Johann Gottwerth Müller
Siegfried von Lindenberg
Eine komische Geschichte

Vorrede mit einer Dedikationsvarenthese

[5] Vorrede
mit einer Dedikationsvarenthese.

Nichts, lieber Leser! ist so groß oder so klein unter der Sonne, oder unter dem Monde – wie die schönen Geister zu sagen pflegen, wie ich aber nicht sage, weil ich kein schöner Geist seyn mag; denn, so wie du mich siehst, hab ich wohl eher Leute gefunden, die sich schöne Geister nannten: aber an denen war alles so kunterbunt, und so mächtig gekräuselt, und so verzweifelt hoch, und gar nicht ein bischen so, wie bey andern ehrlichen Leuten, daß ich nicht das zehnte mal klug draus werden konnte, und es der Seele des Eustathius (welches eine sehr scharfsinnige Seele ist, die bey Leibesleben ihre Stärke darinn hatte, daß sie die schönen Geister da verstand, wo sie sich selbst nicht verstanden) überlasse zu beurtheilen, ob die Herren selbst daraus klug werden können. Nein, dafür lob ich mir die guten braven Leute, die so hübsch gerade vom Munde weg reden, daß es nicht kraus und nicht bunt ist, und doch hübsch heraus kömmt. Da hab ich unter andern einen gekannt, der nun wohl schon ganz verweset ist, der hieß Hagedorn, und war ein feiner freundlicher Mann, der mich oft auf den [5] Schooß nahm, als ich noch ein Knabe war, und mir Rosinen und Zuckerstritzeln in den Mund steckte. Auch kenne ich einen, der Gleim heißt, und meinen lieben alten Freund, der zur Minderung des menschlichen Elends so ein menschenfreundliches Büchlein gemacht hat. Habe auch mancherley gelesen, das Engel, Weisse, Leßing und etliche andre geschrieben haben, kenne auch den wackern Buchhändler Friedrich Nicolai in Berlin, der, Jahr aus, Jahr ein, ein paar dicke Bände verlegt, worinn den schönen Geistern die Wahrheit gesagt wird, wenn sie sich zu mausig machen. (Er hat mir auch wohl eher die Wahrheit gesagt oder sagen lassen, wiewohl ich kein schöner Geist bin, und mich eben nicht mausig zu machen pflege. Aber eben darum weil ichs für Wahrheit erkenne, und auf der Welt nichts lieber höre als Wahrheit, wenn sie manierlich, wie sichs unter feinen Leuten schickt, gesagt wird: so will ich um meine Erkenntlichkeit so öffentlich als ich kann zu Tage zu fördern, alles was in diesem Büchlein Gutes ist, Ihnen, mein werther Nicolai, hiermit in bester Form dediciret haben, mit angehängter Bitte, da doch für eine Dedikation die mehrste Zeit ein kleines Andenken zu erfolgen pflegt, mir statt dessen die Gefälligkeit zu erzeigen, und fernerhin wie vor diesem, in einer kleinen Recension dem ehrsamen Publikum mein [6] Gutes, und mir meine Gebrechen anzeigen zu lassen. Wesfalls ich Ihnen nicht nur dieses, sondern auch meine letzten zwey oder drey Büchlein samt dem was ich etwa nächstens schreiben werde, zu baldigem Andenken empfehle. – Alles hergegen, was sich in diesem Buche Schlechtes und Mittelmäßiges findet – und das wird wohl bey weiten der größte Theil seyn – das dedicire ich hiermit in tiefster Devotion der hohen Ottomanischen Pforte, einmal, weil es doch so hübsch läßt, einen Monarchen zum Patron zu haben; zweytens, weil Seine Hoheit der Großsultan, wie ich von guter Hand weiß, kein Wörtchen Deutsch verstehen.) Alle die Leute, von denen ich vor dieser meiner Dedikationsparenthese redete, und alle ihres gleichen, müssen wohl keine schöne Geister seyn, weil man alles was sie schreiben, ganz ordentlich verstehen kann, ob man gleich zuweilen seine Sinne ein wenig zusammen nehmen muß. Wobey ich doch nicht unterlassen kann anzumerken, daß ich mich darum just für kein Pfefferkorn 1 gebe. Ich mag auch überall kein Pfefferkorn seyn; lieber denn doch noch ein Gewürznägelein, das reucht und schmeckt doch besser, und ist darum doch pikant. Denn ich habe mich all mein Tage vor übler Gesellschaft gefürchtet, und wenn das Sprüchwort wahr ist, welches die [7] Gewürzkrämer entscheiden mögen, so ist Pfeffer und ein gewisses ekelhaftes Ding mehrentheils unter einander gemischt. Und gesetzt ich entgienge der Gesellschaft, so wäre ich damit noch nichts gebessert, zerstampft zu werden, um etwa ein Topf voll Kartoffeln zu würzen.

Aber was wollt ich doch sagen? – Das ist meine Unart, wenn ich eine Vorrede schreibe, daß ich manchmal von meinem Zwecke so leicht und so weit abkomme, daß ich mich kaum wieder zurecht finden kann. Was ich für Unarten habe, wenn ich ein Buch schreibe, das magst Du, lieber Leser, selbst ausfündig machen, denn ich selbst weiß es noch nicht recht. – Also, was ich sagen wollte: Unter der Sonne ist nichts so groß und so klein, davon nach einiger Leute Meynung nicht schon Bücher gemacht wären. Diese einige Leute müssen doch wohl nicht recht zugesehen haben; denn ich habe in allen Buchladen fleißig nachgefragt, aber vom Junker Siegfried hat noch, so lange der Wind wehet und der Hahn krähet, keine Seele ein Buch geschrieben. Es kömmt auch sonst noch dieß und das in diesem Büchlein vor, das anderwärts wohl noch nicht gesagt seyn mag, aber freylich auch wohl nicht recht weit her ist. Auch präsentiret sich neben etlichen bekannten Physiognomien wohl ein und andres Gesicht, das noch keinem Maler gesessen hat. Nun kömmts nur darauf an, ob der Edelmann im Pommerlande Mannes genug sey, dem Publikum [8] gefallen zu können, oder nicht? Und das überlassen wir dem Publikum und ihm, unter einander auszumachen, ohne den guten Mann und die armen Wichtlein die wir neben ihm zur Schau stellen, auch nur mit Einem Worte zu empfehlen oder anzuschwärzen. Wir haben noch ein Vieles zu lernen, und stellen uns so nach still und lehrbegierig hinter den Vorhang, sans Komparäson wie Apelles, um zu vernehmen was die Vorübergehenden urtheilen werden. Und hätten wir ja was zu bitten, so mögte es dieses seyn, daß der Schneider nicht über den Stiefel, und der Schuster nicht über den Schnitt des Kleides urtheilen wolle. Sollt auch irgend jemand, aus Drang des Genie oder so etwa unser Eustathius zu werden Lust und Belieben finden: den bitten wir gar säuberlich, sich die Lust vergehen, und das Ding unterwegs zu lassen, bey nahmhafter Pön.

Fände sich jemand, der da meynte, wir hätten Unrecht gethan, nur Fragmente zu liefern, und aus dem vielen Stoff nur eins und anders auszuheben: dem geben wir die Versicherung, daß wir selbst bedauren, durch gewisse Umstände zu diesem Verfahren genöthiget gewesen zu seyn. Da wir aber in unserm Pulte noch sehr viele Dokumente haben, das Lindenbergische Philanthropinum, die große Reise die der Edelmann inkognito that, seine Liebes und Vermählungsgeschichte, und wenigstens hundert andre eben so wichtige und merkwürdige [9] Begebenheiten betreffend: so könnten wir uns wohl entschliessen, die Geschichte unsers Junkers und seines Ludimagisters vollständig zu liefern. Wir versprechen aber in dieser Absicht nichts gewisses, indem wir, wie billig, der Meynung sind, daß Versprechen Schuld mache, und andern Theils wohl wissen, wie viel bey der Autorschaft auf Wind und Wetter ankomme. Das können wir aber versichern, daß der Leser, dem dieses Bündel Siegfriediana nicht unschmackhaft vorkömmt, bey dem zweyten sein Konto wohl noch reichlicher finden dürfte.

Uebrigens ersuchen wir alle Kaiser, Sultane, Könige, Fürsten und Herren, die dieses unser geringes Büchlein lesen mögten, es ihrerseits dem guten Junker immerhin zu erlauben, daß er, was sie Großes thun, im Kleinen nachahme. Er hat, das getrauen wir uns kecklich zu beschwören, seinerseits nichts als Größe und seines Landes Bestes vor Augen. Daß das für einen Landjunker mißverstandne Größe sey, räumen wir gern und willig ein, wenn uns dagegen eingeräumet wird – denn eine Hand muß die andre waschen – daß des Junkers Unterthanen sehr glückliche Leute waren, in so fern ihr Glück von ihm abhieng. Schließlich versichern wir, daß wir, so wenig als Junker Siegfried, irgend einem Mutterkinde zu nahe zu treten gewillet sind, womit wir uns Dir bis aufs Wiedersehen bestens empfehlen.

Leipziger Oster-Messe, 1779.

Fußnoten

1 M. s. die bekannten Fragmente aus Briefen von Tellow an Elisa, S. 17. Ein Buch an dem ich, ausser dem Pfefferkorn, nur sehr wenig tadle, und sehr viel lobe.

1. Kapitel

[10] Erstes Kapitel.
Ohne welches der Leser alle übrige nicht wohl verstehen wird.

Es war einmal ein Edelmann im Pommerlande, der ein Schloß hatte, und ein Paar Hufen Land umher, und ein Dorf, wo Bauren drinn wohnten, und etliche hundert Bäume, die er seinen Forst nannte, und sechs räudige Köter, die hieß er seine Kuppel, und wer ihm die schief ansah, der griff ihm an die Seele. Sie hatten auch jeder ein hübsches ledernes Halsband um, mit blanken meßingenen Buchstaben drauf, und meßingenen Schlössern dran; und des Sonntags blaue sammtne Halsbänder mit Silber gestickt. Es giebt zwar häßliche Lästermäuler, die sich nicht scheuen auszubreiten, es sey nur blauer Manschester und unächtes Silber: ich aber, der ich beydes gesehen habe, und ohne Ruhm zu melden wohl weiß, was Manschester sey, versichre jeden, dem daran gelegen ist, daß es ächter Sammt und ächtes Silber war.

Es war auch ein Nachtwächter auf dem Hofe, der ein Horn hatte; und ein viereckigter Tölpel mit einem Stelzfuße, das war der Jäger; auch stand ein Pfal mit einem Halseisen mitten auf dem Schloßplatze, und draußen vor dem Dorfe ein Galgen, denn der Edelmann hatte die hohe und niedre Gerichtsbarkeit. Daher war auch ein Justitiarius im Schloße, welcher dermalen auch ein witziger Kopf war und ein großer Satirikus – nach seiner Meynung; zwo Eigenschaften, die eben nicht zu seinem [11] Amte erfodert wurden, und wovon man die letzte billig als ein Symptoma seines Advokatengewerbes, welches er nebenbey trieb, anzusehen hat. Das muß man ihm aber lassen, daß er kein unrechter Poet gewesen seyn würde, wenn er zum Ausstreichen Muth, und zum Feilen Geduld gehabt hätte. Uebrigens war er wirklich, was die Poeten alle von sich vorgeben, ein großer Liebhaber starker Getränke.

Der Edelmann hatte auch eine Kirche in seinem Bezirke, und das Jus Patronatus. Auch war ein Ludimagister auf dem Gute, der den Bauerjungen das A, B, ab einpeitschte, und Seiner Gnaden die Avisen vorlas. Dieser Mann wußte auf jegliche Frage eine Antwort, denn er war nichts geringers als ein Polyhistor und Originalgenie. Daher war er denn auch des Junkers Faktotum und Orakel, wie der Verwalter zu sagen pflegte; der Justitiarius aber, der seinen Ausdruck besser wählte, behauptete immer, der Schulmeister sey dem Edelmanne das, was das Gewicht dem Bratenwender ist. Beyde haben im Grunde Recht; denn, so oft unsre Leser bey diesen Blättern eine Lust zu lächeln oder zu lachen anwandeln wird – und wir mögten wohl prophezeihen, daß das nicht selten geschehen dürfte, wenn sie sich nur durch die Paar ersten Kapitel hindurch gearbeitet haben – so könnte wohl der ehrsame Ludimagister, wo nicht ganz, doch zum Theil, den Dank dafür verdienen.

Man pflegt so gern auf den Zufall zu lästern, aber man sage davon was man will, er thut dem Menschengeschlecht überhaupt mehr zu Gefallen als zum Possen. Der Ludimagister hatte die Gewohnheit jedes bedruckte Papierchen, das er aus den Krämerladen kriegte, sorgfältig durchzustudiren; auf diese Art schnappte er manchen fetten Bissen Gelehrsamkeit weg. Er konnte ein bischen Latein, und der Zufall war ihm einmal so günstig, daß er ihm, da [12] er ein paar Loth Schnupftoback aus dem nächsten Städtchen mitbringen ließ, zwey Blätter aus des hochgelahrten Henrici Smetii Prosodey bescherete. Da hatte er nun, einen griechischen Vers aus dem Oppian ungerechnet, den er nie brauchte, weil er ihn nicht lesen konnte, einen hübschen Vorrath von hundert zwey und siebenzig Brocken aus verschiedenen lateinischen Dichtern. Das schien ihm zu einem ziemlichen Anstrich von Lektüre schon hinlänglich; und Gott weiß, ob er diesen Vorrath fleißig im Munde führte! Man hätte schwören sollen, er habe sich nach Herrn Partridge lateinischen Andenkens gebildet; es ist aber erweislich, daß er von dem Manne so wenig wußte, als wenn der selbe nirgends existiret hätte, weil vom Tom Jones noch all mein Tage kein Exemplar in die mörderischen Hände eines Krämers sich verirret hat. Eben so wenig hatte er irgend einem Gelehrten den üblichen Kunstgriff zu danken, seine Quellen sorgfältig zu verbrennen, nachdem er sie auswendig gelernet hatte; er hatte ihn selbst erfunden. Auf die Art konnte er manches für seine eigne Gedanken geben, und in Absicht der hundert zwey und siebenzig Brocken jeden Dichter so kecklich citiren, als wenn er ihn selbst gelesen hätte, und ich hätte den sehen wollen, der seine Glaubwürdigkeit in Verdacht hätte ziehen dürfen.

Die andern Personen, die in diesem goldnen Büchlein vorkommen, wird, der geneigte Leser, so wie Zeit und Ort es mit sich bringen, kennen lernen.

Wir hatten uns vorgenommen zu sagen, was unser Edelmann hatte; und das wäre, so viel für jetzt Noth thut, so ziemlich ins Reine gebracht. Wir gehen nun weiter, und melden, was unser Edelmann war. Dabey können wir uns denn, so viel dieses Kapitel betrifft, beliebter Kürze bedienen, weil alle folgende Kapitel überflüßig seyn würden, wenn der Leser aus dem gegenwärtigen den Edelmann im Pommerlande [13] vollständig und mit allen seinen Grillen und Launen kennen lernte. Doch über seine Erziehungsgeschichte müssen wir uns wohl etwas weitläuftiger ausbreiten, damit unsre Leser ihm für keine Mißgeburt halten mögen.

Grillen hatte er also und Launen; das ist uns entwischt. Sonst war er eine so gute Seele von Junker, als jemals eine unter Gottes Sonne gelebet haben mag: schlecht und recht; ohne Komplimente, mithin ohne Falsch; nicht sehr vertraulich, aber offenherzig und bieder, und so weiter, wie man ihn in der Folge finden wird. Aber, bey alle dem wollt ers wissen, daß er ein Edelmann sey, – und zwar, wie Seine Gnaden sich ausdruckten: so gut ein Edelmann, als der Kaiser.

Er trug eine heßliche Stutzperüke, und einen zottigten grünen Friesrock über seinen Pelz; in Sommertagen aber auch wohl eine Schwanzperüke und seinen Dolman, ohne Pelz und Friesrock, weils ihm so lustiger und leichter war, und er sich noch immer mit Entzücken dran erinnerte, daß er von der Wiege an bis in sein vierzehntes Jahr Kornet unter einem Husarenregimente gewesen war. Auch pflegte er sich immer herzlich über die Heldenthaten zu freuen, die er hätte verrichten können, wenn er im Dienste geblieben wäre. Sein langer Schnurrbart hieng in zween Knoten herab, und stand gar herrlich zur runden Stutzperüke. Seinen großen altmodischen Hut umstralte eine breite goldne Kutschertreße Seine hirschledernen Scharivari giengen, wie ich wohl nicht zu erinnern brauche, bis unter die Knöchel herab. Die gelben Halbstiefel waren, wie sichs gehört, mit Eisen unterlegt, und dienten einer dick mit Silber beschlagenen Meerschaumnen Pfeife, für die wenigen Augenblicke, die ihr Besitzer ohne Rauchen zubrachte, zum Quartiere. Den Anzug vollendete ein silberner Säbel, der nie von seiner Seite kam, und [14] unter dem grünen Friesrocke hervor hinter Seiner Gnaden herschleppte.

So von innen und außen fiel der Edelmann im Pommerlande jedem der ihn sah, gleich in der ersten Minute ins Auge.

Seine Gnaden wohnten fast immer zu Pferde, und ritten am liebsten junge, schnellfüßige, unbändige Hengste, mit denen sie meisterhaft umzugehen wußten, und deren Zeug mit Schnakenköpfen prunkte.

2. Kapitel

Zweytes Kapitel.
Erziehungsgeschichte des Junkers.

Der Edelmann, so wie er nun leibte und lebte, hätte ganz aus der Reihe der Dinge weggenommen werden können, ohne daß außer seinem Gute irgend eine lebendige Seele dabey zu kurz gekommen wäre. – Doch nehme ich, nach reiflicher Ueberlegung, diejenigen Seelen aus, die, wenn sie über andrer Leute Thorheiten lachen, zugleich in ihren eignen Busen zu greifen pflegen. – Von der Natur aber war er so wenig bestimmt, das Spiel eines närrischen Schulmeisters und seiner eignen Grillen zu werden, als mich vielleicht die Natur zum Geschichtschreiber seiner Thorheiten bestimmet hat. In seinem Charakter war so viel Güte, so viel Thätigkeit, so viel Größe, daß er, wenn der rohe Klumpen gehörig wäre geformet, und die leeren Fächer des Gehirns gebührend angefüllet worden, aus dem Kabinete würde haben Länder beglücken, und im Felde eine Stütze seines Monarchen seyn können. So aber war seine Anlage versäumt oder verderbt, jenes von seinem Vater, dieses von der gnädigen Frau Mama, beydes von dem Lehrer seiner Jugend. Seine Güte war in Schwachheit, seine Thätigkeit in Alfanzerey, seine Größe in Abentheuerlichkeit und in jenen närrischen Stolz ausgeartet, der Kaisern, Königen, Herzogen [15] und Fürsten nichts Großes oder Kleines voraus lassen wollte.

Sein Vater, ein wackrer Husarenobristlieutenant, rauh wie sein Schnauzbart, und brav wie sein Säbel, hatte es in den Wissenschaften nicht weiter gebracht, als bis zur Fähigkeit, eine Ordre lesen, und seinen Namen so so unterzeichnen zu können, daher er auch bey andern Leuten nichts auf Schulfüchserey hielt. Am allerwenigsten war er Willens, den Kopf seines Sohnes mit solcherley Unrath ausstafiren zu lassen.

Der Säbel war ihm alles, und diesen Sinn trachtete er auch einzig in der Seele seines Erben zu nähren. Daher kams, daß unser Edelmann von Vaterswegen nichts weiter gelernt hatte, als Reiten, Fechten, das Gewehr präsentiren, und mit lateinischen Buchstaben seinen Namen zu kratzen. Der König, als Gevatter, hatte dem Kindlein eine Kornetstelle eingebunden, folglich war er Soldat, und folglich hatte er nach des Obristlieutenants Meynung an jetztgedachten Geschicklichkeiten Gott und genug.

Seine gnädige Frau Mama ließ sich, wie manche Mutter, eine reichliche Portion Affenliebe gegen ihr Söhnchen zu Schulden kommen, und wollte nicht, daß er durch vieles Lernen an Kopf und Nerven geschwächet werden sollte. Ueberdem hielt sie alle irdische menschliche Weisheit für eitel Tand, und war fest überzeugt, Witz und Verstand müsse einen Edelmann von sechzehn Ahnen von selbst zufallen. Nicht eben, als hätte sie zuerst nach dem Reiche Gottes getrachtet; das war nicht ihr Fall, denn sie wußte vom Reiche Gottes so wenig, als ob gar keins gewesen wäre: sondern weil sie es wirklich für bürgerlich und pöbelhaft hielt, sich mit Büchern und Wissenschaften zu beschäftigen, gab sie sich alle Mühe ihrem Sohne eine tiefe Geringschätzung solcher Narrentheydung beyzubringen. Dagegen predigte sie ihm täglich und stündlich die hohe Lehre [16] [18]von seinem alten Adel, und schärfte ihm wohl ein, daß er nach seines Vaters Tode, die Einkünfte seines freyen Guts ungerechnet, jährlich an die zwanzigtausend Thaler Zinsen zu verzehren haben würde.

Der Hofmeister des jungen Herrn war ein sklavischer Kerl, ein niedriger Speichellecker, der mit dem Obristlieutenant Danziger trinken, und der gnädigen Frau die Hand küssen konnte. Was Recht war, wußt er so gut als einer. Er hatte aber weder das Herz es zu sagen, noch die Entschlossenheit es zu thun, denn er befand sich gut im Schlosse, und liebte faule Tage über alles. Aber fechten konnt er trotz Rahn, das muß ich sagen; und zu Pferde saß er wie eine Puppe, auch das muß wahr seyn; und saht ihr ihn tanzen, so stahl er euch vollends das Herz aus dem Leibe. Auch, wenn der alte Herr Lust hatte zu paschen, oder die gnädige Frau Piket zu spielen, war niemand bereiter als er, dem Herrn und der Dame ihr Geld abzugewinnen.

Aller Nutzen, den unser Edelmann aus seiner Erziehung zog, bestand darinn, daß die heftigen Leibesübungen mit dem Karabiner, mit dem Rapier, und auf der Reitbahn, seine Muskeln stärkten, seinen Körper dauerhaft machten, und seine Natur abhärteten; und daß er, weil Mama und der Mentor ihn methodisch in mancherley Spielen unterwiesen, durch den Zwang den heftigsten Widerwillen gegen alle Arten des Kartenspiels faßte.

Vierzehn Jahre war unser Junker alt, wie sein Herr Vater das Zeitliche gesegnete. Seine gnädige Mama fand jetzt in ihren überreifen Jahren den Soldatenstand bey weitem nicht mehr so reizend, als in ihren jüngern Jahren, da der goldbesetzte Dolman, die funkelnden Quasten und Schleifen des Pelzes, die reichen Franzen auf den knapp anliegenden Scharivari, und der hohe wehende Federbusch auf dem Haupte des damaligen Herrn Rittmeisters [18] von Lindenberg jetzt ihres wohlseligen Gemals, ihr jugendliches Herz in lichterlohe Flammen, setzten. Sie bat um den Abschied ihres Sohnes, schützte eine schwächliche Leibesbeschaffenheit vor, darüber er sich mit seinen vor Gesundheit strotzenden Backen nicht zu beklagen hatte, und trieb ihr Wesen so lange, bis der Junker wirklich seinen Abschied erhielt.

Nun wuchs er denn in Gottes Namen unter der Zucht seiner Frau Mama und des treufleißigen Mentors ferner auf. Zu allem Glücke noch fand sichs, daß der Pastor loci ein ernsthafter, verständiger und gewissenhafter Mann war. Da es nun Sitte im Lande ist, daß der junge Kavalier nicht minder als junge Bauer konfirmiret werden muß, und der fromme unbestechliche Pfarrer unsern Junker so wie er war, in seiner unbeschreiblichen Unwissenheit nicht annehmen wollte: so gedieh es dahin, daß er von der edlen Lesekunst schier so viel begriff, als zur Erlernung der zehn Gebote und was sonst im kleinen Katechismus stehet, erforderlich seyn mag. Auch faßte er durch Vorschub des ehrlichen Predigers die Grundsätze der christlichen Sittenlehre in so fern, daß ihn der wackere Mann nach Jahres Frist unter die Katechumenen aufnehmen konnte, ohne sein Gewissen gar zu sehr zu verletzen. Der gute Prediger verlohr zwar durch seinen Trotz und Halsstarrigkeit, wie es die Frau von Lindenberg nannte, manches Accidens, manche Mahlzeit auf dem Edelhofe, und manchen fetten Braten für seine Küche: aber er tröstete sich darüber, und zwar sehr leicht, mit der Erfüllung seiner Pflicht, und mit der Zufriedenheit, dem jungen Herrn einige gute Grundsätze beygebracht zu haben, die, das meynte er könne nicht fehlen, früh oder spät ein lebendiges Gefühl der grossen Wahrheit bewirken müßten, daß man seine Bestimmung hienieden noch nicht erfüllet [19] habe, wenn man reiten, fechten, und allenfalls die Einkünfte eines Ritterguts verzehren könne. – Die liebe Hausehre des braven Pastors nahm das Ding zwar nicht völlig so. Sie lüsterte nach den Fleischtöpfen Egypti, und beseufzte die Einbuße der feisten Puter, der gestopften Gänse, und der leckern Hasen von ganzem Herzen. Besonders mußte der gute Mann herhalten, wenn etwa an einem hohen Festtage, oder gar am Geburtstage der Frau Pastorinn, die Familie sich schlechtweg mit einem Stücke Rindfleisch behelfen musste. Bey solchen Gelegenheiten unterließ sie niemals, so lange die Frau von Lindenberg lebte, sehr laut zu werden, und es ihrem Manne sehr bitter und heftig zu verweisen, daß er die Küche so aus purem Eigensinn, wie ihr zu sagen beliebte, und recht um nichts und wieder nichts geschmälert habe. Denn, rief sie, andre Prediger nehmen wohl noch unwissendere Jungen an, als der Junker war: aber dafür (Hier schlug sie auf den Tisch.) haben sie auch Brodt. Du hergegen stössest alles muthwilliger Weise von dir; Weib und Kinder mögen sehen wie sie fahren. Das stand doch wohl an den Fingern abzuzählen, daß an dem Junker Hopfen und Malz verlohren ist! daß du mit allen deinem gepredige die Perlen für die Säue salva venie, warfst! und daß er nun wohl längst schon alles wieder ausgeschwitzet haben wird, was du ihm damals so mühselig einkauen thatst!

Das fürcht ich nicht, sagte dann der ehrwürdige Mann, der vollkommen so sanfmüthig und friedliebend war, als jeder billig seyn sollte, der den Gott des Friedens verkündigt. Das fürcht ich nicht, Lena, sagte er, alles wird wohl nicht auf dürren Boden gefallen seyn. Etwas, hoff ich, wird wohl im Kopf und Herzen haften und mit Gottes Hülfe schon zu seiner Zeit irgend [20] einige gute Frucht bringen. – Aber Kind, gieb mir doch noch ein Schnittchen Fleisch und einen Löffel voll Brühe. Ich weiß nicht wie du es anfängst, aber für deine Pohlnische Brühe laß ich der gnädigen Frau ihre genudelten Gänse und Schnepfenpasteten von Herzen gern.

Das liebreiche Gesicht des gutmüthigen Mannes, und sein Lobspruch auf ihre Kochkust besänftigte dann gemeiniglich die Frau, die eben kein Engel, aber doch auch just kein Teufel war, und mit der man, wie mit allen Frauen auf der Welt, ganz schicklich auskommen konnte, wenn man sie bey einer von ihren Seiten zu fassen wußte.

Uebrigens pflichten wir dem Prediger bey: es war in der That nicht alles an dem Edelmanne verlohren, und nebenbey hatte er doch lesen gelernet, wiewohl er dieses Talent in der Folge wieder häßlich vernachläßigte.

Nach dem Hintritte weiland Seiner Gnaden des Herrn Obristlieutenants fiel das Exerciren zu Pferde und zu Fuße von selbst weg, und es wurden jährlich etliche Paar Rapiere weniger in dem Schlosse zerbrochen. Das Reiten aber behielt der junge Herr aus Neigung bey, weil es ihm eine herzliche Freude war, über solche Hecken und Graben zu setzen, wo selbst sein Mentor nicht das Herz hatte ihm zu folgen, vorübergehenden Männern das Haar zu Berge stand, und der tollkühnste Bauerjunge bewundrungsvoll ausrief: Der Henker! das war mir 'n Hoppas! Unser Junker hat den Teufel im Leibe mit Reiten. – Dieser elende Beyfall, den ein wohlgezogner Jüngling verachtet haben würde, hatte für unsern Edelmann so viel Reize, daß er ihm zu Gefallen sich tägliw mehr als Einmal in Gefahr setzte, den Hals zu brechen.

Der gnädigen Frau war dieses allerdings ein schwerer Stein auf dem Herzen, aber sie vermogte [21] dem Dinge nicht abzuhelfen. Eine Beschäfftigung will der Mensch haben, das liegt in seiner Natur; und der Junker hatte auf der Gotteswelt nichts gelernet, als rechtsum machen, Karten geben, Fechten, und Reiten. Mit dem Ersten dieser Studien wars vorbey; das Zweyte war seine Sache nicht; das Dritte? je nu, das sahen seine Bauren an, und begriffens nicht. Aber, wenn er zu Pferde saß, dann ragte er über die ganze Welt, die er kannte, hervor. Da nun tief in seiner Seele ein gewisses Gefühl lag, das ihn anspornte mehr zu thun als andre können, und mehr zu seyn als andre sind, ein Gefühl das weder durch Treffen und Stickerey, noch durch einen vollen Geldbeutel befriedigt wurde: was Wunder dann, daß er ihm jetzt auf die einzige ihm mögliche Art ein Gnüge zu thun suchte, und in der Folge auf Thorheiten verfiel, die ihn zum lächerlichsten Original von der Welt machten?

Weil man aber doch nicht immer reiten und über Graben setzen kann, so tödtete er ein gutes Theil seiner Zeit in gedankenloser Muße mit der Pfeife und dem Glase; daher denn im ganzen Lande kein Mensch so geschwind und so schön einen meerschaumnen Pfeifenkopf braun schmauchen konnte. Was sonst an Zeit ihm übrig blieb, das füllte er mit Schlafen und Essen aus.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.
Vom Tode und Sterben.

So war denn nun der Edelmann im Pommerlande geworden, was er den Umständen nach werden konnte: der vornehmste Bauer auf seinem Gute. Daß er nicht der elendeste wurde, davon lag der Grund, wir sagen es noch einmal, in der überwiegenden [22] Güte seines Herzens, und in einer so vortreflichen Anlage, daß sie schlechterdings nicht völlig zu unterdrücken noch auszurotten stand. Was aber davon übrig blieb, hatte freylich eine so schiefe Richtung bekommen, daß der Schade lebenslang unheilbar blieb.

Die gnädige Frau gieng aus dieser Zeitlichkeit, gerade als ihr Sohn mündig geworden war, und ließ ihn im Besitz ungeheurer Reichthümer. Seit der Konfirmation des Junkers hatte sie dem Pfarrer nicht über den Weg getrauet, darum vermachte sie ihm in ihrem letzten Willen baare zweyhundert Thaler mit der Klausel, daß er die Ehre ihr den Leichensermon zu halten, einem benachbarten Prediger übertragen mögte. Der Geistliche aber, ob er gleich arm war, und eine geizige Frau hatte, schlug das Legatum großmüthig aus, und hielt die Predigt selbst, und zwar gerade weg, wie ers gewohnt war, für jeden aus seiner Gemeine zu thun, ohne ihrem guten Leumund den allerkleinsten Kleck anzuhängen, oder ihr irgend eine Tugend nachzulügen. Schand- oder Ehrensäulen zu errichten, käme, so dachte er, dem Geschichtschreiber zu, nicht dem Prediger; Weihrauch sey all überall ein abgeschmacktes Ding; und Asa fötida könne schlechterdings kein taugliches Ingrediens einer heiligen Rede sey. – Diesen Umstand, so wenig er eigentlich in mein Buch gehören mag, kann ich, zu Ehren meines lieben Pfarrers, unmöglich verschweigen, dessen ehrwürdige Absicht, so oft er predigte, immer die war, seine Zuhörer zu erbauen und zu bessern. Dieser Zweck, davon glaubte er überzeugt zu seyn, stand nicht zu erreichen, wenn er die Tugenden oder Fehler einer vor ihm stehenden Leiche, jene zum Muster, diese zur Vogelscheuche ausstellen wollte. Aber zur Ehre des Edelmannes kann ich ebenfalls nicht verschweigen, daß er ihm die zweyhundert [23] hundert Thaler dennoch bezahlte. »Bin dem Pastoren das Schulgeld noch schuldig, daß er mich das Lesen gelehrt hat.« So sagte er, und sandte ihm überdem noch ein artiges Geschenk für die Leichenpredigt.

Als unser Edelmann sich von den Unruhen des Leichenbegängnisses einigermaßen wieder erholet hatte, schwankte er zwischen zween Einfällen hin und her, über welchen er nicht etwa seit gestern brütete. Schon lange war er mit dem heldenmäßigen Gedanken schwanger gegangen, dermaleinst, wenn die gnädige Mama versterben sollte, wieder Kriegsdienste zu nehmen. Das war der eine Einfall. Der andre war nicht vollends so halsbrechend, und die Frucht der ternhaften Unterhaltungen weiland seines Mentors, aus welchen ihm noch dieß und jenes im Gedächtnisse schwebte. Denn, das muß ich, da es hier die Gelegenheit giebt, dem Hofmeister nachrühmen, daß er sehr fleißig gewesen war, den Zögling in den Mysterien der hohen Schulen, so viel an ihm war, zu initüren, und dessen Geschmack durch die kräftigsten Burschenlieder zu bilden. Und wenn das alles nicht tiefe Wurzel geschlagen, oder schlimme Folgen hervorgebracht hatte, so ist es bloß der damaligen zarten Jugend des Junkers beyzumessen, die unstreitig zu des Mentors Zeiten ausserordentlich zart gewesen seyn muß, da er noch in den ersten Jahren seiner Bekanntschaft mit dem Ludimagister, das heißt, wie er schon nahe an die vierzig war, Mayenkäfer ankleidete und Kartenhäuser bauete. Aber so tief hatten die Erzählungen des Hofmeisters doch gewurzelt, daß sie nach dem Tode der gnädigen Frau den Einfall in seinem Gehirne erzeugten, eine Universität zu beziehen, nicht eben um zu studiren; denn er wußte nicht recht, was studiren sey: sondern um sich für sein Geld zu [24] vergnügen, weil er steif und fest glaubte, das Universitätsleben sey das lustigste Leben von der Welt.


Diese beyde Einfälle hielten einander in des Edelmanns Kopfe so ziemlich die Wage. Aber wenn er zwischen beyden, wie dort Herkules am Scheidewege, unschlüßig stand, so wars nicht etwa deshalben, weil er für jeden Einfall Gründe pro und kontra fand; – denn mit Gründen sich zu befassen, war bisher nie sonderlich seine Sache gewesen; – sondern weil ihn weder Instinkt noch Zufall zu einem von beyden determinirte. Er nahm sonach von einem Tage zum andern die Sache ad deliberandum, und so flossen ihm ganz unvermerkt ein acht oder zehn Jahre hin, in welcher ganzen Periode der Unschlüßigkeit er beständig die Lebensart fortführte, an die er sich seit dem Tode des Obristlieutenants gewöhnet hatte, ohne ein Tittelchen dran zu ändern. So wie man ihn jezt kennet, standen auch Tausend an Eins zu wetten, daß er in eben dem Gleise bis an seyn eignes Ende geblieben seyn, und sich dabey eins ums andre, jetzt an dem Glanze des Soldatenstandes, jezt an den akademischen Freuden ergötzt haben würde, wenn es nicht seinem Gestirne beliebet hätte, ihm den Ludimagister in den Weg zu führen. Diesem Manne war es vorbehalten, die Unentschlossenheit des Edelmanns zu enden, seiner Phantasie ihren Schwung zu geben, und ihn in das glänzende Licht zu setzen, wovon ich, so Gott will, in den folgenden Kapiteln einen Abglanz meinen Lesern ins Auge stralen zu lassen gedenke.

4. Kapitel

[25] Viertes Kapitel.
Das erste Kapitel vom Taufnamen.

Von Gott und Rechtswegen gebühret uns Geschichtschreibern der Rang vor den leidigen Poeten, und Trotz sey dem geboten, der mir das abstreiten will! Nur Eins zu rügen: wenn diese Leutchen erst bitten und betteln müssen, daß eine Muse sich ihrer annehmen, und ihnen Nachricht von den Sächelchen geben wolle, die sie zu singen Willens sind, und die nicht selten – so bekannt sind, daß alle Zeitungen davon sprechen: so kann unser einer selbst auftreten, darf keines Vormunds oder Soufleur's, erzählet selbst, was er mit Augen gesehen, oder aus Urkunden geschöpfet hat; und das ist dann doch wohl ein wenig glaubwürdiger, als was Poet auf Treu und Glauben einer alten Jungfer sagt – oder als sein eignes Weibergeklatsche, daß er der Muse in den Mund legt. Denn, wiewohl das Ding seine großen und handgreiflichen Bequemlichkeiten haben mag, den Unsinn, den man selber zu verantworten sich nicht getrauet, durch eine Stimme vom Himmel reden zu lassen: so treibt mirs doch oft kalten Schweiß aus, wenn ein Poet die Muse die er aufgeboten hat, oder die Stimme vom Himmel gar zu erbärmlich – deräsonniren läßt. Wußt ers vorher, daß sie comme un bijou resonniren würde, warum rief er sie zu Hülfe? Und wußt ers nicht vorher, so konnt ers denn doch merken, wie sie es durch den Mund von sich gab, daß es schaal sey; warum schrieb ers denn nach? – Mit unter trägt sichs wohl zu, daß das Orakel vernünftig spricht; aber dann bringt gemeiniglich der Dichter sein Sage mir, Muse! so trotzig heraus, daß er völlig das Ansehen gewinnt, als wollt er sie nur ihre Lektion überhören. Und es mag jemand vor den Augen und Ohren des ganzen Publikum den [26] Schüler oder den Schulmeister machen, beydes – mit Gunst zu melden – kömmt immer ein bischen, ich weiß nicht wie, heraus.

Ich bin es selbst, freundlicher lieber Leser, der dir die Nachricht giebt, daß unser Edelmann eigentlich mit seinem Taufnamen Seyfried hieß. Seyfried, Erb-und Gerichtsherr auf Lindenberg. Diese Nachricht hab ich mir von keiner Muse sagen lassen, und bin überall keiner Eingebung Dank dafür schuldig, sondern ich habe sie unmittelbar aus dem Kirchenbuche geschöpft. Es würde auch wohl vergeblich gewesen seyn, wenn ich einer von den Musen den Mund drum hätte gönnen wollen, denn die Musen sind gottlose blinde Heiden, denen kein ehrlicher Küster erlauben wird, ihre Nase in ein christliches Kirchenbuch zu stecken. Besser also, ich wendete dem Küster zwey Groschen zu, als einem heidnischen Teufelsbraten einen Kratzfuß.

Seyfried hieß also eigentlich der Edelmann; aber er hörte es gar zu gern, wenn man ihn Siegfried nannte. Und – zur dienstlichen Nachricht: hier etwa fängt er an interessant zu werden, wenn es anders, wie ich sehr geneigt bin zu glauben, jemand giebt, den er intereßiren kann.

5. Kapitel

Fünftes Kapitel.
Die Dorfschenke, oder der gehörnte Siegfried.

Deswegen fange ich auch ein neues Kapitel an.

Es war an einem unvergleichlichen Herbstnachmittage, als Junker Seyfried that, was er vorher niemals, oder doch so außerordentlich selten zu thun pflegte, daß davon auch nicht der Schatten einer Nachricht auf mich gekommen ist: Er gieng spazieren.

[27] Fast ganz an der südlichen Grenze seines Gebietes lag das kleine Lustwäldchen, dessen ich zu Anfang des ersten Kapitels rühmlichst gedacht habe. Dahin begab sich der Edelmann. Er lagerte sich unter einer majestätischen Eiche, und hörte den Vögeln, die um ihn her zwitscherten – nicht zu, hatte auch in der Welt kein Arges draus, daß eine liebliche Quelle zu seinen Füßen mit sanftem Murmeln durch Gebüsch und bunte Blumen sich schlängelte. Er rauchte sein Pfeifchen, freuete sich herzlich, daß es Zirkel gab, wenn er in den Bach spuckte, und schlummerte endlich gar sanft und süß über dem Rauchen ein. Als er erwachte, fand er sich in der schönsten Abenddämmerung, und ehe er noch den Rückweg halb vollendet hatte, war es völlig dunkel.

Der gnädige Herr erreichte sein Dorf, und schlenterte ganz gemächlich durch die Pfützen und über die Misthaufen vorwärts, bis eine laute pathetische Stimme, die in der Stube der Dorfschenke gewaltig deklamirte, seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Neugier war sonst des Pommerschen Edelmanns Fehler nicht, aber heute sollte alles bey ihm ungewöhnlich zugehen. Bin doch kurjos zu wissen, was da so gröhlet, sagte er bey sich selbst und kuckte ins Fenster. Da sah er denn am Ende des Tisches den Schulmeister, sitzend in seiner ganzen Gravität, vor ihm zwey Endchen Licht, eins auf dem Leuchter, das andre in den Hals einer Bouteille gesteckt, neben und hinter ihm die Kinder des Wirths mit aufgesperrten Mäulern, und um den Tisch her fünf oder sechs Bauren in ihren weißen Kitteln, die kurzen Stummelchen im Schnabel, aus welchen der Dampf des Brandenburgischen Knasters in dichten wirbelnden Wolken hervorstieg, und die Stube an Qualm und Wohlgeruch vollkommen jenem Abgrund ähnlich [28] machte, der der Hölle zum Schornstein dienet, und in welchen Astolph, reitend auf dem Hippogrifen die Harpyen zu allen Teufeln jagte. 1 Der Schulmeister hatte die wahre und wundersame Geschichte des kecken und mannhaften Ritters Siegfried, mit dem Beynamen des Hörnernen, in seiner linken Hand, breitete die rechte in zierlichen Gestikulationen seinem Auditorium entgegen, und las, daß er braun um den Kopf wurde. Er war gerade bey dem unerhörten Ebentheuer, des Ritters wider den scheußlichen Haselwurm. Die Nasenlöcher der Bauren erweiterten sich, die Kinder schmiegten sich an einander, die Wirthin rückte ihren Bettschemel näher an den Tisch und sah von Zeit zu Zeit hinter sich, ob ihr auch etwa ein Drache in die Arrieregarde fiele, und der Junker draußen vor dem Fenster horchte aufmerksam zu, als der Schulmeister las, wie die Hiebe fielen als Hagel, und jeder Hieb 'ne Wunde machte, wie 'n Scheunthor, und wie der Ritter den Lindwurm, deß er kümmerlich Herr werden mogt, braten thät, daß 's Fett raus quoll, und 's Fett Horn ward, als 's gerann, und der Ritter sich damit fest machte wider Hieb und Stich, und 's Fräulin erlöste, und sich zu ihr thät wonniglich – und was des Dings mehr war, welches alles Ihr weiter nachlesen möget, theils im Büchlein selbst, theils auch in der Paraphrase des Ludimagisters, von der ich aber nicht weiß, ob sie gedruckt ist.

Hagel noch mal, sagte der Edelmann, das war'n ganzer Kerl, der Ritter da! – Muß doch mal 'nein gehen, setzte er nach einer kleinen Pause hinzu, hieng sein spanisch Rohr über den Griff des Säbels, nahm die Tobackspfeife in die linke Hand, tappte mit der rechten voraus, um die Nase nicht zu gefährden, und gelangte so ganz [29] [31]glücklich und wohlbehalten bis an die Stubenthür und in die Stube.

