[273] Die Kunst Tialfs

Durch Wittekinds Barden


Bliid, Haining, und Wandor.

Bliid.

Wie das Eis hallt! Töne nicht vor! ich dulde es nicht!
Wie der Nacht Hauch glänzt auf dem stehenden Strom!
Wie fliegest du dahin! Mit zu schnellem Flug
Scheuchest du Nossa weg!
Haining.

Sie schwebet schon nach! Bardenliedertanz
Hascht Pfeile, wie der Jünglinge Bogen sie entfliehn!
Wie rauschet ihr Gefieder! Ereile sie vor mir!
Nossa schwebet schon nach!
Bliid.

Pfeilverfolger, reitze sie nicht! verachtet kehrt sie nicht um!
Ich seh es, halt inn, ich seh es, sie zürnt!
Das Wölkchen Laune
Dämmert schon auf ihrer Stirn.
[274] Haining.

Siehest du sie kommen bey dem Felsen herum
In dem hellen Dufte des schönsten der Dezembermorgen?
Wie schweben sie daher! Besänftigen soll
Mir Hlyda die Zürnende!
Bliid.

Wer ist es? wer kömt? Wie verschönen sie
Den schönsten der Dezembermorgen!
Ha rede, du Beleidiger der Göttin!
Wer sind sie, die daher in dem weissen Dufte schweben?
Wie des Jägers Lenzgesang aus der Kluft zurüch,
Tönt unter ihrem Tanze der Krystall!
Viel sind der Schweber um den leichten Stuhl,
Der auf Stahlen wie von selber schlüpft.
Und sie, die, in Hermeline gehüllt,
Auf dem eilenden Stuhle ruht,
Und dem Jüngling horcht, der hinter ihr
Den Stahlen der ruhenden Flügel giebt?
Haining.

Um des Mädchens willen beleidigt' ich
Nossa, darum versöhnt sie die Göttin mir!
Der Jüngling liebet das Mädchen, sie liebet ihn:
Sie feyren heute des ersten Kusses Tag!
[275]
O du in die Hermeline gehüllt,
Und du mit dem Silberreif in dem fliegenden Haar,
Wir tanzen ihn auch den Bardenliedertanz!
Und feyren euer Fest mit euch!
Wandor.

Willkommen uns! Ihr tanzet ihn schön
Am säuselnden Schilf herab!
Nur Ein Gesetz: Wir verlassen nicht eh den Strom,
Bis der Mond an dem Himmel sinkt!
Weit ist die Reise zum Tanz in der Halle,
Der mit dem sinkenden Monde beginnt!
Ihr müsst euch stärken. Die Lauscherin hier
Liebt flüchtigen Stahl.
Du Schweber mit der blinkenden Schale dort:
Den der Winzer des Rheins kelterte,
Den! und die Schale voll bis zum Rand' herauf!
Im Fluge geschwebt! doch kein Tropfen fall' auf den Strom!
So rund herum, und dann der Hörner Schall
Nach altem Brautgesangestritt!
Zu diesem Braga's flüchtigsten Reihn
Auf dem Sternkrystall!
[276] Haining.

Er sangs, und die weisse Hlyda glitt
Auf dem Zuge des Stroms; die Hörner töneten hinter ihr her.
An den beyden Ufern eilten um sie die Begleitenden,
Und wogen sich leicht auf der Schärfe des Stahls.
Wie glatt ist der schimmernde Frost! Schall dort umher
In dem Felsen, nicht hier, mit dem Strom hinab,
Hau droben im Walde, verwüstendes Beil!
Wir sangens, und lehnten uns rechts au den wärmenden Strahl.
O Bahn des Krystalls! Eh sie dem Schlittner den Stachel reicht,
Eh sie durch Schärfung den Huf, durch den Eissporn den Wanderer
Sichert, erstarr, erstarr an der Esse die Amboshand!
Wir sangens, und lehnten uns links an die leisere Luft.
Wir sangen der Eisgangslieder noch viel.
Vom Weste, dem Zerstörer, ach!
Wenn die Blume des nächtlichen Frostes welkt!
Von der Tücke des verborgenen warmen Quells,
[277]
Da der schöne Jüngling sank! Er schwung sich herauf, sein Blut
Färbte den Strom, dann sank er wieder, und starb!
Von dem bräunlichen Hirten, der schneller die wartende Braut ereilt,
Getragen auf dem Flügelschwunge des Stahls,
Hier die hundertfarbige Pforte vorbey, dem siegenden Winter
Auf der Gletscher Höh wie Bogen der Triumphe gebaut,
Dort den Klee des Thals vorbey,
Und das weidende Lamm.
Von der bahnvernichtenden Flocke!
Ah sie verscheucht den Waller auf bestirntem Krystall,
Wie der Gewitterregen
Den Waller in durchblümtem jungen Grase.
Von des Normanns Sky. Ihm kleidet die leichte Rinde der Seehund;
Gebogen steht er darauf, und schiesst, mit des Blitzes Eil,
Die Gebirg' herab!
Arbeitet dann sich langsam wieder herauf am Schneefelsen.
[278]
Die blutige Jagd trieft ihm an der Schulter, allein den Schwung,
Die Freude! den Tanz der Lehrlinge Tialfs kent er nicht!
Oft schleudert ein Orkan sie, als in Schwindel vor sich her,
Am vorüberfliegenden Felsengestad' hinab.
Schnell wie der Gedanke, schweben sie in weitauskreisenden Wendungen fort,
Wie im Meere die Riesenschlange sich wälzt!
Noch sangen wir vom ersten Tritte, mit dem auf den Teich Ida
Zitterte. Klein war ihr Fuss, und blinkend ihr Stahl.
Sie hatte des Stahles Band mit silberbereiftem Laube,
Und röthlich gesprengten fliehenden Fischen gestickt.
Die Lieder sangen wir, jetzo dem Wiederhalle der Wälder,
Jetzo den Trümmern der alten Burg,
Und tanzten fort, bald wie auf Flügeln des Nords
Den Strom hinunter gestürmt!
Bald wie gewehet von dem sanften Weste.
Nun sank, ach viel zu früh! der Mond an dem Himmel herab.
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Wir kamen zum regelreichen Tanz in der lichten Halle,
Und dem lärmenden Heerd', auf dem die junge Tanne sank.
Wir kosteten nur mit stolzem Zahn von der Halle Tanz,
Und schliefen, zu der Nacht den Tag, gesunden Schlaf.

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TextGrid Repository (2012). Klopstock, Friedrich Gottlieb. Gedichte. Oden. Erster Band. Die Kunst Tialfs. Die Kunst Tialfs. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B424-9