Johann Christian Krüger
Die Candidaten
oder
Die Mittel zu einem Amte zu gelangen
Ein Lustspiel in fünf Handlungen

[2] Personen

    • Der Graf, ein Patron der Candidaten.

    • Die Gräfinn.

    • Valer, ein Fähndrich.

    • Chrysander, ein Licentiat.

    • Herrmann, des Grafen Secretarius.

    • Arnold, Hofmeister bey den Söhnen des Grafen.

    • Fräulein Christinchen, Chrysanders Braut.

    • Caroline, der Gräfinn Kammerjungfer.

    • Johann, des Fähndrichs Diener.

    • Valentin, des Grafen Lakay.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Herrmann. Caroline.

HERRMANN.

Nein, nichts entschuldiget sie, sie verrathen ihr Geschlecht zu sehr; sie sind eine falsche, eine Schmeichlerinn, mit einem Wort, ein Frauenzimmer.

CAROLINE.

Ja doch, ja doch! ich bin ein Frauenzimmer und muß es auch bleiben. Sie aber zu überführen mein weiser Herr Herrmann, wie es läst, wenn man ihnen in ihrer übertriebenen Liebe zur Wahrheit nachahmet, so will ich einmahl ohne zu schmeicheln sagen, daß sie nicht die Hochachtung eines Frauenzimmers verdienen, daß sie nicht zu leben wissen, daß sie ein eigensinniger, ein unerträglicher, mit einem Worte, daß sie vor lauter Vernunft und Tugend ein Narr sind. Gelt! so gefalle ich ihnen? man muß allezeit die Wahrheit sagen.

[3]
HERRMANN.

Ja. Es ist aber noch lange nicht ausgemacht, daß sie jetzt die Wahrheit gesagt haben; ich wenigstens werde es niemals dafür annehmen.

CAROLINE.

Das kan nicht fehlen, denn sie lieben sich selbst. Warum verdenken sie aber andern Leuten, daß sie sich lieben? können sie denn der ganzen Welt zumuthen, daß sie sich selbst so seind seyn, und wie unempfindliche Klötzer ihre unbescheidene Vorwürfe und Bitterkeiten anhören sollen?

HERRMANN.
Können mir aber die Leute zumuthen, daß ich etwas anders als die Wahrheit reden soll?
CAROLINE.

Nehmen es aber die Leute allezeit für ausgemachte Wahrheiten an, wenn man es ihnen mit einer richterlichen Mine in die Augen sagt, daß sie Thoren sind? überhaupt muß ich sie fragen, ob denn alle Gelehrte, alle Philosophen das die Wahrheit nennen, was sie dafür ausgeben?

HERRMANN.

Das versteht sich, daß ich mit den gründlichsten Gelehrten einen Begriff mit dem Worte Wahrheit verbinde.

CAROLINE.

Wenn das wahr ist, so verdienen sie und alle gründliche Gelehrte, daß ihre Schönen alle Zähne vermehren, wenn sie sie küssen wollen. Denn ihre Wahrheit, die sie sich einbilden, sieht so liebenswürdig aus, als eine sechzigjährige Jungfer; sie ist eine scheelsüchtige, welche immer über das Gute hinweg sieht, und nur die Flecken [4] und Mängel an den Leuten gewahr wird. Alle Leute, die nicht ihre Maximen haben, sind in ihren Augen häßlich, betrügerisch, abgeschmackt und lasterhaft. Die Wahrheit sagen, heist bey ihnen, den Leuten die Ehre rauben, und grob seyn. Weil sie nicht reich sind, so sind alle Reichen unglückselig, und weil sie kein gnädiger Herr sind, so verdient kein Mensch ein gnädiger Herr zu seyn. Kurz, sie sind – – –

HERRMANN.

Nein, sie wissen nicht, was ich bin. Ich bin zu aufrichtig, daß ich die Leute in ihrer Blindheit lassen sollte, und zu stolz, mir durch ihren Schaden ihre Gunst zu verdienen. Da ich sie nun, liebste Caroline, viel höher schätze, als mich selbst, da ich sie zärtlich und aufrichtig liebe, so wünschte ich, daß sie auch so edel seyn, und sich durch keine niederträchtige Schmeicheleyen die Gunst unsrer Herrschaft erkaufen möchten; ihr Geist ist so lebhaft, so witzig, und ihr Verstand so scharfsinnig, daß sie auch so groß zu seyn verdienen, als die weisesten Männer sind, die ihr Glück und ihre Wohlfahrt der Wahrheit aufopfern. War das nicht vorhin die strafbarste Unwahrheit, da sie unsrer gnädigen Frau, die in ihr Stufenjahr getreten ist, weiß machen wollten, sie hätte keine Runzeln in ihrem Gesichte, und sähe noch jünger aus, als sie? War das nicht eben so unverschämt, als wenn ich ihnen weiß machen wollte, ich hätte mein Tage noch kein schöner Frauenzimmer gesehen, als sie sind? ich verehre sie, liebste Caroline, ich bete sie an, aber [5] so blind macht mich die Liebe nicht, daß ich sie für die Venus halten sollte.

CAROLINE.

Das ist wahr, Herr Herrmann, sie wären ein vortreflicher Liebhaber für die eitlen Frauenzimmer, die sich auf die falschen Lobeserhebungen der flüchtigen Stutzer so viel zu gute thun. Bey ihnen wurden sie das unrechtmäßige Vergnügen über die Schmeicheleyen hart genug büssen. Sie haben mir jetzt ziemlich deutlich ins Gesicht gesagt, daß ich niederträchtig bin, weil ich meiner gnädigen Frau unschädliche Unwahrheiten sage, die ihr gefallen, die mir ihre Gunst erwerben, die mein Glück befördern, mir manches von ihren Kleidern anziehen, und mir manchen Ducaten von ihrem Spielgelde zufallen lassen. Aber ich halte es für keine Niederträchtigkeit, wenn man sich allemal seines Standes erinnert, und wenn man erlaubte Mittel anwendet, ihn zu verbessern. Ich diene. Dieses Schicksal zwinget mich dazu, mich nach den Thorheiten meiner Herrschaft zu bequemen, so lange diese Thorheiten meiner Ehre nicht schaden. Aber ihre unbändige, ihre übertriebene Liebe zur Wahrheit ist eine Widerspenstigkeit, ist ein Stolz, der viel niederträchtiger ist. Sie vergessen ihren Stand, sie vergessen, daß sie nichts haben, als Armuth und eine schädliche Klugheit, und daß der Graf ein unumschränkter Monarch über ihr Glück ist.

HERRMANN.

Genug; ich lerne sie kennen; gewiß das Herz eines Frauenzimmers ist eine unergründliche [6] Tiefe, ich schäme mich, ich ärgre mich über mich selbst, daß ich sie so sehr liebe, da sie so wenig edel, so wenig weise sind. Ich sehe nun, daß ihre Augen sich so sehr von dem Glanze des Reichthums verblenden lassen, daß sie Gelehrsamkeit, Tugend und Verdienste nichts dagegen achten. Meine Wissenschaften sind mein Reichthum, und die Tugend ist meine Glückseligkeit. Leute, die weiter nichts können, als das ihrige verschwenden, ihren Körper verzieren, und Spielwerke der Frauenzimmer abgeben, für die schickt es sich, niederträchtige Sclaven von der Gunst ihrer Patronen zu seyn. Meine Wissenschaften haben mich zuviel schlaflose Nächte gekostet, ich habe keine dem Bachus opfern können, wie dergleichen Taugenichte gethan haben.

CAROLINE.

Sie müssen freylich wenig in ihrem Leben geschlafen haben, denn sie reden immer so verdrießlich und so schwermüthig, wie ein Mensch, der nicht ausgeschlafen hat. Man muß seine Wissenschaften nicht immer im Munde führen; sind das Güter, darauf man pochen kan? Der Reichthum vermag alles in der Welt, und die Schönheit nach ihm das meiste, das sind bey nahe die beyden einzigen Dinge, auf deren Gewalt man sich Rechnung machen kan. Wissenschaften hingegen sind gemeiniglich nur dazu gut, daß man sich stellen muß, als besäße man keine, und die Wissenschaft zu rechter Zeit ein Thor zu seyn, ist noch die einträglichste unter allen. Wenn sie [7] mir also einen hinlänglichen Beweiß ihrer Liebe eben wollen, so üben sie heut diese Wissenschaft aus. Der Graf hat die Rathherrenstelle zu vergeben, zu welcher sich bereits einige Candidaten gemeldet haben. Wenn er sie zu seiner Ehre und zum Vortheile des gemeinen Wesens austheilen wollte, so wäre er zwar dieselbe ihren Verdienten und der Erkenntlichkeit für ihre ihm zehen Jahre geleistete grosse Dienste schuldig; allein sie wissen, daß man der Erkenntlichkeit bey Leuten von seinem Range wenig zu trauen kan; je mehr man sie zu derselben verpflichtet hat, je mehr ist man ihnen notwendig geworden, und je mehr diese Notwendigkeit zunimmt, je schwächer wird die Erkenntlichkeit. Sie kennen die Gefälligkeit des Grafen gegen seine Gemalinn; sie wissen, daß sie bereits mehr Aemter vergeben hat als er; suchen sie sich derohalben um ihre Gunst zu bewerben, sagen sie ihr einige Schmeicheleyen vor, speisen sie ihre Eitelkeit – – – –

HERRMANN.

Ich beschwöre sie, liebste Caroline, legen sie nur lieber eine zehenjährige Todesmarter zum Beweise meiner Liebe gegen sie auf, als dieses verächtliche Mittel zu einem Amte zu gelangen. Sie wissen, ich kan nicht schmeicheln, und wenn ich ja noch die geringste Fähigkeit darinn besitzen sollte, so könnte ich sie doch gegen Niemanden anwenden, als gegen sie. Mein eyfriger Wunsch von ihnen geliebt zu werden, wäre noch das einzige auf der Welt, was mich zu dieser Niederträchtigkeit verleiten könnte.

[8]
CAROLINE.

Sie können sich für sehr glücklich schätzen, daß ihre Liebe auf ein Frauenzimmer gerathen ist, die in ihrer Art dieselbe an den Tag Anlegen, ihre Aufrichtigkeit und Grösse erkennet, und dabey über die Unhöflichkeit hinsiehet, mit welcher ihre Ausdrücke verknüpft sind. Wenn es ihnen denn unmöglich ist, sich bey der gnädigen Frau einzuschmeicheln, so will ich es bey dem Graf zu ihrem besten thun. So alt er ist, so sehr ist er doch noch durch die Liebkosungen eines Frauenzimmers einzunehmen. Er hat mich bißhertheils selbst, theils durch den scheinheiligen Arnold den tückischen Vertrauten seiner Liebeshändel, verfolgt. Ich will mich stellen, als ob ich seinen verliebten Anfällen, welche er bisher unglücklich auf mich gewaget hat, nicht mehr so vielen Widerstand thun wollte, und als wenn ich – – –

HERRMANN.

Machen sie mich lieber durch ihren Haß und durch ihre Verachtung zum unglückseligsten Menschen unter der Sonnen, ehe sie sich und mich so weit erniedrigen; ich liebe sie so sehr, und mein Herz und meine Ehre sind beyde so empfindlich, daß mich auch nur die Hofnung, die sich eine andere Mannsperson, so weit er auch über meinen Stand erhaben ist, durch ihre Veranlassung auf die Eroberung ihrer Tugend machen könnte, in die gröste Raserey stürzen würde. Nein, viel lieber will ich noch ihrem ersten Rathe folgen, ich will dem Graf und seiner Gemalinn schmeicheln, ich will mir den empfindlichsten Zwang anthun, ich will ihnen die Zufriedenheit meines Gewissens aufopfern.

[9]
CAROLINE.

O Himmel! was für Gewalt hat die Zärtlichkeit über mein Herz! wie glücklich macht sie uns beyde, mein liebster Herrmann! ihre Eyfersucht, so ausschweifend sie auch ist, hat für mich Reitzungen und Vorzüge, die die wenigsten Frauenzimmer zu empfinden fähig sind, diese so heftige Leidenschaft ist den meisten von meinem Geschlechte verhast, weil sie es ihren Leidenschaften nicht zutrauen, eine so grosse Hochachtung zu verdienen. Ich gehorche ihnen, und verlange von ihnen nur die einzige Gefälligkeit dagegen; wenden sie ihr möglichstes an, dieses Amt zu erhalten, und räumen sie dadurch alle Hindernisse aus dem Wege, welche ihnen bisher den Besitz meiner Person noch unmöglich gemacht haben.

HERRMANN.

Himmel! das Vergnügen erschöpft mich ganz – – – o lassen sie meinem Herzen Zeit es vollends durchzuempfinden – – – vergieb es mir, o gütiges Schicksal, wenn ich mit deinen Absichten bisher nicht zufrieden gewesen bin, und mich für unglückseliger gehalten habe, als ich es zu seyn verdiene. Ich kan mich so vieles Glückes niemals werth machen. Du hast mich nicht allein mit dem grösten Geschenke auf der Welt, mit einem zärtlichen und empfindlichen Herzen begabet, du schenkest mir auch noch in der Zärtlichkeit eines liebenswürdigen Frauenzimmers die Vergeltung der meinigen. Ich bin von meiner Freude durchdrungen, welche mich ganz ausgeräumt, ganz mit mir zufrieden gemacht hat; Nun will ich zu dem Graf eilen, ich glaube, [10] daß mir bey einer solchen Gemütsverfassung die Schmeicheleyen nicht allein zumessen, sondern auch das Herz meines Herrn zu gewinnen, mächtig genug seyn werden.

2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
CAROLINE
allein.

Um wie viel dauerhafter, wie viel stärker ist doch die Zärtlichkeit zwischen zweyen Herzen, welche die Tugend lieben, als zwischen solchen buhlerhaften Gemüthern, welche sich durch flüchtige Schmeicheleyen einander um ihre Liebe zu betrügen suchen! Die Hochachtung bleibt doch allemal das festeste Band zwischen zweyen Seelen; und durch wie viel edle Regungen, durch wie viel Verdienste hat sich nicht mein Herrmann der meinigen auf ewig zu versichern gewust! ich kan mir niemals ohne die heftigste Freude seinen Werth auslegen, in der Betrachtung seiner Vorzüge bringe ich den vergnügtesten Theil meines Lebens zu, und ich kan mit nichts meiner Eitelkeit mehr schmeicheln, als wenn mir der süsse Gedanke einfällt, daß ich ein so verdienstvolles Herz meine zu machen gewust habe. Ja, ich kan es meinen wenigen Reitzungen nicht genug verdanken, daß sie erst die Augen meines liebenswürdigen Herrmanns auf sich gezogen und ihn dadurch gereitzt haben, durch seinen weisen Umgang dasjenige in meiner Erziehung zu ersetzen, was durch das Unglück [11] meiner Familie sehr mangelhaft geblieben war. O wenn ich daran gedenke, wie viel Erkenntlichkeit befestiget meine Hochachtung gegen ihn! allein durch was für verdrießliche Gespräche würde der tückische Arnold meine vergnügende Vorstellungen vertreiben, ich will ihm aus dem Wege gehen.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Arnold. Caroline.

ARNOLD.

Fliehe sie doch nicht vor mir, Jungfer Caroline; ich muß doch sehr abscheulich seyn, daß sie meine Gegenwart allezeit so ängstlich vermeidet.

CAROLINE.
Es ist gut, daß mich ihr Gewissen der Mühe überhebt, ihnen meine Meinung zu sagen.Sie will gehen.
ARNOLD.

Höre sie mich wenigstens nur einen Augenblick an, ich habe ihr ein wichtiges Geheimniß zu entdecken, welches die Glückseligkeit ihres ganzen Lebens betrift.

CAROLINE.
Was für geheime Nachrichten gönnten sie wohl von meiner Glückseligkeit haben? lassen sie doch hören.
ARNOLD.

Fürs erste verbindet mich mein Gewissen sie vor dem Herrmann zu warnen. Es ist keine schädlichere Hindernis ihrer Seligkeit als sein Umgang. Der Mensch hegt so viel unchristliche Meinungen, und hat so wenig Religion, [12] und ihre junge Seele ist noch lange nicht gesetzt genug seiner Verführung zu widerstehen – – –

CAROLINE.

Ohne meine junge Seele erst zu vertheidigen, muß ich sie doch fragen, was denn das für unchristliche Meinungen sind, welche Herrmann hegt, und wodurch sie beweisen wollen, daß er ein Mensch ist, der keine Religion hat?

ARNOLD.

Ach! sie glaubt nicht, wie gut ich es mit ihm meine und wie aufrichtig ich ihn liebe. Die Freundschaft, die ich für ihn habe – – –

CAROLINE.
Macht, daß sie ihn für einen Menschen ohne Religion ausschreyen?
ARNOLD.

Ach nein! sondern daß ich sein verruchtes Herz und die Irrwege beweine, auf welchen er gerathen ist; bedenke sie einmal, der Bösewicht Er weinet. hielt sich gestern über mein Morgenlied, welches mein Leibgesang ist, auf, und sagte, es sey nicht ein einziger vernünftiger Gedanke darinn.

CAROLINE.

Weil es ihr Leibgesang gewesen ist, so verlaß ich mich nun so viel mehr auf Herrmanns Urtheil; aber beweiset denn dies – – –

ARNOLD.

Hören sie nur weiter; er war so verwegen zu behaupten, die Gesangbücher wären nicht Gottes Wort; ja, da ich ihn dieser Freyheit wegen dem Teufel übergab, der aus ihm redte, fing er überlaut an zu lachen, und gab mir zur Antwort, vor meinem Teufel fürchte er sich nicht. Bedenke sie nun, ob sie sich nicht vor einem Menschen hüten müsse, und ob es nicht [13] gefährlich sey einen Ungläubigen zu heyrathen, der so verwegen ist den Teufel auszulachen.

CAROLINE.
Sind das die Geheimnisse alle, welche sie mir zu meinen Besten zu entdecken hatten?
ARNOLD.

Nein, das wichtigste und zugleich das vorteilhafteste für sie ist dieses, ob ich gleich niemals mein Christentum so weit vergessen, und meinen Begierden so viel Herrschaft über mich einräumen werde, daß ich ein Frauenzimmer lieben sollte, so muß ich ihr doch gestehen daß ich einen Beruf seit einiger Zeit bey mir empfinde, sie zu heyrathen.

CAROLINE.

Ich kan es nicht läugnen, sie setzen mich in Erstaunen, sie wollen mich heyrathen, ohne mich zu lieben?

ARNOLD.

Freylich, denn die Liebe gehört nur für den unwiedergebohrnen Menschen; weil ich aber weiß, daß ein Frauenzimmer gern geliebt seyn mag, so will ich ihr nur entdecken, daß der Graf sie an meiner Stelle lieben will, und wenn sie seine Liebe günstig aufnimmt, so will mich ihr der Graf zum Manne geben, und mich mit der einträglichen Pfarre versorgen, welche auf einem von des Grafen Gütern vacant ist. Sie versteht mich doch wohl?

CAROLINE.

O ja; ich weiß mich aber noch nicht zu entschliessen, ob ich über ihren Antrag lachen, oder böse werden soll.

ARNOLD.

Ich weiß zwar wohl, daß sie bißher immer gegen die Liebkosungen des Grafen [14] widerspenstig gewesen ist. Allein ich habe diesen Widerstand mehr ihrer Klugheit und Behutsamkeit zugeschrieben, als ihrer Tugend, weil ich weiß, daß ein unwiedergebohrnes Frauenzimmer den Versuchungen so nicht widerstehen kan, als sie gethan hat. Ich merke wohl daß sie befürchtet hat durch den Umgang mit dem Grafen einen Schandfleck zu bekommen, der ihnen das Glück auf Zeit Lebens rauben könnte einen Mann zu erhalten. Dieser Furcht sind sie nun gänzlich durch mein Anerbieten überhoben. Ueberlassen sie sich nur ganz dreiste den Liebkosungen des Grafs, es mag auch daraus entstehen, was nur immer will, so schwör ich ihnen auf meinen Knien, keine andre zu heyrathen als sie.

CAROLINE.

So sehr auch dieser verwegene Antrag meine Ehre beleidigen könnte, so fällt doch aller Schimpf davon auf ihn selbst zurück. Betrüger, er ist nicht einmal wehrt, daß ich ihm die Verachtung und den Abscheu zu erkennen gebe, welchen mein Herz für ihn heget. Sie will gehen.

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Herrmann. Arnold. Caroline

HERRMANN.

Sie sehen mich, liebste Caroline, als den zufriedensten Sterblichen von dem Grafen zurück kommen; er hat mir meinen Wunsch zu erhören heilig und fest versprochen, ich soll allen Candidaten [15] vorgezogen werden; und die versprochene Rathherrenstelle ist es nicht so wohl, welche die lebhafteste Freude in meinem Herzen rege macht, als das für mich unschätzbare Glück, daß mir nun mehr nach ihrem süssen Geständnisse alle Hindernisse aus dem Wege geräumt sind, welche mir bisher den Besitz meiner grösten Glückseligkeit in ihrer Person unmöglich gemacht haben.

CAROLINE.

Liebster Herrmann, meine Freude würde vollkommen seyn, wenn nicht dieser niederträchtige durch den strafbarsten Antrag meinem Herzen auf eine zeitlang gleichsam alle Empfindlichkeit des Vergnügens geraubt hätte. Doch, was für neue Ueberzeugungen von ihrer Gewalt über mich, empfindet mein Herz! Ja, ihr Anblick allein ist vermögend allen Verdruß aus meiner Seele zu verbannen, und der heftigsten Freude über unser beyder Glück, Platz zu machen. Nehmen sie mit diesem keuschen Zeichen meiner Neigung gegen sie, die brünstige Versicherung an, daß ich Zeit Lebens die ihrige seyn werde. Sie küsset ihn, und fährt fort zum Arnold zu sagen. Sie aber können hieraus zu ihrer Beschämung lernen, daß ich weit sicherer zu gehen gedenke, wenn ich einen Menschen heyrathe, der mich liebt, als einen solchen Betrüger, der Trotz seiner Ehrfurcht vor dem Teufel, dennoch die Verwegenheit hat mich nur darum zu heyrathen, damit er mich an seinen niederträchtigen Patron für ein heiliges Amt verkuppeln könne.

5. Auftritt
[16] Fünfter Auftritt.
Herrmann. Arnold.

HERRMANN.

Meine Freude über mein Glück ist zu lebhaft, als daß ich mich itzt über die Beleydigung ereyfern sollte, welche mich durch ihren unverschämten Antrag an meine Braut berühret. Ich bin anitzt mehr zum Mitleiden als zum Verdruß geneigt, und dasselbe verdienet auch das Unrecht, das sie sich selbst erweisen. Sie müssen nicht den geringsten Ehrgeitz besitzen, ja ich kan an eine solche Niederträchtigkeit nicht ohne Abscheu gedenken.

ARNOLD.

Ja! so redet der fleischliche Mensch. Wissen sie nicht daß der Ehrgeitz das allerschändlichste Laster ist, welches die ganze Welt unglücklich gemacht hat? die Demuth ist der gröste Antheil meines Herzens; die abscheulichste. Lehre der Weltmenschen ist diese, daß sie nach Ehre streben.

HERRMANN.

