Aufgestellt! Und auf Kommando angepackt!
29. Szene
[591] Neunundzwanzigste Szene
Packendorf; Vorige.

PACKENDORF
a tempo zur Mitteltüre eintretend.
Und zwar auf mein Kommando! Herr Tupper wird arretiert, ich werd' es verantworten.
TUPPER.
Erlauben Sie, Herr von Packendorf –
PACKENDORF.

Daß Sie bis elf Uhr nachts wieder auf Ihr Zimmer gehen, das erlaub' ich, bis dahin aber ist der Kotter Ihr Quartier.

RUMPF
zu Tupper.
Mir is leid, aber meine amtliche Stellung – Winkt den Wächtern.
PACKENDORF.
Vorwärts! Tupper wird zur Mitteltüre abgeführt, Rumpf und Wächter folgen.
30. Szene
Dreißigste Szene
Packendorf, Peter.

PETER
erstaunt.
Ein unbekannter Retter aus Wachtershand –
PACKENDORF
sich freundlich Peter nähernd.

Ihr seid ein braver Mann, Eure Schwester schwört's mit einem Gesicht, dem man alles ungeschworen glaubt! Reicht ihm die Hand.

PETER
treuherzig.

Mich g'freut's, denn Euer Gnaden scheinen keiner von denen zu sein, die jeden Brudern brav finden, der eine saubere Schwester hat.

PACKENDORF.

Als sie unten zufällig den Befehl zu einer Arretierung hörte, dachte sie gleich, es gehe Euch an, und suchte in ihrer Herzensangst Hilfe bei mir, den sie irrigerweise für den Gutsherrn hielt. Ich weiß nun, wie schmählich Puffmann sich an Euch vergangen. Da es aber den siebenten September betrifft, einen Abend, für dessen Dunkelheit auch wir neuerdings Licht bedürfen, so ist unsere Sache eine gemeinsame, und ich [592] werde Euch meinen Plan mitteilen. Kommt sogleich mit mir, denn Puffmann muß glauben, Ihr seid eingesperrt.

PETER
mit Packendorf zur Mitte abgehend.

Den Gutsherrn hat meine Schwester in Euer Gnaden verfehlt, aber den guten Herrn hat s' auf alle Fäll' getroffen.


Beide zur Mitte ab.

Verwandlung

Dieselbe Dekoration wie am Ende des zweiten Aktes. Es ist Abend, alles mit bunten Lampen erleuchtet.
31. Szene
Einunddreißigste Szene
Klopf, Frau Klopfin, Netti, Schmalzer, Frau Schmalzerin, Kübler, Frau Küblerin, Susi, Spring, Biegel, Leicht, Flachs, Frau Flachsin, mehrere Bürgersleute, Wirt, Kellner.
Die benannten Personen sitzen an den Tischen, mit Ausnahme des jüngeren Teils der Anwesenden, welche auf dem erhöhten Tanzplatze tanzen. Mit Beginn der Verwandlung ist eben die Koda einer Walzertour.

KLOPF
zum Wirt.
Recht lustig geht's halt immer zu bei Ihnen, Herr Wirt.
WIRT.
Die Zufriedenheit meiner werten Gäst' –
KÜBLER
des Wirtes Rede ergänzend.

»Is meines Strebens höchstes Ziel«. Die Redensart kennen wir. Glaub' aber doch nicht, daß der Nachkirtag heut' so lustig wird, als der Kirtag war.

SCHMALZER.
Warum?
KÜBLER.
Es kommen hohe Herrschaften, und das is genant.
WIRT.
Das ganze hochfreiherrliche Haus is ang'sagt.
KLOPF.
's is immer schmeichelhaft und ehrenvoll für uns, diese Herablassung.
[593]
KÜBLER.
Ah was, Herablassung! Wenn's ihn nicht g'freuet, den Baron, so tät er's nicht.
WIRT
hat vorne rechts in die Szene gesehen.
Da steigen s' schon ab.
FLACHS.
Siebzehn Wägen.
KÜBLER.
Ich seh' nur drei.
32. Szene
Zweiunddreißigste Szene
Massengold, Fräulein Ottilie, Packendorf, Althof, Seewald, Lockerfeld, Puffmann; Vorige.

