Friedrich Maximilian Klinger
Simsone Grisaldo
Ein Schauspiel in fünf Akten

[1063]

Personen

Personen.

    • König von Kastilien.

    • Infantin, des Königs Schwester.

    • Sarazenenkönig.

    • Prinz Zifaldo, sein Sohn.

    • Almerine, seine Tochter.

    • [1063] Simsone Grisaldo, der General.

    • Don Malvizino,
    • Don Ballona, bucklicht, , Offiziers.

    • Don Fernando.

    • Don Sebastiano, sein Sohn.

    • Lilla, seine Tochter.

    • Don Curione, ein gelehrter Rat.

    • Truffaldino, des Königs Nativitätsteller und Gesellschafter.

    • Isabella, aus Aragonien.

    • Saluzzo, aus Aragonien.

    • Kastilier, Aragonier und Maurer.

1. Akt

1. Szene
Erste Szene
Palast in Granada.
Der Sarazenenkönig. Prinz Zifaldo. Prinzessin Almerine und Maurer an einer Tafel mit Früchten. General Grisaldo, Malvizino, Ballona und die Kastilier an einer Tafel mit Wein. Kastilier schwätzen und trinken.

SARAZENENKÖNIG
steigt auf.

Mit wilden Gebärden um die Tische herum. Nach dem Fenster; sieht hinaus. Sonne! ich darf nicht nach Mekka sehen! Ich der mutigen Maurer König nicht nach des Propheten Grab sehen! Vom Fenster zurück in sich. Tribut! o den Kastilier will ich sehen, der ihn fordert. Laut. General, Ihr wollt also morgen zu Eurem König reisen?

GRISALDO
in Almerinens Blicke verloren, ohne Antwort.
SARAZENENKÖNIG.

Hu es ist heiß! – Ich mochte Euch vor allen Christen leiden General! – Almerine, bring mir Früchten! Die Kastilier ersäufen sich im Weine. Wären ihre Schwerter und Lanzen so langsam und träg gewesen wie jetzt ihre Zungen, sie sollten nicht hier schmausen. – O Prophet, Tribut!

ALMERINE
einen Teller mit Früchten bringend.
SARAZENENKÖNIG.
Reist Ihr morgen General?
GRISALDO.
Mit kommendem Tage.

Almerine läßt den Teller fallen.
SARAZENENKÖNIG.
Haben sie dir Wein gegeben? – Einen andern Teller!
GRISALDO
Almerinen an der Hand fassend.
Habe Gnade!
[1064]
SARAZENENKÖNIG.

Diesen Leuten Tribut, großer Prophet! deren Augen alle verkehrt sehen. – General, wären Eurer viel unter den Kastiliern, ich räumte mit meinen Mauren das Land, und zög mich nach Afrika. Gibt dein König viel für dich?

GRISALDO.
Keine Feige; besonders im Frieden. Je mehr lieb ich ihn. Dem König ist wohl dabei, mir noch besser.
SARAZENENKÖNIG.

Wie Mensch! Hier hast du mein Tigerfell, und hast mich überwunden. Und hier meinen Becher, und hast mich zum Tribut gezwungen. Aber eh du's nimmst, sieh dieses Schwert Kastilier, und fühl diesen Arm!

GRISALDO
nimmt ihm Schwert und Lanze, zerbricht's auf dem Knie, und setzt sich.
SARAZENENKÖNIG.
Mir das?
GRISALDO.
Die Kastilier haben auch Ärme.

Steigt auf.
SARAZENENKÖNIG.
Hab den Löwen bezwungen und sein heißes Blut getrunken. Faßt ihn am Hals.

Almerine beiden liebkosend.
GRISALDO.
Eure Hand von meinem Hals.
SARAZENENKÖNIG.
Mit diesem Aug hast du gewonnen.
MALVIZINO.

Nehmt Euch in acht Herr König. Er bricht Euch auf seinem Knie mitten entzwei, und teilt die Sarazenenmajestät in Stücken, daß sie aller Welt Ärzten nicht wieder zusammenflicken.

SARAZENENKÖNIG
zum Grisaldo.

Schwarzlockigter! Dich hat Gott mit übermenschlicher Stärke gesegnet. Das nenn ich gebrochen! Ich will's doch aufbewahren zum Wunderzeichen, und weil's so viel Christenblut gefressen.

GRISALDO
nimmt ihm die Stücke, einem von den Kastiliern reichend.
SARAZENENKÖNIG.
Bin ich dein Gefangner?
GRISALDO.
Mein Wirt bist du, wenn du freundlich bist. Ich kann keine Prahlerei hören.
SARAZENENKÖNIG.
Und magst zu deinem König gehen, der dich nicht liebt?
GRISALDO.

Laßt mich! und kein zweideutiges Wort gegen meinen König. Ich lieb ihn, und dien ihm aus Eigennutz, müßte sonst mit den wilden Tieren kämpfen des Bluts halben.

BALLONA
der Bucklichte.
Trinkt doch eins General!
GRISALDO.

Plagt mich nicht! Ich bin in einen Strauß verwickelt der meine Sinnen so eingenommen hat, daß ich keinen übrig hab mit Wein zu ertränken. Faßt Almerinens Hand. Höher [1065] mein Herz! Brenne meine anmutige, liebeduftende Almerine! Zehr mich nicht auf süßes Herz!

ALMERINE
ihre Augen verbergend.
Schöner Kastilier, und gehst morgen?
PRINZ ZIFALDO
der Zeit über Gesichter geschnitten hat.
Zokniti Vater! Zokniti!
SARAZENENKÖNIG
fällt in wilde Verzuckungen.
Zokniti! o Zokniti, dein Schädel!
GRISALDO.
Was ist's?
SARAZENENKÖNIG.
Weg!

Nimmt eines Mauren Schwert; steht alles auf.
GRISALDO
winkt seinen Kastiliern, die sich alle auf seinen Wink niedersetzen.
König! probe meine Geduld nicht weiter!
SARAZENENKÖNIG
zum Prinzen Zifaldo.
Komm hinaus! Wollen's den Winden heulen, und soll in den Eingeweiden der Erde zittern. Sarazenen ab.
EIN KASTILIER.
General seid auf Eurer Hut!
GRISALDO.

Trinkt Freunde, und stört euch an nichts. Ich hab mich auf mich verlassen, und das Heer in Granadens Plänen gelagert. Wendet sich zu Almerinen, in die Höhe sehend. Zu jenem Berg, meine süße Almerine, und wir sind in Xeneralifens buschichter Grotte. Die Sonne sinkt und geht in meinem Herzen heißer auf. Oben rieselt die Quelle und surret Liebe. Ich will dich hinauftragen durchs dickichte, heimliche Dunkel! Reizende Last von Felsen zu Felsen mit dir hüpfen, und von ihr verguldet dich an mich drücken. Was sagst du Liebe?

ALMERINE.

Allgewaltiger! Ich möchte dir reden, und hab dir alles gesagt. Möchte dir geben, und hab dir alles gegeben. Wie nun? Versiegen nicht meine Tränen wenn du sprichst? Und sag ich nicht ja, wenn du winkst?

GRISALDO.
Freunde, lebt wohl!
MALVIZINO.
Grisaldo, Ihr bleibt die Nacht merk ich.
EIN KASTILIER.
Bittet ihn mit uns zu gehn.
MALVIZINO.
Es hilft nichts.
GRISALDO.

Reitet zum Heer, und sorget meine brave Rosse. Morgen früh bin ich bei euch. Gute Nacht! laßt euch wohl sein. Bleibt ihr noch lange?

BALLONA.
Wenn Ihr geht, lohnt's einem hier nicht.
MALVIZINO
zum Grisaldo heimlich.
Ein Wort Freund! der Ort ist einsam und abgelegen, Ihr allein. Ihr kennt meine Angst für Euch.
[1066]
GRISALDO.
Mein Name Schatz! Leb wohl! Allen meinen Gruß!

Mit Almerine ab.
MALVIZINO.
Trinkt Freunde!
BALLONA.
Der Maurer ist wild und heiß, wir müssen uns schonen.
EIN KASTILIER.
Es ist aber doch wahrlich wunderlich vom General, sich so der Gefahr aussetzen.
MALVIZINO.

Was will's? Er trägt den Berg, Grotte und Schloß in die Pläne, und wirft sie mit Felsenstücken tot, wenn sie ihm zu Leibe kommen wollen. Zu dem ist's dem Maurer recht, und sind Freunde zusammen. Er muß seine Sach mit den Maidels haben, ihm entspricht kein Männerherz des Neids und dergleichen wegen.

BALLONA.

Recht Malvizino! Ha! wißt Ihr noch mit den Aragoniern! das war lustig, bei meinem Höcker! lustig. Wie wir die zu Kehr getrieben hatten nach rechter Herzenslust; dann in die Stadt hineinzogen, und nun scharmierend um die Frauens herumschmunzelten, daß es einem baß wohltät. Wie's einem denn so ist auf einen heißen gefährlichen Tag – Und nun doch keiner Mut genug hatte über Nacht in der Stadt zu bleiben, sondern jeder sich lieber aufs Feld zu Haufen zog – Ich denk mein Leben dran, wie mich's noch in Träumen ärgerlich verfolgte in meinem Zelt. Aber der General, wie der Euch nun ist, der blieb mit dem Knaben allein bei der schönen, blendenden Isabelle, mit den mächtigen Augen, der er's auch gleich ans Herz geworfen hatte, nach Gewohnheit. Und wie nun das aragonische Bräutiamchen paßte mit dreißigen hinter der Stadtmauer, meinend er sollt es ihm gedeihn. Und wie sich nun das Blatt wandte, daß mein lieber Grisaldo sie zusammen durch die Ohren kuppelte des Spaß halben, sie dem Knaben gab, und der auf seinem Gaul vorjagte, und sie nachlaufen mußten, daß ihre schöne Ohren nicht rissen, die ihnen lieb waren – Ha! ha! das Ding war doch spaßicht für die Aragonier!

EIN KASTILIER.

Und waren lauter Edlen! ha! ha! und mußten noch den Knaben hinausgleiten – ha! ha! – Ja wer die Schnurren alle berechnen wollte!

EIN KASTILIER.

Einer weiß dies, einer das. Es ist unmöglich daß einer Gedächtnis allein zu habe. Es ist doch grausam, wie er der Weiber Herz an sich zu ziehen weiß. Aber ein Held, ist eben überall ein Held, setzt ihn hin wohin ihr wollt.

[1067]
EIN KASTILIER.
Gut gesagt! Er ist der Mann darnach, und wer nahm dem Herkules was verkehrt?
EIN KASTILIER.

Am Ende dauern mich doch immer die Maidels. Er ist ihnen mein Seel! nicht mehr, als was ein warmer Sommertag der knospenden Blume ist. Er bringt sie zu lieblicher Blüte, das ist wahr, aber er brütet auch zugleich den Wurm aus, der ihr das Herz abfrißt. Die Prinzessin da! – man möchte sie gleich auffressen, so ist alles an ihr gemacht vom Scheitel bis zur Sohle. Und da hat er nun mit ihr gespielt, und spielt sie dahin im berauschten Liebestänzchen, daß es einem jammert, wenn man denkt –

EIN KASTILIER.
Daß man nicht an seiner Stelle ist. Nicht wahr, Vetter, 's ist doch garstig!
MALVIZINO.

Fangt ihr wieder an zu moralisieren und zu denken, daß man gleich über Tisch und Stühl dem Fenster hinausspringen möchte? Kann er ihnen mehr sein, wenn er euer Retter sein will? Und bitten demohngeachtet nicht tausend verbuhlte Augen um so einen Tag? Und war's noch je so? Die Maidels wissen sich wahrhaftig besser zu helfen, als ihr Narrn glaubt. Ist nicht jede stolz darauf, seinen Blick gefesselt zu haben?

BALLONA.

Er hat recht, halt 's Maul. Ihr seid ihm doch alle von Herzen gut, und wär einer unter euch der sein Feind wäre, oder nur halb übelgesinnt, ich schmiß ihm den Handschuh in die Freß, und hieb mich herum bis der Don Ballona zu Boden läge, der freilich ein kleines Plätzchen einnimmt. He! ihr seid ihm alle von Herzen gut, und so hab ich keinen Hader. Trinkt auf sein Leben! Trinken alle. Malvizino, nicht so ernst!

