Johann Christian Krüger
Die Geistlichen auf dem Lande
Ein Lustspiel in drey Handlungen

Personen

[2] Personen.

    • Herr Muffel, ein Prediger auf dem Lande.
    • Herr Tempelstolz, Prediger von einem andern Dorfe. , Liebhaber der Fräulein Wilhelmine.

    • Frau von Birkenhayn.

    • Herr von Roseneck, ihr Bruder.

    • Fräulein Wilhelmine, ihre Tochter.

    • Herr Wahrmund, ein philosophischer Liebhaber des Fräuleins und ihr gewesener Lehrer.

    • Cathrine, Muffels Haushälterin.

    • Peter, sein Hausknecht.

    • Frau Brigitte, eine alte Conrector-Wittwe, Herrn Tempelstolzens Liebste.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Cathrine, Peter.

PETER
lustig.

Heute wirst du wieder viel Holz anlegen müssen, Cathringen, sogleich wird das ganze Haus voll Fremde seyn, welche alle von dem morgenden Kirchmeßbraten satt werden wollen.

CATHRINE.

Ich glaube, du Tagedieb sähest es wol recht gern, wenn heute Abend noch die ganze Welt her zu Gaste käme; denn nun kanst du dich wieder mit dem Herrn besaufen. Aber, was sind denn das für Fremde, welche mir heut meine Küche wieder unrein machen wollen, die ich erst vor einer halben Stunde aufgeputzt habe?

PETER.

Ich habe eben nicht Lust, dir die Fremden zu nennen, weil du mich einen Tagedieb gescholten hast. Aber still! ich will sie dir dennoch herrechnen, du wirst dich darüber ärgern, und mich an dir rächen. Aus Birkenhayn kömmt die Frau von Birkenhayn, [3] welche ihren Prediger, den Pastor Tempelstolz, und ihre Tochter mitbringt. Aus Roseneck aber kömmt der Herr von Roseneck her, und bringt einen jungen Herrn mit, welcher der Frau von Birkenhayn Tochter zum Teufelskinde gemacht hat, wie mein Herr sagt. Es soll ein Magister Philosophi seyn, das ist so viel gesagt, ein andrer Magister, als der Magister gewesen ist, welcher der Kanzel gegen über mit dem langen Barte abgemahlt steht.

CATHRINE.

Was geht mir dein Magisterkram an? meinst du nicht, daß ich was anders als deine Narrenspossen im Kopfe habe? Wann du nur heute Abend alle Hände voll zu thun kriegtest, so sollte dir auch wol anders zu Muthe werden. Ich werde mich nicht so zum Bierkruge setzen können, wie du.

PETER.

Was geht dir mein Trinken an? unsre beyde Pastoren werden es nicht besser machen. Sie werden wohl den Prediger an die Wand henken, und sich als ein paar lustige Bauerknechte recht Petermäßig betrincken.

CATHRINE.

Es läßt aber auch recht andächtig von unserm Herrn, wenn er des Sonntags die Schenke mit solcher Gewalt in die Hölle jagt, daß man es fast recht eigentlich poltern hört, und sich doch in der Woche ärger betrinkt, als die Schenke am Sonntage gethan hat.

[4]
PETER.

Je nun! das ist nur eine menschliche Schwachheit, wann er sich volltrinkt. Des Sonntags aber darf er doch Schande halber nicht eher zu reden aufhören, als bis das Stundenglas ausgelaufen ist; in einer Stunde läßt sich schon vieles hersagen. Wo soll er aber endlich alles hernehmen? er muß es doch wohl zuletzt von einem Orte herholen, da muß denn freylich zuweilen auch die Schenke und die Hölle dran.

CATHRINE.

Wann er aber öffentlich sagt, die Säuffer kommen alle in die Hölle, so sollte er allezeit dabey sagen: und euer Seelensorger, meine Vielgeliebten, nemlich ich, ich, des Hrn. P. Muffels Ehrwürden, muß auch hinein.

PETER.

Das könnte nicht schaden, wann er selbst hinein käme. Denn die Leute in der Hölle werden doch wohl keine Heyden seyn, sie werden vermutlich des Sonntags so fleißig in die Kirche gehen, als wir, und folglich werden sie in der Hölle die Prediger eben so wohl nöthig haben.

CATHRINE.
Nun! du hast einen guten Glauben von der Hölle.
PETER.

Der Henker mag auch wissen, was es für ein Loch ist. Ich selbst bin, so lang ich lebe, noch nicht drein gewesen, und ob unser Herr gleich alle Tage von der Hölle redt, so sagt er doch niemals, was es für ein Ding seyn soll.

[5]
CATHRINE.
Er weiß es vielleicht so wenig, als ich und du.
PETER.

Das wäre auch unverschämt gelogen. Er wird doch nicht von Dingen reden, wovon er selbst nichts weiß. Er sagt doch mehr, als einmahl, daß eine Hölle in der Welt ist, und wann er sie niemals gesehen hatte, so wäre er ein rechter Betrüger. Ich würde mich zu Tode schämen, wann ich öffentlich auftreten und sagen solte: Meine Vielgeliebten, in Utopia liegt ein Land, das heisset Schlaraffenland, da kommen einem die gebratne Tauben mit Messern und Gabeln ins Maul geflogen. Wie Teufel kan ich das sagen? ich bin so weit nicht gereiset, und mein Vater Andreas, der mir es im Spaße erzählte, ist auch nicht weiter, als aus unserm Dorfe bis nach B*** gewesen.

CATHRINE.
Wie wollten aber die Prediger in die Hölle kommen? sie müsten denn alle zweymahl sterben?
PETER.

Wer weiß, was sie sich nicht alles auf der Universität versuchen müssen? sie mögen auch wohl darauf sterben, und Höllenfahrten halten.

CATHRINE.
So würde unser Herr gewiß mehr von der Hölle zu erzählen wissen.
PETER.

Er sagt freylich nichts mehr davon, als daß Pech und Schwefel darinn brennt, und daß die Teufel schwarz aussehn, und Pferdefüsse haben; aber mich dünkt die Herren [6] Geistlichen sind listige Creaturen. Das beste behalten sie für sich, und woran nicht viel gelegen ist, das sagen sie den Bauern. Sie mögen wol gar Geheimnisse haben.

CATHRINE.

Geheimnisse? ha! ha ha! dazu hat unser Herr wenigstens keinen Gelaß mehr. Denn in seinem Gehirne hat er mehr Schnupftoback als Verstand. Die aufsteigende Dünste von dem vielen Doppelbiere, und der Rauch vom Toback haben ihm auch viel Platz weggenommen, und endlich verstopft der Sand und Staub, den er einschluckt, wenn hinter dem Pfluge hergeht, alle übrigen Zugänge, durch welche noch was kluges hinein könnte.

PETER.

O mein gutes Cathringen! ich bin gescheuter als du. Du hast den Mantel und den Kragen vergessen. Ich sage dir es im Vertrauen: alle Klugheit alle Predigten schüttelt er aus dem schwarzen Kittel. Bedenke nur, wie wunderlich es mir neulich damit gegangen ist. Wann ich des Abends unsre Pferde zu Hause hole, so muß ich doch über den Kirchhof reiten?

CATHRINE.
Das weiß ich.
PETER.

Vergangnen Dienstag führte mich der Henker in der Schenke zu den Carten. Ich verspätete mich, und muste meine Pferde in finstrer Nacht nach Hause holen. Ich hatte freylich wohl etwas getrunken, aber ich war doch nicht voll. Ich ging nach [7] dem Kirchhof zu, aber mich grauete so sehr, daß ich wieder umkehren muste.

CATHRINE.
Du furchtsamer Hase! Lacht.
PETER.

Ja, da war bey mir kein Lachen. Zum Glücke war ich so listig, daß ich heimlich unsers Herrn Mantel und Kragen aus der Stube nahm, denn er schlief eben einen Rausch aus. Was meinst du nun? als ich den Mantel umgeschmissen hatte, ward ich auf einmahl so dreiste, daß ich mich auch vor tausend Teufeln auf dem Kirchhofe nicht gefürchtet hätte. Ja, es war nicht anders, als wenn ich für lauter Weißheit hätte bersten sollen. Ich wollte gar zu gern meine Waaren an den Mann bringen, aber ich hatte keine Zuhörer. Zum guten Glücke kam ich, ehe ich noch geborsten war, auf die Wiese zu den Pferden. Ich kan dir nicht sagen, Cathrine, was ich für hohe Sachen mit unserm schwarzen Hengste gesprochen habe. Er hörte recht andächtig zu, und mir floß alles so geschwinde zu, daß ich selbst nicht wuste, wo alles herkam. Ja, das dauerte von der Wiese bis in den Stall. So bald ich aber den Mantel und den Kragen abgelegt hatte, so wuste ich kein Wort mehr zu reden, und wurde so müde, daß ich mich den Augenblick zu Bette legen muste. Gelt, die Weißheit und die Beredsamkeit haben im Mantel gesteckt?

CATHRINE.

Ha! ha! ha! du wirst wohl beydes schon aus der Schenke mitgebracht haben. [8] Aber sage mir, glaubst du denn im Ernste daß die Prediger Geheimnisse haben, welche sie für sich behalten?

PETER.

Freylich glaub ichs, und ich glaub es darum, weil unter zehn Worten, die unser Herr sagt, sehr oft neune sind, aus welchen kein Mensch klug werden kan.

CATHRINE.

Du hast Recht, Peter. Die meisten Prediger wollen Geheimnisse haben; in der That aber haben sie nur ein einziges, welches darin besteht, daß sie gar nichts wissen. Dies ist ein Geheimniß, welches sie für sich behalten; denn zu andern Leuten sagen sie, daß sie sehr viel wissen, und dies suchen sie durch hohe und leere Worte wahrscheinlich zu machen. Wir arme Leute, die wir unsern ganzen Verstand dem Küster zu danken haben, welcher sich auch schon mit unter die Geheimnißvolle Dorfgeistlichkeit rechnet, wir müssen ihnen wohl glauben. Doch, klügre Leute sehen die Unwissenheit und Tyranney unserer Seelensorger besser ein.

PETER.

Still! da kommt unser Herr aus dem Garten: Wann er uns hier allein beysammen fände, so sollte er wohl gar meinen, daß wir schon Verlöbniß hielten, und da würde er uns gewiß eine verdrießliche Predigt von der Keuschheit halten.


Peter läuft eilend ab.
2. Auftritt
[9] Zweyter Auftritt.
CATHRINE.

Sich selbst kan mein Herr zum Muster der Keuschheit gewiß nicht aufwerfen. Ich merke es schon seit einigen Tagen, die Welt werde in einer gewissen Zeit ein offenbares Zeugniß von mir bekommen, daß auch die Hrn. Geistlichen, und sonderlich mein Herr Pastor, Muffel, die ansteigende Begierden des alten Adams nicht allein empfinden, sondern bey Gelegenheit auch wol sättigen. Ich bekomme einen rechten Abscheu vor meinem Herrn, wenn ich an die Art und Weise gedenke, wie geistlich er mich – – – – Sieht sich nach der Thüre um. – – – betrogen hat.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Herr Muffel, hat eine Schürze vor, und in derselben Salat, und andre Gartenfrüchte. Cathrine.

MUFFEL.
Warum seyd ihr nicht in der Küche bey eurem Berufe, Cathrine?
CATHRINE.
Ich habe hier auf Sie gewartet, Herr Pastor!
MUFFEL.
Müßiggang macht faule, unnütze Bäuche.
[10]
CATHRINE.
Davon ist mir mein Fett nicht gewachsen.
MUFFEL.

Wenn uns der Satan ausser dem Beruf antrift, so hat er noch einmal so viel Macht über unsre Seelen, als sonsten.

CATHRINE.
So sind sie auch wohl nicht in ihrem Berufe gewesen, als sie mich – – –
MUFFEL.
Unsre müssige Augen verführet er alsdenn, daß sie nach fremden Greueln sehen.
CATHRINE.
Haben sie auch damals fremde Greuel gesehen, Herr Pastor, als sie – – –
MUFFEL.
Unsre Ohren öfnet er den Lockungen der Unzucht und der Buhler.
CATHRINE.
So hat mir der Satan damals die Ohren geöfnet, als sie in meiner Kammer – – –
MUFFEL.

Der Satan will euch – – doch davon wollen wir ein andermal weiter sprechen. Ich habe eben jetzo Salat im Garten geschnitten. Ihr wißt, daß ich ihn allemal selbst schneide, damit ich keinen mit einem unrechten Verdachte beleidigen darf, wann etwa einmal etwas davon gestolen würde. Geht in die Küche, verleset ihn sauber, und macht ihn hübsch sauer und fett, und beflecket euer Gewissen nicht mit einem Gerichte für euch und Petern.

CATHRINE.

Das Baumöl möchte mir wohl einen Fleck in die Schürze bringen, aber ins Gewissen glaub ich schwerlich.

MUFFEL.
Glaubt, daß euch die gestohlne Bissen nicht gedeien.

Will abgehen.
[11]
CATHRINE
für sich.

Und er ist doch selbst so fett davon geworden. Zu Muffeln. Hören sie mich doch auf ein Wort, Herr Pastor.

MUFFEL.

Nun, was habt ihr denn? haltet mich nicht lange auf; die Fremden sind unter Wegens, ich muß noch auf den Bewillkommungsgruß studiren, denn er muß geistlich seyn.

CATHRINE.

Denken sie nicht mehr an die Abendbetstunden, die sie eine Woche lang mit mir gehalten haben? und sonderlich an die lezte darunter?

MUFFEL.

O ja mein Kind! wir wollen auch ehstens damit fortfahren. Für sich. Die lezte Betstunde muß dem Mädgen doch wohlgefallen haben.


Will abgehen.
CATHRINE.

Bleiben sie doch noch! wissen sie nicht mehr, was unter uns vorgegangen ist, als sie hinuntergehen wollten, und an mein Bette kamen?

MUFFEL
bedenkt sich.
Hum! ist mir vielleicht eine sonderbare geistliche Betrachtung dabey eingefallen? – –
CATHRINE.
O nein! – –
MUFFEL.
Und wollt ihr dieselbe gern in Uebung bringen?
CATHRINE.
Ach nein! sie haben mir – – –
MUFFEL.
Einen geistlichen Kraft- und Denkspruch mit zu Bette gegeben?
CATHRINE.
Nein sag ich, sie haben sich auf demselben niedergesetzt. – –
MUFFEL.
Und – –?
[12]
CATHRINE.
Und mich zu sich gerufen.
MUFFEL.
Und – –?
CATHRINE.

Und wann sie sonst nichts mehr von der ganzen Historie wissen wollen, so werden sie doch noch wissen, daß sie wieder da von aufgestanden sind, und daß sie ganz anders wieder aufgestanden sind, als sie sich hingesetzt haben, und daß sie mich – – –

MUFFEL.
Cathrine!
CATHRINE.

In einem ganz andern Zustande gelassen haben, als sie mich auf meiner Kammer vor der Betstunde angetroffen hatten.

MUFFEL.

Cathrine! arme Cathrine! der Satan hat euch erschrecklich verblendet. Da werdet ihr euch mit unreinen Gedanken zu Bette gelegt haben, da hat euch denn der Satan einen bösen Traum eingegeben, und weil er uns Geistlichen, als seinen grösten Feinden, allen ersinnlichen Schimpf und Tort anzuthun sucht, so hat er mich zu dieser Unzucht als ein unschuldiges Werkzeug gebrauchen wollen, und mich euch deswegen im Traume so natürlich vorgestellt, daß ihr alles empfunden habt, was ihr hättet empfinden müssen, wann ich in leibhaftiger Gestalt bey euch gewesen wäre. Für sich. Das muß sie wohl glauben.

CATHRINE.

Das war eine rechte Postillenmässige Auslegung meines Textes, Herr Pastor. Nach meiner Art zu denken sind so wohl die Verblendung als der Traum ein blosses Nichts; wie hat nun daraus ein gewisses [13] Etwas werden können, welches ihnen vielleicht ganz ähnlich sehen wird.

MUFFEL.

Was? zum Henker Cathrine, wie habt ihr euch so übel vorgesehn, daß ein Etwas draus geworden ist? So stark kan doch auch keine Verblendung werden. Hum! hum! – – Ich muß doch auch wohl dabey gewesen seyn.

CATHRINE.
Das muß ich am besten wissen.
MUFFEL.

Es ist doch mit allem dem ein vertrackter Streich! ich hab es eben so böse nicht gemeinet. Denn das werdet ihr doch wohl meinem Amte zutrauen, daß ich es nicht werde aus unheiligen Absichten gethan haben. Ich that es nur blos, meinem Fleische wehe zu thun, damit ich nicht in größre Sünden gestürzet würde. Aber der Teufel hat alle meine gute Absichten verkehret, und hat euch dadurch zu Falle kommen lassen.

CATHRINE.

Ja, ja, der Teufel hat alles gethan. Er müste nicht die geringste Erkenntlichkeit besitzen, wann er den Geistlichen so feind wäre. Denn, glauben Sie mir, man würde seiner gar nicht auf Erden gedenken, man würde seinen Nahmen kaum wissen, denn man würde sich dazu die Mühe nicht nehmen, er würde nicht die Ehre haben, an so vielem Unglücke und an so vielen Bosheiten schuld zu seyn, wann sich die Geistlichen nicht recht darauf übten, ihn ihren Gemeinden bey aller Gelegenheit abzumahlen, [14] und wann sie ihn nicht zu einem mächtigen Tyrannen der Menschen, und zu einem Leibpächter aller Bosheiten machten. Der Teufel ist bey den Geistlichen ein rechter Eulenspiegel. Wann unsre Knechte sechs Pfennige in der Carte verliehren, so ist er gewiß dabey gewesen, und hat dem Verspieler zu dem Verluste verholfen.

MUFFEL.
Ums Himmels willen, Cathrine, wer hat eure arme Seele mit solcher Vernunftsseuche angesteckt.
CATHRINE.

Ich kan es der Frau von Birkenhayn Tochter nicht genug verdanken, daß sie mich, als ich vor einigen Jahren bey ihrer Frau Mama diente, ein wenig klug gemacht hat.

MUFFEL.

Ein Teufelskind hat sie aus euch gemacht. Ihr gute Cathrine! ach eure blinde, unschuldige Seele! die jammert mich. Doch wir haben jetzt etwas wichtigers zu bedenken, sagt mir nur, wie wir mit Ehren aus unserm Handel kommen?

CATHRINE.
Ja Herr, ich weiß keinen andern Rath, als daß wir je eher, je lieber, Hochzeit miteinander machen.
MUFFEL.
Nein Cathrine, nein, ihr würdet euch nicht in den geistlichen Stand schicken.
CATHRINE.

Mir dünkt, die Frau Pastorin sollte mich so gut kleiden, als sie der Herr Pastor. Ueberdem werden die Priesterfrauen doch wohl nicht auch auf die Universität ziehen [15] müssen. Oder bringen die Prediger ihre Frauen von der Universität mit herunter?

MUFFEL.

Die Bauren würden nicht die gehörige Ehrerbietigkeit vor euch haben, die sie vor einer Priesterfrau haben müssen. Hört, Cathrine! ich will euch eures gleichen zum Manne geben, ich will euch die Hochzeit ausrichten, und noch dazu 100. Rthlr. zum Brautschatze schenken. Seyd ihr damit nicht zufrieden?

CATHRINE.

O ja, das ist mir zehnmal lieber, als Sie, und ihr geistlicher Stand. Denn haben sie mir erst den Korb gegeben, so geb ich ihn Ihnen hiermit wieder. Wenn Sie aber ja jemanden dis Glück gönnen wollen, so muß es Peter seyn. Denn wir haben uns schon seit einiger Zeit her gegeneinander so angestellet, als wann wir mit der Zeit ein Brautpaar werden wollten.

MUFFEL.
Da kommt er eben gelaufen, was muß er wollen?
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Muffel, Cathrine, Peter.

PETER.

Herr, die Birkenhaynische und Rosenecksche Fremden sind eben jetzo in zweyen Kutschen angekommen, und warten auf ihre Bewillkommung.

MUFFEL.

Der Henker, nun hab ich noch nicht drauf studiret, wie ich sie bewillkommen [16] muß. Ja ich muß ihnen entgegen gehen.


Will abgehen.
CATHRINE.

Herr Pastor reden sie doch erst mit Petern wegen der Sache, die sie wohl wissen, er möchte mir nicht glauben.

MUFFEL.

Ja, Peter, ich habe euch was zu sagen, was nothwendiger ist, als aller Fremden Bewillkommung. Hört, Peter, – – Ja – – Ich muß Morgen um 8. Uhr auf die Canzel, weckt mich ja um 7. Uhr auf, daß ich noch auf die Kirchmeßpredigt studiren kan.


Will abgehen.
PETER.
Sie lassen sich ja sonst immer von Cathrinen wecken, Herr Pastor.
CATHRINE.
Sie haben ja Petern was ganz anders zu sagen, Herr Pastor.
MUFFEL.

Es ist wahr. Ja, Peter, hört – – Wann mich heut Abend der Satan verführen sollte, ein Glas zu viel zu trinken, so zupft mich nur heimlich am Ermel.


Will abgehen.
PETER
für sich.
Das werd ich wohl bleiben lassen, er mag trinken, so trink ich mit.
CATHRINE.

O Herr Muffel, das war ja noch nicht recht, sagen sies doch nur heraus, Peter nimmt ihnen ja nichts übel.

MUFFEL.
Ja hört nur mein lieber Peter – –

Steht in Gedanken.
CATHRINE
für sich.
Nun wirds kommen, er sagt schon lieber Peter.
[17]
MUFFEL.
Nun, so last mich ja Morgen die Predigt nicht verschlafen, und stosset mich am Ermel – –
CATHRINE.

Da kommt ja nichts heraus, Herr Pastor. Sie dürfen ja eben nicht die Umstände nach der Reihe erzählen, die dabey vorgegangen sind, denn das wäre freylich eine Sünde, ob es gleich die That selbst nicht gewesen ist.

MUFFEL
ungeduldig.

So muß ich denn wohl mit der Sprache heraus. Hört mir diesesmal wohl zu, Peter. Ich habe Cathrinen – – – doch, das braucht ihr nicht zu wissen, es ist eine Zote. Hört, ihr sollt heute Abend mit Cathrinen Verlöbnis machen. Zu der Hochzeit will ich alle Kosten reichlich herschiessen, und Cathrinen 100. Rthlr. zum Brautschatze geben. Gebt ihr nur gleich die Hand auf mein Wort.

PETER
mit einer heiligen Mine.

Es wäre sündlich, ein solches wichtiges Werk, als der Ehstand ist, ohne Bedacht vorzunehmen. Ich will erst singen und beten.

MUFFEL.
Recht Peter, singt und betet erst, aber macht es nicht zu lange.

Geht ab.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Cathrine, Peter.

PETER
für sich.

Ich soll Cathrinen noch heute Abend die Ehe versprechen? eine freye Hochzeit? [18] 100 Rthlr? das ist ganz gut. Aber: Ich habe Cathrinen, – – es ist eine Zote. Ich will ein Schelm seyn, das ist ein Pastorstückgen, da steckt was anders hinter; ich muß Cathrinen ausfragen.

CATHRINE.

Nun, Peter, was fehlt dir? was murmelst du bey dir selbst? Verdrießt es dich, daß du mich heyrathen solst? oder hast du dich auf ein Lied bedacht? Ich singe gewiß nicht mit, Peter, das sag ich dir.

PETER.

Mein allerliebstes Cathringen, ich bin vor Freuden ausser mir. Dich, und 100 Rthlr. dazu? bin ich nicht glücklich? Aber wie ist denn unser Herr auf einmahl so freygebig geworden? heut war ich sein lieber Peter, sonst Flegel und Tagedieb.

