[23] Rosen im Zimmer

Ich stand, eine Vase
voll üppiger Rosen,
auf einer Konsole
am Lager der Liebsten
und goß überschwengliche
Gluten und Düfte
ins mondige Dämmer
der magdlichen Kammer.
Aufseufzte das Mädchen
und streckte das weiße
Gelenk ihrer Linken
nach mir und umschloß mich
und hob mich hinüber –
und alles im Schlafe.
Da schwankte die Vase,
und all meine Rosen
entfielen ihr lodernd
und hüllten in Purpur
das brüstliche Linnen:
Aufschlugen erschreckt sich
zwei glänzende Augen –
und sahn mich, den Menschen,
sich über sie beugen ...
Ich aber – ihr Götter! –
mich über sie neigend,
ich ward meines Kusses
[24]
betrogen! –: Nur Rosen,
worauf ich mich neigte!
Kein Liebchen, kein Lager,
kein Zimmer, kein Ort mehr –
nur Rosen, nur Rosen!
Ich stürzte in Rosen –
durch Rosen – auf Rosen ...
bis quälende Schmerzen
der Schläfe mich weckten.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Morgenstern, Christian. Rosen im Zimmer. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-3BFA-8