MALVIZINO.

Mich kann so was verdrießen – Der Mensch wird von Menschen die er in ihrem Eigentum schützt, geplagt und geschoren, daß einem die Augen manchmal übergehn. Und er trägt bei seinem großen Sinn wie ein Engel. Ihr Kastilier wißt nicht was ihr an ihm habt. Seiner Stärke, Tapferkeit und Edelmut, habt ihr Gut und Haut zu danken. Freilich ist das immer die verbrauchte Saite die ihr greift, daß ihr ihn wegen den Weibsleuten anklagt. Denkt vorerst was er euch ist, den Leuten ist, die ihn quälen, und was dazu gehört nicht mißmütig werden, und so immer der Heiland des Landes. –

BALLONA.

Recht brav Malvizino! O die Cholera sich nicht zu Kopf steigen zu lassen! da kann ich nicht halten. Hört der [1068] Sebastiano mit dem reißenden Feueraug und der dunkeln Stirne, und der gelehrte Curio, und die Affen im Nachtrab, das sind mir die Rechten.

MALVIZINO.

Beim Himmel! ich bin zu sprudelnd und bellend dazu. Ich hätte längst meinen Degen im Fluß versenkt, hätt's gehen mögen, wie's wollte. Der Mann der sich aufopfert wie euer Grisaldo, darf sich keines Danks gewärtigen. Er, der ganz Güte, ganz Liebe für jeden ist, muß auf Erwiderung Verzicht tun. Muß sein Herz der Beleidigung und Kränkung jedes Schurkens und Böswichts aussetzen, und demohngeachtet immer das Rad herumdrehen bis die Maschine steht, wie sie soll. Ist einer unter euch der so ein Herz hat? Kennt ihr einen? Der General macht ihm Platz.

ALLE KASTILIER.
Sein Wohl! Sein Leben!
BALLONA.
Die Neider die! Die Kränker die!
MALVIZINO.
Daran gedenkt er nicht in übervoller Liebe für sie und euch.
EIN KASTILIER.
Da gehört viel zu.
EIN KASTILIER.

Ihm soll's wohl sein in Almerinens Arme. Der Teufel! so mit der Nachtigall der Lerche entgegenzuliebelen.

BALLONA.

Pst! Mir verdreht's die Sinne, und fahr herum wie ein Wetterhahn auf dem Turm beim Sturm. Ich hatt euch vergessen daß ich ein unscheinbarer Kerl sei, so war's in ihrem Dasein um mich getan. Es war mir so – so – daß ich euch just auf einmal, ohne zu wissen wie, aufwatschlen wollte, und zu ihr sagen, es hieß mich's ordentlich innerlich: Schöne Prinzessin, Ihr seid schön und fein, und ein Kuß auf diese wunderschöne Lippen wäre wahrlich mein zeitliches Leben wert. Ich weiß nicht wie sie's machte daß es nicht ging, aber es zeichnete sich etwas so Wundersames in ihren Mienen, daß ich konfus ward, so ließ ich's. Ich mein, ich wär ganz ein andrer Mensch nach dieser Krisis.

EIN KASTILIER.
Fühl dich an, Schnecke!
BALLONA.

He! he! Ja ihr! meint ihr nicht gesehn – Wie mancher unter euch hatte das Glas am Mund, und guckte, guckte, und das Glas hing unbeweglich an schwellender, brennender Lippe. Da verzieh ich mir's endlich auch. Ja wenn ich seine Stärke hätte, und so mehreres was an ihm ist, das ich unbenannt lasse. Es muß einem doch artig und gut sein so um die Mädchens herum, mein ich.

[1069]
EIN KASTILIER.
Es müßte Euch gut stehn, ohne Anstand. Habt Ihr ein Weib da? War sie verliebt in Euch?
BALLONA.

Was weiß ich von Weibern. Die haben mir so viel buntes Zeug im Kopf, und sind herrisch, begehrend, schnippisch, voller Falten. Und die verdammte Gewohnheit die sie haben zu vergleichen, und gegeneinander zu halten. Aber so eine Almerine! Greift auf seinen Buckel. Ja, ja. Nach seiner Lanze reichend. Sei du mein Bescheid!

MALVIZINO.
Wollen wir abreiten, Ihr trinkt doch nicht, und haben eine Stunde.
EIN KASTILIER.
Meint Ihr nicht, wir wollen verstärkt zurückkehren hier in der Näh?
MALVIZINO.
Die Toten begraben die etwa dem Berg herunterrollen, Hals und Bein brechen obendrein!

Ab.
EIN KASTILIER.

Ein trotziger, braver Kerl. Trinken wir noch eins. Trinken. Was war's denn mit dem Maurer auf einmal?

EIN KASTILIER.

Der Prinz rief ihm den Namen Zokniti zu, das empörte ihn. Zokniti war des Königs Bruder, und er fand ihn erschlagen auf dem Schlachtfeld, abgerissen das Haupt, und unser voriger General ließ einen Becher aus dem Hirn machen.

EIN KASTILIER.
Der General übertrieb's in allem, und doch schalten wir sie Barbaren und Unmenschen.
BALLONA.
Zu Roß!

Alle ab.
Sarazenenkönig und Prinz Zifaldo treten auf.
SARAZENENKÖNIG.
O die Trunkenbolde!
PRINZ ZIFALDO.
Dafür seht sie nicht an. Saht Ihr nicht wie mutig sie sich aufs Pferd schwungen?
SARAZENENKÖNIG.

Wir wollen jagen die helle Nacht durch. Ich wollt, du hättest geschwiegen, und mir Zoknitis Geist nicht im Augenblick vor die Stirne gebracht, da mein Blut ohndies so heiß brannte. O Zokniti! Zokniti! begegne mir die Nacht an der Waldspitze, und wir wollen tanzen um die Eiche; nehme meine Hand, und ich will dir versprechen Rache! will deinen Schädel zurückbringen, und kastilische Köpfe sollen dein Grab überdecken. Wie Junge! so gelben Angesichts und so feurig? Ich weiß was du mit all dem willst. Laß uns auf den Rossen tummlen daß wir kühl werden. Wo ist der General?

PRINZ ZIFALDO.

Ich sah ihn in der Ferne wie einen wilden Geist über die Felsen springen, ein Mädchen in den Armen zur [1070] Beute; an den wehenden Federbüschen erkannte ich Almerinen.

SARAZENENKÖNIG.

Nun dann! Läßt er mir einen Knaben zurück mit solchem Mut und riesenmäßiger Stärke, will ich's ihm danken. Hätt ich der Mädchen mehr, er sollte sie nach der Reihe liebhaben, und ich weiß er tät's. Ein maurisch Mädchen, meine Tochter, und solch ein Mensch! – Eine Geisel der Kastilier! Er soll mir nichts kennen und fühlen als Rache und Grimm.

PRINZ ZIFALDO.

Was dann? Zokniti hätte dem Grisaldo gestanden! Und keiner mehr da unter dem maurischen, tapfren Volk? Erwürgen möcht ich ihn in Almerinens Umarmung. Er hat uns untergejocht, hat uns zum Tribut gebracht. Wir Sklaven? Du Sklav? Ein König Sklav! – Sein Blut riesele über Xeneralifens Felsen zum Lockruf der Maurer! Wart auf einen Knaben Vater! Wie König du! Daß mein Vater so spricht! Bin ich denn anders worden, und du anders worden, seitdem uns dieser Kastilier überwand? Sieh mich an König! Hab ich aufgehört? Ist die Veränderung so sichtbar! An dir seh ich nichts. Du bist der Schreckende wie vor, der die Augen wälzt, die Stirne verfinstert, und wild umhersieht.

SARAZENENKÖNIG.
Rache und Tod!

Auf und ab laufend. Prinz ihn fassend.
PRINZ ZIFALDO.

Ist dieses nicht ein Schwert? Dieses keine Lanze? Dieses nicht Pfeil und Bogen? Vater, wir sind wie wir waren. Mich deucht es war noch diesen Morgen daß ich den Stier auf mich reizte, ihn am starken Horn faßte und niederriß. Grisaldo selbst wunderte sich, berechnete meine Stärke nach meinen Jahren, und schien sich äußerlich zu freuen. König! laß sich die Blicke so durchschießen, mich hängen an deinem Aug, und so Aug in Aug! Glut in Glut! fragen und versichern. – He! sehen Sklaven so? Fühlen Sklaven so? Steigt's so auf und ab, wird's so fest in sklavischen Herzen? Ich sah dich nie herrlicher als in diesem Grimm.

SARAZENENKÖNIG.

Rache und Tod! Was? Und warum nicht? Grisaldo hat mir das Herz mit Liebe aus der Brust gezaubert, ich kann nicht. Ich will nicht. Ich kann dem edlen Menschen kein Haar vom Haupt brechen zu seinem Verdruß. Wo endet das all? Wie? hat sich die Welt ganz verkehrt, daß in eines Königs Brust die Liebe den Durst nach Rache überlistet? – Rache und Tod! Meine Hand kann nicht zum Schwert. Laß [1071] uns weg! ich bin unvermögend vor dem Menschen, und ich denk das setzt mich nicht herunter.

PRINZ ZIFALDO.
Steige auf Zokniti, und all ihr erschlagene Tapfern! Erscheinet! Erscheinet diesem Mann!
SARAZENENKÖNIG.
Willst du mich verkehren?
PRINZ ZIFALDO.

Komm mit, und trabe mit deinem Roß über die Gräber deiner Maurer. Dein Roß wird aufsteigen, sich nach Kastilien wenden, und mit schnaufender, aufgeblasener Nase hinüberwiehern, scharrend und schlagend mit dem Hufe. Tausend schneidende, flehende Zungen, Röchlen der Sterbenden, Gegrinz, Gewirr, Gebad im Blut, und letztes Aufstemmen zu rächen, tobt über den Gräbern. Oben über brütet die Rache, gehüllt in Blutgewand, ihr Aug wild fressend, daß sich zurückziehe Licht und Himmel. Tod und Verderben winden sich um ihre Ärme. Gewinsel der Erschlagenen peitschet die Lüften, daß sie in Kreisen wirblen, zerbrochen an den Bergen es zurückgeben. Das schallende Freuden- und Hohnlachen ihrer geschwollnen Lippen überbrüllt's. Dort wohn ich um Mitternacht, und hör ihr Gekreisch hervorlocken die Toten, seh wie sie lecken mit gieriger Zunge das Blut von ihren Händen. Komm mit Vater, und sieh den Nachttanz deiner Tapfren! Hör sie heulen Rache! Rache! daß wir schlafen und ruhn. – Kein Laut hier! Leben die Toten und ruhn die Lebenden? Kein Laut und ziehst dich in dich und frißt in dir!

SARAZENENKÖNIG.

Die Nacht, als ich dich zeugte, kehrt ich aus der heißen Schlacht. Deine Mutter reinigte mich vom Blut, noch lechzte ich, und gnügte mir nicht. In diesem Tumult ging ich zu Bette. Der Nachtsturm zog über die Bergen, die Bergen rissen, das Meer trat über, verheerte das Land, der Säugling erstarrte an der Mutterbrust. Ha!

PRINZ ZIFALDO.

Ich dank dir's und der Natur. Der Stoff ist gut, aus dem ich gemacht bin. Überlaß mir's ihn zu bearbeiten. Mußt du nun auf Grisaldos Brut warten?

SARAZENENKÖNIG.
Nein! das mußt ich nie. Kannte mich und kannte dich. Aber Grisaldo soll ruhig hinziehen.
PRINZ ZIFALDO.

Er, der uns hier zum Spott alleine bleibt, fern von seinen Leuten und uns zu verstehen gibt, daß er uns all verschlingen könne.

SARAZENENKÖNIG.

Vertrauen auf mich ist's. Ich hab nie einen demütigern und größern Menschen gesehen. In seinem Wesen ist kein Stolz und Übermut; Liebe, Güte und Einfachheit. [1072] Ich wollte, du lerntest ihn schätzen. – Er soll nun hinziehen, und denn laß sehen was du kannst.

PRINZ ZIFALDO.