CATHRINE.
Dazu hat er seine ganz besondre Ursachen, er muß wohl.
PETER.
Du weißt doch wohl, was er für Ursachen dazu hat?
CATHRINE.
Ich weiß es so gut, als er selbst.
PETER.
So wirst du sie mir doch auch offenbahren.
CATHRINE.
Warum nicht? aber du mußt warten, bis nach der Hochzeit.
PETER.
Ich bin zu neugierig, so lange kan ich unmöglich warten.
CATHRINE.
Die Ursachen sind aber nicht so angenehm, daß sie dich erfreuen werden.
PETER.
Sie mögen seyn, wie sie wollen; ich muß sie wissen, Cathringen, oder ich sterbe vor Ungedult.
[19]
CATHRINE.
Verlange sie nicht zu wissen, sie werden dich verdriessen.
PETER.
Ey zum – – desto eher muß ich sie wissen.
CATHRINE.
Desto weniger kan ich sie dir aber sagen.
PETER.
Ich mußte ja ein rechter Pinsel seyn, wann ich nicht mit allem Ernste darnach forschte.
CATHRINE.
Und ich müste allen Verstand verlohren haben, wenn ich sie dir sagte.
PETER.
Nun, so mag ich dich mit samt den Ursachen, und den 100 Thalern nicht wissen.

Will abgehen.
CATHRINE.

Hertzallerliebstes Petergen, ich will dir alles sagen, Peter kehrt wieder um. aber du must auch ja nicht böse darüber werden.

PETER.
Je nun! rasend werd ich doch wohl nicht darüber werden.
CATHRINE.
Du must mir auch nicht feind werden, Peter.
PETER.
Nein! ich will gar nichts werden, mache nur einmahl ein Ende aus deinem ewigen Gewäsche.
CATHRINE.

Du wirst doch noch wohl wissen, daß unser Herr einmahl Abendbetstunden mit mir auf meiner Kammer gehalten?

PETER.
Ja, das weis ich.
CATHRINE.

In diesen Betstunden ist er mir so gut geworden, daß er mich mit dir zusammenbringen, daß er uns eine freye Hochzeit geben, und mir 100 Thaler zum Brautschatze schenken will. Aber, Peter, da ist nun noch ein Umstand dabey, ich bringe [20] noch etwas anders zu dir, darüber du dich wundern wirst.

PETER.
Was ist denn das, Cathringen, kanst du mir es nicht weisen?
CATHRINE.
Nein, das kanst du nicht eher, als erst eine Zeit nach unsrer Hochzeit zu sehen bekommen.
PETER.

Ey! zum Henker! alles wilst du mir erst nach der Hochzeit sagen, alles wilst du mir erst nach der Hochzeit zeigen. Ich will aber alles vor der Hochzeit wissen, ich will alles vor der Hochzeit sehn.

CATHRINE.

Das kanst du aber nicht, Peter! laß einmahl recht vernünftig mit dir reden. Gesetzt unser Herr schenkte dir heute noch einen grossen Butterkuchen von dem feinsten Mehle?

PETER.
Er sollte bey mir nicht verschimmeln.
CATHRINE.

Er hätte aber noch einen kleinen Butterkuchen, den du auf seine Gesundheit verzehren soltest, und davon du ohnfehlbar ein starkes Kopfweh bekämest?

PETER.
Den könnte er für sich behalten.
CATHRINE.
Gesetzt aber, daß du den grossen ohne den kleinen auf keine Weise geniessen könntest?
PETER.
So ließ ich ihm alle beyde.
CATHRINE.
Wann er dir aber 100 Rthlr. dabey in die Hand drückte.
PETER.

Der Teufel hohle mich, ich ässe Kuchen, und Kopfweh, und alles hinunter, von dem Kopfweh stirbt man ja nicht.

[21]
CATHRINE.
Verstehst du mich nun, Peter?
PETER.

O ja. Ich soll heute zwey Kuchen essen, einen grossen und einen kleinen; und wenn ich sie gegessen habe, so soll ich 100 Thaler und das Kopfweh bekommen.

CATHRINE.

Einfältiger Tropf! ich habe nur den Fall so gesetzt. Der grosse Butterkuchen ist ein ganz ander Ding. Der kleine Butterkuchen wird zwar auch wohl Kuchen essen lernen, aber sein Lebestage nicht dazu werden. Das Kopfweh ist auch eine andre Krankheit, aber nur der gesunden.

PETER.

Hole dich der Henker mit deinem Fallsetzen; wenn die Butterkuchen keine rechte Butterkuchen sind, so versteh ich dich ganz und gar nicht.

CATHRINE.

Höre, Peter, ich will dir das ganze Rätzel mit einem Worte auflösen: wann du mich dann nicht verstehst, so must du warten bis nach unsrer Hochzeit. Ich, ich bin der grosse Butterkuchen.

PETER.

Puh! nach gerade werde ich dich verstehen lernen. Du bist der grosse Butterkuchen und kanst schon Butterkuchen essen, und der kleine wird auch Kuchen essen lernen, und wann ich dich haben will, so muß ich den kleinen Butterkuchen auch nehmen. Aber höre doch, Cathringen; hat nicht der Herr Pastor Muffel das Mehl zu dem kleinen Butterkuchen hergegeben?

CATHRINE.
Recht, Peter, du kanst gut rathen.
[22]
PETER.
Aber mit dem allen begreife ich doch noch nicht, was du mit dem Kopfweh sagen wilst.
CATHRINE.
Was werden die Männer, wann sie andrer Leute Kinder wiegen?
PETER.
Also wird mich der kleine Butterkuchen zum Hahnrey machen?
CATHRINE.

Das machen die 100 Thaler aber wieder gut. Du kanst noch wohl unverschämter fordern. Denn seine Ehre und sein Amt zu retten muß er dir alles eingehen.

PETER.

Aber mit allem dem, so ist doch die ganze Historie von dem Herrn Pastor Muffel, und von dem kleinen Butterkuchen, recht lustig. Ich hätte wohl zusehen mögen. Wie machte es denn der Herr Pastor, als er dir seine Liebe antrug? sah er denn auch so geistlich dabey aus, als wenn er aus der Sacristey auf die Cantzel geht?

CATHRINE.

Freylich, er ist in seinem ganzen Liebeshistorie recht theologisch verfahren. Ohngefehr vier Wochen zuvor, ehe ich ihn genauer kennen lernte, kam er alle Tage zu mir in die Küche, bald, wann ich kochte, bald, wann ich das Essen anrichtete, bald, wann ich das Zinn abwusch, bald, wann ich Holz klein machte, und zuweilen traf es sich, daß ich eben Feuer anzündete.

PETER.
Und dann half er dir das Zinn abwaschen und das Holz – – –
CATHRINE.

Das läuft ja nicht in die Theologie, du Narr. Nach meinen beslondern verschiedenen [23] Arbeiten hielt er mir verschiedene Erbauungsstunden. Wann ich eben Erbsen beym Feuer hatte, so verglich er die ganze Gemeine mit dem einzigen Topfe Erbsen, und beschwerte sich über die Hülsen, welche sie vor den Ohren hätten, weil dieselben seinen Vermahnungen und Drohungen alle Kraft und allen Zugang benähmen. Traf er Schweinefleisch in den Töpfen an, so seufzete er über die Hartnäckigkeit des Jüdischen Volkes. Ach! der Himmel erbarme sich über dich, du verstocktes Volck, rief er aus; wann wirst du einmahl anfangen Schweinefleisch zu essen? Wann ich Fische in der grossen Schüssel anrichtete, so machte er mir die uneinige Einigkeit der Kirche dabey begreiflich. Gleichwie ietzund der Kopf von dem Mittelstücke und das Mittelstück von dem Schwanke abgeändert ist, und doch alle drey einen Fisch ausmachen, eben so, sagte er, ist der Lehrstand, der war der Kopf, von dem Wehrstande, hier wieß er auf das Mittelstück, und der Wehrstand von dem Nährstande, nemlich vom Schwanze abgesondert, und doch machen alle drey eine Kirche aus. Bey den letzten Worten rührte er mir aus blindem Eyfer alles in der Schüssel unter einander, das ich Mühe hatte, es wieder zusammen zu finden. War ich bey dem Schauerfasse, so gab er mir die Ermahnung, daß ich nicht, wie die Pharisäer, das äussre nur rein halten [24] sollte. Bey dem Holzspalten predigte er mir von der Zerknirschung des Herzens, und bey dem Feuerzeuge von dem Feuer geistlichen Liebe vor, wobey ich aber die andre Liebe allezeit aus seinen Augen lesen konnte.

PETER.

Da könnte man ja ein ganzes Buch von der theologischen und in Gott andächtigen Köchin schreiben. Aber warum hat ihn denn der Henker mit seinen Predigten nur immer zu dir geführt? zu mir ist er weder in den Pferdestall, noch in den Holzstall, noch auf den Hexelboden, noch auf den Heuboden gekommen, und ich dächte, da könnte es ihm auch nicht an Materie und an Gelegenheit zu Erbauungen fehlen. Mir dünckt aber er hat ganz etwas anders, als deine Bekehrung bey dir gesucht.

CATHRINE.

Du sagst die Wahrheit, Peter. Als er auf diese Weise nicht an mich kommen konnte, so versuchte er es auf eine andre Art. An einem Montagabend, ich weiß mir noch alles so vorzustellen, als geschäh es eben ietzo, faß ich eben auf meiner Lade, welche vor dem Gartenfensterchen steht, und nähete mir ein neues Hemde. Ich nähete mit aller Macht, weil ich gern bald fertig seyn wollte und war mir eher den Tod, als unsern Herrn vermuthen. Ehr ich michs versah, hörte ich Pantoffeln auf der Treppe scharren, aber so leise, als wenn es Geisterpantoffeln gewesen wären.

[25]
PETER
sieht sich ganz furchtsam um.

Nun komm ich mein Lebestage nicht wieder auf deine Kammer, das wird gewiß der Magister gewesen seyn mit dem langen Barte. In den Pfarrhäusern geht es doch niemals richtig zu.

CATHRINE.
Du darfst dir ja nur den Mantel umhängen, so grauet dich nicht.
PETER.
Spotte nur nicht. Was wurde denn aus den Geisterpantoffeln endlich?
CATHRINE.

Weil ich sonst nichts hörte, so nähete ich weiter fort. Aber kaum eine Minute drauf, hörte ich in der Nähe was rasseln. Ich sah mich darnach um, und fieng zugleich aus vollem Halse an zu schreyen, weil ich ein langes schwarzes Gespenst mit einem weissen Kopfe auf mich zukommen sahe.

PETER
sieht sich wieder furchtsam um.
Es ist doch wohl nicht was hinter mir.
CATHRINE.

Aber den Augenblick drauf wurde ich gewahr, daß Herr Muffel mit seiner weissen Mütze das Gespenste gewesen war. Mein liebes Kind, fieng er an, wie steht es um eure arme Seele? hier griff er mir an den Ort, wo er sagte, daß das Herz sässe. Ihr habt ein böses Gewissen, fuhr er weiter fort, euer Herz schlägt sehr geschwinde und ängstlich. Ey, ey lasset eure Gewissenswunden von mir, eurem Seelenarzte, heilen. Eure Seele ist mir viel zu lieb, als daß ich sie sollte lassen verlohren[26] gehen. Und nach einigen andern dergleichen geistlichen Reden fieng er die erste Abendbetstunde mit einem Liede an. Mit diesen Betstunden fuhr er bis auf den Sonnabend auf einerley Weise fort. Ausser daß er sich in jeder Betstunde eine Freyheit mehr herausnahm. In der ersten blieb es dabey, daß er mir ans Herze fühlte. In der andern drückte er mir die Hände, streichelte mir die Backen, aber immer auf solche Art, als wenn es sein Eyfer für meine Bekehrung so mit sich brächte. Dieses währete weiter so fort, bis er mich den Donnerstag küssen, und ich ihm still halten, lernte.

PETER.
Welchen Tag habt ihr denn für den kleinen Butterkuchen aufbehalten?
CATHRINE.
Dazu hatte er den Sonnabend ausgesetzt.
PETER.

Den Sonnabend? wie hat er denn da die Zeit übrig gehabt? da hat er ja auf den Sonntag studiren müssen?

CATHRINE.

Dafür hat er auch die Abendbetstunde mit mir nur halb gehalten. Denn als wir eben niederknien wollten, so that er mir seinen Liebesantrag, über welchen ich anfänglich nicht wenig erschrack. Ich suchte ihn auch theils durch Bitten, theils durch Anführung seiner eigenen Worte davon abzubringen; aber vergebens. Er antwortete ganz trotzig; Ein Geistliche könne nicht sündigen, sein Amt mache alle [27] Schandthaten heilig. Ueberdem fuhr er fort, so haben wir uns ja durch die eine Helfte der Betstunde zu unserm Vorhaben geheiliget, und wann ihr meinen Wunsch werdet erfüllet haben, so wollen wir in der andern Helfte der Betstunde alles wieder gut machen. Hier wurd ich endlich mehr von meiner Schwäche, als von der Stärke seiner falschen Beredsamkeit, überwunden ja hier – – –

PETER.

Hier hätt ich nun eben mit einer Runge aus dem Holzwagen sollen dazu gekommen seyn. Mein Herr Muffel hätte seines Sieges nicht froh werden sollen.

CATHRINE.

Endlich gieng er ohne ein Wort zu sagen, die Treppen wieder hinunter, und ließ Betstunde Betstunde bleiben. Ich selbst hätte die übrige Zeit lieber mit dir, Petergen, zubringen wollen.

PETER.

Du bist mir also sehr günstig, Cathrine, du hättest mir zum wenigsten doch die Neige gegönnt. Ich bin indessen dein gehorsamer Diener für den umständlichen Bericht. Herrn Muffeln wird der Kopf von dem kleinen Butterkuchen nicht weh thun, denn es ist sein eigenes Machwerk. Er mag dich und seine 100. Rthlr. nur behalten, ich bedanke mich dafür.

CATHRINE.

Ums Himmels willen, liebster Peter, strafe doch an mir einen Fehler des ganzen weiblichen Geschlechts nicht. Die [28] Verschwiegenheit fehlet uns freylich, aber ich bin einmal zu treuherzig – –

PETER.
Ich mag keine hundert Thaler für ein solches Kopfweh kaufen, welches an den Männern unheilbar ist.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Cathrine, Peter, Muffel.

MUFFEL.

Nun, meine lieben Kinder, habt ihr ausgesungen und ausgebetet? hier bring ich euch zwey goldene Ringe zum Verlöbnisse, welches auf den Abend in Gegenwart aller Fremden vor sich gehen soll.

PETER
mit einer heiligen Mine.

Ums Himmels willen Herr Pastor, wo ihnen meine arme Seligkeit lieb ist, so verschieben sie das Verlöbnis noch, oder lassen es nimmermehr vor sich gehen.

MUFFEL.
Was ich gethan habe, schadet euch so wenig als ihr, weil Ich es gethan habe.
PETER.

Dieses ist eben mein Gewissensscrupel, daß sie es gethan haben, Herr Pastor. Soll ich den Ort, den sie und ihre Geistlichkeit geheiliget haben, mit meiner weltlichen Ichheit wieder beflecken? davor behüte mich der Himmel!

MUFFEL.

Euer Gewissensscrupel ist von Wichtigkeit, Peter, doch wir Prediger wissen dergleichen zu heben. Hört nur, guter Peter, heyrathet ihr Cathrinen immer, [29] was ich geweyhet habe, will ich für mich behalten, und ihr werdet auch wohl gute Herzen antreffen.

CATHRINE.
Daß muß eine verdammte Postille seyn, nach welcher er diesen Gewissensscrupel auflösetFür sich.
MUFFEL.
Euer Zweifel ist euch nun gehoben, strecket nur die Hand nach den 100 Rthln. aus.
PETER
zieht sich unter dieser Rede zurück.

Ach! um alles in der Welt nicht. Der Herr Pastor haben Cathrinen vom Haupte bis zu den Fußsolen zur Heilige gemacht, an mir aber haben sie nur den Kragen geheiligt, als sie neulich Brüderschaft mit mir trunken. Ich bin ein armer sündiger Mensch gegen Cathrinen. Ich muß mich vor ihr schämen, und mich der Sünde fürchten, der Himmel würde sie meinetwegen strafen. Nein, dazu hab ich sie viel zu lieb.Verändert die Stimme. Behalten sie ihre gemuffelte Cathrine für sich, und machen sie keinen für 100. Rthlr. zum Hahnrey. Lauft eilend ab.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Muffel, Cathrine.

MUFFEL
will Petern nachlaufen, kehrt aber wieder um.
Das ist der leibhaftige Teufel! Gieb mir nun einen Rath, Cathrine.
[30]
CATHRINE.

Den hab ich selbst nicht ob ich ihn gleich höchstnöthig habe. Daß Peter nun von meiner Heyrath nichts wissen will das hab ich ihnen zu danken.

MUFFEL.

Nein euch selbst, Cathrine. Ihr hättet verschwiegner gegen ihn seyn sollen. Ihr wollt ja einen Prediger heyrathen, so klug dünkt ihr euch, und seyd doch so offenherzig, und – –

CATHRINE.
Er wollte aber alles mit Gewalt wissen.
MUFFEL.

So hattet ihr ihm solange was anders für die Wahrheit verkaufen sollen. Nein die Predigerfrauen müssen schweigen und lügen können.

CATHRINE.
So sind wir ja beyde verlohren.
MUFFEL.

Mir fällt noch etwas für euch bey. Es pflegen in der Kirchmesse arme Studenten bey mir einzukehren. Unter denen wird sich keiner ein Gewissen aus dem bisgen Hahnreyschaft machen. Des Herrn von Rosenecks Guth hat keinen Prediger, ich muß versuchen einen von den Vaganten da anzubringen, und ihr werdet auf die Art doch noch eine Predigerfrau. Wir haben alle beyde dadurch noch mehr Vortheile. Denn der arme Schelm, den ich zur Pfarre helfe muß hernach immer meine Parthie halten, und ihr könnet auch mehr Herrschaft über ihn haben, weil er durch euch zur Pfarre gekommen ist. Gehet [31] nur immer, und macht zum Abendessen Anstalt

CATHRINE.

So wünsch ich nicht mehr als daß heute Abend ein recht liebenwürdiger Bettler ankommen möge. Geht ab.

MUFFEL.

Wo ich das Mägdgen nicht mit Ehren zum Manne verhelfe, so wird sie mich um mein Amt und um alles bringen.


Will abgehen.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Tempelstolz, Muffel.

TEMPELSTOLZ.
Warum kommen sie denn nicht zur Gesellschaft, Herr Confrater?
MUFFEL.

Ich bin eben im Begriffe, zuzusehen, was meine liebe Gäste machen, und womit ich ihnen aufwarten kan.

TEMPELSTOLZ.
Ich warte mit Schmerzen auf sie, denn wir haben uns ja so lange nicht gesehen.
MUFFEL.

Wie ich gehört habe so sind sie in der Stadt gewesen, Herr Confrater, was bringen sie denn aus derselben neues mit?

TEMPELSTOLZ.

Das neueste und das beste für mich ist, daß ich meinen Proceß mit der alten Brigitte gewinnen werde. Ich habe ihr die Ehe versprochen, aber mein Advocat wird mich schon wieder von ihr loszumachen wissen. Würde mich nicht die ganze Welt auslachen, wenn ich meine besten Jahre [32] bey einem alten Hausbesen von 65. Jahren verschwenden wollte.

MUFFEL.

Das hätt ich ihnen selbst verdacht. Aber bedenken sie hierbey auch ihr Gewissen? denn sie haben ihr doch durch das Versprechen ihrer Ehe meist 200. Rthlr. abgeschwatzt, durch welche sie die Pfarre bekommen haben; und sie müsten viel leicht diese Stunde noch das A, B, C, in der Armenschule lehren, wann die alte Brigitte nicht gewesen wäre.

TEMPELSTOLZ.

Sie wollen selbst ein Geistlicher seyn, und reden doch so gewissenhaft von einer Sache, aus welcher sich kein Geistlicher ein Gewissen macht. Die alte Brigitte und die 200. Rthlr. waren der Weg, den mir der Himmel zeigte in ein Amt zu kommen, aber das glaub ich nicht, daß es der Brigitte hat ein Weg seyn sollen, sich in ihrem Alter zu verheyrathen.

MUFFEL.

Freylich, der Himmel hat wunderliche, krumme Wege, einen Candidaten in ein Amt zu verhelfen. Aber wie leben denn die Stadtprediger? sie werden vermuthlich einige besucht haben.

TEMPELSTOLZ.

O! die leben weit ruhiger, als wir auf dem Lande, sie haben im Amte und in der Haushaltung wenig zu thun. Sie bekommen auch solche Amtsmässige Bäuche, welche den Gemüthern ihrer Zuhörer die gröste Ehrfurcht für ihre Heiligkeit einjagen. Meinen ersten Besuch hab ich bey [33] dem alten Herrn Hieronymus abgestattet; der Mann ist in seinem Amte recht fett geworden. Er bleibt noch immer bey seinem Jahrgange. Nun ist er beynahe 30 Jahr im Amte. In den 3 ersten Jahren hat er alle seine Predigten von Wort zu Wort studiret, in den folgenden Jahren aber nur besser auswendig gelernt; er hat also jede Predigt schon 10 mahl hergesagt. Davon ist er ihrer so geläuftig geworden, daß er ietzo weiter nichts thun darf, als des Sonnabends das Concept hervorsuchen, des Sonntags Morgens einmahl durchlesen, und dann um 9 Uhr dasselbe seiner Gemeine noch einmahl vorbeten, was er ihr schon vor 30 Jahren, und seitdem schon zehnmahl, in eben dem Thone vorgesagt hat. Ich werde ihm nach seinem Beyspiele folgen. Drey Jahre werden mir sauer werden, da werd ich viel auszuschreiben und auswendig zu lernen haben; doch, dafür kan ich auch 20 oder 30 Jahre lang faullenzen.

MUFFEL.

Auf diese Weise muß ja dem Herrn Hieronymus die Zeit erschrecklich lang werden, weil er die ganze Woche hindurch nichts zu thun hat. Oder schreibt er vielleicht Bücher?

TEMPELSTOLZ.

Er ist zwar ein grundgelehrter Mann, aber mit dem Bücherschreiben giebet er sich nicht ab. Er kan seine Zeit besser und geruhiger hinbringen. Wann er um 9 Uhr aufgestanden ist, bis 10 Uhr Thee getrunken, [34] bis 11 Uhr sich angezogen, bis 2 Uhr gespeiset und bis 3 Uhr Mittagsruhe gehalten hat; So besucht er einen frommen und reichen Bürger, oder einen andern Vornehmen, der ein Cliente von ihm als seinem Beichtvater ist. Diese frägt er nach dem Zustande ihrer Seelen, und fährt mit seinen theologischen Reden so lange fort bis der Coffee oder der Wein auf den Tisch kommt, oder bis sie mit ihm in einen Garten fahren, oder das Abendessen anrichten. Bey diesen Gelegenheiten fallen zuweilen genug zeitvertreibende Discurse vor, oder die Gesellschaft ist auch an sich schon angenehm, zumahl wenn artiges Frauenzimmer darunter ist. Wann er nicht ausgeht, so hat er seine Concepte durchzusehen, welche er ietzund ins reine schreiben läßt, weil er alle seine Predigten herausgeben will.

MUFFEL.

Das wird eine brave Postille werden. 3 Predigten über ieden Text! Es wir doch alles in der Welt leichter gemacht. Unsre Nachkommen werden schon besser predigen, als wir, denn sie bekommen grössere Postillen.

TEMPELSTOLZ.

Ueberdem von einem so gelehrten Manne, der schon 20 Jahr im Amte ist, und ein ganzes Zimmer voll Postillen hat.

MUFFEL.

Aber die Stadtprediger werden doch wohl nicht so von ihren Gemeinen beschenkt, als wir von den Bauern?

[35]
TEMPELSTOLZ.

Das sagen sie nicht, Herr Confrater. Sie wissen schon ihre Rechnung bey den Vornehmen zu machen, sie wissen ihnen auf die höflichste Art die Geschenke abzunehmen. Kennen sie nicht den andächtigen Mann, den Herr Tartüffe?

MUFFEL.
Ich habe ja mit ihm auf dem Hällischen Waysenhause studirt.
TEMPELSTOLZ.