MASSENGOLD.

Da wären wir. – Grüßend zu den Anwesenden. Laßt euch in eurer Unterhaltung nicht stören, wackre Bürger.

KÜBLER
mit tiefster Devotion.
Dero glorreiche Gegenwart is die schönste Unterhaltung für die untertänigsten Kobelstädter.
OTTILIE.
Es ist dies recht ein freundlicher Ort.
MASSENGOLD
trübsinnig.
Ist mir sonst auch immer so vorgekommen, aber heute –
KÜBLER
sich mit tiefen Bücklingen Massengold nähernd.
Der Wirt möcht' gern Euer Hochfreiherrlichen Gnaden die großartigen Anstalten produzieren –
MASSENGOLD.

Wir wollen sie in Augenschein nehmen. Kübler und der Wirt führen Massengold, welchen Lockerfeld begleitet, auf den erhöhten Tanzboden.

KÜBLER
den Cicerone machend.

Dieser Tanzboden ist von echten Brettern, die Säulen mit echtem Tannengreis umwunden, die Lampen mit echtem Inslicht gefüllt.


Die übrigen Spielenden haben sich auch zurückgezogen bis auf Puffmann und Ottilie.
PUFFMANN
kopfschüttelnd, für sich.
Hm, diese Spazierfahrt – Packendorf hat sie über Hals und Kopf arrangiert ich wittre Unheil.
[594]
OTTILIE
hat sich mittlerweile von Althof und Seewald getrennt und nähert sich Puffmann.
Herr Puffmann Mit innerer Angst. sind Sie ganz sicher vor Entdeckung?
PUFFMANN.
Ich hoffe – ich habe das möglichste getan.
OTTILIE
ängstlich und leise.
Das ist nicht genug, um mich vor Verzweiflung zu schützen.
PUFFMANN.
Kann ich davor, daß –
OTTILIE.

Ja, niemand als Sie. Jetzt, wo man mir noch nichts beweisen kann als Mangel an Wachsamkeit, muß ich schon seufzen unter den Kränkungen dieses Massengolds, dessen Tyrannei mich Familienschicksal unterworfen.

PUFFMANN.
Die meisten Familien haben ein Schicksal, aber deßtwegen –
OTTILIE.

Wenn er nun aber erst Ihr verbrecherisches Unternehmen mit dem Geburtsschein erführe, was rettet dann mich vor dem Verdacht der Mitschuld?

PUFFMANN.
Fräulein, machen Sie einem den Kopf nicht warm, der ohnedem –
OTTILIE
bemerkend, daß der Baron sich nähert.
Der Baron! Entfernt sich schnell von Puffmann.
PUFFMANN
für sich.
Z'widere Bisgurn, die geht mir noch ab!
MASSENGOLD
mit Kübler, Lockerfeld, Wirt und allen Spielenden vorkommend.
Schön, recht schön!
KÜBLER.
Und alles Euer Hochfreiherrlichen Gnaden zu Ehren!
33. Szene
Dreiunddreißigste Szene
Peter, Klara; Vorige.

MASSENGOLD
nach dem Vordergrunde kommend.
Nun, lieber Puffmann –
PUFFMANN
Peter und Klara von rechts kommen sehend.
Ah!!
MASSENGOLD.
Was ist Ihnen?
[595]
DIE ANWESENDEN
mit Ausnahme der Gesellschaft des Barons.
Der Span mit seiner Schwester? Drücken ihr mißbilligendes Staunen aus.
PETER
grüßend.
Schön' guten Abend!
SCHMALZER, KÜBLER, FLACHS, FRAU FLACHSIN, FRAU KÜBLERIN, FRAU SCHMALZERIN. Das is stark!
SEEWALD, ALTHOF, LOCKERFELD. Wer ist der Mensch?
MASSENGOLD
frappiert.
Warum macht sein Erscheinen solche Sensation? Und selbst mein Puffmann –
PUFFMANN
für sich.
Halt't ein' Puff aus, der Puffmann, aber über den Puff is er baff!
LOCKERFELD
Klara ins Auge fassend.
Und das Mädchen –
PACKENDORF.
Ist die, welche Puffmann sich zur schnöden Ausrede gewählt.
MASSENGOLD
stutzend.
Wie? Was?! –