Das ist wahr, nach ihrer Moral kan man sich viel gutes von ihnen versprechen, und ich bin versichert, sie würden nicht erröthen mich und wohl eine Legion Menschen umzubringen, wenn ihnen nur jemand dafür eine Dorfpfarre anböte. Doch ich will nicht weiter in ihr Herz sehen, die Haut möchte mir nur zu schaudern anfangen, wenn ich weiter gienge, ich will sie nur nach den allgemeinen Wahrheiten richten, die sie zum wenigsten selbst anzunehmen scheinen. Schämen sie sich denn nicht ein Handlanger der [17] Laster des Grafs zu seyn, daß sie ihm behülflich seyn wollen, eine tugendhafte Person seinen viehischen Begierden aufzuopfern? einem Manne dem es seines Alters wegen schon höchst unanständig ist, und dem es selbst die Verbindung mit seiner Frau verbietet. – – –

ARNOLD.

Ach! das sind Sachen, die einem solchen unerleuchteten Menschen wie sie sind, allerdings Geheimnisse scheinen müssen. Ich thue dies nicht so wohl den Lastern des Grafs behülflich zu seyn, als vielmehr mein Fleisch und Blut zu kreutzigen, und für meine Jugendsünden zu büssen. Ich muß es bekennen, ich bin auf Universitäten ein solcher Verführer der jungen Mädgens und der verehelichten Personen gewesen, daß ich mir itzt ein Gewissen daraus machen müste, eine Person zu heyrathen, die noch von andern unverführet geblieben wäre, ja ich will die Sünden, die ich an manchen braven Ehemännern verübet habe, dadurch büssen, daß ich mir dasjenige itzt wiederfahren lasse, was ich an ihnen ehemals gethan habe.

HERRMANN
lachend.

Das ist wahr. Sie sind gewissenhafter als ein ehrlicher Mann von ihnen fordern wird. Ich sehe aber dem allen ohngeachtet ihre Hauptursachen besser ein, als sie denken; und ihre nicht einmal gleissende, sondern zu augenscheinlich betrügende Moral verblendet mir die Augen nicht. Ihre liederliche Lebensart, und die daher erwachsene Unwissenheit hat sie zu der Nothwendigkeit gebracht, diese Sittenlehre [18] ihrem Patron zu gefallen, mit Widerstrebung ihres eigenen Herzens, anzunehmen, sie sind nun gezwungen ihr Glück mit ihrer Ehre zu erkaufen, und da sie nicht Verdienste genug besitzen in ein Amt zu gelangen, müssen sie zu den Lastern ihre Zuflucht nehmen. Ohne ihnen eben meinen Rath aufzudringen, so würden sie doch viel besser thun, wenn sie, da sie ihre Untüchtigkeit zu einem Amte selbst heimlich fühlen werden, an statt ihre Fehler durch solche Niederträchtigkeit noch zu vermehren und noch andre unschuldige Leute dereinst durch ihre verführerische Meinungen mit ihnen unglücklich zu machen, eine Lebensart erwählten, die von jeher die Strafe für die Jugendsünden gewesen ist. Ziehn sie in den Krieg und befreien sie zum wenigsten durch einen nützlichen Tod die Erde von einer unbrauchbaren ja gar schädlichen Last in ihrer Person; zum wenigsten hören sie auf, sich um ein Amt zu bewerben; wenn ich noch etwas bey unserm Herrn gelte, so sollen alle ihre Bemühungen um so viel ohnmächtiger seyn, je mehr Laster und Niederträchtigkeit sie sie kosten werden.

6. Auftritt
Sechster Auftritt.
ARNOLD
allein.

Ach Himmel! wie erschrecklich nimmt doch die Boßheit und der Hochmuth der Menschen von Tage zu Tage zu! und wem ist diesem alles zu verdanken? gewiß Niemanden als dem bösen Feinde, welcher seit einiger Zeit her die Leute mit [19] einer verderblichen Liebe zu den Wissenschaften und vor andern zu der Philosophie ganz und gar besessen hält? denn seit einigen Jahren will man durchaus Gelehrsamkeit von einem haben, wenn man sein ehrliches Auskommen sucht. Wie viel leichter war es zu meines Vaters Zeiten! wie wenig brauchte man da zu wissen, als die Welt noch nicht so klug, aber noch frömmer war! Mein Vater seliger hat mir meine ganze Kinderjahre hindurch von seinen lustigen Universitätsstreichen zu erzählen gewust, und hat doch, so wenig er auch gelernet hatte, eine einträgliche Pfarre ohne Widerspruch erhalten und biß in sein graues Alter in Ruhe besessen. Ich machte mir eine Ehre daraus in seine Fußstapfen zu treten, damit ich einmal eben so viel Histörgens auf meine Rechnung hätte, die ich meinen Kindern von meiner Jugend erzählen könnte; allein, mir sollt es fast nicht so gut damit glücken, als ihm. Man verhöhnt mich jetzt überall meiner Unwissenheit wegen, und ausser meinem Patron ist fast kein einziger Mensch, dem ich nicht ein Abscheu wäre. Doch, wenn mir das Glück nur diesen erhält, so lach ich der übrigen alle; ja, Herrmann soll meine Rache empfinden, und ich will ihn noch lehren, daß seine ganze Gelehrsamkeit und alle seine grosse Dienste, die er meinen Herrn leistet, gegen meine kleine, und wie er sie nennt, niederträchtige Dienste, viel zu ohnmächtig sind. Was Carolinen, die hochmütige, betrift, so hat sie meinen nätürlichen Haß gegen sie durch diesen [20] Streich nur vermehret. Ich wollte sie aus keiner andern Ursache heyrathen, als sie unglücklich machen zu können. Itzt aber will ich mich noch besser an ihr rächen, ich will sie durch alle erdenkliche Ränke in die Fallstricke des Grafen leiten, und sie soll mit ihrer Ehre alsdann zugleich die Hofnung verliehren, durch eine Heyrath mit mir wieder ehrlich zu werden.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Der Graf. Arnold. Valentin.

DER GRAF
prügelt den Valentin.

Ich will euch Bährenhäuter lehren mit meinen Kindern ohne mein Wissen auszubeuten. Habe ich nicht allen im Hause verboten den Schimmel aus dem Stalle zu ziehen?

VALENTIN.

Ihro Excellenz, ich bin nicht Schuld daran, der Herr Hofmeister befahl mir, daß ich den Schimmel für den jungen Graf satteln sollte.

DER GRAF.

Und das ohne mein Wissen? Wird den Arnold gewahr. Ha! ist er hier? was untersteht er sich? heist das aus meine Kinder Aufsicht haben? meint er, daß ich ihm die 30 Rthlr. des Jahrs umsonst geben will? einem Ignoranten der ohne dies nicht einmal taugt meine Kinder Latein lesen zu lehren.

ARNOLD.

Ihro Excellenz thun in Wahrheit ihrem treuen Diener das gröste Unrecht, ich habe [21] es gar nicht einmal gewust, daß der junge Herr ausgeritten ist.

DER GRAF.
Um so viel schlimmer! was hat er denn anders zu thun; als – – –
ARNOLD.
Ich habe ja in Ihro Excellenz eigenen Angelegenheiten zu arbeiten gehabt.
DER GRAF.
Ja, es ist wahr Laßt uns allein Valentin.

Valentin geht ab, und höhnt den Hofmeister heimlich aus.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Der Graf. Arnold.

DER GRAF.

Vergeß er nur meine Uebereilung, er weiß, wie viel ich von dem Schimmel halte, und daß ich nicht leiden kan, daß ihn mein Sohn reutet, weil er etwas wild ist. Aber wie weit ist er bey Carolinen gekommen?

ARNOLD.

Ihro Excellenz, wir müssen die Sache ganz anders anfangen; sie ist in den Herrmann so rasend verliebt, daß sie alle andere Vortheile ausschlägt, und Ihro Excellenz haben beyde dadurch noch viel stolzer gemacht, daß sie dem Herrmann die Rathsherrenstelle so gewiß versprochen haben. Hierinn haben Ihro Excellenz einen grausamen Fehler zum Nachtheil ihrer Liebe begangen; denn nun glaubt Caroline ihres Beystandes gar nicht mehr nöthig zu haben, und der über die Rathsherrnstelle triumphirende Herrmann ist ihr Abgott, welcher – – –

[22]
DER GRAF.

Es ist mir lieb, daß ich es weiß. Herrmann und Caroline sollen empfinden, daß ich ein Mann bin, der zwar die Gnade hat viel zu versprechen, aber auch die Gewalt besitzt wenig zu erfüllen.

ARNOLD.

Ihro Excellenz glauben nicht, was Herrmann für ein boßhaftes Gemüth gegen dieselben besitzt. Er hat so wenig Hochachtung gegen ihren Stand und gegen die von ihnen genossene Wohlthaten, daß er nicht erröthet, sich öffentlich zu berühmen, er habe Ihro Excellenz Willen ganz und gar in seiner Gewalt, ja er war vorhin so verwegen, zu behaupten, daß, wenn dieselben mir gleich eine Pfarre geben wollten, es doch noch allzeit bey ihm stünde, ob ich sie erhalten würde, oder nicht.

DER GRAF.

Es ist freylich wahr, ich habe ihm viel Gewalt über mich einräumen müssen, weil ich ihn in keiner Sache entbehren kan, aber ich werde mich schon davon loß zu machen wissen, und er darf gar nicht zweifeln, Herr Arnold, daß ich ihn nicht gut belohnen sollte, wenn er mir nur zu meinem Vorsatz mit seiner Geschicklichkeit recht behülflich ist.

ARNOLD.

Ja, Ihro Excellenz können sich auf meinen Eyfer verlassen. Ich kan es nicht leugnen, ich trage von Natur einen Haß gegen Carolinen. Allein mich ihrer Gewogenheit würdig zu machen, und das Amt zu erhalten, will ich dem ohngeachtet die Heyrath mit ihr wagen. Man erhält bey dem allen auch jederzeit mehr [23] Vorteile über eine Frau, je weniger man sie liebt. Ich habe noch einen Streich im Kopfe, derselbe ist sehr fein, und ich traue mir zu, durch ihn die duch die stärkste Liebe verbundenste Seelen zu trennen. Wenn ich nur erst Carolinens ja habe, mich zu heyrathen, so sind Ihro Excellenz auch glücklich. Sie sehen daraus wie treu ich ihnen diene; denn ich sehe schon zum voraus, wenn ich Carolinen heyrathe, und mit ihr die Pfarre auf Ihro Excellenz Gütern bekomme, ich an ihnen einen öftern aber auch gefährlichen Gast haben werde. Doch, ich werde mir eine Ehre daraus machen; wenn nur Ihro Excellenz allemahl die Kutsche voll guten Wein mitbringen, wenn sie mich besuchen, so wollen wir uns schon mit einander vertragen.

DER GRAF
schüttelt den Arnolden vor Freude bey dem einen Ohr.

Vortreflich, du wirst ein Priester für mich seyn, ich seh es schon; aber sieh nur erst zu, daß du Carolinen zur Frau bekömmst, sonst ist unsre ganze Freude vergebens.

ARNOLD.
Ich will gleich gehen und Anstalten zu meinem Vorhaben machen.
DER GRAF.

Noch eins! als ich ihn vorhin in meiner Söhne ihren Zimmer suchte, sah ich, daß der jüngste in einem Poeten las; ich glaube das Buch hieß Beyträge zum Verstande des Witzes. Ich will durchaus nicht haben, daß sich meine Kinder mit solchen Schulfüchsereyen abgeben sollen; geb er doch ein wenig acht darauf, daß sie lieber dafür einen guten Roman von Menantes [24] oder Celandern in die Hände nehmen, woraus sie lernen können, wie sie mit den Damen umgehen müssen, damit sie nicht einmal mit Schanden bestehen, wenn sie in die grosse Welt kommen.

ARNOLD.

Ach! Ihro Excellenz, kein andrer, als der überkluge Herrmann wird den jungen Grafen das Buch zu lesen verführt haben, denn ich habe bemerkt, daß es sein Leibbuch ist. Er schalt neulich so gar mich und alle die so an den Beyträgen keinen Geschmack finden könnten, für ungehirnte Köpfe. Ich will gleich gehen und das verdammte Buch von meinem Zimmer werfen.

DER GRAF.

Vergeß er aber darüber nicht, für das Glück meiner Liebe alle Kräfte seiner Schelmerey zusammen zunehmen.


Ende der ersten Handlung.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Die Gräfinn. Caroline.

DIE GRÄFINN.

Ha! ha! ha! was ihr mir sagt! so ist mein alter Thor von Gemal verliebt in euch? und ihr habt ihm den Korb gegeben? wahrhaftig, der Spaß ist allerliebst für mich. Ha! ha! ha! [25] ihr habt mir eine vortrefliche Rache dadurch verschaft.

CAROLINE.

Ihro Excellenz verzeihen mir, ich kan nicht begreifen, wie ich sie dadurch habe rächen können, denn ich bin es an ihnen nicht gewohnt, daß sie sich von ihres Herrn Gemals Ausschweifungen beleidiget halten, und ich weiß mich noch zu erinnern, daß sie sich über meine Blödigkeit beschwert haben, wenn ich ihm sorgfaltig ausgewichen bin.

DIE GRÄFINN.

Wegen seiner Ausschweifungen habt ihr mich auch nicht gerächt; für die weiß ich mir selbst Gnugthuung zu verschaffen. Seine Eitelkeit ist durch eure Verachtung bestraft worden. Der lächerliche Mann steht in dem Vorurtheile, daß er noch Liebe erwecken könne, und er will nicht erkennen, daß er gar nichts liebenswürdiges mehr besitzt, weil ich ihn nicht mehr leiden kan. Ihr glaubt nicht Caroline, wie beschwerlich es ist, mit einem Manne zu leben, der nicht mehr reitzen kan; und wie viel weniger muß er mir gefallen, da er andern nicht mehr gefällt? Ach! Caroline, wenn man doch ein Gesetz hätte, daß man alle Ehemänner die nicht mehr gefallen, in ein Kloster sperrte, damit sie nicht die Augen der Frauenzimmer beschwehren müßten!

CAROLINE
boßhaft.

Aber, Ihro Excellenz, wenn man nun die alten Damen zu gleicher Verschliessung ihrer aus der Mode gekommenen Gesichter verdammte?

[26]
DIE GRÄFINN.
Nun gut! was wär es mehr? ich würde wenigstens nicht davor bange seyn dürfen.
CAROLINE
boßhaft.

Itzt freylich noch nicht, denn ob ihnen gleich ihre Reitzungen schon sehr viel Dienste gethan haben, so sind sie doch noch in dem Stande ihnen noch viel länger welche zu leisten. Aber die Zeit und der lange Gebrauch könnten sie doch vielleicht endlich einmal unbrauchbar machen, und – – – –

DIE GRÄFINN.

Ich glaube, ihr träumt; meine Reitzungen sollten einmal vergehen? bewahre mich der Himmel dieses zu glauben!

CAROLINE.

Ihro Excellenz können aber nicht läugnen daß andern Damen dieses Unglück schon begegnet ist; ich glaube nicht, daß dieselben die funfzigjährige Baronessinn Melisse für jung und reitzend halten werden.

DIE GRÄFINN.

Davor werd ich mich wohl hüten, ob sich gleich diese Närrinn noch schmeichelt, die Augen der Männer durch ihre prächtige Kleider zu bezaubern. Aber es ist ein Unterschied wischen der Baronessinn und mir; es giebt gewisse Leute, die wider ihren Willen veraltern, es giebt aber auch welche, denen keine Jahre das bezaubernde Wesen rauben können, mit welchen sie die Natur vor andern privilegirt zu haben scheint. Die funfzigjährige Melisse ist eben so alt noch nicht, denn ich weiß mich noch zu besinnen, daß wir in unsrer Jugend gleiche Jahre mit einander hatten, aber o Himmel! wie sind ihre Reitzungen gegen die meinigen verschwunden! [27] ich bin eben nicht eitel, aber es fehlt meinen Reitzungen noch nicht an Lobrednern, und so lang eine Dame mit den selben versorgtest, so lange bleibt sie immer jung. Gewiß! der alte Obriste von Dornfeld bat mich vorgestern durch seine Unverschämtheit über die maassen ereyfert; er wollte sich unterstehen, mit mir verliebt zu thun, und hielt sich aus dem Grunde dazu berechtiget, weil er mit mir im gleichen Alter wäre, allein ich habe ihn meinen Zorn auch empfinden lassen. Ich habe ihn in der ganzen Gesellschaft lächerlich gemacht. Ich warte nur mit Schmerzen darauf, daß sich einige junge Candidaten zu der Rathsherrnstelle melden, die mein Mann zu vergeben hat, es werden gewiß einige darunter seyn, welche mir durch ihre Lobeserhebungen von der mir nachtheiligen Eitelkeit des Obristen schadlos halten werden. Was meint ihr Caroline? habt ihr heut viel Vertrauen zu meinen Gesichtszügen?

CAROLINE.

Allerdings Ihro Excellenz; vornehmlich zu dieser grossen Musche hier; ach wie grausam wird sie in den Herzen der jungen Herren tyrannisiren! und wie viel Seufzer wird dieses halbe Mondgen die guten Candidaten kosten!

DIE GRÄFINN.

Ich weiß nicht, woran es liegt daß sich noch keiner meldet. Diese Rathsherrnstelle ist doch eben keine geringe Bedienung, und ich bin heut recht dazu aufgelegt, meine Großmuth an einem jungen Juristen auszuüben, und ihn mit derselben glücklich zu machen.

2. Auftritt
[28] Zweiter Auftritt.
Die Gräfinn. Caroline. Valentin.

DIE GRÄFINN.

Nun, Valentin, werdet ihr mir eine gute Nachricht bringen? lassen sich keine Candidaten sehen? habt ihr keinen angetroffen, der meinen Beystand nöthig hätte?

VALENTIN.

Gewiß, Ihro Excellenz; das Glück ist uns noch niemals so günstig gewesen, als heute. Es ist ein allerliebster junger Candidat draussen mit Namen Valer, und was das wunderbarste ist, so habe ich ihm nicht einmal erst den Rath geben dürfen, daß er um Ihro Excellenz Gewogenheit sich bewerben sollte, er bezeigte gleich beym Eintritt die eyfrigste Begierde, Ihro Excellenz vorgestellt zu werden, und bat mich um die Gefälligkeit ihm diese Gnade zu verschaffen, so sehnsuchtsvoll, so verbindlich, daß es ihm auch ein Stein nicht hätte abschlagen können. Was aber das beweglichste bey dem allen war, ist dieses, daß er mir einen Ducaten in die Hände drückte und gleichsam zu sagen schien: Ach! wenn ich doch so gnädig in dem Zimmer der Gräfinn aufgenommen würde, als dieser Ducaten in der Hand des Valentins!

DIE GRÄFINN.
Es ist gut! führt ihn in mein Cabinet, ich werde euch gleich folgen.
3. Auftritt
[29] Dritter Auftritt.
Die Gräfinn. Caroline.

CAROLINE.

Allein ich befürchte, Ihro Excellenz werden diesesmal die Rathsherrnstelle nicht mehr in ihrer Gewalt haben. Der Herr Graf hat sie schon dem Herrmann ganz gewiß versprochen, und – – –

DIE GRÄFINN.

Ey was! was mein Gemal verspricht, und ich nicht bestätige, das ist noch nicht unumstößlich. Wenn dieser Valer meiner Gewogenheit würdig ist, so ist für Herrmann nichts zu hoffen, und wenn er auch das Jawort von 20 Grafen hätte. Ich bin meines Gemals Frau, den Rang werde ich zu behaupten wissen.

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Herrmann. Caroline.

CAROLINE.

Ach! liebster Herrmann, es erhebet sich unvermuthet ein Sturm, welcher das ganze Versprechen, so ihnen der Graf gethan hat, über den Haufen werfen kan. Eben hat sich ein junger Candidat zu der Rathsherrnstelle bey der Gräfinn melden lassen. Sie hat ihnen bereits gedrohet, und ihre Gewalt und Ungewogenheit gegen sie erschrecken mich. Ich will inzwischen gehen und Achtung geben, was ihres Mitwerbers Aufwartung für einen Ausgang gewinnen wird.

5. Auftritt
[30] Fünfter Auftritt.
HERRMANN
alleine.

Es ist wahr, diese Nachricht verdienet Aufmerksamkeit, und sie sollte mich vor allen erschrecken; Allein, ich weiß nicht, wie es kömmt, ich fühle nicht, daß mein Herz darüber sonderlich unruhig wird. Was noch mehr ist, so habe ich den Licentiaten Chrysander eben in das Haus treten sehen, den seine Unwissenheit und seine lächerliche Aufführung in der ganzen Stadt zum Mährgen gemacht haben. Was sollte er hier anders suchen als die Rathsherrenstelle? er ist sehr reich, und mit Unwissenheit und Reichthum ist gemeiniglich der Ehrgeitz verknüpft ein Amt zu bedienen, um einen Titel zu haben. Wie? wenn er würklich mein Nebenbuler wäre? nach den Maximen des Grafs würde er mir ohnfehlbar überlegen seyn. In der That, er kömmt zu mir. Ich habe nicht einmal Lust, mich mit ihm in eine Unterredung einzulassen.

6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Herrmann. Chrysander.

CHRYSANDER.
Ihr gehorsamer Diener, mein Herr Herrmann.
HERRMANN.
Ihr Diener! Er will weggehen.
CHRYSANDER.

Verziehen sie doch einen Augenblick, [31] und gönnen sie mir die Ehre ihrer Unterredung. Ich bin entschlossen die Ratsherrnstelle anzunehmen, welche der Herr Graf zu vergeben hat, denn ich habe gehöret, daß sie jährlich biß an die 600 Rthlr. eintragen soll. Nun kan ich zwar von meinen Renten, welche sich an die 1200 Rthlr. jährlich belaufen, ein ziemlich bequemes Leben führen, meine Braut aber, welche mit dem Titul Frau Licentiatinn nicht zu frieden ist. (Die Titelsücht ist ja einmal der Fehler des weiblichen Geschlechts) hat mich so lange geplagt, daß ich ihr zu Gefallen schon einmal in einen sauren Apfel beissen und eine Bedienung annehmen muß, ich kan ja auch von den 600 Rthlr. des Jahrs zwey Pferde mehr halten, wenn ich es recht bedenke. Was rathen sie mir hierinn Herr Herrmann.

HERRMANN.

Was ich ihnen rathe? liegt es denn blos an meinem Rathe, und an ihrem Willen, ob sie diese Bedienung erhalten werden, oder nicht?

CHRYSANDER.

Es ist wahr, ich habe zwar schon ein paar hübsche Kutschpferde; das eine hat mir 60 Rthlr. gekostet, und das andre, das dickmäulige – – – haben sie es noch nicht gesehen? es ist ein allerliebstes Thier.

HERRMANN.
Nein, ich habe nicht die Ehre es zu kennen, aber ich – – –
CHRYSANDER.

Besuchen sie mich doch, ich bitte sie; es ist eine Schande, daß sie meine Pferde noch nicht gesehen haben. Aber wieder auf unsre [32] vorige Reden zu kommen; für das dickmäulige, es ist ein Rappe, habe ich 72 Rthlr. nein, ich glaube, es waren 74 Rthlr. nein, halt! ich habe doch nur 72 Rthlr. ja – – wo mir aber recht ist – – –

HERRMANN.

Bemühen sie ihr Gedächtnis meinetwegen nicht; es liegt meine Wohlfahrt nicht daran, ob sie 72 oder 74 Rthlr. dafür gegeben haben.

CHRYSANDER.