Die Gesellschaft sah, Trotz der Atmosphäre von Tobacksqualm, worinn sie gehüllet war, dennoch das Flimmern des reichbesetzten Dolman's, und erkannte an diesem Zeichen, wie auch am Klirren des Säbels und Stockes, wozu die Eisen unter den Stiefeln den Takt gaben, die Gegenwart des gnädigen Herrn. Die Posaune des Schulmeisters verstummte, die Bauren nahmen die Pfeifen aus dem Munde und die schwarzen Pudelmützen herunter, und der Wirth, der nicht aus dem Dorfe, sondern bey Reichenwalde her gebürtig war, auch in jüngern Jahren als Stangenreiter eines Frachtfuhrmanns manche Reise von Frankfurth nach Leipzig gethan, folglich die Welt gesehen und Mores gelernet hatte, machte einen Knickerling mit einem Sequens.

Die Bauren fürchteten sich zwar nicht vor dem Edelmanne, denn sie waren überzeugt, daß er der gutmüthigste Junker auf Gottes weiten runden Erdboden sey; aber sie wurden doch ein wenig bestürzt, und wußten nicht gleich, was sie aus dieser unerwarteten und unerhörten Erscheinung machen sollten. Selbst der Schulmeister vermogte von seinen hundert zwey und siebenzig lateinischen Brocken keinen einzigen herauf zu würgen.

»Geht man wieder sitzen, sagte der Edelmann. Der Blix! geht sitzen, Leute, wenn ichs euch sage; habt doch wohl eure Knochen heut müde strapenziret. Hab' den da draußen predigen hören; wollt mal hören, was 's hier giebt, so wollt ich. Hä?«

Der Wirth, an den sich dieses Hä addreßirte, nahm das Wort, und versetzte in seinem Reichenwalder Dialekt: Ih nu, gnädiger Harre, wos werds Wunger synn? De Nochbern do hann den Luhmegester do gebaten...

[31] »Wen?«

Ih nu, gnädger Harre, den Luhmegester do. 'S is der Schullmeester, er sichts adder garne, wenn ma'n Luhmegester tittelirt. Er kann asn schiene lasen, doß 's 'ne Lust is. – –

– Meine Leser, hoff ich, werden mir den Reichenwalder Dialekt fürs künftige erlassen. Er läßt sich so wenig als das Plattdeutsche für Leute, die seiner nicht kundig sind, schreiben, und hat überdem seine eigne Melodie und Accent.

Der Wirth belehrte demnach den Edelmann, daß der Ludimagister, der so schön lesen könnte, den Nachbarn wöchentlich einen Abend vorzulesen pflegte, und dafür von der Gesellschaft frey gehalten würde. Heute Abend sonderlich hätte er 'n schnurriges Ding gelesen von'n Ritter, der gar'n abscheulich gewaltiger Ritter war ....

»Laßts man gut seyn, sagte der Edelmann; hab all'n bischen von gehört. Trinkt mal alle meine Gesundheit, und komm Er morgen früh mal zu mir, Schulmeister, und bring Er's Buch mit, versteht Er. Gute Nacht, Leute!«

Indem er dieses sagte, warf er ein Paar harte Thaler auf den Tisch. – Werde nicht ermangeln aufzuwarten, sagte der Ludimagister; danken Eu'r Gnaden auch sämtlich für die hohe Gnade! Tu das epulis accumbere diuum!

»Oh Schnack!« sprach der Pommersche Edelmann, und gieng weg, immer zum Dorfe hinaus; und voll vom hörnernen Siegfried kam er in seinem Schlosse an.

Wie Seine Gnaden die Schenke verlassen hatte, erhub sich ein Streit zwischen dem Wirthe und seiner Frau. Diese ließ ihren Eheherrn sehr übel an, und behauptete, er habe dem Edelmanne nicht mit der geziemenden Repetenz begegnet. Hättst'n doch 'ne Ehre anthun sollen, und 'n aus unserm gläsernen Kruge mit 'm zinnernen Deckel mal zutrinken sollen, [32] so hättst Du! und Herr Gnaden würde dir Bescheid gethan haben, und hättst denn 'n mal deinen Kindern erzählen können, und wenn 'n Reisender durchs Dorf kommen wäre, daß der gnädge Herr wohl eher aus unserm schönen Kruge getrunken hätte, und hättst den Leuten den Krug weisen können, so hättst Du. Aberst so that er den Herrn Gnaden nicht 'n mal 'n Stuhl anprimisiren, der Schlumpenschleef! –

Seht mir doch die kluge Sabille! ewiederte der Wirth. Meynst auch, daß man en'm Edelmanne nur so zutrinkt, und daß er einem da so gleich Bescheid thut! Da würd er dir Butter dran gethan haben, siehst Du! Wird dir da auch nur so sitzen gehn, ha! Meynst nur, weil du mal in der Stadt gedient und ein Paar vornehme Wörter aufgeschnappt hast! Aber wirst wohl all mein Tage 'ne dumme Jitte bleiben.

Ich 'ne Jitte? sagte die Frau, und die Borsten auf ihrem Haupte empörten sich. – Es würde arg geworden seyn, wenn der Ludimagister sich nicht ins Mittel gelegt hätte. Der sprach pro Rostris, und war der Meynung, sie könne ganz schicklich die Jitte mit dem Schlumpenschleef kamp auf gehen lassen. Die Eintracht ward hergestellt, deß brüstete sich der Schulmeister, und wiederholte wohl zehnmal an diesem Abend die Stelle aus dem Virgil, die er aber nicht aus dem Smetius hatte:

Tum pietate grauem et meritis si forte virum quem Conspexere, filent!

Einen fürwitzigen Bauern, der ihn bat, er mögte ihn doch den Spruch ausdeuten, fertigte er damit ab: das Latein würde zu nichts in der Welt taugen, wenn man dergleichen auf Deutsch sagen wollte. Laßt uns dafür des gnädigen Herrn Gesundheit trinken. Er hats befohlen, und seiner Obrigkeit soll man gehorchen, wie das vierte Gebot sagt.

[33] Recht so! rief der Wirth. Komm her, Frau! keinen kindischen Groll mehr! Da, schenk ein! – Und die Gesellschaft zechte diesen und den folgenden Abend aufs Wohlseyn Seiner Gnaden, bis die zwey Thaler verzehret waren.

Fußnoten

1 Orlando furioso, Cant. XXXIII, XXXIV.

6. Kapitel

Sechstes Kapitel.
Der Ludimagister macht seine Aufwartung im festlichen Pomp. Nicht jedes Unglück wird durch Kometen verkündigt.

Am andern Morgen stand der Ludimagister vor Tages Anbruch auf, kämmte seine Sonntagsperüke, schmierte sie reichlich mit Schweineschmalz und Lichttalg, zerrte einige Locken perpendikular, richtete andre horizontal, und bestreuete sie Strohhalmsdicke mit seinem gebeutelten Semmelmehl. Hierauf langte er sein schwarzes Feyerkleid aus der Lade, dürstete und fegets. Seine Schuhe schwärzte er mit Kienruß und einer Speckschwarte, und rieb die meßingnen Schnallen mit gepülvertem Ziegelstein, Baumöl, und zarter weißer Kreide. In seinen baufälligen Hut trachtete er mit warmen Eßig Neuheit zu dürsten – alles das zum größten Erstaunen seine eheliche Gemalin, der Frau Schulmeisterinn, die ihn dermalen vergebens fragte, und kaum eines Blickes über die Schulter gewürdiget wurde. Um den Hals ward ein sauberes weißes Tuch gebunden, und die Strümpfe gürtete er unterhalb des Knies mit schönen rothen ledernen Knieriemen. So zu seinem heutigen Ehrentage mit dem festlichsten Putze geschmückt, versah er sich mit der Rittergeschichte des hörnernen Siegfrieds, ergriff seinen schönsten Dornstock, und wandelte fort. Doch konnte er seine Hausgötter nicht verlassen, ohne seinem heutigen Stolze ein Opfer zu bringen, indem er die Ursache desselben anzeigte. Frau, sagte er und warf das Haupt zurück, Frau, [34] wenn jemand nach mir fragt, so laß ihn nach Tische wieder kommen. Ich mache dem gnädigen Herrn meine Visite. –

Hiermit gieng er. Nach dem Maaße aber, wie er dem Edelhofe näher kam, verwandelte sich sein Stolz in Beklemmung; und wie er den Fuß ins Schloß setzte, sank ihm plötzlich das Herz um gute anderthalb Spannen hinab.

»Laßt'n gleich 'rein kommen!« sagten Seine Gnaden, die noch mit Ihrer Toilette beschäfftigt waren, und sich eben den Bart kämmen und knüpfen ließen, als man den Ludimagister anmeldete.

Der Schulmeister trat nicht ohne Zittern hinein. Die ganze schöne Anrede, auf die er die liebe lange Nacht studiret hatte, gieng zum Henker, so bald er Seine Gnaden in ihrer Herrlichkeit vom Kammerdiener und Lakayen umgeben erblickte. Und die Rudera, die er etwa noch hatte wieder erhaschen können, zerstreute der Edelmann vollends, indem er ihm gleich beym Eintritt entgegen rief: Na, Schulmeister, hat Er 's Buch bey sich?

Aufzuwarten, mit Eu'r Gnaden unterthänigster Permißion! stammelte der Ludimagister. Ad mandatam venimus ecce domum.

»Könnt's Fransche man weglassen. Bin da kein Freund von, Schulmeister!«

'S ist Latein, wenn Eu'r Hochwohlgebohrne Gnaden demüthigst erlauben wollen.

»Gleichviel! – 'ch hatte nicht darnach gehöret. Unser eins hat mehr im Kopfe. Aber 'n bischen Lateinisch laß ich noch wohl gelten – für ihn meyn' ich. 'S ist, glaub ich, die Schulmeistersprache; ists nicht? Hätts selbst wohl lernen mögen, wie der Pastohr meynte, aber Mama seliger wollt's nicht haben, und so blieb's nach. – Krischan! gebt dem Schulmeister 'n Schnaps und so'n bischen dazu.«

[35] Dem Ludimagister wollts noch nicht so recht geläufig werden, mit vornehmen Herren umzugehen. Wie ihm der Kammerdiener das Frühstück präsentirte, machten ihn Hut, Buch und Dornstock verlegen. Doch half er sich so gut sichs thun ließ, nahm das Buch unter den linken Arm, klemmte den Hut zwischen die Knie, und wickelte den Riemen der den Dornstock statt des Bandes schmückte, zweymal um den dritten Rockknopf; dann ergriff er, da er nun beyde Hände frey hatte, mit der einen das Glas, mit der andern ein Stück Gebacknes. – Gehorsamstes Wohlseyn unterthänigst, Sie erlauben! sagte er, und machte einen gewaltig abentheuerlichen Lorenz, fast mit der Nase bis zur Erden. Zu gleicher Zeit wollte er, um seinen Bückling recht manierlich heraus zu bringen, mit dem rechten Fuß hinten aus kratzen, und dachte nicht an den Hut. Dieser entglitt ihm über all der Höflichkeit, und als er, vermuthlich auf Anstiften seines bösen Dämon's, ihn mit den Knien begreifen wollte, verlor er selbst das Gleichgewicht, und stürzte so lang er war zu den Füßen des Edelmannes, der in ein so herzliches Gelächter ausbrach, daß ihm die Thränen über die Backen liefen. Hiermit war aber das widrige Schicksal des Ludimagisters noch nicht erschöpft, sondern sein Unstern wollte, daß er im Fallen mit seinem Kopfe auf den Leibhund Seiner Gnaden treffen mußte. Türk nahm den Spaß übel, und schnappte dem Schulmeister nach der Nase; glücklicher Weise aber faßte er nur die Perücke, und kühlte sein Müthchen waidlich daran.

Exküse unterthänigst! Halten zu Gnaden! rief der Ludimagister, indem er sich aufraffte, die Landkarten von seinem Feyerkleide klopfte, und die Glasscherben auflas. Dero werden verzeihen! Es ist wahrhaftig nicht mit Willen geschehen! Procumbit [36] [38]humi bos. Ich war nur ein bischen gefallen ...

»Das kömmt von den Speranzien, fiel ihm der Edelmann ins Wort und wischte sich die Augen. Da liegt nu die liebe Gottesgabe! – Krischan! schenkt dem Schulmeister mal 'n ander Glas ein.«

Während der Kammerdiener dem Befehle des gnädigen Herrn nachkam, bearbeitete sich der Ludimagister, dem Hunde die Perüke wieder abzujagen. Die Bestie wies ihm die Zähne zur herzlichen Kurzweil des Pommerschen Edelmanns, der doch endlich geruhete, der Verlegenheit des Mannes ein Ende zu machen – »Apport, Türk! – Sieht Er, Schulmeister, da giebt er's von selbst her. – Oh brav Türkschen! – Ist 'n Gelehrter, und weiß nicht mal 'n Hund 'ne Pruck' abzunehmen! Mama seliger hatte wohl Recht, daß 'n Kavalier immer mehr weiß, als 'n Gelehrter.«

Dero halten zu Gnaden! er wollte mich aber beißen.

»Ah, Kikel kakel! Er weiß man nicht mit umzugehen, Schulmeister. Da! setz Er's Eulennest man vor erst wieder auf. Mein Pruckenmacher soll ihm 'ne neue Atzel machen.«

Der Schulmeister bedeckte sein weises Haupt so gut sichs thun ließ mit den Fragmenten, und trank nun mit etwas weniger Cäremonie. Unterdessen war der Edelmann angekleidet, und der Kammerdiener vollendete die Toilette damit, daß er seinem Herrn den Säbel reichte.

»Könnt nu man 'naus gehen, Krischan!«

Christian und die andern Bedienten giengen.

»Türk! Alloh! Farm le Part!«

Was weiter vorfiel, wird der Leser im folgenden Kapitel sehen können.

7. Kapitel

[38] Siebentes Kapitel.
Captatio beneuolentiae. Vorlesungen. Das zweyte Kapitel vom Taufnamen. Die Avisen.

Der Ludimagister war ein Politikus. Er hatte das im Augenblicke weg, daß Türk das andre Ich des gnädigen Herrn sey. Da er auch nunmehro schon über eine halbe Stunde mit Seiner Gnaden in Freude und Leid konversiret hatte, so waren ihm Hände und Füße schon etwas weniger im Wege, ums Herz wurde es ihm merklich leichter, heller im Kopfe, und das Band seiner Zunge ward los. Er bewunderte in einer wohlgesetzten Rede die Talente des Hundes, erstaunte über die Geschicklichkeit desselben, strich seine Größe, Schönheit und Folgsamkeit heraus, betheuerte, es fehle ihm nichts als die Sprache ....

»Schnack! fiel ihm der Edelmann ins Wort; kann wohl sprechen nach seiner Art. Alloh Türk! pahrel hoch!«

Der Hund brach in ein Mittelding von Heulen und Bellen aus.

Der Schulmeister schlug mit so künstlicher Verwunderung, als hätte er in seinem Leben keinen Hund heulen gehört, die Hände zusammen, verdoppelte seine Lobsprüche, und schloß mit der Versicherung, er hätte nun und nimmer geglaubt, daß ein unvernünftiges Vieh so was lernen könnte. – Dadurch brachte er sich denn einen treflichen Stein bey dem Edelmann ins Brett.

»Und was das schnakisch ist, Schulmeister, daß so 'n Hund Fransch versteht. – Aber nicht eins ins ander zu reden; – was ich sagen wollte, Schulmeister, so hab ich ihn herkommen lassen, daß er mir das Siegfriedenbuch da 'n bischen vorlesen soll. Geh Er da man sitzen, und wenn Er noch 'n Schnaps will, kann Er sich man einschenken.«

[39] Danke gar schöne. Mögte mir zu viel werden, Eu'r Gnaden. –

Hiermit nahmen also die Vorlesungen ihren Anfang, und es gieng so scharf über den hörnernen Siegfried und über des Ludimagisters Lunge her, daß das Buch in zween Vormittagen von einem Ende bis zum andern durchgelesen war, wobey der Vorleser nicht ermangelte, die dunkeln Stellen, deren für den Edelmann nicht wenige waren, durch eingestreuete Anmerkungen, Erinnerungen, Erläuterungen und Gleichnisse – noch dunkler zu machen. Die Seele des Junkers war das unbeschriebenste Blatt von der Welt. Stand ja etwas drauf, so warens ein Paar Dintenkleckse. Kein Wunder also, wenn die Rittergeschichte einen tiefen Eindruck auf ihn machte.

Es ist ausgemacht gewiß, daß die Grille des Pommerschen Edelmanns, sein Geschlecht müsse wohl ursprünglich vom tapfern und mannlichen Ritter Siegfried dem Hörnernen abstammen, diesen Vorlesungen ihren Ursprung zu danken habe. Der Name Seyfried, der in der Lindenbergischen Familie seit undenklichen Generationen so erblich ist, als – sans Komparaison – der Name Heinrich bey den Grafen von Reuß, oder Ludwig bey den französischen Monarchen, bestärkte ihn in seiner Meynung. Und er, der all sein Tage nichts bewiesen hatte, bewies und behauptete nun dagegen männiglich, es müsse sich einmal irgend ein Pfarrer versprochen, oder ein Küster im Kirchenbuche verschrieben haben. Und diese Meynung war er immer bereit mit Säbel und Pistolen zu verdefendiren, wie er sagte. – Nun weißt Du, freundlicher Leser, warum unser Edelmann, wie wir in unserm ersten Kapitel vom Taufnamen anmerkten, es gar zu gern hörte, wenn man ihn Siegfried nannte, weil man nehmlich seinen Ursprung dadurch anzuerkennen schien. Seine Haus- und Dorfgenossen mußten sich wohl in ihn schicken; und da es seinen [40] Nachbarn und etwanigen Bekannten auch nichts verschlagen konnte, ob der Herr von Lindenberg, Siegfried oder Seyfried hieß: so blieb er im ungekränkten Besitz des Namens, dem er so herzlich gut war. – Aber wir fahren in unsrer Geschichte fort.

»Hagel noch mal, Schulmeister, wie ist Er an das Buch gekommen?«

Habs mal gekauft, Eu' Hochwohlgebohrnen Gnaden, als ich meiner Mutter Brudersohn besucht, der in Greifswalde studirte. Ich hörte, daß es ein großer vornehmer Professor in Greifswalde gemacht hätte, und da dacht ich, ich müßte die etlichen Dreyer schon dran wenden.

»Alle Blix! 's muß 'n ganzer Kerl seyn, der Professor – sagt er nicht so? – der so'n Buch machen kann. Bin 'n Edelmann, so gut wie der Kaiser, aber so'n Buch wüßt ich nicht zu machen, nee, und wenn ich die ganze Welt haben sollte. 'Sist'n allerwelts Kerl, der Siegfried! Mögt auch wol mal so um mich 'rum hauen! Hätt sich auch wohl passen können, wenn ich im Dienst geblieben wäre. Aber der Lindwurm, das war'n Racker, so war er. Wüßt ich man mal einen, ich wollt'n lebendig braten, daß er die Angst kriegen sollte. Und da könnt' einer denn auch 'n Buch von machen. Nicht wahr, Schulmeister?«

Allerdings Eu'r Gnaden. Und wenn Eu'r Gnaden denn des Fortunatus Wünschhütlein hätten ...

»Kenne das Dings nicht.«

O Eu'r Gnaden, das war ein köstliches Ding! Ich habe ein kurjoses Buch von diesem Fortunatus mit dem Wünschhütlein und Säckel zu Hause ...

»War das 'n Edelmann, der Fortnaz?«

Allerdings, Eu'r Gnaden! – Das Buch könnt ich Eu'r Gnaden vorlesen ...

»Das kann Er, Schulmeister!«

[41] – und wenn Eu'r Hochwohlgebohrne Gnaden allergnädigst erlauben wollten ...

»Der Blix! das will ich ganz gern, Schulmeister!«

– so könnt ich morgen damit den Anfang machen. Und wenn Eu'r Gnaden ein Liebhaber vom Herzbrechenden sind ...

»Nicht sonderlich, daß ich wüßte.«

Sonst könnt ich auch die Geschichte vom Oktavianus mitbringen ...

»War's auch 'n Kavalier?«

Allerdings Eu'r Gnaden, und ein Römischer Kaiser dazu; aber weil Dero nicht sonderlich fürs Tragische sind ...

»Nee! Nee! Schulmeister bring er das Acktafijanusbuch man auch mit, versteht er, weil's doch von'm Kaiser ist.«

Auf diese Art wußte der Ludimagister immer Ein Buch aufs andre folgen zu lassen; ein Kunstgriff, den er zwar der Sultaninn Scheherazade, die so schön ein Mährchen ans andre zu nähen wußte, nicht abgelernet haben konnte, der ihm aber treflich zu statten kam, sich allmählig dem Herrn Siegfried von Lindenberg unentbehrlich zu machen. Der Edelmann lernte auch nach und nach ein Urtheil über die Bücher fällen, die er vorlesen hörte. Sonderlich erklärte er sich herzlich für die Ritter, an denen er recht viel Bieders, Großes und Gutes bemerkte, und nährte seinen Geist mit ihren großmüthigen und schönen Thaten. »Denn, sieht Er, Schulmeister, pflegte er zu sagen, um sich hauen, kann 'n jeder, der man 'n fixen Säbel und Mark in den Knochen hat. Aber so'n ganz Königreich mir nichts dir nichts wegschenken, das einer eben mit saurem Schweiß und Blut eingenommen hat, oder 'ne Prinzeßinn zu erlösen, die einer sein Lebstage nicht mit Augen gesehen hat, der Blix Schulmeister, das ist'n andrer Schnack.«

[42] Den Kaiser Oktavianus aber erklärte er schlechtweg für einen schäbigten tückischen Schurken, und dessen Mutter für eine verläumderische, garstige, klatschmäuligte Petze, von denen er in seinem Leben kein Wort mehr hören wollte. Das Genovefenbuch sey nicht 'n Haar besser, und Junker Schmerzenreich wäre, mit Permißion zu melden, ein Schleef Aergern konnt er sich über alle Maaßen, wenn er lesen hörte, daß die Ritter an Galatagen in köstlichen Schammlott, oder in grünen Purpur gekleidet waren. Das wäre man nichts. Ein ächter Kriegsmann müsse nichts als seine Uniform tragen; doch ließe er wohl 'n Friesrock überher gelten, wenn's kalt wäre. Schöne Kleider aber, das thäte so heraus kommen, als wenn einer sich der Uniform schämen thäte, u.s.w.

Hätte der Ludimagister die Ehre gehabt, mit den Geschöpfen des unvergleichlichen Cervantes und des komischen Smollet bekannt zu seyn, so wäre ihm wohl nichts leichter gewesen, als aus unserm Edelmann einen Pommerschen Don Quixotte oder Sir Launcelot Greaves zu machen.

Als nun der ganze Apparatus von Büchern, die der Schulmeister ehemals zum Behuf seiner Abendvorlesungen in der Schenke angeschaffet hatte, auch auf dem Schlosse eins nach dem andern vorgelesen und wieder vorgelesen waren, bis der Edelmann fast alles auswendig wußte, begann er nach und nach einigen Ekel vor der losen Speise zu empfinden, und beliebte sich darüber gegen den Ludimagister wie folgt zu erklären:

»Weiß den Kukuk nicht, wie's kömmt, Schulmeister, aber es kömmt mir vor, so thut es, als wenn das Melusinenbuch nicht mehr so hübsch ist.«

Inuenies alium, si istum fastidis, Alexin! versetzte der Ludimagister. Es giebt ja mehr zu lesen, gnädiger Herr! Zum Exempel, was meynen Eu'r Gnaden [43] – jedoch mit unterthänigster Submißion unter Eu'r Gnaden besseres Videtur – wenn Eu'r Gnaden die Avisen kommen ließen?

»Kenne die Dinger nicht, Schulmeister!«

Avisen, unterthänigst! will ich die Gnade haben Dero zu sagen, sind so halbe Bogen, auch wohl ganze Bogen, wo alles drinn steht, was in der ganzen Welt paßiret.

»Alle Blix, Schulmeister! das muß schnurrig seyn! Steht denn auch drinn von dem Hasen, den Türk letztens greifen thät?«

Allerdings Eu'r Gnaden! – Zwar – Wiewohl – Was das anlangt – So eigentlich will ich das nun wohl eben – – Indessen aber – Es könnte doch drinn stehen.

»Hätt mir das längstens sagen können. Steht denn auch drinn, wenn 'n Ritter 'n Haselwurm schmohren thut?«

Allerdings, Eu'r Hochwohlgebohrne Gnaden. So was Remarkabels steht immer drinn.

»Wills kommen lassen, Schulmeister. Wo kriegt man die Dinger? Hä?«

Werden vieler Orten gedruckt, Eu'r Gnaden! Habe mir aber sagen lassen, mit hoher Permißion, daß sie in Hamburg die besten drucken. Hab auch wohl eher welche gesehen, die in Berlin gemacht waren.

Wills kommen lassen. – Krischan! – Ruft mir mal den Verwalter. – Bin doch kurjos; will doch mal hören, obs von Türk drinn steht. – Verwalter, was ich sagen wollt, schick er mal gleich stantepeh 'n Kerl zu Pferde weg nach Hamburg und Berlin, und laß Er mir mal alle Avisen kommen, die da gemacht werden. Laß Er'n brav zu reiten, daß er auf 'n Mittag wieder hier ist, versteht Er.

Halten zu Gnaden, versetzte der Ludimagister, Hamburg liegt wohl, wer weiß wie viel Tagereisen von hier, wo die Elbe ins Mittelländische Meer fällt ....

[44] »Weiß wohl, sagte der Edelmann; dachte man nicht gleich daran.«

– aber wenn Eu'r Hochwohlgebohrnen Gnaden aufs nächste Postamt schicken wollten .....

»Das will ich. Verwalter! schick Er stantepeh auf's nächste Postamt.«

– so könnte sie der Postbote immer mitbringen.

»Kann angehen, Schulmeister.«

8. Kapitel

Achtes Kapitel.
Bis die Avisen ankommen. Ein langes Kapitel!

Es giebt – Ich weiß nicht ob Aristoteles oder Kovarruvias das gesagt hat. Vielleicht aber hätt ichs auch im Abulfeda lesen können, wenn ich das Arabische Seiner Majestät verstände. – Es giebt manches Ding in der Welt, das man nicht begreifen kann; und es soll auch manches Ding geben, das man nicht begreifen muß.

Das Letztere lassen wir dahin gestellet seyn; das Erstere aber, wer mir das abstreiten wollte, den wollt ich eben so trocken abführen, als Diogenes that, da ihm ein witziger Kopf abdisputiren wollte, daß es Bewegung in der Welt gebe. – Und, man sage dagegen was man will, die Methode des Diogenes ist eine sehr gute Methode, weil sie ungemein simpel ist, und schnurgerade zum Ziele führet. – Er setzte erst den rechten Fuß vorwärts, dann den linken, dann wieder den rechten, und immer so fort, einen um den andern; und so kam er denn ganz natürlich an das andere Ende des Zimmers. Dahin konnt er nicht gekommen seyn, wenn er sich nicht über den Fußboden hin beweget hätte, oder – der Fußboden hätte sich unter ihm [45] her bewegen müssen. Nichts auf der Welt kann simpler seyn.

Sollte nun – und wer weiß was sich zutragen kann? Alter Tage Abend ist noch nicht gekommen. – Sollte nun irgend ein witziger Raritätenkasten sich gelüsten lassen zu behaupten, er könne alles begreifen: so rath ich ihm wohlmeinend, es so leise zu sagen, daß ichs nicht höre; sonst würd ich mir die Freyheit nehmen, ihn a la Diogenes ad Absurdum zu bringen. Ich würde ihn ein kleines Problemchen vorlegen, so ganz aus dem gemeinen Leben, und damit sollts Lied zum Ende seyn.

Ich habe die Ehre gehabt Seine Hochwohlgebohrne Gnaden, den Edelmanne im Pommerlande, sehr lange und so genau zu kennen, als unser einer nur immer einen Edelmann kennen lernen kann: aber ich kann mit Wahrheit nicht anders sagen, als daß er nie von vielen Worten, und überall kein sonderlicher Liebhaber des geselligen Umgangs war. So gar seine nächsten Grenznachbarn, welche zwar freylich mehrentheils Hofleute oder in Kriegsdiensten waren, und sich daher nie lange auf ihren Gütern aufhielten, sprach er fast niemals, wenn sie ihm nicht etwa auf seinen gewöhnlichen Spazierritten begegneten, und dann wars guten Tag und guten Weg. Mit seinen Bedienten ließ er sich nie ein. Seine gnädige Mama hatte ihm von Kindesbeinen an viel zu scharf eingepräget, er sey ein Kavalier, und der müße sich mit keinem Bürgerlichen gemein machen, (Gemein machen hieß bey der seligen Frau: freundlich ansehen, und höflich reden.) am wenigsten mit denen, die sein Brodt äßen. Daher vergieng mancher schöne Monat, daß selbst sein Christian, ehe er Oberkammerherr wurde, ausser den nothwendigsten Befehlen keine Sylbe aus seines Herrn Munde hörte. Bloß gegen seine Pferde und Hunde war er gesprächig, übrigens das ungeselligste [46] Thier. Daß mogt er aber für sein Leben gern haben, daß Christian, oder wer es sonst von seinen Leuten war, (den Justitiarius ausgenommen, den er nicht leiden konnte, weil er überall den Juristen feind war) mit ihm sprach, ihm diese und jene Haus- oder Dorfneuigkeit erzählte, und ihm so die langen Abendstunden vertrieb. Dazu rauchte er dann im tiefsten Stillschweigen seine Pfeife, und hörte andächtig zu. Er litt aber niemals, daß einer seinen Kameraden anschwärzte oder verfuchsschwänzte, und man weiß noch heutiges Tages auf Lindenberg davon zu erzählen, daß er bey einem solchen Vorfalle zum ersten mal in seinem Leben in Wuth gerathen sey, den Säbel gezogen, und den armen Sünder mit eignen hochadlichen Händen dermaßen durchgefuchtelt habe, daß ihn der Feldscheer an die vier Wochen lang besalden und bepflastern müssen. »Wart du! rief er, will dich Racker schwänzelieren lehren!« – Dieses einzige Beyspiel war so würksam, daß seitdem nie wieder ein Klätscher auf Lindenberg aufduckte.

Hergegen, wenn ihm erzählet wurde, Hannes Bruck sey in der Verbesserung seiner Ländereyen so glücklich gewesen, daß er in diesem Jahre schon so und so viel Fuder Heu mehr gewonnen habe, als sonst; – oder Peter Imbeck wolle Hochzeit machen, und Jürgen Risch Kindtaufe geben: dann dähnte er sich gemächlich in seinem Polsterstuhle, und sah so heiter aus, als wenn er selbst der Bräutigam, oder Vater zum Kinde wäre. Hieß es aber: dem langen Friedrich ist ein Pferd umgefallen; – oder in Hannes Breymanns Schaafstall ist das Sterben gekommen: dann war er im Stands so ein trübseliges Gesicht zu machen, als ob ihm selbst die Peterfilie verhagelt wäre; und selten ermangelte er in Freud oder Leid, seine milde Hand aufzuthun. Auch war im ganzen Dorfe kein Bauer, der dürftig, [47] oder ohne Verbindlichkeit gegen den gnädigen Herrn gewesen wäre.

– Ich weiß nicht, ob sich in der Folge eine bessere Gelegenheit dazu anbieten mögte, darum will ichs hier erzählen, daß sein Verwalter den gemessensten Befehl hatte, in Absicht der Herrengefälle und Abgaben keinem einzigen Bauren eine Stunde Rachsicht zu geben, sondern ihm, dem gnädigen Herrn, so bald am Nachmittag des letzten Hebungstages die Klocke fünfe schlug, ein genaues Verzeichniß aller derer, die bezahlt und nicht bezahlet hatten, einzureichen, und vorzulesen. Traf sichs dann einmal, daß etwa ein Bauer mit den Gefällen ausgeblieben war, so ließ Er ihn zu sich rufen. »Hör, du! sagte er, mein Verwalter will dich exquiren lassen, weil du nicht bezahlen thust. Ich mag aber den Schimpf nicht haben, daß ich so'n Schlüngel auf meinem Gute hätte, der geexquirt werden muß. Da hast's Geld. Geh hin und bezahle den Verwalter.«

Diesen Weg hatte er ausgedacht, weil er glaubte, des Verwalters Rechnungen so am leichtesten übersehen zu können, wobey ihm nun die Restanten keine Schwürigkeit verursachen konnten. »'S ist einerley, dachte er, ob's der Bauer meiner Kasse oder meiner Tasche schuldig ist; und der Verwalter kann mir doch kein X für'n U machen, und meine Unterthanen werden auch nicht getribuliret. Und solcher Wege hatte er noch mehrere ausgedacht, um seinem Verwalter das X für'n U machen zu verwehren. Das Schöne bey der Sache war aber dieses, daß, wenn der Bauer dem er so geholfen hatte, ihm über kurz oder lang das Geld wieder brachte, er es niemals annahm.« Geh man hin, sagte er; bist doch 'n ehrlicher Kerl, seh ich wohl. Mach aber, daß mein Verwalter nicht wieder über dich [48] klagt. – Kannst nu man gehen, und halt 's Maul von, sonst kömmst' ins Hundeloch.«

Dieses im Vorbeygehen. Wir lenken wieder in unsern Weg.

So gern also der Edelmann hören mogte, so wenig war er selbst fürs viele Reden, und wenn er ja den Mund öffnete, so pflegte ihm doch das Ding eigen zu seyn, das man gemeiniglich Imperatoria Brevitas zu nennen pflegt. Wie er demnach dazu kam, daß er mit dem Ludimagister manchen ausgelängten Tag verplaudern konnte, der doch mehr als Ein Jahr zubrachte, ehe er den eigentlichen Ton merkte, worinn man mit dem gnädigen Herrn reden mußte, wenn es ihm recht seyn sollte: das – ist würklich ein wenig mehr als sich begreifen läßt. Der Schulmeister pflegte zum Exempel eine Neuigkeit auf diese Art vorzubringen: Wissen Eu'r Gnaden wohl? – oder: Haben Eu'r Hochwohlgebohrne Gnaden schon gehöret? – oder auch schlechtweg: dieß und daß hat sich zugetragen. Und auf diese oder ähnliche Art mußte man dem Edelmann im Pommerlande nicht kommen. Das hatte das Ansehen als ob man ihn etwas lehren wollte. Nein, man mußte sich so zu wenden wissen, daß man immer voraus setzte, er habe das schon längst gewußt, was man jezt erzähle; zum Exempel: mich soll verlangen, wer bey dem kleinen Jungen, wovon Jürgen Risch's Frau gestern entbunden ist, morgen Gevatter stehen wird? – oder: das hat mich doch recht gefreuet, daß dem ehrlichen Hannes Bruck seine Verbesserungen so gut eingeschlagen sind, daß – u.s.w.

Noch unbegreiflicher ists, wie er sogar den Ludimagister zu seinem Vertrauten machen, und über Dinge zu Rathe ziehen konnte, die er wohl ein dutzend Jahre im Busen herum getragen hatte, [49] er, der sein Tage sich gegen keine Seele zur Vertraulichkeit herabgelassen, und niemals jemand um seine Meynung gefragt hatte.

»Muß Ihn mal in Rath nehmen, Schulmeister! Habe schon lange bey mir selbst bedacht, was ich anfangen wollte, als Mama seliger noch lebte. Dachte immer in meinem Sinn, sollst wieder in 'n Krieg gehen, wenn du länger lebst als Mama, oder auch auf Unverstäten. Und nu sie todt ist, weiß ich nicht, was ich davon thun soll, versteht Er. Und Eins von beyden muß ich doch wohl thun. Habe da all manchen lieben Tag über repliciret, und bin nicht kumpabel mich zu risolviren.«

Das war wirklich ein Donnerschlag für den Ludimagister. Er hatte sich auf dem Schlosse eingenistelt, und galt, wie selbst diese Vertraulichkeit bewies, alles bey dem Edelmanne, was ein Thier, das nicht sein Hund oder sein Pferd war, nur immer bey ihm gelten konnte! Er speisete fast täglich mit dem Justitiarius, dessen Frau, dem Sekretär, und den andern vornehmsten Bedienten seiner Gnaden! Er befand sich so wohl bey dem allen! Wenn nun der Edelmann einen von vorgedachten Einfällen befolgte. – Leser! ich habe von Deinem Verstande und Scharfsinne einen sehr hohen Begriff; aber unmöglich kannst du die unangenehmen Folgen, die ein solcher Entschluß für den Schulmeister unumgänglich hervor dringen mußte, geschwinder und deutlicher einsehen, als er sie gleich auf der Stelle einsah. Aber in der ersten Bestürzung war er nicht gleich im Stande, einen guten Einfall zu haschen, um die Entfernung des Junkers zu hintertreiben.

Halten zu Gnaden! sagte er, die Sache ist wichtig, gnädiger Herr! Aber, wenn Eu'r Gnaden mir ein vierzehn Tage oder so, Bedenkzeit ...

[50] »Schnickschnack! rief der Junker erzürnt; alle Blix, Schulmeister, so muß Er mir nicht kommen! Er wollte das in vierzehn Tagen ausdenken, hä? und ich habe da so manchen Tag über spikulirt?«

Der Schulmeister war in großer Verlegenheit. Er hatte befürchtet es nicht recht zu machen, daß er nicht auf der Stelle seinen Rath geben konnte; und siehe! er hatte es wirklich nicht recht gemacht, daß er ihn schon in vierzehn Tagen zu geben sich getraurte. Der Mann wußte noch nicht, wie schwer es sey, mit Köpfen, in denen es nicht helle ist, umzugehen.

Dero kapiren mich nicht, gnädiger Herr! rief der Politikus. Ich meynte nur, ich wollte mir ein vierzehn Tage Zeit nehmen, zu untersuchen, ob ich all überall im Stande bin, in einer so wichtigen Sache zu rathen, wo Eu'r Hochwohlgebohrne Gnaden selbst so lange zweifelhaft geblieben sind. Dicere conantem debilitabit onus!

»Kikelkakel! Ist'n Gelehrter und kann nicht rathen? Das ist man Schnack. Wofür ist Er denn 'n Gelehrter, hä? – Krischan! Wollen morgen mehr von sprechen, Schulmeister. – Krischan, den Hans!«

Der Junker zündete eine Pfeife an, schwang sich auf den schnellfüßigen Hans, gab ihm die Spornen, und galopirte davon. Der Schulmeister aber gieng mit sich zu Rathe, wie er den Junker im gewohnten Gleise erhalten wollte.

»Na, Schulmeister, rief der Junker ihm am folgenden Morgen entgegen, hat Er's beschlafen?«

Aufzuwarten Eu'r Gnaden!

»Hab's all manch' liebe Nacht beschlafen, ich, und kann doch nichts 'raus schlafen. Na? was meynt Er?«

Hm! Ha! Hm! – Ich meyne – ich – Aber [51] mit unterthänigster Permißion zu fragen, wozu hätten Eu'r Gnaden wohl die meiste Lust?

»Alle Blix, Schulmeister, das ists eben, daß ich zu beyden Lust habe.«

Wenn Eu'r Gnaden nicht ungnädig vermerken wollten ...

»Nee, nee, Schulmeister! Will's ganz gut vermerken.«

– so mögt ich wohl unterthänigst so frey seyn, Eu'r Gnaden zu fragen, ob Dero wohl Lust hätten, noch in die Schule zu gehen?

»Hagel noch mal, so muß er mir nicht kommen, oder –«

Halten zu Gnaden unterthänigst – Bitte gar schön, Eu'r Gnaden! – Sagten Eu'r Gnaden nicht, Dero hätten wohl Lust, auf Universitäten zu gehen?

»Nu ja, auf Unversetäten.«

Im Grunde, gnädiger Herr, sind das doch Schulen. Freylich hohe Schulen, wo die Schulmeister Professoren heißen, aber doch Schulen ...

»'S ist nicht wahr! – Der Blix! 's ist doch wohl wahr. Also wenn Er 'n Professer hieße, da wäre seine Schule 'ne Unversetät?«

Beynahe, gnädiger Herr!

»Und nu Er nicht Professor heißt, da ists nur 'ne Schule? Hm! – Bin doch wohl zu alt noch in 'ne Schule zu gehen. Muß wohl wieder Dienste nehmen, hä«

Gott behüte Eu'r Gnaden davor! Dero würden sich doch wohl von einem Rittmeister oder Oberst-Wachmeister nicht – halten zu Gnaden! – übers Maul wollen fahren lassen? Und – ich meyne nur so! – wenn Eu'r Hochwohlgebohrne Gnaden nun etwa als Lieutenant ...

»Pack ein! Pack ein! Höre schon, wo er hinaus[52] will, Schulmeister! – Aber der Blix! zu einem muß ich doch greifen, so muß ich. Hä?«

Halten zu Gnaden! unser einer sieht nun freylich so weit nicht. Aber, unvorgreiflicher maßen, da Eu'r Gnaden nun schon so manches Jahr Land und Leute regieret haben ...

»Hab ich das? – Sieh mal! gewiß und wahrhaftig, das hab ich auch!«

– so dächt ich, meines unmaßgeblichen Dafürhaltens, Eu'r Gnaden blieben dabey.

»Hagel noch mal, daß ich da nicht eher angedacht habe! Hätt' nicht nöthig gehabt, mir so lange den Kopf zu strapenziren, als ich gethan habe. Will man dabey bleiben. 'Sist doch, mein Seel! kurjos, daß ich da nicht einmal an gedacht habe, hä? 'n Glück ists, daß mir 's noch eben zu rechter Zeit einfiel.«

Der Schulmeister, zufrieden den gnädigen Herrn umgestimmt zu haber, ließ ihm gar gern die Ehre des Einfalls, welche der Edelmann sich gemeiniglich zuzuschreiben pflegte. Denn bey seiner großen Unwissenheit und Narrheit war der Ludimagister nichts weniger als ein Dummkopf.

Dieses Kapitel ist ein bischen lang geworden; aber es gehöret auch Zeit dazu, Avisen von Hamburg nach Pommern kommen zu lassen.

9. Kapitel

Neuntes Kapitel.
Der gnädige Herr fällt auf die Nase, und wird in diesem Buche nicht wieder aufstehen. Der Ludimagister geht auf Reisen.

Es giengen wohl noch acht Tage hin, nachdem dieser wichtige Punkt zum großen Vergnügen unsers [53] Edelmanns berichtiget war, ehe die sehnlich erwarteten Zeitungen ankamen. Schon begonnten Seine Gnaden ungeduldig zu werden, siehe da langten an in einem dicken Pakete die Haude- und Spenersche Zeitung nebst der Voßischen von Berlin, die sich hier in einem und demselben Umschlage ganz brüderlich vertrugen; ferner in einem beträchtlich dickeren Pakete der Altonaer Postreuter und der Hamburger Relationskourier, der Merkurius und der unpartheyische Korrespondent, samt allen ihren in Altona, Hamburg und Wandsbeck hervorgehenden Kollegen, die Intelligenzblätter mit eingerechnet, sämtlich vom ersten Januar an, bis auf den letztverwichnen Posttag.

Seine Gnaden amüsirten sich eine halbe Stunde lang, die Holzschnittchen, die zu Anfang einer jeden Zeitung stehen, zu betrachten und zu kritisiren. Das Pferd des Relationskouriers, meynte er, wäre die impertinentste Schindmähre unter der Sonne, wenn es sich für ein Pferd ausgäbe; höchstens könne es für eine Kuh gelten, der man die Hörner abgesäget. Das Postreuterpferd gefiel ihm weit besser, »wenn 's nur nicht das Maul aufsperren thäte, als wenn's alle Leute beißen wollte. Der Reiter sitzt dar aber viel zu steif auf. Das ist keine Posentur, das. Der weiß so 'n Hengst nicht zu reiten. Machts dem Gaul mit seinem Zurücklehnen allzu bestialisch sauer, so thut er.« u.s.w.

Mit den Löwen auf dem Korrespondenten war er so ziemlich zufrieden, und meynte, sie thäten recht löwenhaftig aussehen; aber daß sie den Schwanz zwischen die Beine steckten, das wäre nicht hübsch. An den Löwen auf der neuen Hamburger Zeitung mögt er nichts leiden, als daß sie den Schwanz [54] hübsch hoch trugen; der Eine 1 sah nach seiner Meynung bald aus wie Türk. Der Junge mit den Krähenflügeln am Kopfe sah ihm gar nicht darnach aus, daß er 'n Springer reiten könne. Gebt man paß, sagte er, pumps wird er 'n Sandreuter machen. – Die übrigen Holzschnitte waren sämtlich unter seiner Kritik.