Fühlst du nicht, daß alle Macht der Kastilier in ihm allein begriffen ist? Und nimm dazu, daß die ihn hassen, welchen er dient. Ich will hinauf, in seinem Leben ist der Kastilische Thron enthalten. Und noch eine Krone auf dein Haupt – Soll ich sie allein verdienen? Schädel für Schädel! Und ich lerne Wein trinken, um die Wollust zu genießen.

SARAZENENKÖNIG.

Ich stoß ins Horn, wenn du den Berg berührst. Ich find seinen Tod notwendig, und such mich's zu überreden, und doch soll er hinziehen. Hab ich Gewalt über dich, und kennst du deinen Vater?

PRINZ ZIFALDO.
In dieser Stunde nicht. Dort oben schläft ein Königreich und mein Vater ist so schwach. –
SARAZENENKÖNIG.
Nicht von meiner Seite, Junge! – Auf die Jagd und tob aus!
2. Szene
Zweite Szene
Civitad Valladolid in Castilla Veja. Saal im Palast. Einbrechende Dämmerung.
Rat Curio tritt wankend auf.

CURIO.

Ach du Allmächtige! Ich wollt daß es gedonnert und gewittert hätte vom frühsten Morgen bis zur Mitternacht. Aber bei diesem Wetter mit ihr spazierenzugehn, wo Himmel und die ganze Natur sich frech beeiferten ihrem Reiz zu entsprechen, und sich keck mit ihrer Pracht in Kampf einzulassen. – Ach du Allmächtige! du! wenn sie einem ansieht, daß man verkehrt steht, und weggetragen wird, wie vom Sturmwind ein dürres Blättchen, und flattert, flattert überlassen all den Elementen. Infantin! warum nicht den Staub küssen, wo du aufgetreten bist mit deinen Silberfüßchen – mit – Oh! Oh! Oh! ich liege gestreckt auf dem Boden, winde mich wie die verwundete Schlange. Allmächtige! daß ich noch um dich wankte, daß ich noch in der Phantasie – – Stürzt vor sich. ich schlief am besten hier, ich schlief am besten den ewigen Schlaf, oder in deinen weißen Armen. Infantin!


Infantin und Lilla in der Ferne, haben ihn belauscht,
und lachen zusammen.
[1073]
INFANTIN
tritt näher, Lilla hält sich ferne.

O Curio! Curio! gelehrter Curio! ich fürcht, Ihr könnt diese Nacht nicht an Eurem dicken Buch schreiben. Was ist Euch? Ihr seht mich an wie die Eule die Sonne.

CURIO.

Recht wie die Eule die Sonne. Ich bin blind, ohne Sehkraft, und doch wirkt Ihr so gewaltig auf mich. Eure Reize schwimmen vor mir – O Allmächtige. Ihr habt mich geblendet, und habt mir dieses Herz gelassen, habt mir diesen Spiegel gelassen –

INFANTIN.

Nun nimm sich der Himmel deiner und all meiner närrischen Liebhaber an! Du bist wahrlich der Hingerichteste. Zu ihm. Seit wenn ist Euch denn so worden, Curio! Ich begreif Euch nicht.

CURIO
faßt ihre Hand.

Ach das ist eine Hand! dies ein Reiz! das eine Seligkeit – ja wer diese Hand hätte, diese Reize sein nennte; diese! diese! Infantin! – O Nebel! Nebel! nimm von neuem meinen Geist gefangen, überdünste meine Augen Gelehrsamkeit; oder gib! gib! ich habe alles gefunden: Fragtet Ihr nicht?

INFANTIN.

Ich will die Infantin vergessen und mir einen Spaß machen. Soll ich mit seinem Leiden spielen. Zu ihm. Kennt Ihr Kastiliens Infantin?

CURIO.

Reizende Liebesgöttin! Ihr tragt ihr Bild! Dieses sind die schimmernde Augen, die Tiger und Löwen in Staub legen. Dieses sind die Locken, die Götter vom Himmel ziehen. Und dieses ihre Wangen, wofür das Morgenrot erschrickt, sich hinter die Wolken versteckt, um nicht vergessen zu werden.

INFANTIN
dazwischen.

Hoher, poetischer Narr, dein Fall ist desto tiefer. Lilla lachend und durch Zeichen mit der Infantin redend.

CURIO
immer fortfahrend.

Dieser Hals, wer kann's begreifen? wessen Seele spricht's? – Ich kenne die Infantin, weiß nicht was Kennen heißt; aber wenn das Kennen ist, daß mir das Herz die Brust zerschlägt, das – o ich bin närrisch worden, ich bin rasend worden, bin gescheit worden, bin wieder närrisch worden, bin bezaubert, und fühl mich an: Ist das Fleisch und Bein? O Infantin! Infantin! wenn ich was von Euch hätte, ein Band, einen Pantoffel, oder so was, ich ging in die Hölle. Ich trug der Infantin Sonnenschirm, ich bin mit der Infantin spazierengefahren, bin mit der Infantin im Hain gesessen, und bin ein Gott worden.

[1074]
INFANTIN.
Und habt der Infantin Handschuh gestohlen, und die Infantin zürnt Euch.
CURIO.
So schlage nieder, mächtiger Donner!

Sinkt bei ihr nieder.
INFANTIN.

Der wird seine Staatsgeschäfte gut besorgen. Ich muß den Menschen kurieren, das Ding wird mir zu ernst, und doch des Spaß und meiner Lilla wegen. – Curio!

CURIO.
Ich lebe, Ihr vergebt mir?
INFANTIN.
Ich vergebe Euch. – Habt Ihr schon vergessen?
CURIO
erschrocken.
O Himmel!
INFANTIN.

Ihr verspracht mir Liebeslieder von Poeten, die keine Mädchen hätten, und doch schön wären; die die Welt betrogen mit ihren gemachten Liedern. Verspracht mir Mondscheinslieder, am heißen Mittag in den Hundstagen gereimt, denen man die saure Müh anfühlt. Verspracht mir melancholische Lieder auf den Tod einer eingebildeten Geliebten, die der dürftige Poet nach Gefallen erweckte, je nachdem's ihm aus der Feder fiel. War's nicht so, daß er sie jetzt traurig ins Grab senken sah, es mit Zypressen bestreute und kläglich wimmerte? Bald wieder sie unter den Bäumen wandeln sah, sich mit ihr in die Mondscheinslaube setzte, und Tränen vergoß, daß der Mond so schön sei?

CURIO.
Ja deren gibt's viel. Ach Ihr habt Poeten gemacht, alle Welt wird Poet für Euch.
INFANTIN.
Sie haben meine Person usurpiert, und der König soll ihnen das Handwerk legen.
CURIO.
Ach ich habe gelebt!

Sieht sie verwildert an.
INFANTIN.

Um ein Narr zu werden. Wenn Ihr wieder gescheit seid, so kommt zu mir. Ihr sprecht viel und seid gelehrt.

CURIO
es zuckt an ihm.
Wo fasse ich? Wo halte ich? So vor ihr – und nicht – nicht – nicht – O Allmacht! und nicht –
INFANTIN.

Schreibt ein Buch, ein Liebesbuch, schreibt Eure Liebe aus. Die Gelehrten sollen's beurteilen und die Weibsleute. Wenn Ihr denn noch verliebt seid –

CURIO.
O meine Augen! o meine Sinnen! Ihre Hand fassend und weinend. Infantin! Ach Gnade und Mitleid.
INFANTIN.

Ist ein Geschenk. Gebt Eure Liebe von Euch und macht Verse. Eure Geliebte nimmt's gut auf, dafür steh ich. Es ist doch immer besser als Kalenderlektüre. So behüt Euch der Himmel! Verschlaft den Rausch und schickt der Infantin die Handschuh, und sie schickt Euch einen Prinzessenpantoffel. [1075] Und eine Ode auf einen Pantoffel ist ein hübsches Stück Arbeit. Addio!


Zu Lilla.
CURIO.

War's Spott? Lacht sie über meine Pein? Wo halt ich? Wo faß ich? – Ach! ich mein, ich wollte dem Adler zur Sonne nach, hätte Flügel und Sehnkraft – O weh! o weh! sie lähmt mich, sie zaubert mich, ich kann nicht von der Stelle. Ich will zu Bastiano. Taumelt. Der ist grimmig vielleicht und leidet mich denn. Ha du Allmacht! du Infantin, du! – ja deine Handschuh! ja Curio! du bist's, und bist's nicht. Wankt ab.


Infantin und Lilla treten hervor.
LILLA.
Hi! hi! Ich meine, ich müßte sterben für Lachen. Kind! Kind!
INFANTIN.

In des Menschen Seele geht eine neugefühlte Welt auf, die er nicht fassen nicht begreifen kann, und in dem neuen Gefühl taumelt er betrunken.

LILLA.

Lach nur! o Infantin! sein Gehirn! du hast ihm das Gehirn verwüstet, den ganzen Menschen verwüstet! Was werden wir Freude an ihm haben! Sahst du ihn recht, wie er dahintaumelte? Hättest du mich nur werfen lassen, ich holte eben Nüsse bei Cöcilien: O Curio! Curio! O Infantin! O Allmacht! Jetzt wird er dich mit seinen Romanenprinzessinnen vergleichen, denn vergleichen ist ihre Sache. Was fangen wir für Possen an? Du siehst ja so ernst!

INFANTIN.
Liebchen, das Spiel freut mich nicht mehr.
LILLA.

Geh doch, werde lieber empfindsam und melancholisch. Kommt die Nacht kein Ständchen? Mich sollte doch wundern, wenn Curio nicht auch mit einer Gitarre und einem weinerlichen Liedchen unter deinem Fenster herummaunzte. Wie necken wir ihn? Kind! Kind! liebes Kind!

INFANTIN.

Ich weiß nicht, ich versteh mich nicht mehr. Den Augenblick treibt mich's zur Ausgelassenheit, und wenn ich auf dem Punkt steh – was wollt ich mit diesem Curio umgesprungen sein zu anderer Zeit – Ha! Ha! hi! komm Kind!

LILLA.

Und denk, der Grisaldo soll recht verliebt sein in die Heidin Almerine, die soll eine gar schöne Prinzessin sein? Eine Heidin? Wie die nur schön sein kann, und wie man sich in die nur verlieben kann? Und er liebt sie doch gewiß.

INFANTIN.
Heiliger Gott!
LILLA.
Heiliger Gott!
INFANTIN.
Was ist's?
[1076]
LILLA.
Ein Echo, das von Herzen ging. Es sind ja viel schöne Donne in Kastilien.
INFANTIN.

Lilla, laß uns Kindereien treiben. Wie empfangen wir den General? Ich denk wir flechten ihm Blumenkränze und Blumenketten über Schild und Helm –

LILLA.
Über Herz und Seel. Red aus, Kind! Flora steh uns bei! Wir meinen's beide gut.
3. Szene
Dritte Szene
Bergschloß Xeneralifa. Eine Grotte, dunkles Gebüsch und dichte Bäume.
Der Mondschein schimmert durch.
Grisaldo und Almerine am Eingang der Grotte einander umschlingend.

ALMERINE.

Lieblicher! sieh den Sternhimmel! fühl den Sang, das Wehen der anmutigen Winde durch meine Büsche, und tritt nah mit deinem Herzen all diesen lebenden Dingen um dich – Überall ewige, dauernde, erhaltende Liebe. Ist's nicht so?

GRISALDO.

Almerine, es ist so, und ich bin so, insofern ich kann. Ich hab dir eröffnet, wie ich bin, sein muß, es gnügte dir, und ich ward dir lieber.

ALMERINE.
Nun ja! um deinetwillen lieb ich dich, und bring mich nicht in Anschlag.
GRISALDO.
Liebe!
ALMERINE.

Und doch! – Schönster Sterblicher, kannst du Xeneralifens Grotte vergessen? Ich seh dich ferne über Berg und Wald. Ferne? Was ist das nun? – Tritt herein und ahnde! Hör das leise Murmlen meiner Quelle, das liebliche Rascheln meiner Bäume! Ahndest du nicht die Seufzer, die den lieblichen Einklang in Trauertöne wandeln? O all meine Blumen! Wie oft kamst du herein am Morgen, sie blinkten dir entgegen im Tau des Himmels, und ich betaute deine Wangen mit willkommnen Liebestränen – Und sie nun beladen mit Tränen der Verlaßnen.