Wie man doch eine Sache so leicht vergeben kann! ich bin zwar mit den übrigen Talenten, die mir der Himmel gegeben hat, sehr wohl zu frieden; er hat mir reiche Eltern verliehen, ich kan vortreflich schlafen, das Essen schmeckt mir ungemein, und ich habe den Fehler nicht, daß ich mich über eine Sache leicht ärgere, aber ein besser Gedächtnis mögte ich mir noch von den lieben GOtt ausbitten.

HERRMANN.

Nun, so mögte ich ihre Seele einmal sehen. Von Witz und Urteilskraft lassen sie nicht ein Quentgen in ihren Reden spühren, und über ihr Gedächtnis klagen sie selbst. Die Liebe zu den Pferden muß so viel Raum bey ihnen eingenommen haben, daß die andern Gemüthskräfte zu späte gekommen sind.

CHRYSANDER.

Aber ein paar hübsche Reitpferde mögte ich noch haben! das ist wahr, wenn ich vor 4 Wochen schon Rathsherr gewesen wäre, ich hätte mir den Fuchs und den Schimmel nimmermehr aus den Händen gehen lassen, die der General gekauft hat. In meinem Leben habe ich [33] noch kein schöner Thier gesehen, als der Fuchs ist, und das um solch ein Spottgeld – – ich möchte vor Aergerniß rasend werden, wenn ich daran gedenke.

HERRMANN.

Ey! sie vergessen das glückliche Talent ganz, welches sie von dem Himmel erhalten haben, daß sie sich nicht leicht ärgern.

CHRYSANDER.

Ja, über eine Kleinigkeit ärgre ich mich auch nicht, wie manche Leute thun können; aber bedenken sie selbst, da mag sich der Teufel nicht ärgern, ich will auf der Stelle sterben, wenn der Fuchs nicht seine 80 Thalern unter Brüdern werth ist, und der General hat ihn für 45. bekommen. Ja, wenn ich es damals schon gewust hätte, daß ich die einträgliche Bedienung erhalten würde – – –

HERRMANN.
Was? mein Herr Licentiat, sie haben die Rathsherrenstelle schon erhalten?
CHRYSANDER.
Nein, noch nicht, aber in einer Stunde werden sie mir zu derselben gratuliren können.
HERRMANN.
In einer Stunde schon? haben sie schon mit dem Grafen gesprochen?
CHRYSANDER.

Ja; das war es eben, was ich sie fragen wollte, es ist gut, daß sie mich daran erinnern helfen, ich bin eben darum hergekommen, daß ich mich dem Graf anbieten will, ich glaube daß es ihm lieb seyn wird, daß sich ein ansehnlicher Mensch meldet, mit dem er die Bedienung bekleiden kan.

HERRMANN.

Sie sind ein wenig zu leichtgläubig mein Herr Licentiat; meinen sie denn, daß sie gar keine Mittwerber haben, und halten sie sich [34] vor so wichtig zu glauben, wenn sie sich zu einem Amte vorschlagen, so sey die Wahl unter 5 biß 6 geschickten Prätendenten auf einmal gehoben.

CHRYSANDER.

Ey! was sagen sie mir da? sollten sich so viel zur Erlangung dieses Amtes gemeldet haben? das ist ja erstaunlich!

HERRMANN.
Wie so! giebt es etwann nicht junge Leute genug, die mit Schmerzen auf eine Bedienung lauren?
CHRYSANDER.

Ich will vor ihren Augen des Todes seyn, wenn ich nicht geglaubt habe, daß ich der einzige wäre, der sich dem gemeinen Wesen zum besten, und seiner Braut zu gefallen zu einer sauren Arbeit melden würde? Ach! wenn das meine selige Mama wüste, daß ich meiner Gesundheit und meiner Ruhe so feind werden, und ein Amt über mich nehmen wollte, ich glaube, sie stürbe vor Mittleiden gegen mich noch einmal. Wenn ich ihre mütterliche Sorgfalt gegen mich erwege, wie sie mich deswegen eben in keine öffentliche Schule und mit Furcht und Schmerzen nur ein halbes Jahr auf Universitäten geschickt hat, damit ich mich durch allzu vieles Studiren nicht ungesund machen sollte, so – – – –

HERRMANN.

Ey! mein Herr, sie haben keine Schulen und nur ein halb Jahr die Universität besucht? wie haben sie sich denn zu der Würde eines Licentiaten geschickt machen können?

CHRYSANDER.

Meine selige Frau Mama hat einen ihrer Schwestersöhne, der nicht bey Mitteln war, drey Jahre auf Universitäten unterhalten, [35] dieser hat für mich studiren und unter meinen Namen eine Disputation wenn ihnen die Ceremonie bekannt ist, verfertigen müssen, wodurch ich bewieß, daß ich Geld genug hätte, die Würde eines Licentiaten zu erhalten.

HERRMANN.

Ja, es ist eine bequeme Methode andre Leute für sich studiren zu lassen. Für Geld kan man freylich noch wohl einen gelehrten Titel erhalten, und wer schweigen gelernet hat, darf eben nicht allezeit diejenigen beschämen, die ihm denselben gegeben haben. Aber, wenn man ein Amt über sich nimmt, so kan man nicht umhin, der Welt zu zeigen, ob man desselben würdig sey, oder nicht, wissen sie denn auch was zu der Bedienung erfordert wird, um die sie sich bewerben wollen?

CHRYSANDER.

Was ich noch nicht weiß, wird mir wohl von meinen Collegen gesagt werden. Man kan sich freylich in eine ungewohnte Arbeit nicht so gleich schicken, aber das giebt sich mit der Zeit, wie das Griechische; da sehen sie, daß ich doch zum wenigsten noch ein Sprichwort von Universitäten mit gebracht habe.

HERRMANN.

Das ist viel, ich bewundre ihr Gedächtnis, und gleichwohl wollten sie sich vorhin von dem Himmel noch ein besseres ausbitten.

CHRYSANDER.

Allein, haben sie doch die Gewogenheit und sagen sie mir aufrichtig, giebt es in dem Amte viel zu thun, welches ich mir anitzt werde geben lassen?

HERRMANN.

Mein lieber Herr Licentiat, wenn [36] ich ihnen aufrichtig und zu ihrem besten rathen soll, so betrüben sie ihre Liebe Frau Mama nicht noch in der Erde, durch einen solchen tyrannischen Vorsatz gegen sich selbst; ich seh es zum voraus, daß sie sich in drey Monäten zu Tode arbeiten werden, wenn sie dieses mühsame Amt erhalten sollten. Sie sind nicht zum Dienste des gemeinen Wesens gebohren. Die arbeit ist für ihre Seele nicht, die Natur, welche ihre Werke am besten kennt, hat eben deswegen die Vorsorge für sie gehabt, und sie von reichen Eltern gebohren werden lassen, damit sie sich mit nichts anders beschäftigen dürfen, als mit essen, schlafen, ausreiten, und – – –

CHRYSANDER.

Ich will aber, wie ich ihnen schon gesagt habe, die Rathsherrnstelle eben deswegen annehmen, damit ich die Absichten der Natur desto besser erfüllen und mir ein paar prächtige Reitpferde halten kan. Die sind es eben, die mir noch an meiner Glückseligkeit fehlen. Die Mietpferde kosten zu viel Geld, und ihnen die Wahrheit zu sagen, ich besitze einen gewissen edlen Ehrgeitz, welcher darin bestehet, daß es mich allemal in der Seele kränkt, wenn mich die Leute fragen, wem das schöne Pferd zugehöre, worauf ich reite, daß ich nicht antworten kan, ich sey der schöne Herr des verständigen Pferdes; ich vergesse in dem Augenblicke alle meine Reitlectiones, wenn ich sagen muß, daß es einem Pferde Verleiher zugehöret.

HERRMANN.

Ich verstehe sie schon, sie besitzen[37] den Ehrgeitz, daß man sie um die guten Eigenschaften ihres Pferdes bewundern soll, weil sie sich nicht die Mühe geben mögen durch ihre eigene Verdienste die Verehrung der Leute zu verdienen. Ich liesse diesen Grund gern gelten, wenn die schönen Reitpferde, die sie halten werden, nur auch das Amt für sie versehen könnten. Allein diese guten Thiere haben von der Natur keine andere Kräfte erhalten, als sie tragen, gleich wie sich ihr Vermögen in der Wissenschaft einschränkt, sich von ihnen tragen zu lassen. Die Gerichtsbedienung hingegen, auf welche sie sich Rechnung machen, erfordert eine unermüdete Arbeitsamkeit in genauester Zergliederung der Vorfälle, worüber man sein Urtheil sprechen soll; ein durch gründliche Wissenschaften und lange Erfahrung geübtes Vermögen zur deutlichsten Gewißheit zu gelangen, eine durch Undank und Beschwerden unzerstöhrliche Dienstfertigkeit gegen das gemeine Wesen, ein durch keinen Eigennutz und durch keine Begierden einzuschläferndes Gewissen, eine – – –

CHRYSANDER.

O! sie schätzen mein Herr Herrmann, oder sie gönnen mir auch die Bedienung nicht. Meine selige Mama, die wohl wußte, wie es in der Welt hergeht, hat wohl hundertmal zu mir gesagt: Fritzgen, mit dem Latein darfst du dir den Kopf nicht zerbrechen, übe dich nur ohne Schaden deiner Gesundheit im Schreiben, wer Schreiben und Rechen kan, der ist zu allem in der Welt zu gebrauchen; und der Hofrath [38] Cleon, mein guter Freund, sagte neulich zu mir, als wir mit einander ausgeritten waren, der Teufel hole mich, ich weiß nicht, zu welchem Ende man sein Geld auf Universitäten verzehren, und das unnütze Geschwätz der abgeschmackten Pedanten anhören muß, ich habe in den 6 Jahren, die ich im Amte stehe, noch keinen Titel aus den 8 Quartbänden von den Collegiis gebraucht, die ich mir abschreiben lassen; dafür haben wir die Advocaten, die lassen wir so lange schreyen und schmieren, als Sporteln bey einer Sache heraus kommen; und wenn endlich der Proceß nichts mehr abwirft, so schicke ich die Acten nach Universitäten; oder ich frage auch meinen Advocaten, wer wohl von den beyden Partien am meisten Recht haben mag, und nach seinem Gutdünken und meinem Vortheile saß ich alsdann die Sentenz ab; dazu brauche ich also weder Philosophie, noch Corpus Juris, noch die abgeschriebenen Collegia, die mir gleichwohl über die 30 Rthlr. Schreiberlohn gekostet haben. Sehen sie mein lieber Herr Herrmann, ich lasse mir so leicht nichts aufbinden, man muß vieler Leute Meinung über eine Sache anhören, und sich hernach die beste Auslesen, das hat mir meine selige Mama wohl mehr als hundertmal gesagt.

HERRMANN.

Mein lieber Herr Licentiat, es geht ihnen mit ihrer seligen Mama, wie denen Schulgelehrten, welche bey aller Gelegenheit den Virgil und Hommer zum Beweise ihrer Klugheit anführen; doch wäre es viel rühmlicher für sie, [39] wenn sie mehr Umgang mit diesen Männern, als mit ihrer seligen Mama gehabt hätten.

CHRYSANDER.

Mit dem Virgil und Homer? ach? sie meinen die beyden Professoren – – – nein, ich habe keine Collegia bey ihnen gehört, es beklagten sich alle Studenten darüber, daß sie nicht vernehmlich genug läsen; aber – – –

HERRMANN.

Sie irren sich mein Herr Licentiat, Virgil und Homer sind keine öffentliche Lehrer, sie lehren uns nur noch in ihrem Gedichten, und sind bereits einige tausend Jahre tod.

CHRYSANDER.

So? ja, ja, ich besinne mich; ich habe davon gehört; aber weil sie von Gedichten reden, es hat mir ein guter Freund den Rath gegeben, dem Herrn Graf meine Gesinnung das Amt anzunehmen, in einem Gedichte vorzutragen, weil man doch in solchen Fällen allemal etwas schmeicheln müsse, und eine Schmeicheley sich, in Versen viel besser ausnähme, als in ordentlichen Redensarten. Ich habe seinem Rathe gefolget. Gehen sie, hier habe ich einen Bogen Verse, ich habe sie sehr sauber abschreiben lassen, und das Papier hat einen goldenen Schnitt; ich habe keine Kosten daran gesparet, haben sie doch die Gewogenheit und loben sie das Gedicht gegen den Herrn Graf, denn ich höre, daß ihre Meinungen alles bey ihm gelten; sie sollen auch einmal mit mir ausreiten, wenn ich erst die – – –

HERRMANN.
Sie wissen nicht wer Virgil und Homer sind, und machen doch Verse? das wird erbauliches Zeug seyn.
[40]
CHRYSANDER.

Ey! sie sollten sich schämen, daß sie von einen Menschen wie ich bin, den niederträchtigen Argwohn hegen können, daß er Verse mache. Da müßt ich ja ein Poet seyn: und was sind Poeten? Narren, das beweiset der, welcher mir dieses Gedicht gemacht hat, in alten Gesellschaften. Es ist zwar wahr, es ist ein schnakischer Kerl, er kan die ganze Gesellschaft, die im rothen Kranze alle Abend zusammen kommt, aufgeräumt machen, allein es ist auch nicht eines jeden Sache sich zu allem gebrauchen zu lassen. Er hat zuweilen allerliebste Einfälle. Er lacht aus vollem Halse. Den Streich muß ich ihnen doch erzehlen: neulich – – –

HERRMANN.

Die Beschreibung, die sie mir von ihm machen, macht mich nicht neugierig eine Historie von ihm zu hören, wohl aber seine Verse, welche mir viel Seltsamkeit versprechen, zu lesen. Lassen sie mich doch einmal sehen, was es für ein Werkgen ist. Er lieset.

Nie gnug gepriefner Mäcenat,

Vergieb, daß ein Licentiat,

Dem Lob biß an die Wolken hebet – –

Ich habe schon gnug. Die Verse sind dem Character ihres Poeten gemäß, aber es ist ein Unglück für ihn, daß er diesen Namen gar nicht verdienet.

CHRYSANDER.

Ey! wie so? halten sie denn die Verse für schlecht? es sind ja recht nette und artige Reime; sie klingen recht angenehm – – – nie gnug gepriesner Mäcenat, – – – sehen [41] sie, wie zierlich er das Wort Graf in Mäcenat verwandelt hat. Mäcenat ist ohne zweifel noch mehr, als Graf.

HERRMANN
lachend.
Wenn ich ihnen aber sage, das Mäcenat weniger ist, als Graf?
CHRYSANDER
bekümmert.

Das wäre der Henker! ich sollte es doch nicht denken. Es ärgert mich, daß ich vergessen habe darnach zu fragen, was er mit dem Worte Mäcenat eigentlich sagen will. Vielleicht hat er aus Graf keinen Reim senden können.

HERRMANN.

O ja! es giebt Reime genug darauf; ich will ihnen gleich einen sagen: z.E. es würde recht pathetisch klingen, wenn es hiesse:

Nie gnug gepriesener Herr Graf,

Vergieb es, daß ein armes Schaf,

Dein Lob bis an die Wolken hebet – – –

CHRYSANDER.

Ey! mein Herr Herrmann, ich seh wohl, daß sie keine Poesie verstehn; ich bin ja ein Licentiat, und kein Schaf.

HERRMANN.

O! man findet sehr oft zwey Characters in einer Person vereiniget; doch, da haben sie ihr Gedicht wieder, ich seh den Herrn Graf selbst kommen, ich wünsche ihnen viel Glück zu ihrem Vorhaben, und bedaure zugleich die arme Rathsherrnstelle, wenn sie im Zorne des Himmels ihren Zweck erreichen sollten.

7. Auftritt
[42] Siebenter Auftritt.
Der Graf. Chrysander, welcher sich furchtsam auf die Seite ziehet. Hermann. Valetin.

DER GRAF.

Herr Hermann, gehe er doch hinaus, unterred er sich mit den beyden Candidaten, die draussen stehen, und examinire er sie ein wenig, sie sind mir zu einem Predigtamte vorgeschlagen worden. Aber, wer ist der Mann?

HERRMANN.
Er ist ein Licentiat, er hat Ihro Excellenz etwas vorzutragen.
DER GRAF
heimlich zum Herrmann.
Wirft er sehr mit Latein um sich?
HERRMANN.
So gefährlich ist er nicht.
DER GRAF.
So will ich ihn hören.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Der Graf. Chrysander. Valentin.

CHRYSANDER
furchtsam.

Unterthänigster Diener, Ihro Excellenz; sie wollen unterthänigst – – – gnädigst – – – entschuldigen, daß ich mir die Ehre nehme, Ihro Excellenz mit diesen schlechten Zeilen auszuwarten.

DER GRAF
nimmt das Gedicht.

Was ist es? Verse? davon bin ich kein Liebhaber, mein Herr. Er giebt das Papier den Valentin. Ich bin in meinem Leben so sehr mit der Poesie überhäuft geworden, [43] daß sie mir ganz zuwider ist. Was ist denn eigentlich sein Anbringen?

CHRYSANDER
zitternd.

Ihro Excellenz wollen geruhen die Gnade zu haben, und bey Vergebung der Rathsherrnstelle meine wenige Person in Erwegung zu ziehen. Ich werde für diese Gewogenheit Lebenslang ein gehorsamster Knecht von Ihro Excellenz verbleiben.

DER GRAF.
Die Rathsherrnstelle? hat er auch die gehörte Tüchtigkeit zu diesem Amte?
CHRYSANDER.
Ich bin ein Licentiatus Juris.
DER GRAF.
Wie lange ist er auf Universitäten gewesen?
CHRYSANDER.
Ich bin ein Licentiatus Juris.
DER GRAF.
Was hat er für Collegia gehört?
CHRYSANDER.
Ich bin ein Licentiatus Juris.
DER GRAF.
Ich bin nicht taub, mein Herr Licentiatus Juris; ich frage, was er für Collegia gehört hat?
CHRYSANDER
erschrocken.
Ein halb Jahr, Ihro Excellenz!
DER GRAF.

Wovor erschrickt er denn? er kan ja vor Verwirrung weder hören noch reden. Nach seinen Collegiis frage ich ihn.

CHRYSANDER.

Ich habe noch keine Collegen; wenn ich das Amt werde erhalten haben, so hoffe ich auch die Ehre zu erlangen, mit denselben bekannt zu werden.

DER GRAF
beyseite.

Der Kerl kan mir entweder vor Furcht oder vor Unwissenheit nicht auf meine Frage antworten. Laut. Versteht er [44] denn nicht was ich meine? bey welchen Professoren er Collegia gehört hat, ist meine Meinung.

CHRYSANDER.
Bey dem Virgil und Homer.
DER GRAF.

So? von denen habe ich noch niemals reden gehört. Aber über welche Theile der Jurisprudenz haben diese Herren Collegia gelesen?

CHRYSANDER.

Ihro Excellenz wollen verzeihen, ich habe meine Collegia nicht mitgebracht, sie sind ein bisgen zu groß zum herumtragen, sie machen vier Quartbände aus, ich habe sie zu Hause. Befehlen es Ihro Excellenz, so will ich sie herholen lassen.

DER GRAF
lachend.

Er weiß also die Wissenschaften nicht alle auswendig zu nennen, die er besitzt. Mein Herr Licentiatus Juris; es haben sich schon so viele Prätendenten zu dieser Bedienung gemeldet, daß ich schwerlich glaube, daß ich mit meiner Wahl auf seine wenige Person verfallen werde. Er will weggehen.

CHRYSANDER
vor sich.

Ich darf unmöglich unverrichtete Sachen wieder zu meiner Braut kommen, ich muß noch versuchen, ob der Anschlag, den sie mir selbst gegeben hat, seine Wirkung thun wird.Er geht dem Grafen nach, und holt ihn demüthig wieder zurück. Ihro Excellenz wollen mir gnädigst erlauben, noch eine unterthänige Bitte zu wagen. Es ist das notwendigste, und ich hätte es doch beynahe gar vergessen. Er zieht eine neue kostbare Börse voller Ducaten aus der Tasche. Ich habe gestern von einem guten Freunde, welcher ein besonderer [45] Künstler in dergleichen Arbeiten ist, ein Meisterstück von einer kostbaren Börse gekauft, und weil ich gehört habe, daß Ihro Excellenz ein Liebhaber von guten Börsen sind, so habe mir unterthänigst die Freyheit nehmen wollen, Ihro Excellenz mit dieser Kleinigkeit aufzuwarten.

DER GRAF
nimmt die Börse und wiegt sie in der Hand.

Ganz wohl! die Arbeit daran ist nichts verachten; ich danke ihm unterdessen, ich werde nicht unterlassen, ihm meine Gewogenheit an den Tag zu legen. Ich hatte zuvor einige Geschäfte im Kopfe, daß ich eben nicht aufgeräumt war, Verse zu lesen.Zum Valentin. Valentin gebt mir das Gedicht her, welches ich euch zuvor aufzuheben gab; ich muß es doch ansehen. Er lieset heimlich.

CHRYSANDER
vor sich.

O! nun bin ich schon wirklich Rathsherr. Das ist wahr, mein Christinchen ist gescheuter als ich; sie weiß die rechten Mittel wodurch man zu seinem Zwecke gelangen kan.

DER GRAF
nachdem er gelesen hat.

Die Arbeit ist überaus wohl gerathen. Man bringt mir fast alle Tage Verse, allein so etwas lesenswürdiges habe ich lange nicht bekommen.

CHRYSANDER.

Ich sage Ihro Excellenz unterthänigsten Dank für dero Gewogenheit gegen meinen Poeten. Dieselben werden mich zum glücklichsten Menschen von der Welt machen, wenn sie mich zu dieser Bedienung erheben werden. Ich habe mein ganzes Glück auf den Besitz einer liebenswürdigen Person gesetzt, und wenn ich dieses [46] Amt nicht erhalte, so muß ich die schmerzlichste Verweigerung von ihr befürchten.

DER GRAF.

Ich versichre ihn, daß ich seine Person vor allen andern in Erwegung ziehen werde. Ich habe vorjetzt noch einige Geschäfte, in einer Stunde aber werde ich ihn seines Glückes vollkommen versichern können. Er hat nicht nöthig sich selbst wieder her zu bemühen, es würde mir angenehmer seyn, wenn er seine Braut zu mir schickte, ich werde sie gewiß nicht unbeamtet von mir lassen. Ich bin ohne dem neugierig sie kennen lernen, sie muß dieser Mühe ohne zweifel werth seyn, weil er sie sich zur Braut auserlesen hat.

CHRYSANDER
lebhaft.

Ja, ich versichre Ihro Excellenz, daß dieselben so leicht kei schöner, muntrer und witziger Frauenzimmer werden gefunden haben, und bey dem allen ist sie von Adel.

DER GRAF
hitzig.

Um so viel besser! so viel besser! er soll sehen, daß ich gnädig bin, laß er sie ja noch heute zu mir kommen, daß wir nichts versäumen. Ich mag gern braven Leuten die erst in den Ehstand treten, mit meinen Diensten behülflich seyn. Er soll sehen wie ich ihm helfen werde.

CHRYSANDER.
Ich werde mich Lebenslang für solche Gnade dero Knecht zu nennen, die Ehre haben.
9. Auftritt
[47] Neunter Auftritt.
DER GRAF
allein.

Habe ich doch kaum Zeit von allen Ueberlaufen der Candidaten zu mir selbst zu kommen. So viele Beschwerlichkeiten, so viel Unruhe versüsset mir nichts, als die Gelegenheit den guten Leuten und dem Staate meine Dienste zu leisten; weder die Verehrung noch die Erkenntlichkeitsbezeigungen der Candidaten vermögen einem die grosse Mühe zu ersetzen, die man in Untersuchung ihrer Verdienste anwenden muß. Das ist wahr, wir vornehmsten im Staate sind nichts als Opfer des gemeinen Wesens.

