[67] Mein Elysium

Jeder Mensch, ob reich, ob arm,
Muß ein Plätzchen haben,
Wo er sich bei Freud' und Harm
Traulich kann vergraben.
Meines ist ein Kämmerlein,
Niedrig zwar und enge:
Tief wird's kaum vier Ellen sein,
Sieben in der Länge.
Wände hat es ihrer vier,
Aber keine Decke;
Denn statt dieser zeigt sich Dir
Eine lange Ecke.
Fast den allerkleinsten Raum
Füllt des Fensters Zierde,
Und vom Himmel seh ich kaum
Fünf Zoll in's Gevierte.
Was die Möbel anbelangt,
Sind's meist Invaliden;
Denn was Andre abgedankt
Wohnt bei mir in Frieden.
An den Wänden ringsherum
Siehst Du große Geister,
Im Repositorium
Werke dieser Meister.
Noch ein Liebchen sei erwähnt,
Das ich oft ergreife,
Das dort traulich winkend lehnt:
Meine lange Pfeife.
Also schaut mein Plätzchen aus,
's liebste mir auf Erden.
Wär' ich nicht ein lustig Haus,
Möcht ich Klausner werden.

Cl. May

[67]

Notes
Jeder Mensch, ob reich, ob arm, […] Cl. May. In: Neuer Deutscher Reichsbote. Deutscher Haus- u. Geschichts-Kalender. Jg. 1878. S. [67]. – Stolpen: Julius Hanzsch (1877). Reprint in: Karl May: Ein wohlgemeintes Wort. Frühe Texte aus dem »Neuen deutschen Reichsboten« 1872–1886. Hrsg. von Peter Richter und Jürgen Wehnert. Lütjenburg: Gauke 1994. = Veröffentlichungen aus dem Karl-May- Archiv. Hrsg. von Michael Petzel und Jürgen Wehnert. Band 2.
License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). May, Karl. Mein Elysium. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2D3B-5