Der weiß am besten, wo der Bürger am barmherzigsten ist. Er hält wöchentliche Erbauungsstunden, un merkt sich in denselben die reichsten Weibespersonen, denn diese besuchen seine Versammlungen am häuffigsten. In der Betstunde sucht er sie alle erst zum Weinen zu bewegen, welches ihm sehr leicht wird. Wenn er sie nun recht weichherzig gemacht und die Stunde geschlossen hat, so gehet er zuerst heraus, stellt sich an die Treppe, läßt sie alle vor sich vorbeygehen, und grüßt iede überaus verliebt und geistlich. Geht eine vor ihm vorbey, von der er sich vermuthet, daß sie reich ist, und die in der Stunde brav geweint hat, so ruft er sie zurück, und läßt sie seitwärts treten. Wann denn vier oder fünfe auf ihn warten, so ruft er eine nach der andern in seine Stube, ermahnt sie ernstlich, fallt mit ihnen auf die Knie, und nimmt endlich auf eine besondere freundliche Art von ihnen Abschied. Diese einfältige Bürgerfrauen verlieben sich bey dieser Gelegenheit in seine andächtige Minen, [36] ohne es selbst zu wissen. Sie halten diese heimliche Liebe für nichts anders, als für einen ihnen vom Himmel eingegebenen Trieb, dem Herrn Tartüffe Gutes zu thun. Dieser Trieb wird sodann so rasend, daß sie alles, was sie ihren Männern heimlich entwenden können, dem Herrn Tartüffe ins Haus bringen.

MUFFEL.
Darüber geräth aber der Bürger zuweilen, ohne zu wissen wie es zugeht, in die empfindlichste Armuth?
TEMPELSTOLZ.
Was ist daran gelegen? wenn der Geistliche nu reich dadurch wird.
MUFFEL.

Das ist endlich wahr, dafür hilft der Priester den Bürger auch in den Himmel. Aber stehen die Herrn Stadtprediger auch in solchem Ansehen, als wir bey dem Bauer?

TEMPELSTOLZ.

Warum zweifeln sie daran? der Vornehme läßt sich öfters ärger betrügen als der Bauer. Herr Tartüffe nannte mir eine gewisse junge Gräfin, einen Geheimen Rath, und eine der reichsten Bürgerfrauen in der Stadt, welche den Augenblick an ihrer Seligkeit verzweifeln wurden, wann sie eine von seinen Predigten versäumten. Der Gräfin hat er neulich das tausendjährige Reich abgeschildert, und zugleich die Vorzüge beschrieben, welche darin das unverheyrathete Frauenzimmer vor dem andern haben würde. Hiedurch hat er eine Heyrath eines vornehmen Kriegesbedienten hintertrieben, weil die Gräfin mehr als andre [37] im tausendjährigen Reiche seyn wollte. Und diese Mühe ist dem Herrn Tartüffe mit 50 Pistolen von einem Hofcavallier bezahlt worden, welcher die Gräfin gleichfalls liebte. Damit aber der Hofcavallier in seiner Liebe glücklich würde, so fieng er wieder ein Gespräch vom tausendjährigen Reiche mit ihr an, und setzte hinzu, daß die Matronen, welche in ihrer Ehe 7 Söhne zeugten, noch über dem unverheyratheten Frauenzimmer den Rang haben würden; er machte ihr zu 7 Söhnen Hoffnung, sie glaubte ihm, und gab dem Hofcavallier die Hand, von welchem Herr Tartüffe noch einmahl 50 Pistolen empfieng.

MUFFEL.

Der Streich ist werth, daß er zum ewigen Ruhme des Herrn Tartüffe in einem Kirchenbuche aufgezeichnet wird.

TEMPELSTOLZ.

Er stehet bey den Genannten, und noch einigen andern, in solchem Ansehen daß er die armen und dabey frommen Studenten nur mit einem Zeugnisse an sie herumschicken darf, wann er ihnen wohlthun will. Sobald diese Vornehmen nur seine Schrift erblicken, so greift auch die Hand schon in die Goldbörse, und kehrt niemals ohne einen Dukaten zurück. Auf solche Weise sammlet sich der Student zuweilen 30 bis 40 Rthlr. und der vierte Theil da von gehört allemahl dem Hrn. Tartüffe.

MUFFEL.

Auf die Art würde ich mich auch nicht übel in die Stadt schicken, denn ich habe [38] auch auf dem Hällischen Wäysenhause studirt.

TEMPELSTOLZ.
Was haben sie nun aber auf dem Lande in der Zeit für neues gehabt, da ich in der Stadt gewesen bin?
MUFFEL.

Ich habe in den vier Wochen nur eine Hochzeit gehabt, Herr Confrater, aber sie war fett. Ich habe 2 Braten, einen Kuchen, ein Huhn, und eine Gans mit nach Hause gebracht.

TEMPELSTOLZ.
Sind sie auch brav lustig darauf gewesen?
MUFFEL.

Das will ich hoffen, Herr Confrater; die Bauern fürchteten sich erst und wollten vor mir nicht tanzen, aber ich ließ selbst die Musikanten aus der Schenke holen, und machte mit der Braut den Anfang. Zu den Bauern sagte ich zwar, daß ich es meiner Gesundheit wegen thäte, aber im Ernste that ich es der Braut zu gefallen, denn sie war hübsch. Die schöne Käthe aus ihrem Dorfe war auch auf dieser Hochzeit.

TEMPELSTOLZ.
Haben sie denn mit der auch getantzt Herr Confrater?
MUFFEL.
Mit ihr? nach der Braut am allermeisten.
TEMPELSTOLZ.
So wolte ich auch lieber, daß die schöne Käthe zu Hause geblieben wäre.
MUFFEL.
Lassen sie uns nun auch einmahl zur Gesellschaft gehen, die wird nicht wissen, wo wir uns aufhalten.
[39]
TEMPELSTOLZ.

Wenn ich die Wahrheit sagen soll, so bin ich lieber mit ihnen allein, denn der Herr Wahrmund kömmt mir zu klug vor, der kan uns noch wohl gar Händel machen.

MUFFEL.

Da weiß ich guten Rath für, wir müssen so heilige Minen annehmen, als ob wir ihm die Beichte verhören wollten.


Sie gehen ab.
Ende der ersten Handlung.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Herr Wahrmund, Fräulein Wilhelmine.

WAHRMUND.

Finden sie also gar kein Vergnügen in der Gesellschaft der beyden Herren Geistlichen, schönstes Fräulein?

WILHELMINE.

In so fern es eine gewisse Art von Zufriedenheit erweckt, wenn man die Thorheiten der Menschen belacht, so muß einem freylich zwar der Umgang mit den abgeschmacktesten Personen zum Vergnügen dienen. Aber sie selbst werden mir zugestehen, daß sich bey dieser Lust, welche man[40] sich auf die Kosten solcher Thoren mach, allezeit ein billiges Misvergnügen mit einschleicht. Man murret unter der heimlichen Freude über den Schandfleck, welchen ein Muffel und ein Tempelstolz der ganzen menschlichen Natur anhängen. Der Stolz, der scheinheilige Betrug, und die schändliche Unwissenheit an ihnen, als an Lehrern des unbändigen Poebels, sind um so viel strafbarer, weil sie mehr Unglück in dem Staate anrichten, als die groben Verbrechen, welche mit dem Tode der Verbrecher ausgerottet werden.

WAHRMUND.

Bald nöthigen sie mich, den Ausspruch zu thun, daß sie für ein Frauenzimmer viel zu scharfsinnig sind. Doch, nein, ich bin anietzt niht nur vollkommen mit mir selbst zufrieden, da ich sehe, daß meine wenige Lehrstunden sie so frey und richtig denken gelehrt, sondern ich kan es auch der Natur nicht genug verdanken, daß sie nicht alle Schönheiten nur für die Augen erschaffen hat. Es ist sonst ein allgemeiner Fehler der Schönen, daß sie ziemlich scharfsichtig die kleinsten Versehen der Mannspersonen einsehen, beurtheilen, und belachen, die grösten Fehler der Geistlichen aber mit einem ehrerbietigen Stillschweigen übergehen. Als ich mich neulich meiner Angelegenheiten wegen in B*** aufhalten muste, hatte ich eines Tages die Ehre in einer vornehmen Gesellschaft zu seyn. Nach [41] vielen aufgeweckten Discursen kamen wir auch auf einen Geistlichen zu reden, welcher uns Gelegenheit gab, über seinen fruchtlosen Eyfer für das äusserliche des Gottesdienstes zu lachen. Ein gewisses Frauenzimmer, welche in der Gesellschaft am hellesten gelacht hatte, wurde ganz schamroth un bestürzt, da sie hernachmals erfuhr, daß wir über ihren Beichtvater gelacht hatten. Nein, Schönste, sie urtheilen beherzter und beständiger, als jene.

WILHELMINE.

Das müssen ja blöde Augen seyn, welche sich durch die schwarze Farbe der Geistlichen so leicht verblenden lassen. Ich werde das Laster bey einem Prediger niemals Tugend nennen, weil ihm von einem andern vielleicht ebenso lasterhaften die Hände unter einer andächtigen Verstellung auf das Haupt geleget worden, oder weil man ihn darum daß er 2 Jahr in Halle gewesen ist, mit uralten, hergebrachten Gebräuchen zum Priester eingesegnet hat. Ich fälle das Urtheil, daß diese Ceremonien so wenig im Stande sind, aus einem Taugenichts einen tugendhaften und gelehrten Mann zu machen, als die alberne Possen jenes lustigen Wirthes dem Don Quixott die wahre Tapferkeit eingeflößt haben.

WAHRMUND.

Ich sage nicht zu viel, schönstes Fräulein, wenn ich behaupte, daß sie den Vorzug erlangt haben, von den geheimesten Vorurtheilen befreyet zu seyn. Hätte [42] mich nicht das Verlangen nach ihrer mir so werthen Gesellschaft, und das Vergnügen an des Herrn von Rosenecks weisen Gesprächen, so sehr gereitzet, so wäre ich dem leztern nimmermehr hieher gefolget. Denn ich muß es gestehen, kein Umgang ist verdrießlicher, als den man mit den Herren Geistlichen pfleget. Es ist nichts anders, als ob man mit Leuten aus einer andern Welt umgehet, wenn man mit den meisten unter ihnen zu thun hat. Sie haben sich weder auf eine gründliche, noch auf eine zierliche Gelehrsamkeit geleget, sie wissen weiter nichts, als wie sie die Postillen auf eine gelehrte Weise bestehlen sollen, und glauben nichts lieber, als daß die Concordanz einem Prediger ein unentbehrliches Buch ist. Mit gesitteten Leuten sind sie auch niemals umgangen, und sich um die grosse Welt bekümmern halten sie für eine Todsünde. Wollen sie eine Gesellschaft unterhalten, so führen sie die theologische Reden an, über welche dieser oder jene Bürger sanft und selig eingeschlafen, oder wann sie gelehrt heissen wollen, so loben sie die beste syrische oder arabische Grammatick. Ueberdem sind sie in ihrer Begierde andere zu bekehren so unverschämt, daß sie an Leute, mit welchen sie zum erstenmal sprechen, ihre erste Frage seyn lassen, ob sie, nach ihrer Art zu reden, schon zum geistlichen Durchbruche [43] gekommen. Die Dorfpriester sind mir aber vor allen andern unerträglich; wenn sie einem die Trauungen, Kindtaufen, und Begräbnisse aus ihrer Gemeine herrechnen, wenn sie vom wohlfeilsten Pflugschaar, und vom besten Pflugochsen, anfangen, so kan man ihnen vor Lachen, und aus Unwissenheit, nicht ein Wort auf ihr langweiliges Geschwätz antworten.

WILHELMINE.

Ich habe ihre Lebensart seit der Zeit, daß ich wieder bey meiner Mama bin, genau kennen, und mich geduldig in dieselbe schicken gelernet. Sie statten fleissige Besuche bey uns ab, weil sie von meiner Mama allemal mit einem fetten Tische und mit einem alten Glase Wein gemästet werden. Ich habe sie aus diesem Umgange so genau kennen gelernet, daß ich ihnen einen neuen Begrif von ihnen geben kan. Sie sind gewisse der Welt schädliche Geschöpfe, welche, weil sie nichts anders gelernt haben, die Freyheit bekommen, sich beym Schneider einen Mantel, und bey der Näherin einen Kragen, zu bestellen, damit sie unter dieser Maske den Staat um ihren Unterhalt betrügen können.

WAHRMUND.

So werden sie auch mit ihrer Frau Mama nicht ganz zufrieden seyn, daß sie dem Herrn Tempelstolz das Jawort auf den Antrag um ihre Person gegeben hat?

[44]
WILHELMINE.

Erinnern sie mich nicht an mein betrübtes Schicksal. Es ist traurig genug, daß mich der Himmel von einer Mutter gebohren werden lassen, welche in dem mir so schädlichen Irrthume stehet, daß ich nicht ehrlich und nicht glücklich leben könne, wo sie mich nicht an einen Geistlichen verheyrathe. Wenn doch einmahl derjenige, welcher mein Herz schon so lange besitzet, ohne von mir es erfahren zu haben, sein Eigentum erkennte und es mit mir zu beschützen trachtete, so sollte es ihm Herr Tempelstolz mit allen Geistlichen, und mit aller ihrer Politick, nicht entwenden können.

WAHRMUND
für sich.

Himmel! liebt sie einen andern? die Schamhaftigkeit, welche ich ihr als meiner Schülerin schuldig bin, verbindet mich zum Schweigen. Zu Wilhelmine. Darf ich nicht wissen, schönstes Fräulein, wer so glücklich ist, ihr Herz, ein so vollkommenes Eigenthum, zu besitzen?

WILHELMINE.

Ach! warum fragen sie? ohngeachtet sie an meinem Geheimnisse grossen Theil nehmen würden, so verbietet mir dennoch die Ehrfurcht für sie als meinen Lehrer, ihnen den Nahmen meines Geliebten zu nennen.

WAHRMUND
harte Gesetze, welche uns zwey zum Stillschweigen verbinden! sie die Ehrfurcht, mich die Schamhaftigkeit.

Wenn [45] ich den Nahmen dieses beglückten Sterblichen nicht wissen darf, so überlassen sie mir wenigstens die Beobachtung seiner Pflichten. Erlauben sie mir, schönste Wilhelmine, daß ich mich ihres Herzens wieder Tempelstolzen so sehr annehme, als ob ich mein Eigenthum beschützen wollte.

WILHELMINE
nein, er liebt mich nicht, wie wollte er sich sonst so gelassen hierzu erbieten.

Wie großmüthig doch die Philosophen sind! so können sie einem Unbekannten seine Geliebte beständig machen, ohne an die Eyfersucht zu gedenken?

WAHRMUND
für sich.

Einen Unbekannten? ich habe mein Schicksal errathen. Nein, hier muß der Philosoph aufhören, ich will als ein beleidigter Liebhaber mit ihr reden. Doch nein, ich muß schweigen, sie ist ein Fräulein. Zu Wilhelmine. Ich bin freylich in diesem Stücke vielleicht zu mitleidig; aber ich bedaure einmal den glückseligen Unbekannten, daß er einen so kostbaren Schatz besitzet, ohne davon zu wissen, vielleicht darf er gar nicht darauf denken; vielleicht hält ihn sein Stand zurück; denn wie darf sich ein Bürgerlicher auf das Herz einer Fräulein Staat machen?

WILHELMINE.

Woher wissen sie denn, daß mein Geliebter bürgerlichen Standes ist? vielleicht kennen sie ihn gar zu gut. Hätt ich mich aber nach der allgemeinen weiblichen Unbedachtsamkeit bereits verrathen, [46] so ist es ein Zeichen, daß ich sie allein würdig schätze, in mein Herz zu sehen. Wie kan sich aber mein Geliebter seines bürgerlichen Standes vor mir schämen? er kennt mein Herz bereits so gut, als ich es selbst kenne, er weiß, daß ich die Tugenden des Adels auch an einem Bürger ehre, und daß er alles Liebenswürdige hat, was ich liebenswürdig zu nennen pflege. Die Liebe ist nicht leicht ohne Argwohn, und ich muthmasse, daß er meine Liebe zwar merke, aber sie seiner Gegenliebe gar nicht würdig achte.

WAHRMUND.

Ich weiß selbst nicht, was ich für einen geheimen Trieb fühle, für den beglückten Liebhaber das Wort zu führen. Vielleicht liebt er sie auf das allerzärtlichste, denn dazu verbinden ihn die Vollkommenheiten seiner Geliebten. Vielleicht schreibt ihm aber ein wichtiger Umstand das harte Gesetz vor: nur geheim zu lieben. Ich will es ihnen in einem Exempel deutliche machen. Erlauben sie mir, allerschönstes Fräulein, daß ich mich an seiner Stelle setze. Gesetzt, sie liebten mich – – ach! wenn sie mich liebten, – – so würde ich sie auf alle Weise wieder lieben, wie nur ein zärtlicher Liebhaber liebet, dessen Liebe auf den schönsten, auf den würdigsten Vollkommenheiten beruhet – – – ja von dieser Art ist meine Liebe – – würden sie vor Mitleiden wohl mit mir zürnen können,[47] wenn ich meine Liebe verschweigen müste? Würden sie nicht bey sich selbst sagen, er ist mein Lehrer gewesen, eine gewisse Art der Schamhaftigkeit verbindet ihn, behutsam mit mir, als seiner Schülerin, zu verfahren? Gestehen sie nicht, Schönste, daß sie eben den Augenblick, da sie mit mir zürnen wollten, Mitleiden mit mir haben müsten?

WILHELMINE.
Ja ich habe Mitleiden mit ihnen.
WAHRMUND.

Erklären sie sich deutliche, liebenswürdigste Wilhelmine; auf den Knien werde ich die schönen Worte erwarten, daß sie mich lieben. – – Habe ich fehlen, und ihnen meine Liebe entdecken müssen, so folgen sie mir in diesem angenehmen, und uns beyden nothwendigen Fehler. Setzen sie die Ehrfurcht an die Seite, und lassen sie ihr Herz reden.

WILHELMINE.
Ja ich liebe sie.
WAHRMUND.

Diese Worte machen mich lebendig. Ich bewundre dabey unser Schicksal, welches uns an einem so verdrießlichen Orte auf unsre ganze Lebenszeit glücklich und vergnügt macht. Doch, ich bedenke vor Freuden nicht, wie viel wir noch an unserm Glücke zu arbeiten haben. Das erste soll seyn, daß ich alle Kräfte anwenden will, ihrer Frau Mama die Vorurtheile für Tempelstolzen zu benehmen. – –

WILHELMINE.

O! diese sind gar zu tief bey ihr eingewurzelt; sie würden daher in dieser [48] Bemühung nicht allzuglücklich seyn. Sie gelten im Gegentheil bey meinem Oheim, dem Herrn von Roseneck, viel, suchen sie vielmehr durch seine Vermittlung unsre Liebe glücklich zu machen.

WAHRMUND.

Von dieser Seite wird mir es meinetwegen schwerer werden. Es scheint, als wollte sich Fräulein, Amalia, ihres Herrn Oheims Tochter, meine Liebe versprechen, ja es scheint, als ob er selbst die Leidenschaft seiner Tochter billige; sie wissen aber, wie sehr ich ihm verbunden bin, und daß ich durch seinen Vorspruch meinen Undank vergrössern würde. Er ist war so wenig eigennützig, als meine Liebe erkänntlich gewesen ist, darum dürfte ich vielleicht – – –

WILHELMINE.
Dort kömmt er eben mit meiner Mama gegangen.
2. Auftritt
Andrer Auftritt.
Frau von Birkenhayn, Herr von Roseneck, Herr Wahrmund, Fräulein Wilhelmine.

FRAU VON BIRKENHAYN.
Ach! ein Unglück, Herr Bruder, ein Unglück!
HERR VON ROSENECK.
Und wo denn Frau Schwester?
FRAU VON BIRKENHAYN.
Ach! ein grosses Unglück! ach! eine himmelschreyende Sünde!
[49]
HERR VON ROSENECK.
Sagen sie doch nur geschwinde, was es für eine Sünde ist.
FRAU VON BIRKENHAYN.
Ach meine Tochter! meine Tochter!
HERR VON ROSENECK.
Was ist denn ihrer Tochter?
FRAU VON BIRKENHAYN.
Ach! ich fürchte mich der Sünde daß ich es nur sagen soll.
WILHELMINE.
Nun, Mama!
FRAU VON BIRKENHAYN.

Ach! meine Tochter ist – – Gott verzeyhe mir die Sünde, mit dem Herrn Wahrmund allein im Zimmer gewesen.

HERR VON ROSENECK.
Ist das das Unglück, und die himmelschreyende Sünde?
FRAU VON BIRKENHAYN.
Ach! sie ist mit einem Philosophen allein gewesen!
HERR VON ROSENECK.
So meynen sie, daß ein Philosoph mit keinem Frauenzimmer allein seyn darf?
FRAU VON BIRKENHAYN.

Nein, die Philosophen sind Leute, welche kein Gewissen haben, und meine Tochter ist noch gar jung, ich weiß, wie schwer es mir in ihrem Alter gefallen, den Mannspersonen zu wiederstehen. Wie ich sage, Herr Bruder, es ist ein Unglück geschehen. Gestehe nur meine Tochter, was du gethan hast, damit ich dich noch heute mit Ehren an den Herrn Tempelstolzen verheyrathe, und du unserm Hause keine Schande machest.

HERR VON ROSENECK.

Ich bin ihnen sowohl für ihre Tochter, als auch für den Herrn Wahrmund. Ueberdem können sie versichert seyn, daß ich sie lieber in der Gesellschaft [50] des Herrn Wahrmunds, als aller ihrer Dorfpriester, sehe.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Versündigen sie sich ja an diesen ehrwürdigen Männern nicht. Ich wollte Herrn Muffeln sowohl, als Herrn Tempelstolzen eine ganze Nacht mit ihr allein lassen, und des Morgens früh meiner Tochter Ehre dennoch versichert seyn.

HERR VON ROSENECK.

Dis wäre für die Geistlichen eine schlechte Ehre, für die sie ihnen nicht danken werden. Ich meines theils würde es den beyden Geistlichen sowohl, als dem Herrn Wahrmund ungemein verdenken, wann sie eine ganze Nacht bey einer Schönen Klötzer seyn könnten, und jedermann würde sie einer Faulheit beschuldigen, welche werth wäre, von allen Schönen ausgezischet zu werden.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Was? Herr Bruder, sie glauben nicht, daß die Frömmigkeit solche Leute aus uns machen könne, welche gegen alle Reitzungen der Wollust unempfindlich bleiben?

HERR VON ROSENECK.

Aus frommen Castraten, aus abgelebten Greisen, und aus Leuten, welche das ihrige in der Jugend nicht zu Rathe gehalten haben, aus diesen wird sie wohl solche Unempfindliche machen, aber aus Männern, welche ihre ganze Natur noch haben, ist es der Frömmigkeit unmöglich, Klötzer zu machen.

[51]
FRAU VON BIRKENHAYN.
Behüte Gott! sie reden ganz atheistisch, Herr Bruder, sie glauben gar nichts mehr.
HERR VON ROSENECK.

So wenig das Gelübde der Keuschheit einigen Geistlichen die Menschheit auszieht, eben so wenig verkehret die Frömmigkeit die Natur eines Mannes in die Natur eines Castraten.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Ach! was sind das für Reden? ach weh! ach! das Herze fängt mir gewaltig an zu klopfen, ach! ein Herzensstich! ach! das Gewissen beißt mich! ach! der Satan ist da, und hält mir das schwarze Register vor. Ach! Herr Muffel helfen sie mir, helfen sie Herr Tempelstolz! ach! Ehrwürdige liebe Herren, ich bekenne – – –


Läuft eilend ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Herr von Roseneck, Herr Wahrmund, Fräulein Wilhelmine.

HERR VON ROSENECK.

Ich muß sie nur allein weggehen lassen, damit ich nicht bey der Seelencur der Herren Geistlichen so viel Thorheiten mit anhören darf. Warum aber so traurig, Fräulein Wilhelmine? warum ermuntern sie nicht ihre Schülerin, Herr Wahrmund?

FRÄULEIN WILHELMINE.

Ach! eine unglückliche Mutter macht ihr Kind zugleich unglücklich. Wozu hilft mir meine wenige Einsicht? zu nichts anders, als daß ich die Schwachheiten [52] und den traurigen Zustand derjenigen desto deutlicher und empfindlicher einsehe, für deren Wohlfahrt ich doch die meinige missen wollte, wann es möglich wäre. Dankbaren Kindern liegt das Unglück ihrer Eltern mehr im Sinne, als ihr eigenes Wohlergehen, und die Betrübniß über jenes verhindert sie, über dieses sich zu erfreuen.