10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Der Graf. Herrmann.

HERRMANN.

Ihro Excellenz Befehl Gehorsam zu leisten, habe ich mich mit den beyden Candidaten unterredet, und so viel Tüchtigkeit ich bey dem einen gefunden, so elend ist mir der andere vorgekommen. Ich habe sie Morgen Vormittag wieder her beschieden, von Ihro Excellenz sich nähere Antwort abzuholen

DER GRAF.
Gut!
HERRMANN.

Ich halte es aber für meine Schuldigkeit, Ihro Excellenz an dero heutiges Versprechen zu erinnern, und dieselben noch einmal [48] zu ersuchen, das Glück eines Menschen zu machen, der nun zehn Jahre lang sich um nichts eyfriger bestrebt hat, als sich ihrer Gewogenheit würdig zu machen.

DER GRAF.

Mein guter Herr Herrmann; er hat mir zu viel Dienste geleistet, als daß ich ihn so schlecht belohnen sollte; das wäre mir nicht Ehre gnug. Es wird sich schon noch etwas bessers für ihn finden. Aber er muß Gedult haben.

11. Auftritt
Elfter Auftritt.
HERRMANN
allein.

O! ich habe schon allzu lange Geduld gehabt, als daß ich mich künftig noch auf ihre Wirkung verlassen könnte. Nein, unerkänntlicher Patron, meine Treue, meine Arbeitsamkeit verzehren in dir die Neigung mich zu belohnen. Je mehr dich dein eigner Vortheil an die Wichtigkeit meiner Dienste erinnert, je mehr wächset auch deine Begierde mich in deiner Sklaverey zu behalten.

12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Herrmann. Caroline.

HERRMANN.

Ohne sie schönste Caroline, müßte ich jetzund in meinem Unglücke verzweifeln. Ich entschlösse mich lieber, das elendeste Leben zu führen, als noch eine Stunde in des Grafen [49] Hause zu verbleiben, wenn ich mit dem Verlust einer hundertmal schon getäuschten Hofnung auf seine Gunst nicht zugleich die schone Hofnung verliehren müßte, der Besitzer ihres Herzens zu werden. Der Undankbare! ein im höchsten Grade unwissender Licentiat – – –

CAROLINE.

Hat sie bey dem Graf ausgestochen? und Valer, ein im höchsten Grade verliebter Stutzer, ist ihnen bey der Gräfinn zuvor gekommen. Eben ist mir der Stof zu dieser betrübten Zeitung gegeben worden; sein Diener, mit welchem ich zwey Worte im vorbey gehen gesprochen habe, hat mich versichert, daß sein Herr sich die feste Hofnung mache, nicht allein das Herz der Gräfinn durch seine Annehmlichkeiten zu fesseln, sondern auch durch ihre Auctorität den Graf selbst zu vermögen, ihm die Rathsherrnstelle aufzutragen. Es ist also für sie auf beyden Seiten keine Hofnung mehr übrig. Lassen sie mich aber bey dem Graf und der Gräfinn ein doppeltes Amt verrichten, in jenem will ich Eyfersucht erwecken, und ihm Valeren verhaßt machen, bey dieser aber will ich den Valer durch seines Dieners Erzählung zu stürzen suchen. Ich kenne die Schmeichler und vornehmlich die Stutzer. Von den Damen, welche sie durch ihr Lob am meisten vergöttern, pflegen sie bey ihren Freunden und Bedienten am nachteiligsten zu reden. Ich habe mir einen gewissen Abriß gemacht – – –

HERRMANN.
Wie? sie wollen sich zu der Hinterlist herunter lassen? – – –
[50]
CAROLINE.

Es ist wahr; es ist auf eine gewisse Art eine Erniedrigung; allein, für wem thu ich dies alles? für sie Undankbarer. Geben sie nur um wenigsten ihre Einwilligung dazu, diese einzige Erkenntlichkeit begehre ich von ihnen für die Mühe, die ich über mich nehme. Die empfindliche Stimme der Ehre ist in meinem Herzen vielleicht ärger, als in dem ihrigen. Ob mich gleich das Schicksal um dienen herunter gesetzt hat, so stirbt doch in meiner Seele das Angedenken niemals, daß ich von einem Vater gebohren worden, der vielleicht jetzund auf der Höhe fässe, auf welcher sich unsre Herrschaft brüstet, wenn er nicht wie sie allein hier im Hause wissen, durch Neid und Mißgunst vom Hofe vertrieben, und in das empfindlichste Elend gestürzet worden wäre, ob ich ihn gleich so sehr verleugnen muß, daß ich seinen Namen nicht einmal führen darf, so werde ich ihn doch so sehr nicht verläugnen, daß ich mich weiter herunter passen sollte, als mir es Ehre und Tugend erlauben.

HERRMANN.

Sie haben meine Zufriedenheit in ihren Händen; da sie dieses wissen, da ihnen solches angenehm zu seyn scheinet, so kan ich mir auch schmeicheln, daß sie derselben nicht wehe thun werden. O! müßt ich ihnen mein ganzes Glück zu verdanken haben, ohne von meiner Zufriedenheit das geringste zu verliehren.

CAROLINE.

Damit sie aber nicht ganz müssig bey der Sache bleiben, so versuchen sie eine Anwerbung bey der Gräfinn, ich will indessen der Gelegenheit nachgehen, Valerens Diener, wenn [51] es möglich ist, zum Nachtheil seines Herrn auszuforschen.


Ende der Zweiten Handlung.

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Valere. Johann.

VALERE
kömmt lachend heraus.
Ha! ha! ha! der Spaß ist nicht mit Gelde zu bezahlen.
JOHANN
lacht auch.
Ha! ha! ha! aber erzehlen sie mir doch – – –
VALER.
Ein närrischer Weib ist unter der Sonnen nicht; Ha! ha! ha!
JOHANN.
Ha! ha! ha! was ist ihnen denn begegnet?
VALER.
Eine Gräfinn kan so bürgerlich seyn! Ha! ha! ha!
JOHANN.
Ha! ha! ha! worüber lachen sie denn?
VALER.
Der Obriste wird recht lachen; Ha! ha! ha!
JOHANN.
Ha! ha! ha! aber sagen sie mir doch, Herr Fähndrich – – –
VALER
zornig.

Verdammter Hund! wilst [52] du das Maul halten! Bestie! habe ich dir nicht verboten, das Wort Fähndrich in diesem Hause im Munde zu nehmen? weist du nicht mehr, daß ich hier nur Valer heisse?

JOHANN.

Verzeihen sie Herr Valer, vor lauter Freude über ihre Freude hatte ich ihren Befehl auf einige Minuten vergessen, und ich sehe es schon zum voraus, daß ich ihn noch öfter vergessen werde, wenn sie mir keine Merkmahle geben, bey welchen ich mich desselben erinnern kan.

VALER
hebt den Stock auf.
Ja; ich will dir Merkmahle geben – – –
JOHANN.

So nachdrückliche verlange ich nicht. Ich will nur so viel sagen, wenn sie mir nicht durch eine hinlängliche Erklährung der Ursachen, warum sie einen schwarzen Rock angezogen haben, einen völligen Begrif davon in den Kopf setzen, daß sie in diesem Hause kein Fähndrich sind, so werde ich mir nicht angewöhnen können, das Wort Fähndrich auszulassen, da ich sie doch in andern Häusern diesen Titel nicht genug geben kan, indem ich bemerkt habe, daß den Bürgertöchtern, mit welchen sie umgehen, die ganze Seele rege wird, wenn ich den Herrn Fähndrich bey Ihnen anmelde.

VALER.

So Fähndriche du Canaille – – – wenn ich hier Lärmen mache wollte – – – – komm nur nach Hause, ich will dir funfzig Prügel geben lassen.

JOHANN
weinend.

Damit ich sie verdiene, so will ich erst machen, daß sie hier eben so viel [53] bekommen; ich schreye hier aus vollem Halse Herr Fähndrich, wenn sie mir ihre Absichten nicht entdecken; sie werden doch vor dem Teufel den Graf nicht bestehlen wollen, daß sie die heilige Livrey angezogen haben.

VALER
will den Degen ziehen.
Hund! ich bohre dich auf der Stelle durch, wo du einen Laut von dir giebst.
JOHANN
fält ihm zu Fusse.

Allerliebster Herr Valer, haben sie doch Mitleiden mit ihrem treuen Diener, und lassen sie ihn die Neubegierde nicht tod plagen. Erzählen sie mir ihr Geheimniß, wenn sie mir diese Gefälligkeit nicht erweisen, so will ich des Teufels seyn, wenn ich ihnen in meinem Leben wieder ein hübsches Mensch verschaffe, ich will die allerhäßlichste aussuchen, oder ich will sie gar vor Liebe vergehen lassen.

VALER
lacht.

Narr, damit wirst du mir einen gewaltigen Possen thun. Was wilst du aber mehr wissen? ich habe dir ja schon gesagt, daß ich hier um die Rathsherrenstelle anhalte – – –

JOHANN.

Ey! pfui, schämen sie sich! wer wird den Leuten so etwas weiß machen! wo wollten sie denn den Fähndrich lassen, wenn sie Rathsherr würden? sie können doch nicht zu gleicher Zeit auf die Wache ziehen, und auf dem Rathhause Gericht halten. Die Wand kan ja nicht schwarz und weiß zugleich seyn.

VALER.

Du sollst es aber so gewiß glauben, daß ich um dies Amt hier anhalte, als es gewiß [54] ist, daß du noch für dein Plaudern einen Puckel voll Prügel bekommen wirst.

JOHANN.

Mit ihrer handgreiflichen Gewißheit immer! stille! ich will dieselbe durch meinem blinden Glauben zu schanden machen. Ich glaube es, und ich habe es der Kammerjungfer der Gräfinn schon beygebracht, daß sie Rathsherr werden wollen.

VALER.

Das ist gut. Weil du es denn gewiß glaubst, und es auch schon für eine Gewißheit ausgegeben hast, so will ich dir die wahren Umstände entdecken. Unser Obriste ist neulich mit der Gräfinn in einer Gesellschaft gewesen, und hat von den Wein ein wenig erhitzet mit ihr einen galanten Scherz treiben wollen; Sie aber hat ihn entweder aus einer Unwissenheit zu leben, oder aus einer hochmütigen Heucheley so übel angelassen, daß er fast zum allgemeinen Gelächter der Gesellschaft geworden ist. Wenn ihn eine junge und schöne Dame auf die Weise beleidiget hätte, so würde es ihn zwar sehr verdrossen haben, aber die Verachtung von einer solchen abgeblühten Schönheit hat ihn gantz unsinnig gemacht.

JOHANN.

Darinn hat unser Obriste gar nicht meinen Geschmack. Als ich die vorige Woche mit ihnen betrunken nach Hause kam, war ich auch so leutselig, daß ich mit unsrer 50 jährigen Haußverwalterin zu scherzen anfing, sie war aber zu meinem Unglücke nicht so widerspänstig gegen mich als die Gräfinn gegen den Obristen gewesen ist, und da ich den Morgen darauf nüchtern [55] Muths nachdachte daß ich sie den Abend vorher geküßt hatte, so wär ich bald unsinnig über die Gefälligsten des alten Felleisens geworden. Wenn die Frauenzimmer schon gewisse Jahre haben, so sage ich ihnen, wenn ich wieder zu mir selbst komme, allemal großen Dank für den Widerstand, den sie mir erwiesen haben, als ich von Sinnen gewesen bin.

VALER.

Wenn das Bezeigen der Gräfinn den Obristen nur keiner allgemeinen Spötterey ausgesetzt hätte, so würde er vielleicht nach deinen Maximen gehandelt haben, denn die sind so unvernünftig nicht. Allein dieser Umstand zwinget ihn, daß er auf Rache bedacht seyn muß, und mich hat er am tüchtigsten dazu befunden, dieselbe auszuführen.

JOHANN.

Freylich! wenn er die Gräfinn will lahm, oder zu Tode geprügelt haben, so kan er keine beßre Arme dazu finden, als die Ihrigen. Es wird kein eintziger Rücken im Regimente seyn, der von ihrer Tüchtigkeit kein Zeugniß ablegen könnte.

VALER.

Tölpel! es ist mir und dem Obristen wohl verbothen sich auf eine so pöbelhafte Art an einer Dame von ihrem Stande zu rächen. Allein sie aufzuziehen und in der Stadt zum Gelächter zu machen, das kann uns niemand wehren. Es ist bekannt von ihr, daß sie der Canal ist, durch welchen die Kandidaten, die sich um Gerichtsbedienungen bewerben, am glücklichsten zu ihrem Zwecke gelangen, wenn sie sich desselben klug zu [56] bedienen wissen. Ihre Schönheit hat schon seit einigen Jahren die Kraft verlohren, in den Herzen der Männer zu wircken, darum muß sie die Gewalt zu Hülfe nehmen, die ihr ihr Gemahl überläßt, jungen Leuten die Aemter für Schmeicheleyen und Liebkosungen zu verkaufen. Weil ich nun mit diesen Gaben ziemlich von der Natur versehen bin, und um soviel weniger erkannt werden kan, weil wir erst vor vierzehn Tagen von der Werbung zurück gekommen sind, so hat mich der Obriste beordert, die Rolle eine seufzenden Schulfuchses bey der Gräfinn zuspielen, und wenn ich mir das Amt durch meine Geschicklichkeit werde erschmeichelt haben, die Gräfinn durch Endeckung meines Standes zu beschämen, und du kannst leicht gedencken, daß wir hernach nicht unterlassen werden, dieser Historie Flügel anzusetzen, damit die ganze Stadt davon reden, und sich auf den Kosten der Gräfinn satt lachen kan.

JOHANN.

Gut! machen sie nur erst ihre Historie fertig, wenn es hernach darauf ankömmt, sie geschwinde unter die Leute zu bringen, so will ich ihr wohl meine Beine lehnen, die können in zwey Stunden alle Weinhäuser durchlaufen. Aber haben sie es in ihrer ersten Unterredung mit der Gräfinn schon weit gebracht?

VALERE.

So weit, daß sie mich auf den Trohn setzte, wenn sie eine Königinn wäre. Doch ich kan dir jetzt nichts mehr sagen; ich muß zum Obristen gehn und ihm, eh er ausfährt, Nachricht von dem Lauf unsrer Sachen bringen – – – [57] Noch eins, so bald ich vorhin die Kammerjungfer in die Augen bekam, so gerieth ich auf gewisse Muthmassungen, und es ist mir sehr viel daran gelegen zu wissen, ob ich mich irre, oder nicht. Höre, gieb dich mit ihr in ein Gespräch, und nenne gantz weitläufig und unvermerkt den Herrn von Wirbelbach in deinen Reden merke dir genau ihre Mienen dabey, und gieb mir Nachricht davon. Ich werde bald wieder hier im Hause seyn, vor allen Dingen nimm mein Geheimniß in acht.

2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
JOHANN
allein.

Verlassen sie sich auf mich. Wie ich sehe, so hat mein Herr zwey Geheimnisse in diesem Hause, eins bey der Gräfinn, und eins bey der Kammerjungfer. Aus was für Ursachen soll ich der letzten wohl seinen Namen unvermerkt nennen? sollten sie sich wohl von einer gewissen Begebenheit her, noch kennen, und soll ich etwann dadurch ein süsses Andenken bey ihr rege machen?

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Der Graf. Caroline. Johann.

CAROLINE
inwendig zum Graf.
Ja, ja, [58] Valer ist der rechte; er wird ihnen einen Streich spielen, hüten sie sich vor ihm.
JOHANN
in Angst.

Zum Henker! die wird meinen Herrn erkannt und verrathen haben. Wo sie mich hier antreffen, so werde ich seine Spitzbüberey bezahlen müssen. Was fange ich an? da ich weder aus noch ein kan, so wird es das beste Mittel seyn, daß ich mich unter diesem Tisch verstecke. Er kriecht unter den Tisch.

DER GRAF
im hereintreten.

Ich verstehe euch, Caroline. Ihr wollt sagen, daß meine Gemahlinn einen Geschmack an ihm senden mögte. Meinethalben! seit dem ich ihrer überdrüssig geworden bin, so ist es mir viel lieber, daß sie ihren Geschmack an andern weidet, als wenn sie mich mit ihrer Eyfersucht plagen, und mich durch die Pflicht der Ehe zu den Gefälligkeiten zwingen wollte, die ihr meine Neigung gegen jüngere Schönheiten entwendet.

CAROLINE.
Ich bewundre Ihro Excelenz; Ihre Gedanken sind sehr edel.
DER GRAF.
Ihr habt nicht unrecht; sie sind um wenigsten meiner vornehmen Geburt und meinem Stande gemäß.
CAROLINE.
Aber ist mir eine untertänige Frage erlaubt, Ihro Exzellenz?
DER GRAF.

Redet nur ohne Scheu! ihr wisset ja, daß ich schönen Kindern nichts übel nehme, wenn gleich ihre Reden ein wenig anstechend sind. Ein leichtfertiger Mund ist in meinen Augen mehr Küssens wehrt, als ein andrer. Ihr seyd nur ein [59] wenig zu widerspenstig, zu bürgerlich, zugewissenhaft – – – –

CAROLINE.

Setzen sie immer ein wenig verwegen gegen sie hinzu, denn meine folgende Frage wird es vollkommen rechtfertigen. Würden sie wohl so schwach seyn, und Valerns Aufwartungen, die er der gnädigen Frau macht, mit der Gerichtsbedienung bezahlen, um welche sich Herrmann, der ihnen so lange Zeit so wichtige Dienste geleistet hat, bewerbet?

DER GRAF.

Das weiß ich selbst noch nicht. An Herrmann aber ist hier gar nicht zu gedenken, ich kan ihn noch nicht entbehren, er thut mir zu viel Dienste, welche ich von keinen andern erhalten würde. Ist es ihm nicht Glück und Ehre genug, daß er in der Besorgung meiner Geschäfte mehr Herr ist, als ich selber bin? wie könte ich mehr Gnade gegen ihn haben?

CAROLINE.

Ist ihre Gnade aber nicht einwenig eigennützig? wenn Ihro Excellenz mit Tode abgehen sollten, was würde aus dem Herrmann werden?

DER GRAF.

Ach! ich werde nicht eher mit Tode abgehen, ehe ich ihn nicht werde versorgt haben. Ich weiß wohl, daß ihr euch seiner nicht ohne Eigennutz annehmet, ich weiß, daß ihr ihn liebet; aber mein gutes Kind, eure Liebe gegen ihn macht euch gegen euren wahren Vortheil blind. Ich will euch die rechte Klugheit lehren. Seyd ihm gut, so viel als ihr wollt, setzet aber dabey nicht die Gelegenheit hindan, die Gunst eures Herrn zu geniessen. Ihr wisset wie viel ich auf euch [60] halte, machet euch dieser Ehre durch ein wenig Nachsicht würdig, und wenn Herrmann darüber eyfersüchtig werden sollte, so erleuchtet seinen Verstand, befehlet und erlaubet ihm, die Gunst meiner Gemalinn zu verdienen. Bedenket, wie glücklich ihr auf die Art mit einander leben könnet, ihr könnet euch lieben, ihr könnet von eurer Herrschaft geliebet werden, ihr könnet – – –

CAROLINE.

Ihro Excellenz halten es meiner wenigen Einsicht zu Gnaden, daß ich an dieser Glückseligkeit keinen Geschmack finde; ich so wohl, als Herrmann, wir lassen unsern niedrigen Stand niemals aus den Augen, es ist für uns zu vornehm so niederträchtig zu seyn. Was uns an äusserlichem Glücke abgehet, müssen wir uns durch das Glück einer zärtlichen und tugendhaften Liebe ersetzen; Leute von ihrem Stande aber können dieser Wollust leicht entbehren, denn sie können sich in dem Ubersluß andrer Güter sättigen.

DER GRAF.

Ihr werdet eurer Wollust auch einmal satt werden, kleine Närrin, und hernach wird es euch gereuen, daß ihr mir nicht – – – –

CAROLINE.

Lassen sie uns von andern Sachen reden, Ihro Excellenz erlauben sie mir lieber, daß ich für den Herrmann bitte – – –

DER GRAF.

Ich will es euch ja nicht nur erlauben, ich will euch auch die Kunst lehren, glücklich für ihn zu bitten. Ich weiß nicht, woher es kommt, ich bin ganz rasend in euch verliebt, und euer Widerstand macht mich noch immer hitziger. Ihr könnet meine Pein durch einen einzigen [61] Kuß zum wenigsten lindern, wenn ihr sie nicht ganz aufheben wollet; euer närrisches Gewissen, den Herrmann nicht zu beleidigen, müsset ihr einmal betrügen; wiedersetzet euch meinen Verlangen, aber nur so, daß ihr mich zum wenigsten mit Gewalt einen Kuß rauben lasset.


Sie will ihm entfliehen, er aber erwischet sie, und durch ihren starken Widerstand macht sie, daß der Tisch über den Haufen fällt, unter welchen Johann sich versteckt hat.
DER GRAF
erschrickt.
O weh!
JOHANN.
Nun bin ich in der Falle!
CAROLINE.
Das war ein Glück!
DER GRAF.
Wer bist du, Kerl?
CAROLINE.
Es ist der Diener des Valer, von welchem ich zuvor mit ihnen geredet habe.
DER GRAF.
Was machst du hier unter dem Tische?
JOHANN.

Ihro Excellenz wollen mir Gnade wiederfahren lassen – – – ich bin unschuldig daran – – – – mein Herr drohete mir auf dem Gange mit seinem Stocke, und weil ich mich vor den Teufel nicht so sehr fürchte, als vor dessen Gewichte, so lief ich in der Angst in diesen Saal, und versteckte mich unter den Tisch, als eben Ihro Excellenz herein traten. Haben sie Mitleiden mit mir, und gönnen sie mir diese Zuflucht, worunter ich einem erschrecklichen Platzregen entgangen bin. Ich habe nichts von demjenigen gehört, was sie mit der schönen Kammerjungfer geredet haben.

DER GRAF.

Ich habe auch nichts mit ihr geredet,[62] was mir Schande machen könnte. Beyseite. Der Bärenheuter hat mich um ein grosses Vergnügen gebracht. Er geht weg.

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Caroline. Johann.

JOHANN.
Gelt! Mademoiselle! ich bin ein rechter Schutzengel! ihre Tugend war in grosser Gefahr!
CAROLINE.

Ich versichre euch, sie hätte in der Gefahr nicht umkommen würden. Beyseite. Ich muß doch den Burschen ein wenig ausfragen. – – – Aber ich hätte es nicht geglaubt, daß euer Herr so schlimm wäre, wie ihr vorhin von ihm sagtet; ich habe ihn für einen Menschen gehalten, der viel zu mitleidig sey, den Stock gegen seinen Bedienten aufzuheben.

JOHANN
furchtsam.
Kennt sie etwan meinen Herrn schon?
CAROLINE.

Weiter nicht, als aus der Aufwartung die er meiner gnädigen Frau gemacht hat, und in der hat er eine so zärtliche und sanftmüthige Seele an den Tag gelegt, daß man denken sollte, er verstünde keine zornige Mine zu machen.

JOHANN.
Ja, es hat seine Ursachen, warum mein Fähndrich gegen die Gräfinn zärtlich ist.
CAROLINE.
Euer Fähndrich? was ist das?
JOHANN.