GRISALDO.
Willst du mich ganz verstimmen, heute noch? Solltest du?
ALMERINE.

Kastilier! Du hast meinen Blick stolz gemacht, hast ihn zur Sonne gewöhnt. Ich trank aus diesen schwarzen, großen, jagenden Augen stolzen Geist, und ach! trank so willig [1077] mit offnem Aug und Herz die süße, verzehrende, flammende Liebesstrahlen, daß es zitterte in mir, ich mich halten mußte an dich, um nicht zu vergehen in der Allgewalt.

GRISALDO.

Und ich konnte dir nichts mitteilen von diesem Mut, der mich belebt, nichts von diesem Dulden? Ich hab das all in meiner Brust, und mußt mich reißen lassen von deinem Hals weg, hielt's unmöglich, und mußte reiten, wachen, schaffen und streiten Tag und Nacht, in Hoffnung, es kehre noch so eine Stunde.

ALMERINE.

Ja, ich glaubte, ich hätte es. Wie sucht ich nicht alles von dir zu stehlen, und es in dieses Herz zu verpflanzen, daß es veredelt würde. Ich weiß nicht, Kastilier, wir maurische Mädchen lieben so ganz anders, so ganz ohne Vorbehalt. O unser Blut und Herz! das hält alles so treu und heiß! das all ist anders! – So an dir hängen, so um dich sein, so in dir leben – daß doch mein ganzes Leben von dir abhängt? Daß ich doch so nichts für mich übrig hielt? So alles, so sich ganz hingeben, und sich freuen, und immer mehr Liebe haben. Ach! daß wir zittern, leben, sterben, hoffen, sind in Kraft und Mut, in uns schaffen tausend reizende Liebeswelten, wie nur euer Blick will. Wie oft stund ich da über der Sonne, hatte die leuchtende Sterne, verlor mich im Zauber, floß in Liebe hin. Sieh meine Seele? Hab ich sie? Und wiegt sie sich nicht in diesen Augen? Und ich? Daß das meine Sinnen so gefangen hat, mein Herz so überdrückt, meine Sprache so beklemmt – Scheiden? Und jetzt noch in mich ziehen deinen Atem, und alles um dich so mein ist, und alles so mit dir verschwinden soll – Scheiden?

GRISALDO.

Siehst mich hier eingewurzelt vor dir! Meine Seele glühend, fahrend in dein Aug! Brennend meine Lefzen! Stotternd meine Zunge! Vergehend und wirbelnd meine Sinnen! – Almerine! Und ich muß fort! Muß aufopfern dies und das! Muß hingeben alle Welt, alles, was lieb ist in der Welt! Muß hingeben mich! darf nichts denken, nichts fühlen, nichts wissen –

ALMERINE.

O du! umfasse mich in all deiner Stärke! Gib mir Kraft, Liebe und Leben zu tragen! – der aufgejagte Hirsch soll mich nicht überlaufen.

GRISALDO.
Wie meinst du das?
ALMERINE.

Versteh es nicht! Und sollst es nicht verstehen. Wie könnt ich dir erklären die Entschlüsse, die Gedanken und [1078] Wünsche, die die Liebe in eines Mädchen Busen schafft? Sind sie nicht all so eigen, so süß wirrend, so feurig, schnell und tätig, und peinigend wie die Liebe selbst? – Nun dann, ich denke, du mußt mich verlassen, du sagst, du mußt, und nur was Grisaldo sagt, hört seine Almerine.

GRISALDO.

Wenn ich Grisaldo bleiben soll. Und was wär ich, wenn ich mit meinem Degen, meinem Geist und mich in die Waffenkammer gefangen legte?

ALMERINE.

Ich an diesem Liebesort allein? Wenn ich hier saß ohne dich, auffuhr aus diesen einsamen Büschen, in wachsender, herzüberquellender Liebe, mit all den heißen Blicken zum Himmel, zu haschen den schnellen Lichtstrahl, mich wand, hinauf, ich ihn hatte, mich vereinigte mit ihm, und so dich umzitterte – Und da war noch Hoffnung. Du kamst und sprangst leicht über schroffen Felsen, diese Augen überglänzten die Sterne in Liebeslicht. Ich war unvermögend in deinen Armen, wußte nicht, ist's Tod, ist's Leben der Augenblick. Sinkt an seine Brust. Wachte auf, hatte dich, und ich habe dich! Dich Unbenannter! Dich! und halte dich mir!

GRISALDO
in seinem Geiste kämpfend.
ALMERINE.

Rede, Grisaldo! Deine Stimme wird bleiben. Alles ist mir gut hier, und behält den Laut deiner Stimme, den Gang deines Atems. Werden mir's wieder geben, wenn du weg bist. Es wird sein, alles wird nichts sein, du wirst allem mangeln. Ich stehe hier dann am sprudelnden Quell, verliere mich in der Tiefe, ziehe heraus aus dem Dunkel dein Bild, deine Gestalt, Liebe – Schönlockigter! Herrlicher! Lieber!

GRISALDO.

Weib! ich stehe auf dem Punkte zu scheitern. Und drängt sich auf in meinem Herzen voriger Mut, und verliert sich vor der Liebe. Ich steh auf dem hohen Gipfel meiner Selbstständigkeit, und ziehst mich herunter. Ha! So soll ich hier enden? An deinem Busen enden? Reize des Weibes! daß ihr allein mich so hinstreckt! Mich vergessen macht, daß ich bin, warum ich bin, und meine Stärke mit mir in unzerreißbaren Fesseln schlagt. Almerine! Du warst das Weib nicht, das mich zugrund richten sollte, du bist's noch nicht. Kehre wieder! Sei nicht die Klagende! Auf dein Geist und hilf mir mit auf! Ich stehe vor dir und treibe auf in mir alle Erhaltung.

ALMERINE.

Du hast mich angehaucht mit ewiger, nie versiegender Liebe. Hast mir geschenkt das Licht deiner Augen, ich verlor mich drin, und suche mich. Wie wenn du scheidest? – Scheiden? [1079] Ihre aufgebundene Haare fallen über ihre Schultern hinab; nimmt Grisaldos Helm ab, seine Haare fallen gleichfalls hinab, sie faßt sie, verwirret und verschlinget sie mit den ihrigen in Knoten. Hab ich dich, Unaufzuhaltender! Und bist mein! Wind dich los, Stärkster der Menschen! Zerreiße die Liebesketten, du Mächtiger! Heere fliehen vor dir, trenne!

GRISALDO
nach seinem Degen greifend.
ALMERINE.
So, Grisaldo! Trenne! Zerreiße!
GRISALDO.

Zauberin! brich mich zusammen! brich meiner Stärke die Spitze ab! Ich atme schwach, schwächer, bin schon nichts mehr. Wirft den Degen weg. Ich wankte und bin ein Knabe worden vor dir, hier hast du den Knaben. Mein Leben, meine Bestimmung hört hier auf. Ich bestund in der Stärke, womit mich Gott für allen Menschen ausrüstete, die Seinen zu schützen. Zauberin, brauche nun all deine Macht! Ich durfte mich keinem Weibe ganz geben, und gab mich dir. Bin verschlungen in den Ringeln der Liebe, und zehre den Grisaldo auf. Laß mich los, ich steige auf Xeneralifens Spitze, schreie in Granadas Ebene, Grisaldo ist gefallen. Steiget herauf, ihr Maurer, er zerreißt eure Ketten nicht mehr, Grisaldo liegt in stärkern Ketten. O mein Vaterland! o mein König!

ALMERINE
windt sich schluchzend los.

Nimmt seinen Degen, überreicht ihn ihm, und heitert sich auf. Sieger meines Volks! Sieger über mich und meinen Schmerz! Nimm deinen Degen! Das Weib soll den Helden erhitzen und nicht schwächen. Du scheidest! Grisaldo, kann die Liebe mit dir von mir scheiden? Du bist und wirst sein wie meine Liebe. Dieses Herz ist gestärkt auf ewig in Liebe, so fern du bist.

GRISALDO
an ihrem Hals.
Grisaldos Geliebte unter deinem Geschlecht!

2. Akt

1. Szene
Erste Szene
Civitad Valladolid in Castilla Veja.
Don Bastiano in einem düstern Zimmer. In bissigem Gefühl auf und ab gehend.

BASTIANO.

O Welt! ich mein, ich müßte den Knoten kriegen, womit dieses große All befestiget ist, und auflösen, daß es Ende nähme. Ich säh nichts lieber, als Ende der Dinge. Was will das [1080] Träumen, das Sehnen, Streben und Wünschen? Wie, Mensch! hast du nichts und zerbeißest deine innere Konsistenz? Was sind des Menschen Kräfte? Wo reichen des Menschen Kräfte? O so treibe und halte zusammen! Geh denn aus dir, Bastiano! und bring den Gedanken zur Wirklichkeit! Faß deine Welt, Bastiano! Was nutzt sie dir so? Kennst du dich, und weißt, was dir gegeben ist für Tausenden? O Grimm! Grimm! du könntest eine Welt aufzehren, und zehrst dich auf! O König! O Grisaldo! Laß mich sie im Geiste peitschen und zernichten. He! wie schändest du dich, Bastiano!

DON FERNANDO
sein Vater, tritt furchtsam auf.
Hast du einen guten Augenblick, Bastianchen?
BASTIANO.

Ich leb in der Hölle, Alter! die Teufel reiten mich, und ich die Teufel in die Wette. Herrliche Augenblicke, im innern Feuer badend!

FERNANDO.

Geh doch einmal aus deinem Loch. Du sitzest schon wieder Monate verschlossen. Was kann da herauskommen als Unbändigkeit und grasse Gedanken.

BASTIANO.
Mein Labsal, Alter!
FERNANDO.

Ich bitt dich, steig herunter aus deiner finstern Kammer, komm ans Licht, und laß deinen Humor von Wein und Musik besiegen. Pack den Teufel, der in dir haust, du bist stark, Bastian!

BASTIANO.
Bastiano ist in sich selbst gefahren.
FERNANDO.
Ich kann's nicht mehr ansehen.
BASTIANO.

Was wollt ihr Menschen von mir? Was bin ich euch schuldig, daß ihr mich verfolgt? Ich hab noch keinen meiner eignen Wünsche befriedigen können. Wie häng ich an euch? Ihr seid mir nichts, ich bin mir nichts, und mich knüpft kein Band, und soll nie. Schert mich nicht! Ich hab Verzicht aufs Menschengeschlecht getan, das wißt ihr.

FERNANDO.
Schrecklicher! Dein Teufel würgt mich.
BASTIANO.

Ich bin allein in der Welt, bin für mich in der Welt. Geh alles zugrund! Ach verderben! verderben sehn! O meine Galle schüttle dich – Verderben! – Was quält ihr Menschen einander! Was quält ihr mich, der euch Ruhe laß!

FERNANDO.

Ich bin ein schlechter, einfältiger Mensch, Bastiano, und begreif nichts. Kann nicht wissen, ob der Mensch so weit von seinen Brüdern absteht, und abstehen darf. Aber ich bin dein Vater, und fühl nur, daß mir's das Herz zerreißt, zu sehen, daß du dich mit Schimären zernichtest.

[1081]
BASTIANO.

Brav! Schimären! Beim Teufel, ich weiß nicht, wie Ihr dazu kommen seid, mein Vater zu sein. Ha! Alter! meine Gebeine zerfließen in einem Bewußtsein, wofür deine Seele keine Empfängnis hat, und bin nichts. Stürze zu Boden hier, und sporn zu Boden mich. Du allgewaltiges Feuer, daß du mit solchem Toben in mir kochst, jede Nerven springen machst, und jeden Pulsschlag in einen Dolchstich verwandelst! Wenn ich nachts hier herumgeh in meinen Ideen, an meinen Finger beiß, und seh! und seh!

FERNANDO.

Was willst du denn? Sprich! Gut und Geld ist da, so viel einer im kastilischen Reich nur haben mag. Nimm Besitz von all denen Gütern, die ich hab. Laß mich dich ruhig sehn, du bist nach dem König der Reichste!

BASTIANO
schließt seine Gold- und Prachtschränke auf.