HERR VON ROSENECK.

Da ich sie über solche Betrübniß trösten sollte, so muß ich diese vielmehr gerecht sprechen, und für ein Zeichen eines edlen Gemüths annehmen. Dis wundert mich aber, daß sich der Herr Wahrmund die Verwirrung seiner Schülerin so sehr zu Herzen gehen läßt. Hat denn alle Weltweißheit sie auf einmahl verlassen? sind ihnen alle Mittel entfallen, welche diese sonst an die Hand giebt, die verwirresten Gemüther wieder zu erheitern?

WAHRMUND.

Sollten sie die Quelle meiner Bestürzung wissen, Herr von Roseneck, so würden sie mich beklagen, und gestehen, daß sie allein mich zufrieden und glücklich machen könnten. Verzeihen sie meiner Unbesonnenheit diese letzten Worte.

HERR VON ROSENECK.

Ich dächte, daß ihnen meine Freundschaft bekannter wäre, als daß sie von mir mit solcher Schamhaftigkeit etwas bitten sollten. Ich bin ihr Freund, Herr Wahrmund entdecken sie mir freundschaftlicher und dreister auf welche Weise ich ihre Zufriedenheit [53] wieder herstellen könne, so sollen sie mich sogleich mit allen Kräften an ihrem Glücke arbeiten sehen.

WAHRMUND.

Ich hab es freylich mehr, als ich verdient habe, erfahren, wie sehr sie mich ihnen mit ihrer Freundschaft verpflichtet, ich statte ihnen auch zugleich den verbindlichsten Dank dafür ab. Aber, ach! ich bin jetzt nur noch unglücklicher. Denn, würde ich ihnen mein Anliegen offenbaren, so würden sie mir freundschaftlich beystehen, sie würden mich glücklich machen, und würden durch diese Freundschaftsbezeugung bewerkstelligen, daß ich wieder das heiligste Gesetz der Freundschaft mich vergehen, und sie beleidigen müste, ja sie würden mich zum undankbarsten unter der Sonnen machen.

HERR VON ROSENECK.

Nein, Freund, gesetzt diese Hülfe, welche ich ihnen leisten soll, wäre so groß, daß sie mir dieselbe niemals verdanken könnten, so würde selbst die Unmöglichkeit sie ihrer Pflicht überheben, und ich würde nichts unmögliches von ihnen fodern. Lassen sie mich nicht erst ihr Anliegen durch ungegründte Muthmassungen errathen.

WAHRMUND.

Weil sie es denn so für gut befinden, so will ich ihrem Rathe folgen. Aber ich wage viel dabey. Die Begierde der Gelehrten ein gutes Buch zu besitzen, ist oft so rasend und blind, als die Liebe mancher Stutzer immer werden kan. [54] Wann ich mich nun keiner andern Verdienste wegen den Nahmen eines Gelehrten anmassen kan, so habe ich doch wenigstens diesen Fehler von ihnen ererbet, daß ich oft alles dahingebe, wann ich nur ein gutes Buch dafür bekomme. Ich kenne einen Besitzer eines Schatzes, welcher so kostbar ist, daß ich seiner Vortreflichkeit wegen auch den Nahmen bey mir behalte. Dieser Freund aber, der ihn in Händen hat, und in selbst nicht zu gebrauchen weiß, denkt ihn recht eigen zu bewahren, und sich einen höhern Rang im Himmel dadurch zu verdienen, wann er ihn einem Geistlichen verehret. Meinen Händen vertrauet er ihn aber gar nicht, und dieserwegen bleibt er in seinem Vorsatze beständig, und gegen mich unerbittlich. Am meisten aber sitzet mich dieses, daß ich schon zum voraus sehe, wie verächtlich der Geistliche mit dem Buche umgehen wird. Einige Stunden wird er nachlässig darin hin und her blättern, und sodann wird er es in einen schmutzigen Winkel eines wurmfressigen Schrankes stellen, und von Staub und Würmern verzehren lassen. Sie sind ein naher Freund von dem Besitzer dieses Schatzes, ihr Vorspruch würde vielleicht mehr bey ihm gelten, als all mein Bitten gegolten hat.

HERR VON ROSENECK.
Ist diese ganze Rede nicht ein Rätzel, Herr Wahrmund?
[55]
WAHRMUND.

Erlauben sie mir, daß ich den Schluß noch daran hänge. Ich weiß aber noch einen andern und vernünftigen Besitzer desselben Buches, welchem ich die heiligste Freundschaft und verbindlichste Hochachtung schuldig bin. Er würde mir solches auf die erste Bitte schon gewähren, ja ich glaube gar, daß er es gern in meine Hände wünschte, weil er es selbst nicht nutzen kan, und bey mir für wohl aufgehoben hält. Ich weiß aber nicht, ob mich mein Eigensinn, oder die Kostbarkeit des er sten, dahin verleitet, daß ich dafür lieber mit allen Schwierigkeiten kämpfen will, als das andre für die erste Bitte, und zwar aus der Hand eines so werthen Freundes, annehmen. Ich habe schon zu verwegen von ihnen gebeten, darum lassen sie mich zeigen, wie weit eine gehemmte Begierde in ihren Wünschen, in ihren Forderungen und in ihrer Verwegenheit gehet. Sie würden mich von einer empfindlichen Bekümmerniß heilen, wann sie mich bey diesem Freunde vertreten und ihn versichern wollten, daß ich sein Geschenke nach meiner Schuldigkeit hochachte, und daß ich es nicht ausschlagen würde, wenn nur mein Herz, welches sich in diesem Falle nicht überreden liesse, jenes Buch nicht so kostbar und so liebenswürdig fände.

HERR VON ROSENECK
lächelnd.
Wer ist denn der wunderliche Besitzer des ersten Buches, Herr Wahrmund?
[56]
WAHRMUND.

Ich habe viel zu viel Ehrfurcht für ihn, als daß ich ihn wunderlich heissen sollte: Die Frau von Birkenhayn besitzet den so kostbaren Schatz.

HERR VON ROSENECK.

Das Räthsel wird sich nun selbst auflösen. Zur Fräulein Wilhelmine. Wissen sie mir nicht Nachricht von diesem Buche zu geben? Wissen sie nicht, ob es die Mama zu Hause gelassen, oder ob es mit auf die Kirchmesse gefahren? Aber ich besinne mich, Herr Wahrmund spricht allegorisch. Sind sie vielleicht dieses gute Buch? – –

WILHELMINE
schamhaft.
Ich bin eine schlechte Kennerin von Büchern, mein Herr Oheim.
HERR VON ROSENECK.

O! so muß ich doch in der gelehrten Historie viel besser bewandert seyn, als ich selbst glaube. Denn sehen sie, daß sie ganz gewiß das Buch des Hrn. Wahrmunds seyn, habe ich nach derselben errathen. Nun ist weiter nichts übrig, als daß sie mir noch den Freund nennen, bey welchem ich sie vertreten soll. Doch, es ist nicht nöthig, Herr Wahrmund; sie haben ihn durch ihre Wahl gar nicht beleidigt, und sind also bey ihm ausser Schuld, er läßt sie durch mich versichern, daß er ihr aufrichtiger Freund ist Umarmt den Herrn Wahrmund.

WAHRMUND.
Sie haben mich durch ihre Geschwindigkeit im Vergeben bestürtzt und schamroth gemacht.
[57]
HERR VON ROSENECK.

Ich gebe ihnen mein Wort, daß, wofern ich noch bey meiner Schwester das mindeste gelte, die Fräulein Wilhelmine nicht den Geistlichen auf nachläßiges Durchblättern von einigen Stunden, sondern ihren Armen zu Theil werden soll. Rechnen sie es mir aber nicht zu, wenn es nicht – – –

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Frau von Birkenhayn und die vorigen.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Ach! wo bleibt die brüderliche Liebe, Herr Bruder? das ist ein Zeichen vor dem jüngsten Tag! Ach! bey den harten Anfechtungen des Satans lassen sie mich so allein über den Flur gehen? ach! der ganze Flur war voll Teufel, welche ihre feurigen Rachen aufthaten, mich zu verschlingen.

HERR VON ROSENECK.

O! so ist es ja gut, daß ich davon geblieben bin, ich wäre auf der Stelle todt geblieben, wann ich die feurigen Rachen gesehen hätte.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Ach! sie können sie noch nicht sehen. Wer erst zum Durchbruche gekommen ist, der hat nur die Gnade, daß er den Teufel leibhaftig zu sehen bekommt. Es kommt nicht ein ieder zu der Ehre, die Anfechtungen des Satans zu haben.

WILHELMINE.
Ich dancke dem Himmel, Mama, daß sie so bald wieder davon befreyet worden.
[58]
FRAU VON BIRKENHAYN.

Das ist recht, meine Tochter, und nächst dem Himmel dem Hrn. Muffel und Hrn. Tempelstolz, den lieben Männern. Weint. Ach! was haben sie nicht für Mühe an mich gewandt! Der Herr Muffel sang mir das schöne Lied vor: Nun ruhen alle Wälder; und der Herr Tempelstolz nahm ein Gebetbuch und betete daraus mit unter das Gebet einer Jungfer, welche Verlöbniß halten will. Ach! dis Gebet ist eine rechte Himmelstürmende Hertzensleiter der Seele.

HERR VON ROSENECK.

Wie reimt sich aber das Abendlied und das Jungferngebet zu den Anfechtungen, welche sie zu haben vermeinen?

FRAU VON BIRKENHAYN.

Ach! sie sind noch ein kleiner Schüler in der Frömmigkeit, Herr Bruder; wenn das Abendlied nur eine Nacht aus der Welt wäre, so würde den Morgen drauf der Teufel die ganze Welt geholt haben. Das Gebet aber einer Jungfer, welche Verlöbniß halten will, schickt sich recht gut für mich, denn meine Seele ist noch eine reine Jungfer!

HERR VON ROSENECK.

Dem sey, wie ihm wolle, so ist es recht artig, daß der Herr Tempelstolz eben das Gebet einer Jungfer, welche Verlöbniß halten will, gebetet hat, da wir hier von derselben gesprochen haben.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Das ist gewiß ein Wunderwerk gewesen, ja, ja ganz gewiß, das wird uns was gutes bedeuten! Ach! dem Himmel [59] sey Dank, daß ich höre, daß sie auch Lust zum Guten kriegen, und sich durch solche geistreiche Gespräche erbauen. Dir ist es sonderlich nöthig, meine Tochter, und ihnen auch, Herr Wahrmund.

HERR VON ROSENECK.

Ich glaube aber, daß unser Gespräch mehr gefruchtet hat, und nothwendiger gewesen ist, als das Gebet des Herrn Tempelstolzen.

FRAU VON BIRKENHAYN.
Ey! wie denn so, Herr Bruder?
HERR VON ROSENECK.
Es ist ein Geheimniß dadurch an den Tag gekommen, welches sie sehr viel angehet, Frau Schwester.
FRAU VON BIRKENHAYN.
So kommen sie doch geschwinde bey Seite, und entdecken mir solches.
HERR VON ROSENECK.
Ich kan es Ihnen öffentlich sagen, Frau Schwester.
FRAU VON BIRKENHAYN.
Ey darf denn meine Tochter und der Herr Wahrmund mein Geheimniß auch wissen?
HERR VON ROSENECK.
Diese haben es eher gewußt, als ich, und mir es erst ietzo offenbaret.
FRAU VON BIRKENHAYN.

Ey ums Himmels Willen, Wilhelmine! wie kommst du schon zu den Geheimnissen, welche deine Mutter angehen. Ein junges Mägdgen muß die Geheimnisse der Frauen gar noch nicht wissen. Ich will drauf schwören, daß die Philosophie solche Dinge offenbahret – – –

HERR VON ROSENECK.
Ich weiß nicht, wozu sie endlich noch ihr Haß gegen die Weltweißheit verleiten wird?
[60]
HERR WAHRMUND.

Indessen glaub ich doch, daß es mir und der Fräulein nicht am vortheilhaftesten seyn möchte, ihrem Gespräche mit beyzuwohnen, darum erlauben sie, daß wir auf die Seite gehen.

HERR VON ROSENECK.
Wie sie für gut befinden.

Wahrmund führet Wilhelminen ab.
FRAU VON BIRKENHAYN
reißt Wilhelminen von Wahrmunds Hand weg.

Sachte! sachte Herr Wahrmund, daß sie sich nicht unterstehen, meine Tochter so dreiste anzufassen! Das schmeckt nach der Welt. Geh, Wilhelmine, wasche dir die Hand, und laß dir Herrn Tempelstolzen einen Seegen drüber sprechen, und dich dein Tage von keinem Philosophen wieder anfassen!


Wahrmund und Wilhelmine gehen ab.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Herr von Roseneck, Frau von Birkenhayn.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Nun sagen sie mir das Geheimniß. Wann es aber was böses ist, so sagen sie es ja nicht heraus, denn sonst krieg ich alle meine geistliche Anfechtungen auf einmahl wieder.

HERR VON ROSENECK.

Ich will es ihnen in wenig Worten sagen. Dero Fräulein Tochter ist die Jungfer, welche Verlöbniß halten will.

FRAU VON BIRKENHAYN.
O! das ist mir bekannt – –
[61]
HERR VON ROSENECK.
Sie bekommen einen Schwiegersohn, der vernünftig und tugendhaft ist.
FRAU VON BIRKENHAYN.
Er ist die Frömmigkeit selbst.
HERR VON ROSENECK.
Er weiß alles, was ein Mann in seinen Jahren wissen muß – –
FRAU VON BIRKENHAYN.
Er ist ein grundgelehrter Mann, dis Lob hat er bey allen Bauren.
HERR VON ROSENECK.
Und in einigen Wochen reiset er in die Stadt, wohin er zum Lehrer der Weltweißheit berufen worden.
FRAU VON BIRKENHAYN.

Nun! das sey Gott geklagt! das ist ein Zeichen vor dem jüngsten Tage. Glauben sie, Herr Bruder, der Antichrist ist los, gehen sie, und bereiten sich zu einem seligen Ende. Läßt man denn niemandem mehr in Religionssachen die Gewissensfreyheit? Ach! ach! der liebe Herr Tempelstolz soll seine wahre Religion verläugnen, und soll ein Philosoph werden! Nein, er wird es nicht thun, er wird sich lieber in siedendem Oele braten lassen. Und sollte es ja so weit kommen, so wilt ich selbst nach Halle gehen, und mich mit den beyden frommen Herren Professoren vereinigen, welche für die Ehre Gottes wieder die Philosophie eyfern, und welche sehr viel von solchen andächtigen, alten, ehrbaren Matronen, als ich bin, halten sollen; ja ich will mich mit ihnen entweder verbrennen lassen, oder wir wollen machen, daß alle die philosophische Ketzerhunde aus dem Lande gejagt werden.

[62]
HERR VON ROSENECK.

Was ist das für ein vergebner Eyfer Frau Schwester? sie haben alle ihre geistliche Waffen in den Wind geschossen. Herr Tempelstolz hat nicht eine so schöne Seele von der Natur empfangen, daß sich die Weltweisen um ihn reissen sollten. Sie würden ihm selbst vielmehr rathen, sich bey dem ersten dem besten zum Pfluge zu vermiethen, weil er mit seinem Körper dem Staate mehr dienen könnte, als mit seiner Seele. Meine Rede ist gar nicht von Herrn Tempelstolzen gewesen, ich habe einen ganz andern Bräutigam gemeinet.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Was? meine Tochter hätte einen andern Bräutigam, als den ich ihr gegeben. Nein sag ich, sie hat sonst keinen, und soll auch keinen andern haben.

HERR VON ROSENECK.

Aber, Frau Schwester, warum mißgönnen sie ihrer Tochter ein Vorrecht der menschlichen Natur, dessen sie sich selber bedienen, und dessen sie sich öfter bedienen würden, wann sie sich nicht ihre Handlungen von dem Eigendünkel wahnwitziger Geistlichen vorschreiben liessen? Sagen sie mir doch, haben sie nicht heute früh, als sie ihr Kopfzeug aufsetzten, bey sich beratschlaget, welches sie aufsetzen wollten?

FRAU VON BIRKENHAYN.

Ich bin so eitel nicht, Herr Bruder. Ich verfahre in dergleichen Dingen eben so, als bey meinem Spruchkästgen. Was mir zuerst in die Hand kommt, das [63] setz ich auf, weil ich alsdenn dasjenige aufsetze, was der liebe Gott gewollt hat.

HERR VON ROSENECK.

Wenn sie ein Abendlied singen wollen, suchen sie nicht eins aus, welches ihnen am besten gefällt? wählen sie nicht unter den Liedern?

FRAU VON BIRKENHAYN.
Nein, ich singe das Lied, welches mir der liebe Gott eingiebt!
HERR VON ROSENECK.

So wählen sie ja doch. Denn, warum singen sie nicht ein ander Lied, als welches ihnen eingegeben wird? warum setzen sie das Kopfzeug auf, welches sie zuerst in die Hand kriegen, warum nicht eines von den andern? Doch, ich muß hören, ob sie in allen Dingen auf eben die Art verfahren? Warum gaben sie dem Herrn von Reißaus nur 12000 für sein Landguth, warum nicht 15000, welche es doch werth war?

FRAU VON BIRKENHAYN.

Ey nun! in solchen Kleinigkeiten laß ich es nicht nach meinem Spruchkästgen gehen, und vielweniger bemühe ich den lieben Gott damit. In solchen Dingen thu ich nach meinem Gefallen.

HERR VON ROSENECK.

Nun, gut, Frau Schwester; einen Mann zu nehmen ist doch wohl nicht unter die wichtigen Dinge zu rechnen, darunter das Liedersingen gehöret?

FRAU VON BIRKENHAYN.
Ach bey leibe nicht.
HERR VON ROSENECK.

Nun was soll sich denn ihr Spruchkästgen und der Himmel darum bemühen? [64] lassen sie ihre Tochter sich selbst einen Mann wählen.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Damit sie sehen, wie sehr ich ihnen folge, so mag sie sich aus den Geistlichen einen Mann wählen, welchen sie will.

HERR VON ROSENECK.

Das wäre nicht anders, als wenn ich keinen Raben haben wollte, und sie gäben mir 100. Raben, und sagten: suchen sie sich einen Vogel darunter aus, welchen sie haben wollen. Das ist so viel als keine Wahl. Die Wahl ihrer Tochter muß so frey seyn, daß sie sich über alle Stände in der Welt erstreckt. Sie müssen ihr erlauben, einen Edelmann, oder einen Gelehrten, oder einen Geistlichen, oder einen Kaufmann zu wählen.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Die Edelleute sind heut zu Tage zu weltlich, die Gelehrten sind zu vernünftig, und die Kaufleute sind zu geitzig. Die Geistlichen aber haben alle schöne Tugenden an sich. Sie leben nicht nach der Welt, sie lassen alles über sich hergehen, sie sind hübsch unvernünftig, sie sind keine Philosophen, sie glauben hübsch, was die Alten geglaubt haben, sie läugnen die nothwendigsten Dinge zur Seligkeit nicht, als da sind die Gespenster, die Hexen, und den Teufel. Ich kan die Tugenden dieser Männer nicht weiter erzählen, es sind ihrer zu viel.

HERR VON ROSENECK.

Sie irren sich sehr, Frau Schwester, es giebt auch Edelleute, welche von[65] ihrer Art sind, nemlich fein abergläubisch, und wann ihnen mit unvernünftigen Gelehrten gedient ist, so glauben sie, daß es derselben mehr giebt, als der vernünftigen. Es sind auch nicht alle Kaufleute geitzig, und ich kenne im Gegentheil auch Geistliche, welche die grosse Welt gut kennen, wenn sie gleich des Pöbels wegen nicht immer darin leben können, welche nicht alles über sich hergehen lassen, welche vernünftig und Philosophen sind, und das wenigste glauben, was die Alten geglaubt haben, und welche alle Hirngespinster des Pöbels läugnen. Man trift aber von dieser Art Geistlichen bewundernswürdig-wenige an, und darum verehre ich sie desto mehr.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Nun so mag sie wählen was sie will, wann sie nur keinen Philosophen und keinen aus einer andern Religion wählt.

HERR VON ROSENECK.

Wann ihre Wahl auf einen rechtschaffnen Philosophen fällt, so kan sie nicht besser und nicht glücklicher gerathen. Doch ich will sie nicht länger aufhalten, die recht vernünftige Wahl ihrer Fräulein Tochter ist auf den Herrn Wahrmund gefallen, ihren ehemaligen Lehrer. Ich billige sie um desto mehr, weil er nächstens in ein Amt kommt, welches unserm Geschlechte Ehre bringen wird.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Nein das geb ich nimmermehr zu. Ich sollte mein Kind an einen Philosophen [66] verheyrathen? Meine Großmutter ist lutherisch gewesen, meine Mutter ist auch eyfrig lutherisch gewesen, ich bin es bis auf diese Stunde auch noch, mein Kind ist lutherisch gebohren und erzogen, und ich sollte es an einen Philosophen verheyrathen? die philosophische Religion hat der Satan gemacht, sie hegt lauter Ketzereyen, und macht lauter Atheisten. Ach! wenn ich das zugäbe, so würde der Himmel in der Hochzeitnacht über meine Tochter ein Gewitter aufsteigen, und mich und sie todtschlagen lassen. Ach! ich bin verlohren, meine Tochter ist verlohren, wir brennen schon in der Hölle. Ja, ja, da ist der Teufel leibhaftig, da sind die Hörner, da sind die feurige Augen! Ach! ich bin todt! ich bin verlohren!


Ist, als ohnmächtig.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Fräulein Wilhelmine, Herr Muffel, Herr Tempelstolz, und vorige.

WILHELMINE
flieht vor den Predigern.
Ihre Liebeserklärung ist zu dorfmässig, ich bin keine Schulzentochter.
TEMPELSTOLZ
er und Muffel rauchen Toback, und verfolgen das Fräulein.

Nicht so hochmüthig Fräulein! sie müssen wissen, daß ich das Jawort schon von ihrer Frau Mama [67] habe, was ist das für ein Gelaufe, sie müssen ihre Eltern gehorchen.

MUFFEL.
Kehren sie sich nicht an sein unhöfliches Bezeigen, gnädiges Fräulein – –
HERR VON ROSENECK.

Zanken sie sich jetzt nicht, meine Herren; sehen sie nicht, daß ihre Patronin in den Anfechtungen liegt? sie hat schon wieder über die Erscheinung des Teufels geklagt.

TEMPELSTOLZ.
O! dem wollen wir bald die Wege weisen.
MUFFEL
lauft geschwinde zur Frau von Birkenhayn und zieht sein Gesangbuch aus der Taschen.
Ach! die liebe Frau! ach! geschwinde! haben sie ihr Gebetbuch bey sich Herr Confrater?
TEMPELSTOLZ
zieht es heraus.
Ja, Herr Confrater.
MUFFEL
legt die Pfeiffe weg.
Legen sie doch die Pfeife so lange bey Seite, Herr Confrater.
TEMPELSTOLZ.
Nehmen sie ihre wieder, Herr College, es ist besser, es hilft.
MUFFEL.
Nein, Herr College, es ist eine unheilige Beschäftigung!
TEMPELSTOLZ.
Herr Confrater, ich sage ihnen, der Toback ist gut für Melancholey.
HERR VON ROSENECK.
So machen sie doch den Streit hernach aus, jetzt ist ja keine Zeit davon.
MUFFEL.

Nein, wir müssen in dieser Sache keinen Gewissensscrupel haben, ich will geschwinde gehen, und will sehen, ob man [68] bey dieser Gelegenheit Toback rauchen muß, oder nicht.

HERR VON ROSENECK.
Bleiben sie nur hier, ich hab es wo gelesen, daß man Toback dabey rauchen muß.
WILHELMINE.
Ich hab es auch gelesen.
MUFFEL
nimmt seine Pfeiffe wieder.
O sie sind glaubwürdige Leute. So wollen wir denn anfangen.

Singt.

Quem pastores laudavere.
TEMPELSTOLZ
ließt.
Der Abendsegen am Mittwochen.