Unterdessen fand sich der Ludimagister ein. Gut, daß er kömmt, Schulmeister, sagten Seine Gnaden. Da ist 'n ganzer Spitakel von Avisen zu Lande geschlagen, sieht Er, zwey Parten. Laß mal hören, ob da von Türk in steht.

Der Schulmeister nahm und las: Petersburg vom 20sten Junius. Petersburg das ist da, wo der Moschowiter ist. Das ist ein böses Volk, Eu'r Gnaden. – London vom 30sten Junius. London, will ich die Ehre haben Eu'r Gnaden zu sagen, ist eine Stadt in England. O! das ist ein ganzes Volk, die Engländer!

»Weiß wohl.« sagten Seine Gnaden.

Einige andre Städte, deren Namen der Ludimagister hier zum erstenmal sah, ließ er ohne Anmerkung. Endlich kam er auf einen Artikel von Strasburg. Strasburg, gnädiger Herr, ist eine Stadt, da lauter Franzosen in wohnen.

»Nee, lauter Franzosen! Da muß schlimme Zeit seyn! Schlag das man über, Schulmeister! mag das Volk nicht leiden.«

Es ist auch ein tolles wurmhaftiges Volk, bemerkte der Ludimagister, so faselicht und hasenhaftig als ein Eichkätzchen, wie Eu'r Gnaden wohl wissen, wenn die ...

[55] »Man weiter, Schulmeister. Weiß das wohl.«

Paris vom 25sten Junius. Gestern haben die Gens du Roi Seiner Majestät den Beschluß des Parlements vorge ...

»Halt da! Blix noch mal, halt da! da war ja wieder was Fransches. Paris ist ja 'n fransch Land, wie die alte fransche Jungfer mit dem einen Auge sagt. Schlag das man über Schulmeister. Mag von der franschen Majestät nichts hören, so mag ich. Will lieber von Türken und Mamedanern hören; sind auch wohl Bluthunde, aber doch nicht so arg als das fransche Volk; bleiben doch in ihrem Lande. Aber die andern aus dem Pariser Land, die Kummihs, die kommen hier ins Land, und saugen den Leuten 's Blut aus.«

So wurde täglich eine ganze Reihe Zeitungsblätter durchgelesen, wobey der Edelmann herzlich gähnte, und der Ludimagister weisheitsvolle Randglossen machte. Dieser war nie verlegen, er mogte eine Fregatte oder eine Galeere, das englische Parlament oder das Spanische Inquisitionsgericht definiren sollen. Das dauerte so etwa ein Jahr, da hätten aber Seine Gnaden beynahe das Magellonenbuch oder die Geschichte von den vier Haimans Söhnen wieder zurück gewünscht.

»Ist alles ganz gut, Schulmeister, was da drinn steht von den Paketbooten die abgesegelt sind, und von Herzoginnen die Kinder gekriegt haben, und von Schiffen die in einen Täckel hineingelaufen sind – wiewohl ich nicht begreife, wie sie das machen, und von Königen, die ein groß Gastgebot gegeben haben: aber der Blix! was geht das mich an? – Wollt lieber, daß dar in stehen thät von meinem Türk, und was auf meinem Gute paßiret, so wollt ich. Warum schreiben sie das nicht auch 'nein, wenn Ich spazieren reite, so gut als wenn der Kaiser spazieren thut? Der Kaiser ist Herr in seinem Lande, und ich bin [56] Herr in meinem Lande, so bin ich. Und wer weiß, wer die reichsten Bauren aufzuweisen hat? Laß mich man mal so'n Avisenmacher kriegen, ich will 'n schon Moritzen lehren!«

So klagte der Pommersche Edelmann manch liebes mal, bis endlich ein Gedanke bey ihm reif wurde, der vielleicht schon beym allerersten Zeitungsblatte in seinem Kopfe aufgekeimt war, und worüber er sich gegen den Schulmeister folgender Gestalt erklärte:

»Weiß der Blix nicht, Schulmeister, was er für 'n Gelehrter ist! Noch soll er all mein Lebstage den ersten guten Einfall haben. Hätt er nicht längst dran denken können, daß ich auch 'ne Avise hier machen ließe? – Hagel noch mal, das will ich. – Hör er mal, Schulmeister! Was ich sagen wollte, er soll mein Avisenmacher werden.«

Das war Wasser auf des Schulmeisters Mühle! Er war weit davon entfernt, der Weisheit des Edelmanns, die so kläglich auf die Nase fiel, wieder auf die Beine zu helfen; vielmehr ließ er sichs angelegen seyn, den guten Junker in dieser Lage zu erhalten. Gnädiger Herr, sagte er, mit meiner geringen Wenigkeit stehe ich zwar immer zu hohen Befehlen. Aber eine Avise muß billig gedruckt seyn; daher müßten Eu'r Gnaden eine Druckerey haben, sonst hat das Ding keine Art.

»Weiß wohl. Will eine machen lassen. Frag er mal nach, Schulmeister, wer so 'n Dings machen kann.«

Werde nicht ermangeln, Eu'r Gnaden.

»Will auch von mir reden lassen so gut als einer. Habe nun wohl Jahr und Tag lesen hören, daß die Königinn von – was weiß ichs? zur Ader gelassen, und der König von England Pillen eingenommen hat, oder der Spanische Ambassadeur ein Lusthaus miethen that. Die Könige und Ambassadeurs mögen sich nun mal lesen lassen, was ich thun will. Mach [57] er unterdessen man 'n Paar Avisen fertig, versteht er, daß sie flugs gedruckt werden können, wenn die Druckerey kömmt.«

Werde nicht mankiren, Eu'r Gnaden. Aber mit hoher Permißion, wenn Dero einen Befehl ausgehen liessen, daß alle Dero Unterthanen mir berichten müßten, was bey jedem Neues paßiret?

»Wills dem Justitiarius schon sagen, daß er ihn ausgehen lassen soll.«

Halten zu Gnaden! Dero haben gewiß schon resolviret, daß wir die Avisen irgendwo in der Nähe könnten drucken lassen, bis Eu'r Hochwohlgebohrnen Gnaden Schloßbuchdruckerey im Stande seyn wird?

»Ja, ja! kann so nah bey einerwegen drucken lassen.« –

Der Ludimagister erhob sich zum Rademacher des Dorfs, und erkundigte sich, ob er wohl eine Buchdruckerey machen könne? Dieser Mann aber hatte von dem Dinge so wenig einen Begriff als der Schulmeister, und verwies ihn an den Zimmermann. Der Zimmermann behauptete, eine Druckerey zu machen müsse Schmiedearbeit seyn. Der Ludimagister gieng zum Hufschmid, und dieser gab ihm die Versicherung, die Buchdruckereyen mache der Rothgiesser; denn er hätte einmal als Geselle auf der Wanderschaft, bey einem Rothgiesser eine grosse meßingene Platte gesehen, und auf Befragen vernommen, das sollte das Fundament zu einer Druckerey werden. Da nun kein Rothgießer auf dem Gute befindlich war, so kehrte der künftige Avisenmacher wieder aufs Schloß zurück, und stattete dem Junker Bericht ab. Seine Gnaden trugen ihm auf, in der Nachbarschaft einmal zuzuhören. »Wird ja einerwegen so 'n Dings zu kriegen seyn, Schulmeister. Er muß ja doch wohl nachfragen, wo wir unterdessen die Avisen drucken lassen;[58] kann denn mit eins mal zuhören. Geh er man hin; da hat er'n bischen Reisegeld. Na, seh er zu, hört er, daß er was aufstaket.«

Der vorgedachte Befehl wurde ausgefertigt und gehörigen Orts, das heißt: vor der Gerichtsstube und in der Schenke affigiret. Der Ludimagister trabte in den benachbarten Landstädten und Flecken herum, um eine Druckerey ad interim, und einen Rothgiesser, der eine machen könnte, aufzustöbern. Und der Edelmann? Der gieng seinen gewöhnlichen Schlentrian, und freuete sich herzinniglich, wenn er sein Pfeifchen in Pace rauchte, daß er eine eigne Schloßbuchdruckerey und eigne Avisen, folglich vor allen seinen Nachbarn einen gewaltigen Sprung voraus haben würde.

Anfangs ließ es sich mit des Ludimagisters Bemühungen nicht zum besten an. Fortuna ist ein Frauenzimmer, mithin launisch. Er wandelte etliche Tage fruchtlos in der ganzen umliegenden Gegend umher, zog aus dem Süden ins Norden, und von Niedergang gen Aufgang, und war des Abends nicht klüger, als er am Morgen gewesen war. Denn, in diesem abgelegenen Winkel des Pommerlandes, hatten allerdings Kartoffeln und Rüden besseres Gedeihen, als Wissenschaften und diejenigen Künste, die den Wissenschaften unmittelbar zu Pflegemännern und Handlangern dienen. Hier war an keine Buchdruckerey, und eben so wenig an einen Mann, der eine machen konnte, zu denken. Das war so ein wahres ächtes Revier für Freund Rousseau von Geneve, und die andern häßlichen Menschenkinder, die durchaus nicht glauben wollen, daß eine Welt voll Jurisprudenz, Ontologie, Therapie und wie die Dinge alle heissen, versehen überdem mit Buchdruckerey, Uhrmacherey, Apothekerey, Juweliererey, Scharfrichterey, Gleißnerey, Verläumderey, Brodneiderey, und was es [59] sonst für freye und galante Künste geben mag – daß, sag ich, eine solche Welt besser sey, als ein simples Lumpending von Welt, das sich dispensiret dieserley Arten irdischer Weisheit zu treiben. Die Herren würden in dortiger Gegend zwar nicht just ihr Paradis, aber doch einen ganz schicklichen Vorhof desselben gefunden haben. –

Lustig und lüftig war der Schulmeister ausgewandert, aber langsam vt iniquae mentis asellus, und mit bekümmerter Seele richtete er jezt seine schwerfälligen Schritte wieder nach der Burg seines vornehmen Gönners, als Dame Fortuna Mitleid mit ihm zu haben begonnte. Wir halten nicht viel von Eingebungen oder Dämonen. Aber der Einfall kam unserm Wandrer zu plötzlich, als daß es so ganz mit rechten Dingen zugehen konnte. Es war schlechterdings eine Eingebung Fortunens, oder ein Dämon hatte die Hand im Spiele, anders können wir das Ding nicht erklären. Ob es aber, wenn man den letzten Fall annimmt, der Dämon des Schulmeisters oder des Herrn Peter Fix gewesen sey: das lassen wir unerörtert. Es fiel dem Ludimagister plötzlich ein, es liege verschiedne Meilen abwärts ein feines Landstädtchen. Nun wußte er freylich so gut als hätte ers im Büsching gelesen, daß so viel Meilen hin, eben so viel Meilen zurück austragen, und daß man in dem Städtlein ohne allen Zweifel stämmigte Fleischer, wohlbeleibte Bierbrauer, und dürre spindelbeinigte Schneider die Fülle, hergegen eher zwölf Senfmühlen, als eine einzige Druckerey vermuthen konnten aber ein glückliches je ne sais quoi zog ihn unwiderstehlich hin. Es war – Aber so was verdient schon ein oder ein Paar eigene Kapitel, welche aber diejenigen die mehr Vernunft als Genie haben, ihrentwegen, diejenigen aber, die das Genie bald auf Alpen, bald in Mistlachen und Pferdeschwemmen [60] zu führen pflegt, meinetwegen ungelesen lassen können. Ehe ich mich aber an diese Kapitel mache, will ich vorher ein Kapitel von den Gastwirthen schreiben, in welchem ich hoffentlich, was ich bisher nicht finden konnte, Zeit und Platz zu dem Konterfey des Ludimagisters finden werde.

Fußnoten

1 Dieß gilt von dem vormaligen Stocke auf der neuen Zeitung, der vor drey oder vier Jahren abgeschaffet ist. Die Löwen auf dem jetzigen sollten Seiner Gnaden schon gefallen haben, wenn Ihnen solche zu Gesicht gekommen wären.

10. Kapitel

Zehntes Kapitel.
Mein Kapitel von den Gastwirthen, nebst einer Zugabe von Bier, Milch und Eyern.

Mein guter Freund, Sir Samuel Crowe, wenn er hier an meiner Stelle säße, würde gerade zu gesagt haben: der Schulmeister setzte alle Segel bey, und steuerte von der Stelle, wo er den Einfall hatte, Nord-Nord-Ostwärts, legte sich aber nordlich von seiner Farth in der Bay eines Dorfes vor Anker, weil er, da in seinem Raume weder Gut noch Ballast war, nicht länger See halten konnte. – Und ich gestehe, kürzer könnte kein Mensch die Sache erzählen. Da ich aber weder ein Schiffskapitain bin, wie Sir Crowe, noch, so viel ich vorher sehen kann, irgend einen Seemann zum Leser haben werde: so muß ich wohl ein paar Worte mehr von der Sache machen.

Vom Tage war nicht so viel mehr übrig, daß der Ludimagister den Ort erreichen konnte, und seine Beine, die ohne Widerrede stark und dick genug waren, wohl einen Konrektor tragen zu können, fiengen an ihm ihre Dieste zu versagen, ob sie gleich nur einen Dorfprofessor getragen hatten. Aus übler Laune hatte er auch unterlassen diesen Mittag mit seinem Magen Abrechnung zu halten; eine Sache die er sonst niemals zu unterlassen pflegte, am wenigsten seitdem ihm die fette Küche des Edelmanns offen stand. Nein, [61] seines Leibes wartete er, und das gedieh ihm so wohl, daß er quoad Korpulentiam (ob der Römische Konsul dieses Wort jemals gebraucht habe, weiß ich nicht) eher einem Prälaten als einem Ludimagister ähnlich sah. Er fand also für gut, in dem nächsten Dorfe sein Standquartier zu nehmen, wo er recht gutes Bier, und noch bessere Milch fand, ein Mandel Eyer in Butter schlagen ließ, und seinem Leichnam so gütlich that, als Ort und Umstände erlauben wollten.

Nach eingenommnen Mahl und gerauchter Digestionspfeife (denn er liebte den Toback so sehr als sein Junker) hieng er seine schöne große Perüke, dieselbige die ihm der Edelmann schenkte, als Türk vor ein paar Jahren die damalige Staatsperüke in ein Krähennest verwandelt hatte, auf den Spinnrocken der Wirthinn, band sein Schnupftuch um den Kopf, vertrauete sein neugekehrtes Feyerkleid samt den Stiefeln und der Pfeife dem Wirthe zu treuen Händen, streckte seine Gliedmaßen auf eine für ihn bereitete Streu, und legte, auf alle Gefahr, sein spanisches Rohr neben sich – denn den Dornstock und die ledernen Knieriemen hatte er, als eines Hofmannes unwürdig, abgeschaffet. Die dienstfertige Wirthinn wickelte den fremden Herrn in einen abgedankten Schäferpelz, und er schlief ein. Mit Tages Anbruch erhob er sich, und kleidete sich während des Frühstücks an.

Da wir nun, indessen der Mann seinen festlichen Pomp anlegt, und seinen Cichorienkaffe einschlurft, nichts bessers zu thun haben, wollen wir dir, günstiger Leser, mit einem leichthingezeichneten Abriß seiner Person aufwarten, da du mit einem großen Theile seines Inneren schon so ziemlich, und mit seiner festlichen Garderobbe vollkommen bekannt seyn mußt. Beyläufig bitten wir dich mit dieser Skizze so lange fürlieb zu nehmen, bis wir einmal [62] Anstalt machen, ihn und drey ober vier von den andern Herren die in diesem Buche vorkommen, unserm Hogarth-Chodowiecki sitzen zu lassen. Kömmt Zeit, kömmt Rath!

Denke dir demnach einen Mann von mittelmäßiger Größe, oder etwas drüber, mit einer Physiognomie die aus Neger, Pudel, und Mops zusammengesetzt ist, und, ohne just ausnehmend häßlich zu seyn, so viel Widriges in sich vereiniget, daß ein Zehntheil davon mehr als hinreichend wäre, alle Lavaters auf Gottes Erdboden von einem genaueren Umgange mit ihrem Eigenthümern kräftig abzumahnen. Die Negernase vor allen, machte, wenn man sie zum erstenmal sah, einen unbeschreiblich unangenehmen Eindruck. Der Körper war unförmlich gebauet. Seine Korpulenz war freylich noch nicht Abt- oder Domprobstmäßig, aber ein Prälat von geringerem Schlage, ein Prior zum Exempel, oder ein Kapuzinergardian hätte sich auf den Nothfall ganz schicklich damit behelfen können. Seine Beine, das waren einmal Beine! Wäre sein Bauch dreymal so dick gewesen, so hätten diese Säulen immer noch dazu gepasset. Man kann just nicht sagen, daß sie krumm waren: aber so übel waren sie doch gebauet, daß sie, auch mit einem minder wassersüchtigen Ansehen, die allerhäßlichsten Extremitäten von der Welt gewesen seyn würden. Wie er nach Jahren so vornehm wurde, daß er in weissen seidnen Strümpfen und einer Beutelperüke stolzierte, fiel zwar das Abentheuerliche des Antlitzes nicht mehr so heftig auf, aber das Unförmliche der Beine desto sichtlicher ins Auge. So war der äussere Mensch des Ludimagisters beschaffen, der ... Potz tausend! da geht er schon hin, fix und fertig, und ich male noch! Wir müssen ihm wohl folgen, ohne jezt von seinem innern Menschen noch ein und anders, wie wir Willen waren, zu sagen. Mag [63] der Leser doch selbst aus seinem Betragen schliessen, daß er im Grunde ein tückisches, boshaftes, und ich darf wohl hinzusetzen: schadenfrohes Thier war, wie zwar die Narren von Metier mehrentheils zu seyn pflegen.

Unser schön geschmückte Wandrer – denn als ein Mann, der in Geschäften des gnädigen Herrn reisete, glaubte er, sich mit Anstand und Prunk zeigen zu müssen – setzte seine Reise sehr eilfertig fort, dennoch aber erreichte er das Städtchen nicht eher, als kurz vor Mittage. Gravitätisch zog er durch das Thor, und durch die vornehmsten Straßen, in der Hoffnung, an einem der Schilder und Zeichen, die er über und neben den mehrsten Hausthüren sah, das Ziel seiner Wünsche zu erblicken. Zuerst, gleich bey seinem Eintritt in den Ort, sah er an einem Hause das Königliche Wapen, und schloß daraus ganz richtig, ohne sich lange mit Lesen der Unterschrift aufzuhalten: hier werde wohl der Zollbediente residiren. Er gieng vorüber, doch grüßte er Seiner Majestät Wapen mit abgezogenem Hute. Ferner sah er hölzerne Stiefel, Barbierbecken, Gewürzkrämerzeichen, Kollekteurschilde, und andre solcherley Insignien in ungezählter Menge, auch mit unter eine große vergoldete Scheere von zween griesgrammenden Löwen gehalten, oder eine Hand aus den Wolken mit einer Beutelperüke. Einzeln blähete sich hie und da in der trügerischen Dämmerung eines unbedeutenden übel fournirten Ladens ein Lakenkramer in der Kontormütze, wie der Eckern Ober unter dem Pöbel der kleineren Matadore. Ein Haus erkannte er am Geruche für eine Apotheke. Vielfältig aber verkündigte das Konterfey eines Hechtes, eines Palmbaums, eines weißen Rosses, oder auch schlechtweg einer Branntweinblase und Bierfasses die Wohnung eines gewissenhaften Gastwirthes, eine Tabagie, oder [64] einen honeten Branntweinwinkel. In Häusern, wo er ganz und gar kein Zeichen über oder neben der Thür fand, vermuthete er einen Bewohner, der nicht Ursache haben mogte, sich auf sein Gewerbe allzuviel zu Gute zu thun, zum Exempel: einen Müssiggänger, Kapitalisten, Wucherer, Kuppler, Betschwester, Nachtwächter, Häscher und desgleichen.

Er hatte nunmehr beynahe das Ende der letzten Straße erreichet, und befand sich gerade bey einem Hause, das er an der großen Einfahrt und an der gepflasterten Diele ohne alle Mühe für einen Gasthof von einiger Bedeutung erkannt haben würde, wenn auch die schönen goldnen Worte: Der Gasthoff zum offnen Helm, von der Höhe eines Schildes herab den Wandrer nicht eingeladen hätten. Hier stand er still, und sah mit forschendem Blicke vorwärts. Alle Zeichen aber, die er von hier aus erblickte, verkündigten ganz offenbar, daß er die Straße vergebens zu Ende gehen würde, deswegen entschloß er sich, wiewohl traurigen Muthes, in den Gasthof einzukehren, um seinen abgematteten Leichnam mit Speise, Trank, und Ruhe zu laben.

Hier bewillkommte ihn erstlich ein dicker halbnüchterner Wirth mit einem feisten schelmischen Antlitze, der sich aus der ehrenfesten Miene des Wandersmannes flugs einen Vogel prophezeihete, dem er schon auf eine oder andre Art spielend und in Liebe ein paar Fettfedern würde ausrupfen können; zweytens, eine kleine, hübsche, rasche, dicklichte Wirthinn mit schönen braunen verliebten Augen, die jeden ansehnlichen Passagier für eine gute Prise zu erklären, dermalen aber von unserm Ludimagister sich keinen zu versprechen schienen. Doch zogen diese freundlichen Augen ein solches Prognostikon eben nicht aus dem schwarzen Kleide des Gastes, denn sie hatten wohl eher Männer in schwarzen Kleidern, so gut als Stutzer, Referendarien, Handwerker, [65] [67]und reisende Kaufleute unter ihre Gesetze gezwungen.

Auf die Frage des Wirthes: ob er ein besondres Zimmer verlange, oder in die Gaststube zu treten beliebe? wählte er vorläufig das letztere, um der Gesellschaft willen, wie er sagte, bat aber zugleich, ein Zimmer für ihn in Bereitschaft zu halten. Der Wirth that einen Seitensprung und öffnete die Gaststube, und der Ludimagister marschirte hinein, indem er die Anwesenden vornehm grüßte. Nachdem er Hut und Stock abgeleget, ließ er sich in den Lehnstuhl nieder, streckte die Beine von sich, und foderte eine Halbe Spanisch Bitter, und eine Pfeife.

Mit Erlaubniß, daß ich fragen mag, wo soll die Reise hingehen? – Durch diese unverschämte Frage, die den Gastwirthen so ganz eigen ist, eröffnete der Wirth die Unterredung.

»Nicht einen Fingerbreit weiter!« erwiederte der fremde Herr mit der wichtigsten Miene.

Werden Sie sich hier eine Zeitlang aufhalten?

»Nach Advenant.«

Sie haben gewiß Geschäfte hier?

»Ja und nein, wie es kömmt.«

Mit Erlaubniß zu fragen, wo kommen Sie her?

»Von Hause, Herr Wirth.«

Sie wohnen wohl nicht weit von hier?

»Es geht noch so wohl an.«

Sie sind doch wohl heute erst ausgereiset?

»Nein, Herr Wirth.«

Der Gastwirth fügte zu diesen impertinenten Fragen noch verschiedene hinzu, die jeder, der nur einmal in seinem Leben sechs Meilen gereiset ist, sich hoffentlich ohne Schwierigkeit wird denken können, weil man in Deutschland unmöglich sechs Meilweges reisen kann, ohne der naseweisen Unverschämtheit eines neugierigen Wirthes ausgesetzt zu seyn; man müßte denn so sehr eilen oder – knickern, daß man auf [67] sechs Meilen kein einziges mal einkehrte. Je mehr indessen dieser Wirth hier seine Fragen häufte, desto geflissener machte sich der Ludimagister eine boshafte Freude daraus, den zudringlichen Fürwitz desselben bey der Nase herum zu führen. Ein Betragen, welches uns so nachahmenswürdig scheint, daß wir nicht umhin können, es allen Reisenden bestens zu empfehlen.

Unterdessen brachte eine Aufwärterinn von ausgesuchter Häßlichkeit (vielleicht um die Annehmlichkeiten der Wirthin desto besser zu heben) mit weniger Grazie den Bitterwein und eine neue Pfeife, und die freundliche Wirthinn schenkte unserm Pilger das erste Glas ein, und fragte: ob ihm diesen Mittag hier zu speisen beliebte? – Ja, Madam, antwortete er mit feyerlichem Ernst, und diesen Abend auch, wenn Sie erlauben.

Viel Ehre für uns, sagte sie mit einer kleinen Neigung des Hauptes und jenem poßirlichen, kurzabgestoßnen, schnellen Knickbeinen, welches bey dem kleinstädtischen Frauenzimmer, das so gern vornehm thun mögte, an die Stelle des Knixes einer wohlgezognen Person tritt.

Und nun, lieber Leser, wollen wir Dir die Kapitel, die wir am Schlusse des neunten versprochen, keine Minute länger vorenthalten.

11. Kapitel

Eilftes Kapitel.
Malus sutor inopia deperditus. Phaedr.
Oder
Das erste Kapitel vom Geniewesen.

Es war dieses eine Stadt, von der der Ludimagister noch nicht wußte, daß der Teufel daselbst unter dem Pöbel sein Spiel mit dem leidigen Geniewesen hatte. Da gabs philosophische Schulknechte, [68] und metaphysische Schneider; politische Bartputzer, und statistische Friseurs; satyrische Gerichtsdiener, und poetische Kollekteurbursche; seraphische Lakaien, und Ziegelstreicher voll rhetorischer Figuren. Bey den übrigen Klassen aber gieng alles ganz natürlich her, und seinen überall gewöhnlichen Gang, denn die Vornehmen, etliche wenige ausgenommen, behalfen sich mit ihrem Range; die Reichen, etliche wenige ausgenommen, behalfen sich mit ihrem Gelde; die Obrigkeitlichen Personen, etliche wenige ausgenommen, behalfen sich mit dem Schlentrian; der Mittelmann behalf sich größtentheils mit der gesunden Vernunft. In diesen Klassen also befand sich alles in seiner gebührenden Ordnung, nur bloß der Jan Hagel und was nahe dran grenzte, schlug aus der Art, und konnte sich, verdorben durch etliche übel verdauete Bücher, und durch mißverstandne Beyspiele so wenig vor dem Drang des Genies retten, als einer der sich in geräucherten Rindfleisch und Pudding übernommen hat, vor Magendrücken. Das alles wußte der Ludimagister noch nicht, ein Aufenthalt aber von nicht mehr als anderthalb Tagen lehrte es ihn, und ein besserer Beobachter als er würde es in anderthalb Stunden gelernet haben. Ob aber der Pastor loci und sein Diakonus sich für oder wider die symbolischen Bücher erklärten, ob die Aerzte sich mit der Methode und die Sachwalter mit Schimpfen und Türlüpiniren behalfen: das hatte der Schulmeister zu erforschen vernachläßiget; folglich kann ich, der ich alle meine Nachrichten von diesem Städtchen einzig und allein aus seinem Munde habe, meinen Lesern und ihrer Wißbegierde hierunter nicht dienen.

Es befand sich unter den Anwesenden, die ihren Morgen in diesem Gasthofe bey einem Glase Wein oder Aquavit verplauderten, ein Mensch, der, seine Waldteufelphysiognomie ausgenommen, und bloß[69] nach seiner Kleidung zu urtheilen, wie ein feiner Mann, aber doch etwas närrisch aussah, denn er trug einen Kasaquin von Mineralgrünem seidnen Damast nebst Weste, Beinkleidern und Pambouschen von eben dem Zeuge. Nur die Strümpfe waren hellblau, sonst hätte man schwören sollen, der ganze abentheuerliche Kerl sey in einen Farbekessel gefallen. Sein Haupt verwahrte vor den Einflüssen der gesunden Luft ein falber Hauptschmuck, der von den Händen seines Schöpfers eigentlich zur Beutelperüke geschaffen war, aber um den Haarbeutel zu sparen, mit einem kleinen Biddelchen fast wie eine Abbe-Perüke getragen ward. Vom Hute stralte ein goldnes Bourdalou das vormals neu gewesen war, wie das Siebengestirn durch den Saum einer Regenwolke; und eine gewaltige Troddel bummelte dran, an der aber die Krepinen nicht mehr vollzählig waren. Der Mann der in dieser Schale steckte, war ein Genie, aber ein verteufelt grosses Genie, und führte mit sich herum, wie alle seines gleichen, eine mächtig hohe Meynung von seiner Person, von seinem Geiste, Witze, Verstande, Talenten, Verdiensten, Werthe, und dergleichen; so hoch, daß ihn selber schwindelte, wenn er von oben herunter sah; so hoch, daß er sich erlaubte alles zu sagen, was ihm in den Mund kam, wobey er keines Abwesenden schonte, und alles zu thun was ihm einfiel – und einem Genie ohne irgend eine Art von Grundsätzen pflegt denn mancherley einzufallen, mit unter auch wohl ein Ding, das nicht völlig so unschuldig ist als mineralgrüne Damastne Pantoffeln zu – tragen. Alles das that er auf Rechnung seines Werthes, denn er hatte einmal die meines Bedünkens nicht ganz richtige Bemerkung gelesen: große Genies hätten immer große Fehler. Das Sprüchlein führte er fleißig im Munde, wußte aber einen solchen Sinn hinein [70] zu legen, daß es so viel hieß als: schlechte Handlungen verrathen einen hohen Genius. Wenn man ihm aber vieles übersah, so geschah es nicht in Betracht seines Werthes, sondern weil er der Gegenstand des Spottes und der Verachtung aller vernünftigen Leute war. So viel einstweilen zur Nachricht von dem Manne mit der Waldteufelphysiognomie, der sein mineralgrünes Gehäuse dermalen in diesen Gasthof zur Schau getragen hatte.

Der seidne Mann schloß aus der Miene und Kleidung des schwarzen Mannes, er habe ein Stück von einem Gelehrten vor sich; und ein Blümlein aus Latium's Gefilden, das dem Fremdling unversehens zu entfallen schien, bestärkte ihn in seiner Meynung. So bald er diese Entdeckung gemacht hatte, beschloß er, sich zu zeigen, und um das Ding schicklich einzuleiten, trank er des fremden Herrn Gesundheit, und mußte gleich darauf gestehen, daß der Knaster, den der Herr rauche, von so feinem Geruche sey, als er ihn kürzlich nicht gerochen.

»Er geht und steht so, versetzte der schwarze Mann gar vornehm; es ist so unser gewöhnlicher Kneller auf dem Schlosse.«

Bey dem Worte Schlosse hörte der damastne Mann hoch auf, hatte aber doch den Muth nicht, zu fragen, aus Beysorge, der Fremde, der daß Inkognito zu lieben schien, mögte ihn, wie den Wirth, herum führen.

»Mein Herren, fieng der Ludimagister an, mit Permißion zu fragen, was giebt es in diesem Orte für Merkwürdigkeiten für einen Reisenden? Ich mögte mich doch gern ein wenig umsehen.«

Merkwürdigkeiten? murmelte der eine; Merkwürdigkeiten? wiederholte der andre. Das Wort sogar war den Leuten fremd.

[71] Merkwürdigkeiten? sagte der damastne Mann, Ich wüßte hier nichts, als etwa, daß es wohl an keinem Ort in der Welt so viel Krüppel giebt. Bloß allein in dieser kleinen Straße kann ich Ihnen ganzer neune zeigen.

»Hm! Es wird hier doch wohl eine öffentliche Bibliothek seyn?«

O was das betrifft, ja. Auf dem Rathhause steht der allzeit fertige Notarius in Schweinsleder gebunden, und zwey Kodex Fridericianusse.

»So! giebt es hier keine öffentliche Gebäude?«

O ja! da ist das Stockhaus – wiewohl das eigentlich nur die Garnison angeht; und der Rathskeller, wo aber der Wein nichts taugt.

»Ich sehe, Sie scherzen, mein Herr!«

Das mineralgrüne Genie betheuerte mit einem gräßlichen Schwure das Gegentheil. Ob er falsch geschworen? – Das lasse ich dahin gestellt seyn; aber das mögt ich wohl behaupten, daß er das Abgeschmackte in der Frage nach einer öffentlichen Bibliothek in einem Landstädtlein nicht fühlte, und sich nicht so wohl über das schwarze Genie, als vielmehr nach seiner Art über den Ort lustig machte.

»Giebt es hier wirklich nichts für die Aufmerksamkeit eines Reisenden? Kein Naturalienkabinet? Keine Gemäldesammlung?«

O! damit können wir dienen. Herr Peter Fix hat ein hübsches Naturalienkabinet in einer Schachtel, das soll er Ihnen wohl weisen. Und dann ist hier noch einer, der hat die ganze biblische Geschichte in buntgemalten Kupfern, und sechs Könige und Königinnen von Nilson, die recht schön sind. Aber das ist 'n dummer Kerl, der versteht so was nicht. Die schönen Bilder hängen da im Tobacksrauch, und ich glaube wohl[72] nicht, daß er sie weisen würde, wenn Sie auch drum hingiengen.

Dem Schulmeister war auch wirklich mit Naturalien, Bildergallerien, und was er sonst aus den Zeitungen aufgeschnappt haben mogte, nichts gedient, darum näherte er sich seinem Zwecke, und nach einem Seufzer, daß freylich mancher Demant in Bley gefasset sey, fuhr er fort zu fragen:

»Aber ein Buchladen ist doch wohl hier?«

Daß Gott erbarme! lästerte der grüne Mann, wenn ich mich und noch 'n Stück oder etliche ausnehme, so glaube ich nicht, daß ein Mensch hier ist, der 'n Buch lesen kann –

Nun hatte der schwarze Mann wirklich nicht das Herz, gerade zu nach einer Druckerey zu fragen, wiewohl das damastne Genie hier gottlos gelogen hatte. Denn, wenn man es genau nehmen will, so war gerade Er vielleicht der einzige im Orte, der nie ein Buch hätte lesen müssen, weil er weniger als jemand auf der Welt im Stande war, ein Buch zu verdauen. – Der Ludimagister, sage ich, hatte nicht den Muth, gerade zu zu fragen, denn er glaubte schon zum voraus das schröckliche Nein, vor dem er sich so sehr fürchtete, zu hören; doch fragte er etwas beklemmt, ob es hier Künstler in dem Orte gebe? Das mineralgrüne Genie war auch schon im Begriff, die Frage zu beantworten, als ein Mann in einem simpeln dunkelbraunen Kleide hereintrat, auf dessen Gesichte ein trüber, in sich gekehrter, melancholischer Ernst unter einem erzwungenen Lächeln verborgen war. Mit flüchtigem Auge übersah er die ganze schaale Versammlung, und zeichnete besonders den seidnen Mann durch einen Blick voll unaussprechlicher Verachtung aus. Er grüßte die Herren sehr nachläßig, den Ludimagister aber, als einen Fremden, sehr bescheiden, ob er gleich nicht umhin zu können schien, an der auffallenden Physiognomie des Mannes einige [73] Augenblicke zu haften. Herr Bunke, sagte er zum Wirthe, indem er einige Papiere aus seiner Brieftasche nahm, geben Sie doch diese Frachtbriefe und Zollzettel dem Fuhrmanne. Er wird alles richtig finden.

Hiermit wollte er wieder gehen, als der damastne Mann zum schwarzen sagte: Sehen Sie, das ist der Herr, der die schöne Bildersammlung hat.

Es war wirklich der Mann, den das grüne Genie vor wenig Augenblicken mit der aus seinem Munde sehr ehrenvollen Benennung eines dummen Kerls beehret hatte.

Ich eine Bildersammlung? träumt Er, Meister?

Ey, ich meyne die Kupferstiche von Nilson, und denn ihre schönen bunten Bibelstücke, wovon ich diesem Herrn, der ein fremder Gelehrter ist, und sich nach den hiesigen Merkwürdigkeiten erkundigte, gesagt habe.

Nun ja, sagte der dunkelbraune Mann, Kupferstiche von Nilson, dem Meister in steifen Figuren, sind wunderwürdige Raritäten! – Hierauf wandte er sich an den schwarzen Mann: Es ist wahr, mein Herr, ich habe in meinem Pulte zwey oder drey Stücke, die von Kennern gelobt werden. Wenn so wenig ihre Aufmerksamkeit reizen kann, so bitte ich um Ihren Besuch, wofern ihre Zeit nicht ausgefüllt ist.

»Die mögte mir heute wohl lang werden, versetzte der Ludimagister, da hiesigen Ortes, wie der Herr da mich versichert, nichts Sehenswürdiges für einen Reisenden ist.«

Der Ort, erwiederte der Braune, ist wie alle Landstädte, aber wir haben hier einige schätzbare Männer, die eines Reisenden Aufmerksamkeit verdienen, und unsre Gegenden sind reizend. Und doch – zwar nicht hier im Orte, aber sehr nahe dabey, wüßt ich [74] doch einen Gegenstand, dem zu Gefallen ich funfzig Meilen reisen würde.

»Darf man fragen?« sagte der Schwarze, der nichts geringers als eine Buchdruckerey vermuthete.

Es ist ein Mensch, mein Herr.

Ih Herr Je! rief die Wirthinn, was Sie doch immer schnaksch sind! Das sollte mich lüsten, funfzig Meilwegs nach einem Menschen zu reisen! Kann hier, wenn ich, alle Tage genug im Hause sehen.

Menschengesichter, Madam, versetzte der Braune, dem die Falten der Stirn merklich sichtbar wurden, aber doch keine Menschen; und doch kenne ich hier im Orte wirklich sieben bis acht Menschen. Das ist viel, recht viel für eine mäßige Stadt. – Aber dieser Mann, den ich einen Menschen nenne, weil ich kein edleres Wort weiß, ist ein sehr vornehmer Mann durch Geburt und Stand und Güter. Fühlen Sie, mein Herr, (dem schwarzen Manne sagte er das) was das sagen will, reich, in ansehnlichen Würden, von alter sehr edler Abkunft, und doch ein Mensch zu seyn? Bey den mehrsten Erdensöhnen bedarfs nur einen von diesen drey Vorzügen, um ihnen Herz und Kopf zu verrücken: bey Ihm sind alle drey vereinigt, gerade, mögte man sagen, um Ihm die rechte Richtung zu geben. Er fühlt den Werth seines Standes, aber ohne allen Hochmuth; er ist höflich, ohne Falsch; herablassend, vertraulich sogar, aber mit Würde; gütig, aber mit Größe und ohne Prahlerey; voll Sentiment, aber ohne Affektation. Er hat keine Bibliothek, aber eine Büchersammlung; er giebt sich für keinen Gelehrten aus, aber er liebt die Gelehrten, und sie lieben ihn. Er hat kein Naturalienkabinet, aber Unterthanen, deren Glück – keine Bildergallerie, aber liebenswürdige Kinder, deren Bildung ihm am Herzen liegt. Er kann vielleicht weder malen, noch an der Drechselbank tändeln, aber er schätzt die schönen Künste, und [75] ehret den Künstler. Er besitzt Geschmack, und hat es bewiesen durch ein reizendes Elysium, das er in einer Wüste geschaffen hat. Er hat Freunde, und was man so selten findet, und was sein Bild vollendet! selbst unter seinen Hausgenossen warme Freunde, und ist werth sie zu haben, weil er selbst der wärmste Freund ist. Er hat Feinde, und ist groß genug, darüber zu lächeln. Die Härte, den Baurenstolz, das trotzige unbescheidne Wesen, den ekeln Ton, und alles, wodurch ein großer Theil des Adels sich unter seine Bauren herabsetzt, suchen Sie bey ihm so vergebens, als die entgegengesetzten Fehler. Er liebt die gesellige Freude, den lächelnden Witz, den gezügelten Muthwillen. Kurz mein Herr, sein Herz ist groß, gut, und schön, und edler noch als seine Geburt, die doch, Sie mögen auf die Reihe oder auf den Werth der Vorfahren sehen, so edel ist als irgend einer. Stände das Glück des ganzen Menschengeschlechts bey ihm, er würde es mit dem seinigen erkaufen. Gestehen Sie mir, daß so ein Herr den Namen eines Menschen, und eine Reise von funfzig Meilen verdienet! – –

Nach dem Maaße, wie der braune Mann sprach, entfaltete sich seine Stirn, sein Auge funkelte, und eine heitere Zufriedenheit verbreitete sich über sein Gesicht. Er hohlte das alles so tief aus seinem Herzen! aber bey den letzten Worten fiel sein Blick, vielleicht von ungefähr, auf das mineralgrüne Genie. Flugs waren alle Falten wieder da. Der Blick blieb haften, und wurde bedeutend.

Mich däucht aber, fuhr er fort, ich bringe sein Bild hier nicht in die beste Gesellschaft. (Hier wurde der mineralgrüne Mann glühend roth.) Indessen, mein Herr, (er wandte sich gegen den Schwarzen) beruhige ich mich damit, daß ich es für sie allein aufgestellet habe, und hoffe, es wird in gute Hände gekommen seyn.

[76] Hiermit empfohl sich der braune Mann, ungeachtet einer höflichen Einladung der Frau Wirthinn mit ihnen fürlieb zu nehmen. Meine Frau und Kinder, die mich gern in ihrer Mitte haben, erwarten mich, sagte er, und gieng.

Der Narr ist in seine Frau verliebt, sagte das seidne Genie. Der schwarze Mann aber meynte, er mögte ihn doch wohl näher kennen. Weiß nicht, obs der Mühe werth ist, antwortete der Grüne; es ist ein dummer grämischer Kerl, der manchmal den ganzen Tag den Mund nicht aufthut, und jedem, den er nicht leiden mag, alles ins Gesicht sagt; und ich glaube nicht, daß sechs oder acht Leute in der Stadt sind, die er leiden mag. Nichts ist ihm recht, und auf alles weiß er was zu mäkeln. Kurz, mein Mann ist er nicht. Er ist kein Genie.

Nee, ich mag ihn gern reden hören, sagte die Wirthinn. Er ist immer so apart. Manchmal versteh ich wohl nicht recht, was er will, eben als heute, daß 'n Menschengesicht kein Mensch seyn soll. Aber eben weil das so schnaksch ist, mag ich ihn gern hören.

'S ist doch 'n hochmüthiger Kerl, sagte der Grüne, und indem wurde die Suppe aufgetragen.

12. Kapitel

Zwölftes Kapitel.
Das zweyte Kapitel vom Geniewesen, worinn der Leser das mineralgrüne Genie näher kennen lernt.

Man wies dem schwarzen Genie als einem ganz fremden Herrn die Oberstelle an; aber er hatte im täglichen Umgange mit den vornehmsten Bedienten Seiner Gnaden, mit welchen er längstgedachter maßen fast täglich speisete, schon lange so viel begriffen, daß er in der allerfeinsten Galanterie kein Neuling mehr war. Sonach fuhr er mit seiner nervigten Rechte [77] behende in den Schlitz der Falten seines Rockschoosses, machte einen gefährlichen Bückling und scharrte hinten aus, daß es witterte, that darauf einen zierlichen Schritt vorwärts, der ihn der hübschen Wirthinn nahe brachte; erhob sodann den Rockschooß, und ergriff mit demselben gar sittiglich und züchtig die linke Hand der Wirthinn. Sie erlauben, wertheste Madam! sagte er zu der Frau, die, ob dem ihr ganz unbekannten Manövre erstaunt, ganz geduldig ihre kleine runde Hand in den Rockzipfel begraben ließ, und vielleicht dachte, der fremde Herr wolle ihr etwa die Spur eines angegriffnen Kochtopfes abwischen. Sie erlauben, wertheste Madam, sagte er, und thät sie ehrbarlich zu der Oberstelle führen, und zwang sie gar höflich, sich da selbst nieder zu lassen, wiewohl sie dreymal versicherte, das würde sich gewiß und wahrhaftig nicht schicken. Das Wesentliche dieses Manövres hatte er dem Herrn Verwalter und der Frau Liebste des Herrn Justitiarius abgestolen, die Nebenverzierungen that er aus seinem eignen Schatze hinzu. Als er diesen wichtigen Beweis seiner feinen Lebensart abgeleget hatte, nahm er mit vieler Würde seinen Platz zur Linken der Dame, und ihr zur Rechten pflanzte sich das mineralgrüne Genie hin, in dessen Giebel die braunen Aeuglein der lieblichen Wirthin schon längst einen solchen verteufelten Spuk angerichtet hatten, daß er oftmals Genie, und Philosophey, und Litteratur darüber vergaß; wie er denn auch an diesem Mittage nicht ermangelte, diese Augen, und was ein mißgünstiges Halstuch nicht ganz verbergen durfte, gar erbärmiglich anzuschielen, und von Zeit zu Zeit Seufzer so dick als des Schulmeisters Beine auszustoßen. Die übrigen Gäste samt dem Wirthe setzten sich ohne Cärimonie. Das Töchterchen im Hause stammelte, übelhergebrachter Gewohnheit nach, das [78] Benedicite, welches ich allemal lieber vom Hausvater sprechen höre, und die Schüsseln wurden leer.

