[44] Petrarcha und Laura

Anderen Sterblichen schön, kaum noch gesehn von mir,
Ging der silberne Mond vorbey.
Thränend wandt' ich von ihm mein melancholisches
Müdes Auge dem Dunklen zu.
Dreymal schlug mir mein Herz; dreymal erbebtest du,
Tochter des ewigen Hauchs, in mir,
Seele, zur Liebe gemacht; dreymal erschreckte dich
Deiner Einsamkeit bang Gefühl.
Hätte die dich gesehn, welcher du zittertest,
Der du seufzend, Unsterbliche,
Thränen weintest, wie sie wehmuthsvoll edlere
Weinen, wäre vielleicht sie nicht
Durch die Thränen gerührt; hätte vielleicht sie nicht
Eine Thräne mit dir geweint!
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Aber süssere Ruh deckte mit Fittigen
Ihres friedsamen Schlummers sie,
Und ihr göttliches Herz über mein Herz erhöht,
Hub gelinder des Mädchens Brust.
Mich nur flohe die Ruh, und mein Gespiele sonst,
Mein geselliger sanfter Schlaf,
Ging dem Auge vorbey, und dem getrübteren
Ihm zu wachen und bangen Blick.
Tief in die Dämmerung hin sah es, und suchte dich,
Seiner Thränen Genossin auf,
Dich, des nächtlichen Hains Sängerin, Nachtigall!
Doch du sangest mir jetzo nicht.
Dein mitweinender Ton, dein melancholisch Ach,
Selbst die Linderung fehlte mir!
Endlich schlummert' ich ein, und ein Unsterblicher
Schloss mitleidig das Auge mir.
Hast du mich weinen gesehn, o du Unsterblicher,
Der mitleidig mein Auge schloss;
O so samle sie ein, samle die heiligen
Thränen in goldene Schalen ein,
Bring sie, Himlischer! dann zu den Unsterblichen,
Denen zärtlich ihr Herz auch schlug:
Zu der göttlichen Rowe, oder zur Radikin,
Die in Frühlinge sanft entschlief:
[46]
Oder zu Doris hinauf, die noch ihr Haller weint,
Wenn er die jüngere Doris sieht,
Dass dann Eine vielleicht, hat sie mein Schmerz bewegt,
Aus den holden Versamlungen
Niedersteige, das Herz jener, die inniger
Mein unsterblicher Geist verlangt,
Zu erweichen, und sie zu den Empfindungen
Gleicher Zärtlichkeit einzuweihn!
Also dacht' ich und schlief. Und der Unsterbliche
Gab mitleidig mir einen Traum.
Laura sah ich im Traum, bey ihr den fühlenden,
Liedervollen Petrarka stehn.
Sie war jugendlich schön; nicht wie das leichte Volk
Rosenwangichter Mädchen ist,
Die gedankenlos blühn, nur in Vorübergehn
Von der Natur, und in Scherz gemacht,
Leer an Empfindung und Geist, leer des allmächtigen
Triumphirenden Götterblicks.
Laura war jugendlich schön, ihre Bewegungen
Sprachen alle die Göttlichkeit
Ihres Herzens, und werth, werth der Unsterblichkeit,
Trat sie hoch im Triumph daher,
Schön wie ein festlicher Tag, frey wie die heitre Luft,
Voller Einfalt, wie du, Natur.
[47]
An ihr klopfendes Herz legte Petrarka sich.
Also sagte der Glückliche:
»Ach! dein klopfendes Herz, was vor Empfindungen
Schlägt's mir in den bewegten Geist!
Jeder wallende Hauch deiner beseelten Brust
Hebt mich zu den Unsterblichen!
Ach! wie ruh ich so süss! lass mich! die Seele fasst
Deiner Liebe Gewalt nicht mehr!
Laura, Laura! mein Geist hebt sich, voll hoher Lust,
Auf die Hügel der Seligen!
Auf die Hügel der Ruh, wo's von Entzückungen
Taumelnd schwebt um mein trunknes Haupt!
Singet, Söhne des Lichts, meiner Empfindungen
Unaussprechliche süsse Lust!
Singt sie, ich weine sie nur, ja, die Unsterblichkeit
Wein' ich froh von der Liebe durch!«
Mein Petrarka! Sie sprachs; aber nun redeten
Frohe Seufzer und Thränen nur.
Ach! wie fliesst ihr so sanft, unter Umarmungen,
Ewigkeiten voll Ruh, vorbey!
Dass wir dort uns geliebt, ach! wie belohnt uns diess
Unsrer Namen Unsterblichkeit
Auf der unteren Welt! Unserer Zärtlichkeit
Folgt dort Enkel und Enkelin.
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Enkel, die ihr uns folgt, euch soll die goldne Zeit
Lächelnd Blumen und Kränze strenn!
Ihr sollt glücklicher seyn, als es die Herscher sind,
Mehr als siegende Könige!
Euch gehorche das Spiel, das von der Leyer tönt,
Singet, würdig der Ewigkeit,
Würdig der, die euch lieht; gebt sie den folgenden
Späten Tagen zum Muster hin!
Enkelinnen, die ihr Laura's Empfindung habt,
Euch verfliesse die goldne Zeit.
Wie ein ewiger May, wie ein gefeyrter Tag,
Unter süssen Umarmungen!
Ihr sollt glücklicher seyn, als des Eroberers
Braut! die Tochter des Siegenden!
Euch nur singe das Spiel, das von der Leyer tönt,
Seyd unsterblich, wie Laura ist!

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TextGrid Repository (2012). Klopstock, Friedrich Gottlieb. Gedichte. Oden. Erster Band. Petrarcha und Laura. Petrarcha und Laura. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B399-D