Sie singen und lesen zugleich, und machen viele Creutze über die Frau von Birkenhayn und legen ihr die Hand auf den Kopf, und blasen ihr den
Tobacksrauch von beyden Seiten ins Gesichte. Die Frau von Birkenhayn ermuntert sich etwas, und ließt halb mit, und singt halb mit.
MUFFEL.
Herr Confrater sie machen den andern Chor. Nolite vobis – – –
TEMPELSTOLZ.
Ey zum Teufel! ich lese ja schon den Abendsegen.
MUFFEL.
Nun so müssen wir was anders nehmen.

Sie blättern beyde um.
Singt.

In dulci jubilo.
TEMPELSTOLZ
ließt.
Gebet eines Menschen, der aus der Schwindsucht in die Wassersucht verfällt.
FRAU VON BIRKENHAYN
erholt sich.
Ach! nun bin ich befreyt, ach! das schöne In dulci jubilo!
[69]
HERR VON ROSENECK.
Der Tobacksrauch hat wohl die beste Wirkung gethan?
FRAU VON BIRKENHAYN.

Ach! Herr Bruder sie spotten, sie fangen wahrhaftig an, ein Atheist zu werden. Und du Wilhelmine, du Unkraut, du sollst deinen Philosophen nicht eher heyrathen, als bis ich todt bin.

MUFFEL.
Ein Prediger würde sich weit besser für sie schicken, weil sie aus einem frommen Geschlechte ist.
TEMPELSTOLZ.
Recht, Herr Confrater!
MUFFEL
für sich.

Für dich wird sie sich nicht schicken. Zu Wilhelmine. Ach! wenn sie erfahren hätten, wie süsse es thut, wenn man von einem Prediger in der Frömmigkeit erbauet wird.

FRAU VON BIRKENHAYN.
Ach ja!
TEMPELSTOLZ.
Hören sie wohl zu, Fräulein.
MUFFEL.

Wann ich zum Exempel die Ehre hätte, ihr Mann zu seyn, so wollte ich sie fleissig aus Müllers Liebeskusse erbauen.

FRAU VON BIRKENHAYN.
Ach! das ist ein recht erquickendes Buch!
TEMPELSTOLZ.
Ich hab es auch, Fräulein; bey mir können sie auch drein lesen.
MUFFEL.

Ich kan sie versichern, daß sie an mir einen recht frommen Mann haben würden. Ich würde sie nicht, wie die andern Dorfpriester, im Garten und auf dem Felde arbeiten lassen.

TEMPELSTOLZ
für sich.

Ich glaube, der Kerl will mir meine Liebste abspenstig machen. [70] Zu Muffeln. Nun! nun! Herr Confrater, ich werde doch wohl wissen, was ich mit ihr werde machen müssen, wann sie meine Frau seyn wird.

MUFFEL.

Ich weyn es so böse nicht, Herr College. Kommen sie hinein, ich habe mich ganz durstig gesungen, und der Abendsegen wird ihren Hals auch trocken gemacht haben, wir wollen eins drauf trinken. Zu den Fremden. Wollen sie nicht mit uns ein wenig hineingehen?

TEMPELSTOLZ.
Ich trinke mit, Herr Confrater, kommen sie, kommen sie!
HERR VON ROSENECK.
Ich will auch mit hineingehen, Herr Wahrmund wird ganz allein drinnen seyn.

Muffel, Tempelstolz, und Herr von Roseneck gehen ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Frau von Birkenhayn, Fräulein Wilhelmine.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Nun Wilhelmine, weil wir beyde allein seyn, so frag ich dich auf dein Gewissen; hast du nicht schon deine Religion verläugnet, und bist zu der philosophischen Secte übergegangen? Verschweige mir nichts. Hast du nicht Gott, deine Eltern, und die Brüste, die dich gesogen haben, verschwören müssen? Weint. ach du armes Schaaf! ach deine verlohrne Seele!

[71]
FRÄULEIN WILHELMINE.

Ums Himmels willen, Mama, wie können sie solche Gedanken von der edelsten Wissenschaft hegen? die Philosophen mögen Heyden, Juden oder Türcken seyn, so schadet es ihnen an der Philosophie nicht das geringste, und die Philosophie ändert weiter nichts an ihren Glaubenslehren, als daß sie das abergläubische davon absondern, und dieselben richtiger einsehen lehret. Sie entdecket das scheinheilige eines unvernünftigen und auf die Lehrsätze der Pfaffen gebauten Gottesdienstes, und lehret ein höchstes Wesen vernünftig verehren.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Pfui, schäme dich, die Vernunft wird von allen Canzeln und Universitäten verflucht. Ach Wilhelmine! Wilhelmine! bedenke, was du deiner Mutter für Herzeleid anthust, ich werde ewig weinen müssen Weint. wann ich im Himmel seyn, und dich mit der Vernunft und allen Philosophen in der Hölle werde brennen sehen.

8. Auftritt
Achter Auftritt.
Muffel, und die vorigen.

MUFFEL
schleicht sich zur Thüre heraus, und läuft eilend aufs Frauenzimmer zu.

Ich bin ein demüthiger Knecht von ihnen, gnädige Frau, und von ihnen gleichfalls gnädiges Fräulein. Warum haben sie uns [72] nicht die Ehre gegeben, und sind mit hineingegangen? Ach! ich mag sie jetzt nicht gern alleine lassen, gnädige Frau, weil sie mit dem geistlichen Zufalle als eine ehrwürdige Creutzträgerin behaftet sind. Ich wollte, daß ich sie mit meinem Gebete völlig davon befreyen könnte, ich wollte Tag und Nacht für sie auf den Knien liegen.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Ach so viel verdient eine arme Sünderin nicht. Doch, wollten sie es nicht versuchen einen ganzen Tag beständig für mich zu beten, Herr Pastor?

MUFFEL
für sich.

Das möchte ein Schelm aushalten. Zur Frau von Birkenhayn. O ja, gnädige Frau, ihnen zur Liebe, wohl eine ganze Woche.

FRAU VON BIRKENHAYN
für sich.

Eine ganze Woche würde mir zu viel Geld kosten. Zu Muffeln. Nur einen Tag, und den will ich ihnen recht gut bezahlen, denn ich weiß, daß ihr Körper auch leben will.

MUFFEL.

O der Madensack braucht nicht viel! aber mein Gewissen treibt mich, ihnen eine Sache zu entdecken, für der sie sich zu hüten haben. Sie trauen dem Herrn Tempelstolz etwas zu viel zu, er hat noch nicht solch ein rechtschaffenes Herz, als sie wohl denken, und es sollte mir leid thun – – –

FRAU VON BIRKENHAYN.

Ey! ey! was haben sie auf den Herrn Tempelstolz zu sagen? er ist ein frommer Mann, er ist rechtschaffen, er ist ein Eyfrer, er ist mein Beichtvater.

[73]
MUFFEL.

Sie haben recht gnädige Frau. Ich habe nichts an ihm auszusetzen; ich wil nur so viel sagen, daß er gegen Euer Gnaden gnädige Fräulein- Tochter nicht die gehörige Ehrerbietigkeit bezeiget. Er betrachtet ihren Stand gar nicht, er bedenkt gar nicht, daß sie ein Fräulein ist.

FRAU VON BIRKENHAYN
hitzig.

Das hätt ich mich nimmermehr an dem Herrn Tempelstolz vermuthet. Er wird doch an das alte Sprüchwort noch glauben: Ehre, dem Ehre gebühret! Ich bin nicht hochmüthig, aber dazu ist der Adel von Gott einmahl eingesetzt, daß die andern Stände Ehrfurcht vor ihm haben sollen.

MUFFEL.

Sie haben ganz recht, gnädige Frau. Und wann ich, dero gehorsamster Knecht, der hohen Ehre gewürdigt werden könnte, mich mit dero hochadelichen und gnädigen Fräulein-Tochter zu vermählen, so würde ich nicht unrecht thun, wenn ich mich, ihres Adels wegen, der eingesetzten männlichen Herrschaft gänzlich begäbe.

WILHELMINE
für sich.
Der verdammte Heuchler!
MUFFEL.

Es ist Schade für mich sowohl als Dero gnädige Fräulein Tochter, daß der Herr Tempelstolz schon Dero Jawort erhalten. Ich wüste sonst wohl, was ich auf des Himmels Eingebung zu thun hätte. Vielleicht würden sie auch etwas thun, gnädige Frau, wofür sie der Himmel belohnen würde.

[74]
FRAU VON BIRKENHAYN.

Das Jawort des Hrn. Tempelstolzen schadet ihnen nicht. Meine Tochter will ohnedem gern wählen, darum sollen sie mein Jawort auch haben. – – –

9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Tempelstolz, und die vorigen.

TEMPELSTOLZ.

Was? Frau v. B. sie werden ja ihr Jawort nicht an zweye geben? Wissen sie wohl, daß die, deren Worte auf Schrauben stehen, lügen, und daß die Lügner des Teufels sind?

FRAU VON BIRKENHAYN
zittert.
Ach mein Herr Beichtvater! – – –
MUFFEL.
Nein, sie sind nicht des Teufels, gnädige Frau!
TEMPELSTOLZ.
Nun werden die Anfechtungen des Satans nimmermehr aufhören.
FRAU VON BIRKENHAYN.
Ach! Ach! – – –Weint.
MUFFEL.
Ja, sie sollen ehestens aufhören.
FRAU VON BIRKENHAYN.
Lieber Herr Muffel!
TEMPELSTOLZ.
Ich sag es ihnen hiermit, sie sollen in die Hölle kommen.
MUFFEL.
Nein, ich will es nicht haben.
FRAU VON BIRKENHAYN Ach! hab ich mich denn so gröblich versündigt?
TEMPELSTOLZ.
Ja, ja, ja.
MUFFEL.
Nein, gar nicht.
TEMPELSTOLZ.
Ins Teufels Nahmen, ist denn das Lügen keine Sünde?
[75]
MUFFEL.
Die gnädige Frau hat der Wahrheit nichts zuwider gethan.
TEMPELSTOLZ.

Ich habe nur meine Concordanz nicht bey mir, sonst wollt ich es ihnen beweisen. Holen sie nur ihre so lange, Herr Confrater.

MUFFEL.
Sie soll gleich hier seyn. Doch, ich besinne mich, ich habe sie neulich in der Schenk vergessen.
FRAU VON BIRKENHAYN.
Ey! was haben sie denn in der Schenke zu thun, Herr Muffel?
MUFFEL.
Der Krüger hatte einen Gewissensscrupe, den muste ich ihm heben.
FRAU VON BIRKENHAYN.

Das ist ein anders! hören sie meine liebe Herren, ich will den Streit so beylegen, daß keinem Unrecht geschehen soll. Wie ich merke, so ist meine Tochter unter Philosophen gerathen, und hat sich von der Weltweißheit ganz einnehmen lassen. Wer sie nun von ihnen beyden wieder auf den rechten Weeg bringen kan, der soll sogleich Verlöbniß mit ihr halten.

MUFFEL.

O gnädiges Fräulein, so erlauben sie mir, daß ich zum Voraus ihre schöne Hand küsse, denn ich werde gewiß gewinnen.

TEMPELSTOLZ
reißt ihn weg.

Machen sie sich nur immer zu unserm Verlöbnisse bereit, Fräulein, denn ich werde ihnen die Hölle recht heiß machen. Ich weiß am besten, wie man das philosophische Unkraut dämpfen muß, ich will es mit sammt der Wurtzel ausrotten.

[76]
MUFFEL.
Damit muß ich besser umzugehen wissen, Herr Confrater. Ich bin zwey Wochen eher im Amte, als sie.
TEMPELSTOLZ.

Wie wollen sie es doch angreifen? Ich bin erst kürzlich in der Stadt gewesen. Meynen sie nicht, daß ich was rechts daraus mitgebracht habe?

MUFFEL.

Und wann sie auch die Stadt selbst mitgebracht hätten, so müssen sie wissen, daß ich eine Postille mehr habe als sie, sie haben ohndem daran eine ungerade Zahl.

TEMPELSTOLZ.

Reden sie nur gar nichts mehr, Herr Confrater, mein Dorf ist ein königliches Dorf, und ihres gehört nur einem Edelmanne. Ich habe mehr Macht den Teufel zu bannen, als sie.

WILHELMINE.

Was helfen ihnen diese unnöthigen Worte, meine Herren? ich were mich vor dem königlichen Dorfpriester so wenig fürchten, als vor dem adelichen.

FRAU VON BIRKENHAYN.
Wer wird aber den Anfang von ihnen machen, meine Herren?
WILHELMINE.
Nun wird es gewiß wieder einen Rangstreit setzen.
MUFFEL.
Weil ich Wirth im Hause bin, so muß der Herr Tempelstolz die Ehre haben, der erste zu seyn.

Will abgehen.
TEMPELSTOLZ
hält ihn.
Nein, sie sind zwo Wochen länger im Amte, sie müssen anfangen.

Will abgehen.
MUFFEL
hält ihn.
Sie kommen erst aus der [77] Stadt, die Stadtleute müssen den Rang haben.

Will abgehen.
TEMPELSTOLZ
hält ihn.
Sie haben eine Postille mehr, als ich, Herr Confrater, fangen sie nur immer an.

Will abgehen.
MUFFEL
hält ihn.
Mein Dorf steht nur unter einem Edelmanne – – –
WILHELMINE.

So lassen sie es nur auf meinen Ausspruch ankommen, der Herr Tempelstolz mag sein Heil zuerst versuchen.

TEMPELSTOLZ.
Ich fürchte mich gar nicht. Lassen sie mich nur erst wornach in einer Postille sehen.

Will abgehen.
WILHELMINE
hält ihn.
Das ist für solchen gelehrten Mann nicht nöthig.
TEMPELSTOLZ.
So verbieten sie es dem Herrn Muffel gleichfalls, sonst – – –
MUFFEL.
Die Schande werde ich mir nicht anthun.
FRAU VON BIRKENHAYN.

Nun, so wollen wir sie beyde alleine lassen. Ich werde unterdessen für sie beten, Herr Tempelstolz; Herr Muffel soll mir helfen.

MUFFEL.
O ja ich will recht eyfrig für ihn beten, Für sich. daß ihn der Teufel holen soll.
FRAU VON BIRKENHAYN.
Und du Wilhelmine folge ja den Vermahnungen des Herrn Tempelstolz.

Geht ab.
MUFFEL
für sich.

Wenn der verzweifelte Kerl nur nicht solche Streiche mit ihr macht, als ich mit Cathrinen in der Betstunde.


Geht ab.
10. Auftritt
[78] Zehnter Auftritt.
Tempelstolz, Fräulein Wilhelmine.

TEMPELSTOLZ
geht auf und nieder spatzieren, als in tiefen Gedanken.
WILHELMINE.

Nun, mein Herr Tempelstolz, sie werden mir viel zu sagen haben, aber sie werden mir einen Gefallen thun, wann sie nicht lange damit verziehen. Ich bin sehr begierig, entweder von ihnen überwunden zu werden, oder sie in ihren Meynungen schamroth zu machen.

TEMPELSTOLZ.

Nun, weil sie denn noch so verwegen bey ihrem Irrthume seyn, so sollen sie hiermit wissen – – – doch ich will mich noch auf die rechte Art bedenken, wie man solche Feinde der Kirche, als die Philosophen sind, angreifen muß. Geht auf und nieder, und thut, als ob es ihm sauer würde.

WILHELMINE.
Oder soll ich den Anfang machen, Herr Tempelstolz?
TEMPELSTOLZ
für sich.

Ich will ihr gleich mit Nachdruck und mit der Schärfe ins Gewissen reden. Zu Wilhelmine pathetisch. Aber Fräulein – – – Aber Fräulein – – – wollen sie nicht Gott die Ehre anthun, und mir bekennen, daß die Philosophie vom Teufel ist, und daß sie als eine Anhängerin derselben verlohren sind? wollen sie derselben nicht abschwören?

[79]
WILHELMINE.
Sie haben mich dazu noch nicht überführet.
TEMPELSTOLZ.
Was? sie wollen es nicht thun?
WILHELMINE.
Auf ihrem Befehle beruht diese wichtige Sache nicht.
TEMPELSTOLZ.
Nun, so übergebe ich sie dem Satanas, dem Beelzebub, dem Teufel!
WILHELMINE.
Und nun hat der ganze Proceß ein Ende?
TEMPELSTOLZ.
Ja. Ich hab ihnen gesagt, was ich gekonnt habe.
WILHELMINE.
Wer hat denn nun Recht unter uns beyden?
TEMPELSTOLZ.
Ich. Denn ein Geistlicher muß niemals Unrecht haben.
WILHELMINE.

So hören sie mich nun auch auf einen Augenblick. Ich habe ihnen und allen ihres gleichen etwas nöthiges zu sagen. Unser Vaterland hat zwar nicht mehr nöthig, sich von einem einzigen Geistlichen alles, was es denken, glauben und läugnen soll, vorschreiben zu lassen; es hat aber an des Einen statt eine ganze Menge Päbste bekommen, so viele nemlich, als es unvernünftige Geistliche hat. Sie selbst sind einer von diesen zwar ganz kleinen, aber recht großherrischen Päbstgen. Ich aber gehöre nicht unter die Heerde ihrer Layen. Mich dünckt, recht und vernünftig zu handeln, wenn ich ihnen nicht das geringste auf ihren [80] Klagen fragen und auf ihre Antrittspredigt glaube, sondern, wenn ich allezeit die Vernunft und die Glaubenslehren entscheiden lasse. Nach dieser meiner Meinung kan ich mich mit ihnen gar nicht in einen Streit einlassen. Denn, will ich vernünftig mit ihnen handeln, so finde ich an ihnen einen Feind der Vernunft, der trotz seinem Bisgen Vernunft nicht vernünftig seyn will. Käm ich auf die Glaubenslehren, so müsten sie mir erst eine Postille holen, und dann würd ich mit der Postille, nicht aber mit ihnen, disputiren.


Geht ab.
TEMPELSTOLZ.

Die ist ja ganz besessen von der Philosophie. Es wird Muffeln gewiß nicht besser gehen; doch, ich weiß, was ich tun will, sie soll bald anders werden. Ich will den Sonntag in der Kirche vor sie bitten.


Geht ab.
Ende der zwoten Handlung.

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Brigitte, Peter.

BRIGITTE
klopft inwendig.
PETER.

Wann ich wüste, daß ein studirter Bettler draussen wäre, so wollt ich ihn bis Morgen früh anklopfen lassen. Ich weiß nicht, was die Thoren dazu bewegt, daß sie darum auf die Universität ziehen, damit sie hernach vor den Thüren der Dorfpriester ihr Brod betteln können – – –

BRIGITTE
klopft noch einmahl.
PETER.

Der Herr verziehe noch ein wenig, es ist mir noch nicht gelegen. Ich dachte sonst, die Narren studirten nur auf einen Priester, oder Advocaten, oder Docktor, aber, wie ich nun bey meinem Herrn aus der Erfahrung gelernt habe, so müssen sie auch auf einen Vaganten studiren, denn so nennt mein Herr die gestudirten Bettler – – –

BRIGITTE
klopft recht stark.
PETER.
Der Kerl muß sehr hungrig seyn, ich muß ihm nur aufmachen, ehe er mir die Thüre einschlägt.

Geht hin und macht auf.
BRIGITTE.
Gott grüsse euch, mein Freund.
[82]
PETER
für sich.

Nein, es ist doch kein Vagant, wie ich dachte. Vielleicht ist es aber eine Vagantin die Kerls wenden auch wohl Frauen haben, wie andre Menschen.

BRIGITTE.
Ist dieses nicht des wohlehrwürdigen und hochgelahrten Herrn, Herrn Pastor Muffels, Behausung?
PETER
für sich.

Sie spricht schon in dem Bettlerthone, das hör ich an dem Titul. Zu ihr. Nein, dis Haus gehört zur Pfarre. Der wohlehrwürdige und hochgelahrte Herr, Herr Pastor Muffel, hat im Dorfe kein eigenes.

BRIGITTE.
Ihro Wohlehrwürden wohnen doch aber hier?
PETER.

Ja, mit Leib und Seele, und mit seinem treufleissigen Hausknechte Petern, das bin ich, und mit der weiland gewesenen Jungfer, Jungfer Cathrine, seiner Haushälterin.

BRIGITTE.
Also bestehet seine ganze Haushaltung nur aus drey Personen?
PETER.

Nein, aus vieren. Ich bin eine Person, mein Herr ist auch eine, aber Cathrinen muß ich gewisser Ursachen wegen für zwey Personen rechnen. Aber, mit Erlaubniß, wollen sie etwan einen Zehrpfenning von meinem Herrn auf die Wanderschaft, oder haben sie vielleicht den morgenden Kirchmeßbraten gerochen?

BRIGITTE.

Ey! ihr ungeschliffner Flegel, meynt ihr, daß ihr eine gemeine Küsterfrau oder [83] eine Landstreicherin vor euch habt? denkt ihr, daß ich auf die Kirchmeß betteln gehe? Ich bin eine ehrliche, brave Conrecktorwittwe, und muß in acht Tagen eine Priesterfrau seyn.

PETER.

Nicht so böse, Frau Conrecktorwittwe! ich habe allen Respeckt vor ihnen, ich wuste nicht, daß sie so hoch titulirt sind. Sagen sie mir nur in der Güte, wie man sie nennen muß, man kan einem ja seinen Titul nicht gleich an der Stirne lesen.

BRIGITTE.

Jetzo heisse ich noch die Frau Conrecktorin, und das mit Recht. Denn es hat mir 400. Rthlr. an Präsenten gekostet, als mein seliger Eheliebster das Subconrecktorat mit dem Conrecktorate verwechselte. Ja ich habe noch überdem bey den Patronen der Schule manche bittre Thränen vergiessen müssen, ehe mein Mann durchdringen konnte.

PETER.

Ist denn ein Conrecktor eine so grosse Creatur, daß sie ihren sel. Eheliebsten mit 400. Rthlrn. und mit ihren milden Zähren dazu verhelfen müssen?

BRIGITTE.

Allerdings. Ueberdem wollte mein Mann nicht länger den kleinen Jungen die Knipgen mit dem Lineale auszahlen, und ich wollte gern Frau Conrecktorin heissen.

PETER.
Was sind sie denn nun aber geworden? sind sie eine Excellenz, oder eine gnädige Frau, oder – – –
[84]
BRIGITTE.
Die Frau Conrecktorin schlechtweg, das ist mehr, als Excellenzen und gnädige Frauen.
PETER.
Aber, Frau Conrecktorin schlechtweg, wollen sie hineingehen, oder soll ich meinen Herrn herausrufen?
BRIGITTE.

Nein, den will ich eben nicht sprechen. Ich habe gehört, daß mein künftiger Herr Eheliebster, der wohlehrwürdige und hochgelahrte Herr, Herr Pastor Tempelstolz, hier seyn soll.

PETER.

Er ist zwar hier, aber nicht als ihr künftiger Herr Eheliebster, sondern als der Fräulein Wilhelmine von Birkenhayn Bräutigam.

BRIGITTE.

Was sagt ihr? was? was hat der Betrüger? sich schon eine Braut angeschaft? der Heuchler! ich will ihm lehren was er nicht weiß. Der Spitzbube! hier bring ichs ihm vom Consistorio, daß er mich heyrathen muß. Der Landstreicher! Ich will gleich hinein, ich will ihm die Augen auskratzen. Weil er macht, daß mir die Galle aufsteigen muß, so soll er sie auch recht bitter schmecken. Ich bin der Teufel selbst, wenn ich anfange; Laßt mich hinein – – –


Will hineingehen.
PETER.

Ich will ihn lieber herausrufen, damit sie wenigstens alleine mit ihm seyn, wenn sie ihm die Augen auskratzen, er möchte sich schämen, wenn sie es vor allen Leuten thäten, die drinnen sind.

[85]
BRIGITTE
redt gegen die Thüre.

Du unverschämter Betrüger, du Heuchler! wenn ich nicht in der Welt gewesen wäre, so sässest du noch in der Armenschule, und fastetest alle Tage einmahl, war ich dazumal nur gut genug, als du mir mein Geld ablogest? muß es nun ein Fräulein seyn, nun ich dich zum Brode verholfen. – –

2. Auftritt
Andrer Auftritt.
Vorige, Herr von Roseneck.

HERR VON ROSENECK.
Worüber zankt ihr euch, Peter? zanken denn die Leute auch, die bey solchen frommen Predigern dienen?
PETER.