Hier steh ich vor Gold und Pracht. Spricht's zu mir? Gibt's einer meiner Ideen Zufriedenheit? Dreck! Tragt's in Pisuerga. Ich bin Bastiano wie vor, und Bastianos Geist hält's hiermit nicht.

FERNANDO.

Was begehrst du? Du hast alle Ansprüche auf Ehrenstellen durch deine eigne Schuld verloren. In Krieg magst du nicht, weil du niemand vor dir leiden kannst. Lernen wolltest du auch nie was, weißt und kannst nichts, womit du andere ausstechen könntest. Ich muß von der Leber weg reden, Don!

BASTIANO.

Vorwürfe? Was nennt Ihr lernen? Ich hab mit Vorsatz nichts gelernt, um vor meinen eignen Augen ganz zu werden. Ha! Und was wollt Ihr? Ihr! der schwächste Mensch in Kastilien, der Ihr auf vieles Gold trotzt. Ihr stundet auf dem Punkt, Kastiliens König zu werden, und Weiber betrogen Euch, und gaben Euch Küsse. Ich muß von der Leber weg reden, Don! Ihr zittertet in Unvermögen vor der Krone, ließt sie Euch aus den Händen stehlen, damit ich sie suchen soll mit Gift und Verderben. Ich will sie nun, weil sie schwer zu haben ist. Wie seid Ihr dazu kommen, mein Vater zu sein? Ich seh so vieles ein, und kann das nicht einsehen.

FERNANDO
bedeckt seine Augen.
Fluch Gottes! du triffst mich ganz, dachte meinen Kindern eine Wohltat zu. Sinkt zurück.
BASTIANO.

Ich hab Euch die Qual noch nicht den tausendsten Teil vergolten, die Ihr mir bereitet habt. Ich will's Euch entlassen, so laßt mich nun!

FERNANDO.

Du hast mein Leben gefangen, Schrecklicher! fang mit mir an was du willst. Ich werde Giftmischer auf dein Geheiß, [1082] um dich nur einen Tag mit mir zufrieden zu sehn; um nur einen Tag zu fühlen, daß ich einen Sohn hab.

BASTIANO.
Ich brauch Eurer nicht, und keines.
FERNANDO.
O Bastiano! Meine Haare sind vor der Zeit grau worden um dich.
BASTIANO.

Und mein Gesicht schrecket wie der Nachtgeist. Mein innres Wesen vergiftet und zerrüttet. – Ich kann mit Euch über nichts reden.

FERNANDO.
Du kannst der Infantin deine Hand bieten.
BASTIANO.
Ja was durch Weiber! Ich hab nichts für Weiber. Wie springt Ihr ab von mir! Durch Weiber?
FERNANDO.
Du hattest doch sonst – Mensch wie betrügst du dich!
BASTIANO.

Ich bitt Euch, laßt mich nun so. Ich merk's Euch an, Ihr wollt wieder in Vernünfteln fallen, das ich gar nicht ausstehen kann.

CURIO
tritt verwildert auf.
BASTIANO
fährt fort.

Da kommt noch einer von der Rasse, aus Maximen und Sentiments zusammengesetzt. Zu Curio. Seid Ihr kalt, Curio? Seid Ihr vernünftig? Seid Ihr im Humor aus einem Buch zu reden?


Fernando betrübt ab.
CURIO.

Kalt, Bastiano? Und hab der Infantin Handschuh, bin mit der Infantin spazierengefahren. Hab der Infantin ins Aug gesehen, und bin närrisch worden, und halt mich an den Wänden wie ein Trunkener.

BASTIANO.

O die lustigste Art Narren, weil wir sie so gut verstehen, und ihre Kappe längst getragen haben. Ja die Infantin! – Ob ich schon den empfindenden Teil von Menschen nicht leiden kann, ist mir's doch lieb, daß Ihr einmal von Euren Büchern loskommt, und einen nicht mehr mit Eurem Wissen plackt. Alles südheiße Leidenschaft! jetzt können wir sprechen. Es gibt Leute, die das am Menschen ungern sehen. Ich denk, Curio! Ihr sollt nun bald für mich taugen.

CURIO.
Wie meint Ihr? Wie ist's Euch jetzo, Bastiano?
BASTIANO.
Sind deine Sinne geöffnet? Und kannst du erklären und fassen den Inhalt meiner Mienen und Augen?
CURIO.

Weiß Gott! die Infantin ist schön, und hat auf mich gewirkt, daß mir tausend Sinnen aufgegangen sind, und all diese Sinne streben sie zu haben. Wie ist's Euch nun? Habt Ihr ausgekocht? Ich muß mit meiner Gitarre unter der Infantin Fenster diese Nacht – Habt Ihr ausgekocht?

[1083]
BASTIANO.

Curio! ich wär der glücklichste Mensch auf der Welt, wenn ich mich im stillen anbauen möchte, und entfernt leben könnte.

CURIO.
Ja Ihr und ich. Wo kein Getreibs ist, ist kein Leben. Wirbel und Leidenschaft!
BASTIANO.

Du kennst meinen Humor; weißt meine allgemeine Verachtung der Menschen, daß ich sie ganz missen kann. Mein Plan über jeden Menschen, der mir vorkam, war immer, all das beste Mark seines Geistes in mich zu saugen, denn einen andern vorzunehmen. Ich fand wenige, wo ich viel gewann, und doch war dies noch das einzige, was ich an ihnen zu suchen hatte. Du weißt, daß ich alle Empfindungen, alle Sinne, die dem Menschen zuteil wurden, so lang durchgeritten hab, bis keine Nerve mehr spannte, klang und drang. Weißt, wie ich mich allem Genuß überließ, um's satt zu werden, um mir Ekel zu holen. Es gelung mir. Ha! ich dachte mit dem Aufreiben all meiner Gefühlsfasern, würd ich dieses zu Herrschen treibende Feuer mit verkälten und verlöschen, weil ich zu deutlich sah, wie sehr ich anders gezwungen würde, mich mit unleidlichen Menschen zu behängen, mich mit Empfindungen zu schmücken, die ich mit Fleiß versengte, die ich nie hatte, nie haben wollte. Mein Herz hatte nun alle jugendliche Geschmeidigkeit verloren, alle Weichheit, versagte allem Eindruck, daß ich auffuhr in Freuden, und mir Glück wünschte.

CURIO.

Und nun! Ihr sinkt auf einmal in Euch hinein, und jagt sich's auf Eurer Stirne – Bastiano, ich versteh Euch!

BASTIANO.

Ja du und all ihr Menschen! Curio! Ich glaubte nicht, daß ich durch Wegräumung all der kleinen, den Menschen heruntersetzenden Leidenschaften, dem Gott, der in mir auf den glücklichen Augenblick lauerte, noch mehr Kraft zuströmen ließe. Er trat hervor, noch eins so feurig, noch eins so unternehmend, graß und wild in Wollen und Fordern. Schüttelte mich zusammen, daß ich nach Luft rang, mich zu halten. Zehrte mich ab, brennend auf Herz, Nier, Leber und Geist, daß ich meinte zu versiegen, wie einer, dem in Buhlersbrunst ein Spiel der Einbildung, der Gedanke des Genusses, für die wegwischende wirkliche Gestalt des Mädchens bleibt.

CURIO.
O Bastiano! so ist mir's.
BASTIANO.

Dieses blieb mir also, und dabei der Haß gegen Menschen, und besonders gegen diesen Grisaldo. Ich blieb hängen [1084] in der menschlichen Gesellschaft wider meinen Willen. Mich wirft's Tag und Nacht herum. Ich muß ihm Gnüge leisten, oder dieses Lebens Ende machen, das mir zur Marter wird. Allem Genuß verstopft, nur dieser alleinigen Empfindung lebend, dieses Lands König zu sein, all meine Ideen auszuführen, die mit mir so verwebt, mit meiner Existenz so verschwistert sind, daß ich bloß darin wurzle, bloß daraus Saft und Leben saug. Ich kann nicht eine aufgeben, ohne zugrund zu gehn, und täglich fühl ich sie mehren, täglich die alten feuriger, stärker und fester werden. – Wo nun dieses alles Ende und Zweck? Wo Gnüge? Ich hab keine Leidenschaft und hab sie alle.

CURIO.

Mut und Gewißheit ist in Eurer Seele, warum nicht ausführen? Bastiano! in meinem Herzen sieht's anders als auf meiner Stirne. Und jetzt wo ich einen Sporn habe – meint Ihr nicht?

BASTIANO.

Curio! dieser Grisaldo vermag die Welt auf seinen Schultern zu tragen. Ich begreif ihn nicht. Mit solchem Sinn, solcher Treue – was nutzt ihm seine Stärke? – Ich bin sein Feind, er allein bindet mich zusammen, ohne Hand anzulegen, daß ich nicht trau zu zucken, und das muß gelöst werden durch sein Verderben. Sag deiner Leidenschaft auf, wenn du anders denkst.

CURIO.
Gehn wir nicht zusammen? Kann er uns nicht durch einen Wink auf ewig hinstrecken?
BASTIANO.

Genug! Und was ist's mit ihm? Das Lob, der Preis, der Ruhm dieses Menschen von seiner Stärke, Großmut, Edelmut, ist mir ganz gehässig. Ich kann nichts dran finden, wie ich denn überhaupt nichts an Menschen zu finden weiß. Sind diese Dinge nicht ganz zufällig bei ihnen, und besonders an ihm? Denn nimm noch seine Liebe zu den Weibern, Tag für Tag mit ewigem Wechsel – Pfui für dem all! – Aber wohl uns, daß dieses die Harpune ist, wo der Walfisch sich dran verblutet.

CURIO.

Bastiano! Ich weiß und fühl dies nun all. Aber ich bin trunken heute, und laß mich's sein. Wir wollen diesen Staat verkehren, daß kein Stein auf dem andern bleibe. Und Granada, Aragonien und Leon wären noch Beute für uns. Was steht uns entgegen? Glauben, fester Sinn und Beharren, Bastiano, versetzt Berge.

BASTIANO.

Sieh mich an deinem Hals! Noch kann ich nicht sagen, [1085] ich liebe dich, aber es kann kommen. Ich kann dich leiden, du magst vielleicht der einzige werden. Ich kann keinen Freund haben, und mag keinen haben.

CURIO.
Was ist das? Und müßtest du dich nicht wandlen?
BASTIANO.

Grisaldo blieb lange, er ist auf dem Weg, und wird erwartet von freudigen Herzen. Kehrt zurück von Weibern am Siegeswagen geschleppt wie immer. Curio, habt Ihr dem König den Brief an den aragonischen Hof, den ich Euch schreiben hieß, vorgelesen, und tat's auf den kranken, schwachen Menschen die gehörige Wirkung?

CURIO.

Gewiß! Ich goß über Grisaldos Taten allen Pomp und Überfluß, den ich nur in meinem Sprachvorrat hatte. Lange, poetische Worte, die dem König zu Nase stiegen wie böser Dunst. Ich las zum Exempel: Grisaldo wird als der Vater und Erhalter des kastilischen Volks angesehen, der's vom nahen Untergang errettete, jedes Herz betet für ihn, und stellte gleich gegenüber: der König hat vor einigen Tagen zur Ader gelassen, hatte Stechen auf der Brust, Husten und hütete das Zimmer. Ist aber wieder zur Freude des Volks ziemlich hergestellt. Da wollte er lächeln. Es durchkreuzte sich aber in seinem Gesicht ein Meer von unfaßlichen Empfindungen, die endlich alle zusammen in ein starkes Niesen ausbrachen. Da kriegte er ein Gotthelf, und er konnte nicht sagen, »ich danke«.

BASTIANO.
Du ließt's dabei nicht?
CURIO.

Las weiter: Der Maurer König soll dem Grisaldo seine Prinzessin mit Bedingungen vorgeschlagen haben. Zu des Königs Ohren ist noch nichts gelangt; und der König schoß jüngst auf der Jagd einen Hasen, aus dessen Eingeweide Truffaldino neuen Krieg wahrsagen wollte. Das brachte ihn zum Losbrechen, wie ich's wollte. Ich weiß die Lügen nicht all, die mir dem Mund herausflogen, aber es tat seine Wirkung. Nur muß man immer ins Kleine gehn, und gegeneinander halten. Es ist wunderbar, wie der König so ganz heruntergesunken ist. Er, der sonst so lebendig und feurig war! Aber die Krankheit mit – Der General wird kalt genug empfangen werden.