Ach! verzeihen sie? ich bin erst [63] zwey Tage bey dem Herrn Valer in Diensten, und habe mich zuvor immer von lauter Fähndrichen schuhriegeln lassen, daher kan ich mir dies Wort noch nicht abgewöhnen. Vor einigen Tagen war noch der Fähndrich von Wirbelbach mein Herr, wenn sie den kennet?

CAROLINE
bestürzt.

Von Wirbelbach? einen Fähndrich dieses Namens kenne ich zwar nicht; aber sonst ist mir diese unglückliche Familie sehr wohl bekannt.

JOHANN
bey seite.
Das hab ich auch noch nicht gewust, daß mein Herr aus einer unglücklichen Familie ist.
CAROLINE
bey seite.

Himmel sollte dieser Fähndrich wohl mein Anverwandter seyn? Zum Johann. Höret mein Freund, ihr könnet mir einen grossen Dienst leisten, ist euer voriger Herr hier in Garnison?

JOHANN.
Ja.
CAROLINE.

Bemühet euch doch, daß ihr so bald als es möglich ist – – – doch nein, lasset es nur gut seyn – – – Bey seite. Ich könnte mich in meiner Muthmassung irren; ich will vielmehr gehen, und die Gelegenheit vermeiden, mich gegen diesen Menschen zu verrathen.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
JOHANN
allein.

Zum Henker, wenn doch nun mein Herr gleich bey der Hand wäre, ich ersticke sonst noch von allen Geheimnissen, die ich hier im Hause auffange. [64] Ein halb Dutzend werde ich bey nahe im Leibe haben; den Fähndrich, der ein Rathsherr werden will, den Herrn von Wirbelbach mit der Kammerjungfer, den übelgerathnen Kuß des Grafen, die unglückliche Familie, den grossen Dienst den ich der Mademoiselle leisten kan, und den ich nur soll gut seyn lassen. Wenn das Ding länger so fort geht, so muß ich endlich zum Narren darüber werden.

6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Der Graf. Arnold. Johann.

ARNOLD
ohne den Johann zu sehen, zum Grafen.

Wahrhaftig, Ihro Excellenz, ihre itzige Begebenheit mit Carolinen, hat mich auf einen Einfall gebracht, der – – – –

DER GRAF.

St! wir sind nicht allein. Zum Johann. Seyd ihr Bärenheuter schon wieder hier? sagt mir wer braucht euch zum Spion in meinem Hause?

JOHANN.

Ich bin nur von ohngefehr noch hier, Ihro Excellenz; ich bin eben erst mit der Kammerjungfer fertig geworden, sie hatte die Gnade mich ihrer Unterredung zu würdigen. Sonst habe ich ein gut ehrlich Gemüth, und bekümmere mich nicht um die Tohrheiten meines Nächsten. Ich will daher Ihro Excellenz gleich Platz machen, denn ich bin ihr unterthäniger Diener, Bey seite. was ist doch ein böses Gewissen für eine beschwehrliche Sache.

7. Auftritt
[65] Siebenter Auftritt.
Der Graf. Arnold.

DER GRAF.

Ich glaube gar, der Schurke hält sich über mich auf. Es ist ein Glück für ihn, daß er ein heimlicher Zeuge von meiner Begebenheit mit Carolinen gewesen ist, sonst – – – doch, nun laß er hören, worauf er gefallen ist.

ARNOLD.
Ihro Excellenz haben Carolinen den Antrag gethan – – – wornach suchen Ihro Excellenz?
DER GRAF
sieht unter den Tisch.
Mir war bange, daß sich etwan wieder ein Spion versteckt hätte.
ARNOLD.

Caroline hat zwar den Kuß von Ihro Excellenz verschmähet, allein wenn dieselben Herrmann weiß machen könnten, daß sie ihn angenommen hätte, so würde dieser mit ihr zerfallen, denn ich kenne ihn, er ist eben so eyfersüchtig als verliebt sie in ihm ist. Carolinen will ich zugleich durch ein falsches Billet wider den Herrmann in den Harnisch bringen.

DER GRAF.

Und was wird mir dies alles helfen? wird mich Caroline dadurch mehr leiden können, wenn sie Herrmann gram wird?

ARNOLD.

Ich glaube es wenigstens ganz gewiß. Ich kenne das menschliche Herz. Sie glauben daß Caroline zu tugendhaft dazu ist, sie zu leiden? ja wenn die Tugend keine Chimäre wäre. Ehrgeitz, Eigennutz und Liebe sind die einzigen Triebfedern unsrer guten Handlungen; Caroline würde [66] nicht so spröde, nicht so sittsamm seyn, wenn sie nicht so verliebt wäre, und wie leicht ist nicht die Liebe eines Frauenzimmers in Haß zu verkehren; wo wird denn die Tugend bleiben, wenn diese schwache Grundsäule über den Haufen geworfen ist.

DER GRAF.

Ja, ja, ich seh alles ein, was er sagt. Mein eignes Herz ist mir Bürge, daß er recht hat. Doch ich weiß nicht, was mir noch für ein Zweifel übrig bleibt; vielleicht darf ich nicht von meinem Herzen auf andre schliessen.

ARNOLD.

Warum nicht? haben nicht alle Menschen menschliche Herzen? fassen sie nur einen guten Muth, ich will gehen und meine Rolle spielen.

8. Auftritt
Achter Auftritt.
DER GRAF
allein.

Wie glücklich bin ich, daß ich einen so treuen Menschen in meinen Diensten habe! wahrhaftig, nichts ist an einem Bedienten löblicher, als ein gefälliges Gemüth. Ich kan ihn zwar zu nichts gebrauchen, und er weiß nicht vielmehr als meine Kinder, die er unterrichten soll, dem ohngeachtet aber schätz ich ihn ungemein höher als den Herrmann, denn so unentbehrlich mir dieser Mensch zu meinen Geschäften ist, so sehr hasse ich doch seine Widerspenstigkeit. Er weiß seine Verdienste auf eine Art an den Tag zu legen, und geht so behutsam mit mir um, daß ich oft, ich weiß selbst nicht, was für eine Ehrfurcht gegen ihn trage, [67] und es ärgert mich allemal in der Seele, daß mir ein Mensch von seinem Stande so achtungswürdig vorkommen muß. Doch ich sollte bald vergessen, daß mir der Licentiat seine Braut herzuschicken versprochen hat, und daß ich daher verbunden bin ihm die Ratsherrnstelle zu verschaffen, ich werde mir schon einmal Gewalt anthun, und meine Gemalinn liebkosen müssen, damit ich ihre Einwilligung für den Licentiaten erhalte. Ich sehe sie kommen, sie kömmt mir wie gerufen.

9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Der Graf. Die Gräfinn.

DIE GRÄFINN
vor sich.

Ich muß mich doch ein wenig gefällig gegen meinen Alten erzeigen, und ihm schmeicheln, damit er mir ohne Widerrede Valern zum Ratsherrn macht, denn ich habe diesmal eben nicht Zeit gehabt aus einen wichtigen Vorwand zu denken.

DER GRAF.

Wahrhaft Madame sind sie doch heut fast so schön, als vor vierzig Jahren, da ich das Glück hatte sie zum erstenmal zu sehen, bedenken sie wie schön sie seyn müssen, sie setzen ihren eignen Gemahl bey nahe in die Gefahr in sie verliebt zu werden, und ich würde so albern seyn, ihren Reitzungen eine Lobrede zu halten, wenn ich nicht zum voraus sähe, daß sie so wunderlich seyn, und mir ihr Gehör versagen würden.

DIE GRÄFINN
die ersten Worte bey seite.

Diese Gemüthsverfassung meines Gemahls ist ohnmöglich [68] natürlich. Sie thun mir unrecht Herr Graf, ich bin lange nicht so eigensinnig, als sie immer sind. In der That, ich bin entzückt vor Freude, daß ich sie heute so munter, so artig sehe. Ihre Blicke rühren mich heute weit mehr, als alle Seufzer meiner Anbeter. Ach! wie vortreflich gelingt ihnen ihre Achtsamkeit auf meine Reitzungen. Ihre ganze Figur verjüngt sich; sie bekommen auf einmal ein ganz neues erobernd Wesen; Ach! das Herz seiner Gemahlinn in ihren Jahren noch erobern, das will viel sagen.

DER GRAF
die ersten Worte bey seite.

Was zum Teufel ist ihr auf einmal angekommen; solche gute Worte hat sie mir in dreyssig Jahren nicht mehr gegeben. Sie bezaubern mich, Madame, durch ihre Gefälligkeit. Wahrhaftig, von nun an sollen sie ganz allein in meiner Seele herrschen, die Blicke aller Frauenzimmer in der ganzen Welt sollen zu ohnmächtig seyn, mich gegen sie untreu zu machen. Er küßt ihr die Hand.

DIE GRÄFINN
die ersten Worte bey seite.

Der Himmel sey mir gnädig, wo er mich im Ernste zu lieben anfängt; Herr Graf, sie geben mir heute das Glück erst recht zu empfinden, daß ich in ihrem Herzen besitze. Sie haben mich gerührt, daß ich es nicht sagen kan, und ich sehe mich genöthiget ihre Zärtlichkeit zu belohnen. Sie küßt ihn.

DER GRAF
bey seite.

Wahrhaftig! das Weib ist heut rasend, sie macht gar Ernst daraus, ich unglücklicher Mann! doch wo ihr nach dem Kusse so zu muthe wird, wie mir, so werd ich ihrer [69] bald loß werden. Es ist doch nichts abscheulicher, als eine alte Frau zu küssen. Mich graut, daß ich sie wieder ansehen soll.

DIE GRÄFINN
bey seite.

Verdammt sey doch der Einfall dem alten Ungeheuer zu schmeicheln! dieser Kuß wird mir auf vier Wochen das küssen verleiden. War es doch nicht anders als wenn meine Lippen auf sein faules Holz hafteten; wenn er mir nur aus den Augen wäre!

DER GRAF
hönisch.
Wie? Madame, sie werden tiefsinnig? woran denken sie?
DIE GRÄFINN
kaltsinnig.
Ich kan mir von dem Vergnügen, welches mir ihr Kuß erweckte, kaum wieder erholen.
DER GRAF
kaltsinnig.

Und ich werd dennoch in vierzehn Tagen den Geschmack von ihren Lippen nicht verliehren können; kein Honig kan so süsse seyn.

DIE GRÄFINN
bitter.

O Pfui! sie fallen auf einmal ins alberne, einen so alten abgelebten Mann kleidet es gar nicht, noch so kindisch zu thun. Wahrhaftig die grüne Liebhaber und die graue Männer, drücken sich am lächerlichsten aus in der Liebe; doch jenem verzeihet es man eher als diesen, denn unter so vielen Annehmlichkeiten wird es mit zu einer Artigkeit.

DER GRAF
aufgebracht.

Ich versichre sie, Madame, daß es nicht meine Schuld ist, daß meine Liebkosungen lächerlich werden, sie werden es nur durch den schlechten Werth ihrer Reitzungen. Was kan ich dafür, daß sich mein Herz nicht betrügen läßt, und daß es mehr Gewalt über meine Zunge hat, als sie über mein Herz haben?

[70]
DIE GRÄFINN.

Wahrhaftig es verlohnte sich der Mühe wohl daß ich nach dem Besitz eines ohnmächtigen Herzens strebte, welches eingenommen zu haben sich schon ein Cammermädgen zur Schande rechnet. Ha, ha, ha! Sie geht ab.

10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
DER GRAF
allein.

Dem Himmel sey dank, daß sie mich selbst von ihrem Anblick befreyt! aber die verzweifelte Caroline muß mich verrathen haben. Schon gut! wenn nur Arnolds Vorhaben gelingt, und ich sie erst gefälliger gegen mich gemacht habe, so will ich mich an ihr auf die angenehmste Weise rächen.

11. Auftritt
Elfter Auftritt.
Der Graf. Herrmann.

HERRMANN.
Ihro Excellenz, Arnold hat mir gesagt, daß mich dieselben zu sprechen verlangten.
DER GRAF.

Ja. Ich habe ihm zwar vorhin seine Bitte abgeschlagen, als er mich hier an mein Versprechen erinnerte, allein ich habe mich anders besonnen, ich gebe ihm hiermit mein Wort von neuen, es soll kein andrer als er die Rathsherrnstelle bekommen. Komm er nur mit mir, ich will ihm gleich eine schriftliche Ausfertigung darüber geben.

HERRMANN
erstaunt.

Ihro Excellenz überraschen meine Seele durch diese plötzliche Gnadenbezeigung, [71] und ich weiß nicht – – – Bey seite. Himmel was wird hierunter wieder verborgen seyn.

DER GRAF.

Nun? wie? er erharrt ja fast über meine Gewogenheit. Doch, es ist wahr, er hat Ursache über meine Gnade zu erstaunen, er hat sich derselben durch seinen unerträglichen Hochmuth nicht würdig gemacht. Allein, Caroline hat sich derselben besser zu versichern gewußt. Ihrer Gefälligkeit hat er sein ganzes Glück zu verdanken.

HERRMANN.

Himmel! von was für einer Person reden Ihro Excellenz? von Carolinen? nein, ich werde ewigem Glück verabscheuen, das mir derselben Gefälligkeit – – –

DER GRAF.

Laß er nur seine Eyfersucht erst ausrasen. Ich weiß, er wird hernach die Sprache ändern. Für einen Menschen, der sein Glück machen will, schickt es sich nicht, einen so zärtlichen Geschmack zu haben. Zwey Küsse von mir werden, sollt ich denken, Carolinen seiner Verehrung nicht unwürdiger machen können. Geht ab.

12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
HERRMANN
allein.

O Himmel! was für eine entsetzliche Nachricht für mich! – – – die niederträchtige! die Verrätherin! – – – sie kennt meine Empfindlichkeit, sie kennt meine ganze Liebe gegen sie, die nicht grösser seyn kan. Sie hat mir mit den theuresten Eyden versprochen – – – allein glaub ich nicht zu leicht? Caroline, der edelste Character, den ich kenne, ein Herz das ich verehre, sollte aus [72] Eigennutz – – – ach! leider! mein Unglück muß wohl gewiß seyn, der Graf wirft seine Gnade nicht weg, Verdienste und Tugenden belohnet er nie damit, man muß niederträchtig seyn, wenn man Umgefallen will, – – – aber, wie? ist meine Eyfersucht fast nicht einer Raserey ähnlich? ich kenne Carolinen, ich bin ja ihrer Tugend so wie ihres Herzens gewiß, sollte sie wohl aus gar zu grosser Liebe für mein Glück, solches durch einen unschuldigen Kuß – – – ach! wie scharfsinnig bin ich mir zu schmeicheln. Kenne ich etwann den Graf nicht genug? durch zwey Küsse, sagte er, mache sie mein Glück; – – – die haben ihn gewiß nicht überwunden, wer weiß wie weit er – – – abscheulicher Gedanke! – – – ich verfluche ihn, ich verfluche mich selbst, daß ich ihn zu begreifen fähig bin; aber dich ungetreue, dich Verrätherin meiner Glückseligkeit, dich muß ich noch weit mehr – – – nein, ich empfinde, daß ich nicht fähig bin, dich zu verfluchen. Da kömt die Lasterhafte; O Himmel! ich bin verlohren, ich darf an ihrer Verrätherey nicht mehr zweifeln, sie hat die schriftliche Ausfertigung, den Preiß ihres Lasters, in Händen, ich will doch hören wie weit sie es treiben, wie triumphirend sie mich meines Unglückes versichern wird.

13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt.
Herrmann. Caroline.

CAROLINE
mit einem Papier in der Hand, ohne Herrmann zu sehen.

Der Betrüger! nein, solcher[73] Untreu ist mein Herrmann nicht fähig. Mein Herz bürgt mir für das seine. Der Verräther ist noch lange nicht listig genug, zwey so fest verbundene Herzen zu trennen. Etwas lauter. Wie wird sich Herrmann entsetzen, wenn ich ihm die Nachricht bringen werde – – –

HERRMANN
geht auf sie loß, und reißt ihr das Papier wütend aus der Hand.

Ja. Verrätherin, mein Entsetzen ist so groß als mein Unglück. Allein, sie sollen der Früchte ihres schändlichen Eyfers so wenig geniessen, als sie meiner Zufriedenheit geschont haben. Er zerreißt das Papier, und wirft es auf die Erde.

CAROLINE
bey seite.

Himmel! ich erstaune! so ist das Billet doch nicht untergeschoben? so bin ich denn verrathen? Zum Herrmann. Meineidiger, ist das die Vergeltung meiner Zärtlichkeit? so ist mir denn der Verlust ihres Herzens gewiß? allein, Verräther, hören sie erst die gerechten Verweise – – – doch nein, ich kan mich kaum so weit herunter lassen einem treulose Vorwürfe zu machen, und wenn ich es auch thun wollte, so würden mich nur die Thränen unterbrechen, die mich der Verlust eines so schätzbaren, eines so liebgewesenen Verräthers kostet. Sie weint und will weggehen.

HERRMANN
bey seite.

Ach! daß mich die ungetreue noch rühret! vielleicht ist sie nicht so strafbar als ich denke! wenn sie doch unschuldig wäre! ich will sie wenigstens anhören. Holt Carolinen, die schon einige Schritte weggegangen war, wieder zurück. Wenn ich ihnen denn jemals schätzbar, wenn ich[74] ihnen lieb gewesen bin, so zeigen sie es wenigstens durch eine geringe Bemühung sich meines Herzens wieder zu bemächtigen, rechtfertigen sie sich – – –

CAROLINE.

Wie? sie verdoppeln noch immer die Beweise, daß ich ihnen an einem unwürdigen meine Zärtlichkeit verschwendet habe? ich soll mir die Mühe geben, mich ihres Herzens wieder zu bemächtigen, das sie mir ohne Ursach entrissen haben? nein, so viel Stolz habe ich mir in ihnen niemals vermuthet; könnt ich ihn doch mit dem meinigen vergelten! ja; ich muß leider! leben sie wohl! Sie geht einige Schritte weg, und bleibt mitten auf den Theater stehen, und hört zu, was Herrmann mit sich redet.

HERRMANN.

O Himmel! wo nehme ich Kraft her, so viele Bewegungen auszuhalten; oder warum zerreissen sie mir nicht viel lieber ein Herz, welches das allerunglückseligste ist. Da es einer Person nicht mehr zugehören kan, die meine ganze Beruhigung in ihren Händen hatte?

CAROLINE
bey seite.

Es scheint, als wenn ich einige Zeichen einer Reue an ihm wahrnehme! wie bereit wäre ich ihm seine Untreue zu vergeben, wenn er mich zum wenigsten nur seiner Entschuldigung würdigen wollte. Sie kömmt wieder. Wenn sie sich noch so weit herunterlassen mögen, einer Person, die sie durch die heiligsten Schwüre hundertmal ihrer Zärtlichkeit versichert haben, und nun vergessen und verachten, Rechenschaft zu geben, so gestehen sie mir wenigstens, ob sie nicht das geringste Mitleid gegen mich empfinden, da sie [75] mich verlassen wollen. Ich gönne ihnen ihr Glück, der Himmel weiß, daß mich über ihren Verlust nichts trösten kan, als die Vorstellung von den glücklichen Umständen, in welche sie die Verbindung mit der reichen Wilhelmine setzt, und daß ich nichts mehr wünsche, als bey unsrer Trennung, so unglücklich sie auch für mich ist, ihres Beyleids gewürdiget zu werden, und – – –

HERRMANN.

O! welche entsetzliche Verläumdung! ich sollte sie verlassen, um bey einer andern mehr Reichthum – – – ich hätte wohl Recht zu glauben, daß meine Gesinnungen von ihrem Herzen besser gerechtfertiget würden. Allein, wie können sie den selben Recht wiederfahren lassen, wenn sie nach den ihrigen schließen müssen? ich schäme mich ihnen eine That vorzurücken, die uns beyden so wenig Ehre macht. Allein aus meiner Wut, aus den zerrissenen Stücken des Präsents, so mir der Graf durch sie machen wollen, können sie wahrnehmen, wie sehr ich solche Mittel versuche – – –

CAROLINE.

Was höre ich? in welchem Wahne stehen wir alle beyde? dies ist kein Präsent vom Grafen, so zu ihren Füssen liegt, es ist ein Brief von einer reichen Wilhelmine – – –

HERRMANN.
Was sagen sie? habe ich mich betragen?
CAROLINE.
Lesen sie nur das Schreiben selbst, wenn es sich noch thun läst, und rechtfertigen sie sich.

Sie lesen die Stücke des zerrissenen Papiers von der Erde auf, Herrmann legt sie zusammen, und lieset es.
[76]
HERRMANN
er list.

Liebster Herrmann. Sie entzücken mich durch die Nachricht, daß sie sich so wohl als meinen Vorzügen Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Mein Vermöge, mein Glück, welches ich ganz und gar mit ihnen theile, oder vielmehr worüber ich sie zum Herrn setze, kan ihre Untreu gegen Carolinen bey aller Welt rechtfertigen, ja bey Carolinen selbst, wenn sie anders so viel Liebe gegen sie hegt, als sie verdienen. Mein Vater und ich erwarten sie heut bey der Abendmahlzeit; gönnen sie das Vergnügen sie bald zu sehen ihrer getreuen Wilhelmine. – –

CAROLINE.
Was sagen sie dazu?
HERRMANN.
Ich kan vor Erstaunen nichts sagen. Wer hat ihnen diesen vermaledeyten Brief gegeben?
CAROLINE.

Der Feind aller rechtschafnen Leute, Arnold. Er sagte, er hätte denselben auf ihrer Studierstube gefunden, und – – –

HERRMANN.
Und sie haben sich vorstellen können – – –
CAROLINE.

Ich habe mir gleich vorgestellet daß es ein Betrug seyn müßte. Konnte mein Herz wohl in das ihrige ein Mistrauen setzen? ich kam auch mit dem Briefe hieher, um ihnen die Fallstricke zu entdecken, die man uns legt; allein, die Wut, mit welcher sie ihn zerrissen, brachte mich auf den Argwohn, daß sie sich schuldig befänden, und ich zitterte wider meinen Willen wegen ihrer Treue.

HERRMANN
wirft sich ihr zu Füssen.

Wie verehrungswürdig überführen sie mich, liebste Caroline, daß sie gerechter gegen mich sind, als ich gegen sie. Ach! wodurch soll ich die Beleidigung [77] versöhnen, die ihnen mein Argwohn verursacht! der Graf schenkte mir hier die Rathsherrnstelle aufs neue, mit dem Anhange, daß ich solche zweyen Küssen zu danken hätte, die sie – – – der Himmel ersticke den Gedanken in meiner Seele! ich glaubte dem Graf, ich sahe sie mit dem Papier zu mir kommen, ich dachte es wäre die schriftliche Ausfertigung. So groß das Unrecht ist, daß ich ihnen angethan habe, so groß ist zugleich mein Glück, und so empfindlich ist es mir, da ich meinen Irrthum einsehe.

CAROLINE.

Stehn sie auf, liebster Herrmann; vergessen sie unsern Argwohn, wir wollen unsre Herzen vielmehr dem Vergnügen und der Freude überlassen, welche das Glück in uns ergiesset, daß wir uns geirret haben. So sehr erst solche Irrthümer zwey so fest verbundene Seelen schmerzen, so reiche Quellen von Entzückung und Liebe werden sie, wenn sie verschwinden. Welch ein Trost für uns, daß unsre Herzen alle Verfolgungen des Grafs und seines verräterischen Vertrauten verachten können! der Verdruß seine Anschläge zernichtet zu sehen, wird den Graf gewiß antreiben ihnen fein Wort von neuen zu brechen. Doch wir wollen uns gar nicht mehr um die Rathsherrnstelle grämen. Wir wollen uns beständig lieben, und die Erhaltung eines Amtes nur als eine Nebensache betrachten. Eine günstige Gelegenheit thut hierinn öfters mehr als alle unsre Bemühungen.