Sie müssen mich und meinen Herrn ja nicht für Engel ansehen, mein Herr von Roseneck. Ich habe mein Lebestage bey Bauern und Krügern genug gedient, aber so viel hab ich in keinem Hause zanken gehört als hier. Ja bey dem Cartenspiele unsrer betrunkenen Knechte geht es viel friedlicher zu, als wenn ihrer zwey oder drey Geistliche bey meinem Herrn zusammenkommen. Man sollte schwören, sie wären dazu ins Amt gesetzt, daß sie sich in ihrem Leben brav herumzanken sollten. So viel Geistliche in unserm Hause sind, so viel Ketzer sind auch allemal drein, denn einer macht den andern dazu.

[86]
HERR VON ROSENECK
für sich.

Er hat recht, es ist kein zanksüchtiger Thier in der Welt, als ein Orthodox, sonderlich auf dem Lande. Zu Petern. Aber wer ist denn diese Matrone?

PETER.

Schimpfen sie sie ja nicht für eine Matrone, Herr von Roseneck, sonst sind sie unglücklich, sie heist Frau Conrecktorin schlechtweg.

BRIGITTE.

Ja, die bin ich, ich suche hier einen Betrüger, einen verlaufnen Schulmeister, einen Erzschelm, einen Spitzbuben, einen – – –

PETER.
Einen wohlehrwürdigen und hochgelahrten Herrn, Herrn Pastor Tempelstolz.
BRIGITTE.
Ja, ja, der ists, dem ehrvergessenen gewissenlosen Landstreicher will ich die Augen auskratzen.
HERR VON ROSENECK.

Das sind schöne Titul für einen Geistlichen. Aber Frau Conrecktorin, warum geben sie ihm diese heßliche Beynahmen, womit hat er sie verdienet?

BRIGITTE.

Er hat noch mehr, als diese Titul verdienet, mein Herr, hören sie nur den ganzen Verlauf der Sachen an, so werden sie mir gewiß Recht geben. Ich bin nunmehro, Gottlob! eine Frau von 65 Jahren, und werde ihnen nichts vorlügen. Vor zwey Jahren, als mir mein seliger Herr Eheliebster, der Herr Conrecktor, Herr Andreas Puncktum, absturb ach! es war doch ein lieber Mann, Gott laß ihn selig [87] ruhen! so mußte ich aus der Schule in ein ander Haus ziehen. Es traf sich eben dazumahl, daß ich in dasselbe Haus zog, in welchem der nunmehrige Herr P. Tempelstolz, und damahliger Armenschulmeister wohnte; und, weil wir alle beyde geistliche Personen waren, so folgte ganz natürlich, daß wir getreue Nachbarschaft zusammen hielten. Weil er endlich merkte, daß ich des Wittwenstandes überdrüßig war, so fieng er an, mich außerordentlich liebzukosen, und war eben so feurig in seiner Liebe, als wenn ich einige 40 Jahr jünger gewesen wäre. Ich muß gestehen, dis gefiel mir alles über die Massen wohl, denn obgleich meine Natur bereits längst erstorben war, so mogte ich es doch wenigstens recht gerne leiden, wenn er mir die Hände drückte, und die Backen so allerliebst streichelte und küßte, das andre aber, woraus sich die jungen Mägdgen so viel machen, ist in meinen Augen nur eitel.

PETER.
Die Trauben sind sauer, sagte der Fuchs. Weiter, Frau Conrecktorin!
BRIGITTE.

Ich wurde darüber so treuherzig, daß ich ihm all mein Bisgen Geld sehen ließ, und ihm zu verstehen gab, daß ich ihn Lust zu heyrathen hätte, wofern er sich dadurch einen Dienst verschaffen könnte. Auf diesen Antrag war er vor Freuden so ausser sich, daß er mich ich weiß nicht wie viel Meilen auf den Händen getragen hätte, wofern ich es [88] fordern wollen. Das Glück fügte es bald darauf, daß er in Erfahrung brachte die Pfarre in Grossenhausen sey vacant. Ich streckte ihm zweyhundert Thaler vor, für welche er sich Patronen erwarb, und bey den Predigern ein gelindes Examen auswirkte.

PETER.
So haben die Prediger auch gelindes Examen zu verkaufen? da können sie wohl reich werden!
BRIGITTE.

Er versprach mir hingegen auf das heiligste, mich zu heyrathen, und wir machten auch sogleich Verlöbnis, als er die Vocation empfieng. Als er aber die Antrittspredigt gehalten hatte, so wolte er nichts mehr von mir wissen, und schmiß mich, als ich ihn besuchte, zum Hause hinaus, verdammte mich auch noch dazu uf ewig da ich als eine Frau von so viel Jahren noch heyrathen wollte.

PETER.
Sie sollten also ohne alle Barmherzigkeit in die Hölle? Mitleidig.
BRIGITTE.

Allerdings. Weil ich ihm in seinem Bette zu alt war, so kam es ihm nicht drauf an, mich aus demselben in die Hölle zu verstossen.

PETER.

Da haben sie auch weit zu fallen gehabt, denn die Hölle muß doch wohl über 100. Meilen von Hrn. Pastor Tempelstolzens Bette seyn?

HERR VON ROSENECK.

Ihr irret euch, guter Peter ieder Geistliche bauet sich in seinem Gehirne eine[89] Hölle, und einen Himmel nach seinem Geschmacke. Der eine bauet ihn für diese Art Leute, und der andere wieder für eine andre Art jeder aber bauet die Hölle für seine Feinde und den Himmel für seine Freunde. Weil aber Herr Tempelstolz, als ein Mann in seinen besten Jahren, ein junges Mägdgen einer alten vorgehet, so hat er die Baukunst seines Himmels und seiner Hölle also eingerichtet, daß sich jener für die jungen Mägdgens, und diese für die alten Weiber passet, welche ihn heyrathen wollen. Was ist aber weiter aus ihrem Streite geworden, Frau Conrecktorin?

BRIGITTE.

Ich habe ihn darauf vor dem Consistorio verklagt, und bringe ihn von demselben den gerechten Spruch mit, daß er mich entweder heyrathen, oder abgesetzt werden soll.

PETER.
Er wird sich gewiß nicht absetzen lassen, und wann sie auch zwey mahl 65 Jahr alt wären.
BRIGITTE.

Wie ich aber gehört habe, so soll er auf die Hoffnung den Proceß zu gewinnen, sich bereits um ein adeliches Fräulein beworben haben. Aber nein, sein Spitzbubenstreich soll ihm nicht gelingen. Nein, nein; er muß mich nun durchaus nehmen.

HERR VON ROSENECK.

Was wird ihnen dies aber helfen, Frau Conrecktorin? was werden sie für gute Tage bey einem gehäßigen Ehemanne haben, sonderlich bey einem Geistlichen? Es [90] giebt tückische Gemüther darunter. Er wird ihnen so viel im Wege legen, so viel unruhige Stunden, so viel heimliche Aergerniß machen, bis er sich durch ihren Tod von ihnen befreyet.

BRIGITTE.

Das soll er wohl bleiben lassen. Mein Herr, sie wissen noch nicht, was in mir steckt, sie kennen mich noch nicht. Ich bin eine sogenannte böse Frau, das ist, ich habe Herz und Macht, einen Mann nach meinem Kopfe zu regieren. Ich werde es nicht anders mit ihm machen, als mit dem seligen Hrn. Conrecktor. Von dem Gelde, das ich noch habe, bekommt er keinen Pfennig in seine Hände. Sein Einkommen nehme ich gleichfalls zu mir, und gebe ihm nichts mehr davon, als ich will, und als er durch die schönste Liebkosungen von mir erbettelt. Wird er Geld von mir haben wollen, so wird er mir gewiß die Backen streicheln müssen, und ich werde seine liebe Frau, sein schönes Mütterchen, sein Schatz, sein Brigittchen, sein Herzgen und sein Alles seyn.

HERR VON ROSENECK.
Es mögte aber vielleicht etwas hart halten, ehe sie diese Herrschaft über ihn bekommen werden?
BRIGITTE.

Dazu hat die Natur mir und allen Weibern die Zunge verliehen. Was uns an Stärke abgehet, ersetzen wir durch Schimpfen. Ich will ihm die Ohren und das ganze Haus so lange vollschreyen, ihm [91] am Tisch und im Bette so viel Schimpfwörter und Flüche vorbeten, bis er zu Creuze kriechen, und, um Friede zu haben, mir alles eingehen soll, was ich haben will.

HERR VON ROSENECK.

Ich kan es nicht läugnen, ich gönne Herrn Tempelstolzen solche brave Frau, denn er hat sie längst verdienet. Kehren sie sich daran nicht, daß er sich hier bereits un eine Braut beworben, er ist der Fräulein Wilhelmine weit ungelegener mit seiner Liebe gekommen, als sie ihm nach der Antrittspredigt gekommen sind. Sie bringen zur glücklichen Stunde ihren Befehl vom Consistorio, und befreyen meiner Schwester Tochter von einem verdrießlichen Liebhaber. Wann sie nur den Herrn Muffel auf eben solche gute Manier los würde!

PETER.

Der könnte sehr leicht aus dem Sattel gehoben werden, mein Herr von Roseneck. Ich dürfte nur reden, den Augenblick – – aber ich würde mich dadurch nur dienstlos und unglücklich machen.

HERR VON ROSENECK.

Sorget für nichts, Peter. Wofern ihr mir in dieser Sache eure Dienste leistet, so bin ich euch nicht nur für allen Schaden gut, sondern ich verspreche euch auch überdem – – –

PETER.

Wenn sie mir nur für allen Schaden Bürge sind, so verlange ich weiter nichts. Ich bin eben nicht eigennützig. Mein Herr hat es noch viel gröber gemacht als [92] der Pastor Tempelstolz. Hören sie nur! er hat sich eine Haushälterin gemiethet, um ihr in der Küche was vorpredigen zu können – – –

BRIGITTE.
Das ist ja recht schön von ihm, Peter.
PETER.

Durch die Küchenpredigten hat er sie zu einer Abendbetstunde vorbereitet, welche er eine Woche lang mit ihr gehalten – – –

BRIGITTE.
Ach! das muß ein allerliebster frommer Mann seyn.
PETER.

Diese Abendbetstunden hat er darum gehalten, damit sie ihm eine gewisse halbe Stunde nicht versagen könnte – – –

BRIGITTE
erschrickt.
Was für eine halbe Stunde, Peter?
PETER.
Aus dieser halben Stunde aber werden gewisse sechs Wochen werden.
BRIGITTE.
O! wie ich höre, so ist euer Herr eben ein solcher Teufelsbraten, als mein Eheliebster.
PETER.

Hierauf hat er mir die Catharine, und 100. Thlr. für das, was er ihr gestohlen anschmieren wollen, aber ich bin mehr ehrgeitzig, als geldgeitzig, ich verlange sie nicht, ob ich gleich nur ein armer Baurenknecht bin.

BRIGITTE.

Als Tempelstolz noch Armenschulmeister war, hätte er sich kein Gewissen draus gemacht, eine solche Cathrine mit 100. Rthlrn. zu nehmen, er hätte ihrem [93] gewesenen Liebhaber noch grossen Dank dazu gesagt.

HERR VON ROSENECK
aus tiefen Gedanken.

Ihr hattet mir nichts nützliches entdecken können, Peter. Wir müssen es dahin bringen, daß sich Muffel noch eher mit Cathrinen versprechen muß, ehe die Fräulein Wilhelmine von ihrer Mutter ihm die Hand zu geben gezwungen wird. Meine Schwester muß also Nachricht von dieser heimlichen Liebesausschweifung des Herrn Muffels bekommen. Ih befürchte aber, daß ihre Vorurtheile für ihn nicht zulassen möchten, uns das geringste zu glauben, wo wir es ihr nicht augenscheinlich machen.

PETER.

Lassen sie mich nur machen, ich will diese Heimlichkeit meines Herrn auf eine Art offenbar machen, welche gewiß in die Augen fallen soll.

HERR VON ROSENECK.

Versucht es, Peter, und thut euer möglichstes dabey. Die Frau Conrecktorin will ich auch gebeten haben, sich nicht eher sehen zu lassen, als bis Peter den Herrn Muffel öffentlich schamroth gemacht hat. Wann sie sodann zu rechter Zeit dazu kommen, und sich dem Herrn Tempelstolz als seine verstoßne, und von hoher Obrigkeit wiedergegebe Braut zeigen, so wird meine Schwester beyde Augen zugleich aufthun müssen. Wann sie uns in dieser Sache helfen wollen, so soll es auf [94] meiner Seite an einem reichen Hochzeitgeschenke nicht fehlen.

BRIGITTE.
O! ich will alles dabey thun, was ich kan.
PETER.
O! die alten Weiber können viel.
HERR VON ROSENECK.

Ihr aber, Peter, führet die Frau Conrecktorin unterdessen in ein Zimmer, wo sie von niemand eher gesehen wird, als es Zeit ist. Ich werde den Ausgang mit Schmerzen erwarten. Spielet ihr nur eure Rolle gut, Peter, ich will euch zuvor einigen Unterricht darin geben.

PETER.

Ob ich gleich dumm aussehe, so habe ich doch einen polirten Kopf. Ich habe was recht listiges im Sinne. Geht mit Brigitten ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Herr Wahrmund, Herr von Roseneck.

WAHRMUND.

Sind noch mehr Fremde angekommen, Herr von Roseneck? oder wer war diese Alte, welche jetzt mit Petern von ihnen gieng?

HERR VON ROSENECK.

Diese Frau ist eben jetzo zu ihrem und der Fräulein Wilhelmine Glück hieher gekommen. Herr Tempelstolz wird ihnen gar nicht mehr im Wege stehen, so bald meine Schwester diese Matrone wird gesehen und gesprochen haben.

[95]
WAHRMUND.

Dem ohngeachtet werde ich vor wie nach gleich unglücklich bleiben. Gesetzt auch, daß mir weder Tempelstolz noch Muffel das geringste in meiner Liebe schaden könnten, so ist doch jetzo der Haß ihrer Frau Schwester gegen mich so unversöhnlich geworden, daß er mir auch noch die wenige Hofnung und das Zutrauen, so ich auf ihren vielgültigen Vorspruch gesetzet, geraubet hat, denn ich bin in den Augen der Frau von Birkenhayn nunmehro der abscheulichste Bösewicht, und darf mich nicht mehr vor ihr sehen lassen.

HERR VON ROSENECK.

Der Zufall ist sonderlich. In dem Augenblicke, da mir das Glück Mittel und Wege gezeiget, sicher zu unserm Endzwecke zu gelangen, da ich zu meiner größten Beruhigung meine Schwester im Geiste von ihren Vorurtheilen für die beyde Geistliche gerettet, und sie mit der Fräulein Wilhelmine schon verbunden sahe, in eben dem Augenblicke hat das Glück auf der andere Seite alle Hofnung wieder hingerissen? entdecken sie mir doch den Grund dieses unvermutheten Uebels.

WAHRMUND.

Sie waren kaum von uns hinausgegangen, als Tempelstolz so wütend in das Zimmer trat, als ob wir ihm seinen ganzen geistlichen Staat mit allen dazu gehörigen Spielwerken des Aberglaubens genommen hätten.

[96]
HERR VON ROSENECK.
Ohne Zweifel hat er die Zeit in acht genommen, da er sie ohne mich hat überfallen können.
WAHRMUND.

Er wuste freylich mehr als zu wohl, daß uns ihr Schutz fehlte. Denn den Augenblick, da ich ihn sahe, war ich ein Verführer, ein Atheist, ein Zauberer, ein Teufel, und was er nur abscheuliches wuste. Ich hatte die Fräulein die Philosophie gelehret, und sie dadurch zur Atheisterey verführet, ich muste ihre Sinnen oder seine Predigten bezaubert haben, weil er mit denselben nichts ausrichten konnte. Er that mich in den Bann, er verdammte mich mit Leib und Seele in die Hölle, und mein Glück war, daß er die Macht nicht hatte, sonst hätte er sogleich in dem Zimmer einen feurigen Backofen und ein Dutzend Teufel erschaffen, und mich ohne alle Gnade hineinschieben lassen.

HERR VON ROSENECK.

Wahrheit und Vernunft sind sehr glücklich, daß die Geistlichen diese Macht nicht haben, sonst wären sie in einem Tage ausgerottet. Nunmehro aber bin ich ihre Liebe wegen ganz unbesorgt. Denn weil der Haß meiner Schwester gegen sie nur von Tempelstolzens Eyfer entzündet worden, so wird er eben so bald wieder verlöschen, als er entglommen.

WAHRMUND.

Wenn sie etwas wissen, welches mir die geringste Hofnung wiedergeben kan, so [97] entdecken sie mir doch solches zu meiner Beruhigung.

HERR VON ROSENECK.

Es sind die beiden Geistlichen mit ihrer Niederträchtigkeit und Boßheit, welche ihnen wieder sich selbst beystehen. Die alte Frau, welche sie den Augenblick erst von mir gehen sehen, ist Tempelstolzens Braut, durch deren Geld er sich ins Amt gestohlen. Er hat sie hintergehen, und einer 65 jährigen Frau ein junges Fräulein vorziehen wollen; sie hat aber einen Befehl vom Consistorio bey sich, welcher ihn wieder seinen Willen Recht zu thun zwinget. Muffel aber hat sich in seine Köchin so stark verliebt gehabt, daß er ihr sich selbst ohne Zeugen angetrauet hat, und sie ietzt auch, ohne sie zu lieben, heyrathen muß.

WAHRMUND.

Mein Erstaunen über diese lasterhafte Aufführung unserer Geistlichen ist nicht geringe. Allein in dem sie durch dieselbe wieder ihren Willen mein Glück befördern, so bin ich zufrieden, daß ich zu meinem Endzwecke gelangen kan, ohne aus Liebe niederträchtig zu werden. Kommen sie, mein werthester Herr von Roseneck; lassen sie uns keine Zeit versäumen, ietzt beruhet es nur darauf, daß sie die Frau von Birkenhayn davon benachrichtigen, so bin ich den Augenblick glücklich und vergnügt; ich kan den glückseligen Augenblick kaum erwarten.

HERR VON ROSENECK.

Wir würden uns übereilen, mein Herr Wahrmund, wenn ich ihrem Rathe folgte. [98] Lassen sie uns viel lieber so lange drehen, bis es die Gelegenheit giebt meiner Schwester alles auf eine so in die Augen leuchtende Art zu entdecken, daß sie der Wahrheit nicht länger wiederstehen kan. Kein Irrthum, kein Vorurtheil ist gefährlicher auszurotten, als welches blöde Gemüther für das Ansehen der Geistlichen gefaßt haben. Ich kan mich überdem noch nicht des Nachdenkens über die Ausführung dieser beyden Männer entschlagen. Es erweckt in mir eine gewisse Untersuchung der Gründe, warum doch in dem geistlichen Stande, welchem von dem Poebel die gröste Ehre erwiesen wird, die meiste Unwissenheit und die grösten Laster herrschen. Niederträchtigkeit, Stolz, und Betrug scheinen am ruhigsten bey den Geistlichen zu wohnen.

WAHRMUND.

Vielleicht kan ich ihre Neubegierde genug thun, mein Herr von Roseneck, weil ich Schulen und Academien, als die Pflanzgärten dieser Leute, mehr als sie besucht habe. Wir dürfen nur die Art untersuchen, wie auf Schulen die sogenannte Brodstudia gewählt werden. Diese Wahl kommt entweder auf die Eltern, oder auf die Lehrer, oder auf den Schüler, doch auf diesen am allerseltensten, an. Die Eltern wählen allezeit für ihr Kind nach ihrer Einsicht, und nach ihrem Eigennutze. Ein einfältiger Bürger hat vielleicht einen Beichtvater, der reich und geehrt [99] ist, und den die ganze Stadt, und er selbst, für den frömmsten unter der Sonnen hält; sein Sohn soll auch dereinst reich, geehrt, und fromm werden, darum muß sein Sohn ein Prediger werden denn einem Prediger, wie er sich überredet, kan keines von diesen fehlen. Der Sohn wird mit der Bedrohung, enterbet zu werden, auf Academien geschickt, er muß Theologie studiren, damit er sich zwey Jahre hernach vom Pöbel könne verehren lassen, damit er fromm scheine, und damit er eine fette Pfarre davon tragen könne.

HERR VON ROSENECK.

O der Sohn wir ein stolzer, unwissender, und geiziger Heuchler werden! aber schlägt die Wahl der Lehrer nicht glücklicher aus?

WAHRMUND.

Diese Wahl überschüttet den Staat mit den allerschädlichsten Creaturen. Denn ein Schulmonarch, welcher einem Vater seines Kindes wegen rathen soll, schliesset allemal bey sich selbst nach folgenden vier Arten. Entweder, Hanns ist dumm, Hanns muß ein Prediger werden; oder Hanns ist tückisch, Hanns muß ein Prediger werden; oder Hanns ist ein Freund der Schulfüchserey, Hanns muß ein Prediger werden; oder Hanns kan gut schreyen, Hanns muß ein Prediger werden. Hierauf wird Hanns trotz der Vernunft, und trotz seinem Triebe, ein Prediger, weil ihn der Herr Recktor, oder [100] der Herr Conrecktor dazu für tüchtig befunden.

HERR VON ROSENECK.

Diese Schlüsse sind in der That sehr lächerlich, aber vielleicht folgen sie aus den Vorurtheilen, welche die Vernunftlehre dieser Leute auszumachen pflegen, ganz natürlich?

WAHRMUND.

O! sie sind nach ihrer Auslegung gar nicht zu wiederlegen. Sie wissen, daß mit der Dummheit allemal eine gewisse Dreistigkeit verknüpft ist, die abgeschmacktesten Meynungen bis aufs Blut zu behaupten, und daß diese Eigenschaft sehr ofte zu den nothwendigsten Eigenschaften eines Geistlichen gezählet werde. Sie wissen, daß der Aberglaube an den tückischen Gemüthern seine rechte Grundstützen findet, weil sie die verborgensten Räncke erfinden, durch welche sie sein Reich ausbreiten, und sein Ansehen auch bey den Grossen dieser Welt befestigen können. Sie wissen, daß einer, der sich in ihre Schulfüchsereyen vertiefet, aller Lust und Fähigkeit, Wahrheiten einzusehen, beraubet wird, und in Hirngespinnsten und Fabeln sein gröstes Vergnügen findet. Wer hecket aber die mehrsten Fabeln und Hirngespinste aus, als die ohne Vernunft schwärmende Einbildungskraft eines Geistlichen? Wer gut schreyen kan, der füllet eine Kirche geschickt aus, wer eine große Kirche geschickt ausfüllet, der kan gut predigen; [101] so schliesset ja die ganze Welt des Pöbels.

HERR VON ROSENECK.

Meine Verwunderung hat sich schon um ein grosses gemindert, da ich höre, was für schöne Pflanzen zum geistlichen Stande erzogen werden.

WAHRMUND.

Diese Pflanzen können auch nach dem, was von allen Geistlichen zu ihrem Stande erfordert wird, nicht besser ausgelesen werden. Man sollte sich wenigstens von der freywilligen Wahl des Schülers was Gutes vermuthen – –

HERR VON ROSENECK.
Ich vermuthe mich auch von derselben geschickte und tugendhafte Geistliche.
WAHRMUND.

Sie werden mir aber gleich zugeben, daß auch dieselbe fehlschlage. Denn aufgeweckte und muntre Köpfe sehen gar zu deutlich vorher, daß sie die dazu gehörige Eigenschaften nicht besitzen, daß Dummheit, Unverschämtheit, Aberglauben, und Betrug ihre Feinde sind, welche sie lieben müsten, wann sie Mantel und Klagen wählten. Ein seichtes, schläfeiges und tasterhaftes Gemüthe hingegen wählet den geistlichen Stand, weil es sich zu keinem andern so brauchbar befindet. Wird ja ein aufgeweckter Kopf zuweilen durch Dürftigkeit genöthiget, diesen Stand zu erwählen, so muß er schon ein Glückskind seyn, wenn er seinen Vorsatz vollführen will; Denn, weil er nicht heucheln [102] und nicht unverschämt seyn kan, so muß er oftmals sein Vorhaben fahren lassen, und lieber ein Soldat oder Comoediant, als ein Prediger werden.