Ich habe oben schon verkündiget, daß das mineralgrüne Genie beschlossen hatte, sich zu zeigen. Weil er vor Tische nicht so recht dazu kommen konnte, entschloß er sich im Gasthofe zu essen, welches er, Trotz dem Gebrumme seiner Hausehre, gar oft, und vorzüglich dann zu thun pflegte, wenn er Fremde da fand, die er bewunderte, oder die ihn bewundern sollten. Jetzt bey Tische fieng er allmählich an, das Nordlicht seiner Einsichten leuchten zu lassen. Er machte den Anfang mit etlichen paradoxen Sätzen, auf die aber niemand achtete, der Schulmeister nicht, weil er die Suppe sehr wohlschmeckend fand, die übrigen nicht, weil sie das zum neun hundert neun und neunzigsten mal hörten. Bey der zwoten Schüssel stellte er sich frank und frey unter Voltäre's und Damm's Fahnen, aber der Ludimagister war entweder noch zu hungrig, oder er mogte sonst seine Ursachen haben, so viel ist gewiß, daß er keine Sylbe darauf antwortete. Als das mineralgrüne Genie sah, daß auch dieser Schlag kein Oel gab, besann er sich, vor einiger Zeit den Alexander von Joch über Verbrechen und Strafen nach türkischen Gesetzen gelesen zu haben, den er aber, seiner Gewohnheit und Unvermögen nach, nicht digeriret hatte. Auf einmal hub er einen stattlichen Diskurs über die Dauer der Höllenstrafen an; und, um das schwarze Genie recht mit den Haaren zur Aufmerksamkeit und Bewundrung zu zwingen, richtete er seine Rede gerade an ihn.

Zufälliger Weise war hier der Ludimagister zu Hause. Denn wie manchmal das Glück der Narren Vormund ist, so hatte er just vor etlichen Wochen eine Unterredung meines lieben Pastors mit dem Herrn Justitiarius angehöret, worinn dieser Gegenstand weitläuftig untersuchet wurde, und wobey es scharf hergieng. Der schwarze Mann hatte, wie [79] mehrentheils alle Schulmeister von Profeßion, ein sehr glückliches Gedächtniß, also waren ihm die wichtigsten Argumente pro und kontra noch sehr geläufig, und er beschloß den Augenblick, dem grünen Genie gar stattlich das Obstat zu halten, die Meynung desselben mögte nun seyn, welche sie wolle, und vor der Gesellschaft Ehre einzulegen. Zu diesem tapfern Entschlusse trug das nicht wenig bey, daß er schon lange weg hatte, sein Gegner sey kein sehr gewiegter Mann.

Nach einigen Generalien über die Höllenstrafen überhaupt, erklärte das damastne Genie sich wider die gewöhnliche Bedeutung des Worts Ewig, und that einen großen Schritt über die Grenze bis ins Centrum der Philosophey. Herr, sagte er, sind sie nicht auch der Meynung, daß ein unendliches Wesen von einem Endlichen nicht Unendlich beleidiget werden könne?

»Mein werther Herr, erwiederte das schwarze Genie, ich bin zwar nicht hieher gekommen, über die Religion zu disputiren, doch – ich sehe, Sie sind auf Irrwegen, und es ist Pflicht, seinen irrenden Bruder zurecht zu weisen, vorausgesetzt, daß er nicht muthwillig irre, noch in der Absicht mit seinen Irrthümern zu pralen, welches meines Dafürhaltens nur ein Böse wicht oder ein Narr thun kann.« –

Dieser Eingang machte den mineralgrünen Philosophen ein wenig betreten. Er fühlte, daß er an ein zum wenigsten eben so boshaftes Thier gerathen sey, als er selbst war. Doch befürchtete er noch nicht, daß der schwarze Mann so gar arg mit ihm umspringen würde, als wirklich geschah.

– »Was also, fuhr der Schwarze fort, Ihre Frage betrifft, mit der Sie mich angehen, so dienet in Antwort, daß wir nicht nur wissen müssen, wovon wir reden, sondern auch was wir reden. Meynen Sie das nicht ebenfalls, mein Herr?«

[80] Ich denke: Ja! antwortete der grünseidne Mann.

»Gut also, mein Herr! sagte der Schulmeister. Aber ehe wir weiter gehen, das trockne mein Herr macht meines Dafürhaltens die Unterredung ein wenig hölzern. Es ist so herzlicher und besser, wann man sich bey seinem Namen oder Karaktehr zu nennen weiß; man kann sich auch seinen Respekt besser geben. Ohne Zweifel wird das auch des Herrn Videtur seyn. Also, mit Permißion! mit wem habe ich das Vergnügen zu konversiren?«

Ich heiße Herr Pfrieme, zu dienen!

»Und Ihr Karaktehr?«

Habe keinen. Ich bin ein Liebhaber der Humaniorum.

– Es ist wohl Zeit, daß wir unsern Lesern sagen, wer der mineralgrüne Philosoph eigentlich war, und dazu haben wir die beste Gelegenheit, während die beyden Genies gegen einander zu Felde ziehen. Sein Vater lebte und starb als ein Leineweber mit dem Ruhme eines ganz hübschen Mannes, und hatte diesen seinen Sohn ebenfalls zu einem ehrbaren Handwerk erzogen und anführen lassen; wie denn der Bursch auch so weit gedieh, daß er als Schuhknecht seine Wanderjahre antrat, nachdem er seinen Vater viel Verdruß gemacht hatte. Nach des Vaters Tode aber warf der Sohn aus leidigem Drang des Genie Leisten und Kneif zum Henker, und nach vielen in der Nachbarschaft und daheim überstandnen Fährlichkeiten und versuchten Metiers, bald Bettler bald Matador, nahm er eine Frau, und zehrte nun, da er schon über die funfzig hinaus war, auf den Rest eines geringen Vermögens, der nicht gar zu edlen Frucht seines letzten Coup de genie, waidlich los; schlemmete und demmete redlich; sprach nichts als Hochdeutsch, weil, wie er sagte, das Plattdeutsche keines [81] erhabnen Ausdrucks fähig sey, sonderlich so, wie es der Pommersche gemeine Mann spräche; verläumdete alle Welt; schwänzelte immer noch hinter Weiber und Mägdlein her; las jedes Buch das er auftreiben konnte, und pränumerirte auch wohl mit unter auf Bücher die – unstreitig für Schuhknechte nicht geschrieben waren, um seinen Namen schwarz auf weiß gedruckt im Pränumerantenverzeichnisse täglich vor Augen zu haben. Ein paar unrechte Bücher, ein paar schlechte Buben, und, mehr als das, eine Mutter voll Affenliebe hatten den Grund zu seinem sittlichen Verderben gelegt; denn wirklich, der grüne Mann schämte sich keines Verbrechens. – Mütter! Mütter! wie unzählig mehrere Seufzer und Flüche unglücklicher, zu spät zur Erkenntniß kommender Kinder fallen auf euch, als auf die Väter! – Eine fortgesetzte unrechte Lektüre machten ihn vollends zum Narren, und, weil er nicht verstand was er las, endlich zum vollendeten Bösewicht. Ihr Herren, die ihr alles wisset! giebt es kein Mittel die Mütter, und dadurch zugleich die Kinderzucht zu bessern? giebt es kein Mittel den Pöbel vor Büchern die für ihn nicht geschrieben wurden, zu bewahren?

Seinem Pränumerationswesen hatte Herr Pfrieme den Titel eines Liebhabers der Humaniorum, der bis jezt in keinem Titularbuche stehet, zu danken. Denn, da er zum erstenmal seinen werthen Namen zu einem solchen Verzeichnisse einzusenden vorhatte, war er unschlüßig was für einen Schwanz er demselben anhenken sollte. Exschuster, – wie heut zu Tage Exjesuit – das schien ihm nicht schicklich. Bürger und Einwohner très renommé, das war vollends nichts Gar kein Schwanz ließ auch so kahl und gestutzt. Homme de Lettres war damals noch nicht üblich. Genie? Ein Genie? Das war Etwas. Aber es ließ doch gar zu wer weiß, wie! [82] Sonach ward der glänzende und unerhörte Titel: Liebhaber der Humaniorum beliebt und erkieset.

– Ich bin ein Liebhaber der Humaniorum, sagte der Exschuster. Aber, erlauben Sie, wen hab' ich die Ehre für mir zu sehen?

»Vor mir, sagte der Schulmann, wenns Ihnen beliebt. Ich bin ein Gelehrter, und habe mich eigentlich dem Edukationswesen gewidmet, Ihnen zu dienen, wo ich aber jezt nicht weiter Fait von mache als ich unumgänglich muß, weil ich bey Seiner Hochwohlgebohrnen Gnaden dem Herrn von Lindenberg das Amt eines Lektoris ordinarii übernommen habe, welches mir so viel Zeit weg nimmt, daß mir zu Erziehungsarbeiten nur wenig, und für mich selbst zu studiren gar nichts übrig bleibt. Allerdings mögt ich in Absicht des letzteren wohl mit dem Poeten ausrufen: Triste et miserabile! Aber, da Seine Gnaden von jeher viel Freundschaft und Gnade für mich gehabt haben, so ist es meine unterthänigste Schuldigkeit, was mir Gott an Kräften verliehen hat, zu Deroselben Diensten zu verwenden. Indessen, wie ich sage, bin ich ein eifriger Diener, so ist er ein gnädiger Herr. Noch diesesmal, da Seine Gnaden vernahmen, daß ich ein kleines Geschäffte in dieser Gegend hätte, geruheten Sie zu sagen: Ich gebe es durchaus nicht zu, liebster Herr Lektor, daß Sie die Reise auf einem offnem Wagen thun. Wer weiß was für Wetter einfallen kann? Sie müssen meine blaue Schäse nehmen. Mein Heinrich (das ist der Leibkutscher Seiner Gnaden) soll Sie fahren; er kann vier von den neuen Schweißfüchsen vorspannen; das sind Pferde wo Sie schon mit vom Flecke kommen sollen; und mein Christian (das ist des gnädigen Herrn erster Kammerdiener) soll Sie begleiten, dann weiß ich, daß Sie gut aufgehoben sind. – Danke Eu'r [83] Gnaden unterthänigst, sagte ich. Eu'r Gnaden erlauben, sagte ich, daß ich mir einmal eine kleine Motion mache. Ich hätte wohl Lust, den Weg zu Fuße zu machen, sagte ich. Seine Gnaden wollten denn doch, daß ich auf den Nothfall die Schäse hinter her fahren lassen sollte; und als ich mir das ernstlich verbat, wurden Sie wirklich ein wenig empfindlich. Nu, wie Sie wollen, Herr Lektor, sagten Seine Gnaden. Ihr Herren Gelehrten habt doch immer so Euere aparten Grillen, sagten Sie.«

– Nicht wahr, trauter Leser, aus dieser langen Rede leuchtet die herrlichste Anlage zum Zeitungsschreiber hervor? –

Hierauf gieng er dem Exschuster tapfer zu Leibe, und wiewohl es lieblich und lustig zu lesen seyn mögte, was ein Schuster und ein Dorfschulmeister wie der unsrige über die Dauer der Höllenstrafen und über metaphysische Subtilitäten, die sie beyde nicht verstanden, zu Markte brachten: so wollen wir doch, anerwogen dieses lange Gefecht uns zu viel Platz wegnehmen dürfte, selbiges übergehen, und uns begnügen, ein Wörtlein über des schwarzen Genies dermalige Methode zu sagen, womit er den mineralgrünen dergestalt in die Enge trieb, daß, wie Butter und Käse aufgetragen wurden, alle Lacher auf des Ludimagisters Seite waren. Dieser hatte nun freylich kein Arges daraus, daß sein Sieg gerade von dieser Methode abhieng, denn er gieng schlechthin so zu Werke, als er es dem Pastor abgemerket hatte: dennoch, damit wir doch auch etwas in Logicis erfinden, wollen wir dieser Art zu fechten, den Namen der Schulmeister-Methode beylegen, und sie beyläufig allen vernünftigen Leuten empfohlen haben, die sich der Zudringlichkeit eines schaalen Schwätzers der keine Rason [84] anzunehmen pflegt, gern erwehren wollen. Der Schulmeister aber machte es also:

So bald Herr Pfrieme den Mund aufthat, war er, der schwarze Mann, mit der Frage bereit: Was verstehen Sie darunter? Da nun schaale Köpfe selten wissen, was sie eigentlich sagen, so folgt, daß sie in ein Paar Minuten von der Schule geschlagen sind. Um ein Exempelchen zu geben: der schwarze Mann trat dem Grünen stracks mit der Frage auf den Hals: Was nennen Sie Endlich und Unendlich? – Und der Grüne antwortete: Endlich ist, was ein Ende hat, und Unendlich, was keins hat. Nein, sagte der Ludimagister, ein endliches Ding kann auch zwey Enden haben; Sie wissen also nicht, was Sie reden. Denn der Anfang eines Dinges ist das Ende vorn hinaus, und das Ende ist das Ende hinten hinaus. Das sind also zwey Enden. – Hierauf fragte er ferner, erstlich, was beleidigen, und hiernächst, was unendlich beleidigen heisse. Das letzte erklärte Herr Pfrieme durch: so beleidigen, daß Gott es gar nicht vergeben könne. – Und so gab ein Wort das andre, bis es dem Exschuster an Händen und Füssen kalt wurde. Es lebe die Schulmeistermethode!

Als nun das mineralgrüne Genie durch seine eigne Unwissenheit und halbrichtige oder ganz falsche Erklärungen in so viel Schwürigkeiten verwickelt war, daß ihm Wort und Bissen im Halse stecken blieb, da konnte der gefräßige Wirth, der zwar mit beyden Ohren zugehöret, aber auch mit beyden Backen gekauet hatte, sich nicht erwehren, seinen Zähnen einen Stillstand von acht Sekunden zu gönnen, um triumphirend auszurufen: Sieh! Bruder Pfrieme! da hast mal deinen Mann gefunden!

[85] Da verstehst du viel von, Bruder Bunke! Unser Dispüt ist noch lange nicht ausgemacht, und kann auch wohl nicht ausgemacht werden, denn des Herrn Lekters Meynung und meine Meynung sind doch nur Apotesen.

»Hypothesen, Herr Pfrieme, sagte der schwarze Mann. Aber wollen Sie mir wohl sagen, was Sie unter Hypothese verstehen?«

Das ist – Will ich Sie sagen – gleichsam – Aber laß uns von was anders reden. Ich sehe wir haben mit der Philosophie der lieben kleinen Frau Langeweile gemacht.

Sie belieben zu scherzen, sagte Madam Bunken. Aber weil wir unsern Lesern nicht gern allzuviel Langeweile machen mögten, so melden wir kürzlich, daß das Gratias gesprochen wurde, worauf der Ludimagister sich ein Schälchen Kaffe, und bey demselben die Gesellschaft des mineralgrünen Exschusters ausbat; denn die andern Tischgenossen giengen gleich nach aufgehobner Tafel an ihre Geschäffte.

»Es ist doch verdrießlich, muß ich sagen, fieng der Ludimagister an, indem er seine Pfeife stopfte, daß ein Gelehrter hier zu Lande gar nicht seine gehörige Bequemlichkeit hat.«

Wie meinen Sie das, Herr Lekter? fragte der seidne Mann.

»Das will ich Ihnen sagen, Herr Pfrieme. Sehen Sie, ich bin ein Gelehrter, wie Sie wissen. Aber was hilft mir das? Ich bin gezwungen mein Licht unter einen Scheffel zu setzen, anstatt es vor den Leuten leuchten zu lassen, und andern Gelehrten mit meinen Einsichten nützlich zu werden. Hätten wir in dieser Gegend – – Aber so haben wir nicht. Ich habe, unter uns gesagt, schon seit geraumer Zeit meine Meditationen [86] über manche Gegenstände schriftlich entworfen, worinn ich über viele Dinge der Welt ein Licht aufstecke ....«

Ey, das wäre viel! Sind Sie ein Autor?

»Lassen Sie sich nur erst sagen, lieber Herr Pfrieme! da überraschten mich neulich Seine Gnaden am Pulte, als ich meine Aufsätze ein wenig befeilete – denn wir besuchen einander ohne Komplimente. Ey Herr Lektor, sagte der gnädge Herr, darf man wohl einmal in ihre Hefte kucken? – Ich mogte einwenden, was ich wollte – und bey so vornehmen Herren darf man denn nicht allemal recht viel einwenden – –«

Das ist ganz natürlich, Herr Lekter.

»Kurz, er bemächtigte sich meiner Hefte, und las über zwo geschlagne Stunden drinn. Ich muß gestehen, lieber Herr Lektor, sagte er, ich kann mich nicht satt lesen. Sie haben ihren Materien sehr gründlich nachgedacht. So ein Buch, wenn das gedruckt würde, wäre werth, daß Könige und Kaiser es auswendig lernten. – Ich wollte das nun freylich nicht an mich kommen lassen, können Sie leicht denken ...«

Ganz natürlich, sagte Herr Pfrieme.

»Aber der gnädige Herr sagte: Ich habe das lange an Ihnen getadelt, mein liebster Herr Lektor, daß Sie allzu bescheiden sind. Ich bin Ihr aufrichtiger Freund, sagte er, und mein unmaßgeblicher Rath ist der, Ihr Werk je eher je lieber drucken zu lassen. – Nun wissen Sie wohl, lieber Herr Pfrieme, daß der Rath eines solchen Freundes ein gemeßner Befehl ist. Zudem sind Seine Gnaden ein Herr von tiefen Einsichten, und ich thäte ihm gern den Gefallen, wenn es möglich zu machen wäre. Aber in diesem Lande! – Man muß nicht daran denken. In magnis et voluisse fat est, wie Aristoteles sagt. – Seine [87] Gnaden mögen dermalen mit meinem guten Willen fürlieb nehmen.

Dem Himmel sey Dank, daß die lange Rede des Schulmeisters zu Ende ist! Die Finger schmerzen uns vom Nachschreiben, und wir wünschen herzlich, daß unsre Leser vom bloßen Lesen nicht etwa die Darmgicht bekommen mögen! Um das so viel an uns ist zu verhüten, haben wir von neun lateinischen Brocken, womit sie verbrämet war, achte weggelassen, so wie wir gemeiniglich die lateinische Gelehrsamkeit des schwarzen, und die Flüche des grünen Mannes zu unterdrücken pflegen. Wir konnten nicht wohl umhin, dem Leser ein merkliches Beyspielchen zu geben, daß das schwarze Genie lügen konnte als wenn es gedruckt wäre, und in welche endlose Länge er, der sich selbst gar zu gern hörte, seine Reden auszuspinnen pflegte, wo ers irgend durfte. Der grüne Mann aber, der nicht wie unsre Leser in des Ludimagisters Wahrhaftigkeit Mißtrauen zu setzen befugt war, hörte diese lange Legende aufmerksam an, thät darauf seinen Mund auf, und hub an, den Pechdrat seiner Gegenrede zu drehen, wie folgt:

Es ist leider mehr als allzuwahr, mein werther Herr Lekter, daß hier zu Lande andre Mariten besser geästimiret werden, als Gelehrsamkeit. Aber da ein Gelehrter billig ein Kospolit seyn muß, so wollt ich Sie wohl rathen, nicht auf dieses Land zu sehen, sondern auf die Welt. Die muß darum nichts zu kurz kommen, weil das Land, worinn Sie leben, noch nicht kulturiret ist. Sie müssen Ihr gelehrtes Werk drucken lassen ...

»Das will ich ja eben gern, Herr Pfrieme! Sie kapirten mich nicht. Aber da steckt eben der Knoten, daß ich nicht weiß, wo? Und weit von hier das wäre meine Sache nicht; dazu habe ich meine aparten Ursachen.«

[88] Was? wissen Sie da keine Mauen anzusetzen? Da müßte doch Rath zu werden. Wissen Sie was, Herr Lekter? Vielleicht kann ich Sie darunter dienen, und das sollte mir ein wahres Plasir seyn.

– Im Vorbeygehen gesagt: kein Mensch war bereitwilliger zu Diensterbietungen als der seidne Schuster, aber kein Mensch war träger zu Dienstleistungen. Seinen alten wackelöhrigten Karrengaul, seinen Geldbeutel, sein Haus und – seine Kinder dazu, alles was er hatte, bot er vornehm an, wenn er wußte, daß man – nichts brauchte. Faßte man ihn aber ja beym Worte, so war das Roß vernagelt, oder in andern Fällen eine eben so paßliche Ausflucht bey der Hand, es wäre denn etwa, daß er mit der Wurst nach dem Schinken geworfen hätte. Von dem geringsten erwiesenen Dienst aber pralte er sein lebenlang. Bey Anlässen hergegen wie der gegenwärtige, wo er nur mit Rath und Worten zu dienen hatte, war er sehr, recht sehr dienstfertig.

»Könnten Sie das? rief der entzückte Schulmeister. Wissen Sie wirklich hier herum eine Druckerey, oder einen Künstler, der eine machen könnte?«

Das nun wohl eigentlich nicht, Herr Lekter! Aber wir haben einen Mann hier, der ein Tausendkünstler ist, der nimmt Pränumeration an auf Bücher. Ich habe seit vielen Jahren auch bey ihm gepränumeriret. Habe zwar noch kein Buch gekriegt, aber das wird schon noch kommen. Gut Ding will Weile haben, und seine künftigen Bücher sind hol mich – gut Ding. Ich habe da unter andern vor ein Jahrer zehne auf ein Buch gepränumeriret, das soll heißen: Neu eröffnetes Ein mal Eins, mit historischen, kritischen und geographischen Randglossen. Das wird meiner [89] Seel 'n kapitales Buch werden! Alle Mathematici im ganzen Lande sollen dran arbeiten, und die Randglossen will er selbst machen ...

»Dann stehet zu besorgen, fiel der Ludimagister mit einer schlauen Miene ins Wort, daß die vielen Köche den Brey verderben werden, wie das Adagium sagt. Aber, Herr Pfrieme, der Mann denk ich wird mir nicht viel helfen können. Ich bin nicht Willens auf mein Werk pränumeriren zu lassen. Auch hab ich keine zehn Jahre Zeit.«

Der Mann könnte Ihnen denn doch Anleitung geben, mein Herr Lektor. Sonst wenn Sie wollen gepränumeriret haben, will ich auch pränumeriren. Ich habe einen hübschen Imperatus von Büchern, wohl an die zwanzig Stück, wo ich alle auf pränumeriret habe, und mein Vor- und Zuname in gedruckt steht. Andre Bücher mag ich nicht haben. Sie können ja mal zu dem Manne gehen. Schadt ja nicht. Ich will Ihnen hinbringen.

»Ey ja, wenn Sie meynen, Herr Pfrieme.«

Nun kam in einer blank gescheuerten kupfernen Kanne der Kaffe, samt Zubehör. Die Herren setzten sich und das grüne Genie ließ sichs doppelt gut schmecken, weil es ihm nichts kostete. Was aber beym Kaffe geredet wurde, und wie des Exschusters giftige Zunge, zum Zeitvertreib der Frau Wirthinn, die wieder ins Zimmer kam einen guten Namen nach dem andern meuchelmördrisch anfiel, ärgerliche Liebeshändel zwischen Bürgerweiber und Musketiers, zwischen Meisterinn und Gesellen, zwischen Geistlichen und Weltlichen, zwischen Fräulein und Grafen, ungeheure Lügen und nichtsbedeutende Wahrheiten mit schändlicher Großpralerey und schmutziger Niederträchtigkeit durchmischet, herschwadronirte, und ohne auf Charakter, Stand oder Würde zu sehen, die Einwohner des Orts Straßenweise durch seine ehrlosen Spießruthen jagte, und keines Menschen, [90] selbst seiner leiblichen Brüder nicht schonte, – und alles das aus Drang des Genie; – ferner, wie er seine eignen Heldenthaten, seine Wege zu weiland seines Vaters Geldschranke und den Spinden seiner Hausgenossen herposaunte, und es als ein großes Kompliment ansah, daß die Wirthinn ihn, und zwar auf keine sehr versteckte Weise, der Giftmischerey beschuldigte: – alles das enthalten wir uns, wie billig, um weder dem Fiskal noch der Obrigkeit des Ortes ins Amt zu fallen oder vorzugreifen. Der Ludimagister aber fand an dem verläumderischen Talent des alten Sünders ein innigliches Behagen, und in dessen giftigen Romanen die kräftigste Nahrung für seinen Geist; denn im Grunde war er selbst ein hämischer Bube, nur daß ers nicht so auslassen durfte. In Dörfern pflegen Lästerungen gar zu bald rund zu kommen, und er hatte jeden Bauren zu schonen, wenn er in seinen außerordentlichen Einkünften, welche doch manchem Dorfschulmeister das meiste bringen, keinen Defekt spüren wollte.

13. Kapitel

Dreyzetes Kapitel.
Das dritte Kapitel vom Geniewesen. Oder:
Mein langes Kapitel.

Nach dem Kaffee erhoben sich die beyden Herren zu dem obgedachten Manne, und da sie auf dem Wege dahin vor dem Hause des mineralgrünen Philosophen mit der grünlichgelben Seele vorbey mußten, erbat sich dieser die Erlaubniß, seinen Anzug ändern zu dürfen. Er nöthigte das schwarze Genie um so viel zuversichtlicher hinein, da er wußte, daß seine strenge Hausehre nicht zu Hause sey. Das erste was der Schulmeister im Hause sah, waren ein Paar flachsköpfigte Buben, die der Herr Papa zu künftigen Genies erzog, und denen die Schelmerey schon [91] jetzt aus beyden Augen kuckte, wie denn der jüngere auch nicht ermangelte, dem Schulmeister, so bald er sich nur gesetzt hatte, einen Hasenschwanz vermittelst etlicher Kletten an die Perüke zu heften.

Der grüne Mann hatte sich auf einige Augenblicke entfernt, und erschien wieder in verändertem Pomp, an Beinen gestiefelt, mit seinem weißen atlasnen Bratenweste und seinem schönen rothen Kleide mit blanken weißen Knöpfen. Er zeigte und besah seine gestiefelten Extremitäten so viel und so lange, daß der Ludimagister nicht umhin konnte zu versichern, er habe nie so wohlsitzende Stiefel gesehen.

Das macht, ich habe sie selbst zugeschnitten, versetzte Meister Pfrieme etwas voreilig, indem er dadurch beynahe seine ehemalige Profeßion verrathen hätte, auf die er nicht sehr stolz war. Er faßte sich aber geschwind wieder, und fuhr fort: Denn ich muß Ihnen sagen, ich habe an manchen Dingen mein Plasir; unter andern mag ich auch gern meine Stiefel selbst zuschneiden.

»Ich gestehe, sie sind nach dem schönsten Schnitte von der Welt.«

Das macht, Herr Lekter, ich schneide sie nach der Philosophie zu. Den Ofen da hab ich auch selbst aufgesetzt. Ein Mann von Genie muß sich mit alles behelfen können.

Der schwarze Mann dachte dem grünen Manne ein Kernkompliment zu machen, und sagte, wenn er nur gleich zwey Felle kriegen könnte, so würde er ihn bitten, ihm zu seinem Andenken ein Paar Stiefel zuzuschneiden. Aber die Höflichkeit bekam ihm schier nicht wohl, denn der mineralgrüne Meister kuckte arglistig unter seinen krummen Augenbraunen hervor, erst dem Gelehrten ins Antlitz, ließ dann den Blick sehr signifikativ auf dessen unförmliche Beine hinabgleiten, und sprach gar langsam und vernehmlich: Mein Herr! der tapfre Schanderbecher sagte [92] [94]einmal zum Kaiser von – Rußland: ich konnte Euro Kaiserliche Majestäten wohl meinen Sabel leihen, aber nicht meinen Arm. – Bey dem Worte: Arm, hob der Exschuster sein rechtes Bein, das wirklich nicht schlecht gemacht war, hoch empor, und der Ludimagister steckte den Hieb vorgängig trocken ein.

Meister Pfrieme wollte seinen Gast so herzlich gern mit allen seinen Vollkommenheiten regaliren, und hätte sie ihm gern mit Löffeln eingegeben, darum setzte er sich an einen alten baufälligen Flügel und hub an gar grimmiglich darauf los zu pauken, sang auch darneben in lieblichsten Schuhknechtsdiskant das wohlbekannte Lied: Sollen nun die grünen Jahre etc. rief darauf seine Köchinn herein, und duettirte mit ihr sehr herzbrechend die schöne Aria: Komm mit mir in grüne Schatten, komm geliebte Sylvia. etc.

Will dir die schöne Silfiges gesegnen! rief plötzlich eine kreischende Stimme halb auf der Straße, halb in der Hausthür, als Damöt gerade der geliebten Sylvia Heerde, Hund und Stab anbot, wenn sie einmal mit ihm im einsamen Schatten – die Nachtigallen wollte schlagen hören. Der grüne Mann erkannte gleich, daß diese Stimme seiner Hausehre, deren Heimkunft er nicht so früh erwartet hatte, zuständig sey, und da er nichts Gutes witterte, sprang er schnell zum Fenster hinaus, und überließ es seinem Gaste, sich zu retten, so gut er könnte. Dieser sah etwas betäubt dem Hausherrn nach, und wußte nicht, ob er ihm durch diesen ungewöhnlichen Weg folgen sollte oder nicht, als die Frau wie eine Furie in die Stube brach, roth um den Kamm und blind vor Eifersucht. Der erste Gegenstand, der in ihre Fäuste fiel, war die arme Köchinn. Wart, du schöne Silfiges! .... Weiter verstand der Ludimagister nichts, denn er hatte gerade die erfoderliche Gegenwart des Geistes, diesen Augenblick zu nutzen, und [94] hinter der Furie weg zur Thür hinaus zu huschen. In Einem Satze war er auf der Gasse, wo er den Exschuster in einer Entfernung von sechzig bis siebenzig Schritten vor sich hin laufen sah, so schnell die wohlgemachten Beine ihn nur tragen wollten. Und wahrhaftig, sie mußten sehr schnell seyn, um ihn in dem Nu – denn der ganze Auftritt war die Sache eines Nu – so weit vorwärts bringen zu können. Der schwarze Mann rannte und schrie hinter ihm drein zu großer Verwundrung der Vorübergehenden, die in Zweifel standen, ob das ein Wettlauf sey, oder ob einer dem andern den Beutel gemauset habe. Der mineralgrüne Mann, denn so werde ich ihn Trotz des rothen Kleides ferner nennen, stand nicht eher still, bis er um die Ecke war. Da erst wartete er des Schwarzen. Ey, ey! Herr Pfrieme, rief dieser, der tapfere Skanderbeg that sehr weislich, daß er seinen Arm nicht mit verlieh.

Still! antwortete Pfrieme, die Frau ist was schalluh. Und außer dem Hause, halt ich dafür, muß ein Mann nichts auf sich sitzen lassen, aber im Hause muß er fünfe gerade seyn lassen.

»So! – Nu, nu! ich denke, ein Mann muß allenthalben ein Mann seyn; und – mit Permißion! – heute Mittag, der Mann in dem dunkelbraunem Kleide schien eben so zu denken.«

Ah, das ist 'n dummer patziger Kerl, über den ich weit weg bin. Dem brauchts nur 'n halbes Wort, so ist er geraakt; und in öffentlichen Häusern, wissen Sie, mag man denn nicht gern Spektakel machen.

»Da haben Sie Recht, Herr Skanderbeg! vor allen wenn man just seinen Säbel verliehen hat.«

Unterdessen versammelten sich um die beyden Herren her ein paar dutzend Straßenbuben, die den närrischen Appendix bemerkten, der bey jedem Schritte den der Schulmeister that, zwischen seinen [95] Schulterblättern wackelte. Vermuthlich waren sie von Monsieur Ulrich Pfrieme, dem jüngsten Sohne des mineralgrünen Genies, dazu aufgewiegelt; wenigstens befand er sich in der Arrieregarde des Trupps, und half das Geschrey waidlich vermehren. Die beyden alten Genies dachten anfangs nicht, daß einer von Ihnen der Held in der Farce sey, bis einige Aepfel, die aber auf keinem Baume gewachsen waren, um ihre Ohren flogen. Da rochen die Herren Lunte, und machten durch ein Rechts um kehrt euch, Fronte gegen die jungen Genies. Durch dieses Manövre wäre aber der Exschuster beynahe um seine Faunennase gekommen, und zwar durch die Hand seines leiblichen Sohnes. Dieser, den wir nach seinem Jäckchen von striefigten Fünfkamm, das gestreifte Genie nennen wollen, zielte und warf eben nach dem Haupte des Ludimagisters; da aber die beyden alten Genies gerade in dem Augenblick ihre Wendung machten, so traf der Sohn den Papa dermaßen in das Centrum des Gesichtes, daß das Nasenbein samt dem ganzen Vordergebiß ohne alle Gnade zum Henker gewesen seyn würden, wenn nicht, wie jedermann weiß, eine Handgranate von obgedachter Art, zu allem Glücke von sehr weicher und nachgebender Materie wäre.

Die Herren, um dieß zu rächen, rückten tapfer auf die feindliche Armee los, und ein Treffen wäre unvermeidlich gewesen, wenn nicht ein ältlicher Herr in einem Ueberrocke und weissem Federhute den Ludimagister mit den Worten angeredet hätte: Sie würden besser thun, mein Herr, wenn Sie den Hasenschwanz weg thäten, als daß Sie sich mit der Grundsuppe des Pöbels einlassen.

Wie? wa wa was? stotterte der bestürzte Schulmeister.

Friedrich, sagte der Herr zu einem Bedienten der ihm folgte, nehmt dem Manne die Narrenpossen [96] ab. Und wenn ich wüßte, Meister Pfrieme, daß das einer von seinen Coups de genie wäre, wie ich sehr geneigt bin zu glauben – –

Euro Excellenz wollen verzeihen, sagte Pfrieme, ich bin so unschuldig als ein Kind in Mutterleibe. Die Jungen haben mir selbst bald die Augen ausgeworfen.

Dergleichen sieht ihm sonst ähnlich genug, sagte der alte Herr.

Es war der General, von dessen Regiment ein Bataillon die Garnison des Ortes ausmachte. Seine Gegenwart machte, daß der Pöbel sich ohne weiter Umstände zerstreuete. Der Bediente nahm das Hasenschwänzlein weg. Der Ludimagister machte tiefe Bücklinge, und der Exschuster schnitt ein Gesicht als wenn er die Strangurie hatte. Als der General ein paar Schritte entfernt war, reinigten die beyden Genies einander wechselsweise von den Ueberbleibseln der Kanonade, bey der es in dieser Straßenaffäre sein Bewenden gehabt hatte, und setzten ihren Stab weiter, nicht ohne heimlichen Groll von Seiten des Schulmeisters, der das Amulet nicht wohl der Freygebigkeit eines andern als seines Gefährten zuschreiben konnte.

Der Mann, dem sie ihren Besuch zugedacht hatten, stand eben am Fenster und fabricirte ein Dutzend oder so Nägel von Kupferblech, wie die Kesselflicker zu brauchen pflegen, weil er gleich im Begriff war, mit ökonomischen Händen ein Loch in seinem Theekessel zu flicken, als die beyden Genies um die Ecke der Straße traten, wo er wohnte. Er bemerkte sie, warf geschwind seinen Kram auf die Seite, und rief einen von seinen Leuten: Helf er mir doch mal geschwind das Kleid an. Da kömmt die skandalöse Chronik und ein Schornsteinfeger oder so was. Pfrieme kömmt gewiß hierher. – Er war kaum in den Rock gefahren, so traten die beyden [97] Genies ins Haus, und der Ludimagister fand an dem Herrn Peter Fix einen langen Mann in einem Kleide dessen Zeug er nicht zu nennen wußte, aber die Farbe war changeant, und goldgesponnene Knöpfe saßen drauf. Die Beinkleider waren von schwarzen Bockleder mit hörnernen Knöpfen, und auf den Knien schon etwas blank. Schwarze wollene gerade Strümpfe bekleideten ein Paar etwas krumme Beine, und den Anzug nach unten vollendeten ein Paar Schuhe von gewichstem Kalbleder. So fand der Schulmeister den Tausendkünstler beym ersten Anblick. Weil es aber dem Leser nicht zuwider seyn mögte, von diesem Manne etwas mehr zu wissen, als ein Mutterkind dem andern beym ersten flüchtigen Anblick an der Nase anzusehen vermag: so wollen wir trachten, ihm so viel an uns ist, Gnüge zu leisten.

Herr Peter Fick, oder das changeante Genie war ein Junggeselle, und ein gutes Endchen über die Jugendjahre hinaus, so etwa reichlich in die vierzig, sehr großer Statur, krausköpfig von Haar und Sinn, blau von Augen, spitz von Nase, häßlich von Zähnen, nicht zu klein von Munde, grünlichgelb von Farbe, kurz von Halse, schmächtig von Leibe, zart von Händen, und vorgedachter maßen ein klein wenig sprenkelbeinigt. Aus den Augen, aus den Falten der Stirn, aus den Falten der Nase den Fußtapfen eines gewohnten Naserümpfens, aus jedem Zuge stralte hoher Genius. Hoher Genius dampfte aus seinen Nasenlöchern, schäumte ihm vom Munde, und kitzelte ihn hinter den Ohren. Alles das mit einem Worte: er war ein abscheulich grosses Genie, das größte das je vom Weibe gebohren ist; und das wollt er auch wissen. Vom Adler bis zur Fledermaus, vom Lindwurm bis zur Käsemade, von der Ceder auf Libanon bis zum Isoppen im Thal, was kein Auge sah und kein Ohr vernahm,[98] das alles kannte er von innen und aussen. Von der Goldmacherkunst die kein Mensch in seinem ganzen Leben lernet, bis zur Glaserprofeßion die in zwey Stunden gelernet ist, war er in jeder ein Meister. – Doch weiß ich nicht, ob er nicht selbst die edle Fechtkunst ausnahm. Sonst hatte er in jede Brühe sein Brodt getunkt, und wußte was von jedem Dinge die Elle gelte. Er konnte in allen deutschen Büchern lesen, er konnte Schweine kapaunen und Hähne verschneiden, er konnte Gänse nudeln und Schusterpflöcke schnitzen, er wußte mit dem Hobel und mit der Feile umzugehen, er konnte einen Floh durch ein Mikroskopium sehen, und einen Ochsen mit ungewaffnetem Auge, er wußte daß der Schnee kalt, und das Eis gefrornes Wasser sey, und hatte viele Versuche gemacht, etliche von den großen Hagelkörnern die Anno drey und sechzig fielen, zum ewigen Denkmaal in Weingeist zu konserviren, die aber nicht geglückt waren. Er konnte ein Prisma über die Nase halten. Er verstand Handlung und Manufakturen und las Kollegia drüber; er kritisirte Bücher und machte Verse; er sah in die Kabinete und in die Rüellen; er machte den Patrioten in der Tabagie und den Hannswurst auf dem Theater gleich fertig. Kurz, er war überzeugt, daß er alles kannte, wußte, und konnte, besser als irgend ein Mutterkind.

Daß er in dieses leidige Unwesen gerathen war, davon haben wir die Ursache schon angegeben: er war ein entsetzliches Genie, und hatte – das wahre Kennzeichen des Genies! – zu allem in der Welt Lust und Trieb, nur zu seinem eigentlichen Gewerbe nicht. Und dieses Gewerbe bestand darinn, daß er Brillanten und edle Steine, auch wenn man es verlangte, unedle Steine und geschliffen Glas, in Gold, Silber, oder Bley, trefflich oder schlecht, wie man es haben wollte, zu fassen [99] verstand, wiewohl seine schlechteste Arbeit vom Kenner immer wohl so gut geachtet wurde, als die Meisterstücke manches andern Juwelierers.

Mir, (der ich alles am liebsten von der komischen Seite ansehe, um wider manches Accidens das sich nicht radikaliter heilen läßt, wenigstens ein Palliativ zu finden,) scheinen die Absprünge des changanten Genies so lustig, daß ich der Versuchung unterliege, meinen Lesern zur Ergötzung, und andern aufkeimenden Genies, deren jedem ich seinen eignen Biographen wünsche, zur wohlgemeinten Warnung, einige derselben anzuführen. Sollte dieser oder jener von unsern Lesern hier, oder bey andern Stellen unsers Buches anders urtheilen, so thut uns das um unserntwillen zwar leid – denn wir mögten gern Allen gefallen, wenn das möglich wäre – aber wir bitten ihn zu bedenken, daß es ihm weniger Mühe kostet, hier und da eine Stelle zu überhüpfen, als es uns kostete, sie niederzuschreiben; und wir sehen uns dermalen gemüßiget, alles mit eigner Hand niederzuschreiben, weil unser Amanuensis das Chiragra hat.

Herr Peter Fix hatte schon lange bey sich selbst bedacht, daß er zu seiner Arbeit Gold, Silber, Arsenik, Antimonium, Borrax, Farben zum Schmelzwerk, und viele andere Zuthaten, samt Grabsticheln und einer Menge andrer Geräthschaft brauche. Wenn ich das alles kaufe, sprach er, so muß ich viel baares Geld hingeben. Könnt ich das alles selbst machen, so hätt ich viel weniger Auslage, und zehnfachen Gewinn. – Rasch wurden Oefen gebauet, Tiegel und Retorten, nebst Vorstößen und Recipienten gekauft, und mit der höhern Chemie viele mühsam erworbne Friedrichd'or durch den Schorstein gejagt, wobey er zwar seinen Zweck so eigentlich nicht erreichte, aber doch einige recht hübsche Fratzen herausbrachte, in die er sich herzlich [100] sich verliebte; wie er denn auch so weit kam, daß er verschiedene seiner wohlfeileren Zuthaten selbst machen konnte. Grabstichel aber, und andre kleine Geräthe lernte er sehr bald zurecht feilen, und prahlte mächtig damit. So weit gieng alles noch wohl an; aber als er eines Tages auf seine selbstgemachte Kleinigkeiten einen Blick voll triumphirenden Selbstgefühls warf, rief er aus: Das ist die große Babel die du erbauet hast! Alles das kannst du nun selbst machen und sparst das baare Geld ...

– Denn, daß seine mehrsten Geschöpfe ihm, die Versäumniß ungerechnet, wohl so theuer zu stehen kamen, und oft theurer als wenn er sie gekauft hätte, das predigte ihm kein Mensch ein, weil, was er auch sagen mogte, die edle Regula de Tri nebst Zubehör, sein Haupt und Grundstudium nicht war. –

Wie, wenn du auch versuchtest, fuhr er fort, die Edelgesteine selbst zu machen, dann würdest du recht Geld wie Heu verdienen! – Gesagt, gethan. Er, der nur mit seiner Zeit hätte geizen dürfen, um Geld wie Heu zu erwerben, arbeitete nun drauf los, daß es puffte; und, wie denn doch immer Spähne fallen, wo Holz geschlagen wird, so brachte er mit großen Kosten rothes, weisses, blaues, gelbes, und grünes Glas, und einen schönen Pfad heraus, der gerade der Nase nach über die Grenze von Seiner Königlichen Majestät Gebiete zu führen pflegt. Das war eine Herrlichkeit wie er die schönen bunten Steine hatte! Unächt waren sie freylich, aber sie flimmerten doch bey Lichte Trotz ächten Steinen. Er verkaufte sie auch keinem Menschen für ächt, denn er war ein ehrlicher Mann, aber besonders wars, daß er mit Leib und Seele dafür stritt, es sey ein großes Verdienst, unächte Steine zu machen; und ein schäbiges Gewerbe, Steine zu fassen. Dieser Punkt war auch [101] auch der, dem er am längsten mit Ausübung und Vertheidigung getreu blieb; denn, so wie der Mann ein Quecksilbernes Genie hatte, das ihn keine fünf Minuten in Ruhe ließ, sondern immer von einem aufs andre trieb: so hatte er auch kaum ein Ding gekostet, als ers schon wieder müde war.

Ein andermal wollte er ein Roßkamm werden; als ihm aber die Pferde Nase und Ohren fast abgefressen hatten, gab er das wieder auf, ungeachtet er behauptete, kein Mensch verstünde das Gewerbe besser als er.