Packendorf spricht während dem Folgenden leise mit Massengold weiter.
KÜBLER
pikiert.
Der Mussi Peter will uns mit Gewalt seine Schwester –
PETER
ihm scharf in die Rede fallend.
Als gerechtfertigt vorstellen.
KÜBLER
wie oben.
Dazu ist doch hier weder Zeit noch Ort.
PETER.

Der beste Ort, denn hier auf 'n Kirchtag hat man sie beschimpft. – Die beste Zeit, denn jetzt, auf 'n Nachkirtag, wird mit der Verleumdung der Kehraus gemacht.

KLARA
tief ergriffen, an Peter sich anschmiegend.
Bruder, ich kann mich kaum aufrechthalten!
PUFFMANN
bittend, leise zu Peter.
Freund, schon' Er mich! –
PETER
frostig zu Puffmann.
Weil Sie statt der versprochenen Genugtuung mich haben wollen einsperren lassen –
[596]
PUFFMANN
wie oben.
Um 's Himmels willen! –
PETER
wie oben.

So sollen Sie nicht bitten, denn was ich um 's Himmels willen tue, das kann nie zu Ihren Gunsten ausfallen.

LOCKERFELD
hat Klara lorgnettiert.
Fürwahr, das Mädchen ist schön, bildschön!
PETER
zu Lockerfeld.

Dero joviale Lorgnette vergrößert zu gütig – wenn s' ein' Zoll Grazie find't, macht s' gleich eine Klafter Venus draus.

MASSENGOLD
in strengem Tone.
Puffmann, Sie haben mich also, was das Mädchen betrifft, belogen?
PUFFMANN
verlegen, mit anscheinender Zerknirschung.
Ich kann allerdings einerseits nicht leugnen –
PETER
ihm in die Red' fallend.
Und sind anderseits hierher gekommen, um öffentlich zu erklären, daß Sie sie gar nicht kennen.
PUFFMANN
wie oben.
Daß ich sie gar nicht kenne –
PETER.
Und daß Sie dem Hußbergerschen Buben Geld gegeben –
PUFFMANN
wie oben.
Damit ein Gered' entsteht, welches meiner Vorspiegelung den Schein der Wirklichkeit –
PETER.
Red' und Antwort, wo waren Sie an dem bewußten Abend?
PACKENDORF.

Da das vorgebliche Abenteuer Lüge war, steht der unbewiesene siebente Septemberabend wieder als Ihr frischer Ankläger da.

MASSENGOLD
streng zu Puffmann.
Der siebente September ist keine Kleinigkeit.
PACKENDORF.
Rechtfertigen Sie sich –
MASSENGOLD
aufgebracht.
Eh' ich Sie als Entführungsgehilfen und mutmaßlichen Dokumentradierer den Gerichten überliefere.
PUFFMANN
für sich, eine Idee erfassend und Hoffnung schöpfend.
So putz' ich mich vielleicht nochmal heraus.
MASSENGOLD
ungeduldig zu Puffmann.
Wird's bald?
[597]
PUFFMANN
sich devot dem Baron nähernd.

Euer Gnaden – ich bitte um stilles Gehör. – Leise. Es ist mit Händen zu greifen, folglich wird auch Dero Scharfsinn –

MASSENGOLD.
Ohne Umschweife! –
PUFFMANN
leise zu Massengold, den er ganz nach dem Vordergrunde links führt.