HERRMANN.

Sie durchbohren und entzücken [78] mein Herz. Ja, wir wollen uns beständig lieben; doch um unsrer Liebe willen, will ich noch einmal bey dem Graf so wohl als bey der Gräfinn, mein möglichstes anwenden, in einen Stand zu kommen, in welchen ich sie ohne Furcht vor Grafen und Arnolds ewig lieben kan.


Ende der Dritten Handlung.

4. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Johann. Valentin.

JOHANN.

Laß uns ein wenig mit einander plaudern Kamerad; ich soll meinen Herrn hier erwarten, und die Zeit wird mir zu lang. Ich bin in der Küche gewesen, aber die verzweifelten Küchenjungens wollen mich da nicht leiden.

VALENTIN
hochmüthig.

Mein guter Freund, ihr seyd nicht bey eures gleichen. Worinn kan ich euch bey meinem Herrn dienen? denn sonst wüßt ich nicht was ihr mir zu sagen hättet.

JOHANN.
Mein guter Freund, seyd ihr nicht ein Bedienter eures Herrn?
VALENTIN.
Ja, und – – –
JOHANN.
Und ich bin meines Herrn Bedienter auch, ergo bin ich bey meines gleichen.
[79]
VALENTIN.
Ihr seyd ein Schlingel, und ich heisse Monsieur, das ist der Unterscheid.
JOHANN
mit einem Compliment.
Ach! um Vergebung Monsieur Schlingel, ich habe nicht gewußt – – –
VALENTIN.
Was? ihr untersteht euch einen Menschen zu schimpfen – – –
JOHANN.

Ich hatte eure Einteilung vergessen, ich wußte nicht, wem der Schlingel zukam, darum gab ich euch beyde Titel, damit ihr euch den eurigen aufsuchen könntet. Was kan ich mehr thun?

VALENTIN.

Ihr seyd ein Flegel, der nicht mit Bedienten meines gleichen umzugehen weiß. Wer weiß ob ihr mich nicht in zwey oder drey Jahren Gestrenger Herr tituliren müßt, und damit will ich mich schon wegen der heutigen Beleidigung nachdrücklich an euch rächen. Er geht weg.

JOHANN.

Der Kerl ist unsinnig. Allein, er hat wohl recht, ich habe wohl ehe gehört, daß solche Lakäyen im Alter Livrey gegeben haben. Was haben wir Officierbediente dagegen zu erwarten? wenn wir hochsteigen, so werden wir einmahl mit der Trommel, oder mit der Querpfeife belohnt.

2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Chrysander. Johann.

CHRYSANDER
vor sich im Hereintreten.

Das ist gut, hier finde ich zum Glück einen Bedienten von den Graf, der soll mir meinen Zweifel auflösen.[80] Zum Johann. Mein Freund! er gehört doch in dies Hauß?

JOHANN.
Meinen sie etwan, daß ich auf die Strasse gehöre?
CHRYSANDER.
Versteht er mich nicht? ich meine, ob er bey dem Herrn Graf in Diensten ist?
JOHANN
bey seite.

Soll ich lügen, oder die Wahrheit sagen? ich will keines von beyden thun. Laut. Ja, ich bin ein Bedienter.

CHRYSANDER.
So wird ihm wohl die Gemüthsart seines Herrn ein wenig bekannt seyn?
JOHANN.
O ja gnädiger Herr – – – verzeihen sie mir, wenn ich ihnen einen unrechtmässigen Titel beylege.
CHRYSANDER.

Mein Titel ist sonst nur Herr Licentiat gewesen; allein, da ich heute Abend noch die Rathsherrnstelle erhalten soll, so werde ich es ihm nicht übel nehmen, wenn er mich Ihro wohlweisen zum voraus nennet.

JOHANN
bey seite.

Das ist ein sonderbarer Kerl, dem kan ich schon etwas weiß machen. Laut. Ja, Ihro wohlweisen zum voraus, die Gemüthsart des Herrn Grafs ist mir vollkommen bekannt.

CHRYSANDER.
So wird er vollkommen geschickt seyn, mir eine Nachricht zu geben – – –
JOHANN.

Mit Ihro wohlweisen Erlaubniß, dazu werde ich nicht geschickt seyn; ein treuer Diener giebt keine Nachrichten von seinem Herrn.

CHRYSANDER.

Sey er versichert, daß ich zu [81] vernünftig dazu bin, etwas von ihm zu begehren, was wider seine Treue und die Ehre seines Herrn streiten könnte. Er stekt ihm einen Ducaten in die Hand.

JOHANN.

Ja, Ihro wohlweisen sind der vernünftigste Mann in der Stadt, vergeben sie mir meine Unwissenheit, ich kannte sie erst nicht, fragen sie mich nun was sie wollen.

CHRYSANDER.

Der Herr Graf hat mir zwar die Rathsherrnstelle versprochen, allein, er verlangt, daß ich meine Braut herschicken soll, die er mit dem Amte völlig belehnen wollte; ich habe es ihm auch zugesagt; allein nach einer reifern Uberlegung ist mir die Sache ein wenig bedenklich vorgekommen. Ich kan nicht begreifen, warum der Graf mich nicht so wohl mit dem Amte belehnen kan, als meine Braut.

JOHANN.
Den Zweifel will ich Ihro wohlweisen bald benehmen. Ihre Braut ist doch ein Frauenzimmer?
CHRYSANDER.
Nein, sie ist ein Fräulein.
JOHANN.
Das wird sich eben nicht viel aus dem Wege seyn. Ist ihre Braut hübsch?
CHRYSANDER.
Sie ist ein Meisterstück.
JOHANN.
Weiß es der Graf?
CHRYSANDER.
Aus meiner Erzählung.
JOHANN.
Nun will ich ihnen gleich aus dem Traume helfen. Verstehen sie den Lauf der Planeten ein wenig?
CHRYSANDER.
Ich habe mich um die Narrenspossen niemals bekümmert.
[82]
JOHANN.
Das werden sie doch zum wenigsten wissen, woher der Mond sein Licht bekömmt?
CHRYSANDER.
Wie Teufel gehört das hieher?
JOHANN.
Das sollen sie gleich sehen; der Mond bekömmt sein Licht von der Sonnen. Nicht wahr?
CHRYSANDER.
Es kan seyn.
JOHANN.
Und der Mond würde ein finstrer Klumpe bleiben, wenn keine Sonne wäre. Nicht wahr?
CHRYSANDER.
Was folgt denn endlich daraus?
JOHANN.
Und sie würden ewig Licentiat bleiben, wenn sie keine Braut hätten.
CHRYSANDER.

Nun bin ich so klug, als ich gewesen bin. Ich will aber hauptsächlich wissen, warum ich nicht so gut Rathsherr werden könnte, wenn ich keine Braut hätte.

JOHANN.

Weil die guten Eigenschaften ihrer Braut dem Herrn Graf vielleicht eher in die Augen fallen, als die ihrigen. Ueber sie könnt er leicht hinweg sehen, ihre Braut aber kan seine Blicke heften, und stille stehend machen. Sie bleiben alsdann an ihr hangen und prallen von ihr auf sie zurück, und sie werden gleichsam Rathsherr par bricol.

CHRYSANDER.

Ich kan aus seinem Mischmasch nicht die geringste Klugheit ziehen. Was räth er mir denn, sollte es wohl gefährlich seyn, wenn ich meine Braut herschickte?

JOHANN.

Der klügste Rath ist, das sie solches gar nicht untersuchen. Wenn sie Rathsherr [83] werden wollen, so schicken sie ihre Braut gutwillig her, in der festen Zuversicht, daß sie diese so gut wiederbekommen, als sie sie hergeschickt haben. Eine allzugrosse Ueberlegung verderbt in dergleichen Sachen alles mit einander.

CHRYSANDER.

Ich danke ihm für seinen guten Rath, und damit dem Herrn Graf die Zeit nicht allzulang werden möge, so soll sie in einer halben Stunde gewiß hier seyn; denn ich muß Rathsherr werden, es mag auch kosten, was es will.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Valer. Johann.

JOHANN.

Ach! das ist gut, daß sie einmal wiederkommen, ich habe seit ihrer Abwesenheit Todesangst ausgestanden, und Geld verdient, ich bin seit der Zeit ihr Lakey und auch des Grafen Lakey gewesen, ich habe ihren Namen bey der Kammerjungfer angebracht, ich habe – – – o! was weiß ich alles miteinander, was seit einer Stunde mit mir vorgegangen ist!

VALER.
Bestie, bist du schon wieder besoffen?
JOHANN.

Ja, in lauter Geheimnisse. Aber sagen sie mir doch, ist es denn an dem, daß sie aus einer unglücklichen Familie sind?

VALER.
Was zum Teufel willst du damit sagen?
JOHANN.
Das wissen sie nicht?
VALER.
Nein!
JOHANN.
So müssen sie ein kurzes Gebächtniß haben. Besinnen sie sich einwenig.
[84]
VALER.
Wo du mich lange aufhälst, Bärenhäuter, so nimm dich in acht. Ich habe mehr zu thun.
JOHANN.

Ja, es ist wahr die Gräfinn wird auf sie warten. Aber haben sie mir nicht befohlen, daß ich der Kammerjungfer ihren Namen nennen und auf ihre Mienen achtung geben sollte?

VALER.
Nu, hast du da gethan mein lieber Johann?
JOHANN.

Ja, mein lieber Herr Valer, – – – lassen sie uns immer in dem freundschaftlichen Stilo mit einander reden; das klingt besser, als wenn wir uns einander ausbärenhäutern.

VALER.
Mach ein Ende sag ich dir! hast du etwas besonders an ihr wahrgenommen?
JOHANN.

Freylich! ihr Name that bey ihr eine ganz sonderbare Wirkung. Sie wollte mich erst allerley fragen, allein so bald ich nur den Herrn von Wirbelbach nennte, so stand der Perpendikel ihrer Neubegierde auf einmal so still, als eine abgelaufene Uhr. Sie antwortete, daß ihr diese unglückliche Familie wohl bekannt wäre, sie seufzt sie sprach mit sich selbst, ich sollte ihr einen grossen Dienst leisten, ich sollte ihn nur gut seyn lassen, und darauf verschwand sie so geschwind aus dem Saale als die Soldaten aus dem Wirthshause verschwinden, wenn sie den Fähndrich von Wirbelbach kommen hören. Sie werden wohl der einzige Mensch seyn, der daraus klug werden kan.

VALER.

Ja, ich befinde, daß ich mich nicht [85] betrogen habe. Nun wird mich meine Verkleidung gewiß nicht gereuen, und wenn ich auch gleich meine Absichten bey der Gräfinn nicht erreichen, und keinen Dank bey dem Obristen verdienen sollte. Da kömmt die Gräfinn, ich muß sie sprechen. Geh in dessen und versuche ob du mit der Kammerjungfer wieder in ein Gespräch kommen, und nähere Nachricht von der unglücklichen Familie, wie sie dieselbe nennt, erhalten kanst.

JOHANN.

Wenn der Wind gut bleibt, so werde ich mit einer ganzen Schifsladung von Neuigkeiten zurück kommen. Er geht ab.

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Die Gräfinn. Valer.

DIE GRÄFINN.

Es ist gut, daß ich sie noch in meinem Hause antreffe. Ich habe eben erfahren, daß mein Gemahl einem gewissen Licentiaten die Rathsherrnstelle noch heute zu geben versprochen hat. Darum müssen sie sich ja nicht entfernen, damit ich sie als meinen Candidaten, dem seinigen zu rechter Zeit entgegen setzen kan. Der Licentiat muß ein abgeschmackter und unwissender Kerl seyn. Der Tölpel untersteht sich zu glauben, daß es in meines Gemals Gewalt sey, ihm die Bedienung zu geben, und daß er meiner Gewogenheit dabey entbehren könne. Mein gutes Herrchen, und wenn ihr Docter dazu wäret, so sollt ihr diesesmal nicht Rathsherr werden. Ihr wäret der erste Candidat, der ein Amt erhielte, ohne meine Stimme zu haben, sie sind klüger, Herr [86] Valer, sie verstehen es, eine Sache am rechten Ende anzugreifen.

VALER.

Unterdessen muß ich doch zum Ruhme Ihro Excellenz, und vielleicht auch zu dem meinigen bekennen, daß ich diese Klugheit nicht von mir selbst habe. Die vortreflichen Eigenschaften ihres Geistes, gnädige Frau, ihre Hoheit, ihr scharfsinniger Verstand, ihr – – –

DIE GRÄFINN
verdrießlich.
O pfui! bleiben sie mit dergleichen läppischen Schmeicheleyen zu Hause.
VALER.

Mehr, als alles, aber, die Gewalt ihrer geistreichen Augen, ihre von Jugend und Schönheit noch blühende Gesichtszüge, so viel Annehmlichkeiten, welche den Liebesgott selbst auf ihrer glänzenden Stirn, auf ihren feurigen Munde, auf ihren küssendswehrten Händen, in ihrer ganzen Leibesgestalt abzeichnen – – –

DIE GRÄFINN
verliebt.
Ach! sie haben einen guten Geschmack!
VALER.

Alle diese Reitzungen, von welchen man die bewundernswürdigste nicht auszulesen weiß, haben mich in der Schule gehabt. Ich schätze mich mit Recht für den glückseligsten Candidaten, der noch jemals nm ein Amt angehalten hat. Was für eine Wollust ist es nicht, die Gewalt so vieler Schönheiten zu empfinden! es kan gar nicht fehlen, es kan kein Mensch, der gesunde Augen hat, Ihro Excellenz betrachten, ohne in ihren Blicken so gleich die Nothwendigkeit gewahr zu werden, sich um ihre Gewogenheit zu [87] bestreben, wenn er in seinen Absichten glücklich seyn will. Ich zum wenigsten habe diese Wahrheit so starck eingesehen, daß ich es gar für un nöthig gehalten habe, mich weittäuftig bey ihrem Herrn Gemal beliebt zu machen. Ich empfinde es daß Ihro Excellenz mächtig genug sind, mich allein glücklich zu machen, und mir ein Amt zu geben, in dessen Bekleidung ich zeit Lebens ein Zeugniß von ihrer Gewalt und Weißheit ablegen werde.

DIE GRÄFINN.

Sie betrügen sich vielleicht Herr Valer, meine Reitzungen müssen in der That nicht so mächtig seyn, da der Licentiat so verwegen seyn kan, über dieselben hinzusehen.

VALER.

Das ist sein Unglück, aber nicht der Fehler ihrer Reitzungen. Er muß keine Augen, kein Gefühl, keinen Geschmack haben.

DIE GRÄFINN.
Der Klotz!
VALER.
Er mag wohl gar in dem Irrthum stehen, daß Ihro Excellenz alt sind.
DIE GRÄFINN.
Der Tölpel!
VALER.
Oder, er mag sich auch scheuen, ihren Herren Gemal eyfersüchtig zu machen!
DIE GRÄFINN.
Der Narr!
VALER.

Oder er mag auch Ihro Excellenz so wenig Wissenschaft zu leben zutrauen, und glauben, sie wären in ihren Herrn Gemal so verliebt, daß sie den Weyhrauch verschmähen würden, welchen ihnen auch andre Mannspersonen zu opfern schuldig sind.

DIE GRÄFINN.

Der einfältige Tropf! kein Klang ist in meinen Ohren verhaßter, als der [88] Thon der Schmeicheleyen, die mir mein Gemal versagt; allein zu meinem Glücke geräth er eben nicht oft zu dieser Ausschweifung, diese Thorheit kömmt ihm nur an, wenn er ein wenig getrunken hat.

VALER.

Darinn sind Ihro Excellenz noch glücklich. Ich kenne Frauens bürgerlichen Standes, welche recht von den Liebkosungen ihrer Männer belagert sind, und doch lieber in der Nachbarschaft eines Tag und Nacht lärmenden Grobschmiedes wohnen würden, wenn sie dadurch das Kreutz los werden könnten, daß sie die Seufzer ihrer verliebten Männer anhören müssen.

DIE GRÄFINN.

Ich kan aber bey dem allen die Ursache nicht ergründen, warum uns Frauens die Seufzer der Anbeter lieblicher klingen, als die Seufzer unsrer Männer; es sind doch einmal wie allemal Seufzer. Ich kan nicht umhin ihnen zu gestehen, daß ich es für eine Schwachheit halte, aber diese Schwachheit hat in meinen Augen so etwas angenehmes und bezauberndes, daß ich lieber tod seyn, als diese Schwachheit nicht an mir haben wollte.

VALER.

Ihro Excellenz haben vollkommen recht; denn ein Leben ohne Schwachheiten ist ein verdrießliches einerley, welches einem Schlafe nicht unähnlich ist. Die Ursache aber von diesem Geschmacke der Frauens, liegt in der Natur und in der Vernunft selbst. Die Seufzer eines Mannes sind durch den Argwohn vergiftet, daß sie nur die kalte Pflicht hervor bringet, die Seufzer eines Anbeters aber entstehen allemal aus der feurigen [89] Neigung; diese sind die Wirkung der Vortreflichkeiten eines Frauenzimmers, jene aber nur eine Notwendigkeit, welche allemal etwas verdrießliches mit sich führet. Wenn ich hier aber von einer feurigen Neigung rede, so kan ich solches aus meinem Beyspiel erweisen; denn ohngeachtet mich die Ehrfurcht, welche ich als ein bürgerlicher ihrem Stande und ihrer Geburt schuldig bin, im Zaum halten sollte, so reissen mich doch ihre Annehmlichkeiten aus den Schranken, und machen meine ganze Seele gegen sie so zärtlich, als ob mich die Geburt berechtigte – – –

DIE GRÄFINN
verliebt.

Ach! die Zärtlichkeit ist weit stärcker, als Geburt und Stand; ich empfinde es nur allzusehr. Noch mehr, ich muß ihnen bekennen, daß ich von dem Umgange mit Edelleuten gar keine Freundinn bin, ihre Liebesgeständnisse sind mehr zuversichtlich gegen ihre eigne Verdienste, als demüthig und empfindlich gegen die unsrigen. Vor allen aber sind die Officier in meinen Augen die abscheulichsten; sie seufzen nicht nach unsern Gunstbezeigungen, sie wollen sie durch drohen und pochen erzwingen, sie meinen, es sey mit der Eroberung eines Herzens eben so beschaffen, als mit der Eroberung eines Citadels. Der Sturm sey der kürzeste und rühmlichste Weg. Die guten Herren wissen aber nicht, daß eine Dame nicht so unter den Fuß zu bringen ist, als ein Regiment.

VALER.

Ihro Exzellenz irren sich in ihren Empfindungen gar nicht. Ein Officier verschwendet [90] so viel Lobeserhebungen an seine Heldenthaten, an seine Wunden, an seine Gefahr, an seine Tapferkeit, daß er keine Worte übrig behält, den Vortreflichkeiten eines Frauenzimmers Lobreden zu halten. Es kan daher nicht fehlen, er muß mißfallen. Mit uns Gelehrten aber ist es ganz anders beschauen. Ich wenigstens wollte wohl ein ganzes Jahr lang von Ihro Excellenz bewundernswürdigen Eigenschaften reden, und doch noch Materie übrig haben, sie die folgende Jahre damit zu unterhalten.

DIE GRÄFINN.

Und sie besitzen eine so einnehmende Beredsamkeit, daß ich niemals müde werden würde, sie anzuhören; allein, es ist war eine schöne Sach um eine angenehme Unterredung, doch ein zärtlicher und feuriger Liebhaber lässet es nicht dabey bewenden; er unterbricht das Gespräch zuweilen durch ein wenig Leichtfertigkeit. Er hat seinem geliebten Gegenstande so viel zu sagen daß ihm die Sprache zu unvollkommen ist, sich auszudrücken, er nimmt noch andre Zeichen zu Hülfe. Verstehen sie mich Herr Valer?

VALER
küsset ihr die Hand.
Urtheilen Ihro Excellenz selbst, ob ich sie verstehe.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Der Graf. Die Gräfinn. Valer.

DER GRAF
ohne die andern zu sehen.

Der Licentiat ist ein Zauderer. Erst hat er mir den Mund durch die Abschilderung seiner Braut ganz wässerich gemacht, und nun muß ich mir bald [91] die Augen blind nach ihr sehen. Er siehet sich nach allen Thüren und Fenstern um.

VALER
ohne dem Graf zu sehen.

Meine Lippen saugen zuviel Wollust aus dieser reitzenden Hand, ich kan ohnmöglich schon aufhören. Er wiederhohlt die Handküsse.

DIE GRÄFINN
sehr verliebt.
Ach! was haben sie für feurige Lippen! sie brennen recht, sie entzünden mein ganzes Geblüt.
DER GRAF.
Ha! wo ich nicht irre, so ist sie schon da. Er geht auf die Gräfinn zu.
VALER
wiederholt den Handkuß, und wird zugleich den Graf gewahr.
Da ist ihr Gemal.
DER GRAF.

Mein schönstes – – – ey! es ist meine Frau. Zum Valer. Lassen sie sich nicht stöhren, mein Herr, ich suchte jemand anders.

6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Die Gräfinn. Valer.

DIE GRÄFINN.

Lassen sie sich nicht stöhren? sehn sie, was ich für einen unempfindlichen Gemal habe! so sehr mir auch seine Liebkosungen zuwider sind, und so sehr ich auch in dem Stücke mit ihm zufrieden bin, daß er mir die Freyheit läßt, mir Liebhaber nach meinem Geschmacke auszulesen, so kan ich es doch gar nicht an ihm vertragen, daß er sich ganz gleichgültig dabey anstellt. Er raubt mir dadurch das Vergnügen ihn toll zu machen, welches einer Frau die Liebkosungen ihrer Anbeter gleichsam verzuckert. Denn wenn er gleich so eyfersüchtig wäre, als ein Tyger, so traute ich mir doch Verschlagenheit und Gewalt genug zu, ihm[92] Nebenbuler zu halten, seine Eyfersucht würde nur meinen Triumph desto mehr erheben.

VALER.

Allein, habe ich nicht zu befürchten, daß sich ihr Herr Gemal an mir rächen, und mir die Bedienung versagen mögte, nachdem er wahrgenommen hat, daß ich das Glück habe bey Ihro Excellenz etwas in Gnaden zu stehen.

DIE GRÄFINN.

Keineweges! ich versichre sie des Gegentheils. Es ist noch das beste, daß er nicht viel Herz besitzt, mir zu widersprechen.

VALER.

Indessen kömmt es mir doch nöthig vor, daß wir noch in unserm Umgange etwas behutsam seyn, damit wir ihm alle Gelegenheit benehmen, Ihro Excellenz den Vorwurf zu machen, daß dieselben gar zu günstig gegen mich wären. Wenn ich Besitzer von der Rathsherrnstelle seyn werde, so werde ich mit meinen Besuchen desto verschwendrischer seyn können, denn ich habe mir vorgenommen, meine ganze Lebenszeit ein getreuer Verehrer von ihren Reitzungen zu verbleiben.

DIE GRÄFINN.

Recht! sie bringen mich auf etwas. Entfernen sie sich, aber nicht weit, damit sie zu rechter Zeit bey der Hand seyn können; Ich willige nur mit der Bedingung in diese kleine Entfernung, damit sie mich nach erreichten Absichten desto öfterer besuchen.

