[9] Die Irrlichter

Ein Irrlicht, schwebt ich heut im Traume
auf einem weiten, düstren Sumpfe,
und um mich der Gespielen Reigen
in wunderlich geschlungnen Kränzen.
Wir sangen traurig-süße Lieder
mit leisen, feinen Geisterstimmen,
viel feiner als die lauten Grillen,
die fern im Korn eintönig sangen.
Wir sangen, wie das harte Schicksal
uns wehre, daß wir Menschen würden:
So oft schon waren wir erschienen,
wo sich zwei Liebende vereinten,
doch immer, ach, war schon ein andres
Irr-Seelchen uns zuvorgekommen,
und seufzend hatten wir von neuem
zurück gemußt zum dunklen Sumpfe.
So sangen wir von unsern Leiden –
als uns mit einem Mal Entsetzen
in wirren Läufen huschen machte.
Ein Mensch entsprang dem nahen Walde
und lief verzweifelten Gebarens
gerade auf uns zu –: Der Boden
schlug schwankend, eine schwere Woge,
dem Armen überm Haupt zusammen.
Verstummt zu zitterndem Geflüster
[10]
umschwirrten wir die grause Stelle ...
Bald aber sangen wir von neuem
die alten traurig-süßen Lieder.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Morgenstern, Christian. Gedichte. Auf vielen Wegen. Träume. Die Irrlichter. Die Irrlichter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-3C8C-5