Aus übertriebener Herzensgüte hab' ich mich etwas voreilig prostituiert. Ihnen aber bin ich Wahrheit schuldig. Mit meinem Besuche bei dem Mädchen hat es seine Richtigkeit, dringen Euer Gnaden daher auf keine weitere Erklärung! Mit Heuchelei. Schonen Sie die Arme, wie ich sie geschont, und sagen Sie –

MASSENGOLD
leise zu Puffmann.

Ah, wenn es so ist – gut, ich werde die Sache applanieren. Laut zu den Anwesenden. Meine lieben Anwesenden, ich hoffe, mein Wort wird euch genügen. Herrn Puffmanns Erklärung ist vollkommen befriedigend, läßt sich jedoch, zarter Beziehungen wegen, nicht füglich veröffentlichen.

PETER
zu Massengold.

Alle Achtung vor Hochdero Wort, aber wenn die Beziehungen noch zehnmal so zart wären, für mich wird die Ehre meiner Schwester ewig das Zarteste bleiben, für laute Beschimpfung gibt's keine stille Erklärung. Sie steht erst dann gerechtfertigt da, wenn der Verleumder Puffmann öffentlich erklärt und beweist, wo er abends am siebenten September war.

34. Szene
Vierunddreißigste Szene
Thomas; Vorige.

THOMAS
ist schon früher im Hintergrunde gestanden und kommt bei den letzten Worten rasch hervor.
Da brauchen wir keinen Puffmann dazu, das weiß ich am besten.
DIE BÜRGERSLEUTE
erstaunt.
Der Thomas?
MASSENGOLD UND DIE ANDEREN.
Was will der Mensch?
[598]
PUFFMANN
niedergedonnert, für sich.
Der Thomas! – Die letzte Hoffnung liegt im Brunn'.
THOMAS
zu Puffmann.
Also Sie sein der schwarze Herr mit die lichten Taler? Drohend. Na, Sie, g'freun S' Ihnen!
MASSENGOLD
zu Thomas.
Red' Er, denn die Sache –
THOMAS.
Er hat sich am siebenten September Schlag achte ins Wasser stürzen wollen.
ALLE
mit Staunen.
Was?
THOMAS.

Bei Eschenau, keine hundert Schritt vom Brückel, ich hab' ihn beim Schössel z'ruckg'halten, wie er sich grad den Anlauf g'nommen hat. Weil er aber so, g'lästert hat über mein' Sohn seine Braut, so werf' ich ihn jetzt selber ins Wasser hinein. Geht auf Puffmann los.

PETER
ihn zurückhaltend.
Ruhig, wir haben die Satisfaktion, die wir brauchen.
PUFFMANN
für sich, mit Beziehung auf Thomas.

Hat der das g'sagt, um mir durchz'helfen oder – Zu Thomas leise. red', du unheimliche Erscheinung, weißt du wirklich nichts von mir als den Selbstmord, den du mir aufdisputierst?

THOMAS.
Was soll ich denn noch wissen?
PUFFMANN
mit unterdrückter Wut, für sich.

Ha, er weiß nichts! – Der Mitwisser meiner Dokumentsradierung hat nur in meiner Einbildung existiert, und ich hab' ihm solche Opfer gebracht!

MASSENGOLD
mit Staunen und einiger Rührung.
Mein Puffmann wollte sich entleiben und ein entseelter Leichnam werden!? – Ja, aber warum? –
PUFFMANN.

Warum? – Verlegen und verwirrt für sich. Bankrottes Hirn, fällt dir gar nix ein? Zu Massengold. Aus – aus Verzweiflung!

MASSENGOLD.
Wie das?
PUFFMANN
für sich.
Wegen was bin ich denn verzweifelt?
[599]
PETER
für sich, Puffmanns Verlegenheit betrachtend.
Mit dem muß es noch ein kurioses Nisi haben; denn daß der aus Liebe –
PUFFMANN
indem er die letzten Worte, welche Peter gesprochen, gehört hat und dadurch auf eine Idee gebracht wird, beiseite.