VALER.

Ich schwöre es Ihro Excellenz, daß ich mir den schmerzlichsten Zwang dabey anthun muß, aber ich werde ihn mir durch das Vergnügen ersetzen, nach erhaltner Bedienung dero Gewogenheit ohne Furcht gemessen zu können. Bey seite. [93] Dem Himmel sey dank, daß ich nur von ihr kommen und mich von meinen unverschämten Schmeicheleyen ein wenig wieder erhohlen kan. Er macht einen Reverenz und will weggehen.

DIE GRÄFINN.

Sie machen einen artigen Reverenz, Herr Valer, aber sie vergessen das beste. Sie reicht ihm die Hand hin.

VALER
küsset ihr die Hand.
O! wodurch werde ich mich so vieler Gnade würdig machen können. Er geht ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
DIE GRÄFINN
allein.

Ach! der kleine Schelm wäre vollkommen, wenn er nur ein wenig verwegner wäre! doch! ich will ihn bald dreister machen – – – Aber was wird der Moralist bey mir wollen? halt, ich will ihm einmal in Versuchung führen, ich will doch einmal sehen, wie weit er seine unverschämte Widerspenstigkeit treiben kan.

8. Auftritt
Achter Auftritt.
Die Gräfinn. Herrmann.

HERRMANN
vor sich.

Ein Mensch der ins Wasser springen soll, kan nicht verzagter seyn, als ich jetzund bin. Ich soll schmeicheln; der Himmel stehe mir bey.

DIE GRÄFINN.
Nu, was giebts Herr Sittenrichter! künstelt er etwan an einer Grobheit die er mir vorsagen will?
[94]
HERRMANN.

Verzeihen mir Ihro Excellenz, wenn ich bisher ein wenig zu frey in meinen Ausdrücken und in meinen Urtheilen von denenselben gewesen bin, die Wahrheit hat mir zwar dieselben allezeit abgedrungen, aber ich fange mich an zu bessern, ich lerne nun erkennen, daß mir die Ehrerbietigkeit die Augen zudrücken muß, so viel Fehler ich auch an ihnen gewahr werde.

DIE GRÄFINN.
Ich seh es, wie sehr er sich bessert. So meint er doch, daß ich fähig bin, Fehler zu begehen?
HERRMANN.

Ja – – – nein – – – das ist meine Meinung nicht – – – allein, kein Mensch ist doch der Gefahr überhoben, Thorheiten an sich sehen zu lassen, und einer Dame muß man dieselben am wenigsten übel nehmen, weil ihre Natur – – –

DIE GRÄFINN.

Laß er es nur gut seyn; seine Entschuldigung möchte mich nur noch ärger beleidigen. Ich will ihm inzwischen alle seine Unbesonnenheiten verzeihen, aber er muß mir dagegen einen gewissen Vorsatz unterstützen.

HERRMANN.

Wenn er billig und vernünftig ist, so bin ich mit meiner geringen Hülfe bereit – – – doch es ist wahr, Ihro Excellenz können sich nichts vorsetzen, was nicht billig und vernünftig seyn sollte.

DIE GRÄFINN.
Das darf er mir nicht erst sagen.
HERRMANN.

Es ist wahr. Ihro Excellenz haben schon gewisse Jahre, in welchen man die Schmeicheleyen nicht mehr achtet.

[95]
DIE GRÄFINN.
Gewisse Jahre? was will er mit den gewissen Jahren sagen?
HERRMANN.
Ich meine ein Alter – – –
DIE GRÄFINN.

Ich? alt? ich sage es ihm ein für allemal, daß ich von ihm nicht beurtheilet seyn mag, er zieht seine Augen bey seinen Urtheilen niemals zu Rathe.

HERRMANN.

Indessen kan ich doch Ihro Excellenz versichern, daß niemand mehr Hochachtung gegen dieselben hegen kan, als ich. Ihr Anblick ist schon vermögend Ehrfurcht einzulassen, sie sind so weise, so erfahren, so edel, und – – –

DIE GRÄFINN.

Und er ist so albern, daß ich von ihm gar nicht gerühmet seyn will; alle seine Worte beleidigen mich, auch so gar seine Schmeicheleyen. Hör er mir zu, ohne mir zu antworten, und thu er diesesmal stillschweigend, was ich von ihm begehre; ich habe dem Valer die Rathsherrnstelle versprochen, helf er mir zu meinem Zwecke, rühm er Valerens Verdienste gegen meinem Gemal.

HERRMANN.
Wie? ich kenne den Valer noch gar nicht, und ich soll – – –
DIE GRÄFINN.

Thu er, was ich von ihm verlange. Ich will ihn mit der nächst offenen Bedienung dafür belohnen. Ich bin ohne dies seines vielen moralisirens überdrüssig, und mögte ihn gern aus meinem Hause los seyn; ist er diesmal gegen mich willfährig, so werde ich sein bestes dabey nicht aus der acht lassen; widersteht er mir aber, so hüte er sich vor meiner Rache.

9. Auftritt
[96] Neunter Auftritt.
HERRMANN
allein.

Himmel! was soll ich anfangen? soll ich vielleicht einen nichtswürdigen zu einem wichtigen Amte verhelfen, damit ich gleichfalls aus schimpflichen Nebenabsichten dazu verholfen werde? – – – gut! ich will diesesmal eine Niederträchtigkeit begehen, damit ich endlich der Gelegenheit entkomme, zu mehrern gezwungen zu werden.


Ende der Vierten Handlung.

5. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Valer tritt voran in den Saal, und Johann folgt ihm mit schweren Schritten nach, als wenn er eine grosse Last zu tragen hätte.

VALER.
Nun! wo bleibst du? soll ich dir Beine machen?
JOHANN
schreit.
Ach! ach! Barmherzigkeit! aus dem Wege! aus dem Wege Herr Valer!
VALER.
Komm mir nur erst zehn Schritte näher, so will ich dir aus dem Wege gehen.
JOHANN.
O weh! mein Bauch! mein Magen! stossen sie mich ja nicht an!
VALER.
Du sollst bald über deinen Rücken schreyen, wenn du zu rasen fortfährst.
JOHANN.

Sehn sie denn nicht, wie mein Leib [97] geschwollen ist? ich wundre mich über mich selbst, daß ich in diesem Saale noch Platz habe.

VALER.
Ist die Bestie von Sinnen gekommen?
JOHANN.

Nein, ich komme vom spioniren, ich habe die Wassersucht, zapfen sie mir nur einige Quartier Neuigkeiten ab, so werde ich gesund seyn. Er schreit. O weh! machen sie geschwinde, oder ich zerplatze.

VALER
giebt ihm eine Ohrfeige.
Und ich berste vor Ungedult.
JOHANN.

Sie sind ein schlechter Medicus, wie ich fühle. Meine Backen sind nicht geschwollen; sie machen nach der löblichen medizinischen Gewohnheit die gesunden Gliedmassen krank, anstatt die kranken gesund zu machen. Ich muß mich nur lieber selbst curiren; der Henker aber weiß wo ich anfangen soll. Fürs erste hat die Gräfinn dem Secretair des Grafen aufgelegt, seinen Herrn zu bereden, ihnen, nemlich dem Herrn Valer, den Fähndrich von Wirbelbach ausgeschlossen, die Rathsherrnstelle zu geben; zum andern soll der Fähndrich von Wirbelbach, den Herrn Valer ausgeschlossen, zu der Kammerjungfer hier ins Haus kommen; zum dritten der obgenannte Secretair mögte die Rathsherrnstelle gern selst haben. Zum vierten ist der obgenannte Secretair der obgenannten Kammerjungfer ihr Bräutigam, und die obgenannte Kammerjungfer ist die Braut des obgenannten Secretairs; zum fünften – – – nein, das hätte billig das erste seyn sollen – – – zum Henker, ich habe mich in der Ordnung verirrt, ich muß von vorne wieder anfangen; zum ersten – – –

[98]
VALER.
Hund, sage mir nur, ob ich dich heute tod prügeln soll?
JOHANN.
Darnach habe ich mich nicht erkundiget, aber das weiß ich, daß ich noch Lust habe länger zu leben.
VALER.
Laß die Narrenpossen einmal seyn! hast du mit der Kammerjungfer geredt?
JOHANN.
Ja!
VALER.
Nu!
JOHANN.
Fragen sie nur weiter!
VALER
hebt den Stock auf.
Ich sage dir – – –
JOHANN.

Der Henker mag wissen, wie ich es ihnen recht machen soll. Ich soll nicht nach der philosophischen Ordnung erzählen, und Frag- und Antwortsweise auch nicht. Nu! geben sie sich zufrieden, ich will historisch erzählen. Vor einer halben Stunde begab es sich, daß Johann Samuel Lorenz aus diesem Saale seine Füsse – – –

VALER
lacht.

Ha! ha! ha! ich sollte mich über den Bärenhäuter ärgern, und ich kan das Lachen nicht lassen. Gieb mir vernünftigen Bescheid sage ich dir; du weist, wenn ich erst vor Zorn lache, so darfst du mir nicht mehr trauen. Hast du dich bey der Kammerjungfer erkundigt, was sie unter der unglücklichen Familie versteht, wovon sie dir zuvor gesagt hat?

JOHANN.

Das habe ich nicht nöthig gehabt; denn als ich eben im Begrif war, mein Netz nach den Geheimnissen der Kammerjungfer auszuwerfen, so hört ich sie in dem Nebenzimmer mit dem Secretair des Grafen reden, welchem sie entdeckte, ein Fähndrich von Wirbelbach hier in Garnison [99] liege, und daß solcher vielleicht ihr Anverwandter seyn könnte; zugleich aber schimpfte sie auf den Herrn Valer, daß er dem Secretair das Amt vor dem Munde wegfischen wolle, und endlich setzten sie alle ihre Hofnung auf den Fähndrich von Wirbelbach, denn die Kammerjungfer meinte, wenn er ihr Anverwandter wäre, so würde sie vielleicht glücklich, und alsdann wolle sie ihren Bräutigam, nemlich den Secretair, auch glücklich machen.

VALER.

Ich weiß schon genug, ich werde nun schon meine Maaßregeln nehmen – – – Aber, da seh ich den Licentiaten kommen, der wird zum Graf gehen, suche ihn mit deinen Possen hier ein wenig aufzuhalten, ich muß ihm bey der Gräfinn zuvor kommen.

2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Chrysander. Johann.

CHRYSANDER.

Ha! das ist mir lieb, daß ich ihn hier allein treffe, er muß mir noch einen Dienst leisten, ich will ihm solchen gut belohnen. Meine Braut wird den Augenblick hier seyn; ich habe mich aber heimlich voran geschlichen kan er mich nicht an einem Orte verbergen, wo ich das Gespräch des Grafs mit meiner Braut sicher mit anhören, und sie allenfalls stöhren könnte, wenn ich merkte daß Gefahr vorhanden wäre?

JOHANN.

Ach! sind sie nicht Ihro wohlweisen zum voraus, welchen ich zuvor mit meinem guten Rathe gedienet habe?

CHRYSANDER.
Hat er mich denn in so kurzer Zeit schon verkennet?
[100]
JOHANN.

Ich besinne mich schon wieder. Ich und der Herr Graf haben des Tages so vieler Narren Audienz zu geben, daß wir keinen von den andern unterscheiden können. Aber sie müssen ein schlechtes Vertrauen zu ihrer Jungfer Braut haben, daß sie dieselbe mit keiner andern Mannspersonn allein lassen wollen, ohne ihre Augen und Ohren verborgen dabey zu haben.

CHRYSANDER.

Unter uns gesagt; ich habe schon einige Exempel gehabt, welche mich scheu gemacht haben. Neulich wollte ich sie besuchen, und begegnete einem Officier auf ihrer Treppe, welcher im weggehen zu ihr sagte: die andere Woche bekomme ich meinen Wechsel, dann werde ich ihnen wieder meine Aufwartung machen, und ihnen die 3 Ducaten entrichten; heben sie mir nur die Tabatiere indessen gut auf; ich kan nicht läugnen, das kam mir ein wenig bedenklich vor.

JOHANN.

Ja, es ist ein wenig bedenklich, sie haben recht. Aber wenn ich nur in der Geschwindigkeit wüßte, wo ich sie verbergen sollte – – – ja – – – kriechen sie unter den Tisch – – – doch, der Henker, nein, das schickt sich für Ihro wohlweisen nicht, der Graf könnte mit ihrer Braut ein wenig zu nachdrücklich sprechen, daß der Tisch über den Haufen fiele, wie ich schon dergleichen Exempel erlebt habe. Aber – – – warten sie – – – Er sieht sich an allen Orten um. Das ist schön, hinter dieser spanischen Wand werden sie am sichersten zusehen können. Doch, der Teufel! der Graf kömmt, geschwinde! verstecken sie sich, ich will ihnen Gesellschaft leisten, vier Augen sehen mehr als zwey.


Johann und Chrysander gehen hinter die spanische Wand.
3. Auftritt
[101] Dritter Auftritt.
Der Graf. Herrmann. Chrysander. Johann versteckt.

DER GRAF.

Ich sag es ihm ein für allemal, daß mich nichts von meinem Entschlusse bringen soll. Ich habe mit vieler Ueberlegung gewählet. Der Licentiat soll die Rathsherrnstelle erhalten, und kein andrer.

JOHANN
zum Chrysander.
Hören sie? ich gratulire Ihro wohlweisen.
HERRMANN.

Ihro Excellenz können ohnmöglich die Wahl genau überlegt haben. Der Licentiat ist ja der unwissendste Tropf, den ich in meinem eben gesehen habe.

JOHANN
zum Chrysander.
Ich gratulire Ihro wohlweisen.
DER GRAF.

Unwissend? was thut das zur Sache? Wissenschaften machen einen nicht allezeit eines Amtes würdig. Wenn es auf Gelehrsamkeit und Schulfüchserey hätte ankommen sollen, so wäre ich in meinem Leben so hoch nicht gestiegen. Man muß zu leben wissen. Der Licentiat hat Geld, er hat eine schöne Braut, und wer dergleichen Vortheile besitzt, und damit nicht geitzig ist, der hebt sich empor in der Welt. Aber ich weiß schon, warum er den Licentiaten bey mir verkleinern will, er sucht ihn bey mir zu stürzen, um sich an seine Stelle zu erheben.

HERRMANN.

Ihro Excellenz, ich dächte nicht, daß ich nöthig hätte, meine Verdienste durch andrer Leute Verkleinerungen erhöhen. Sie würden [102] dieselben besser empfinden, als ich sie ihnen vorstellen kan, wenn sie etwas gerecht gegen mich seyn wollen. Ich bin es aber nicht, den ich diesesmal ihrer Wahl vorschlagen will; es ist Valer, ein sehr geschickter Candidat, welcher die Rathsherrnstelle zum wenigsten weit mehr zu ihrem Ruhm bekleiden würde, als der Licentiat.

DER GRAF.
Woher kennt er den Valer? wie ist ihm dessen Geschicklichkeit bekannt?
HERRMANN.
Ich kenne ihn gar nicht, ja ich besinne mich kaum, daß ich ihn von weiten gesehen habe.
DER GRAF.
Und er spricht doch so zuversichtlich von seiner Geschicklichkeit?
HERRMANN.

Dero Gemalinn hat mich beordert seine Verdienste herauszustreichen, sie wird dieselben ohnfehlbar kennen, sie wird ohnfehlbar Proben von seiner Geschicklichkeit haben.

DER GRAF.

So? ich weiß schon daß meine Gemalinn diesesmal auch einen Candidaten im Vorschlage hat. Es wird aber darauf ankommen, wer von uns beyden gewinnen wird.

HERRMANN.
Ich sehe es schon zum voraus, welche Parthey die Oberhand behält.
DER GRAF.
Und welche denn?
HERRMANN.
Ohnfehlbar die stärkste, Ihre Gemalinn.
DER GRAF.
So meint er, daß meine Gemalinn mehr zu sagen hat, als ich?
HERRMANN.

Wollte der Himmel daß Ihro Excellenz heute einmal das Gegenteil bewiesen! die ganze Welt hält sich über ihre Nachsicht gegen [103] ihre Frau Gemalinn auf! man bricht gar schon öffentlich in schimpfliche Spöttereyen darüber aus. Wenn man einen Taugenicht beschreiben will, der ein wichtiges Amt erhalten hat, so sagt man, er sey von dero Gemalinn examiniret worden. Dieselben könnten heute nicht rühmlicher die Urtheile der ganzen Welt zu schanden machen, als wenn sie die mir schon so oft versprochene Rathsherrnstelle eine großmüthige Belohnung für meine Treue seyn liessen. Ich würde nicht allein als ein Beyspiel und als ein Verkündiger ihrer Großmuth die Spötter wiederlegen, sondern mich auch dadurch erkänntlich bezeigen, daß ich ihnen einen meiner Freunde an meiner Stelle schafte, der ihre Dienste mit eben dem Eyfer verrichten wird, als ich zu thun für meine Pflicht geachtet habe.

DER GRAF.

Nu, nu! ich will sehen, wie die Sachen laufen. Laß er mich nur itzt allein, ich sehe da eine Person kommen, die mich ohnfehlbar zu sprechen begehret.

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Fräulein Christinchen. Der Graf. Chrysander. Johann versteckt.

JOHANN
zum Chrysander.
Nun spitzen sie die Ohren, das wird vermutlich ihre Braut seyn.
FRÄULEIN CHRISTINCHEN.

Unterthänige Dienerinn Ihro Excellenz. Sie haben die Gnade gehabt, mich durch den Licentiaten zu sich rufen zu lassen, und ich gehorche aus Ehrgeiz Ihro Excellenz kennen zu lernen.

[104]
JOHANN
zum Chrysander.
Bis dato hat es noch keine Gefahr.
DER GRAF.

Wenn darinn ihr Ehrgeiz besteht, so werde ich Ihnen Gelegenheit genug geben denselben zu befriedigen. Setzen sie sich gnädiges Fräulein, ich habe sehr viel mit Ihnen zu reden, und im stehen wird man des plauderns allzubald überdrüssig. Bey seite. Der Licentiat hat nicht zuviel von ihr gesagt, ihre Schönheit ist vollkommen, und ihre Maniren geben ihrem Ansehen nichts nach. Sie sind, wie ich gehört habe, des Licentiaten versprochne Braut; erzählen sie mir doch etwas von ihren Liebesgeschichten. Ich mag gern die Verliebten auf dieses Capitul bringen, und mir durch ihre Erzählungen das süsse Angedenken von den wenigen Wochen erneuren, in welchen ich gegen meine Gemalinn zärtlich gewesen bin. Es ist solches ein kleiner Trost in dem Verdrusse, den sie mir dadurch verursacht, daß sie noch nicht von mir scheiden will. Wer ist unter ihnen die verliebte Person? Sie, oder der Licentiat?

FRÄULEIN CHRISTINCHEN
lacht.

Ha! ha! ha! das wäre ja der gröste Schimpf für mein Geschlecht, wenn ich es wäre, ich traue Ihro Excellenz so viel Erfahrenheit in diesem Handwerke zu, daß sie wissen werden, daß ein Frauenzimmer nicht zärtlich seyn muß. Die Eitelkeit ist unser Antheil, das Schicksal der Mannspersonen aber ist, dieselbe anzubeten. Ihr Geschlecht muß die Kunst verstehen zu seufzen, und das unsrige hat keine andre Wissenschaft nöthig, als ihre Seufzer zu vermehren, und wenn wir uns zärtlich stellen, so muß es [105] aus keiner andern Absicht geschehen, als unsre Anbeter in ihrer Blindheit zu unterhalten; unsre Gunstbezeigungen müssen nur Oel in ihr Feuer giessen.

DER GRAF
bey seite.

Die wird mir zu schafen machen, die hat ausgelernt. Zur Fräulein. Ich verstehe sie gnädiges Fräulein; sie wollen haben, daß sich die Frauenzimmer wie die heydnischen Götter Rollen anbeten lassen, welche nichts von allem Gewinsel empfinden, das ihre verblendeten Verehrer vor ihren Altären abmattet, und die angenommene Zärtlichkeit einer Schönen muß eben die Absichten haben, auf welche die erdichteten Wunderwerke in einer solchen Religion abzielen. Wahrhaftig, sie haben den rechten Witz, den wir Mannspersonen an einem Frauenzimmer um so viel heftiger verehren, je gefährlicher er für uns ist. Auf die weise muß ich glauben, daß sie den Licentiaten zum halben Narren gemacht haben müssen.

FRÄULEIN CHRISTINCHEN.

O! er kan wol ein ganzer Narr heissen, und er hätte nicht einmal nöthig gehabt verliebt zu werden, um diesen Namen zu verdienen; nun können sich Ihro Excellenz leicht vorstellen, was er für ein Original seyn muß. Er hat so wenig Verstand, daß ich mir aus meinem Siege über ihn nicht die geringste Ehre mache.

CHRYSANDER.
Ich ersticke!
JOHANN.
Das ist noch viel zu früh; warten sie, biß es sich der Mühe verlohnen wird.
DER GRAF.
Aber wie haben sie sich entschliessen können solchen Menschen zu heyrathen?
FRÄULEIN CHRISTINCHEN.

Ha! ha! ha! Ihro Excellenz [106] wollen mich gewiß durch eine so einfältige Frage nur ausziehen? die Narren sind nach meinem Geschmacke die besten zum heyrathen; ein Ehmann der allzuviel Verstand hat, ist gemeiniglich sein eigner Henker und ein Tyrann seiner Frau. Behüte mich der Himmel für einen vernünftigen Mann.

DER GRAF
bey seite.

Die ist vollkommen nach meinem Geschmacke, – – – Sie haben recht, gnädiges Fräulein, denn wenn meine Gemalinn ihre Ansicht gehabt hätte, so hätte sie da Unglück nicht, einen Mann zu besitzen, der ihrer in einem Viertheiljahre müde geworden ist. Ich werde mit dem grössesten Vergnügen gewahr, daß unsre Gesinnungen sich einander sehr ähnlich sind. Was für Vortheile könnten wir nicht beyderseits aus unserm Umgange hoffen, wenn sie noch nicht versprochen wären. Ist der Licentiat eyfersüchtig?

FRÄULEIN CHRISTINCHEN.

Wider die Gewohnheit der Narren hat er diesen Fehler an sich, und der macht seine Narrheit um so viel unerträglicher. Aber das beste dabey ist, daß er nicht viel Herz hat, sich seiner Eyfersucht zu äussern, und daß er desto mehr Einfalt besitzt, mit sehenden Augen blind gemacht zu werden. Trotz seiner Eyfersucht habe ich doch seit den acht Wochen, daß wir versprochen sind, mit ein paar Officieren Umgang gehabt, davon er den einen öfters bey mir aus und eingehen gesehen hat, ich bin aber allemal an Erfindung reich genug gewesen, ihm allen Verdacht aus den Gedanken zu reden; denn das müßte ein sehr unschuldiges Mädgen seyn, die ihn nicht betrügen könnte.

CHRYSANDER.
Bestie! du solst mich gewiß nicht mehr betrügen, ich bin dir gut dafür.
[107]
JOHANN.
Geduld! Ihro wohlweisen! Geduld!
DER GRAF.

Wahrhaftig, gnädiges Fräulein, der Licentiat ist nicht werth, so viele Reitzungen, die so viel Witz belebet, allein zu besitzen. Mein Herz, welches ihn daher mehr, als einen Menschen aus der Welt, beneidet, würde seine größte Beruhigung darinn finden, wenn sie es annehmen und dazu anwenden wollten, einen Menschen aus dem vollkommenen Besitz so kostbarer Güter zu setzen die er nicht verdient.