Hierauf unterrichtete er im Tanzen, aber als die Leute sich an seinen verbogenen Beinen zu stoßen schienen, ward er unwillig und schwur hoch und theuer, das Lumpenvolk sey es nicht werth, daß ein Mann von Genie sich ihrer Bildung annehme.

Ferner wollte er eine Spiegelfabrik anlegen, es blieb aber bey dem Wollen und zwey oder dreyhundert verschleuderten Thalern.

Hierauf hielt er um ein Privilegium an, das ganze Land einzig und allein mit Schwefelfaden versehen zu dürfen, die er nach einer unerhörten Erfindung fabriciren wollte. Das wurde ihm abgeschlagen, und aus Verdruß wollte er in ferne Lande ziehen, und seinem undankbaren Vaterlande auf ewig Valet geben. Es bleibt aber bey dem Wollen, ob er gleich schon eine herzbrechende Abschiedsarie gedichtet hatte, die sich anfieng: Ade du falsches Pommerland.

Hierauf folgten zehntausend andre Anschläge, die nicht um ein Haar klüger oder einträglicher waren. Denn, wo nur ein Fratz aufduckte, gleich war er bey der Hand, um sich keinen Rang ablaufen zu lassen, und zeigte, er sey noch ein viel größerer Fratz. Er ließ Berge abtragen und Bäche ableiten, um zwey Metzen Kartoffeln bauen zu können. Er ließ ein [102] Paar Centner Weidenrinde aus Dännemark kommen, um zu versuchen, ob er in Pommern Randersches Handschuhleder machen könne? Seine Kosten standen nie mit den zu erwartenden Vortheilen in Verhältniß. Las er von einem Juventiönchen in der Zeitung, flugs mußte es verschrieben werden. So fand er einmal in einem Zeitungsavertissement, daß bey Buchenröder und Ritter in civilen Preisen zu haben sey: Eine neuerfundne Taschenbuchdruckerey von diverser Größe. Er hätte gar zu gern so eine Tändeley gehabt, aber seine Kasse mit der er Rücksprache gehalten, sagte nein. Er that also, was er immer zu thun pflegte, wenn ihm sein Genie den Beutel gefeget hatte; das ist: er juwelierte so lange, bis er sich reich genug fand, eine Taschenbuchdruckerey die zu einem Quartblatte groß genug war, kommen zu lassen. Wie sie aber anlangte, ergab sichs, daß die Verkäufer vergessen hatten, die gedruckte Gebrauchsinstrucktion beyzulegen, und Herr Peter Fix fühlte sich viel zu sehr Genie, als daß er um einer solchen Kleinigkeit willen die Feder hätte ansetzen sollen. Dafür künstelte er so lange, bis er den Gebrauch und Nutzen eines jeden Dinges herausbrachte. Dieser glückliche Erfolg machte ihn so stolz, daß er sich von der Stunde an öffentlich rühmte: es sey eben so viel als wenn er die ganze Buchdruckerkunst selbst erfunden hätte, weil er drucken könne, ohne von einer Christenseele Anweisung gehabt zu haben. – Sollte dieser einzige Zug nicht fast hinreichen, das ganze Genie des changeanten Mannes zu schildern?

Nun noch wenige Worte von seinem Charakter. Er war dienstfertig und gastfrey in einem hohen Grade; sehr freundschaftlich so lange es währte, – es währte aber gemeiniglich nicht recht lange, weil er mit der unschuldigsten Miene zu beleidigen war, und nicht den mindesten Widerspruch, [103] sonderlich auch die allerkleinste Einwendung gegen irgend einen seiner närrischen Anschläge nicht anhören konnte, ohne in Wuth zu gerathen; dieses kam daher, weil er von sich eingenommen war, und aus einem wunderlichen Mißtrauen, selbst denen Leuten, die es am besten mit ihm meynten, Neid beymaß. Er war aufbrausend und heftig ohne Ansehen der Person, weil es ihm an Erziehung mangelte. Er schmollte sehr lange, aber sein Haß, wiewohl er seines gleichen an Heftigkeit nicht hatte, so lange er währte, war gemeiniglich von kurzer Dauer, denn sein Herz war gut, und er pflegte bald einzusehen, daß er ohne Ursache haßte, doch liebte er den nie wieder von Herzen, von dem er sich einmal beleidigt geglaubt hatte. Er sprach selten oder nie von jemand schlecht, selbst von denen nicht, die er haßte. Alles Böse was er von ihnen zu sagen pflegte, bestand in einer pathetischen Erzählung der Beleidigungen, die er von ihnen erlitten zu haben glaubte. Er schwieg aber still und duldete es, wenn sie von andern verläumdet wurden. Sein größter Fehler war eine häßliche Art von Neid gegen jedermann, der eins von seinen zehntausend Gewerben trieb. Das schöne Geschlecht liebte er nicht, und war Willens als Junggeselle zu sterben. Die Schwätzer gaben davon einen fatalen Grund an; er aber versicherte, seine Abneigung gegen das Frauenzimmer stütze sich auf die Ueberzeugung, daß nichts in der Welt das Genie so sehr schwäche, als der genauere Umgang mit diesem Geschlecht. Um sein Bild zu vollenden: er besaß viele Tugenden eines guten Naturells, alle Fehler einer schlechten Erziehung, und alle Thorheiten eines sich dünkenden Genies. Hätte der Mann Grundsätze gehabt, so würde er vortreflich gewesen seyn.

Herr Fix empfieng die beyden Herren mit aller seiner Höflichkeit, und der grüne Mann stellte ihm [104] den Schwarzen vor, als einen fremden Gelehrten, der sich in einer wichtigen Angelegenheit seines Rathes bedienen wollte. Das changeante Genie versicherte, die Herren wären ihm sehr willkommen, und wenn er dem fremden Herrn dienen könne, sollts ihm recht lieb seyn: Er ließ Pfeifen und Thee bringen, die Herren setzten sich, die Tassen wurden vollgegossen. Nehmen Sie an, ich bitte nun sehr! und die Herren nahmen an.

Nach verschiednen Gesprächen, worinn Herr Peter Fix sich zeigte, fand auch der schwarze Mann Gelegenheit, seinem Anliegen näher zu rücken, und entdeckte, er wolle gern Etwas im Druck ausgehen lassen, es sey aber traurig, daß hier zu Lande eine Druckerey unter die Aues rariores gehöre. Und nachdem er ein Langes und Breites von seinem großen Ansehen bey des Herrn von Lindenberg Hochwohlgebohrnen Gnaden geschwatzt, welches alles wir schon im Gasthofe im kürzerem Auszuge gehöret haben, bat er das changeante Genie, nicht ungütig zu vermerken, daß er sich die Dreistigkeit nehme, ihn in dieser Sache um seine Meynung und Rath zu bitten.

Sagen Sie da nicht von, lieber Herr Lekter, sprach Herr Fix; ich diene gern mit meiner geringen Meynung und Rath, so viel ich kann. Was das also betrifft, daß Sie ein Buch wollen ausgehen lassen, so haben sie dreyerley Wege vor sich: Entweder müssen Sie sich einen Verleger wählen, der gut bezahlt, oder wenn Sie den Profit selbst geniessen wollen, müssen Sie sich nach einem billigen Drucker umsehen, wiewohl die Blutigel alle von Billigkeit nichts wissen. Juden und Heiden sinds! da kann ich ein Liedchen von singen. – Oder drittens ...

»Mit Permißion, Herr Fix! der zweyte Weg wäre gerade der, den ich einzuschlagen wünschte. Ich suche nichts weiter als eine Druckerey ohne es mit ihrer Billigkeit so genau zu nehmen. Es kömmt hier [105] [107]auf ein paar Mandel Thaler nicht an, wenn ich nur in der Nähe eine Druckerei finden könnte.«

Ganz nahe finden Sie keine die was taugt, mein lieber Herr Lekter, das kann ich Sie sagen.

»Ach, Herr Fix! ich habe auch schon allerwegen hier herum nachgefragt. Meine einzige Hoffnung ist noch diese, einen Rothgießer zu finden, der eine gießen kann, denn der gnädige Herr wäre wohl geneigt, eine Schloßbuchdruckerey anzulegen. Und hätte man die nur erst, so fände sich auch wohl jemand, der das verstünde zu traktiren.«

Schnell wie ein Blitzstral fühlte Herr Fix den Drang des Genie. Weil er aber Bedenken trug, sich in Gegenwart der skandalösen Chronik zu erklären, so faßte er sich, unterdrückte so gut er konnte jede Spur von Freude in seinem Gesichte, legte den Zeigefinger seiner rechten Hand an die Nase, dergestalt daß die Spitze desselben genau auf die Stelle kam, die der geheime Rath Darjes uns für den Sitz der Seele zu geben geneigt ist, und stellte sich tief nachdenkend. Herr Lekter, fieng er an, wenn das so ist, so kann ich Sie vielleicht Anleitung geben ....

»Ey mein lieber Herr Fix, das wäre ja schön!«

Sagt ich das nicht? rief das mineralgrüne Genie.

Jetzt kann ich noch nicht viel Gewisses davon sagen, fuhr das changeante Genie fort; ich muß das alles erst durchdenken wie das anzufangen ist, denn dazu gehöret sehr viel. Und das ist auch nicht andem, Ihr Wort in Ehren, daß der Rothgießer eine Druckerey machen kann, der gießt nur das Fundament und den Tiegel. Ach zu so was gehört sehr viel, als das Tenakel, und Ballennägel, und Ahlspitzen, und Setzbrett, und – –

Er machte ein langes Verzeichniß aller der Nebendinge, die zu der Sache zwar gehören, aber allenfalls durch andre ersetzt werden können; so tritt eine Spicknadel, die man in jeder Küche findet, sehr leicht[107] an die Stelle der Ahlspitze, und Ballennägel sind nicht mehr und nicht weniger im Grunde als – gute ehrliche Schusterzwecken. Aber das changeante Genie war sehr groß in Kleinigkeiten. Und erst am Ende der Litaney dachte er gelegentlich an Presse, Schriften und Setzkasten. Sie sehen, sagte er dann, daß ich Ihnen über alles Auskunft geben kann. Denn was das betrifft, so verstehe ich jede Profeßion so gut als einer. Und wenn Sie das alles wollen machen lassen, kann ich Ihnen die Risse dazu nach dem verjüngten Maaßstab aufreißen. Aber wie sagt der Lateiner? Seriös in Christina! Morgen ist auch ein Tag. Ich will das durchdenken. Wie lange bleiben Sie hier?

»Ich dachte morgen mit dem frühesten abzureisen, aber nun, sehe ich wohl, muß ich noch einen Tag zugeben.«

So will ich mir morgen die Ehre geben, bey Sie fürzusprechen. Wo losiren Sie, daß ich fragen darf?

»Im offnen Helm, bey einem Manne, der mich schärfer examiniret hat, als der Unterofficier im Thore.«

Ja, das macht Herr Bunke nicht anders. Nu, wie gesagt. Morgen früh sollen Sie Bescheid haben.

Der schwarze Mann wollte hierauf Abschied nehmen, aber das changeante Genie ließ ihn nicht weg, sondern die beyden Herren mußten den Abend mit seiner Junggesellenwirthschaft, wie ers nannte, fürlieb nehmen.

Ob es Sympathey und Antipathey giebt oder nicht, das mögen unsere Weisen unter sich ausmachen. Mir liegt nichts daran. Ich erkläre mich auch weder für noch wider die Sache, ob ich gleich die Nachricht gebe, daß der schwarze und der changeante Mann ein herzliches Behagen an einander fanden, und ohne die Hoffnung, sich am nächsten Morgen wieder zu [108] sehen, sehr ungern von einander geschieden seyn würden.

Der folgende Tag kam, und Herr Fix mit ihm. Einen schönen guten Morgen, lieber Herr Lekter! Wünsche wohl geruhet zu haben! Lieb wohlzusehn! Nehmen nicht übel, Sie zu inkumodiren. Haben Sie gut geschlafen, so soll mirs lieb seyn.

Der schwarze Mann bewillkommte seinen Gast gar herzlich, und rückte ihm den Lehnsessel zurechte. Sie nahmen stracks ihre Leibmaterie vor, schlichen aber beyde um den Punkt, der, ohne daß einer es von dem andern muthmaßte, jedem gleich nahe am Herzen lag, lange herum, wie die Katze um den heißen Brey. Der changeante Mann wollte gern Schloßbuchdrucker werden, und der schwarze Mann wollte ihn gern zum Schloßbuchdrucker haben. Keiner aber wagte sich mit der Sprache heraus. Endlich gab doch ein Wort so lange das andre, daß der Ludimagister seinem Freunde eröffnete, jedoch sub Rosa, es sey eigentlich des gnädigen Herrn Absicht, eine eigne Schloßavise drucken zu lassen; er habe das nur gestern um des Herrn Pfrieme willen nicht so gerade heraus sagen mögen, weil der Mann so was Koboltmäßiges im Gesicht habe, das kein Zutrauen erwecke.

Werde gleich wieder bey Ihnen seyn, sprach Peter Fix, lief fort, und kam in kurzer Zeit wieder, zog ein Kästlein hervor, und kramte die Taschenbuchdruckerey aus, erklärte anbey, es gienge ganz füglich an, mit derselben einstweilen, bis eine ordentliche Preße zu Stande käme, die Zeitungen zu drucken. Wenn Sie nur jemand hätten, sagte er, der mit das Dingschen umzugehen wüßte. – Und so gab wiederum ein Wort das andre, bis endlich die Herren dahin einig wurden, – obgleich nach einigen Einwendungen von Seiten des Herrn Fix, der sich nicht zu wohlfeil geben wollte, sobald er sah, wie sehr dem Ludimagister die Sache angelegen war – daß das changeante [109] Genie den Gelehrten nach dem Schlosse begleiten sollte, um selbst mit Seiner Gnaden zu reden. Da sie beyde gleich eilfertig waren, beliebten sie den folgenden Morgen zu ihrer Abreise, und sie würden den Augenblick gegangen seyn, wenn Herr Fix nicht zuvor sein Haus hätte bestellen müssen.

14. Kapitel

Vierzehntes Kapitel.
Ein Kapitel, zu lesen, wenn die liebe Sonne in den Steinbock tritt.

Wir haben da einige sehr lange Kapitel gemacht, aber wir hatten auch von großen Genies zu reden, dergleichen man nicht alle Tage findet. Wer da glaubt, wir hätten uns hierbey einige überflüßige Weitläuftigkeit zu Schulden gebracht, dem mögten wir, ohne ihm übrigens zu widersprechen, im Vertrauen sagen, daß wir dieser Leutlein schier noch fürder bedürfen könnten, wo nicht in diesem Büchlein, doch in einem der nächsten, die wir ichtwa gebähren mögten, wenn der Himmel unsre rechte Hand bewahret, und welches diesem hier, traun! das seyn soll, was der Speck dem Kohl ist. Wenn das denn geschehen sollte, wie es gar leicht geschehen kann, so könnte uns wohl daran liegen, daß der geneigte Leser im Stande sey, die drey Genies auf tausend Schrit und weiter hin zu kennen.

15. Kapitel

Fünfzehntes Kapitel.
Der Ludimagister läßt Herrn Fix seinen Reverenz machen, und besitzt honette Ambition.

»Na, Schulmeister, wie stehts? Hat er so'n Dings aufgestaket?«

[110] Ich hoffe, mit hoher Permißion! Eu'r Gnaden werden mit meinen gehorsamsten Verrichtungen allerunterthänigst zufrieden seyn.

»Na, laß mal sehn was er verrichtet hat.«

Der Schulmeister fieng nun seinen Rapport an dessen Inhalt meinen Lesern bekannt ist, und dessen Styl sie sich leicht denken können, da sie aus Erfahrung wissen, daß der schwarze Mann mit andern Leuten noch ganz schicklich reden konnte, ein erkleckliches Theil Pedanterey und Prahlerey ausgenommen: daß er aber schwindelnd wurde, und vor übertiefer Submißion ein ganzer Narr war, so bald er die hohe Gnade genoß mit seinem vornehmen Gönner zu reden. Den Herrn Fix strich er unbändig heraus, und beschloß seinen Vortrag damit: er habe nicht anders als durch die wiederholte Versicherung, daß so ein gnädiger Herr als der Herr Siegfried von Lindenberg wären, gar nicht mehr auf der Welt seyn könne, den Mann dahin bewogen, Haus und Geschäffte zu verlassen, um in Absicht der künftigen Druckerey Seiner Gnaden Befehle zu vernehmen.

»Kann man 'rein kommen; will ihm meine Befehle zu vernehmen geben. – Krischan! – Ruft den Mann mal 'rein!«

Herr Peter Fix trat gar behende herein, wie er denn in allen seinen Bewegungen, gleich allen seinerley Schlages Genien, sehr merkurialisch war, und machte flugs in der Thür seinen großen Scherwenzel fast züchtiglich. Thät darauf mit sittiger Gebehrde drey große große Schritte vorwärts, und machte seinen zweyten Scherwenzel schier tief. Dann trabte er die noch übrigen Schritte bis dicht vor Seine Gnaden, und scherwenzelte zum dritten mal, schob auch seinen linken Fuß, der an einem sehr langen Beine hangen thät, einer Ehlen weit hinten aus. Seine Gnaden saßen in[111] ihrem Polsterstuhle, und waren im Dolman, daran war also nicht füglich ein Zipfel zu fassen Herr Fix neigte sich demnach bis zur Erden, erwischte die Säbeltasche des Pommerschen Edelmannes, und verehrte sie mit einem lauten Schmatze. Bey dieser tiefen Demuth fiel ihm ein Vorderschopf seines rund verschnittnen Haupthaars über das Antlitz herab, und wollte sich beym Aufrichten durch kein Schütteln wieder in die gehörige Form bringen lassen. Ein Strich mit der Hand vom Stirnbein längst der Sutura sagittalis gegen die lamdoidea würde dem Unwesen endelich abgeholfen haben: da er aber gehöret, oder im neuen Komplimentirbuch gelesen hatte, es wolle sich nicht ziemen Angesichts großer Herren zu räuspern, zu speyen oder im Haupte zu schaben: so ertrug er diese Beschwerde geduldiglich, stellte sich steif hin wie ein Laternenpfahl, und ließ das Haar seines Hauptes übers Gesicht herab hängen, wodurch er den Löwen auf dem Eichelndaus gar wundersam ähnlich sah.

Der Edelmann, der nicht wußte was der Mann mit seiner Säbeltasche im Schilde führte, wunderte sich sehr, als er den Schmatz erschallen hörte. Seine Gnaden schlugen das linke Bein über das rechte Knie, und lehnten sich gemächlich in den linken Winkel Ihres Großvaterstuhls, thäten mit der rechten Hand die Pfeife aus dem Munde, und gaben dem changeanten Genie folgendes zu vernehmen:

»Hör er mal, mein guter Mann, laß er das 'n andermal man unterwegens. Bin gar nicht für das Alfanzen, sieht er. Mag wohl haben daß einer hübsch ordentlich ist; aber die Säbeltasche oder 'n Zippel vom Peltz zu küssen, versteht er, das muß kein hübscher Mann thun. Mögt das von meinem Türk nicht leiden, so mögt ich. Aber [112] [114]nicht eins ins ander zu reden, ist er der Mann der das Drucken versteht?«

Ja Ihr Gnaden. Zu dienen.

»Kann er denn auch wohl Avisen drucken?«

O ja Ihr Gnaden.

»Will mal 'ne Probe von sehen. Wenn mirs gefällt, soll er mein Leibavisendrucker werden.«

Ja Ihr Gnaden. Zu dienen.

»Will ihm des Tags 'n Gulden geben, und da Dach und Fach zu, wenn er mir ansteht. Essen soll er auch haben und Trinken. Ist er damit zufrieden?«

O ja Ihr Gnaden.

»Krischan! – – Mal einschenken für den Mann. – Trink er mal!«

Erlauben mir gutes Wohlseyn Ihr Gnaden!

Der Junker nickte mit dem Kopfe.

»Na, kann nu man gehen und machen sein Probestückschen.«

Empfehle mich unterthänigst Ihr hochadlichen Gnaden, und danke für guter Aufnahme.

Der Junker nickte mit dem Kopfe.

Herr Peter Fix, der die Höflichkeit selbst war, machte einen Lorenz auf der Stelle, that dann rücklings drey große große Schritte, und fabricirte seinen zweyten Bückling, gieng darauf immer rücklings bis vollends an die Thür, wo er seinen dritten Bückling wie beym Eintritt mit einem Scharrfuß von stattlicher Länge begleitete, und rückwärts zur Thür hinaus schritt.

»Bin froh, daß er mit Gott und Ehren 'naus ist. War immer bange als er sich so wie 'n Krebs überrücks abführen that, daß er auf seine drey Buchstaben fallen würde – als er mal, Schulmeister; weiß er noch wohl?«

Ach Eu'r Gnaden! manet alta mente repostum, sagt der große Poet Virginius. Das soll mir mein [114] Tage nicht aus dem Gedächtniße kommen! Ich fiel aber auf die Nase mit hoher Permißion!

»'S ist wahr, das that er auch, und kehrt seine drey Buchstaben in die Höhe. Na, kann nu man gehn und 'ne Avise machen.«

Allerunterthänigster Knecht, Eu'r Gnaden.

Der Ludimagister gieng zwar, kehrte aber in der Thür wieder um, und näherte sich dem Edelmanne mit vieler Cärimonie. »Will er noch was, Schulmeister? hä? Man raus mit!«

Mögte Eu'r Gnaden wohl unterthänigst bitten – weils doch so hübsch klingt – mir den Titel Ihres Lektoris ordinarii allergnädigst zu ertheilen.

»Kenne so'n Ding nicht, Schulmeister!«

Das ist, will ich die Gnade haben unterthänigst zu berichten, den Titel als Eu'r Gnaden ordentlichen Vorleser.

»Blix noch mal, das ist er ja schon.«

Freylich wohl, Eu'r Gnaden, was das anlangt; aber ich habe doch den Titel und Respekt nicht davon. Die Leute heissen mich alle schlechtweg Schulmeister, oder wenn sie recht manierlich seyn wollen, Herr Ludimagister; und das klingt doch so – – gar nicht ein bischen für einen Gelehrten.

»Na, na, er ist hochmüthig, seh ich wohl.«

Halten zu Gnaden! es mir nicht um meinetwillen zu thun, sondern, weil es doch besser meines demüthigsten Dafürhaltens ins Ohr fällt: der Herr Lektor ordinarius Seiner Hochwohlgebohrnen Gnaden, als – Halten unterthänigst zu Gnaden! – der Schulmeister der dem Junker vorliest.

»Na, na, er kann man 'n Saplik aufsetzen, wo's drinn steht, daß er gern Lektoris ordinari werden will, und das einreichen, so will ich schon drüber risalviren.«

Aber Eu'r Gnaden, ich wollte das gern in die [115] erste Avise setzen, die ich gleich schreiben will, halten zu Gnaden.

»Na, will ihn hiermit zu meinem Lektoris ordinari in Gnaden ernannt haben. Er kann aber man thun, als wenn das nicht wäre, und reich er doch so 'n Mamorial ein, daß ich drüber risalviren kann, wie's Kustühm ist. Will ihm dann 's Sekret schon drüber ausfertigen lassen.«

Danke Eu'r Hochwohlgebohrnen Gnaden in tiefster Submißion für Dero hohe Gnade, und werde stets geflissen seyn, es unterthänigst wieder zu verschulden.

»Alle gut. Mach er nu man, daß die Avise fertig wird.«

16. Kapitel

Sechzehntes Kapitel.
Des Herrn Lektoris ältestes Kind.

Am folgenden Morgen trat der Ludimagister mit der erstgebohrnen Frucht seines Geistes in der Hand vor den Lehnstuhl Seiner Gnaden. Er und Herr Fix hatten sichs gestern den ausgeschlagnen Tag blutsauer werden lassen, das Zeitungsblatt zu setzen, und ohngeachtet sie die ganze Nacht zu Hülfe genommen, waren sie doch beym Aufstehn des gnädigen Herrn kaum fertig geworden. Vor der Hand war noch kein Wapen drüber, die beyden Herren hatten aber schon Abrede genommen, den gnädigen Herrn ehesten Tages mit einem schönen Schnitte von der Hand des changeanten, und der Erfindung des schwarzen Genie's angenehm zu überraschen. Bis dahin ward beliebet, die Stelle des Bildes jedesmal mit einem lateinischen Motto auszufüllen.

Nach erhaltener hoher Erlaubniß las der Ludimagister, wie folgt.

[116]

Mit gnädigster Hochadlichen Permißion.
Lindenbergische politische und literarische Novitätenstafette.
Erste Nummer.
Accipite ergo animis, atque haec mea figite dicta.

»Schloß Lindenberg vom 19. Julius. Seine Hochwohlgebohrne Gnaden, unser allertheuerster Herr kamen diesen Morgen um 11 Uhr von Hochdero gewöhnlichem Spatzierritte in hohem Wohlseyn zurück. Hochdero haben den Engländer Hans geritten, und in Gnaden zu befehlen geruhet, daß morgen früh der neue Isabellfarbne Hengst um 8 Uhr in Bereitschaft gehalten werde. Seine Hochwohlgebohrne Gnaden haben der gestern gekauften lichtbraunen Stute den Namen Lise in Gnaden beygeleget.«

»Heute Nachmittag erlustigten Hochdero sich mit der Jagd, und schossen ein Eichhörnchen und drey Goldammern.«

»Diesen Abend um 7 Uhr 91/2 Minute trafen Seine Hochgelahrten, der Herr Ludimagister Bartholomäus Schwalbe, nach einer neuntägigen Abwesenheit in Begleitung eines fremden Herrn von großen Gaben, auf dem Schloße allhier bey erwünschtem Wohlseyn ein. Sie empfiengen die Bewillkommungskomplimente von Seiner Rechtserfahrnen dem Herrn Justitiarius und dessen Frau Gemalinn, dem Herrn geheimen Sekretär, dem Herrn Verwalter, wie auch von den übrigen höchsten und hohen zur Regierung, Finanz- und Oekonomiewesen, verordneten Beatmen, auch vornehmsten [117] Hof- Jagd- und Forstbedienten. Hierauf setzten Sie nach einem Aufenthalt von 18 Minuten 57 Sekunden Ihren Weg weiter fort bis zu Dero eignen Behausung im hohen Winkel.«

»Ueber den unbekannten Herrn verbreiteten sich bey Hofe verschiedene Gerüchte. Man erfuhr aber noch selbigen Abend mit Gewißheit, daß es der berühmte Herr Peter Fix sey, welcher von Seiner Hochwohlgebohrnen Gnaden in geheimen Geschäfften gebraucht werden dürfte.«

»Schloß Lindenberg vom 20 Julius. Heute früh um 7 Uhr 4 Minuten hatten Seine Hochgelahrten, der Herr Ludimagister Bartholomäus Schwalbe eine geheime Audienz bey Seiner Hochwohlgebohrnen Gnaden unserm allertheuerstem Herrn, worinn dieselben von dem Succeß Ihrer Reise submissesten Bericht abzustatten die hohe Ehre hatten, und nachher Hochdero den berühmten Herrn Peter Fix vorstellten. Seine Gnaden empfiengen diesen weltberühmten Künstler mit vorzüglichen Merkmaalen Ihres hohen Wohlwollens, unterredeten sich mit demselben über verschiedene Kunstsachen, und geruheten ihm im Schlosse das Quartier anweisen zu lassen.«

»Seine Gnaden haben gnädigst geruhet den Ludimagister, Herrn Bartholomäus Schwalbe, wegen desselben grosser Gelehrsamkeit und Verdienste, und zum vorläufigen Beweis Ihrer hohen Zufriedenheit mit dem Erfolg seiner Reise, aus hocheigenem Triebe auf dessen unterthänigstes Ansuchen zu der Würde Hochdero Lektoris ordinarii in Gnaden zu erheben, nebst einer Zulage von zweyhundert Reichsthalern zu dessen jährlichem Gehalte, worüber ihm morgen das Patent ...«

Halt! – Alle Blix, halt da! Das ist mein Seel! erstunken und erlogen. Links um, Schulmeister! [118] – Alle Hagel noch mal, das kann da nicht in stehen.

Allerdings, Eu'r Gnaden! Mit hoher Permißion, hier steht es.

»'S ist doch aber 'ne verdammte Lüge, hä? Wie kanns denn da in stehn?«

Es kömmt nur auf ein Wort von Eu'r Hochwohlgebohrnen Gnaden an, so ists wahr.

»Wie? Was? ich soll ihm zu gefallen lügen? Pack ein! Pack ein! Links um, sag ich, Schulmeister. Weiß er was Schulmeister? Er ist 'n Flegel, Herr Lektoris ordinari, da will ich ihm 's Portent über geben lassen.«

Halten unterthänigst zu Gnaden! Hochdero kapiren Ihren demüthigsten Diener nicht! Ich meine nicht, daß Eu'r Gnaden mir zu Willen lügen sollen; da bewahre mich Gott vor! Ich meine nur, Eu'r Gnaden könnten das mit ins Patent setzen lassen, so wäre es wahr.

»Nee, kuckst mir da heraus? Sieh doch, ins Portent setzen lassen! Das setzt sich auch man so! Ich will den Lektoris ordinari ins Hundeloch setzen lassen, das geht eher an, so will ich.«

Dero werden ja nicht! Halten zu hohen Gnaden! Es kann ja in der nächsten Avise widerrufen werden.

»Widerrufen! ist Er 'n Narr, Herr Ordinari? Weiß, daß ich das verfluchte Wiederrufen an den andern Avisen nicht leiden kann; hab mich da oft über monkirt daß sie heute schwarz sagen und morgen weiß, und ich soll den Spitakel an meinen eignen Avisen erleben? Eben drum laß ich ja selbst Avisen machen daß da nichts für gewiß 'nein soll, das nicht so gewiß ist, als 's Amen in der Kirche. Nee, ehr ich das leide, lieber will ich 'm die zweyhundert Thaler zulegen; aber für das Stückschen soll er mir ins Loch tanzen, so soll er!«

[119] [121]Danke Eu'r Gnaden zwar in tiefster Unterthänigkeit für die Zulage. Gebe aber anbey allergnädigst zu bedenken, wer Dero vorlesen soll, und die Novitätenstafette schreiben wird, wenn ich im Hundeloche sitze?

»Er ist 'n Flegel, das ist Er. Halt Er's Maul, und les er seinen Salm man weiter.«

Der Schulmeister las fort:

»– jährlichem Gehalte, worüber ihm morgen das Patent von dem Herrn geheimen Secretär ausgefertiget werden wird.«

»Seine Rechtserfahrnen der Herr Justitiarius laboriren am Schnupfen; die Aerzte glauben aber, daß keine Gefahr zu besorgen sey, und schreiben diese Unpäßlichkeit der Folge einer äußerlichen Erkältung auf eine innerliche Erhitzung zu. Dessen Frau Gemalinn haben neuerlich wieder einige heftige Zufälle gehabt, und werden sich daher auf Anrathen der Kuhhirtinn des neuntägigen kalten Bades in fließendem Wasser bedienen. Der Herr Justitiarius haben auf diesem Vorfall eine lesenswürdige Ode gemacht.«

»So eben vernimmt man, daß Türk, Wachtel und Greif von Seiner Gnaden mit neuen blausammtnen, reich mit Silber gestickten Galahalsbänder beschenkt sind. Man trägt sich zwar mit dem Gerüchte, daß dergleichen auch für Sultan, Waldmann und Prinz in der Bestellung wären: aber eine so wichtige Nachricht braucht allerdings noch Bestättigung.«

»Schloß Lindenberg, vom 20sten Julius. Die Frau Lektorinn Brigitta Schwalbe haben sich an der linken Seite der unteren Kinnlade einen Backenzahn ausziehen lassen, und nahmen auf Anrathen des Wundarztes alle fünf Minuten Weineßig in den Mund.«

Nun folgten Nachrichten von Schweinen, so die Bräune, und von Kühen, die den Steertwurm oder[121] auch das rothe Wasser bekommen, von Hünern, welche Windeyer gelegt, von Jürgen Voglers Eimer, der in den Brunnen gefallen, aber doch noch gerettet worden, und von andern solchen wichtigen und merkwürdigen Dorfneuigkeiten mehr, die sich im hohen Winkel, auf Fahlenort und andern Winkeln und Orten des Dorfes Lindenberg zugetragen hatten. Eine Nachricht, daß der Schloßnachtwächter um der kühlen Nachtlust zu begegnen und sich vor Flüssen, zu bewahren, die Ohren mit Baumwolle verstopfet habe, dadurch aber manchmal in der Verlegenheit sey, daß er die Klocke nicht hören könne, beschloß für diesesmal die politischen Neuigkeiten.

Der gelehrte Artikel – denn die Lindenbergische Novitätenstafette hatte auch ihren gelehrten Artikel hinten auf gebunden – war ein hübscher Beweis, daß man ohne eine Spur von gesunder Kritik, und mit der gröbsten Unwissenheit, doch kleine Dingerchen elaboriren könne, die bey Unschuldigen und Arglosen gar leicht für Recensionen angebracht sind, und sich immer noch lesen lassen. Zwar haben die neueren Jahrgänge einer in saurem jungen Rheinwein und reichlichem Wasser aus dem Maynstrom, mit vielem Laserpitium gekochten gelehrten Anzeige auch solcherley Dingerchen mit unter aufzuweisen, die lesen sich aber nicht gut und sind voll übelriechenden verleumderischen Unraths; auch kuckt die heillose Unwissenheit aus jeder Zeile hervor. Eben das gilt von dem Konsorten dieser Anzeigen, dem vierleibigten, und an allen Gliedmaßen preßhaften Professorkinde, welches sein Papa in Unehren mit der Göttinn Kloacina, die er für eine Muse hält, alljährlich zu erzeugen pflegt. (Ich weiß nicht mehr, wo ich es gelesen habe, aber mich däucht, es stand in einem Journale, daß der Herr Professor, der sein Unwesen so gern im Finstern treibt, auch wenigstens an den langen Ohren der dickgedachten Anzeige nicht unschuldig [122] seyn soll. Und das ist sehr glaublich.) Diese beyden, so Gott will kritischen, Werke beweisen weiter nichts, als daß unwissende Büblein sich oftmals erfrechen, den Schulmeister und Brillenschleifer des Publikums machen zu wollen. Wir wollen aber ganz was anders beweisen, nemlich, daß ein unwissender Bube mit zehn bis zwölf Recensentenblümlein ausstafiret, nicht nur Recensionen machen, sondern sich wohl gar einen Anstrich von Gründlichkeit und Einsicht geben, auch ganz erträglich zu lesen seyn könne, woferne nur die Unwissenheit nicht mit natürlicher Unfähigkeit verbunden ist. Folglich ist unsere Arbeit nicht überflüßig und unnöthig, wenn wir eine von des Ludimagisters Recensionen hierher schreiben, die, als sein erstes Probestück, an Persiflage und hämischen Kalenderlob der schlechtesten unter allen andern, die er nachher schrieb, nicht das Wasser reicht. Und daß der Ludimagister ein sehr unwissender Bube war, das beweisen wir damit, daß seine Humaniora sich auf das einschränkten, was er aus der kleinen Märkischen Grammatik, dem Cellarius, Gottscheds deutscher Sprachlehre, Wertheims Briefsteller und Kirschs Kornukopiä gelernet hatte, denn andre Bücher (den gehörnten Siegfried etc. bringe ich nicht in Anschlag) hatte er nie weder gelesen, noch besessen. Hierzu kamen einige hundert Sentenzen, die ihm weiland sein Präceptor aus einem Florilegio dictiret hatte, und die obgedachten Blätter aus dem Smetius, samt etlichen andern Makulaturblättern, worunter wohl zwanzig aus des beliebten und belobten Schmid's Theorie der Poesie waren, samt dessen ganzer sehr merkwürdiger Inauguraldisputation, die er aus den zerstörenden Händen eines Käsekrämers rettete. Vermuthlich wird er auch selbst nicht ermangeln, seine tiefe Ignoranz, die [123] er in den Recensionen selbst, nicht so wie sein Kollege, der Anzeiger, hervor kucken läßt, sonst irgendwo an den Tag zu legen.

Daß er von dem Korrespondenten, der neuen und Wandsbecker Zeitung u.s.w. nichts gelernet hatte, das wird jedermann sehen, der Recension und Kritik von Persiflage, und eine aufrichtige, unpartheyische An zeige von schaalem Geschwätz und unwissendem Kritikakel unterscheiden kann. Dafür bin ich aber nicht Bürge, daß er nicht aus den Recensionen dieser Zeitungen (denn andre waren ihm nie zu Gesicht gekommen) die Form, und ein und andres Kunstwort geborget haben mögte: ich wüßte sonst nicht, wie er dazu gekommen wäre. Aber genug hiervon. Wir wollen ihn einmal kritikakeln hören.

Wie Herr Barthel Schwalbe mit den politischen Neuigkeiten, die der Edelmann mit vielem Vergnügen (die Pensionsgeschichte ausgenommen) gehöret hatte, zu Ende war, fuhr er fort, und las:


»Gelehrte Sachen.

An die Najade des Rosenbaches. Eine Ode.

Phoebe faue! ingreditur nouus tua templa sacerdos.


Dieses ist die in mancherley Betracht lesenswürdige Ode des Herrn Justitiarius, deren wir oben gedacht haben. Das Motto zeuget von der Bescheidenheit des Herrn Verfassers, der in alle Wege kein nouus sacerdos ist. Vielleicht aber will ers beym Phöbus wieder gut machen, daß er in Absicht der Heilkunst das Wassermädchen über ihn hinauf setzt- und alsdann hätte der Recensent wider diese captatio beneuolentiae, nichts einzuwenden.

Es ist diese Ode ein Gewebe der feinsten venusinischen Schönheiten, lauter Anmuth und Grazie. Leichte fließende Verse, hübsche runde Perioden, sonore Wörter, und die schöne Unordnung der Ode, [124] alles ist hier im reichhaltigsten Maaße. Und wenn wir da und dort einen platten Ausdruck, manchmal einen schleppenden Vers, hin und wieder einen Lückenbüßer, hier und da eine Stelle, die der liebe Reim erschuf – o! wenn werden doch unsere Dichter sich von den Fesseln des Reimes losmachen! – wenn wir dergleichen Kleinigkeiten abrechnen, so hält sie den schönsten Liedern des Flakkus gut und gern die Wage. Besser als hier kann das ubi plura nitent nicht angebracht werden, und wir möchten den zärtlichen Dichter, der so liebliche Lieder für seine Hausehre singt, in vorigen Zeiten für sein Mädchen haben singen hören. Er bittet in den ersten Strophen die Najade, seine Gattinn wieder zur vorigen Gesundheit zu verhelfen, seine kranke Gattinn, die sich des Bades in ihrer Quelle bedienen will – ein Mittel, das wir, im Vorbeygehen gesagt, nicht angerathen haben würden. Er verspricht – Aber wir wollen ihn selbst hören, um zugleich ein Beyspiel seiner Versifikation zu geben. So hebt er an:


Wohlthätige Najade dieser Quelle,
Die hier im Rosenschatten fließt!
Dich grüß ich und das Thal wo Deine Silberwelle
Sanftmurmelnd sich ergießt!
Sey Chloens Arzt und Retter, o Najade!
Sey ihr Hygea! – Schenkst Du mir
Die Gattinn, (Deine Fluth wählt Chloe sich zum Bade,)
Dann, Nymphe, dank ich Dir
Mit Hekatomben! – Jubelhymnen, Lieder,
So warm sie je ein Dichter sang,
Sing ich Dir, Göttliche, und Echo singt sie wieder;
Und Chloe bringt Dir Dank!

Was sagen unsre Leser zu dem Rosenschatten, der Hygea, dem Bade, den Jubelhymnen, den Schönheiten jeder Zeile? Und wir versichern, daß das [125] Ganze um Nichts schlechter sey, als dieser Anfang, mit dessen letzten beyden Gesetzen freylich ein nouus sacerdos noch klebend an die verba magistri, voll ängstlicher Genauigkeit, kalter Logik, und sklavischer Observanz der Regel das Ganze beschlossen haben würde: aber eben dieses zeuget vom Genie das sich den Fesseln entwindet, und von der männlichen Kühnheit unsers Dichters, dessen Jubelhymnen zu verdienen, wir, wenn wir an der Najade Stelle wären, nicht nur Chloens Gesundheit herstellen, sondern gerne noch ein Uebriges thun würden. In der vierten und den folgenden Strophen überläßt der Hr. V. sich ganz der trunkenen Schwärmerey einer so glühenden Phantasey, als man bey einem Manne, der sein Fleisch mit dem Kodex und Pandekten gekreuziget hat, und der sich mit dem beschwerlichen Geräthe der Gerechtigkeit, dem Schwerdte und der Wage schleppen muß, schwerlich suchen sollte. Er malt mit dem wärmsten Pinsel, in die feinsten Farben getaucht. Wäre hier nicht ein lebendiges Beyspiel, das dem Recensenten das Obstat hielte, so wäre er geneigt, zu behaupten, es sey nicht ganz in der Natur, wenn ein Mann, der schon schon über die zwölf Flittermonate verheyrathet ist, sich noch so sehnlich, so schmelzend an die Stelle der Silberwellen wünscht, wenn sie vom leichten West gekräuselt um seine Gattinn gaukeln, und


Jetzt ihren stolzen Marmorbusen kühlen,
Den Cypris und die Grazien
So schön gebaut, jetzt um die runden Hüften wühlen.

So mißgünstig, wir gestehen es, könnten wir nicht seyn. Aber wie gesagt, der Herr Justitiarius hat eine feine warme Phantasey, die sich in diesem Tone durch zwey und zwanzig schöne Strophen zu erhalten weiß. Das kühlen des Marmorbusens [126] will uns nicht recht behagen. Wir dächten, Marmor wäre von Natur mehr kalt als kühl. Wir hätten lieber spielen gesetzt, und das kühlen für die Gegend der Hüften verspart, wo das wühlen manchem Schwachen, der nicht weiß, was Dichtersprache und Dichterische Schönheit für Dinger sind, anstößig seyn dürfte. Da der Dichter noch unbeerbt ist, so schließt er sein reizendes Lied mit dem Wunsche, daß die keusche Nymphe (wir hoffen: unbeschadet ihrer Keuschheit,) auch diesem Umstande abzuhelfen vermögte, so gut als jener Bach aus dem Alterthume, dessen Namen er nicht zu wissen scheint, womit wir ihm aber auf Verlangen gar gerne andienen wollen. Das Einzige was wir noch tadeln mögten, sind die Hekatomben. Wenns noch Eine Hekatombe wäre! Wiewohl auch das wäre für einen Dichter, der selbst keine Heerden hat, schon zu viel. Vollends Hekatomben in der mehreren Zahl! Wo will er die bey jetzigen schweren Zeiten hernehmen? – es müßten denn gute Namen seyn. Die sind freylich leicht geschlachtet, aber unstreitig für ein so artiges Göttermädchen, als die Najas unsers lieblichen Rosenbachs unstreitig seyn muß, wohl kein liebliches Dankopfer. Wir empfehlen unserm Verfasser Lektüre und Uebung. Wenn er dann künftig ein klein wenig nüchterner ans Werk geht, so darf er kecklich unter die besten Dichter unsers Vaterlandes treten.«


Das war die erste Eingebung, die der Herr Barthel Schwalbe von der Tochter der Pansophey 1 empfieng. Durch welche Oeffnung aber, und in welchem Vehikulo, überhaupt auf welche Art sie in seinen Körper gekommen war, das wird sie, die Göttinn Kritika, am besten wissen.

Fußnoten

1 S. Ramler's Oden. Wissentlich mag ich keinem Menschen eine Sylbe stehlen.

17. Kapitel

[127] Siebzehntes Kapitel.
Der Heer Autor spricht von sich selbst.

Ich habe zwey Freunde ...