HERR VON ROSENECK.

Vielleicht findet er auch in diesen Ständen viel eher Gelegenheit, vernünftig zu leben als in einem ehrwürdigen Amte – – – Aber da kommt Peter, was mag er mit den Büchern wollen?

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Vorige, Peter, mit einigen Folianten.

PETER.
Hier bring ich meines Herren Gelehrsamkeit vorangetragen, er selbst wird gleich nachkommen.
WAHRMUND.
Was? eures Herrn Gelehrsamkeit?
PETER.

Ja freylich, denn seine Postillen sind seine Gelehrsamkeit, sein Chorrock ist seine Frömmigkeit, und seine Besoldung sein Reichthum.

WAHRMUND.
Ist denn euer Herr nicht auch gelehrt, wenn er gleich die Postillen nicht bey sich hat?
PETER.
Eben so wenig, als ich und sein Pflugochse.
WAHRMUND.
Und die Frömmigkeit läßt er mit dem Chorrocke in der Kirche?
PETER.
Nicht anders, denn wozu hat er sie bey seiner Köchin nöthig?
HERR VON ROSENECK.
Warum habt ihr aber diese Bücher hieher tragen müssen?
PETER.

Mein Herr will eine Betstunde mit der [103] Fräulein Wilhelmine halten. Er wollte das Fräulein erst in seiner Bibliotheck vornehmen, aber Tempelstolz wollte es nicht leiden, daß er sie mitten in seiner Gelehrsamkeit vornehmen sollte, darum habe ich ihm dieselben heimlich hieher bringen müssen. Er will die Bücher auf den Tisch setzen, läßt aber eins davon fallen. Wo mein Herr dis sähe, so wär ich unglücklich; er würde gewis die arme Postille so nachdrücklich an meinem Puckel rächen, daß ich fast selbst glauben sollte, ich hätte mich an derselben versündiget. Er stellt die Postillen aufrecht auf den Tisch an einer Ecke.

HERR VON ROSENECK.

Aber habt ihr die Frau Conrecktorin schon in ein Zimmer geführet, wo sie so lange verborgen bleiben kan?

PETER.

Ja, mein Herr von Roseneck. Ich habe ihr auch schon ein paar Krüge Bier gebracht, worin sie tapfer gezogen, weil sie nicht nur den Durst stillen wollte, sondern auch glaubte, Tempelstolzen desto herzhafter begegnen zu können. Doch da kommt mein Herr, lassen sie sich beyleibe noch nicht das geringste gegen ihn merken. Geht ab.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Herr von Roseneck mit Büchern, Wahrmund.

MUFFEL
setzt die Bücher geschwinde auf den Tisch, macht einige Creutze drüber und sagt für sich: O weh! da ist der Philosoph, wo mir der die Postillen behext, daß sie mir bey [104] der Fräulein Wilhelmine versagen so muß ich mit Schanden bestehen.

Es fallen einige von denen, die Peter hingesetzt, herunter. Ey! ey! die lieben Bücher! Hebt sie auf und küßt sie. daß sie der Bösewicht nicht sichrer hingest hat; ey, ey! mit solchen Heiligthümern muß man behutsam und ehrerbietig umgehen, man kan sich leicht daran versündigen.

HERR VON ROSENECK.
Was wollen sie denn mit den vielen Büchern in dieser Stube machen, Herr Muffel?
MUFFEL.

Ein schuldiger Fürbitter für sie, mein Herr von Roseneck. Für sich. Die Wahrheit kan ich ihm unmöglich sagen. – – Ich habe sie aus meiner Bibliotheck – – – welche hinter jenem Zimmer ist, – – – hieher bringen lassen, – – weil ich sie zum – – Für sich. ja der Teufel! zum Ausstauben habe hieher bringen lassen.

WAHRMUND.
Es wird gewiß viel gelehrtes darunter seyn, wollen sie nicht erlauben, daß ich sie ansehe?
MUFFEL.

Nichts gelehrtes! Beyleibe nicht! sie machen sich die Hände schmutzig, Für sich. wo er mit seinen Händen drüber geräth, so macht er sie mir auf Zeit meines Lebens unbrauchbar. – – Es ist nichts sonderliches darunter. Er pack sie zusammen, und breitet sich drüber aus. Nichts sonderlichs! nichts gelehrtes – – sie machen sich die Hände nur schmutzig.

[105]
WAHRMUND
zum Herrn von Roseneck.

Versuchen sie es doch mit ihm, ob sie ihn nicht in der Güte von der Liebe der Fräulein Wilhelmine abbringen können, so brauchen wir nicht mit der Schärfe mit ihm zu verfahren, und ihn öffentlich zu schanden zu machen.

HERR VON ROSENECK.

Ihr Feind würde nicht so großmüthig mit ihnen umgehen! Ich will ihrem Rathe folgen. Zu Muffeln. Ich hätte sehr was nothwendiges mit ihnen zu reden, Herr Muffel, wollen sie mir nicht ein wenig zuhören?

MUFFEL.

Ich de ja meine Schuldigkeit zu beobachten wissen. Dazu bin ich ja im Amte, daß mir meine Zuhörer sagen sollen, was sie auf dem Herzen haben; und daß ich ihnen die Gewissensscrupel auflösen soll; meine wenige geistliche Armuth ist daher auch in diesen Fällen zu ihren Diensten.

HERR VON ROSENECK.
Ich lasse meine Gewissensscrupel allezeit von der Vernunft auflösen.
MUFFEL.

Behüte mich mein Gott! von der Vernunft? sie verfehlen des rechten Weges mein Herr von Roseneck, sie sollten zu ihrem Beichtvater kommen; die Vernunft ist ein durchlöcherter Brunnen, der kein Wasser hält.

HERR VON ROSENECK.

Der Ausspruch meiner gesunden Vernunft überzeugt mich allemal weit stärker und lebendiger, als der Ausspruch einer ganzen theologischen Facultät. Doch davon hab ich mit ihnen nicht sprechen wollen. Nicht wahr, Herr Muffel, sie bestreben [106] sich fromm und exemplarisch zu leben?

MUFFEL.

Weh! Weh! Weh! werd ich über sie schreyen müssen, Herr von Roseneck, wo sie mich durch diese Lobsprüche zum geistlichen Hochmuthe verleiten. Die Leute beschreyen mich zwar alle als einen frommen, heiligen Mann; aber dis giebt ihnen der Satan ein, er will mich durch diese Locksprache zum geistlichen, stinkenden Hochmuthe verführen. Ach! nein, mein Herr von Roseneck, ich bin ein armer Sünder! der gröste unter den grösten Sündern.

HERR VON ROSENECK.

Ich hab auch noch nicht gesagt, daß sie fromm und heilig wären. Denn es ist nicht nöthig, daß man den Geistlichen schmeichelt, sie glauben ohnedem gern zu viel von sich. Ich frage sie nur, ob sie sich nicht bestreben, fromm zu seyn.

MUFFEL.
Ich ringe zwar nach diesem edlen Kleinod, aber ich hab es noch nicht errungen.
HERR VON ROSENECK.
Verbindet sie die Frömmigkeit nicht auch zur Großmuth?
MUFFEL.

Die Großmuth ist eine Tugend aus der Schule des Satans! nein; sein demüthig! sein demüthig! denn gleichwie geschrieben stehet – – –

HERR VON ROSENECK.

Eine Frömmigkeit ohne Großmuth? diese Frömmigkeit will ich gern ihnen und dem Pöbel überlassen. Sie bestreben sich also, demüthig zu seyn?

[107]
MUFFEL.
Ja die Demuth! die Demuth! die ist eine große Tugend!
HERR VON ROSENECK.

Bestehet es denn mit ihrer Demuth, Herr Muffel, wann sie sich eine Gewalt über ein Herz anmassen, über welches sie doch keine haben, welches frey ist, und zu keiner Gegenliebe gezwungen werden kan?

MUFFEL.
Ja – – Nein – – Ja es bestehet – – Nein, wollt ich sagen, es bestehet nicht mit derselben.
HERR VON ROSENECK.

Wann es nicht damit bestehet, so werden sie vermuthlich auch einsehen, daß sie unrecht thun, wenn sie sich über das Herz der Fräulein Wilhelmine eine Gewalt anmassen, weil sie keine über dasselbe haben. Sie wollen es zur Gegenliebe zwingen, aber wissen sie nicht, daß sie es schon verschenkt hat, und daß Herr Wahrmund der rechtmäßige Besitzer davon ist?

MUFFEL.

Behüte mich mein Gott, daß ich ihr Herz verlangen sollte. Nein, das begehr ich nicht, das muß allein am Himmlischen hängen. Ich will sie nur zu Frau haben. Lieben aber soll sie mich nicht, denn ich bin irrdisch, und sie muß nichts Irrdisches lieben.

HERR VON ROSENECK.
Sie wollen, daß sie sie nicht liebe, und doch ihre Frau sey?
MUFFEL.

Ja das will ich, und ich will sie auch nicht lieben, denn sie ist auch nichts anders als Staub, Erde und Asche.

HERR VON ROSENECK.
Was für eine Verwirrung der Begriffe ist das?
[108]
WAHRMUND.
Ich weiß gewiß, Herr Muffel, daß ihr Herz ganz anders denkt, als die Zunge spricht.
MUFFEL.

Da seh ich das Fräulein zu mir kommen. Wollten sie uns nicht beyde nur auf eine halbe Stunde allein lassen? ich will sie nur wegen der Vernunft eines bessern unterrichten. Sie dürfen sich nichts böses besorgen. Sie ist bey mir wohl aufgehoben.

HERR VON ROSENECK.

Wann ich der Fräulein gesetzte Gemüthsart nicht kennte, so wollte ich sie ihnen nicht auf eine halbe Stunde allein anvertrauen, ob sie gleich nichts Irrdisches lieben.


Geht ab.
WAHRMUND
zur Fräulein, welche eben eintritt.

Schönstes Fräulein, lassen sie bey dieser seltsamen Unterredung niemals ihren getreuen Wahrmund aus den Gedanken.


Geht ab.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Fräulein Wilhelmine, Muffel.

MUFFEL.

Ich wünsche ihrer armen Seele viel Glück dazu, daß sie in meine Schule kommen, schönstes Fräulein. Setzen sie sich hier neben mir, damit wir uns desto bequemer erbauen können. Er setzt sich an den Tisch, und blättert in den Postillen.

WILHELMINE.

Was suchen sie in dem Buche, Herr Muffel, ich dachte sie wollten mich von der Schädlichkeit der Philosophie überzeugen?

[109]
MUFFEL.

Ja wohl. Denn ihre Seel zu retten bin ich mit diesen geistlichen Waffen hieher gekommen.Für sich. Wann ich nur erst etwas von der Philosophie finden könnte!


Er blättert.
WILHELMINE.
Wissen sie denn, was sie zu thun haben, wenn sie mich davon überzeugen wollen?
MUFFEL.

O ja! ich muß ihre arme Seele retten Für sich. Das ist ja verbucht, ich kan hier keinen Titel von der Philosophie finden. – – Aber schönstes Fräulein sagen sie mir doch, was denn eigentlich die Weltweisheit für eine Seckte ist, und worin sie von unsrer Religion abgehet.

WILHELMINE.

Nun, das ist artig; sie wollen die Philosophie verwerfen, mich von derselben abwendig machen, oder mich mit derselben verdammen, und kennen sie nicht? doch ich nehme es ihnen nicht übel, weil verschiedene, oder viele der grösten Helden unter den Theologen, die Weltweißheit bestritten, ohne daß sie gewust haben, was sie aus ihr machen solten.

MUFFEL.

Sachte! sachte! mein Fräulein; diese grosse Männer, deren Bücher ich als den Grund unsrer Religion nicht genug verehren kan, haben die Philosophie gar wohl gekannt, und haben sie mich und alle Frommen auch kennen gelehret. Sie ist eine Lehre des Satans und der Vernunft. – –

WILHELMINE.

Eine vernünftige Lehre ist sie, aber[110] der Satan müste nicht so schwarz aussehen, als ihn die Geistliche abmahlen, wenn sie seine Lehre seyn sollte. Ja ich wollte ihm in meiner Bibliotheck noch heute eine Ehrensäule aufrichten, und alle Philosophen sollten ihm ihre Lehrbücher dediciren, wann er der erste Philosoph gewesen wäre.

MUFFEL.

Ums Himmels willen, machen sie ja kein Unglück in meinem Hause. Sie reden zu verwegen. Wann er nun eben als ein Philosoph gekleidet hereinträte, und sie aus dem Fenster mit sich hinwegführte, wäre das nicht ein erschreckliches Exempel?

WILHELMINE.

Sie sind ein Prediger, und fürchten sich doch so sehr vor ihm? ha! ha! ha! – – Aber wissen sie mir nicht einen Beweis davon zu führen, daß die Philosophie eine Lehre des Satans ist?

MUFFEL.

Ja, ja, ich gleich einen machen. – – Ich habe in einem gelehrten Buche gelesen, der Esel unsrer Vernunft müsse unten am Berge angebunden werden, wann wir – – das andere hab ich vergessen. Genug, daß die Vernunft ein Esel ist, die Esel aber werden nicht selig, folglich auch die Vernunft nicht, folglich auch die Philosophie nicht, folglich auch die Philosophen nicht, folglich auch sie nicht; folglich ist die Philosophie eine Lehre des Satans, dem der Satan wird auch nicht selig. Sagt diese Schlüsse sehr geschwinde hintereinander her.

[111]
WILHELMINE.

Es ist ihr Glück, daß sie sich so geschwinde auf den Esel besonnen haben, denn ich glaube, die Postillen schreiben von der Philosophie nichts. Aber wissen sie wohl, daß diese Schlüsse weder überzeugend, noch meiner Widerlegung würdig sind?

MUFFEL.

Nun, nun, schönstes Fräulein, ich will es so genau mit ihnen auch nicht nehmen, sie sind viel zu reizend, viel zu schön, als daß ich mein Herz länger vor ihnen verbergen könnte. Wegen der heftigsten Zuneigung, die ich zu ihnen trage, habe ich niemals im Willen gehabt, sie in ihrem Glauben zu stören. Eben diese zärtliche Liebe läst auch nicht zu, daß ich sie der Philosophie wegen verdammen sollte. Ich will ihnen aus zärtlicher Zuneigung zu ihnen einen Rath geben, welchem sie zur Belohnung meiner Liebe folgen müssen. Stellen sie sich nur gegen die Frau Mama als eine Feindin der Philosophie an, und sagen sie dabey, ich hätte sie von ihrem Irrthume befreyet, ich werde ein gleiches reden, und sie werden alsdann ihren Diener, der sie so brünstig verehret, mit ihrer Gegenliebe beglücken und ihre Frau Mutter wird mich sodann Tempelstolzen willig vorziehen. Ich habe ihnen mein Herz entdecket, schönstes Fräulein, mein Glück und mein Unglück stehet in ihrer schönen Hand; wie ich immer gehöret habe, so [112] sollen die Philosophen auch eine Tugend haben, welche die Großmuth heist; sie werden also zu großmüthig seyn, mich, da ich sie heftig liebe, unglücklich zu machen.

WILHELMINE.

Behüte der Himmel! wo gerathen sie hin, Herr Muffel? vor dem Beweise von der Schädlichkeit der Philosophie auf einen Liebesantrag? Den Augenblick haben sie mich erst überzeugen wollen, daß die Philosophie eine Lehre des Satans sey, und nun scheuen sie sich schon der Sünde nicht, eine Philosophin so gar zu lieben, und wo es möglich wäre, gar zu heyrathen?

MUFFEL.

Denken sie doch ja nichts übels davon, schönstes Fräulein. Ich erwache ietzt wieder, als aus einem tiefen Schlummer; ach! der Verführer, der Teufel hat mich einschläfern wollen. Ach! ach! meine menschliche Ichheit ist noch zu irrdisch, sie senkt sich gar zu leicht auf was irrdisches herunter. Aber, was hör ich? ach! eine süsse Stimme vom Himmel, welche sie durch mich aus dem Schlamme der Vernunft zu sich rufet; geben sie mir ihre schöne Hand, ich will sie den Augenblick hineinführen.


Drückt ihr die Hand verliebt.
WILHELMINE.

O sie sind viel zu verliebt, ein Frauenzimmer in den Himmel zu führen, sie würden mir die Hand auf dem Wege zerdrücken.


Zieht die Hand zurück.
[113]
MUFFEL.

Ich kan nimmermehr glauben daß ihr Herz ja dazu saget, was ihr schöner Mund spricht. Mich dünkt, daß diese liebreiche Stimme schon einen Eindruck in ihr Herz gemacht hat. Erlauben sie mir, schönstes Fräulein, daß ich aus dem Klopffen desselben den Zustand ihrer Seele beurtheile.


Will ihr in den Busen greifen.
WILHELMINE
schlägt ihm die Hand weg.

Wann sie meinen, daß sie die Krankheiten der Seele nach dem Klopfen des Herzens abmessen können, wie die Aerzte die leiblichen nach dem Schlage des Pulses, so werden sie auch in eben solche grobe Irrthümer verfallen, wie diese.

MUFFEL.

Ey, ey lassen sie mich nur! Ich irre mich nicht in meiner Meinung, ich kan aus dem Herzklopfen ganz sicher abnehmen, ob ein Frauenzimmer bekehrt oder unbekehrt, und von was für einer Religion sie ist. Ich würde auch bey ihnen vielleicht eine glückliche Entdeckung machen, denn ich bin überzeugt, daß meine Ermahnungen nicht fruchtlos bey ihnen angewandt seyn.

WILHELMINE.

Sie haben bey mir noch nichts damit ausgerichtet, denn sie haben mir noch nichts als leere, und auf ihre unreife Liebe abzielende, Worte vorgeplaudert. Wo sie nicht bald zeigen, daß ihnen unsre vorgenommene Unterredung ein Ernst ist, so muß ich – – –

[114]
MUFFEL.

Ich arbeite ja mit allem Ernste an dem Besten ihrer Seele. Ich will noch ein Mittel versuchen, ob ich sie dadurch nicht bewegen kan, von ihrer philosophischen Halsstarrigkeit abzustehen. Erwegen sie doch, schönstes Fräulein, daß, wofern sie nicht so glücklich seyn, von mir bekehret zu werden, sie sich alles Vergnügens berauben, welches ein geistlicher Kuß, ein Kuß eines Seelensorgers, ein zärtlicher Kuß eines Predigers, verursachet. Thun sie es doch zum wenigsten ihrer armen Seele zu Liebe, und lassen sie sich nur einmahl von mir küssen, damit sie selbst empfinden, wie süß meine Küsse schmecken – – – Will sie küssen.

WILHELMINE
steht auf, und reißt sich los von ihm.

Weil ich sehe, daß ihre Unverschämtheit, so lange ich bey ihnen bin, nur immer mehr zunimmt, so muß ich sie verlassen, damit sich ihre menschliche Ichheit, wie sie es nennen, nicht zu geistlich vergehet.

MUFFEL.

Ach! sie sollen nicht unbekehrt von mir hinwegkommen. Bleiben sie nur noch einen Augenblick schönstes Fräulein, und thun sie mir nur den Gefallen, und sagen mir etwas von dem, was die Philosophie in sich begreift. Ich habe zwar gar keinen Begriff davon, aber das weiß ich doch, daß sie schädlich und gottlos ist. Denn das habe ich nicht nur aus dem Munde der größten und glaubwürdigsten Theologen [115] gehört, sondern auch in ihren Büchern gelesen, und ich wollte lieber mein Lebetage nicht heyrathen, als diesen gelehrten und frommen Männern nicht glauben.


Setzen sich beyde wieder nieder.
WILHELMINE.

So will ich blos dem ungemeinen Ansehen dieser Herren zum Trotze bey ihnen bleiben und ihnen sagen, was die Weltweißheit ist, damit sie sehen, auf was für schlechten Stützen ihr Vorurtheil beruhet. Ich kan ihnen keinen bessern Begriff von der Philosophie beybringen, als wenn ich ihnen beweise, daß sie und alle Feinde derselben, trotz ihrem tödtlichen Hasse dawieder, dennoch ganz kleine Schüler in derselben, nemlich ganz kleine Philosophen sind.

MUFFEL.
Was? ich wäre ein Philosoph, wo das die theologische Facultät erführe! – –
WILHELMINE.

Fürchten sie sich nur nicht, sie sind noch so ein kleiner Philosoph, daß man sie noch nicht sehen kan, und also dafür nicht erkennet.

MUFFEL
für sich.
Was gilts? sie hat mich angesteckt.
WILHELMINE.
Gestehen sie mir nicht zu, daß sie wissen, daß sie ein Prediger sind?
MUFFEL.
Freylich weiß ich das, sie werden mir es doch nicht abstreiten wollen?
WILHELMINE.
Das will ich nicht, aber woher wissen sie denn, das sie es sind?
[116]
MUFFEL.

Ich kan ihnen beweisen, daß ich es bin. Der Herr Pfarrenreich hat mich selbst dazu eingesetzt, und ich kan ihnen die Vocation vom Consistorio aufweisen, und ich habe meine Antrittspredigt sowohl gehalten, als ein ander – – –

WILHELMINE.

Gut! sie haben eine philosophische Erkänntniß davon, daß sie ein Prediger sind. Sie und alle Menschen haben dergleichen Erkänntniß von tausend Kleinigkeiten, welche, wann sie zu mehrern und wichtigern Wahrheiten hinaufsteiget, die Philosophie heist. Sie können also von diesem Uebel, wie sie es nennen, niemanden befreyen, wo sie ihn nicht zuvor der Vernunft berauben, und ihm die Menschheit ausziehen.

MUFFEL.

Nun bin ich auf einmahl klug! nun weiß ich ein sichres Mittel wieder die Weltweißheit, ich will mich und sie im Augenblicke davon befreyen.

WILHELMINE.
Sehen sie denn noch nicht ein, daß es unmöglich ist?
MUFFEL.

Nun ist es nur gar nicht mehr unmöglich.Stehet auf, und macht einige Creutze über sich und das Fräulein. Fahret aus von uns ihr unsaubern Geister, Menschheit, Vernunft, und insbesondere du Weltweisheit. Gehorchet mir alsobald, und packet euch in den Pfuhl, der mit Pech und Schwefel brennet.

WILHELMINE.
Spotten oder rasen sie Herr Muffel?
[117]
MUFFEL.

Nun bin ich um einen Centner leichter geworden. Ja, sie sind von uns ausgefahren, ich kan es bey mir, der Himmel sey gelobet, recht eigentlich fühlen. Nun schönstes Fräulein sind sie glücklich von der Weltweisheit befreyet, sie sind keine Philosophin mehr, sie sind nicht mehr vernünftig, und sind mir nun in allem gleich worden.

WILHELMINE.
Sie werden mir doch nicht besser sagen können, was ich bin, als ich selbst.
MUFFEL.

Ich kan es ihnen bey meinem Amte schwören, daß ich unter der Beschwörung einen rechten dicken Nebel von ihnen aufsteigen gesehen, von mir aber haben sich nur einige feine Dünste getrennet. Ich werde darum sogleich ihrer Frau Mama diese freudenreiche Bottschaft bringen, und mit ihr dem Himmel auf den Knien Dank dafür sagen.

WILHELMINE.
Sie werden mich doch nicht einer Veränderung beschuldigen wollen – – –
MUFFEL.

Ich will auch den nächstkommenden Sonntag in der Kirche für sie danken, daß ihnen so glücklich von der Besessung der Weltweisheit geholfen worden.


Geht eilend ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
WILHELMINE.