FRÄULEIN CHRISTINCHEN.

Ihro Excellenz haben trotz ihrem Alter dennoch ein Feuer in den Augen, welches vielmehr Wirkung in meinem Herzen thut, als die frostige und läppische Mine des Licentiaten. Ein vor Liebe unbändiger Greiß ist in meinen Augen allemal reizender, als ein vor Ehrbarkeit kaltsinniger Jüngling.

JOHANN.

Die Augen weg, Ihro wohlweisen sie mögten sonst etwas zu sehen bekommen, das ihnen Kopfschmerzen verursachte.

DER GRAF.

O! wie edel sind diese Empfindungen! gnädiges Fräulein! weil ihnen denn mein Feuer gefällt, so werden sie auch die Wirkung desselben nicht verschmähen; ich muß einen Mund küssen, aus welchen – – –

FRÄULEIN CHRISTINCHEN.

Sachte, Ihro Excellenz; sie verfahren zu geschwinde. Wie kan ich wissen, ob auch mein Kuß Kraft genug haben wird, ihre Flammen zu vermehren, und mein Glück bey Ihnen zu befestigen, da sie sich gar keine Zeit lassen, durch hinlängliche Beweise ein Vertrauen zu ihren Reden in mir erwecken?

[108]
DER GRAF.

Um ihnen darzuthun, wie hoch ich sie schätze, so schwöre ich Ihnen bey meiner Ehre und bey ihren Reizungen, daß kein andrer als der Licentiat, die Rathsherrnstelle erhalten soll – – –

FRÄULEIN CHRISTINCHEN.

Ihro Excellenz bedenken nicht, was sie mir versprechen. Es ist mir nichts daran gelegen, ob der Licentiat die Bedienung erhält, oder nicht. Ich habe mich zwar unter der Bedingung mit ihm versprochen, aber, aus keinem andern Grunde, als weil ich geglaubt habe, man würde einen solchen Schöps nimmermehr zum Ratsherrn machen, und ich würde also auch an mein Wort nicht gebunden seyn.

JOHANN.
Ich condolire Ihro wohlweisen.
DER GRAF.
So ist es nicht ihr Ernst, den Licentiaten zu heyrathen?
FRÄULEIN CHRISTINCHEN.

Keines weges. Ich habe mich nur mit ihm versprochen, damit ich ihn desto nachdrücklicher schröpfen könnte; mit seinen Geschenken hab ich mich verlobt, aber nicht mit ihm selber.

CHRYSANDER.
Das ist ein abscheuliches Weibsbild.
FRÄULEIN CHRISTINCHEN
affectirt und verliebt.

Ich muß ihnen gestehen, daß ich allemal einen solchen Abscheu vor der Heyrath gehabt habe, daß ich mich auch so gar gehütet, mich in ein zärtliches Liebesverständnis mit einer Mannsperson einzulassen; denn eine jede Verbindung ist mir als die ärgste Sklaverey vorgekommen. Allein, ich weiß nicht, wie es kömmt, ich bin durch Ihro Excellenz Anblick ganz und gar verändert geworden; ich wäre fähig den Rang meinem Geschlechts aus den Augen zu setzen, und um sie zu seufzen. [109] Mir ist in meinem Leben nicht so zu Muthe gewesen, wie heute. Hätte ich gewußt, daß Ihro Excellenz so gefährlich wären, ich hätte mich niemals entschlossen, ihnen so nahe zu kommen.

DER GRAF
bey seite.

Der Teufel weiß wie es zugeht; ich werde so rasend verlibt, als ich nicht einmal vor der Hochzeit in meine Frau gewesen bin.Zum Fräulein, ihr die Hand küssend. Sie machen mich zum glückseligsten Menschen unter der Sonnen, gnädiges Fräulein. O! vollenden sie mein Glück, und lehren sie mich selbst die rechten Mittel, durch die ich mich Ihnen gefällig machen und mich für so viel Gunst erkänntlich bezeigen kan. Doch, ich falle auf etwas; der Licentiat hat mir mit einer Böse aufgewartet, nehmen sie dieselbe als ein Opfer ihrer Reizungen, und als einen Beweiß von mir an, daß ich zeitlebens ihre Fesseln zu tragen und in denselben zu sterben für mein gröstes Glück schätzen werde.

FRÄULEIN CHRISTINCHEN
nimmt geschwinde die Börse.
Ach! wie rührend sind ihre Seufzer! sie entführen mein Herz.
DER GRAF
küsset sie ganz entzückt.
Und ich sterbe, wofern sie mir meine Flammen zu löschen nicht erlauben.
JOHANN
zum Chrysander.
Nun ist ihre Stirn in Gefahr; nach gerade ist es Zeit, daß sie ein wenig unsinnig werden.
FRÄULEIN CHRISTINCHEN.

Nicht allzuhitzig Ihro Excellenz; wir sind hier nicht sicher. Sie haben eine Gemalinn, man könnte uns überraschen. Ich werde mir die Ehre ihres Besuchs in meiner Wohnung ausbitten. Dieselben können mir einmal in [110] cognito zusprechen. Ich aber werde mich diesesmal Ihro Excellenz empfehlen. Sie will gehen.

DER GRAF.

Ums Himmels willen gnädiges Fräulein, eilen sie noch nicht von mir; unterhalten sie mich zum wenigsten noch eine Weile mit ihren bezaubernden Gesprächen; grausame! nun sie mir alle mögliche Sehnsucht nach ihnen eingeflösset haben, nun wollen sie mich verlassen?

FRÄULEIN CHRISTINCHEN.

Ich will Ihnen gehorsamen. O! wie viel Gewalt haben ihre Bitten über mein Herz! Bey seite. wenn doch jemand käme und mich von dem alten Todtengerippe frey machte; nun ich habe, was ich suchte, nun wird mir Zeit und Weile bey ihm lang werden.

DER GRAF.

Entdecken sie mir doch mein schönstes, wie sie als eine adeliche mit dem Licentiaten so bekannt geworden sind, daß er sich die Freyheit nehmen dürfen, um ihr Herz und ihre Hand anzuhalten?

FRÄULEIN CHRISTINCHEN.

Ich habe schon die Ehre gehabt, Ihro Excellenz zu entdecken, was ich für einen Abscheu für die Heyrath habe; diese freye Neigung veranlage mich, daß ich von meinen Eltern floh, als sie im Begrif waren mich mit einem reichen Landjunker zu verehlichen, der meinen Abscheu, den er durch seine Absichten mich zu heyrathen verdiente, noch dadurch vermehrte, daß er bey seinem Baurenstolze nicht die geringste Annehmlichkeiten besaß. Ich fand in der Fremde bald Anbeter genug, welche mich mit Gütern überhäuften, und mir die Entfernung von den meinigen und den Vortheil von einer Heyrath durch tausend Ergötzlichkeiten [111] ersetzten. Endlich hat mich das Schicksal auch an diesen Ort geführet, und weil der Licentiat meine erste Bekanntschaft alhier war, so habe ich – – –

DER GRAF.

Der Henker, da kömmt meine Gemalinn, sie muß uns nicht hier allein bey einander antreffen, ich bin gesonnen, ihr heute gewisse Vorwürfe zu machen, welche sie alsdann auf mich zurück welzen könnte. Kommen sie, ich will sie geschwinde hinter diese spanische Wand verstecken.


Sie nahen sich der spanischen Wand, und stehen vor Erstaunen unbeweglich, indem sie den Licentiaten hinter derselben gewahr werden.
FRÄULEIN CHRISTINCHEN
schreyt vor Schrecken.
Ach!
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Die Gräfinn. Valer. Caroline. Die Vorigen.

DIE GRÄFINN.

Was Teufel! Ihro Excellenz, wollen sie sich mit einem Frauenzimmer hinter die spanische Wand verkriechen?


Chrysander kömmt hinter der spanischen Wand theils furchtsam, theils beschämt hervor, und Johann schleicht sich hinter ihm her.
FRÄULEIN CHRISTINCHEN
zum Chrysander.

Was zum Henker ist das für eine Aufführung? sie unterstehen sich mich zu behorchen, wenn ich mit Leuten von Stande zu ihrem besten spreche? wofür sehen sie mich an? sie müssen sich wunderliche Vorstellungen von meiner Tugend machen. Wahrhaftig sie gehen mit mir um, als wenn sie mich von der Gasse aufgeraft hätten; vergessen sie, daß ich von Adel bin, und daß sie ein elender Licentiat sind? Zur Gräfinn. halten sie mir es zu Gnaden,[112] Ihro Excellenz, daß ich mir die Freyheit genommen habe, mit ihrem Herrn Gemal ein paar Worte allein zu reden. Mein Thor von Bräutigam bewirbt sich um die Rathsherrnstelle, und hat weder das Herz noch den Verstand, dero Herrn Gemal darum anzusprechen, und da ich die Sache über mich nehme, und zu seinem Vortheile alhier arbeite, so muß er wunder meinen, was seine Ehre für Gefahr laufen würde, und schleicht sich hinter diese Wand, und belauret uns. Haben dieselben jemals eine lustigere Begebenheit gehöret? Ha! ha! ha! wie besonders ist doch das bürgerliche Geschmeiß! Ha! ha! ha!

CHRYSANDER.
Ich bin so aufgebracht, daß ich nicht ein Wort hervor zu bringen weiß. Geht beschämt ab.
JOHANN.

Ihro wohlweisen haben sich ja noch nicht beamten lassen; vergessen sie die Belohnung nicht für die Anweisung des heimlichen Orts.

FRÄULEIN CHRISTINCHEN.

Ich muß ihm doch nachgehen; ich will den albern Tropf bald nieder redend machen. Ich empfehle mich Ihro Excellenz.Sie geht weg.

6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Der Graf. Die Gräfin. Valer. Caroline. Johann.

DIE GRÄFINN.

Ihro Excellen haben gewiß diesem schönen Thierchen zu gefallen den Licentiaten zum Rathsherrn machen wollen; und dieser muß sehr viel hinter der spanischen Wand gesehen haben, daß er die Sprache darüber verlohren hat. Es ist aber eben so gut, daß es so gekommen ist, [113] denn sie hätten ihren Willen diesesmal doch nicht gehabt, hier habe ich bereits einen Candidaten wie er seyn muß. Der Herr soll die Bedienung erhalten; gehn sie nur gleich, und fertigen sie ihm eine schriftliche Versicherung darüber aus.

DER GRAF.

O! seyn sie etwas sanftmüthiger in ihren Befehlen gnädige Frau! ich weiß, was ich zu thun habe. Sie übereilen sich. Mein Secretair hat mir so lange bereits treue Dienste geleistet, daß ich mich in der Seele schämen müßte, wenn ich ihn vorbey gehen wollte. Heben sie immer ihren Herrn Candidaten auf, bis ein andermal.

CAROLINE
fällt der Gräfinn zu Fusse.

Erlauben Ihro Excellenz, daß ich meine demüthigste Bitte zu der so vernünftigen Vorstellung dero Herrn Gemals hinzufüge. Meine Zärtlichkeit und Freundschaft gegen den Herrmann ist ihnen bekannt, machen sie uns beyde glücklich, es steht in ihrer Gewalt. Dieser Herr hat vielleicht noch länger Zeit zu warten, als Herrmann.

JOHANN
heimlich zum Valer.
Die Mademoiselle hat Recht, sie haben ja noch keine Braut; erst eine Quarre, dann eine Pfarre!
DIE GRÄFINN.

Ich wollte euch gern dienen; allein, es liegt meine Ehre daran, daß ich gegen euch unbillig seyn muß. Mein Gemal muß seinen Willen nicht haben. Zum Graf. Ich weiß nicht woher sie auf den Einfall gerathen mir zu widersprechen; Alle Welt weiß ja, daß ich mehr Einsicht habe, den Werth eines Candidaten zu prüfen, als sie.

DER GRAF.

Das ist eben mein Unglück, daß sie sich solches zutrauen. Wenn ich dem Herrn die [114] Rathsherrnstelle gäbe, so würde alle Welt wieder sagen, er sey durch ihren Canal zu dieser Würde gestiegen.

DIE GRÄFINN.

Und durch welchen Canal sind Ihro Excellenz selbst denn dasjenige geworden, was sie sind? sie würden vielleicht ein schlechter Edelmann und ein ewiges Hofjunkergen geblieben seyn, wenn ich ihnen nicht meine Verdienste geliehen, und der Fürst dieselben zu schätzen gewust hätte. Ich schwöre es Ihnen, wenn sie nicht – – –

DER GRAF.

Sachte! sachte! Ihro Excellenz. Sie werden gleich hitzig, wenn ich meine Meinungen sage. Er besieht den Valer. Ja, ja, der Herr kömmt mir nicht ungeschickt vor, er würde die Ratsherrnstelle nicht übel kleiden. Er soll es seyn, ich will ihm gleich vom Herrmann die schriftliche Versicherung ausfertigen lassen. Zur Caroline. Da seht ihr es selbst, daß ich nicht Schuld daran bin. Wenn ich einmal vernünftig handeln will, so läßt meine Gemalinn meine Vernunft niemals zur Reife gelangen.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Die Gräfinn. Valer. Caroline. Johann.

DIE GRÄFINN.

Victoria! Herr Valer! sehn sie mit was für leichter Mühe ich über meinen Gemal triumphire? ich will die erste seyn, die Ihnen zu dem Amte Glück wünschet, welches sie meiner Gewogenheit zu danken haben.

VALER.

Es thut mir leid Ihro Excellenz, daß ich ihre Gratulation nicht annehmen kan. Itzt höre ich auf der Candidat Valer zu seyn, ich bin der Fähndrich von Wirbelbach.

[115]
CAROLINE
vor sich.
Von Wirbelbach? O Himmel! was hat das zu bedeuten?
DIE GRÄFINN.
Was? haben sie mich betrogen? aus was für Absichten spielen sie mir solche Streiche?
VALER.

Ihro Excellenz vergeben mir meine Verwegenheit. Ich habe das Werkzeug einer kleinen Rache meines Obristen seyn müssen, sie haben neulich denselben in einer vornehmen Gesellschaft beleidiget, und ihn zum öffentlichen Gelächter gemacht. Er hat durch diese Begebenheit gleiches mit gleichen vergelten wollen.

DIE GRÄFINN.
Ich möchte rasend werden.
VALER.

Allein so wie ich fähig gewesen bin, der Rache des Obristen zu dienen, so steht es auch noch in meiner Gewalt, dieselben davon schadlos zu halten.

DIE GRÄFINN.
Auf was für Art mein lieber Herr Fähndrich?
VALER.

Ich werde so gleich die Ehre haben, ihnen solches zu entdecken, erlauben mir nur Ihro Excellenz, daß ich zuvor zwey Worte mit ihrer Kammerjungfer spreche.

DIE GRÄFINN.
Von Herzen gern; ist die etwan auch mit in der Verrätherey verwickelt?
VALER.

Keines weges. Zur Caroline. Gnädiges Fräulein – – – mein Herz sagt mir, daß ihnen dieser Titul gehöre.

CAROLINE.
Und mein Herz ist nicht abgeneigt sie meinen Vetter zu nennen.
VALER.

Ihr Herz wird sich nicht irren, wenn sie die Tochter meinem Oheims sind, welcher vor 15 Jahren an diesem Hofe in grossem Ruhme gestanden hat, aber der Verfolgung seiner Feinde und Neider weichen müssen.

[116]
CAROLINE.

Ja, liebster Herr Vetter – – – ich kan Ihnen diesen Namen nicht beylegen, ohne sie zu umarmen. – – – Aber lebt mein Vater noch? ich habe seit einigen Jahre keine Nachrichten von ihm gehabt.

VALER.

Erlebt noch, und zwar in der zufriedensten Einsamkeit. Ich habe ihn vor einigen Wochen, als ich auf Werbung war, in einer benachbarten Seestadt unverhoft kennen gelernet. Mein Vater, welcher selbst unter seinen Verfolgern gewesen ist, ist seit einigen Jahren todt; ich aber habe mit den Gütern meines Vaters nicht den Haß geerbet, welchen er gegen den ihrigen genähret hat. Er hat dazumal die größte Frucht von dem Unglücke ihres Herrn Vaters genossen, indem ihm desselben einträgliche Güter größten Theils zugefallen sind. Ich bin nunmehro der Besitzer davon, und werde das Vergnügen haben sie damit so glücklich zu machen, als sie es verdienen.

DIE GRÄFINN.
So habe ich eine Fräulein von Wirbelbach zur Kammerjungfer gehabt, ohne ein Wort davon zu wissen?
CAROLINE.

Verzeihen mir Ihro Excellenz diese Verschwiegenheit. Ich wollte nicht meines Vaters Geschlecht dadurch beschimpfe, daß ich diente, und war gleichwohl dazu gezwungen, weil ich das wenige Vermögen, welches meinem Vater übrig geblieben war, nicht durch meinen Unterhalt noch geringer, und ihm sein Leben bekümmerter machen wollte. Ihnen aber, großmüthiger Vetter, weiß ich vor Thränen nicht zu danken, für – – –

VALER.

Sie haben es auch nicht Ursache. Es ist ihr rechtmäßiges Gut, welches ich Ihnen wiedergeben muß, wenn ich nicht an den Ungerechtigkeiten [117] meines Vaters Theil nehmen will. Wie glücklich bin ich, daß ich nun Ihrem Herrn Vater die frohe Nachricht schreiben kan, daß ich sie gefunden habe. Er trug mir solches mit einer Wehmuth auf, welche die meinige erreget, wenn ich nur daran gedenke; ich bin daher mit meiner hier gespielten Rolle nur darum zu frieden, weil sie mir diese Gelegenheit verschaft hat. Ich sahe gleich, so bald ich sie in diesem Hause erblickte, die Gesichtszüge ihres Herrn Vaters in den ihrigen, und mein Diener hat mir bey ihnen zu einem Kundschafter dienen müssen.

JOHANN.
Ja gnädiges Fräulein, ich habe die unglückliche Familie bey ihnen ausgekundschaftet.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Herrmann. Die Vorigen.

HERRMANN.
Mein Herr, ich gratulire Ihnen zu der erlangen Ratsherrnstelle. Hier ist die Ausfertigung darüber.
VALER
zur Caroline.
Schönstes Fräulein, sie lieben diesen Herrn?
CAROLINE.

Meine vorige fruchtlose Bemühung zu seinem besten wird ihnen solches deutlich genug gezeiget haben, noch mehr aber, wenn ich sie bitte – –

VALER.

Bitten sie nicht, ich weiß meine Schuldigkeit. Zur Gräfinn. Ihro Excellenz, ich werde dem Obristen nicht die Lust machen, seine Rache zu befriedigen, ich will ihm die Nachricht bringen, daß mir alle meine Absichten mißgelungen sind; erweisen mir aber dieselben die Gnade dagegen, und schenken sie diesem Herrn die Rathsherrnstelle. So schimpflich es für sie hätte seyn können, wenn ich sie völlig angenommen [118] hätte, so rühmlich wird es für sie seyn, wenn sie einen Mann damit belohnen, der es verdienet.

DIE GRÄFINN.

Ihr Ersuchen ist so höfich und billig mein Herr, daß ich es ihnen nicht abschlagen kan. Ich wilt gehen und bey meinem Gemal anhalten, daß er meinen Willen bestätigt; aber mit der Bedingung, daß sie auch als Fähndrich nicht vergessen ihre Besuche öfters bey mir abzustatten. Sie geht ab.

VALER
küßt ihr die Hand.

Ihro Excellenz Erlaubnis dazu gereichet mir zur Ehre. Zum Herrmann. Behalten sie also, mein Herr, diese Ausfertiguug für sich selbst, und nehmen sie dazu von meiner Hand ein Geschenk an, welches ihnen vielleicht noch angenehmer seyn wird. Sie lieben meine Muhme, sie bekömmt alle ihre Güter wieder, und hört doch nicht auf sie zu lieben, und es kan für mich kein Vergnügen reizender seyn, als dieses, zwey Herzen auf zeit Lebens zu vereinigen, welche durch Tugend und Zärtlichkeit ein Exempel glückselger Ehen seyn werden.

HERRMANN.

Mein Herr, ihre Großmuth ist zu schön, daß sie nicht ein Herz, wie das meinige, auf das empfindlichste rühren sollte. Was die Rathsherrnstelle anbelangt, so statte ich ihnen dafür den verbindlichsten Dank ab, und meine Erkänntlichkeit wird mit meinem Leben erst aufhören. Was aber den Besitz ihrer verehrungswürdigen Fräulein Muhme anbelangt, so trauten sie mir wohl zu, daß ich meinen Vortheil mehr lieben sollte als den ihrigen? meine Hand würde sie jetzt unglücklich machen. Sie ist eines Herzens würdig, das sie zwar so sehr verehret, als das meinige, das ihrer aber auch mehr durch den äusserlichen Glanz und durch bessere Glücksumstände würdig seyn kan. Ja gnädiges Fräulein, ich verlange nichts mehr von ihnen als daß sie mich vergessen, um ihr itziges Glück besser geniessen zu können, ich aber will ihr Angedenken ewig verehren, und meine ganze Lebenszeit hindurch, soll die Vollkommenheit ihres Glücks meine einzige Freude ausmachen.

VALER.

Mein Herr, sie erwerben sich bey mir die größte Hochachtung. Ich muß bekennen, sie verdienten ein Edelmann zu seyn. Allein, da sie es nicht sind, so würde es meiner Muhme allerdings nachtheilig seyn, ihre Hand [119] anzunehmen. Sie verlöhre dadurch allem Umgang mit ihrer Familie, und die Hofnung zu einem weit grössern Glücke. Ich habe noch eher daran gedacht, als sie, allein es schickte sich für sie besser, es eher zu sagen. Denn mir kömmt es nicht zu, meiner Muhme, bey dem Glücke sie wieder zu finden, den geringsten Zwang anzuthun.

CAROLINE
zum Herrmann.

Ich muß gestehen, sie haben mich in ein Schrecken gesetzt, daraus ich mich kaum wieder erholen kan. Bey dem Wort gnädiges Fräulein in ihrem Munde schauderte mir die Haut. Verkennen sie auf einmal ihre liebste Caroline? wissen sie nicht, daß mir kein Unglück unerträglicher seyn würde, als dies, wenn ich sie vergessen müßte? nein! lieber will ich nichts besitzen, wenn ich sie nicht besitzen soll. Ihr Herz ist mehr als Adel und Reichthum. Liebster Bräutigam, machen sie daher mein Glück dadurch vollkommen, daß ich es mit ihnen theilen kan.

HERRMANN
fällt ihr zu Füssen.
O! könnt ich vor Dankbarkeit und Liebe zu ihren Füssen sterben!
JOHANN.

Habe ich doch kaum Zeit gehabt von allen geschöpften Neuigkeiten, die hier vorgehen, Athem zu holen; der Henker! durch was für Canäle ist die Rathsherrnstelle gegangen! durch den Canal des Grafen, in den Canal der Gräfinn, von da zu meinem Herrn, von meinem Herrn zu seiner Muhme, und die ist der Canal, durch welchen sie der Herr Secretair endlich erfischt hat. Ihr Herren Candidaten, befleissiget euch auf gute Canäle!


Ende.
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TextGrid Repository (2012). Krüger, Johann Christian. Dramen. Die Candidaten oder Die Mittel zu einem Amte zu gelangen. Die Candidaten oder Die Mittel zu einem Amte zu gelangen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B81A-3