»Zwey? Herr Autor, Sie sind ein Prahler!«

Leser, das bin ich nicht. Was könnt es mir, im Fall ich prahlen wollte, auch wohl helfen, mich einer Glückseligkeit zu rühmen, die so wenig Menschen zu schätzen wissen? Dann hätt ich lieber gesagt: ich habe zwey Tonnen Goldes; und du hättest mir das eben so wohl glauben müssen, da du mich nicht kennst, auch, wenn Gott Harpokrates kein Schelm ist, nie kennen lernen wirst, und man zudem so viel Freymuth bey mir finden kann, als wenn ich zweyhundert Tonnen Goldes hätte. Um dir auch zu zeigen, daß ich kein Prahler sey, will ich dirs wohl vertrauen, daß ich weder Vermögen noch Ansehen habe. Aber vergiß nicht, lieber Leser, daß ich dir dieses bloß im Vertrauen sage; du mußt es beyleibe nicht unter die Leute bringen. Man hat so seine Konnexionen mit Fleischern, Weinhändlern und Beckern, und die müssen dergleichen nicht erfahren. Was den Schneider betrifft, der mags immer erfahren, denn dieses Kleid, das ich anhabe, kann für einen Autorrock noch immer seine vier oder fünf Jahre aushalten. Es ist auf beyden Ellenbogen noch ganz, und hat überall außer der Farbe, die, wie du weißt, zur Haltbarkeit des Tuches nichts beyträgt, eben nicht viel verlohren. Und da hängt auch noch auf den äußersten Nothfall mein Bratenrock von seinem Couleur de puce, welches aber kein guter Autorornat ist. So wenig Verdienste ich habe, mag ich mich doch lieber mit ihnen behelfen, weils meine eignen sind, als daß ich mit fremden Verdiensten prunken sollte, die ich alle Abend ausziehen müßte. Es ist so schön, wenn ein Mann darinn seiner Sache gewiß ist, daß, wer den Hut vor ihm abzieht, bloß seine Person [128] grüße. Siehst du, trauter, lieber Leser! zum Prahlen halt ich mich zu gut.

Ich habe zween Freunde; und weil ich die habe, kann ich mich durchaus nicht entschließen, diese Erde für einen so schäbigen, klatrigten, garstigen Lumpenplaneten zu halten, als manche Leute draus machen wollen. Nein, das könnte ich nicht, wenn ich auch lebenslang in einem Kerker wohnen müßte, und dort zwiefach vom Hypochonder und zwiefach von Schwindsucht geplagt würde. Ich würde mich meiner Freunde freuen, und, wenn sie mich besuchen dürften, sie auf mein gutes Brodt und reines Wasser zu Gaste bitte – (denn so hart wird keine Majestät unter der Sonne die die große ewige Majestät scheinen läßt, seyn, daß sie einen armen unschuldigen Gefangnen schlechtes schimmlichtes Brodt und trübes Pfützenwasser geben lassen sollte,) und meine Freunde würden, bey allen ihren Glücksgütern den armseligen Bissen und den irdnen Krug ihres Freundes nicht verschmähen, und sich seiner im Kerker nicht schämen. Und dürften sie mich nicht besuchen, so würd' ich doch des Gedankens mich freuen, zween Freunde ausser meinem Kerker zu haben. Nun weiß jedermann, daß eine Erde auf welcher ein armer Gefangner sich freuen kann, unmöglich ein Bettel von Planeten ist.

Ich bin, was das anlangt, so gut als irgend jemand ein Autor, daß ich meine Kinder für wohl so hübsche Jungen halte, als andrer Leute Knaben, ob ich gleich gern der erste bin zu gestehen, daß sie hier und da eine unvergängliche Pockennarbe verunzieret, und daß sie manches Muttermaal mit auf die Welt gebracht habe, – und ich glaube, es ist eine große Narrheit, dergleichen Fehler mit Schönpflästerchen belegen zu wollen. – Aber das bey Seite gesetzt. So gern ich also die Kindlein leiden mag, so pflege ich mich doch vor der unartigen [129] Schwachheit, sie in allen Gesellschaften zu produciren sorgfältig genug in Acht zu nehmen. Wenn ich aber eben dabey bin, einen neuen Jungen zur Welt zu bringen, und es kömmt gerade einer von meinen beyden Freunden in meine Manufaktur, so pflege ich ihm ein Ohr oder eine Fußzehe davon zu zeigen, und damit laß ichs gut seyn. Sonderlich gilt dieses von dem Freunde, dem sein Stand an jedem Tage der Woche ein farbiges Kleid erlaubt; denn der andre kann mich nicht oft noch lange besuchen. Vorigen Sonntag aber macht ichs häßlich. Der eine von meinen Freunden, den ich wegen der stillen Größe, dem Hauptzuge seines Charakters ehre, so wie ich an beyden das edle, gute, warme Herz, die unbescholtnen Sitten, die Festigkeit des Charakters, die feine Denkart, den muntern Witz, die lächelnde Laune, das glückliche Talent dem unbedeutendsten Histörchen Leben und Anmuth geben zu können, nebst hundert andern schönen Seiten des Herzens und der Seele schätze und liebe: – der eine, sag ich, besuchte mich, und traf mich gerade als ich mit Herrn Bartholomäus Schwalbe auf Reisen war. Er nahm etliche meiner Hefte, und kuckte hinein. Und siehe da! der Herr Autor war so höflich, und legte ihm alle die übrigen in gehörige Ordnung. Ehrenhalben konnt er nun nicht anders als alle durchsehen; und so war der herrliche Nachmittag verdorben. Wie er weggegangen war, besuchte mich mein andrer Freund. Da macht ichs noch ärger: dem las ich gar ein ganzes Heft vor, ob ich gleich vermuthen konnte, daß er keine Stunde bey mir bleiben würde. Meine Freunde rächten sich dadurch, daß sie nichts zu tadeln fanden, so sehr ich auch bat, als daß der eine statt eines Komma, irgendwo ein Semikolon haben wollte, und der andre ein aus Versehen zweymal geschriebnes Wort bemerkte. Und [130] ich strafe mich, indem ich meine Thorheit hiermit, jedem Autor zum warnenden Exempel, öffentlich zur Schau stelle, und dem Herrn Lektor freygebe, mir eine Lobrede zu schreiben.

18. Kapitel

Achtzehntes Kapitel.
Herr Barthel Schwalbe zeigt sich in seiner Größe.

Der Pommersche Edelmann hatte kein Bündniß mit dem Teufel.

»In aller Welt, mein Herr, was liegt uns dran, das zu wissen?«

Mehr als Sie glauben, Madam. Denn hätte er ein Paktum mit dem – Gott segne alles was hier ist! gehabt, so wäre es praktisch erwiesen, daß man ein Paktum mit dem Bösen machen könne, welches viel arge gottlose Leute heut zu Tage bezweifeln wollen; wiewohl der Jäger mit dem Stelzfuße das vielfältig hören mußte, sein Vater seliger habe ein Bündniß mit dem Schubbejack gehabt. Zweytens: in diesem Falle hätte der Edelmann alle Sprachen reden können, und er konnte nichts, als sein eignes Deutsch.

Aus diesem zweyten Punkte fließt ganz natürlich, daß der Junker manchen Ausdruck in der berühmten Recension nicht verstand, sondern sich oft vom schwarzen Barthel (so pflegten die Bauren den Schulmeister zu nennen) eine Erläuterung ausbitten mußte. Und die pflegte denn dieser Mann, von dem wir, wie uns dunkel im Gedächtnisse schwebt, schon gesagt haben, daß er auf jede Frage eine Antwort wußte, ihm niemals schuldig zu bleiben. Wir halten die Recension für ein sehr köstliches Stück, darum wollten wir es durch des Junkers Fragen und des Lektors Antworten nicht unterbrechen, [131] und finden es für den Leser bequemer, den Kommentar hier besonders zu liefern. Gleich bey den ersten Worten, An die Najade, unterbrach er den Herrn Lektor:

»Najade? Kenne das Ding nicht, Herr Ordinari!«

Najaden, will ich die Ehre haben Hochdero zu berichten, sind Mädchen die im Wasser leben, wie die blinden Heiden glauben. Das Wort kömmt her vonnatare, welches so viel heißt als schwimmen.

»Weiß wohl, Schulmeister – Lektoris wollt ich sagen. Aber versaufen die Mädchen denn nicht, hä?«

Behüte! Eu'r Gnaden. Eine Najade kann nicht ertrinken, denn sie ist eine Göttin – wiewohl nicht so eigentlich eine Göttin, aber doch so ein Stück von einer Göttinn, und die Heiden beten sie an.

»Alle Hagel, Lektoris! ist der Justitscharius 'n Heide? Will den Kerl stantepe aus dem Schlosse karbatschen lassen!«

Halten zu Gnaden, distinguendum est: als Justitiarius muß er ein guter Christ seyn, das dank ihm der Kukuk; aber als Poet, da ist er ein Heide. Das schadet nicht. Der liebe Gott weiß wohl, wie das zu verstehen ist. Wir Poeten haben alle das Recht Heiden zu seyn.

»Na, na, das ist was anders. Les' er man weiter.«

– des Rosenbaches. Eine Ode.

»Halt mal! Kann mich wahrhaftig nicht gleich besinnen, was 'ne Ode für'n Ding ist.«

Eine Ode ist – so ein tolles Gedicht das sich reimt, und auch manchmal wohl nicht reimt, und wo kein rechter Menschenverstand in ist, und das den Schwanz hat wo es den Kopf haben sollte.

[132] »Versteh all; 's ist so'n unklug Zeug, als ihr Gelehrten immer kakelt. Man weiter, Lektoris!«

Mit Erlaubniß unsrer Leser wollen wir uns dispensiren, die Zwischenreden des Edelmannes herzusetzen, wenn sie nichts Merkwürdiges enthalten. Man kennt schon längst seine Art Erläuterungen zu fodern und anzunehmen.

Motto sagte Herr Schwalbe, ist so ein Sprüchelchen, das wir Gelehrte gern vorn hin setzen. Es ist so wie das Gold auf einer Weste. – Den Phöbus erklärte er ganz leidlich. Aber über die Venusinischen Schönheiten beliebte ihm, folgendes zu sagen.

Venusinisch, will ich die Gnade haben zu berichten, kömmt her von Venus. Und Venus war bey den blinden Heiden die Göttin der Liebe, eine abscheulich schöne Göttin, von der die Poeten ....

»Halt! versteh all. 'S ist 'ne Venusschwester pflegte Mama seliger zu sagen, wenn sie von der liederlichen Dorthe sprach. Venusinische Schönheiten, ich weiß all, das sind Bordellmenscher, als mein Hofmeister, Gott hab'n selig! sagte. Nicht wahr, Lektoris?«

Halten zu Gnaden, es könnte wohl so viel heißen. Aber hier, mit hoher Permißion, will ich so viel damit sagen als: Gedanken oder Worte, die so schön als Venus sind.

»Na, auch gut. Er muß am besten wissen, was er mit sagen will. Man weiter.«

Sonore Wörter sind solche, die recht hintennach schnarren.

»Wie 'ne Bockpfeife. Versteh all.«

Flakkus war des Kaiser Nero Hofpoet. Er hieß aber eigentlich nicht Flakkus, sondern – ich weiß nicht gleich – ich denke Rasmus oder Radius. Ja, recht, nun besinne ich mich; Rasmus hieß er. Flakkus war nur so ein Ekelname den ihm die Pagen [133] am Hofe gaben, weil er eine große Flachsperüke trug.

»Was? Hält sich der Kaiser Nero 'nen Hofpoeten? Der Blix! ich bin so gut 'n Edelmann als er. Will mir auch 'n Hofpoeten zulegen, der mein Leibpoet seyn soll. – Man weiter, Lektoris!«

Strophen. Das sind Reimgesetzlein. Wenn man eine Ode macht, so läßt man alle vier oder sechs Zeilen einen Fingerbreit Platz. Es ist – – Geruhen Eu'r Gnaden sich vorzustellen, daß das so in Bündelchen getheilt wäre. So ein Bündelchen ist eine Strophe.

Jubelhymnen. Das ist der blinden Heiden ihr Te Deum.

Hekatomben. Da will ich wohl tausend herkommen lassen, die Eu'r Gnaden das Wort wohl unerklärt lassen sollen. Hekatomben, will ich die Gnade haben zu demonstriren, ist ein Hebräisch Wort aus dem alten Testamente, wo die Juden noch opferten, und ist zusammen gesetzt Hekatom, das heißt so viel als hundert Thiere, denn Tom heißt ein Thier; und aus Be, welches so viel als ein Schlachtopfer bedeutet. Und also heißt Hekatombe ein Schlachtopfer von hundert Ochsen. Doch können es auch Schaafe seyn. Daher nennen die Juden des Teufels seine Haushälterinn oder Köchinn, ich weiß nicht was sie eigentlich draus machen, Hekate, weil sie ihm zu jeder Mahlzeit hundert arme Seelen braten muß.

»Gott bewahre!« sagte der Edelmann.

Haben meine Leser an diesen Proben des Unsinnes, der Unverschämtheit, und der unbeschreiblichen Unwissenheit des Lindenbergschen Kritikasters genug? – Und müssen sie nicht gestehen, es mangle dem Ludimagister nur bloß an Dummheit, natürlicher Unfähigkeit, und einem Paar großer Ohren, sonst habe er alle Erfodernisse, jährlich ein Opus quadripartitum [134] zu erzeugen das keinem Professorkinde obgedachten Schlages nachstehen dürfe?

»Nee! rief der Edelmann als Herr Schwalbe mit seinem Kritikakel fertig war, hat der Justitscharius wirklich all die hubschen Reimels auf meinen Rosenbach gemacht? – Krischan! – Den Justitscharius!«

Es trat, oder eigentlich: es hüpfte herein ein kleines, zierliches, niedliches, süsses, bebiesamtes, beessenztes, gedrechseltes, und – wie der Lektor versichert, – geschminktes, allerliebstes Männlein, in dessen sauberen Korduanschuhen herrliche Steinschnallen funkelten. Der schönste seidne Strumpf schmückte das wohlgemachteste Beinchen. Schwarze Atlaßne Beinkleiderlein schlugen die artigsten Falten. Ein Westchen von Drap d' Argent mit geschmackvollen Blümchen, und ein dunkeldunkelpurpurfarbnes Röckchen bekleidete das mignonnen Persönchen, und doppelte Spitzenmanschetten umcirkelten die weißen Händchen. Ein Halstuch von weissem Taffet blähete sich unter dem Kinne in einer pauschenden Schleife. Der künstliche Lockenbau des kastanienbraunen Haars, der babylonische Thurm des Krepps nach damaliger Mode, der bläuliche Puder a la Fleur d' Orange, ein grosser grosser Scheffelsack von Haarbeutel durch den ein breiter breiter Postillon d' Amour über die Schultern herüber in den Schlitz des Jabot flatterte, der Syrup der über das ganze Püppchen ausgegossen war, samt dem kleinen Hütchen von Karton mit schwarzem Taffet überzogen, und dem kleinen Porcelanernen Degen – alles das kündigte eher einen Geweiheten der holden Dame von Gnidus, als einen Priester der ernsten und ehrbaren Themis an. Das Männchen tanzte, wenn er gieng; lispelte, wenn er sprach; fragte, wenn er antworten solte; antwortete, wenn er nicht gefragt wurde; verkehrte [135] gar lieblich die Augen; hatte stets den Zahnstocher in der rechten Hand, und die Lorgnette in der linken, und konnte sich sehr fertig auf dem Absatz umdrehen. Er hatte von seiner kleinen Person, sehr niedliche Begriffe, und ein aus Spott und Mitleid gemischtes Lächeln für alles andre; trank, als Dichter, gern starke Begeisterung; sprach gemeiniglich Sentenzen und Sarkasmus, und war ein ganz erträglicher Mensch, wenn er schlief. So sah die Gerechtigkeit auf Lindenberg aus.

»Hör er mal, Herr! mein Ordinari da hat in der neuen Avise ein paar Reimels krimisiret, die er auf meinen Rosenbach gemacht haben soll. Hat er das Dingschen bey sich?«

Nein, gnädiger Herr. Man pflegt so was nicht bey sich zu tragen. Befehlen Sie 's aber, so kann Christian sichs von meiner Frau geben lassen.

»Nee, nee, laß er man seyn. Bin just nicht so gleich drauf versteuret. Kann 's meinen Lektoris man mal geben. Aber Herr, was ich sagen wollt, nicht eins ins ander zu reden, so mag ich das wohl leiden, daß er 'n feinen warmen Raptum hat, wie die Avise sagt, ob 's mir wohl lieber wäre, wenn er sich um sein Knips juris bekümmern thäte: aber daß er seine Frau da vor allen Christenmenschen splitterfaselnackend auszieht, und ihren Tritt und ihre Hüften und alles was sie hat, herweiset, sieht er, das ist 'n Spitakel. Weil er aber doch 'n Karmina auf meinen Rosenbach gemacht hat, so kann er sich dafür 'ne Gnade bey mir ausbitten.«

Die harten Sachen in dieser Anrede, so treuherzig der ehrliche Junker sie auch vorbrachte, frappirten den Richter doch. Er sammelte einen Augenblick Sinnen; drauf sprach er: Darf man sich die Avise wohl auf einen Augenblick, ausbitten, von welcher Euer Gnaden sagten?

[136] [138]»Oh ja! gern. Warum nicht? Lektoris, geb er doch mal die Avise.«

Der Justitiarius lief das Blatt flüchtig durch, und als er sich von dem guten Willen des Herrn Lektors sattsam überzeugt hatte, entlud er sich seiner Galle folgendergestalt:

In der That, gnädiger Herr, ihr Lektor ist das erste Recensentengenie unter dem Monde. – Für mich wüßt ich nichts zu bitten; aber erlauben Sie mir, mich für den Schulmeister zu verwenden. Ich ersuche Sie, den ehrlichen Mann für sein Meisterstuck zwo Stunden ans Halseisen stellen zu lassen.

»Wie? – Was? Herr, ist er gescheut? Nee! da wird nichts aus. Was hat der Lektoris gethan? Herr, versteht er sein Juris nicht besser? Daß er ihn krimisirt hat, das ist sein Handwerk. Ich hab 'n zu meinen Avisenmacher gedeklarirt, und er da ... Links um! Schnickschnack! Das ist nicht Kustühm, daß Ihn der Mann gelobt hat, und soll drum ans Halseisen.«

Gnädiger Herr, ich habe ihr Wort ...

»Er mag sonst was haben. Nee, das hab ich nicht versprochen. Eine Gnade soll er sich ausbitten, und nicht ehrlicher Leute ihr Unglück, versteht er?«

»Der Justitiarius stand auf seine fünf Augen; der gnädige Herr war verlegen; dem Schulmeister klopfte das Herz. Endlich fanden Seine Gnaden diese Auskunft: Lektoris, hört er, der Mann da, will ihn ins Halseisen haben, weil er 'n receßirt hat, und verläßt sich auf, weil ich 'm 'ne Gnade versprochen habe. Bitt er sich auch 'ne Gnade von mir aus!«

Halten unterthänigst zu Gnaden! sagte der Lektor nach einigem Besinnen; ich bitte demüthigst, daß Dero dem Herrn da befehlen, mich eigenhändig an und abzuschließen, und, weils eben gewaltig [138] regnet, so lange ich am Pfal stehe hinter mir so wie er da ist zu knien, und mir 'n Regenschirm überzuhalten.

»Von Rechts wegen. Das ist billig. Herr, mach er flugs Anstalt, und führ er den Arrestanten ab.«

Der süße Justitiarius protestirte dagegen. Nee, nee, rief der Edelmann, das ist man nichts. Ich thue ihm seinen Willen, ich muß dem Ordinari da auch seinen Willen thun. Aut oder naut: laßts kamp auf gehen, oder Marsch! Was ihr nu wollt.

Nach einigen Debatten, wobey der Lektor nun das größte Wort hatte, ließ man alles kamp auf gehen. Na, das ist recht, sagten Seine Gnaden. Da, gebt euch die Hände. So! Nu, Herr Justitiarius, will er mir wohl 'n Gefallen thun? Mach er mir mal 'n Karmina auf Türk da. 'S soll sein Schade nicht seyn. Muß aber fertig werden, daß es in die nächste Avise kommen kann. Will ihn hiermit in Gnaden zu meinen Schloßpoeten ernennen. Uebers Salahrgen will ich denn auch wohl risalviren. Schulm ... Ordinari wollt ich sagen, setz ers morgen in die Avise, daß ich den Herrn Justitiarius zu meinen Leibpoeten, mit einem Gehalt, darüber ich noch risalviren will, gedeklarirt habe. – Und er, Herr, wie er's Ding auf meinen Türk macht, so will ich's Salahrgen machen. – Mit diesen Worten gieng der Edelmann hinaus, und setzte sich zu Pferde, voll Freude, daß er sich aus der Sache gezogen, ohne sein gegebnes Wort, welches er allemal in großen Ehren hielt, brechen zu dürfen. Die beyden Gelehrten glupten einander an, des festen Entschlusses, sichs bey nächster Gelegenheit einzutreiben. Sie stellten denn einander auch wechselsweise an ihre Pranger gar säuberlich; der Lektor kuckte aus jedem Verse des Juristen, und der Jurist wurde dafür in [139] den gelehrten Artikeln Methodo Schmidiana gelobpriesen, das heißt: mit aller möglichen Unwissenheit und Boshaftigkeit. Uebrigens war es nicht so wohl der gelehrte, als vielmehr einer von den politischen Artikeln der ersten Novitätenstafette der den süßen Gerichtsverwalter so erbittert hatte. Und der Groll des Herrn Lektors war durch einige Sarkasmen des Justitiarius, worauf der schwerfälligere Witz des Lektors nicht gleich Repliken fand, erreget worden.

19. Kapitel

Neunzehntes Kapitel.
Die historische Societät.

An einem schönen Morgen, als der Lektor die Zeitungen las, und Seine Gnaden ihre Pfeife rauchten, geruheten Dieselben, dem Lektor folgendes zu vernehmen zu geben:

»Blix, Lektoris, mag das nicht mehr hören, daß ich ausgeritten bin, und auf der Jagd war. Kann er nicht sonst was 'neinschreiben, was ich thue?«

Halten zu Gnaden, mit Permißion, ich schreibe allein, was ich in Erfahrung bringe. Aber zeither ist so wenig Neues paßiret, daß ich oftmals meine liebe Noth habe, die Zeitung voll zu kriegen. Und wenn Eu'r Gnaden nicht befohlen hätten, das ich das Merkwürdigste von andern Fürsten und Herrn mitnehmen soll, so wüßt ich manchmal in meinem Leibe keinen Rath.

»Na, na! wart man; soll schon paßiren, so soll es! Soll schon zu schreiben kriegen. Les' Er man weiter.«

– Am Geburtstage der Fürstinn Jablonowska versammelten sich die Mitglieder Jablonowskyschen historischen Societät u.s.w.

[140] »Halt mal! Lektoris, weiß er mir wohl zu sagen, wenn ich ihn fragen thät, wie so 'ne Sohtschetät seyn muß?«

Das weiß ich so gut, als mein Vaterunser. Das sind Gelehrte, die zusammen kommen und einen Präsidenten haben; die untersuchen denn allerhand historische Dinge, und geben Preisaufgaben auf, zum Exempel: In welchem Jahr Christi Alexander Magnus wider den Türken auszog? oder wer dieses und jenes Mannes Großvater gewesen? und wers denn am besten macht, der kriegt den Preis ...

»Halt mal! Habe schon längst Willens gewesen, auch mal so 'ne Sohtschetät zu machen. – Krischan! den Justitiarius und den Leibbuchdrucker!«

»Hört mal, ihr Herren! Will euch alle drey hiermit in Gnaden zu 'ner historschen Sohtschetät machen. Der Seckertär und Verwalter sollen auch mit bey seyn. Schulm ... Lektoris! kann 's man in die Avisen setzen. Er soll Prätendent seyn, hört er.«

Danke unterthänigst für die hohe Gnade. Wollen Eu'r Gnaden auch über die Aufgaben resolviren?

»Kann wohl. Will nu ausreiten. Meld er sich, wenn ich einkomme.«

Der Ludimagister, nunmehriger Präsident, ermangelte nicht, sich bey der Zurückkunft Seiner Gnaden einzufinden, und erhielt von ihm Befehl, einige Preisaufgaben bekannt zu machen. Der Ludimagister erinnerte ihn, daß es nicht undienlich sey, den Preis zugleich zu bestimmen, und empfieng auch darüber seine Befehle. Also prunkte die nächste Avise mit folgendem stolzem Artikel:

»Schloß Lindenberg, vom 13ten Januar. Heute früh, als der Herr Lektor ordinarius Bartholomäus Schwalbe, Ludimagister Seiner Hochwohlgebohrnen Gnaden, dem Herrn Siegfried, [141] Erb- und Gerichtsherrn von Lindenberg etc. etc. etc. unserm allertheuersten Herrn aufwartete, geruheten Seine Gnaden aus einem rühmlichen Eifer für die Wissenschaften ...«

»Halt! riefen Seine Gnaden, das ist all wieder nicht wahr; hab' an die Wissenschaften nicht mal gedacht. Schere mich viel um den Kram. Habs man gethan, weil ich so gut 'n Edelmann bin, als der Fürst Jablonowsky, und so gut Geld habe, als er, und wohl noch mehr, was das betrifft. Kann auch wohl Sohtschetäten machen. – Na, man weiter!«

»– Wissenschaften, den Herrn Schloßpoeten, Martin Christoph Süß, p.t. Justitiarius, wie auch den Herrn Peter Fix, Schloß und Avisendrucker, auch Inspector über Seiner Gnaden Taschendruckerey zu sich berufen zu lassen, und ernennten sie auf der Stelle in einer zierlichen Anrede zu Mitgliedern der historischen Societät der Wissenschaften, welche Hochdieselben hiermit errichteten. Der abwesende Herr Friedrich Schulze, geheimer Secretär, und Herr Georg Detri, Obereinnehmer und Verwalter Seiner Gnaden, hatten gleichfalls die Ehre, zu Mitgliedern dieses vortrefflichen Instituts ernannt zu werden. Hierauf stellten Seine Gnaden diesen Herren Dero Lektorum ordinarium, den Herrn Bartholomäus Schwalbe, als ihren Präsidenten und Oberhaupt vor, und weiheten sich selbst sehr feyerlich zum künftigen Beschützer dieses Instituts ein.«

»Die binnen Jahr und Tag zu beantwortenden Preisaufgaben sind:

I. In welchem Jahre zog der tapfere Ritter Siegfried, genannt der Hörnerne, zum erstenmal auf Abentheuer aus? Wenn ward er gebohren, und wenn starb er?«

[142] »II. Welcher von den Leibeserben dieses Helden ist der eigentliche Stammvater der Herren von Lindenberg?«

»Die beste Beantwortung der ersten Frage wird mit einem fetten Ochsen, und die der zweyten mit einem halben Fasse Bier und vier Flaschen Danziger Goldwasser belohnet werden.«

»Wie man vernimmt, werden der Herr Bartholomäus Schwalbe, als Präsident der Akademie, einen ansehnlichen Gehalt empfangen.«

»Wenn dieses Institut seine erste Sitzung halten wird, ist noch nicht bekannt.«


* * *


»Blix, Herr Prätendent, das soll mal 'n Schnack in der Welt geben!«

Allerdings, Eu'r Gnaden! Es wird ein rechtes Aufsehen machen.

Der gnädige Herr hatte nie dran gedacht, daß es nicht genug sey, Zeitungen drucken zu lassen, sondern daß sie auch auswärts gehen, und gelesen werden müßten. Er genoß seine Größe, und schmeichelte sich, aller Welt zu reden zu geben, weil alles was er that, schwarz auf weiß gedruckt war. Und der Ludimagister hütete sich wohl, ihm den Staar zu stechen. Er war froh, daß die Avisen im Gange waren, und daß er vermittelst eines kleinen Winkes in der Zeitung den gnädigen Herrn zu allem bringen konnte, ohne daß ihm etwa heut oder morgen etwas hätte beygemessen werden können, gesetzt auch, der Edelmann wäre von der Art gewesen, irgend jemanden die Ehre eines Einfalles zu lassen.

So, zum Exempel, als einmal des Basedowischen Philanthropin's in der Zeitung gedacht wurde, und der Edelmann mit seinem gewöhnlichen: Kenne das Ding nicht, dem Ludimagister Gelegenheit gab, seine [143] Weisheit an den Mann zu bringen: da schwatzte dieser ein Langes und Breites davon, sagte das wäre eine gar aparte Schule, abscheulich schön, kompendiös, wo die Knaben – wiewohl's auch für Mägdlein paßte – in einem Schnups alles lernten, alles mit Namen zu nen nen wüßten, wie es auf Deutsch und Latein hieße – und was ein Dorfschulmeister sonst noch von einem Philanthropin sagen kann. Und des folgenden Tages stand unter dem Artikel: Schloß Lindenberg, folgendes in der Zeitung:

»Ein gewisser vornehmer Herr hat sich von einem Gelehrten einen genauen Begriff von der Einrichtung und dem Nutzen des Dessauischen Philanthropini beybringen lassen; und es stehet zu vermuthen, daß er wohl den gedachten Gelehrten nach Dessau senden werde, um sich mit der Philanthropinischen Einrichtung aufs vollständigste bekannt zu machen, um ein ähnliches Institut zum Besten seiner jungen Unterthanen in seinem Gebiete zu errichten.«

Mehr brauchte es nicht, den Edelmann zu bestimmen. Das Philanthropin für die Lindenbergschen Bauerjungen kam mit der Zeit zu Stande. Herr Peter Fix schnitt die dazu erforderlichen Bilder in Holz, und wenn ein Ding vorkam, das dieser Künstler weder in der Natur noch in einer Abbildung zu sehen Gelegenheit gehabt hatte: so ersetzte sein Genie solche Kleinigkeiten. – Wenn wir dieses Philanthropin nicht genauer beschreiben, so ist die Ursache diese, weil das ein größeres Buch erfoderte, als dieses dermalen werden darf.

20. Kapitel

Zwanzigstes Kapitel.
– – – Paulo maiora canamus. Virg.

Unser Edelmann hatte nun Einmal den Ehrgeiz keinem Menschen, er mogte Kaiser, König, Herzog oder Fürst seyn, das mindeste voraus zu lassen, ohne[144] manchmal, wie doch wohl zu rathen gewesen wäre, zu überlegen, daß auf einem Rittergute nicht allemal thulich sey, was in einem großen Königreiche wohl angehet. Aber er war nun so. So bald er hörte, dieser oder jene König habe dieß und das gethan, und die Königliche Handlung schien ihm nützlich, oder groß, oder sie ward nicht gerade zu von dem Herrn Präsidenten getadelt: flugs war er bey der Hand, und that eben das, oder noch einmal so viel.

Er fand eines Tages, wie ein gar schweres Ding es sey, Land und Leute zu regieren, daß es eine Art hätte.

Das kömmt zum Theil davon her, sagte der Präsident, daß Eu'r Gnaden die ganze Last allein tragen. Wenn ich andre große Herren bedenke, die haben ihren Konseihl, und ihre Kabinetsminister und Kriegsminister und Domänenräthe und Circumferenzräthe und wer weiß was alles. Die machen sichs kommode. Aber Eu'r Gnaden haben keinen Menschen, und sorgen für alles allein.

»Blix! 's ist auch wahr, mein Seel! Will mir auch nicht mehr so strapenziren Will auch 'n Kunseihl zulegen. Aber – laß mal hören, Herr Prätendent, wo soll ich die Manisters herkriegen?«

O! Eu'r Gnaden, da ist Rath zu. Ich darf wohl sagen, mit hoher Permission, daß Eu'r Gnaden mit guten Leuten umgeben sind. Nicht eben, daß ich mich rühmen will, denn propria laus riecht nicht nach Biesam, wie das Adagium sagt: aber ich sollte wohl, meines Dafürhaltens, keinen unebnen Premierminister abgeben. Und da ich schon Präsident bin ...

»Er ist 'n Flegel, Herr Prätendent, mit Gunst zu melden. Er wollte werden? – Er mag den Kukuk werden. Ist er'n Edelmann? hä?«

Nein, Eu'r Gnaden, aber ich konnte ...

»Was könnt Er? Den Hagel auch! Er könnte sich nobeltiren lassen, meint er. Da wär Er'n [145] [147]Esel! Nee, Nee, Herr Prätendent, sey er kein Narr! Mama seliger pflegte immer zu sagen, wir alten Edelleute hätten die neuen doch man zum Narren, wenn wir auch noch so freundlich mit ihnen thäten. Nee, bleib er was er ist.«

Aber, Eu'r Gnaden ...

»Aber, aber! Alle Hagel noch mal, so muß er mir nicht kommen. Das muß ich verstehn, was zu so was gehört. Manisters, sieht er, das müssen Kaweliers seyn, anderster geht das nicht.«

Das Konseil blieb also noch ein Weilchen ausgesetzt. Indessen lag es beyden Parteyen sehr am Herzen, dem einen, Premierminister zu werden, dem andern Ministers zu bekommen. Wir werden künftig schon noch sehen, wie der Präsident (der gar nicht dran gedacht hatte, sich nobilitiren zu lassen, wie ihm der Junker Schuld gab) die Sache handhaben wird.

An eben dem Tage, da das geheime Konseil im Vorschlag war, las der Präsident dem Edelmanne aus der Zeitung vor, daß der König von Dännemark ...

»Was ist das für 'n Land?«

Ein großes Königreich, will ich die Gnade haben zu sagen. Es liegt – von hier aus gerade dahin, wo ich mit meinem Finger hin weise, in Jütland, wo die Ochsen so gut gedeihen. Wiewohl nicht so recht in Jütland, sondern ein bischen an der Grenze, wo der Weg nach Dithmarschen vorbey geht.

»Versteh all, Herr Prätendent Lektoris. Man weiter!«

– in seinen sämtlichen Staaten (Denn, er hat wohl vier Königreiche, sagte der Schulmeister, wo er König über ist.) das Jus Indigenatus eingeführet habe.

»Kenne das Ding nicht, Herr Prätendent.«

[147] Will's Eu'r Gnaden demonstriren mit hoher Permißion. Es ist ein schweres Wort, und kömmt her vonIndigena, welches ein im Lande gebohrner heißt, und von gignere herkommt. Es will also so viel sagen, als das Recht der Eingeburt.

Der Edelmann, dem die Jütischen Ochsen im Kopfe lagen, und der, wie alle leeren Köpfe, eine Idee so leicht nicht fahren ließ, forschte weiter und sprach: »Kann nicht recht klug aus werden, soll kein einländsch Vieh über die Grenze, oder soll kein fremdes im Lande geschlachtet werden?«

Halten zu Gnaden, mit hoher Permißion. Es ist nicht von Ochsen die Rede. Eu'r Gnaden kapiren mich nicht ....

»Was? hat er nicht gesagt, die Ochsen hätten da gut Schick?«

Allerdings, Eu'r Gnaden, aber das war bey Gelegenheit der Geographey, mit hoher Permißion, wo man immer gern ein Wort von den Landesprodukten mit einfliessen läßt. Nun aber ist hier nicht die Rede von Landesprodukten, sondern von Landeskindern.

Es kostete dem Ludimagister Künste, ehe er seinen Patron aufs rechte Fahrwasser brachte. Denn, manche Leute, wenn sie einmal verbaset sind, brauchen lange Zeit, ehe sie wieder aufhören, dämisch zu seyn. Endlich aber, wie der Edelmann es begriffen hatte, freuete ihn die Sache so herzlich, als ihn je etwas gefreuet haben mögte.

»Alle Blix, Herr Prätendent Ordinari, das ist gut fürs Land. Ich will auf meinen Gütern auch 'n Jus Indigenatus machen, so will ich. 'S soll mir mein Seel keiner in meinem Lande zu Brodte kommen, der nicht in meinem Lande gezogen und gebohren ist. Will's stantepe ausfertigen lassen.«

Der Herr Präsident unterließ nicht, diesem Einfall aus voller Lunge zuzujauchzen, ob er gleich wohl [148] sah, daß das Ding hapern würde. Aber eben deswegen gab er so laut seinen Beyfall. Denn er freuete sich im Voraus über die Verlegenheit, worinn der Junker kommen mußte, wenn solche Stellen ledig würden, die sich durchaus mit Bauren, nicht besetzen ließen; und da der Einfall nicht von ihm herkam, sondern dem eignen Gehirne des Edelmanns im Pommerlande abgegangen war: so konnten ihm alle die Verlegenheiten nichts verschlagen, so meinte er. Die Zeit wirds lehren, ob er richtig dachte.

Seine Gnaden erhoben indessen ihre Stimme, und riefen: Krischan! – Denn, obgleich beständig eine silberne Klocke auf dem Tische stand, so pflegte der Herr von Lindenberg sie doch anders nicht zu brauchen, als wenn er etwa ein wenig böse auf Christian war; dann galt die Schelle für eine Art von Strafe. Ausserdem aber war er gewohnt, seinen Homme de Chambre immer zu rufen, wie meine Leser längst gemerkt haben werden. Und er that daran auch besser, denn man konnte seine Stimme dreymal so weit hören als die größte Klingel die je ein Kaiser, König, Fürst, oder Herr, – wenns auch ein edelmännischer Bürger wäre, die, wie man sagt die größten Schellen haben sollen, – gehabt hat. Doch nehme ich, nach reifer Ueberlegung, die große Klocke in Erfurth aus.

Die Ursache aber, warum der Edelmann nur in gewissen Fällen klingelte, war ganz einfältig. Er meinte man müste einen Unterschied zwischen Hund und Diener machen. Jenen könne man mit allem Schick gewöhnen, der Pfeife zu folgen, dieser aber sey doch ein Mensch so wohl als der Kaiser, und wohl werth, daß man ihn bey Namen rufen thäte. »Gott Lob, sagte er, daß ich Herr in meinem Lande bin. Aber wenn ich nun, Gott bewahre mich davor! des Königs Brodt essen thäte, als [149] mancher Edelmann thun muß, und wäre Kammerherr oder so was, es würde mich verflucht krapiren, wenn mir der König klingeln thäte. Aber ein rechter König thut auch so was nicht. So einer wird immer sagen: Herr Kammerherr Siegfried, wollen Eu'r Gnaden wohl mal 'rein kommen? so wird er.«

»Krischan! riefen Seine Gnaden, den Seckertär!«

Der Sekretär kam, und erhielt den Auftrag, flugs mit Zuziehung des Leidpoeten und Verwalters, die Verordnung wegen des Indigenars zu fertigen, und gehörigen Orts affigiren zu lassen, auch eine Abschrift davon dem Präsidenten zum Einrücken in die Avise zuzustellen.

Der Präsident, dem das Wort Verwalter längst anstößig und unter der Würde seines hohen Patrons schien, setzte bey der Gelegenheit in die Zeitung: es gienge die Rede, Seine Gnaden würden den Herrn Detri, bisherigen Obereinnehmer und Verwalter, zu Dero Ober- Finanz- und Oekonomie-Intendanten ernennen.

»Ist 'n langer Salm!« sagte der Edelmann.

21. Kapitel

Ein und zwanzigtes Kapitel.
Der Herr Präsident wird in Versuchung geführt. Das Gnadenzeichen. Das geheime Konseil u.s.w.

Der Präsident las: Konstantinopel, vom 10ten May. Der Sultan hat den Dolmetschern der fremden Mächte bekannt machen lassen, daß drey Sultaninnen schwanger sind, und aus dieser Ursache ist allen Schiffen das kanoniren verboten.

»Alle Blix, Herr Prätendent, wie viel Sultaninnen hat der Sultan? Drey?« [150] O Eu'r Gnaden, er hat wohl dreyhundert. Er hat ein gewaltig großes Schloß sternhagel voll.

»Und das sind alles seine Gemalinnen?«

Allerdings Eu'r Gnaden.

»Und das ist da zu Lande Mode?«

Allerdings Eu'r Gnaden.

»Hagel noch mal! will das hier zu Lande auch Mode machen. Wills mal mit 'n Dutzt oder so versuchen.«

Halten zu Gnaden! Das würde Dero viel Ungelegenheiten machen. Zwölf Gemalinnen zu hüten!

»Kann der Sultan so viel hundert hüten, Herr Prätendent, so will ich die Paar wohl hüten, versteht er.«

Ja, Eu'r Gnaden, der hat da andre Anstalt zu, will ich die Gnade haben zu sagen. Der hält sich auf jedes Dutzend einen Verschnittenen, der sie bewachen muß.

»Kann auch ja wohl so welche halten, so gut als der Sultan. Hör er mal, Herr Prätendent, thu er mir den Gefallen und laß er sich verschneiden; 's soll sein Schade nicht seyn.«

Halten zu Gnaden! Bin in allen Stücken nach meiner Wenigkeit zu unterthänigstem Befehl, nur damit bitte mich zu verschonen.

»Schnack! Kann mir ja das wohl zu Gefallen thun, so kann er.«

Wenn es auf mich ankäme, gnädiger Herr, so wollt ich wohl sehen. Aber meine Frau würde das all mein Tage nicht leiden.

»Ah Schnickschnack! Muß Subordenatschon im Hause einführen. Na, will er mirs zu Willen thun?«

Der Hausfriede, gnädiger Herr ....

Christian unterbrach dieses für den Ludimagister so peinliche Gespräch, indem er dem Edelmanne einen großen, sehr sauber in Goldpapier gebundnen[151] Bogen im Namen des Herrn Leibpoeten überbrachte.

»Herr Prätendent, seh er mal zu, was das ist.«

Es war nicht mehr und nicht weniger als ein Karmen auf den Geburtstag Seiner Gnaden; einen Tag an den bisher niemals jemand gedacht hatte, denn der gnädige Herr pflegte ihn nie zu feiern, weil er selbst nicht wußte, an welchem Tage er gebohren war. Der Präsident las es vor, und Seine Gnaden bezeugten ihr hohes Wohlgefallen darüber, ohne ein Wort davon zu verstehen. Der Präsident aber, der auf seines hohen Patrons Größe noch stolzer und eifersüchtiger war, als auf seine eigne, war der Meynung, Seine Gnaden müßten dergleichen Dinge, nach dem Beyspiele andrer grossen Herren, nicht ohne Belohnung lassen.

»Was ist denn wohl Kustühm, für so 'n Karmina zu geben? Ha?«

Ja, Eu'r Hochwohlgebohrnen Gnaden, das kömmt auf die Generosität des großen Herrn an. Eu'r Gnaden erinnern sich wohl noch aus den Avisen, daß so was manchmal eine goldne Dose mit des großen Herrn Konterfey drinn, oder das Konterfey schlecht weg abwirft. Zuweilen lohnts auch wohl einen Ring, oder eine Medaille, nachdem der Herr die Laune hat. Aber meines unterthänigsten Dafürhaltens ist das Porträt mit oder ohne Dose, das beste Merkmaal der Gnade.

»Schnackt wie 'n Schaaf, Lektoris! Weiß ja wohl, daß ich mich mit Dosen, und Ringen, und so dergleichen Bummelaschen nicht aufhalten thue. Das Patret, was das anlangt, mögte selbst wohl mein Patret da hängen haben, weiß man nicht, wo ichs herkriegen soll. Kann er Patretten machen, Herr Prätendent?«

Hatten zu Gnaden, gnädiger Herr, ich bin ein Gelehrter.

[152] »Er kann auch Nichts! Weiß er keinen, der 's kann?«

Nein, Eu'r Gnaden; will aber mal mit Deroselben Herrn Schloßbuchdrucker sprechen.

»Kann selber wohl mit ihm sprechen. Krischan! – Den Fix, – – Hör er mal, Herr Fix, kann er wohl so Dinger, so Kunterfeys machen?«

Will die Ehre haben, Sie zu sagen, Ihr Gnaden, daß ich alles kann. Bin 'n Schenny.

»Na, das ist gut. Mal er mich gleich mal ab.«

Aufzuwarten, Ihr Hochadlichen Gnaden! Will man hingehn und 'n Bleysticken holen.

»Thu er das. 'S wird Arbeit für ihn geben. Er soll mir 'n etzliche hundert von meinen Konterfeys machen, daß ich gleich eins bey der Hand habe, wenn mir jemand 'n Karmina bringt, oder wenn ich sonst jemand 'n Merkmaal meiner Gnade geben will.«

Erlauben Sie gnädigst, Ihr Gnaden, da wollt ich wohl bitten durchzudenken, obs nicht besser wäre, wenn ich das Bild in Holz schneiden thäte. Da könnte man, wenn 's einmal geschnitten ist, wohl fünf hundert in einem Tage abdrucken.

»Sieht er, Herr Prätendent, das ist noch 'n Mann der was gelernt hat. Aber er? Mit ihm ist nichts anzufangen. – Na, Herr Fix, schneid er mich man. Kann er auch wohl meinen Türk da bey mir schneiden?«

O ja, Ihr Gnaden. Und Wachtel dazu.