Dergleichen Betrüger hab ich die Zeit meines Lebens nicht gesehen, ich hätte auch niemandem [118] geglaubet, daß seines gleichen in der Welt anzutreffen sey, wann ich ihn nicht selbst darin gefunden hätte. Mich wieder die Einsicht meiner Vernunft für unvernünftig zu erklären! mich einer Veränderung zu beschuldigen, davon ich nichts empfunden, und die ich an mir selbst nicht genug betrauren würde! Weil er gesehen, daß Tempelstolzens Ansehen und durchdringende Stimme an mir nichts vermocht hat, und daß mich seine Liebe und sein Bitten nicht bewegen können, so hat ihm sein niederträchtiges Herz zum Betruge gerathen, aber ich muß nur diese ohnmächtige Ränke verlachen. – – – Doch sollte mich bey nahe die Leichtglaubigkeit meiner Mutter bekümmern. Sie ist schwach genug, dem Heuchler zu glauben, und mich zu zwingen, ihm meine Hand zu geben. Werde ich nun da so schwach seyn, meiner Mutter den schuldigen Gehorsam und die kindliche Ehrfurcht zu entziehen? Nein, meine Pflichten kan ich ohnmöglich verletzen. Werd ich aber auch stark genug seyn, dem Liebenswürdigsten mein Herz zu entziehen, und an einen schandbaren Betrüger zu verschenken? Nimmermehr – – – Ich darf hier keine weitläufige Wahl anstellen, mein Schluß ist gefast, ich will aus zweyen Uebeln das kleinste erwählen. Ich will ungehorsam seyn, damit ich nicht undankbar, treulos, unbeständig, und auf [119] meine Lebenszeit unglücklich werde. Verlaß ich auf meine Treue, liebenswürdiger Wahrmund, so lange ich vernünftig, und eine Schülerin deiner Lehrsätze bleibe, wirst du mich nicht unbeständig finden.

8. Auftritt
Achter Auftritt.
Herr von Roseneck, Wilhelmine.

HERR VON ROSENECK.

Ich habe zwar eine seltsame Zeitung hören müssen, aber ich habe derselben noch nicht den geringsten Glauben beygemessen, weil sie von Muffeln gekommen. Dieser trat eben jetzt ganz triumphirend über ihre Bekehrung in das Zimmer, und brachte die Zeitung, daß Fräulein Wilhelmine nicht mehr vernünftig, und noch vielweniger eine Philosophin wäre.

WILHELMINE.

Der Betrüger wuste erst nicht, auf was für eine Weise er es anfangen sollte, mich zu hintergehen. Er ist so verliebt dabey gewesen, daß ich mich seiner Hände nicht genug habe erwehren können.

HERR VON ROSENECK.

Ein ander Frauenzimmer würde vielleicht nicht so viel Herz gehabt haben, sich vor einem Geistlichen zu wehren, sie würde es wohl gar für eine Sünde gehalten haben.

WILHELMINE.

Als er endlich sahe, daß er mit der Liebe und mit Bitten bey mir nichts vermochte; So wollte er Menschheit, Vernunft [120] und Weltweisheit nicht anders austreiben, als ob er 3. Teufel verbannen sollte. Jene sind aber nicht so furchtsam vor seinem Geplärre gewesen, als diese zu seyn pflegen, denn ich kan mich Gott Lob überzeugen, daß mir alle 3. so gut gewesen, und bey mir geblieben sind. Er beschwur sie zugleich, von ihm auch auszufahren, und ob sie gleich der Wohnung bey ihm sehr überdrüssig seyn mögen, so haben sie doch auf höhern Befehl vermuthlich noch bey ihm aushalten müssen.

HERR VON ROSENECK.

Ihre Frau Mutter ist über diese Nachricht, wie sie vielleicht selbst vermuthen können, vor Freuden ganz ausser sich, und liegt anjetzt mit Muffeln und Tempelstolzen auf den Knien, dem Himmel für die Ausfahrung ihrer Vernunft Dank zu sagen.

WILHELMINE.

Der Heuchler will also durch sein Gebet den Himmel sogar betrügen? Tempelstolz wird sonderlich sehr viel Andacht dabey haben; ich will wetten, daß er für Neid über Muffeln bersten möchte. Aber meynen sie nicht, mein Herr Oheim, daß meiner Mama Leichtglaubigkeit von üblen Folgen für mich und Wahrmund seyn könnte?

HERR VON ROSENECK.

Besorgen se nichts von derselben, schönstes Fräulein. Ihre Frau Mama wird sie nun freylich, Muffeln zu heyrathen, ohne Zweifel zwingen wollen, aber ich [121] habe solche Anstalt vorgekehret, daß sie nicht mehr können gezwungen werden. Ihre Verwunderung und Freude wird so dann desto reicher an vielen Empfindungen werden, je weniger sie sich diese Anstalten vermuthen.

WILHELMINE.

Ich hatte schon den Entschluß gefast, dem Herrn Wahrmund getreu und beständig zu verbleiben, ihre gemachte Hofnung aber befestiget mich in demselben. Wissen sie nicht, wo sich mein Geliebter seitdem aufhält, daß ihn meine Mama aus ihren Augen verjaget?

HERR VON ROSENECK.
Er erwartet das vergnügte Ende seines Schicksals in dem Garten.
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Frau von Birkenhayn, vorige.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Ach! laß dich umarmen du frommes Kind. Seit dem du dich von der Vernunft und der Weltweisheit befreyen lassen, hab ich dich aufs neue, wo nicht gebohren, doch wieder gefunden. Nun erkenne ich dich wieder für meine rechtmässige Tochter.

WILHELMINE.

Wie glücklich machen sie mich, allerliebste Mama, daß sie mich die zärtliche Mutterliebe wieder geniessen lassen welche sie mir seit einigen Jahren zu meiner nicht geringen Betrübniß versagt haben! [122] Aber um wie viel würden sie mich glücklicher machen, wann sie diese Liebe aus einem andern Grunde mit mir erneuerten! Ich bin nicht, wie sie meynen, meiner Vernunft von Muffeln beraubet worden, ich habe auch die Liebe gegen eine Wissenschaft, welche einen grossen Theil meiner Glückseligkeit ausmachet, in keinen Haß verwandelt, wie ihnen fälschlich berichtet worden.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Ja, ja, meine Tochter, glaube du, was dir Herr Muffel sagt. Ist das nicht betrübt? da du so glücklich bist, unvernünftig, und eine Feindin der Weltweisheit zu seyn, wilst du es nicht einmal glauben.

HERR VON ROSENECK.

Die Fräulein wird doch aber besser wissen, Frau Schwester, ob sie vernünftig oder unsinnig, und eine Feindin der Philosophie ist, als Muffel?

FRAU VON BIRKENHAYN.

Nein, das muß der Herr Pastor am besten wissen, der hat ja die Vernunft und die Weltweisheit ausgetrieben, er wurde es ja nicht sagen, wenns nicht wahr wäre.

HERR VON ROSENECK.
Laß sie es ihn immerhin sagen, hat er ja heute doch nicht die erste Unwahrheit gesprochen.
FRAU VON BIRKENHAYN.

Er hat aber ja einen dicken Nebel von meiner Tochter bey der Beschwörung aufsteigen gesehen; der dicke, stinkende, giftige Nebel kan ja nichts anders, als die Vernunft gewesen seyn.

[123]
HERR VON ROSENECK.

Warum hat aber ihre Fräulein-Tochter den Nebel nicht so gut, ja nicht noch besser, als der Herr Muffel, sehen können?

FRAU VON BIRKENHAYN.

Sie ist ja noch lange nicht so erleuchtet als er. Sie werden doch den Geistlichen schärfere Augen des Verstandes zutrauen als andern Leuten.

HERR VON ROSENECK.

Ja sie können besser hören und sehen, als wir, sie haben freylich recht, Frau Schwester. Kein Sonntagskind wird die Gespenster so gut sehen können, als die Geistlichen, wann es nur zu ihren Absichten was beyträgt, dieselben gesehen zu haben. Sie sehen in Cometen, und andern außerordentlichen Erscheinungen, Pest, Hunger, und Blutvergiessen vorher, denn sie erhalten dadurch ihre Gemeine desto besser im Aberglauben, welches ihnen nicht wenig einträgt. Sie sehen und hören in der Welt mehr böses, als drinnen ist, weil sie zwar gern selbst lasterhaft seyn wollen, aber andere Leute doch noch lasterhafter als sich wünschen, damit sie Materie zu den Predigten behalten – – – Aber, was wird da für ein Lerm? ha! ha! die beyden frommen Herren zanken sich; ist das auch eine Tugend an den Geistlichen, Frau Schwester?

FRAU VON BIRKENHAYN.
Sie zanken sich nicht, sie eyfern nur für die Ehre des Himmels.
10. Auftritt
[124] Zehnter Auftritt.
Vorige, Tempelstolz, Muffel.

TEMPELSTOLZ.

Sie mögen sich entschuldigen wie sie wollen, Herr Confrater. Sie haben sich an den heiligen Kirchengebräuchen vergangen; sie hätten die Beschwörung aus dem Buche herlesen sollen.

MUFFEL.

Sie beneiden nur meinen schönen Sieg, Herr Confrater. Was kan ich dafür, daß ich glücklicher gewesen bin, als sie.

TEMPELSTOLZ.

Ich glaube gar, sie werden sich was darauf einbilden. Denken sie nicht, daß ich so gut hätte beschwören können, als sie meynen sie, daß sich die Vernunft und die Weltweisheit vor mir nicht mehr gefürchtet hätten als vor ihnen? ich wollte nur erst gelindere Mittel versuchen, ich wollte nur erst in der Kirche für sie bitten. Wer hätte sichs sollen träumen lassen, daß sie so klug seyn, und sich auf die Beschwörung besinnen würden? aber wer weiß auch, welcher Teufel sie ihnen eingegeben hat?

WILHELMINE.

Sie dürfen gar nicht so neidisch seyn, Herr Tempelstolz. Herrn Muffels Beschwörung hat so wenig geholfen, als ihre Kirchenbitte würde gefruchtet haben.

MUFFEL.

Wiederstehen sie doch ihrem Glücke nicht vergebens. Genug daß sie bekehret sind, und wollen sie es nicht glauben, so sind sie wieder ihren Willen bekehrt.

[125]
TEMPELSTOLZ
für sich.

Ich muß ihm nur beystehen, damit ich die Hochachtung für die Beschwörung und unser Amt unterstütze. Zu Wilhelmine. Die Beschwörung hat freylich die gehörige Wirkung gethan, sie kan dabey nicht ausbleiben, es ist ohnmöglich. Sie haben nun keine Vernunft mehr, sie sind für die Weltweisheit nicht mehr eingenommen, und wenn sie es nicht glauben wollen, so lassen sie es, es wird doch wahr bleiben.

11. Auftritt
Elfter Auftritt.
Peter zu vorigen.

MUFFEL.
Seyd ihr noch nicht weg, Peter? ihr sollt noch heute nach Holz fahren, sag ich euch.
PETER.

Ja, ich habe schon angespannt. Ich habe nur an Herrn Tempelstolzen zu bestellen, daß ein Bauer aus Großenhausen da ist, ihn abzuholen, weil der alte Steffen sterben will, und den Herrn Pastor noch zu sprechen verlanget.

TEMPELSTOLZ.

Ey was? der alte Schurke kan warten bis übermorgen; als er mich neulich in die Stadt fahren sollte, hatte er keine Zeit; ich habe ietzt auch keine.

PETER.
Was soll ich denn dem Bauer für Antwort bringen, Herr Pastor?
[126]
TEMPELSTOLZ.
Ihr habt ja gehört, was ich gesagt habe.
PETER.

Ja, ja; der alte Steffen soll noch nicht sterben, er soll warten bis übermorgen; er würde vielleicht gerne warten, wenn der Tod nur warten wollte.

MUFFEL.

Plaudert nicht lange, Peter, sondern sagt dem Bauer, was euch Herr Tempelstolz gesagt hat, und fahret den Augenblick ins Holz.

PETER.
Innerhalb einiger Minuten sollen sie mich im ganzen Dorfe nicht mehr finden. Gehet ab.
FRAU VON BIRKENHAYN.

Nun ist es auch Zeit, daß ich mein Wort halte, und dem Hrn. Muffel die glückliche Bekehrung, wie ich versprochen, mit der Ehe meiner Tochter belohne. Komm, Wilhelmine, gieb ihm deine Hand, und – – – –

WILHELMINE.

Zwingen sie mich nicht, Mama, einem Heuchler mein Herz zu geben, welches er mir durch Betrügereien entwenden will. Sie wollen es ihm als eine schuldige Belohnung geben, der Boshaftige aber nimmt es als einen Raub für nichts aus ihren Händen.

MUFFEL.

Nehmen sie ihr diese Reden nicht übel, Frau von Birkenhayn; die Austreibung ist etwas heftig gewesen, und hat eine kleine Raserey hinter sich gelassen.

WILHELMINE.

Was? Betrüger! – – – Was meinen sie, mein Herr Oheim, bin ich nicht bisher [127] ohne Ursach zu zornig gewesen? ich will viellieber ganz gelassen über diese Betrügereien lachen. Ha! ha! ha! wie artig kleiden sie doch den Herrn Muffel, den frommen, lieben Mann, den auserlesnen Prediger! Ha! ha! ha! Schade! daß er seinen geistlichen Staat nicht dabey angezogen hat, so würden ihn die kleine Politessen noch weit artiger kleiden. ha! ha! ha!

MUFFEL.
Sehn sie? sehn sie? Frau von Birkenhayn, daß ich Recht habe, sie fällt aus einer – – – –
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Herr von Roseneck, Muffel, Tempelstolz, Frau von Birkenhayn, Wilhelmine, Cathrine; Peter als ein Student.

CATHRINE.
Ach! Herr Pastor, es ist ein allerliebster zerrissener, liederlicher, lumpichter Vagant draussen.
MUFFEL.
Hohlt ihn nur herein, Cathrine.
CATHRINE.

Den muß ich heyrathen, Herr Pastor, ach! er hat allerliebste runde Backen, er muß unterwegens keine Noth gelitten haben.

MUFFEL.
Last ihn hereinkommen – –
[128]
CATHRINE.
Er hat fast eben solche helle, schöne Augen in seinem Kopfe, als unser Peter hatte – –
MUFFEL.
Ich werd es ja sehen, Mädgen, macht fort, und – –
CATHRINE.
Herr, nur noch eins; er hat solche runde schöne Waden! ihre Beine sind nur Stöcker dagegen.
MUFFEL.
Ich sage ja, ihr sollt ihn hereinholen.
CATHRINE.
Ach Herr, er hat – – ich weiß selbst nicht, was er alles hat. Holt ihn herein.
PETER
tritt herein.
Hochehrwürdige, hochgelahrte, wohlweise ehrenfeste, und insonders hochzuehrende Herren!
CATHRINE
zu Muffeln.
Herr, waren das nicht recht gelehrte Complimente? er muß sehr viel verstehn.
MUFFEL.
Ich bin ganz wohl damit zufrieden.
PETER.

Gleichwie geschrieben stehet, daß ein jeder nur ein Pilgrim auf Erden ist, also habe ich mich auch ganz willig auf die geistliche Wanderschaft begeben, und bitte mir dieserwegen einen geistlichen und leiblichen Reisepfenning von ihnen dazu aus; und gleichwie wir in der Welt keine bleibende Stätte haben, als hab ich sie bitten wolten, mich diese Nacht unter ihrem Dache zu beherbergen.

MUFFEL.
Was dünkt ihnen von dem Menschen, Herr Confrater?
TEMPELSTOLZ.
Er scheint das seinige in der Theologie gethan zu haben.
[129]
MUFFEL.
Wo hat er studirt mein Freund? ohne Zweifel in Halle?
PETER.
Ja, in Halle, sie habens errathen. Für sich. Ich weiß viel, wer so heist.
TEMPELSTOLZ.

Er wird ohne Zweifel die berühmtsten Theologen gehört haben, welche für das Beste der Kirche wieder den Einbruch der Philosophie streiten?

PETER.

Ja, die hab ich gehört, und sonst niemanden. Sie werden sie ohne mich wohl kennen, es wird also nicht nöthig seyn, daß ich ihnen erst ihre berühmte Nahmen nenne. Für sich. Ich weiß viel, ob ich sie kurze oder lange nennen soll.

MUFFEL.
O ja; die berühmten Leute kennen wir. Hat er auch ein Exegeticum gehört?
PETER
für sich.
Ob das auch ein berühmter Professor seyn mag? – – Ja, den hab ich sehr fleißig gehört.
MUFFEL.
Das Exegeticum meynt er doch?
PETER.
Ja, ja, das meyn ich.
MUFFEL
für sich.
Ich wollte ihn wohl draus examiniren, aber ich weiß selbst nicht mehr, was drein vorkommt.
TEMPELSTOLZ.
Haben sie auch die Polemick gehört?
PETER
für sich.
Das wird gewiß des Herrn Exegeticum seine Frau seyn. – – Ja, die hörte ich sehr gerne.
MUFFEL.
Hat er sich auch aufs Predigen gelegt?
PETER.
Ich bin blos des Predigers wegen auf der Universität gewesen.
[130]
TEMPELSTOLZ.
Hat er sich auch nach guten Mustern umgesehen, denen er es in seinen Predigten nachmachen kan?
PETER.

Ja, ich habe mich nach einem Inspecktor gerichtet, welcher lange im Amte gewesen, und den alle Leute sehr loben. Ich habe bemerk, daß ihn sein fetter Bauch auf der Kanzel überaus ansehnlich und ehrwürdig macht, daher hab ich in der Gewohnheit, meinen Bauch, wann ich predige, auch so weit vorzuliegen, als ich nur kan. Er hat eine feine liebliche Stimme, alle seine Zuhörer vergnügen sich daran; darum nehme ich eben solche feine Stimme auf der Kanzel an, damit ich lieblich predige. Es läst überaus galant, wenn er seinen weissen seidenen Schnupftuch auf der Kanzel neben sich liegen hat, darum leg ich meinen auch neben mir, ob er gleich nur von Baumwolle ist. Gegen das Ende der Predigt wird er allemahl heiser. Dis zieret aber die Stimme über die massen, darum bin ich auch am Ende allemahl heiser. Daß sein Weinen überaus erbaulich seyn muß, bezeugen alle alte Weiber mit ihren Thränen, darum weine ich auch eben so andächtig.

MUFFEL.

Das ist wahr, auf die Weise muß er überaus geschickt predigen. Was meint er, wollte er wohl die Pilgrimschaft mit einem guten Amte verwechseln?

[131]
PETER.
Wo mich der Himmel hin beruft, da geh ich hin, ohne zu murren.
MUFFEL.

Aber seh er auch zugleich meine Köchin recht an, gefiele sie ihm wohl? denn mit dem Bedinge wollt ich ihm eine fette Pfarre verschaffen, wenn er sie heyrathete.

PETER
macht Cathrinen Verbeugungen und sie ihm wieder.
Wenn mich der Himmel durch diesen Weg zur Pfarre verhelfen will, so kan ich nichts dawider sagen.
MUFFEL
zu Cathrine.
Seyd ihr mit ihm auch zufrieden, Cathrine?
CATHRINE.
O ja, ich bin mit allen wohlgewachsenen Mannspersonen zufrieden.
MUFFEL.

Gnädiger Herr; sie haben eben ietzt einen Prediger in ihrem Dorfe nöthig, mir dünkt, daß sie unter hunderten keinen bessern auslesen könnten.

HERR VON ROSENECK
für sich.

Du wirst dich sehr betrügen. – – – Ja, er mag sich vom Consistorio examiniren lassen; ich bin mit ihm zufrieden.

FRAU VON BIRKENHAYN.

Aber mein Herr Pastor, ich weiß nicht, ob ihre Köchin zu einer Predigerfrau auch gesittet ist. Warum soll denn der gute Mensch eben ihre Köchin heyrathen?

PETER
entdeckt sich.
Hier steht Peter, der kan ihnen die Ursachen davon am besten erklären.
MUFFEL.
Ey, du Galgenvogel! ich denke du bist ins Holz gefahren?
[132]
FRAU VON BIRKENHAYN.
Ey, das ist ihr Peter? ich habe niemals so genau angesehen, sonst hätt ihn wohl kennen müssen.
MUFFEL.

Glauben sie ihm ja nichts gnädige Frau, ich weiß schon, was er ihnen vorlügen will. Es ist aber die Wahrheit nicht.

FRAU VON BIRKENHAYN.
Ich muß aber doch hören, was er zu sagen hat. Was wißt ihr denn für Ursachen, Peter?
MUFFEL.

Was hab ich euch denn zuwieder gethan, allerliebster Peter, daß ihr mich so belügen wollt? belügt mich nicht, Peter; nur diesesmal nicht, ich will euch auch die 100. Rthlr. umsonst geben.

PETER.

Nun so weiß ich keine Ursache, wenn ihr mir die 100. Rthlr. versprecht. Aber gebt mir eure Hand darauf.

MUFFEL.

Ach! ich danke euch. Da habt ihr meine Hand, sagt ja nichts, ihr sollt das Geld heut Abend noch haben.

PETER.

Ich weiß keine Ursachen, Frau von Bikenhayn. Ich wollte sie nur erdichten. Aber das muß ich ihnen doch sagen was das für hundert Thaler sind, welche mir jetzt mein Herr für mein Stillschweigen geschenkt hat.

MUFFEL.
Peter! Peter!
PETER.

Wer meines Herrn Köchin heyrathet, der wird auch im ersten Jahre meines Herrn Kind wiegen müssen. Weil dis [133] aber eine saure Arbeit ist, so wollte er sie mir mit hundert Thalern bezahlen, wenn ich Cathrinen heyrathen wollte. – – –

CATHRINE
hält sich die Schürze vor die Augen.
Ach! ich muß mich zu Tode schämen, er plaudert alles aus. Läuft ab.
PETER.
Ich habe aber diese Arbeit dafür nicht über mich nehmen wollen.
FRAU VON BIRKENHAYN.

Da habt ihr recht dran gethan Himmel! wie habe ich mich betrügen lassen! nun gehen mir die Augen erst auf.

MUFFEL.
Einen Strick her! ich bin verlohren. Läuft ab.
HERR VON ROSENECK.

Nein, ich will sein Leben auch wieder seinen Willen retten. Ich will ihm zu seiner Beruhigung sagen, daß seine Schande verschwiegen, und er ungestöhrt im Amte bleiben soll. Geht ihm nach.

WILHELMINE.
Dieses großmüthige Verfahren hat er kaum verdienet.
FRAU VON BIRKENHAYN.

Nunmehro seh ich ein, meine Tochter, daß ich dir zu viel gethan habe, ich schäme mich fast, daß ich mich so hintergehen lassen.

TEMPELSTOLZ
für sich.

Das ist gut für mich, daß Peter geplaudert hat. – – – – Nun aber, gnädige Frau, werden sie mir ihr Jawort ohne Hinderniß halten können. Ich bin des verdrieslichen Nebenbuhlers los. – – –

13. Auftritt
[134] Dreyzehender Auftritt.
Brigitte kommt dazu.

BRIGITTE
läuft auf Tempelstolzen zu, und reißt ihn beym Arme von der Frau von Birkenhayn weg.

Betrüger! habt ihr so gar euer Versprechen vergessen, daß ihr, ohne an mich noch im geringsten zu gedenken, euch schon um eine andre Braut bewerbet?

TEMPELSTOLZ.
Weib! was wollt ihr, seyd ihr rasend? ich kenne euch nicht.
BRIGITTE.

Du kennst mich nicht, gewissenloser Betrüger? Hier bring ich dir den gerechten Ausspruch vom Consistorio, daß du mich bey Entsetzung deines Amtes heyrathen sollst.

TEMPELSTOLZ.
Nun! nun! sind sie es, Frau Conrecktorin? ja, ja wir wollen – – –
FRAU VON BIRKENHAYN.

Himmel! was lässest du mich für Bosheiten an Männern entdecken, die ich für die Stützen meines Glaubens abergläubisch verehret, und die mich dafür so undankbar betrogen haben? Komm, Wilhelmine, ich wiederstehe dir nicht länger, du solst dich sogleich mit dem Herrn Wahrmund verlobet sehen. Ich lerne nunmehro, daß ich auch die abscheulichsten Laster, wenn ich sie bey Menschen suchen kan, auch gewiß bey den Geistlichen finden werde.


Ende der dritten Handlung.

Notes
Anonymer Erstdruck: Frankfurt am Main und Leipzig (Michaelis-Messe), 1743.
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TextGrid Repository (2012). Krüger, Johann Christian. Die Geistlichen auf dem Lande. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B81D-E