BASTIANO.

Ein wildes, garstiges, wirr, gehässig und gefräßig Ungeheuer gouverniert diese Welt hier. Kein wirbelnder Wirrwarr läßt sich nicht träumen. So einen Menschen auf den Thron zu lassen! auf den Thron zu setzen! Einen andern, der unbegrenzten Willen und Geist hat, unten an die letzte Sprosse [1086] der Leiter dieser Welt zu stellen! Ich will dich verbessern, hämisches, dummes Ungefähr! Ich will dich zurechte weisen, und du sollst durch meine Augen sehn.

CURIO.

Bastiano! Hier hast du meine Hand! Bester! Ich hab dich nun vor mir stehen in deinem Sinn, Meinen und Willen. Der Gedanke an dich soll die Zeit meiner Ruhe ausfüllen. Laß uns schaffen und hetzen. Bei all dem wenigen, das ich über das viele sage, sei überzeugt, es fiel auf keinen dürren Boden. Ich kann nicht rasten, Tod oder Leben liegt in diesem Gefühl, was weiß ich. Wenn ich an meinen Stand denke, zu der Infantin hinaufsehe und sinke –

BASTIANO.

Was heißt das wieder? Laßt es nicht mehr als eine vorübergehende Grille sein. Wir sind da, die Schäden einzurichten, woran die Welt durch garstige Übereinkommungen krank liegt.

TRUFFALDINO
tritt auf.
BASTIANO.
Sieh dich um, und hör einen König!
CURIO.
Ich muß zu meiner Gitarre.
BASTIANO.
Zeit genug! Näher Regulus! Mach mir Gaudium, Regulus!
TRUFFALDINO.

Guten Abend, Dons! Habt Respekt für mich, Dons! Ich bin ein König, ich, ein indirekter König, Dons! Hier ist eine königliche Hand zu küssen. Ihr, Don Bastiano! Und Ihr, Don Curio! Meine Gnade gedeih Euch!

BASTIANO.
Tritt in Hintern, zur Tür hinaus!
TRUFFALDINO.

He das! Sieh, Bastianchen! Hättest du was gelesen! Beim Apoll! Etwas gelernt muß man haben, um fortzukommen. Unwissenheit gedeihet nur dem Magen, Dons! und feistet den Bauch.

BASTIANO.
Gib acht, Curio! Der König spricht.
CURIO.
Man möchte des Teufels werden.
TRUFFALDINO.

Künste und Wissenschaften bleiben doch immer die Führerinnen, die Erhalterinnen des Himmels, der Erde und der Welt, Dons! Ich bin ein deutlich, eklatantes Beispiel, ich! Ich bin des Königs Rechte, des Königs Linke, des Königs Aug, des Königs Ohr, des Königs All, Dons! Mach ihn lachen und weinen durch meine Wissenschaft. Das ganze Land fürchtet den König, der König fürchtet mich, was muß Truffaldino sein Dons, fürcht sich ein König vor ihm und seiner Kunst, und in einem König alle Kastilier? Löst mir das Rätsel auf, Dons! Bastami!

[1087]
BASTIANO.
Willst du fortreden, und mir Freude machen, Regulus? Du kriegst Wein!
TRUFFALDINO.

Ha! Wer hätte sich träumen sollen, daß ich Truffaldino, der ich in meiner Jugend für einen Pfennig den Meßjungen so oft machte, als man pfiff. Daß ich Truffaldino, der ich lesen kann in vielen Büchern, lesen kann in den Sternen, hören kann, was kriechende Tiere zischen, singende Vögel reden, daß ich Truffaldino in meinem vierzigsten Jahre indirekter Beherrscher des kastilischen Volks würde. Ich, eines Sarazenen Bastard, getauft und gerettet aus dem blinden Heidentum, angespien in der Jugend von jung und alt. So glaubet an die Wissenschaften und verehret mich, Dons!

BASTIANO.
Die Peitsche Regulus! Weiter! Mehr Zunder meiner Galle!
TRUFFALDINO.

Ich beherrsche den König, leg ihn zu meinen Füßen, heb ihn auf mit Trost. Bring ihn in Jammer durch einen Sternputzen, zu Freuden durch einen wohl ausgelegten Traum, bring ihn dahin, zu tun, was ich will. Wer ist dieses Landes König, als ich Truffaldino! Der ich meine Wissenschaft zur Zauberei erhob? Ziehet Lehren daraus, unwissende Dons! Ziehet Lehren daraus! Wissenschaft und Kunst hebet den Menschen ad astra, Unwissenheit gedeihet nur dem Magen und feistet den Bauch.

BASTIANO.
Bravo, Lümmel! Was macht des Königs Person?
TRUFFALDINO.

Wohl distinguiert für einen Unwissenden, Don! Denn hier steht des Königs Seele. Seine Person ist melancholisch schon seit drei Tagen.

CURIO.
Teufel und Welt, wie spielst du uns mit?
BASTIANO.

Was ist er? Melancholisch? Was heißt das? Ohne Kraft, Geist und Schwingung ist er, und verbirgt seine Untätigkeit und Unvermögen unter dem Schall eines nichtsbedeutenden Worts, wie alle Schwachen. Melancholisch? Ich find den Inhalt dieses Lauts nicht. Was will der melancholische Mensch? Was gar der melancholische König? Seine Untertanen haben Wirksamkeit und Feuer. Wollen Wirksamkeit und Feuer sehen. Wollen, daß man in sie wirke. Laß die melancholischen Leute ins Kloster gehen, auf Gräber weinen, wie schale Poeten, die die Welt nicht verstehen. Aber wie ein König? Was ist das, ein König? Was eine Nation, der es freisteht, zu wählen? Was nun! Ist ein König das? Mich unterhält das Fragen. Curio! Ihr seid gelehrt: Ist ein König die letzte Person im Staat?

[1088]
CURIO.
Dieser wenigstens, Bastiano! Sonst immer der erste und letzte, wie Ihr wollt.
TRUFFALDINO.

Da laufen die Zungen. Wir haben den kränklichen Herrn in Ketten geschlagen, wohlwissende Dons! Haben ihm alle Wirksamkeit abgeschnitten. Definiert nicht lange, oder ich will in plumper Grobheit eure Grandezza durchdemonstrieren, daß euch kein Lumpen übrigbleiben soll, eure Scham zu verbergen. Ich bin grob und versteh mich drauf.

BASTIANO.
Halt 's Maul, Affe! Wenn stirbt der Könige Schicksal?
TRUFFALDINO.

Hände und Füße abgehauen, den Geist untergeduckt, da liegt der Torso, Dons! nagt ihm nun das Herz aus dem Leib. Eine beßre Frage, Dons!

BASTIANO.
Wenn sterb ich?
TRUFFALDINO.
Wenn Grisaldo Eurer ernstlich denkt.
BASTIANO.
Ihr seid keck und frech. Stockschläge!
TRUFFALDINO.
Treibt Ihr Esel? Don!
BASTIANO.
Hund!
TRUFFALDINO.
Nehmt Eure Waden in Obacht, wenn Ihr welche habt, Don!
BASTIANO.
In Hundsstall!
TRUFFALDINO.

Und du sollst nicht schlafen für meinem Bellen. Bastianchen baue dein Gärtchen, und greife nicht um dich, deine Ärme reichen nicht zu.

BASTIANO.
Trinkt und eßt mit mir.
TRUFFALDINO.

Ich rieche Euch, die Hunde haben gute Spur. Und der Don, der mich machte, war ein guter Fuchsjäger. Ich hab manch Stückchen von ihm geerbt, meine Mutte war eine feine Diebin, Don!

BASTIANO.
Am Tisch mehreres. Bleibt Ihr? Curio!
CURIO.
Unter freiem Himmel. Sobald Grisaldo kommt, sind wir beisammen. Lebt wohl.

Ab.
TRUFFALDINO.
Armer Don Curio!

Lilla kommt singend und springend.
BASTIANO.
Freude des Lebens, im Frühlingsflor mich zu peinigen.
LILLA
singt.
Bitter lieblich
Ist das Leben,
Wo unerfahren
Wir Mädchen sind.
Ach! wie der Wind,
So husch, so schwind.
[1089]
Tanzen so eilig,
Gauklen so freudig,
In Liebesstrick.
Und rufen Pih!

Ha! ha! Herr Bruder Bastiano! Mir ist's wohl, und mir ist's nicht wohl, nachdem Ihr's nehmen wollt. Was scheuchst du meine kindische Freuden, Störrischer? Zittre zusammen vor dir, wie vorm Tod. Bon jour! Herr Truffaldino! haben Euch die Sterne nichts Schönes von Lilla vorgesungen?

TRUFFALDINO.
Die Sterne verschwinden, schöne Donna! Euer Anblick ergötzt.
LILLA.

Wohl bekomm's, weiser Mann! – Bastianchen, ein Mann! ein Männchen zum Necken, zum Spielen, zum Quälen. Gib mir einen Mann, wilder Bastiano! Du siehst ja doch gern quälen. Ich will dir Freude machen, ich will ihn durch wilde Streiche, durch kleine Spitzbübereien in den Arm des Todes jagen, und dann siehst du ihn mit so einem kleinen, kleinen Lächlen aus des Todes Rachen wieder herauswinken.

BASTIANO.
Soll ich dir den Mund zuhalten? Truffaldino, ich komm nach. Der ab. Du schwätzest einen zu Tod.
LILLA.

Ein für allemal, es gefällt mir vieles so nicht recht mehr. Ich zittre, in eine schöne Gegend zu treten. Zittre vorm Hain und Vögelgesang. Ach! es wird einem doch dabei so öde, so eng ums Herz, man strebt sich, sehnt sich nach etwas, das man nicht hat, das außer einem ist, und das nimmer weicht, doch da ist. Man möcht sich halten an etwas, aber leer, wüst und trocken. Alle Schelmenstreiche, alle weibliche Spielereien und Eitelkeiten langen da nicht zu. Ich jag mich mit den Mädchen herum, husch! steh ich dir unter einem einsamen Busch, seh über mich, um mich – was fehlt dir, Lilla?

BASTIANO.

Verflucht meine Mühe, und zum Teufel mit den Weibern! Lilla! Du bist bisher das einzige Geschöpf gewesen, mit dem ich mich abgeben mochte in guten Stunden, und fruchtet's? All meine Lehren, meine Warnungen in Wind! – Laß mir dein Herz mit den Männern aus dem Spiel, und vollführ mir meinen Plan, oder gib den Bruder auf. Du glaubst, du könntest so mit Neckereien über die Männer hüpfen, wie du über die Wiese tanzest. Dein Herz ist zu weich und kindisch, und wirfst dich selbst im ausgestellten Netze. Mit deinem Reiz will ich Kastilien erobern, kleine Lilla! Ha! Laß einen empfindsamen Buben kommen, und dir das Herz aus dem Leibe [1090] mit Balladen trillern, ich werf dich ins Kloster, und schinde den Hund.

LILLA.
Wilder! Geh! Ich will alles tun, was du willst. Ich mein ihn ja, wenn ich von Männern red.
BASTIANO.
Dein Herz soll nichts dabei zu tun haben.
LILLA.
Wie macht man dies, Bastianchen?
BASTIANO.
Das will ich dich lehren.

Ab.
LILLA.
Wenn dir's nicht zuvorgekommen ist. Läuft ab.
2. Szene
Zweite Szene
Palast.
Lilla und Infantin treten auf mit Blumenkränzen.

LILLA.

Er kommt! Alles ruft, er kommt! Alle Herzen schlagen, er kommt! Und ich rufe, er kommt! singe und springe, er kommt!

INFANTIN.

Süße Lilla! er kommt! Husch! der Sieger kommt, das war brav geschrien. Sind denn alle Kastilier in ihn verliebt?

LILLA.

Hör die Weiberstimmen! Ha! Hi! Ich hör sie deutlich unter den Männern hervor. Klag ihn der Zauberei an, Infantin! Ich will mich brüsten, und sein Richter sitzen. Grisaldo! Wollen wir eins mitrufen? Lange lebe Grisaldo, unser Held und Sieger!