»Sieht er, Lektoris? – 'S ist an Türk genug, Herr Fix; mach er den man recht, mit dem blauen Halsband, versteht er. Kann nu man gehen! – Sieht er, Herr Prätendent, der kann doch noch was. 'S ist 'n allerwelts Kerl, mein Leibbuchdrucker!«

Non omnis fert omnia tellus! versetzte der Ludimagister. Der eine taugt zum Staatsminister, der andre zum Wurmschneider.

[153] »Herr, komm er mir nicht so, oder ich will ihn bewurmschneidern, er soll von nachsagen.«

Halten zu Gnaden! Formschneider sagte ich.

Das changeante Genie schnitt wacker drauf los, und brachte ein rares Stück zu Stande, völlig so schön und in eben dem Geschmack als Karl der Zwölfte auf den Tobacksbriefen. Es wurde abgedruckt, auf Pappe geklebt, mit einem Streifen Goldpapier eingefaßt, und erhielt Seiner Gnaden Approbation, welche ein Exemplar neben sich auf den Tisch legten, und flugs den Justitiarius rufen ließen.

»Hör er mal, Herr Leibpoet, hat mir da letztens durch meinen Krischan 'n Karmina primisiren lassen. Soll auch bedenkt seyn. Und will ihm hier eine Schenkasche für machen.«

Hiermit winkte er dem Ludimagister, welcher das Porträt Seiner Gnaden vom Tische nahm, und es dem glücklichen Dichter mit vieler Cärimonie überreichte.

Der Justitiarius nahm die Callotsche Fratze aus den Händen des Favoriten an, zuckte (aber freylich so un merklich als möglich) die Achseln, und war so boshaft, über die unerhörte Aehnlichkeit zwischen dem gnädigen Herrn und dem Holzschnitt zu erstaunen. Er witzelte und spöttelte so hämisch, daß es ein Wunder ist, wenn der Edelmann nichts merkte. Und der artige Herr wäre sehr am unrechtem Orte gezäumet gewesen, wenn sein Principal Lunte gerochen hätte. Der war nicht der Mann, der Spaaß mit sich treiben ließ, und dem Herrn Justitiarius war es gar behaglich im Schlosse. Sein Dienst war fett, und seine Arbeit gering. Vorher war er seines Standes wegen dem guten Junker verhaßt: nun er sich aber zur Hofpoetenstelle bequemet hatte, konnt er an Galatagen bey Hofe erscheinen, und zuweilen ein Wort mitsprechen, so gut als einer.

[154] [156]Der Herr Präsident hatte indessen den großen Gedanken, Kabinetsminister oder so was gutes zu werden, noch nicht aufgegeben. Er begnügte sich anfangs, es bloß durch einen sehr nachdrücklichen Ton, mit dem er die Nachrichten las, daß dieser oder jener Bürgerliche einen Titel oder eine ansehnliche Stelle erhalten, dem Junker aus Herz zu legen, daß man nicht eben lauter Edelleute zu Räthen mache. Und der ehrliche Junker hatte von dem Unterschied zwischen einem Commißionsrath und Staatsminister keine gar zu richtigen Begriffe. Der eine, glaubte er, sey so gut ein Minister als der andere. Wie aber der Favorit sah, daß der edle Siegfried durch den bloßen Ton kein Feuer fangen wollte, nahm er sich die Freyheit, ihn durch einige Randglossen etwas aufmerksamer zu machen. Als aber auch das nicht helfen wollte, setzte er in die Schloßzeitung, es gienge die Rede, daß Se. Majestät den Herrn Justitiarius auf Lindenberg zum Kriegsrathe ernennen wollten. Das schlug an.

»Nee! das soll der König wohl bleiben lassen. Kann selbst wohl meine Leute zu was machen, so kann ich.« –

Mit einem male war das Projekt ein geheimes Konseil anzulegen, wieder im Gange. Der Herr Bartholomäus Schwalbe sah von der steilen und stolzen Höhe eines Prämierministers herunter, u. stand an der Spitze des hohen Staatsrathes, den die Herren für ihr Leben gern Conseil permanent genannt hätten, weil das so hübsch klingt. Weil aber der Schulmeister das letzte Wort nicht dolmetschen konnte, und sich nicht so tief erniedrigen wollte, den Leibpoeten zu fragen, so hatte es bey geheimen Konseihl sein Bewenden, und der Wohlklang wurde der Furcht einen Bock zu schießen, weislich aufgeopfert.

[156] Von dieser Zeit an wuchsen die Kabinetsminister, Staats- Kriegs- Finanz- Domänen- Kommercien-Kommißions- und andre Räthe auf Lindenberg aus der Erde wie Pilze.

Bey aller seiner irdischen Hoheit vergaß der Herr dirigirende Minister doch nicht, daß er seine ganze Größe ursprünglich den Vorlesungen, und hiernächst dem Avisenschreiben schuldig sey, und er war weise genug, diese beyden Aemter nicht niederzulegen, so sehr auch seine Neider und heimlichen Feinde ihm vorstellten, es sey unter der Würde so eines Mannes sich mit dergleichen zu beschäfftigen. Er hatte Staatsklugheit genug, einzusehen, daß er nur bloß durch eben die Mittel die ihn erhoben hatten, sich auf seiner Höhe erhalten könne.

Um diese Zeit stieß ihm ein Unfall zu, den er weder vorhergesehen hatte, noch mit aller seiner Klugheit vermeiden konnte. Es begab sich nehmlich, daß der Schweinehirte des Dorfes Lindenberg das Zeitliche gesegnete. Besetzt mußte diese Stelle wieder werden, das war unstreitig. Aber vermöge des Indigenats mußte sie durch einen Eingebohrnen des hochadlichen Lindenbergischen Gutes verwaltet werden, und dieser Umstand erregte unendliche Schwürigkeiten. Die sämtlichen Eingebohrne Unterthanen des Edelmanns im Pommerlande waren durch die sanfte Regierung, durch die brittische Großmuth, und durch die väterliche Fürsorge Seiner Gnaden samt und sonders zu wohlhabend, als daß sich einer zu einem so mühseligen Amte sollte bequemet, geschweige denn angeboten haben. Die Dorfgemeine zerbrach sich die Köpfe darüber in der Schenke, und der Edelmann im Konseil; aber umsonst.

»Seh' er zu, wie er da herdurch findet, Herr Magister Lektoris!« sagten Seine Gnaden als Sie [157] sich vor den Bauren, die nicht wußten was sie mit ihrem Schweinevieh beginnen sollten, nicht mehr zu retten wußten. Er muß Rath schaffen, so muß Er. Wofür hab' ich Ihn?

22. Kapitel

Zwey und zwanzigstes Kapitel.

– – Cicerone disertius ipso.

Martial.


Der Herr Premierminister freuete sich innerlich, daß er jezt der Nothanker seines hohen Principals in einer Verdrüßlichkeit war, zu der er nichts beygetragen hatte. Er sah zwar keine Auskunft in dieser Sache, aber das kümmerte ihn nicht. Er setzte sich hin, und elaborirte eine zierliche Rede, und als er sie so weit ins Gedächtniß gebracht hatte, daß er sich getrauete sie wohl vor dem Kaiser herzubeten, ließ er sich von seiner Frau nochmals überhören, und berief das geheime Konseil ausserordentlich zusammen. Als die Herren versammelt waren, stand er auf, räusperte dreymal, und sprach wie folget:

»Ich habe Sie auf Befehl Seiner Hochwohlgebohrnen Gnaden, unsers gnädig gebietenden Herrn, zusammen vociren lassen, meine Herrn vom geheimen Konseihl, um mit Ihnen über eine für das Vaterland sehr erhebliche Angelegenheit zu rathschlagen. Was sage ich, erhebliche? Es ist die allerwichtigste Angelegenheit.«

»Sie wissen, weise und erhabne Väter des Staats, daß der unerbittliche Tod die Tage des wohlseligen Schweinehirten der Lindenbergschen Nation weggemähet hat, und mögen wir wohl ausrufen:


Quis desiderio sit pudor aut modus
Tam unentberlichen capitis!

[158] Unsers hier gegenwärtigen theuersten Herrn Hochwohlgebohrne Gnaden, Ach, Sie, meine Herren, die ganze Gemeine, die ganze Welt, kurz: Jedermann weiß, daß das Amt eines Hirten ein gar wichtiges Amt, ein Amt multi ponderis sey. Ich vor allen weiß das aus der Erfahrung, da ich die Ehre habe, meine Herren, Ihr Hirte zu seyn. Ich will aber bey einer so feierlichen Okkasion nicht von mir reden.«

»Einem jeden, das wissen Sie, weise Väter des Staats, weil es weltkündig ist, Einem jeden ist sein zeitliches Vermögen die angelegentlichste Sache. Ein großes Theil ländlicher Glücksgüter bestehet in Vieh. Die Schweine sind ein großes Theil des Viehes. Also ist der Mann, dem eine ganze Gemeine ein so beträchtliches Theil ihres Reichthums anvertrauet, ein sehr wichtiger Mann. Ich will hier nicht von den Kenntnissen, von der Arbeitsamkeit, von der Geduld reden die zu einem solchen Amte erfoderlich sind und die sich niemand recht vorstellen kann, der nicht entweder selbst Schweinhirte gewesen ist, oder sich wenigstens mit Erziehung einer blühenden Jugend beschäfftiget hat. Ich will Ihnen nur bloß die Wichtigkeit des Mannes an sich selbst zu bedenken geben.«

»Helfen Sie mir jezt überlegen, meine Herren vom geheimen Konseihl! Schämen Sie sich der Arbeit und des Schweißes fürs Vaterland nicht. Die Ochsen stehen am Berge, und der Karrn steckt im Sumpfe. Helfen Sie mir, meine Herren, auf die Ochsen unsrer Erfindungskunst wacker losschlagen, daß der Karrn aus dem Sumpfe der Verlegenheit erlöset und über den Berg der Schwürigkeiten gezogen werde. Ueber die Schwürigkeiten darf ich mich wohl nicht weitläuftig ausbreiten. Die Kinder auf den Straßen reden davon. Nur darum bitte ich Sie, beschwöre ich Sie bey meiner und [159] Ihrer Würde, bey unsrer Pflicht, bey dem Namen des Vaterlandes, einen solchen Entschluß zu fassen, der der Ehre dieser Versammlung würdig, und der Wichtigkeit der Sache, als worauf die Wohlfarth eines ganzen Staates beruhet, angemessen sey Dixi.«

Nun erhob sich der Herr Leibpoet, und entschüttete sich folgerder Rede, auf die er aber nicht stüdiret hatte:

»Schon lange, allervortrefflichster Monsieur le Premier, schon lange sind Euere Herrlichkeit der Gegenstand meiner pflichtmäßigen Bewundrung, Sie der das Ruder des Staats, die Feder der Autorschaft, das Plektrum des Orbiliats, und die kritische Karbatsche mit gleicher Weisheit, mit gleicher Kraft, und mit gleicher Geschicklichkeit respektive schwingen und führen.«

»Ich ehre in Euerer Herrlichkeit den Eifer fürs Vaterland, den Sie in uns anzufachen sich rühmlichst, aber ich darf sagen zum Ueberfluß, bestreben. Denn wir alle glühen fürs Vaterland.«

»Euere hochgebietende Herrlichkeit bitte ich, von mir besonders zu glauben, was ich meinestheils von allen diesen Herren versichert bin: daß ich es für sehr nothwendig halte, die erledigte Stelle mit einem solchen Mann zu besetzen, der einem solchen Amte völlig gewachsen sey. Ich getraue mir auch zu behaupten, daß es in Seiner Hochwohlgebohrnen Gnaden Gebiete an mehreren hierzu tüchtigen Subjektis keinesweges fehle. Die Schwürigkeit ist nur diese, daß keiner von den Wahlfähigen Männern zu einem Amte welches viel Patriotismus, und Schweiß fürs gemeine Beste erfodert, Lust bezeugt. Da nun Ew. Herrlichkeit uns auffodern einen der Wichtigkeit der Sache angemessenen Schluß zu fassen, und mein Rang mich verpflichtet, meine Stimme zuerst zu geben: so bin ich der Meynung, man müße, ehe wir zu einer, ohne diese Vorsicht, [160] vielleicht unnützen Wahl schreiten, vorher ein unwiderrufliches Gesetz machen, daß jeder Unterthan Seiner Gnaden, der vom geheimen Konseil zu einem Amte ernennet wird, solches unverweigerlich annehmem müsse, bey schwerer namhafter Pön, er müßte denn solche Gründe vorbringen können, die das Konseil selbst für annehmlich und gültig erkennen würde.«

Hiermit nahm der Herr Kabinetsminister und Schloßpoet seinen Platz wieder ein. Der folgende, Herr General- Ober- Finanz- Domänen- und Oekonomie-Intendant, Herr Georg Detri, ein Mann dessen Art es nicht war viel Worte zu machen, stimmte ganz kurz dem Leibpoeten bey. Herr Staatsminister Peter Fix, als ein Genie, machte schon ein bischen mehr Worte und, obwohl im Grunde mit dem Poeten einig, hatte er doch einige Klausuhle beyzufügen. Die andern Herrn, als der Herr Staatsminister und Ober-Schloß- auch Land-Jägermeister, der lahme Paul genannt, weil er sich eines Stelzfußes bediente, der Staatsminister und Chef von der Garde du Korps (eigentlich der Schloß-Nachtwächter) Hannes Meyer, u.s.w. gaben ohne Umstände ihren Beysatz. Da also des Leibpoeten Vorschlag alle Stimmen hatte, konnten Monsieur le Premier nicht anders als ihn genehmigen, und Seine Gnaden gaben Dero Assent zu der Bill.

Monsieur le Premier hatten nicht die mindeste Ahnung davon, daß der Poet aus altem Groll gegen Seine Herrlichkeit, und das changeante Genie aus angebohrnen Neid, schon längst unter der Hand alle Glieder des Konseils auf ihre Seite gebracht hatten, um das Sauhirtenamt einen Manne aufzuladen, den der erste Minister unter allen Menschen am wenigsten dazu ernennet haben würde; und daß dieses Gesetz eine garstige Falle war, die sie Seiner Herrlichkeit stellten.

[161] Als nun das Gesetz förmlich zu Papier gebracht und behörig paraphiret war, kam man der Sache nähet und der Herr Premierminister schlug vor, einen ordentlichen Wahlaufsatz von tüchtigen Subjektis zu machen, aus denen man einen Hirten wählen könne. Der poetische Minister stand abermals auf, und verwarf diesen Vorschlag, indem er folgendes ab Protokollum gab:

»Mit aller Ehrerbietung, welche Votirender vor der Meynung Seiner Herrlichkeit hat, achtet er einen Wahlaufsatz für desto unnöthiger, da in dem ganzen Gebiete Seiner Gnaden nur ein einziger Mann ist, dessen übrige Geschäffte sich mit einem so beschwerlichen Dienste vertragen. Der Ackermann würde immer seinen Feld und Gartenbau vorschützen und das geheime Konseil würde bey derley Exceptionen acquiesciren müssen, um so mehr, da er mandato generosissimi Domini nostri, sämtliche hohe und niedre Landesbediente, von Seiner Herrlichkeit dahin angewiesen sind, den Landbau besten Vermögens zu befördern. Zudem ist der einzige Mann der eifrigste Patriot in Seiner Gnaden ganzem Gebiete, eine Wahrheit die niemand bezweifeln wird, so bald ich ihn genannt haben werde. Seine ordentlichen Geschäffte sind auch von der Art, daß sie sich mit dem Hirtenamte sehr wohl vertragen. Ich werde nicht anstehen ihn zu nennen, so bald es per majora entschieden ist, daß der Aufsatz entbehrlich und unmöglich sey.«

Die andern Herren verwarfen einstimmig den Aufsatz, bloß Herr Fix nicht, weil er wohl wußte, daß seine einzige Stimme nichts entscheiden würde. Doch drang er mit den übrigen darauf Herr Süß müsse seinen Kandidaten nennen. Dieser erklärte sich hierauf also:

»Euere Herrlichkeit, Monsieur le Premier, sind es selbst, die einzig und allein zu dem Amte, dessen[162] Wichtigkeit Sie uns so eben mit aller Wahrheit und Nachdruck schilderten, wahlfähig seyn können. Dero Hauptgeschäfft ist die Schule, welches ich daher beweisen würde, daß das geheime Conseil zur Winterzeit erst nach geendigten Schulstunden gehalten wird, wenn es eines Beweises bedürfte. Da nun hiesiger Lande des Sommers keine Schule gehalten wird, und des Winters keine Schweine ausgetrieben wergen, auch Dieselben durch die Schularbeiten zur Geduld hinlänglich gewöhnet sind: so gebe ich hiermit mein Votum dem Herrn Premierminister zu der erledigten Sauhirten Stelle.«

Dem Ludimagister schwoll der Kamm. Er wollte das Obstat halten, aber umsonst. Herr Süß überschrie ihn, und behauptete die Wahlfreyheit, verwies ihn auch auf das eben erst gemachte Gesetz. Kurz, der Herr Premierminister und Präsident der historischen Societät ward einstimmig zum Schweinhirten mit dem Titel eines General- Hut- und Weideinspektors erwählet, und Seine Gnaden konnten nicht anders als die Wahl konfirmiren.

Es blieb dem Herrn Minister nichts übrig als sich in Geduld zu fassen, und einstweilen die Sache hinters Ohr zu schreiben. Er war genöthigt sein neues Bahntje durch seine Frau Gemalinn und ältesten Herrn Sohn verwalten zu lassen. Und die Frau Premierministerinn hatte auch eine so vortreffliche Hand zum Hüten, daß das Vieh wundersames Gedeihen hatte. Es währte aber kein halbes Jahr, so fand Herr Schwalbe eine schöne Gelegenheit, es dem Herrn Leibpoeten einzutränken. Der Küsterdienst an der hochadlichen Pfarrkirche wurde vakant, und in Ermangelung eines andern Subjekts mußte sich der Herr Schloßnachtwächter, oder Chef von der Garde bequemen, Küster zu werden, weil er sein Wächterhorn recht taktmäßig blies, und eine schöne Stimme hatte, die Stunden zu rufen. Da wußte [163] es nun der Prämierminister so zu karten, daß der Herr Leibpoet den Nachtwächterdienst übernehmen mußte.

Wie aber zuletzt mein lieber ehrlicher Pfarrer starb, dessen Geschichte ich mit nächsten auf Subscription drucken lassen werde: da nahm das Indigenat ein Ende, weil in ganz Lindenderg kein Eingebohrner war der Theologie studiret hatte, und das Konsistorium keinen untheologischen Pastor anerkennen wollte.

23. Kapitel

Drey und Zwanzigstes Kapitel.
Welches noch nicht das letzte in diesem Buche ist.

Seine Gnaden hörten aus der Zeitung, daß in Wien ein neues Schauspiel von Stephanie mit vielem Beyfall aufgeführet sey, und erkundigten sich stracks, was es mit solcherley Dingen für eine Bewandniß habe. Zu allem Glück war der Schloßpoet bey dieser Erkundigung zugegen, der im Stande war, Seiner Gnaden hinlängliche Auskunft zu geben, weil Monsieur le Premier es nicht so recht deutlich machen konnten, was eine Komedia und ein Theatrum sey. Der Poet hatte sogar in seiner sehr mignonnen und ponponnen Bibliothek einige theatralische Sachen, die er holen ließ, um dem Edelmann das Ding recht begreiflich zu machen. Der dirigirende Minister mußte vorlesen, und so erbärmlich er las, fand der gnädige Herr doch an der Minna von Barnhelm so viel Behagen, daß er plötzlich ausrief: Kriege Lust zu den Kram. Hagel noch mal, das ist schnurrig! Manister Lektoris, weiß er was? Will auch ein Triatrum anlegen.

Dem Minister war nicht leicht ein Anschlag zu abentheuerlich; und die zierliche Gerechtigkeit bequemte sich gern zu allem, wobey es Accidenzen gab, und disponirte den Secretär und Verwalter eben dahin. Die Herren beruhigten sich, außer der Beruhigung [164] die feile Seelen allemal in dem Anwachs der Einkünfte finden, damit, daß das größte Theil des Lächerlichen, wenn auch das Gerücht davon über die Grenzen des abgelegnen Gütchens kommen würde, auf den gnädigen Herrn fiel. Kurz, das Theater ward, wie jede Thorheit, allgemein beliebt. Der Kuhstall, wo die Viehstände rechts und links die natürlichsten Koulissen von der Welt machten, war der Schauplatz. Minna von Barnhelm hatte, als die erste Komödie, die dem gnädigen Herrn vorgelesen war, den stärksten Eindruck auf ihn gemacht, also war sie auch die, womit das Lindenbergsche Triatrum eröffnet wurde. Die Frau Schloßpoetinn hatte just einen hysterischen Zufall von großer Heftigkeit, und konnte nicht mitspielen. An ihrer Stelle mußte man sich dann nach einer andern Minna umsehen.

Es lebte in dem Dorfe Lindenberg, im Hause eines Bauren, eine alte ein und sechzigjährige französische Mamsell, aus mir wohlbekannten Ursachen, inkognito vel quasi. Sie hatte weiland zu Prag, der Hauptstadt im Böhmerland, als Französinn oder Gouvernante gedienet, sah sich aber genöthigt, das Königreich Böheim zu verlassen, und zog nach Sachsen, in die Polackey, wieder nach Sachsen, nach Braunschweig, Hannover, Magdeburg, Berlin und Spandau; hatte aller Orten merkwürdige Ebentheuer, und lebte jetzt im Pommerlande. Sie hatte, Kasu, das rechte Auge verlohren, konnte aber mit dem linken noch ganz gut sehen, und sprach – nicht Kasu – stark durch die Nase. Der Edelmann konnte sie nicht leiden, weil sie aus Frankreich war, jetzt aber mußte er aus der Noth eine Tugend machen, und dieß holde Geschöpf repräsentirte die Minna.

Des Edelmanns Haushälterinn, eine feine Matrone, lud sich Franciska auf den Nacken. Sie hatte [165] [167]sich wohl einmal in ihrer Jugend das Sternum entzwey gefallen, daher denn unter ihrem spitzen Kinn ein so merkliches Vorgebirge hervor ragte, daß das ehrliche Weib nicht wußte, wie ihre Knie aussahen: aber das that nichts zur Sache, sie machte darum ihre Franciska flott weg. Die männlichen Rollen waren nicht weniger gut besetzt. Den Grafen von Bruchsal machte der Edelmann selbst, weil es die vornehmste Person im Stücke war, wiewohl er, als Soldat, auch zum Oberstwachmeister herzlichen Appetit hatte. Da er aber sein Gedächtniß nicht überladen wollte, fand er für gut, sein Part, wie ers nannte, aus dem Buche herzulesen, worinn ihn, weil er die edle Lesekunst lange nicht mehr getrieben hatte, der Herr dirigirende Minister fleißig üben mußte, so daß er ohne eben sehr oft anzustoßen, damit fertig würde. Den Tellheim machte der Jäger mit dem Stelzfuße, und der Herr Schloßpoet den Wachmeister. Der Oberkammerherr Christian stellte den Wirth vor, u.s. weiter.

Er hatte sein Wesen geraume Zeit mit dem Theater. Aber zuletzt, wie denn alles vergänglich ist, zerfiel es durch einen witzigen Einfall der Frau Schloßpoetinn. Diese vornehme Dame war zu Zeiten sehr vornehm, und fand es abscheulich tief unter ihrer Würde, eine Rolle in einem Schauspiele zu übernehmen. Da man aber doch nicht sein Lebenlang hysterische Zufälle haben kann, ohne sich selbst gewaltig zu inkommodiren, so mußten die ihrigen auch ihre Lucida Intervalla haben. In einem solchen Zwischenraume, da andre Ursachen es foderten, daß sie schlechterdings gesund seyn mußte, drang ihr der Edelmann die Rolle der Lise, im Bauer mit der Erbschaft, auf. Dieß war sein rechtes Leibstück, und er beschloß, selbst den Jürgen zu machen. Alles gieng auch recht gut, bis man an die zwote Scene kam, wo Jürgen seine Frau unterrichten will, wie sie sich nun, da sie vornehme Leute geworden, aufzuführen habe. [167] Hier will Jürgen seine Liese in der Galanterie unterweisen, setzt den Fall, er wäre nicht ihr Mann, sondern ihr Liebhaber, und fragt, wie sie sich bey einer Liebeserklärung nehmen würde? sagt ihr nach seiner Art Douceurs, fällt auf die Knie, und fragt: wat wullt du woll darop seggen?

Lise. Wat ick darop seggen will? Jürren? Ih! wiß un warhaftig, jüh! erst stöt ick die vör de Pauß.

Sie begleitete diese Worte mit einer so heftigen Aktion, daß Seine Hochwohlgebohrne Gnaden beynahe rücklings übergeschlagen wären. Als er wieder zu Athem kam, und die ersten Schmerzen überwunden waren, da hätte man die Wuth des Edelmanns sehen sollen, die durch das laute Gelächter der Dame noch vermehret wurde. Sie unter den Arm gleich einem Bündelchen nehmen, zum Viehhause hinaus fliegen, und die Frau Schloßpoetinn kopflangs in die Pferdeschwemme stürzen, das war geschehen, ehe man eine Prise Toback nimmt. Man hatte Mühe, sie zu retten, denn der tobende Junker wollte sie durchaus ersäufet wissen. Und als man sie dennoch heraus zog, bestand er lange darauf, sie sollte lebenslang im Hundeloche sitzen, und den niedlichen Justitiarius wollte er schlechterdings mit Schimpf und Schande aus dem Schlosse karbatschen lassen. Die vereinigten Fürbitten des gesammten Hofes, selbst die dringenden Vorstellungen des Herrn Premierministers wären beynahe zu schwach gewesen, diese strenge Sentenz zu mildern. Der Staatsminister und Generalintendant über die Taschendruckerey Herr Peter Fix, hatte noch den gesunden Einfall, Seiner Gnaden vorzustellen, es würde ein großes Aufsehen in der Welt machen, wenn in allen Avisen stände, Seine Gnaden hätten einen solchen Vorfall selbst und in der ersten Hitze entschieden, ohne Ihr geheimes Kunseihl zu Rathe zu ziehen.

Das machte Eindruck. Die Sache ward dem [168] Konseil übertragen, und dahin entschieden, daß die Frau Schloßpoetinn in einem Kleide von Sackleinwand mit fliegenden Haaren, barhaupt und barfuß, im großen Konseil erscheinen, beym Eintritt, mitten im Saal, und drey Schritt vom Sitze Seiner Gnaden, also in allen dreymal auf ihre ruchlosen Knie fallen, das letzte mal liegen bleiben, und in Ausdrücken, die das Konseihl vorher schriftlich eingereicht haben wollte, ihr Verbrechen bekennen, die Gnade Seiner Hochwohlgebohrnen anflehen ...

»Halt da! Blix noch mal, Halt da! rief der Junker, als man ihm den Schluß des Konseils bis hieher vorlas. Streicht das all man aus. Soll mir nicht vors Gesicht kommen, das Thier! Soll mir aus'm Hause! und damit aus.«

Dabey blieb es denn. Der poetische Staatsminister verlohr Tisch und Wohnung auf dem Schlosse, und mußte sein Quartier im Dorfe suchen. Doch durfte er seine Stelle als Chef von der Leibgarde nicht niederlegen. Ueber diesen Zufall wurden die theatralischen Repräsentationen eingestellet.

24. Kapitel

Vier und zwanzigstes Kapitel.
In welchem der Leser nach Belieben Abschied von Seiner Gnaden nehmen kann.

»Hör er mal, Manister Fix Aviseninspekter, druck er mir mal 'n Dingschen, wo in steht, daß ich alle Tage um 4 Uhr Nachmittags an jedermann öffentlich Audienz geben will. Kann sichs von dem Manister Lektoris man aufschreiben lassen.«

Zu dienen Ihr Hochadlichen Gnaden.

»Hör er mal, und laß er das an alle meine Unterthanen austheilen. Sollen man alle zu mir kommen, wer was zu klagen oder zu bitten hat.«

Ja Ihr Gnaden.

[169] Darinn ahmte der Junker dem Pabste nach, von dem ihm aus der Zeitung vorgelesen war, daß er um 4 Uhr jedermann vor sich ließe. Ihm dünkte dieß sehr gut für sein Land und Leute. Als ihm der Zettel gebracht und vorgelesen wurde, der sich mit den Worten anfieng: Seine Hochwohlgebornen Gnaden u.s.w. rief er: »Halt da! streicht das man aus, und setzt Exlens für hin. Das ist kürzer, und da ich in das Minnastückschen doch Graf war, kann das man mein Titel bleiben. Nicht wahr, Manister Ordinari, brauche mir da keinen Schrupel über zu machen?«

Ganz und gar nicht, Eu'r Excellenz.

Hier könnten wir für diesesmal unsre Nachrichten von dem ehrlichen Edelmanne im Pommerlande beschließen, und was mehr von ihm zu sagen ist, (das denn ein wenig mehr ins Große läuft, da Seine Excellenz bey aller Ihrer Großmuth und – Grillen bey weiten ihre Einkünfte nicht verzehrten, und, da der Ueberschuß sich sehr gehäufet hatte, denselben zum Ankauf mehrerer Güter verwendeten;) auf ein andres Büchlein versparen: aber der Orden, den er stiftete, scheint uns so merkwürdig, daß wir ihn nicht wollen verlohren gehen lassen, wenn wir ja vor Vollendung des andern Büchleins aus dieser Welt scheiden müßten; denn mit einem ältlichen und schwächlichen Autor ist es, wie mit jedem Menschen, oftmals bald gethan.

Wir machen hier zwar einen Sprung bis in die letzten Tage Seiner Excellenz, aber das ziehen wir uns dermalen gar nicht zu Gewissen, da wir in diesem unsern ersten Siegfriedbuche uns überall an die Chronologie nicht sehr gefesselt haben.

Der Edelmann hörte demnach kurz vor seinem Ende, da er schon so alt war, daß er mit dem Kopfe wackelte, daß ein doppelter Orden, ein silberner verguldeter, und ein bloßer silberner, mit [170] verhältnißmäßigen monatlichen Einkünften, für brave Soldaten gestiftet sey. Diese Idee gefiel ihm herzlich. Er künstelte mit seinem Konseil gar lange daran, sie nachzuahmen. Endlich erfand er für verdiente Leute einen lakirten und einen nicht lakirten Orden. Die Mitglieder des ersten hatten monatlich einen Tag frey Danziger und Knaster; und dir des zweyten, einen Tag frey Bier und Kardues.

Und hiermit rekommandiret sich Junker Siegfried von Lindenberg, bis aufs Wiedersehen, dem günstigen Leser zu geneigtem Andenken.

25. Kapitel

Fünf und zwanzigstes Kapitel.
Mein moralisches Kapitel.

Predigen mag ich nicht gern. Es ist auch meines Amtes nicht. Aber in jedes Büchlein das ich schreib, mogte ich doch gern hie und da eine gute Lehre in ein und andern Winkel verstecken, und eine Decke von Filet davor hängen, daß, wer am Mittage ohne Licht sehen kann, was hinter dem Vorhang war, leicht finden konnte. So hab ich es auch in diesem Buche zu machen mich besten Vermögens bestrebet. Da diese Art aber manchen Leuten die durch ein bischen Filet nicht sehen können, nicht recht seyn muß, weil sie wo nicht Predigten, doch eine Hauptlehre worauf jedes Theil des Ganzen zielt, wie alle Nadii eines Cirkels ins Centrum, verlangen, welche am Ende des letzten Kapitels ein bischen Handgreiflich angezeiget seyn soll: so muß ich diesen Leuten wohl in etwas zu Gefallen seyn, und eine mit dürren deutlichen Worten ausgedruckte Lehre hersetzen, obwohl sie aus meinem Buche in keine Wege herzuleiten ist, und weder jedes – noch überall ein einziges Kapitel auf dieselbe, wie der Radius auf das Centrum zielet.

[171] Diese meine Lehre lautet aber also:
Rauche nicht stracks auf die Mahlzeit Tobak, sonst ziehst du die Indigestionen zu.
Nun sage mir kein Mensch mehr, daß man aus meinen Schriften nichts lernen könne!

26. Kapitel

Letztes Kapitel.
Welches so kurz ist, und den Leser so wenig angeht, daß es nicht der Mühe lohnt, den Inhalt drüber zu setzen.

Und nun, mein Büchlein, du meiner Hände fröhliches Werk, sende ich dich in die Welt. Die freundliche Muse unter deren Lächeln ich dich gebahr, wolle dich auf deinem Pfade durch die Hände unzähliger Leser geleiten, ehe du den Weg alles Papiers gehen mußt! Das ist mein väterlicher Segen, den ich dir mit auf die Reise geben. Halte du, weil ich das Inkognito beobachte, dich darum nicht für ein Vaterloses Kind noch für einen verlaßnen Waisen; ich schäme mich deiner nicht. Dulde es, wenn jemand dir sagt, deine Nase sey schief, oder du hättest viel Sommersprossen und Leberflecken; ich will es auch dulden; denn, gesetzt – was doch nicht immer seyn wird – der Jemand hätte Unrecht, so wirst du darum keinen einzigen Flecken kriegen den du nicht wirklich mit auf die Welt gebracht hast. Sagt aber jemand, du seyst ein Bösewicht, dann sollst du sehen, das du nicht Vaterlos seyst. Oeffentlich will ich dich dann für mein Kind erkennen, deine Sitten deren Unschuld ich am besten kennen muß, vertheidigen und rechtfertigen, deine Ehre retten, und deinen Verläumder zu schanden machen.

So zeuch deine Straße in Friede! Den Allerdurchlauchtigsten Großmächtigsten, Gnädigsten, und so herunter jedem Leser bis zum ehrbaren Bürger [172] magst du, ohne auf Rang und Stand zu sehen (wir sind alle Menschen) meinen freundlichen Gruß entbieten; den Kritikern begegne höflich und lehrbegierig; sie können deine Nase, wenn sie wirklich schief ist, vielleicht gerade rücken, oder dir wenigstens ein Mittel wider die Leberflecken und Muttermaale sagen, und das nimm mit Danke an. Die Kritikaster und Kritikakler magst du meinentwegen über die Schulter ansehen; und die Buben, die ehrlichen Schriftstellern straßenräuberisch und meuchelmörderisch, a la Anzeige, aufpassen, wo du einen solchen findest, und wenns in der angesehensten Gesellschaft wäre, so reiß ihm die Maske ab, und tritt ihn unter die Füße. Ich will dir beystehen, und dich schützen, wenn's auch wieder den General dieses leichten Gesindleins wäre.

Führe dich, wo möglich, so auf, daß ich dich zum zweyten mal ausschicken könne. Suche in solchen Häusern einzukehren, wo irgend ein guter Mensch unter seiner Bürde seufzet, und versuchs, ob du ihm sein Bündel ein wenig leichter machen kannst. Dann bist du in meinen Augen ein verdienstvolles Geschöpf. Sey gegen jede ehrliche Seele so heiter, daß keine Falte der Stirn gegen dich bestehen könne. Nur, wenn du etwa ihrem Grabe nahe kömmst, dem stillen einsamen Hügel unter welchem sie schlummert, die mir so schnell entrissen wurde! die ich schmerzlicher verlohr, als der welchgeschaffne Jüngling sein zärtliches Mädchen; schmerzlicher, als der fühlende Mann die geliebte Mutter seiner Kinder! um die ich klagen werde, so lange ich klagen kann! Kömmst du zu dem Grabe dieser Theuren, zu dem ich jezt traurig eile, so verstumme deine Freude! [173] so schalle, durch dich erweckt, kein Lachen! so wandle die Muse der ich dich empfahl, und bei dich wenn du größer wirst, ich sehe es vorher, zu dem ehrwürdigen heiligen Hügel führen wird, ihr freundliches Lächeln in frommen Gram.


O! daß du allein mich hier verstehst!

Aber, geh in Frieden!

[Titelblatt und Vorrede zur zweiten Auflage]

[174] [177]Siegfried von Lindenberg

Inspicere, tanquam in speculum, in vitas omnium Suadeo, atque ex aliis sumere exemplum sibi.

Terent.

Erster Theil.
(Zweyte rechtmäßige, und durchgehends
geänderte Ausgabe.)

[177][179]

Vorrede zur zweyten Ausgabe.

Dem Himmel sey Dank, lieber guter Leser! wir sind uns nun nicht mehr so fremd, als da ich mit meinem Siegfriedbüchlein zum erstenmal ins Publikum schritt. Du glaubst nicht, wie behaglich mir das sey, mir, der ich nirgend lieber als unter alten Bekannten bin, daß ich, da Du mit dem, was ich Dir nach meiner Wenigkeit in gedachtem Werklein aufzuschüsseln vermogte, so ziemlich freundlich fürlieb nahmst, nunmehro Deiner Majestät, Durchlaucht, Hochgebohrnen, oder – Hochedlen – was Du nun gerade bist, als ein alter Bekannter treuherzig die Hand bieten kann.

Zwar, wärest Du – und das kann sich gar wohl zutragen, da ich diesen meinen neuen ersten Theil so gut als den alten, und auf eben den Fuß, dem guten biedern Nicolai und der hohen [179] Ottomanischen Pforte hiermit, respektive ergebenst und in tiefster Devotion, dediciret haben will; – wärest Du also gerade eine Majestät, so mögte mancher, der noch nicht weiß, wie kordat die Schriftstellerchen heuer mit Königen und Kronprinzen in Büchern, Vorreden und Dedikationen zu reden pflegen, es für sehr zutäppisch erklären, daß ich so antik und Deutsch Dir die Hand biete. Aber mögen sie doch, lieber Sultan! Wenn nur Deine Majestät sich nicht dran stößt, so mag sich meinetwegen die eingebildete Majestät jedes Mufti, Iman, Thorschreibere, Kommissionsraths, – oder wer sonst wähnet, ein rechtschaffner Mann ehre ihn mehr durch einen krummen Rücken als durch einen biedern Gruß, dran stoßen. (Diese Leutlein kennen meine Art nicht: wem ich die Hand biete, von dem hab ich sicher eine gute Meynung – denn ich halte meine Hand ein wenig in Ehren, einen neuen Hut aber kann ich für etliche wenige Gulden wieder kaufen, drum nehm ichs mit dem nicht so genau.) Da wollt ich ohnehin drauf schwören, daß ich überall schiedlicher [180] und friedlicher mit Dir aus einander kommen werde, als mein erstes Siegfriedbüchlein mit den Einwohnern eines kleinen Fleckens im Lande zu Schwaben. Denn, wir können nichts mit einander auszumachen haben, sobald Deine Majestät – wie sie denn ohne die größeste Ungerechtigkeit nicht anders kann – sich nur versichert hält, daß ich Dich, obgleich Du Sultan bist und ein Muselman, wegen des wichtigen Postens eines Monarchen, welchen Dir eben der Gott vertrauete, der dem Muselman so wohl als dem heiligen Vater zu Rom und dem Oberrabbiner zu Berlin Leben und Daseyn gab, eben so herzlich ehre, als wenn Du der Allerchristlichste König wärest, – wenn Du anders, wie ich zu Deiner Kaiserlichen Majestät das veste Vertrauen habe, ein guter Mann bist. Und – nimm mir das nicht übel, großer Sultan! – ein guter Mann zu seyn, ist Deine Schuldigkeit nicht mehr und nicht weniger, als es die meinige ist. Zwar giebt es einige Leute, die dafür halten, je größer und vermögender einer sey, desto mehr sey er verbunden, ein guter Mann zu seyn: ich [181] aber mögte wohl hören, womit sie das beweisen wollten? Denn ich, der ich das Glück habe, kein König zu seyn, war, so lange ich Rechts und Links unterscheiden konnte, steif und vest der Meinung, es sey, was diesen Punkt betrift, keiner von allen, die aus Noah's Kosten herstammen, vor dem andern von Gott mit einem vorzüglichen Berufe begnadigt; und hier ist mein Beweis, von dem ich wohl einmal wenn Dirs nicht zu viel Mühe macht, zu erfahren wünschte, ob er Deiner Ottomanischen Majestät einleuchtet. Der Sultan, sag ich, ist Mensch, ehe er Sultan, und der Bettler ist Mensch, ehe er Bettler ist. Mensch ist also hier die Hauptsache; Despot oder Bettler sind zufällige Nebenumstände. Da nun gut seyn, so sehr er kann und vermag, des Menschen Pflicht ist, (cf. Bibel, Koran, und Vernunft,) und der Bettler so wohl vom Weibe gebohren ist, als der Sultan: so fließt daraus der Schluß, daß einer wie der andre all sein bischen Kraft anstrengen müsse, so gut als möglich zu seyn. W.Z.E.W. Alles, was Deinesgleichen voraus haben, ist, daß jede [182] Minute ihres Lebens ihnen Gelegenheit giebt, zu beweisen, daß sie gut sind; da im Gegentheil der Bettler oft sein ganzes Leben hindurch vergebens auf eine unzweydeutige Gelegenheit warten kann, darzuthun, daß Adel der Seele vielfältig mit Dürftigkeit gepaaret sey, und ächte Größe und Güte des Herzens gar wohl unter einer Hülle von Lumpen wohnen könne. Aber das ist auch vielleicht das Einzige, was Deinesgleichen neidenswerth macht – (wenn ihr bey allen eueren Lasten und Sorgen, und der schweren Rechenschaft, die ihr vor dem Throne des ewigen Monarchen zu geben habt, überall neidenswerth seyd –) und stehet der Wahrheit nicht im Wege, daß der Mann in Lumpen obgezeigtermaßen einerley großen Beruf mit Euren Majestäten, Durchlauchten, Hochgebohrnen, u.s.w. habe. – Bist Du also, wie ich sagte, überzeugt, daß ich, unbekümmert, ob Du und Deine Unterthanen beschnitten oder unbeschnitten sind, in Dir den Gesalbten Gottes ehre, den Mann, den die Vorsehung mit der Gewalt rüstete, Millionen meiner Brüder glücklich oder elend zu [183] machen: so wüßt ich nicht, was wir mit einander zu theilen haben könnten. Indessen, was dickgedachter Marktflecken im Lande zu Schwaben mit mir und meiner unbedeutenden Autorschaft zu theilen haben könnte, wüßt ich eben so wenig, und doch erhoben einige Leutchen in demselben den Kamm, und kräheten so laut, daß ich, zu Handhabung der Gerechtigkeit, bey nächster Gelegenheit doch wohl einmal nachsehen muß, ob nicht ich irgend etwas mit ihnen zu theilen habe? – und wäre das der Fall, so wünsch ich herzlich, es möge das, was auf ihr Part kommen wird, ihnen keine Indigestionen verursachen.

Aber vielleicht amüsirt es Deine Majestät und befördert Dir die Digestion, wenn ich Dir das Döhnchen wenigstens zum Theil erzähle. Und weil es leichtlich zu Etwas gut seyn kann, wenn du an dem Tage, da Dir diese meine renovirte Dedikation zu Gesichte kömmt, gut verdauest – sollte Dir auch nur ein von allen Menschen und Freunden verlaßner oder unterdrückter armer Teufel (traue das meiner Weltkenntniß, [184] die ohne Zweifel, so gering sie ist, ein bischen mehr umspannt, als die Weltkenntniß aller Sultane zusammen genommen, solchen Leuten bist Du die mehrste Aufmerksamkeit schuldig, weil die Großen und Reichen schon für sich selbst sorgen werden, und die Dummköpfe und Schurken vom Himmel versorgt zu seyn pflegen;) ein Memorial präsentiren, oder ein von Buben kommentirter Autor ein Buch dediciren – so thät ich Sünde, guter Sultan, Deiner Hoheit das Geschichtchen vorzuenthalten. Ich erzähle Dirs übrigens ohne allen Eigennutz, und will eben nicht, daß Du mich aus Dankbarkeit, daß ich Dich zu amüsiren suche – denn ich weiß, ihr Sultane seyd sehr erkenntlich – zum Bassa von einem Vierteldutzend Roßschweifen ernennest, wie weiland einer von Deinen glorwürdigen Vorfahren dem Bassa Bonneval thät, der ihn – eben nicht amüsirte.