Liebe, richtig, der Zimmermann wirft mir 's Hölzel! – Laut zu Wassengold. Unglückliche Liebe war der Grund –

MASSENGOLD.
Liebe? – Und der Gegenstand?
THOMAS
zu Massengold.

Wahrscheinlich logiert wer im Schloß Eschenau, weil er grad in der Nachbarschaft so gern ertrunken wär'. Euer Gnaden nehmen's nicht übel, aber wir ordinären Professionisten treffen dann und wann den Nagel auf 'n Kopf.

MASSENGOLD.

Ha, jetzt wird mit alles klar! Außer meiner entflohenen Mündel wohnte niemand dort als Cousine Ottilie!

OTTILIE
auffahrend.
Ich?!
PUFFMANN
für sich.
G'horsamer Diener!
MASSENGOLD
strenge zu Ottilie.
Leugnen Sie es nicht!
PUFFMANN
nach kurzer Überlegung, für sich.

Das muß ich ergreifen, ich riskier' nix dabei. – Laut zu Massengold. Euer Hochherrlichen Gnaden, es is so, wie Euer Gnaden zu erraten beliebten.

PETER
zu den Anwesenden, Klara bei der Hand nehmend.
Zweifelt jetzt noch wer an ihr?
ALLE.
Niemand!!
KLOPF.
Sie is unschuldig!
THOMAS.
Klara!
KLARA
entzückt.
Thomas! – O Gott –! Peter mit Freudentränen um den Hals fallend. Bruder!
PETER.
Bist jetzt wieder glücklich?
KLARA.
Glücklich sein is viel, aber ich hör' auf, unglücklich zu sein – das is noch weit mehr.
THOMAS
zu Klara.
Morgen kommt der Josef, das wird ein Josefi-Tag!
PETER.
Im vollsten Sinn des Wortes ihr erster Frühlingstag nach einem schweren Winter.
[600]
MASSENGOLD
zu Puffmann.
Aber wie konnte Sie das zum Selbstmord treiben?
PUFFMANN
mit Beziehung auf Ottilie.
Ist diese Liebe nicht unglücklich genug?
MASSENGOLD.

Sie wäre es, wenn ich nur strenger Gebieter und nicht auch milder Verwandter, wohlwollender Gönner wäre.

PUFFMANN
um Vorwand zu finden, sich ihr zu nähern, mit scheinbarer Zärtlichkeit.
Ottilie! – Eilt zu ihr und sagt ängstlich. Sie werden mich doch ausschlagen, hoff' ich?
OTTILIE
leise zu Puffmann.
Kann ich's, ohne neuerdings Verdacht zu erregen, ohne neuerdings in Todesangst –
PUFFMANN
leise.
Aber ich bitt' Ihnen –
PETER.
Klara, auf 'n Sonntag is dein' Hochzeit.
MASSENGOLD
zu Peter.

Sie werde mit ihrem Bräutigam in meiner Schloßkapelle am selben Tage wie Cousine Ottilie und Puffmann getraut. Zu Puffmann. Übrigens kann ich Ihre Verbindung, die ich des Eklats wegen toleriere, doch nicht zu sehr protegieren. Ottilie hat kein Vermögen und bekommt auch nichts von mir.

THOMAS.
Oh, der Puffmann hat Geld genug!
PETER.
Und Liebende brauchen wenig.
PUFFMANN.
Himmel, ich krieg' die Alte!
PETER.
Sehn S', die Straf' Gottes!
PUFFMANN
für sich.
Die zwei Zimmermänner zimmern mir meinen Sarg.
PETER
zu Puffmann.

Wenn Sie wieder einmal mit unbedeutende Leut' in Berührung kommen, dann vergessen Sie ja die Lektion nicht, daß auch am Unbedeutendsten die Ehre etwas sehr Bedeutendes ist.


Der Vorhang fällt.
Ende

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