INFANTIN.

Sei lustig, Kind! Gib mir meine Kindereien, gib mir ein wildes unbesonnenes Stündchen. – Ich zerreiß die Blumenkränze, Lilla! Ich zerreiß.

LILLA.
Geschwind dann!
INFANTIN.
Die Blumen dauren mich, sie blühten nie so schön.
LILLA.
Dauren sie dich? Und das Tränchen, das auf die Rose fiel, hi! hi!
INFANTIN.
Die Freude des Volks, Liebe!
LILLA.

Liebe, sei ausgelassen, sei alles, nur dies nicht! Hör, ich hab ein Gedicht von Curio auf deine Augen gelesen, ein hübsches, gefühltes Gesängchen. Er verglich sich dem Eber, der das Fangeisen in der Brust hat, und sich durch seine Wildheit tiefer hineinstürzt. Von deinen Augen spricht er wie ein Blinder, und von dir! Es wirbelt ihm. Ich hab schon einen Streich für ihn in Kopf. – Komm jetzt geschwind in Garten, und laß uns durchs Gitter lauschen. Aber dein Gesicht wenigstens auf die Hälfte zu mir gekehrt, wenn er vorbeizieht. Und keine [1091] Scheidewand zwischen meinen und deinen Augen, darum bitte ich. Wollen wir sie übergurglen? Ich denk, unsre Stimmchen sollen sich durchs Rauhe stehlen, und Reiter und Pferd festhalten. Und deine Augen! O weh! sein Panzer wird ihn wenig schützen.

INFANTIN.
Ob er sich nicht verändert hat, so aussieht, so gefällig und gut ist?
LILLA.

Noch so schön ist. Ob er verliebt in mich ist, oder werden wird. Ob er nicht melancholisch wegen seiner Heidin –

INFANTIN.
Fort! Fort! Du quälst.
LILLA.
Leichtes Blut und gute Laune – Laufen ab.

König. Curio. Bastiano. Truffaldino.
KÖNIG.
Wollen sie mir Valladolid niederschreien?
TRUFFALDINO.

Legt eine Auflage drauf, sie murren nicht. Meine Weisheit aufs Spiel! Sie greifen sich an, geben ihr halbes Vermögen, um schreien zu dürfen, Glück unserm Grisaldo!

KÖNIG.
O weh! Ich darf mein Zimmer kaum verlassen.
CURIO.

Ist das ein König, der einzieht, und dessen Ankunft so brünstig erwartet wird? Kommt denn nur mit ihm Heil und Glück in Kastilien, und war Zeit über Mangel oder Tyrannei, als er weg war?

TRUFFALDINO.

Fahr hundertmal mit dem König, liebe Dons! und keiner grüßt von Herzen Seine Majestät, keine Seele segnet mit Treue seinen König. Und jetzt nur fließen die Augen für Freudentränen über, die zeither verstopft waren? Harte, undankbare, höchst undankbare Herzen, die ihr euch da nur öffnet, stumm und kalt gegen euren gütigen König bleibt! Ist es denn so weit kommen, gütige Sterne, daß ein König unbeobachtet einhergeht, und ein andrer Mensch begrüßt wird, daß es in der Luft zittert, den Vögeln unter den Fittichen weg die Luft mit Gebrüll entwendet wird! O allweise Sterne! Wie tretet ihr zurück! Wird das ewige harmonische Band, womit ihr befestigt seid durch einen bösen Dämon, der auf Grisaldos Seite getreten ist, aufgeknüpft? Anders kann's nicht sein. So haltet dann zusammen, ewige Sterne, und kämpfet gegen den Drachen.

KÖNIG.

Truffaldino! Du hast zu wahr geredt. Ich bin krank, und war stark. Die Ordnung, womit dieses All regiert wird, ist auf einmal zerstört, ein König trauert. O mein Herz!

CURIO.
Ich fürchte, sie bieten ihm die Krone an.
KÖNIG.

Verdammte Zunge! Weil ich Stiche in der Seite hab, und [1092] mein Geist gelitten hat? Curio! wie werd ich des Menschen los? Er erdrückt mich, und die Krone zittert auf meinem Haupt.

BASTIANO.

Hütet Euch, König, ihm hart zu begegnen. Ein Wink von ihm, und alle Kastilier vergessen Eid und Pflicht, stehn mit gezogenen Degen vereinigt hinter ihm.

KÖNIG.

Ich kann zu keinem Entschluß kommen. Truffaldino! Geh mit deiner Weisheit zu Rat. Verläßt mich alles? Ich weiß nicht. Ihr wollt meine Freunde sein, so handelt. Er ist mir über den Kopf gestiegen. Ich liebe ihn, und liebte ihn. Ihr gabt mir Euren bösen Humor, Bastiano! zu meiner Krankheit. Ist denn allenthalben Frieden jetzt?

CURIO.

Solang der General will. Aber wie leicht ist's ihm, zu ändern. Bei der Ruhe schläft seine Macht. Bastiano hat den besten Plan gefunden.

KÖNIG.

So kommt und entdeckt mir's. Die Menschen plagen mich mehr als meine Leiden. Das Geschrei tötet mich schier.


Ab.
TRUFFALDINO.

Kommt, Dons! und seht einen König Angstschweiß von der Stirne wischen, und dann glaubet an mich, Dons. Ich könnt Euch ein Buch voll moralisieren darüber, Bastiano! und grobe Anmerkungen für Euch daraus ziehen. So mitleidig Ihr diesen König anseht, so war er wahrlich ein edler Mensch, nur – nur –

BASTIANO
stößt ihn fort.
Hol dich der Teufel!

Alle ab.
Leute auf und ab laufend.
Grisaldo und Malvizino treten auf.
MALVIZINO.

Ha! hier ist's still wie's Grab, und man läßt uns zu Atem kommen. Immer das Äußerste. Ihr sollt so alles recht durchkriechen, Grisaldo. Das Volk schrie Euch bald nieder in ausgelaßner Freude, riß Euch bald vom Pferd mit Händeheben, hier flohen sie zurück, als führen Donner aus Euren Augen. Die Majestät ist langsam in Kastilien.

GRISALDO.

Laß sie alle! Ich hab heut so viel Lieb genossen, so viel Lieb gefunden unter diesem Volk, daß ich fürchte, es nicht so in reichem Maß erwidern zu können. Du glaubst nicht, was das ist, Malvizino, Liebe suchen und Liebe finden.

MALVIZINO.
Ja, wo dann? Unbelebte Dinge schienen Euch zu bewillkommen. Seht Euch um hier!
TRUFFALDINO
tritt auf.
MALVIZINO.
Da kommt ein Affe!
[1093]
TRUFFALDINO.
Großer, siegreicher Grisaldo! Mein König entbietet Euch seinen Gruß und allen edlen Streitern!
MALVIZINO.
Sein König? Was sich doch die Sprache ändert!
GRISALDO.
Ich danke dem König. Wo find ich? Befiehlt der König, daß ich ihm in seinem Zimmer aufwarte?
TRUFFALDINO.
Ich weiß nicht.
MALVIZINO.
Kennst du diesen Mann? Bursche! – Halt dich, Degen! Wer bist du?
TRUFFALDINO.
Des Königs Nativitätssteller und Gesellschafter.
MALVIZINO.

Pack dich zum Teufel, oder ich schick dich deiner Kunst zur Schande, vor deiner Stunde übern Styx. Schändlich! Schändlich! Schändlich!

GRISALDO.
Laß den Menschen gehn.
TRUFFALDINO
zieht sich zurück.

Seine Ader über der Stirne und übrige Lineamente verkündigen raschen Zorn. Er gefällt mir nicht. – Laut. Ich will dem König Eure Ankunft melden.

MALVIZINO.

Meld du dem Teufel! Ist die Majestät taub? Die Stadt zitterte, als Ihr ins Tor trat't. O Grisaldo! Du vergehst dich sündlich gegen dich. Solch einen Kerl dir zu schicken, den sich mein Degen schämte niederzustoßen. Komm fort, die Maurer und afrikanischen Heiden meinen's besser.

GRISALDO.

Kann ich ihn denn nicht leichter missen, als er mich? O Malvizino! wie's den Augenblick ganz anders auf mich wirkt!

MALVIZINO.

Ja, was! all gut großmütig sein, aber solche Hunde – wenn Ihr nicht wärt, ich stünd längst unter Heiden – da laufen die Affen auf und ab, das Meerwunder zu besehen – Was wollen die Füchse?

GRISALDO.
Sei ruhig, der König kommt.
MALVIZINO.

In schöner Gesellschaft. Das gibt was für meine Rauhigkeit und Grimm, merk ich an den Gesichtern. Wie die Drahtpuppen messen sie die Schritte. Hol mich der Teufel!

GRISALDO.
Schweig oder geh!

König. Bastiano. Curio. Truffaldino in der Ferne schüchtern immer auf Malvizino sehend.
GRISALDO.
Gott segne Eure Majestät!
KÖNIG.

Heil Euch, tapfrer General. Wir sind geneigt, den Verlauf Eurer letzten Expedition, wovon wir wunderliche, obzwar zerstreute Nachrichten, gesammlet haben, aus Eurem eignen Munde zu hören. Die Zeit ist uns teuer, so faßt Euch kurz.

[1094]
MALVIZINO
für sich.
So!
GRISALDO.

Wunderliche Nachrichten, mein König, können nun wohl eingelaufen sein. Soviel aber weiß ich, daß alles nach dem ordentlichen Lauf der Dinge gegangen ist, wie's so immer bei Euren tapfren Soldaten zu geschehen pflegt. Den maurischen König haben Eure Völker, in zwei für den Feind Kastiliens sehr blutigen Siegen zur Unterwerfung und jährlichen Tribut gebracht, wovon gegenwärtig bereits das erste Jahr ausgeliefert ist. Des Königs Untertanen haben von diesem Feind der Christen weiter nichts zu besorgen, können ruhig in ihren Mauren schlafen, und die Freude und Vorteile genießen, die der liebliche Friede darreicht. Dies ist der Inhalt eines jährlichen, gefährlichen Krieges aufs kürzste dargestellt.

KÖNIG.

Wir sind Euch dankbar, und erkennen Eure Dienste. Aber, General! verhehlen kann ich nicht, daß, wie man mir zuverlässig gesagt hat, mehr hätte geschehen können. Besonders da Ihr den König so sehr in die Enge getrieben hattet.

MALVIZINO.
So! Der König meint's doch nicht übel, und die Leute.
GRISALDO.

Wie König! Die Leute haben Euch gesagt? Hört der König Leute an, die weder am Platz waren, noch etwas vom Kriegshandwerk verstehen? Und nehm der König nicht übel, wenn ich sage, ich war zum Krieg ausgeschickt und nicht zum Morden. Der Feind, der sich unterwirft, hört auf Feind zu sein, er sei Christ oder Sarazen.

MALVIZINO.
Wir hätten das Königreich im Sack herbringen sollen. Stoß um dich, Grisaldo! und pack auf.
GRISALDO.

Wir haben gearbeitet Tag und Nacht. Ich war mit dem kleinen Haufen gegen die Maurer berechnet, in den gefährlichsten Lagen. Und, König! Die Maurer haben Herz im Leibe, und sind heißen Ursprungs. Über menschliche Kräften steigende Schwierigkeiten stunden uns entgegen. Natur und wilde Tapferkeit für Gut und Blut kämpfte mit Kastiliens Unverdroßnen. Und doch erfochten sie mit unbedeutendem Verlust zwei Siege, und doch bringen sie Beute und Gold.

KÖNIG.
Ihr werdet heiß, General!
GRISALDO.
Weit davon, König!
KÖNIG.
Ich glaube Euch! Da nun Friede ist, denke ich, die Ruhe wird Euch lieb sein.
MALVIZINO.
So!
GRISALDO.

Ich versteh Euch, und es ist mir lieb, Euch so sprechen [1095] zu hören. Ihr seid sicher von Feinden rundum. Eurer Untertanen Leben und Besitz ist gesichert. Ich beurlaube mich hiermit, und allen Segen dem König!

KÖNIG.
So stolz, General!
GRISALDO.