Daß ein saubergebundnes Exemplar meines Büchleins nach Konstantinopel kam, war nun wohl kein Mirakel, weil mein damaliger Verleger Deiner Majestät das Dedikationsexemplar [185] zugefertiget hat. Aber, wie sich mein Werkchen in die Hände gewisser Schwäbischer – Leser verirret haben mag, das würde mir vielleicht in eben dem Maaße zu rund seyn, als diesen – Lesern meine Schrift, wenn ich mich nicht ein wenig besser aufs Quadriren verstände, als diese Leutlein auf Bücher. Doch, im Grunde verschlägt mir das auch nichts; und gesetzt auch, es läge mir so viel an diesem Wie? als meinem Nachbar, so findet sich wohl an einem andern Orte Gelegenheit davon zu reden. Genug, mein Büchlein kam durch Vorschub einiger Leute, die was bessers hätten thun mögen, als ihr ohnedem schon vollgerütteltes Sündenmaaß zugleich mit dem der armen Sünder im Schwäbischen Kraise zu häufen, vermuthlich unter einer Partey kontrebander Waaren, in jenen Winkel des Landes zu Schwaben.

Nun residirten unter dem Thore des Oertleins ein kleines winziges Ding von Visitaterchen, und ein großer Lümmel von Thorschreiber. – Umgekehrt wär's besser gewesen: aber es war nun so. Dieser mogte Kammerdiener bey einem [186] Deutschfranzosen gewesen seyn, denn er französirte excellent. Jener, das weiß ich gewiß, war etliche Tage in Gesellschaft eines Savojarden, dem eine Marmotte sein tägliches Brodt bescherete, gewandert, und hatte dem lüstigen Burschen ein Paar Bissen Italiänisch abgestolen, mit welchen er wundersam stolzierte, und kecklich vorgab, er habe Florenz und Rom und des heiligen Peters ganzes Patrimonium gesehen.

»Corpo di Bacco! sprach der Visitator zum Thorschreiber, was ist das? – S, i, e, g. Sie; f, r, i, e, d, vert, Sievert von Lindenberg? – Che mi venga la rabbia, Herr Konfrater, wenn ich weiß, ob ich das Dings einpassiren lassen darf! Sievert von Lindenberg! –Cospetto! das könnte wohl gar auf unsers Herrn Gerichtsschultheiß Gestrengen gehen, denn es klingt ackerat als Sievert von Lünzelberg.«

»Parbleu! thät der Thorschreiber repliciren. Vous avez verdammt viel Kopf, Monsieur Confratèr! 's Teufels bin ich, wenn Sie nicht alle Tage kapabel wären, Thorschreiber zu werden.«

[187] »Vossignoria belieben zu scherzen, Herr Konfrater! Aber ...«

»Je me donne au diable, wenns nicht mein Ernst ist, Herr Konfrater! Malpeste! Vous n'avez pas l'esprit bouché.«

»Nu, nu kann seyn. – Aber mit vostra licenza, Signore Confratello, daß ich nach Ihrer Meynung frage: was denken Sie, soll ichs einpassiren lassen?«

»Eh! Vertu de ma vie! pourquoi non? vor allen, wenns wirklich auf den Gerichtsschultheiß gehet.Pardi! lassens immer passiren. u.s.w.«

Die beyden Esel beleuchteten das Ding noch ein wenig, und bekonfraterten einander nach der Tablatur, bis zuletzt der skrupulöse Visitator, der so schön buchstabiren konnte, die Argumenta des politischen Thorschreibers, der so gern französisch sprach, goutirte; und so kam das Büchlein in den Ort. Aber die Untersuchung des Gesindels im Thor war doch noch früher hineingekommen, und schnell wie ein Lauffeuer lief das Gerücht von Schnabel zu Schnabel, von Haus zu Haus: es sey ein leidiges, verdammtes, [188] vermaledeietes Ding von einem Buche angekommen, worinn das ganze Oertlein Mann für Mann auf eine unerhörte Art seinen Lex bekäme.

Ich entsinne mich, wohl eher an der Stubenthür einer Dorfschenke einen zierlichen Holzschnitt gesehen zu haben, auf welchem eine ganze Gemeinde mit Spießen und Stangen, schwerem und leichtem Geschoß, Heugabeln, Dreschflegeln, und allem gerüstet, was nur irgend eine Trutzwehr vorzustellen bastant ist, zu Felde zog wider – einen Rochen. 1 Sogar, wenn ich nicht irre, war auch der Priester mit Sprengwedel und Weihkessel, und geweiheten Kerze bey der Hand, den argen Feind zu exkommuniciren. – Wer weiter keine Waffen hatte, brachte wenigstens ein ungezogenes Maul mit und schamlose [189] Sitten. Natürlich so gemahnen mich die Herren aus jenem Winkel des Schwäbischen Kraises, denen wohl ein Buch ein eben so fremdes Ding seyn mag, als jenen Bauren, deren Heimath der Holzschnitt nicht angiebt, ein ehrlicher Seefisch. Denn, schauts! die Väter des Fleckens in ihren großen Perüken und Amtsmänteln thäten halter auf dem Stadthause drob deliberiren; der liebe geistliche Herr zog sich das Ding zu Gemüthe; die Bethschwestern vergaßen Schmolken und Verläumdung; Ursula erröthete zum erstenmal vor ihrem Wucher, und schlug kläglich, mit einem: Ach, Herr Jesus Christus! die Hände über den Kopf zusammen; und zusammen steckten ihre schaalen Köpfe selbst, in der Schumacherherberge und dem Schneidergildhause, halter die weisen Kannengießer unter den ehrsamen Bürgersleuten. Kurz, die Kreti und Plethi kakelten unter einander; die Spinnstuben schallten wieder; in den Wochenstuben hörte man nichts anders; bey den Gevatterschmäusen wars halter der ewige Fladen; die Stricknadel wackelte nicht, die Spindel [190] stand still, und, schauts, der Eimer am Born blieb schweben. Das war ein Gehaltre und Geschautse vom Henker! Jeder wußte haarklein alle die heillosen Dinge, die in dem Buche – – nicht standen; wußte auf ein Haar, von wem der Edelmann seinen Sarras, der Justitiarius sein Kartonhütlein, und der Ludimagister seinen Dornstock entlehnt habe; wußte auf ein Haar, daß Freundschaft, Rechtschaffenheit, Achtung gegen würdige Männer, und was weiß ichs? von dem ruchlosen Verfasser dieses ehrvergessnen Buchs gottloser Weise unter den frevelnden Fuß getreten wären; wußte, daß Staat und Menschenliebe, Kaiser und Könige, Ludwig der sechzehnte und die Grafen von Reuß, – und ich glaube wahrhaftig gar der liebe Gott oben drein, ärgerlich und lästerlich in dem giftigen Büchlein angetastet wären. Ein Duns erzählte die neue Mähr dem andern Dunse, und, schauts! bey allen thäts halter so glatt hinunter gehen, als wärs ein Fadensüpple – Zwar trat ein Biedermann auf, nahm eine Priese aus seinem Riechbüchsle, bot den Umstehenden desgleichen, [191] und bewies: es sey der Menschheit nit sönderlich ehrsam, daß eine Menge Menschen sich selbst herabwürdige, bloß in Meinung und Absicht einen andern herabzuwürdigen, und – was das Abgeschmackteste sey, – alles das auf Hörensagen, alles das auf Treu und Glauben etlicher Laffen, die im Thore eins und anders aus dem geistreichen Dialog der beyden Genies aufgeschnappt, und bey der Gelegenheit etwa hie und da ins Büchl hineingeklotzt haben mögten. – Aber das war in den Wind geredet.

Unterdessen nun, lieber Sultan, daß das Geträtsch so einige Tage dauerte, lief allmählich das Buch von Hand in Hand, und einige Leute verwendeten sogar die etlichen Groschen an ein eignes Exemplar, welches sie um so leichter erhalten konten, da ein wohldenkender Mann zu Leipzig aus treuem Eifer fürs gemeine Beste so ehrlich es mit dem Verfasser meynte, durch einen Nachdruck die Exemplare der ersten Ausgabe zu vervielfältigen, die der Verfasser aus weit besserem Eifer fürs gemeine Beste in einer ersten Ausgabe nicht vielfältig haben wollte. [192] Da sah denn nun allerdings, wer Augen hatte zu sehen, daß das Büchlein unter dem Zuschnitt eines Romans nichts weiter sey, als ein menschenfreundlicher Versuch, denen, die trauriges Herzens sind, ein halb Stündchen wegzuscherzen, dessen Verfasser allem, was Gut und Groß ist, gern und freudig Gerechtigkeit widerfahren läßt, ob er gleich hie und da über das seruum pecus imitatorum sein Gelächter hat, hie und da der Büberey einen Rippenstoß giebt, und der Geckenhaftigkeit ihr Schellchen an das Käppchen heftet. Man sah, daß er sich bemühe, aus der Welt hinauszulachen, was unsre Weisen hinausmoralisiren, und unsre Eifrer hinauspoltern wollen; daß er da und dort eine nicht unerhebliche, und unter andern den Eltern vorzüglich die Wahrheit predige, es sey nothwendig, den Charakter und die Anlagen ihrer Kinder sorgfältig auszubilden und zu entwickeln, oder durch Leute, die dazu tüchtig sind, ausbilden zu lassen, im Fall sie selbst sich zu einem so wichtigen Geschäft zu schwach fühlen; daß er zeige, man könne bey der edelsten Geburt und ungeheuren Glücksgütern, [193] selbst bey der herrlichsten Anlage und dem treflichsten Herzen, ohne Bildung und nothdürftige Kenntnisse nichts anders als ein lächerliches Original und ein Spiel der Buben seyn. Man sah ferner, daß der Verfasser unglücklicher Weise ins Wespennest der Thoren stöhre, und andre dergleichen gar löbliche Dinge mehr, welches alles Du, weiser Sultan, ebenfalls gesehen haben wirst. Man sah auch, daß es seine Art sey, alles mit lachendem Munde zu sagen, und daß er sich in seiner Vorrede und sonst wider Buben und desgleichen hinlänglich verwahret habe. Aber kein einziger verständiger und redlicher Mann sah in irgend einem Winkel des Buchs ein Tittelchen, weswegen dem Verfasser, sogar unter dem willkührlichsten Despotismus eines Bassa in einer der Provinzen Deines großen Reichs, auch nur Ein Haar gekrümmet werden könne, geschweige denn im heiligen Römischen Reiche, in Pohlen (obgleich der böse Skribent dieses Land ärgerlicher Weise die Polackey nennet,) in Schweden, Dännemark, Berlin, Paris, der Moskowiterey, u.s.w. Kein[194] vernünftiger Mann bemerkte, daß der Verfasser über Kaiserliche, Königliche und Fürstliche Verfügungen spotte; wohl aber sahen sie, daß er den Kindern die Ruthe gebe, die Gefahr liefen, in Großvaters Pantoffeln zu stolpern und das Näschen zu quetschen, indem er die flachen Kopien ächter Größe, die aufgebläheten Frösche neben dem Stier, zurecht zu weisen suche, die von der Spitze ihres Misthaufens soviel zu übersehen glauben, als vom Gipfel des Blocksberges; die oft aus guter Meynung, oft aus Baurenstolz, oft aus Unverstand mit wirklicher Größe des Charakters verbunden, in ihren armseligen vier Pfählen, und in dem Bezirk ihres Dörfleins den Monarchen machen, was im Großen möglich ist, im Kleinen für möglich halten, auf dem Schlosse Lindenberg einen Staatsrath errichten, und in einem abzuspannenden Dörfchen das Indigenat einführen, ihr Geld zu Stiftungen und Anstalten vertändeln, wodurch in der Welt – das heißt hier: in dem Cirkel, der sie umgränzt, nichts gebessert wird, u.s.w. Man sah, daß er sich bemühe, in ein und anderm [195] auffallenden Exempelchen zu zeigen, wie kläglich es einem Manne von Stande, Vermögen, und einiger Bedeutung stehe, wenn es in seinem Hirn so öde und leer ist, daß man seine liebe Noth hat, ihm die faßlichsten Dinge begreiflich zu machen, u.s.w. Man sah, daß er es für ein ganz gutes Ding halte, Genie zu haben, obgleich er es sehr abgeschmackt finde, wenn Tölpel, Windflügel, Schwätzer und Hasen sich dünken, Genies zu seyn; obgleich er spotte über die Buben, die ihre Büberey, über die Gecken, die ihren Wurm, über die Schmierer, die ihre platten Fratzen, über die Tappse, die ihre Eseleyen, über die Händelecker, die ihre Hasenhaftigkeit für Züge des Genie geben, und über die Laffen, die, unbekannt mit den ersten Grundlinien irgend einer Disciplin, sich dem toleranten Publikum als Kunstrichter aufdringen, Schriftsteller, deren Superiorität sie fühlen, mit ihrem Geifer bespritzen, junge Leute, die oft nicht ohne Kopf und Talent sind, abschröcken, den noch nicht festen Leser irre führen, und zu urtheilen glauben, wenn sie eigentlich nur mit [196] ihren langen Ohren gewackelt haben. Man sah, daß er mit einigem Gewicht über dergleichen Gesindel herfiel, und, wer sich hellen Kopfs und reinen Herzens fühlte, der bedaurte nur, daß der Verfasser nicht schwerer wog oder wiegen wollte.

Alles das und mehr dergleichen Dinge, ganz erlaubt zu sagen, und für Tausende gar erbaulich zu lesen, fanden gescheute und redliche Leute in dem Büchlein, weil sie wirklich drinn standen. Und eben weil sie redlich waren, übten sie die Gerechtigkeit, die man jedem Schriftsteller schuldig ist, nichts in sein Buch zu legen, was er ganz augenscheinlich nicht hineingeleget hatte.

Ganz anders aber nahmen sich die Genies, das lüftige Völklein der Windmichel und Hasen, der kleine Visitator, der so viel von Italien erzählte, der große Thorschreiber, der so gern französisch sprach, der liebe geistliche Herr, die Kreti und Plethi, und die trätschende Akademie der Wissenschaften im Schneidergildhause. Sie hatten nun das Büchlein nach Herzenslust begaffet, bekopfschüttelt, beachselzuckt, und mit [197] ihren schmutzigen Fingern besudelt, auch sogar berandglosset, und nun war dieses ganze kopflose Häuflein Ein lebendiger Kommentar über mein armes Buch, das sich der Ehre nicht werth hielt noch versehen hatte. Es war ein natürliches Hexenfest in dem Oertlein. Jeder war geflissen, sein Schwefelhölzchen herbeyzutragen, um den Scheiterhaufen zu vergrössern, den ich ruchloser Mann, dem nichts heilig ist, verdienet hatte. Und, ohne Ruhm zu melden, der liebe fette geistliche Herr machte die giftigsten Kommentarien unter allen, denn, seine Frau hatte ihm gesagt, und seine Amme hatte es bestättiget, mein Buch sey gar ein gottloser ehrenschänderischer Quark von einem Buche.

Eine große, feiste, vierschrötige Excellenz glaubte sich in der Person des Pommerschen Junkers wie in einem Spiegel zu sehen, und drang beym ehrbaren des Oertleins Rath ernstlich auf ein Verbot meines Buches.

Ihro Excellenz erwiesen mir viel Gnade, daß Sie es nicht durch den unehrlichen Appendix der lieben Justiz verbrannt wissen wollten, und [198] mich effigialiter dazu. – Ich bin sehr für Wörter, die sich in iter endigen. – Da Ihro Excellenz freylich wohl zu allen Schwachheiten und Mängeln meines Freundes, des guten Siegfried, aufgelegt seyn mögen, aber keine Spur seiner schönen Seele, seines großen herrlichen Charakters, seines Stolzes, der bey aller Unwissenheit des Mannes edel genug ist, an sich haben: – überdem, da mein Freund keine große, feiste, vierschrötige Excellenz, sondern ein schöner, wohlgewachsener Mann, von schlankem Wuchs, sehr edler Stellung, und majestätischem Ansehen ist: so kann ich Ihro Excellenz unmöglich die Ehre erwiesen haben, Dieselben zu schildern. So verschieden sind nicht Nachteule und Adler, als diese Excellenz und der Junker. Dünkt Dich das nicht auch, weiser Sultan?

Wo ein paar Leute einander in den Weg kamen, wars die erste Frage: »Haben Sie den Siegfried gelesen?« – Ja! – »Nun?« – Je nu! ich denke, schauts! unter allen hat er meinen Nachbar dort im Eckhause am besten getroffen. – »Schauts! mei Six! Aber das[199] Peterl ist doch mit Haut und Haar der Hofrath **.« – Das Peterl hm? Habs nit drinn abselvirt Das Peterl? das Pet .... Ah! nu bin ich dran. Meynen das Fixerl! Ists nit? Mei Blut! Nu Sie 's sagen, ist mirs wärli, als wenn ich den Hofrath leibhaftig vor mir hätt'! Das Buch muß hier im Städtel geschrieben seyn, u.s.w.

So half immer ein Tapps dem andern auf die Sprünge. Aber, daß irgend einer in seinen Busen gegriffen, gesagt oder nur gedacht hätte: »Das bin ich! an diesen Zügen erkenn ich meine Büberey, meine Narrheit! Dank sey dem Schriftsteller, der mir mein eignes Herz aufschloß! ich will mich bessern!« – davon, lieber Sultan! ist mir nichts zu Ohren gekommen. Und, bey Gott! das hätte mir mehr Lohn seyn sollen, als wenn mir mein Buch eine Million eingebracht hätte. Denn was ist eine Million, die ich doch früh oder spät zurücklassen muß, was ist ein Königreich gegen ein Verdienst, das mich durch alle Ewigkeiten begleiten würde?

[200] Ich würde so bald nicht fertig werden, wenn ichDeiner Majestät alle die Armseligkeiten vorlegen sollte, und alle die Bosheiten, die bey Gelegenheit des Siegfriedbüchleins zu Tage gefödert sind, und nach dem Willen jener Leute auf mein Konto laufen sollen. Nur die unbedeutendsten, die unschuldigsten hab ich ausgehoben; denn was die hämischen Kommentare meines Gönners, des lieben geistlichen Herrn, der mich nicht kennt, und den ich nicht kennen mag, betrift, so respektire ich theils mich und meine Feder, theils das Ohr und die Person Deiner Majestät zu sehr, als daß ich hier solchen giftigen Plunder mustern sollte.

Was ich den Herren im Lande zu Schwaben sagen werde? – Nichts, großer Sultan! Nichts in der Welt, kein Wort, kein Jota! Willst Du aber, daß ich mit Dir ein wenig über die Sache sprechen soll – außer allem Zweifel kann ich keinen unbefangenern Leser haben, als Dich, obgleich mein Freund Siegfried Dein Serail nachahmen wollte, weswegen mich aber Dein Mufti so wenig als Dein Hofderwisch in den Bann thun, oder [201] bey Deiner erleuchteten Majestät versuchsschwänzen wird – so bin ich bereit zu gehorchen.

Ich bin also der Meinung, daß den Herren im Städtlein zu Schwaben jeden sein eignes heimliches Geschwür jücken müsse. Denn Horaz sagt schon:


– – – – – Quemuis media arripe turba;
Aut ab auaritia, aut miser ambitione laborat.
Hic nuptarum insanit amoribus, hic puerorum:
Hunc capit argenti splendor, und so weiter,
Omnes hi metuunt versus, odere Poetam.
Foenum habet in cornu! longe fuge! dummodo risum
Excutiant sibi, non hic cuiquam amico, etc.

Ich wundre mich also gar nicht, wenn die Herren mich anfeinden und mein Buch fürchten. Eben diesesQuemuis media arripe turba des Menschenkenners ist Bürge, daß mein Buch, so wie ich es geschrieben habe, wenn es in Rom zu den Zeiten der Pisonen heraus gekommen wäre, seine Kommentatoren gefunden haben müßte, weil man ohne Mühe von jedem meiner Originale dort Kopien in Menge angetroffen haben würde; eben das würde geschehen, wenn ich tausend Jahr später lebte und schriebe. [202] Denn es stehet nicht zu hoffen, daß binnen hier und tausend Jahren die Zünfte der Buben und Gecken so ganz aussterben werden, daß nicht in jedem kleinen Städtlein noch so viel übrig bleiben sollten, als nöthig sind, jede Schellenkappe, die in meinem Buche vorkömmt, wohl mehr als Einem Kopfe anpassen zu können.

Ich wundre mich auch nicht, daß die Herren sich versichert hielten, mein Buch sey dort im Städtel geschrieben, und es ist mir lieb um des Städtels willen; denn (wiewohl mirs leid thäte, wenn ein Unschuldiger jenen Herren bis jezt an meiner Stelle zum Sündenbock gedienet hätte) es kann immer für einen Beweis gelten, daß es in dem Oertlein einen Mann giebt, der im Stande ist, ein leidliches Buch zu schreiben. – Und daß ich mein Buch wenigstens für ein leidliches Produkt halte, wird mir wills Gott niemand verargen; denn wahrhaftig, ich müßte noch unverschämter seyn, als meine Kommentatoren, wenn ichs für schlecht hielte, und es dem ungeachtet dem Publikum vorlegte. Zudem bin ich mir bewußt daß ich es so sorgfältig gearbeitet [203] habe, als ich nach Maaßgabe der Umstände konnte, und so gut als ich durfte. – Um aber doch die Herren von ihrem Irrthum zu heilen- und zu Steuer der lieben Wahrheit, für deren Freund und Verehrer ich mich hiermit öffentlich und feierlich bekenne, sey hiermit jedem Anekdotenjäger, litterarischer Neuigkeiten Notizfabrikanten, u.s.w. kund und zu wissen, daß mein Buch nicht in Schwaben gebohren sey, sondern daß ichs hier, mitten unter dem frohen Haufen meiner Kinder, an meinem Pulte, in meinem Hause, belegen in der Stadt Itzehoe im Lande zu Holstein, elaboriret habe; in welcher Stadt man über mein Büchlein vor meinen Augen und Ohren wohl so liebreich kommentiret hat, als im Oertlein zu Schwaben, und wahrscheinlich in jedem Orte, wo man meinem Freunde Siegfried die Ehre that, ihn kennen zu lernen. Zwar kann ich nicht leugnen, daß ein weit größeres Theil meines Siegfriedbüchleins, als ich dem Publikum in diesen beyden Bändchen mittheile, bereits unter meinen Papieren lag, als ich noch an den Ufern des [204] Guttalus lebte; aber in Schwaben ist kein Tittelchen, weder von dieser, noch von irgend einer meiner übrigen Schriften empfangen oder gar gebohren. Mein Beweis ist ganz simpel: Zeitlebens bin ich mit keinem Fuße nach Schwaben gekommen. Ich weiß sogar von Schwaben sehr wenig, weiß nicht, wie weit Burlefingen von Grimmelfingen entlegen sey, weiß nicht, ob Rabiosus Recht oder Unrecht habe, und schäme mich gar nicht, diese meine Ignoranz frank und frey zu gestehen, da ich zwanzig tausend weit gepriesenere Dinge weder weiß noch wissen mag, noch zu wissen brauche; da ich reisete, um Erfahrung und Menschenkenntniß zu sammeln und meines Berufs zu warten, nicht aber um Thurmspitzen und den Esel im Hamburger Dom zu besehen, oder das Männchen unter der Brücke zu Dresden.

Freund Richardson hatte seinen Sir Carl, und seinen Lovelace dazu, immer in Petto behalten mögen, denn der erstere ist, leider! nicht in der Natur, und der letztere, Gott sey Dank! noch weniger, wofern nicht etwa seit Klarissens [205] Existenz sich einer gebildet hat. Nützlicher und besser ists, wenn man den Leuten erreichbare Ideale zur Nachfolge vorstellt, und hübsch bey den alltäglichen Thorheiten, denen so viele sich nur gar zu gern ergeben, stehen bleibt, und Buben, wie man sie an allen Ecken findet, die Geißel um die Ohren sausen läßt. Was wir tadeln, muß in der Natur seyn, muß nicht so selten seyn, daß es nicht der Mühe lohnet, davon zu reden; sonst ist im ersten Fall, wenigstens unsere Arbeit fruchtlos und ganz umsonst; und im zweyten läuft man Gefahr, Bübereyen zu lehren, an die kein Mensch gedacht haben würde. Ich gebe es zu, man kann, wenn man die Züge zu seinen Bildern aus der Natur nimmt, sie von alltäglichen Originalen abstrahiret, und so aus zehn und mehreren einen einzigen Gecken zusammen setzet – man kann, sag ich, auf den Fall unmöglich zwischen den Deutern ungehudelt hindurch kommen. – »Sieh! leibhaftig meines Nachbars Nase!« – Nimms indessen nicht übel, guter Freund, oft zupft der Autor deine eigne Wenigkeit beym Ohr, wo du des [206] Nachbars Nase aufs eigentlichste zu erkennen glaubest. – Es muß aber schlechterdings einem Schriftsteller schmeichelhaft seyn, wenn er an manchem Orte Deuter findet. Zwar ists ein Zeichen, daß die Menschen nicht leicht zu bessern sind, weil jeder nicht sich, sondern seinen Nachbar im Spiegel sieht: aber es beweiset doch auch, daß ein solcher Autor ein treuer Maler der Natur sey; – freylich der fehlerhaften Natur: aber kein Aristoteles hat dem Sittenrichter das Gesetz gegeben, ins Schöne zu malen.

Mit welchem Rechte schreyet endlich dieser und jener wider den Mann, der mit lachendem Munde und heilsamen Spotte zu bessern sucht? Lieben wird ihn, wer Herz und Hände rein weiß; und wer nicht in dem glücklichen Falle ist, der bessre sich, und feinde keinen Schriftsteller wegen einer edlen Absicht an, oder schelte sein Buch für giftig. In meinem Buche kenne ich kein Gift; und zum Beweise, daß dem so sey, und daß ich bereit stehe, mein Herz, und die Moralität jeder Zeile, die ich gedruckt oder ungedruckt schrieb, gegen jeden Angriff zu vertheidigen und zu [207] schützen, bekenn ich mich hiermit öffentlich zu diesem Buche; und wenn es erfoderlich seyn sollte, will ich mich gern zu allem bekennen, was ich jemals schrieb. Ich gebe willig zu, daß nicht alles meinem Verstande Ehre mache, denn ich bin ein Mensch; aber ich bin mir bewußt, daß ich durch keine Sylbe mein Herz entehret habe. Uebrigens ist Horaz ein Mann von größerem Gewichte als ich. Schon einmal hab ich ihn angeführet, und auch hier mag er für mich reden. Er sagt:


Nunc illud quaeram, meritone tibi sit
Suspectum genus hoc scribendi. Sulcius acer
Ambulat et Caprius, rauci male, cumque libellis;
Magnus vterque timor latronibus: at bene si quis
Et viuat puris manibus, contemnat vtrumque,
Vt sis tu similis Caeli Birrique latronum,
Non ego sim Caprii neque Sulci; cur metuas me?
– – – – – – – – – – – – – – »Laedere gaudes,
Inquis, et hoc studio pranus facis.« Vnde petitum
Hoc in me iacis? est auctor quis denique eorum
Vixi cum quibus? Absentem qui rodit amicum,
Qui non defendit alio culpante, solutos
Qui captat risus hominum, famamque dicacis,
Fingere qui non visa potest, comissa tacere
[208]
Qui nequit, hic niger est! hunc tu, Romane, caueto!
Saepe tribus lectis videas coenare quaternos,
E quibus vnus amet quauis adspergere cunctos
Praeter eum qui praebet aquam: post, hunc quoque potus,
Condita quum verax aperit praecordia Bacchus;
Hic tibi comis et vrbanus liberque videtur
Infesto nigris: ego si risi, quod ineptus
Pastillos Rusillus olet, Gorgonius hircum,
Liuidus ac mordax videor tibi? Mentio si qua
De Capitolini furtis iniecta Petilli
Te coram fuerit, defendas vt tuus est mos:
»Me Capitolinus couuictore vsus amico-
que a puero est, causaque mea permulta rogatus
Fecit, et incolumnis laetor quod viuit in vrbe;
Sed tamen admiror, quo pacto iudicium illud
Fugerit.« Hic nigrae succus loliginis; haec est
Aerugo mera; quod vitium procul afore chartis,
Atque animo prius, vt si quid promittere de mo
Possum aliud, vere promitto. Liberius si
Dixero quid, si forte iocosius, hoc mihi iuris
Cum venia dabis, etc.

Um Verzeihung, lieber Sultan, wegen dieser langen Citation. Ich citire sonst nicht gern, aber da die Stelle so passend ist, und ich mir nicht getraute, es besser zu sagen, so lässest Du [209] mirs ja wohl ohne Bastonnade hingehen, daß ich einmal einen andern ehrlichen Mann für mich denken lasse, da ich so oft für andre Leute denken muß. Latein wirst Du freylich nicht verstehen: aber das geht vielen unsrer Gelehrten, d.i. Männern, die auf Universitäten gewesen sind, nicht besser. Dein Dragoman – vor allen wenn er kein Gelehrter ist – wird Dir schon aushelfen. O, es ist eine herrliche Sache um einen tüchtigen Dragoman!


Ich bin – denn was gehen mich im Grunde die Dragomans an? reden wir lieber von andern Dingen. – Ich bin jetzt mehr als jemals der Meinung, daß der schöne Alcibiades ein gescheuter Kopf war. Damals, wie ich noch unter den Händen meiner Orbile, die Gott selig haben wolle! die klassischen Autoren manch schönes mal zum Henker wünschte, wollte mir das Ding nie einleuchten, daß ein Hundeschwanz je eine erhebliche Sache für eine ganze Republik, für die gesittetste, witzigste, urbaneste, gelehrteste, weiseste – ja, weiseste sag ich; es ist kein Druckfehler; [210] – Stadt unter der Sonne seyn könne. Ich war ein ernsthafter Junge, und hatte, wie mans von einem Burschen, der die Welt nur aus einigen Büchern kennt, nicht anders erwarten kann, eine herrliche Meynung von dem Menschengeschlecht, und große Hochachtung vor demselben. Es thut mir leid, daß Erfahrung und Menschenkenntniß diese Meynung und Hochachtung um sehr viele Oktaven herabgestimmet haben, denn es war mir damals viel besser zu Muthe, so leicht ums Herz, so warm in der Brust, als mir nie wieder seyn wird! nie wieder seyn kann! Wie theuer kömmt mir dies arme bischen Erfahrung und Menschenkenntniß stehen! – – Jezt brauchts keines Hundeschwanzes mehr. Weisheit und Bildung sind so hoch gestiegen, daß ein Mückenfuß, und weniger als ein Mückenfuß – denn der ist doch immer ein Geschöpf Gottes – daß ein unbedeutendes Ding von Roman schon hinlänglich ausreicht, den gefährlichen Theil des Publikum zu beschäfftigen. Fast hätt ich Lust, Sultan zu werden! Traun, es muß eine herrliche Sache seyn, sehr schmeichelhaft [211] für den Stolz eines Mannes, über so edle, wichtige, weise Geschöpfe zu herrschen.

Hör, lieber Sultan, ich bin – nicht Dein Sklav, sondern ein Mann, ders gut mit Dir meynet; und ich halte Dich für weise genug, einen guten Rath annehmen zu können. Und wenn Dein Mufti und alle Imans, Derwische, Fakirs und Kalenders, so viel ihrer in Deinem Reiche sind, toll darüber würden, und Dein Janitscharenaga die Gelbesucht davon bekäme, so kehre Dich nicht dran, sondern gieb jedem, ders nur fodert, Deinen Firman zu Anlegung einer Buchdruckerey, und leide dann nicht, daß die Preßfreyheit, die Du, nach dem weisen Beyspiele des Dänischen, Preußischen, und andrer Monarchen, erlauben wirst, im mindesten gekränket werde. Du glaubst nicht, welch ein nützliches Ding Preßfreyheit für euch Monarchen sey! aber versuchs ein Jahr oder zehn, und Du sollst mirs danken. Sieh, ich will mich spießen lassen, wenn je ein Sultan von den Janitscharen dethronisirt wird, so bald ihr Sultane die Druckereyen einführet und vernünftig[212] zu handhaben wisset. Hast Du vor der Hand keine Schriftsteller in Deinen Staaten, so erzeige dem heiligen Römischen Reiche Deutscher Nation den Liebesdienst, uns ein zehn oder zwölftausend abzunehmen; wir behalten noch übrig die Hülle und die Fülle, denn hier ist ihr Name Legion. Das Gewerbe ist ansteckender, als die Pest, unter deren Geißel Dein Stambul so vielfältig seufzet. Bald werden Deine Moslems von ihnen lernen, wie man Papier verdirbt, um mit dem Magen zu diskontiren, und Deine Hoheit wird sich wohl dabey befinden.

Was die Preßfreyheit betrifft, so ziehe die Gränzen derselben hübsch eng zusammen in Sachen, die die Sitten angehen. Wenn z.E. Gedichte im Geschmack des Grekourt, ein Dom B ..., und dergleichen bey Dir aufducken sollten, so laß den Unflath und seinen Verfasser, ohne weiters, auf einem und demselben Scheiterhaufen verbrennen. Tausend lüderliche Häuser, und tausend Kuplerinnen dazu, stiften nicht halb so viel Verderben, als Ein solcher Bube. Was den Staat anlanget, da kannst Du die Leute [213] schreiben lassen, was sie wollen. Der Deinige müßte sehr schlecht gegründet seyn, wenn ein Mann aus der Dämmerung seiner Studierstube ihn niederschreiben könnte. Zudem unterbleiben dergleichen Schriften bald von selbst, wenn nicht darauf geachtet wird. Daß sie geschadet hätten, habe ich noch nicht erlebt. Sollte jemand die Reise Mahomed's auf dem Borak, durch alle die Himmel – ich weiß nicht gleich, sinds ihrer sieben oder nenne, – die er in so kurzer Frist ablegte, daß aus seinem umgestoßnen Wassertopfe kein einziger Tropfen Zeit zum Herausfliessen gehabt hatte, – sollte jemand die übrigen Wunder des Propheten bezweifeln, so – – ich dächte, Du ließest ihn zweifeln; denn, Mahomed ist nichts, oder er wird seine Ehre schon selbst zu retten wissen. Aber, was wider solche Zweifler geschrieben wird, das laß genau prüfen, ehe es unter die Presse kömmt; denn eine elende Vertheidigung schadet gemeiniglich mehr, als der schärfste Angriff.

Mit den Schriftstellern von Genie und Talenten rathe ich Dir freundlich und herablassend [214] umzugehen, ihnen gleichsam de pair à compagnon zu begegnen. Schmeichle ihrem Ehrgeize, und sey nicht geizig gegen sie, das wird Dir wohl thun. Die Leute sind nicht unerkenntlich; sie werden Dir in den Jahrbüchern der Welt ein rühmliches Zeugniß geben, und Du wirst nach Jahrtausenden noch als ein Muster der Sultane angeführet werden, da man von den mehrsten Deiner Vorfahren kaum den Namen und den kleinen Umstand weiß, daß sie auf Anstiften des Mufti oder eines müßigen Trunkenbolds von Janitscharen stranguliret sind. Kolbert war klug genug, dem vierzehnten Ludwig eben dieses unter den Fuß zu geben, und Ludwig heißt bis auf den heutigen Tag der Große. Das Klügste, was jener Dichter, dem die Verse so leicht abgiengen, als unsern Zeitgenossen die Kommentare, gesagt hat, ist sein Viuitur ingenio (gleichviel ob durch eignes oder andrer Leute Genie cetera mortis erunt.

Der Hauptnutzen, den Du von den Produkten der Schriftsteller hast, ist eben der, den Alcibiades vom Hundeschwanz hatte: sie beschäfftigen [215] den müßigen Pöbel, der, unterdessen daß er über ein Buch herfällt, nicht Zeit hat, über den Staat herzufallen, oder Meutereyen anzuzetteln; nicht Zeit hat, es zu fühlen, wenn Du ihm durch Verordnungen oder Auflagen ein wenig hart fallen mußt; sich schon sattsam an Dir gerächet glaubt, wenn ein Autor ein und andern satirischen Zug wider Deine Auflagen niederschrieb, und nicht einmal im Traume sich beykommen läßt, daß Du selbst vielleicht, oder einer von Deinen erleuchteten Vezieren dem Autor wohl diesen Zug in die Feder diktiret haben könne. Halt demnach die Schriftsteller in Ehren, die die Kunst verstehen, den müßigen großen Haufen zu amüsiren, der Dir sonst leicht gefährlich werden kann, wenn er nichts hat, woran er seine Unart übet; sie sind Deine Wohlthäter. Weißt Du sie zu brauchen, so kannst Du mit dem größesten Theil Deines Volkes machen, was Du willst. Einem andren Theile opfre einen Hundeschwanz, oder des etwas, und für den kleinen Rest hast Du ja Roßschweife und andre Tändeleyen, die eigentlich Zeichen und Lohn des Verdienstes und [216] der Treue sind, zuweilen auch Auffodrung zur Treue und zur Erwerbung des Verdienstes, und ein Band, das den Unterthan an seinen Souverain bindet; sehr oft aber auch von klugen Regenten als Zuckerbrodt gebraucht werden, bärtigen Kindern den Mund zu stopfen.


Ich könnte noch viel hinzusetzen, aber ich habe eine so erhabne Meynung von Deiner Weisheit, und werde in derselben durch Deine neuen Piasters, die Du um verschiedene Para's zu leicht ausmünzen lässest, so sehr bevestiget, daß ich fast glaube, schon viel Ueberflüßiges gesagt zu haben. Demnach küß ich Deiner Hoheit – nicht den Kaftan, denn ich verabscheue alles, was kriechend und eines freyen Mannes unwürdig ist, – sondern die Hand, und bitte Dich, lieber Sultan, dieses als das Zeichen der tiefsten Ehrfurcht anzusehen, zu der ich mich gegen jeden verpflichtet achte, den Gott mit dem Amte eines Monarchen belehnete; wobey ich mich zugleich Deiner Gnade empfehle, und von Herzen wünsche, daß Rußlands weise Katharina Deine [217] neuen Piaster, obgleich sie um fünf Aspers zu leicht sind, für voll zu nehmen geruhen wolle, damit eine so herrliche Finanzoperation nicht in den Brunnen falle. Murren Deine Unterthanen über die neuen Medaillen, so bin ich erbötig, mit einigen meiner Herren Collegen in Dein Land zu kommen, und zu versuchen, ob wir durch ein paar komische Romane und einige beißende Züge wider Deinen Münzwardein ihre üble Laune wegscherzen können.


Meinen Deutschen Lesern hab ich wenig oder nichts zu sagen. Sie haben mir größtentheils die Ehre erzeigt, die erste Ausgabe meines Buches mit einigem Beyfall aufzunehmen. Ich bin kühn genug, eben dieses für gegenwärtige fast dreifach stärkere Ausgabe zu hoffen.


So viel ich weiß, bin ich der erste, der es wagte, unserer jetzigen Nation einen originalen Deutschen komischen Roman vorzulegen. (Von Nachahmungen und Übersetzungen rede ich nicht.) Das ist nun zwar kein Verdienst, aber [218] es könnte mir vielleicht einigermaßen Anspruch auf ein wenig Nachsicht geben – nicht gegen Fehler, denn die verdienen niemals Nachsicht, sondern da, wo ich den Geschmack des Publikum, den ich noch nicht kennen konnte, verfehlt haben mögte.


Ich wünsche, daß ich auf dieser Bahn, die ich nach meiner wenigen Einsicht für sehr nützlich halte, viel Nachfolger finden, und von jedem übertroffen werden möge.


Mit Vorsatz bin ich keinem Narren auf Gottes Erdboden zu nahe getreten, denn mein herzlicher Wunsch ist, nicht zu beleidigen, sondern zu bessern.


Uebrigens mögte ich die Herren Kommentatoren wohl bestens ersucht haben, mich inskünftige mit ihren Deutungen gütigst zu verschonen, sonderlich diejenigen, die ihre Wohlmeynung so weit trieben, daß sie ihre schamlosen Pasquille mir unterschoben.


[219] – Einem Vorwurfe hätt' ich Lust vorzubeugen. Junker Siegfried ist ein Pommer, und spricht ungefähr Deutsch, wie ein ehrlicher Handwerksmann hier zu Lande zu thun pflegt, wenn er glaubt, daß man seine niedersächsische Sprache nicht verstehe. Das ist nicht lokal, ich gestehe es. Ich hätte den Junker eben so leicht den Pommerschen Dialekt, der mir geläufig genug ist, können reden lassen, und ich würde es thun, wenn ich in Pommern schriebe, und der Tummelplatz meines Helden in irgend einer andern Provinz läge. Aber ich lebe in Holstein, werde hier am meisten gelesen, und glaube, billigen Kritikern hiermit genug gesagt zu haben. – Der schulgerechte Leser wird meinem Buche das Wort Roman nimmer anpassen können; aber mein Büchlein ist überall kein schulgerechtes Buch, deß weiß ich mich gar wohl zu bescheiden.


Sonst hoff ich durch dieses Siegfriedbüchlein das Versprechen gewissenhaft erfüllet zu haben, das ich dem Publikum in der Vorrede zu meinem letzten komischen Roman, (der Ring, eine [220] komische Geschichte) der 1777 in meinem eignen Verlage erschien, gegeben habe.


Ob vom Siegfried mehr Theile erscheinen werden? das ist eine Frage, deren Beantwortung von denen Lesern abhängt, die mich mit ihrer Subskription beehret haben, und denen ich hiermit, so gut ich kann, meinen Dank bezeuge. Wenigstens will ich hiermit den dritten und vierten Theil zu eben dem Subskriptionspreise ankündigen, welche in der Michaelis Messe erscheinen werden, im Fall die Herren Subskribenten mich nicht verlassen, sonst aber ruhig in meinem Pulte liegen bleiben sollen.


Weder vor dem Deutschen, für dessen Verfasser ich mich hiermit bekenne, noch vor einer der verschiednen Streifereyen, die ich ins Gebiet der Philosophie wagte, noch vor einer meiner übrigen Schriften, deren, leider, mehr sind, als mir lieb ist, hab ich mich genannt, denn ich bin mit keinem von allen diesen Werken sehr zufrieden, und verspreche ihnen keine[221] Dauer. Auch von meinem Siegfried erwart ich nicht, daß er mich überleben wird, und nur Ursachen, wie ich oben angeführet habe, können mich bewegen, ihn unter meinem Namen drucken zu lassen.


Geschrieben zu Itzehoe,

im März, 1781.

Johann Gottwerth Müller,

Buchhändler.

Fußnoten

1 Zu frommen meiner oberländischen Leser merk ich an, eine Roche sey nichts mehr und nichts weniger, als – ein ganz unschädlicher, wehrloser, friedfertiger, und dabey nicht übel schmeckender Seefisch, der einem Steinbutt oder Scholle am ähnlichsten, aber freylich ein wenig abentheuerlich aussieht.

[222] Bilder

  • Erziehung des kleinen Siegfrieds. Kap. 2. S. 17

  • Bin doch kurios zu wissen, was da so gröhlet. Kap. 5. S. 30

  • Mama seliger hatte wohl recht, dass 'n Kafflier immer mehr weiss, als 'n Gelehrter. Kap. 6. S. 37

  • Servilär Kap. 10. S. 66

  • Will dir die schöne Silfies gesegnen. Kap. 13. S. 93

  • Ei mein lieber Herr Fix, das wäre ja schön. Kap. 13. S. 106

  • Hör Er mahl man guter Mann lass Er das'n andermahl unterwegens. Bin gar nicht für das Altanzen, sieht Er. Kap. 15. S. 113

  • Wiss Er was? Er ist'n Flegel - da will ich Ihm's Partent drüber geben lassen. Kap. 16. S. 120
    Wiss Er was? Er ist'n Flegel – da will ich Ihm's Partent drüber geben lassen. Kap. 16. S. 120

  • Hat Er das Dingsgen bei Sich? Kap. 18. S. 137

  • Der Blix, Lectoris, 's ist doch 'n schweres Dings Land und Leute so recht zu regieren, dass es 'ne Art hat! Kap. 20. S. 146

  • - und will ihm hier mit meinem Patrett eine Schenktasche für machen. Kap. 21. S. 155
    – und will ihm hier mit meinem Patrett eine Schenktasche für machen. Kap. 21. S. 155

  • Vorstellung des Schauspiels: Minna von Barnhelm. Kap. 23. S. 166
[223]

Notes
Erstdruck: Hamburg (Dalencon) 1779.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Müller, Johann Gottwerth. Siegfried von Lindenberg. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5507-7