Wie's ein braver Mensch sein muß, und mehr nicht. Ihr habt Leute um Euch, die tun können, was ich tat, sobald sie wollen. Hier ist der Degen, den Ihr mir mit eigner Hand umgürtetet, als Ihr mich das erstemal gegen Eure Feinde schicktet. Nehmt ihn nun zurück. In meines Vaters Gewehrkammer wartet ein versuchter auf mich, allenfalls gegen meine Feinde, und zum Schutz meiner Freunde.

KÖNIG.

Wie meint Ihr dies? Ihr habt weder in Granada, noch Kastilien Feinde, alles liebt Euch. Ihr allein habt das besondere Talent, keinen Menschen an Euch vorbeizulassen, ohne ihn zu gewinnen. Sogar Euer bloßer Ruf gewinnt Euch die Herzen.

GRISALDO.
Vielleicht hab ich noch keinen Anlaß gegeben, mich zu hassen.
MALVIZINO.

Hier ist mein Degen! Zu Grisaldo. In fünf Minuten sollen sie ihm alle Gänge im Palast mit Degen und Lanzen verlegen.

GRISALDO.
Bist du mein böser Geist? Willst du mich vom Gipfel herunterreißen, den ich errungen hab?
KÖNIG.
Zieret unsre Tafel heut, General!
GRISALDO.
Meine Zeit ist kurz, ich will weiter.
KÖNIG.
Doch nicht zurück nach Granada?
GRISALDO.
Ich bin unbestimmt, und die Frage ist so –
KÖNIG.
Wir werden Euch hier behalten, General!

Ab.
GRISALDO.
Willkommen, Don Bastiano!
BASTIANO.
Sehr willkommen, General! haben Euch lange erwartet mit Ungeduld.
GRISALDO.
Nicht weniger willkommen, Don Curio!
CURIO.
Sehr willkommen, General! Unsere Freude allesamt ist groß, Euch einmal wiederzuhaben.
GRISALDO.
Ich bin nun leichter worden um die Hüfte.
BASTIANO.

Man hat fürchterliche, fast unglaubliche Dinge von Euch erzählt. Wie Ihr unter die Maurer allein gesprungen, als es nicht gehen wollte. Wie sie Euch umringt hätten, und Ihr Euch durchgehauen – und von einer gefährlichen Wunde –

GRISALDO.

Das vergißt sich, Bastiano! und ist so eine Aderlässe. Wir wollen itzt manchen Schnaken im stillen verarbeiten, denk ich. Ich hab viele maurische Pferde mitgebracht, und [1096] wenn Euch mein Geschenk nicht mißfällt, stehen ihrer zu Dienste. Es ist eine gute Art Pferde, das glaubt. Wie, Don Bastiano! seid Ihr krank gewesen? Euer Gesicht hat einen Rest von verbissenen Leiden übrigbehalten, deucht mich.

BASTIANO.
Verliebt, General, weiter nichts. O die Weiber! sie zerfressen einem Herz und Hirn, und lachen dazu.
GRISALDO.
Geben dem Herzen unendliche Fülle, wenn wir nicht mehr von ihnen verlangen, als sie sein können.
BASTIANO.
Immer Euer Fall.
GRISALDO.
Jedes seiner, Bastiano! Wenn wir nur wollen. Und Ihr, Don Curio?
CURIO.
Die Sonne ist heiß in Kastilien.
GRISALDO.
Desto höher schießt die Pflanze.
CURIO.
Aber wenn ihr der Tau des Himmels ausbleibt, General! brennt sie hin.
GRISALDO.

Das Herz hat verborgene Stärke, wenn wir uns nur sondieren wollen und anschlagen, es hält immer zurück.

CURIO.
Ich versteh Euch nicht.
GRISALDO.
So ist mir's leid um Euch.
BASTIANO.
Ihr werdet itzt Langeweile haben im Frieden, General!
GRISALDO.
Ich hab an mir zu bauen, mit mir zu kriegen.
BASTIANO.
Wo Weiber sind, ist nie Frieden.
GRISALDO.
Mut! Bastiano! Ihr scheint jetzt bei gutem Humor zu sein.
BASTIANO.
Wer um Euch ist.
GRISALDO.
Ich merk's, und dank Euch.
BASTIANO.
Da kommen Florens schönste Kinder.

Infantin und Lilla mit Blumenkränzen umgeben den Grisaldo.
LILLA.
Geben alles, was wir haben.
INFANTIN.
Nimm, tapfrer Held! von unsern Händen –
LILLA.

Wie du stockst? – Umkränzen ihn. Wollten Kränzen winden, kühner Held, um Schild und Helm. Wollen Kränzen winden, Ketten winden, winden und winden, verschlingen in Ketten – Infantin, so winde!

GRISALDO.

Reizendes Mädchen? Vermag ich's? Kann ich Euch danken? Die Güte, die Unschuld – Aus diesen Händen, Infantin!

INFANTIN.
Wollten den Sieger, den Starken –
LILLA.
Besiegen – frisch vom Herzen!
GRISALDO.
Habt mich besiegt, habt mich gebunden.
[1097]
LILLA.
Wo Euer Degen?
GRISALDO.
Hab ihn abgelegt – liebliches Kind!
LILLA.

So seid Ihr unser. Rede Kind! Kommt mit, und Ihr sollt die Blumen aus ihren Beeten neidisch hervorblicken sehen, daß ihre Bestimmung nicht diese war. So krönen Mädchen den Helden. Kommt nur, o wir wollen Euch fragen und erzählen –

INFANTIN.

Kommt und erzählt uns im Wäldchen Schlachten und Gefahren. Wir wollen Euch begleiten mit Angst und Zittern, uns dann wieder freuen –

LILLA.
Daß wir Euch haben.
GRISALDO.

Dieser Schmuck hebt mein Herz. Eure Liebe gibt mir Stärke. Reizende Infantin! Liebliche, kleine Lilla!

LILLA
zum Malvizino.
Wirft ihm einen Kranz über den Helm. Seh ich Euch einmal lächeln? Komm Malvizino!

Alle ab.
Bastiano und Curio bleiben.
BASTIANO
streicht sich die Stirne.

Was ist's, Bastiano? Bist du gezüchtiget, Bastiano, und liegst zusammen? – Wie, Curio! haben sie Eurer Liebe ein Fest gegeben?

CURIO.
Curio! Curio! he Curio! Bist du zerrissen? Bist du? Bist du?
BASTIANO.
Seid Ihr irr?
CURIO.

Öffne dein Herz, Curio! Lös die Liebe in Gift und Haß auf! Habt Ihr gesehen, Bastiano? Gesehen? Dies? Dies?

BASTIANO.
Was gesehen?
CURIO.

Frag! Frag! Ach du Hingeworfener, der du bist! Mit diesen Händen um seine Wangen, über seine Augen, und hier ist Leben dafür, volles jugendliches Leben, und mir doch nicht? Ach du Hingerißner! Bin ich? Hab ich noch so viele Kraft um mich nach Rache umzusehen? Hast du gesehen, Bastiano? O mein Cerebellum! Hab ich noch so viele Sinne beisammen, um Rache zu sinnen, um rechte glühende, giftige Rache zu sinnen? So viel Herz übrig, sie alle aufnehmen zu können? War's denn so, Bastiano! Wie ich's hier im Wirbel denk?

BASTIANO.
Du blutst am Mund, Curio!
CURIO.

Ich hab mir die Zähne ausgebissen, hab mir die Zunge durchgebissen, und das Blut steigt aus meiner tollen Brust auf. Infantin! Hier ist Tod! Hier ist Leben! Bin ich denn zerschmettert, gelähmt an allen Gliedern, und zittre in meinen Gebeinen? Infantin?

[1098]
BASTIANO.

Donner und Wetter! Bin Herr und Meister über mich, und steh hier still, wo ich Dinge seh, die meinen Geist schwärzen? So faßt Euch, und wißt, daß Ihr damit nichts gewinnt, und helft der Maschine in Gang.

CURIO.

Verstehst du mich? Sie hat einen Druck kriegt, der jahrelang so heftig nicht kommen wäre. Hilf mir auf die Beine! Hilf mir grade stehen! Ich bin gelähmt, im Rück gelähmt. O Infantin! Infantin! Ich will auf den Balkon kriechen, und hervorgucken wie eine Schlange.


Ab.
BASTIANO
allein.

Was das? Was das für Flammen, die mein Gehirn fassen? Was für Stechen? Was für Klopfen, unbändiges Rasen in den Adern, als müßt ich aufreißen, und fließen sehn. – Ha! mich deucht, die Infantin hat mit dem Spiel eine Saite meines Herzens angetast. Bist du das? Willst du zart werden? Willst du lieblich aufsteigen? Hinunter! und doch! – Der Gedanke, daß sie ihm günstig sei, stieg der so widrig auf? Und ist ein Weib, und spottest der Weiber? Ist dein Herz nicht wie vor, nur brennender, und dein Blut dringt mehr hervor, und deine Aussichten erweitern sich, und dein Geist greift durch dunkle Zukunft nach Hellung! Ist dieses Bild, der Lichtschein, der durch die Finsternis meiner Seele leiten und führen soll? Nimm Platz von mir Fackel der Welt, ich will dich ausblasen, anblasen, dein, und nicht dein sein, nachdem mir's gefällt. Wie, Curio? Ist das eine Frage, die dich ziemt, Bastiano? O wenn Bastiano noch solchen Triebfedern Raum gibt, so bestellet euer Haus, ihr seid nicht sicher, daß euch eine Höhle für ihn schütze. Wie ich gierig, gieriger werd, und meine Zunge dorrt, nach all dem. Schäm dich, Bastiano, daß dir das Stärke geben sollte, und greifst durch Himmel und Erde mit grimmiger Faust. Werd ich jung? Fall ich zurück? Ist das Liebeszauber? Keine Empfindung davon, ich borge nichts. Komm, Phantast! Ich will dich ausstreichen aus der Seele, neue Farben auftragen, die die Bilder reizender, wollüstiger und anziehender machen, du gefällst mir, Bastiano, so ziemlich kalt, ich bitt dich, bleib dir getreu, oder ich jag dich aus dem morschen Bau mit Dolchstichen hinüber.


König mit Truffaldino.
KÖNIG
im Heraustreten.

Was ist aus mir worden? Da lieg ich, da bin ich zusammengefahren in mich vor Schrecken. Was sonst mein Leben erhöhte, schreckt jetzt mein Leben. Muß ich seine Füße umfassen, es sei. Muß ich weichen, es sei. Geht weg![1099] Ihr tratet all dieses Herz, ihr sogt all an diesem sich ausdehnenden Herzen zu umfassen, und kein Lichtstrahl von euch zu mir. Von ihm hatte ich Leben und Kraft, er nahm nicht, er gab. Hab ihn zurückgescheucht von mir – o mein edler Teil! Meine Gesundheit! Sieh mich denn du unendliches Gefühl, das du throntest in meiner Brust, und nun zusammengebrochen dein Thron, nun verschwunden ist dein Glanz, und nicht mehr schallet dein Lobgesang in heiligem Zucken, sieh mich zusammengebunden, sieh mein verstorbenes, krankes Herz! – Geht weg! Ich will mich einschließen, beten und fasten. Oh! Ich weiß, ihr Leute lacht über mich, ich weiß, daß ihr dieses nicht begreift – man muß mit diesen Sinnen geboren sein, um empfangen zu können, was sonst gute jetzt gebangte Sinnen sprechen. – Und um aufs andre zu kommen, da habt Ihr's, Bastiano!

BASTIANO.

Was, König? Was? Ziemt dies Zittern einem König? Hat die Majestät die mit eines Königs Seele eingeboren ist, Euch ganz verlassen!

KÖNIG.

Ha! Wie Ihr mich versteht! – Liebe von deinem Sitz einen Strahl! Beugt seine Knie. Sieh, wie ich jetzt bange, jetzt vergeh, und kein Herz da ist, wo ich anliegen kann, wo meins harmonisch hinüber schlüge! Es ist gelöst Gott im Himmel! es ist gelöst! Ich hab gelöst, du weißt, wie ich's gelöst habe. – Bastiano, laß mich zittern! Da ist's ja nun, und ich selbst kann nicht fort. Mein Geist ist ausgebrannt, die Stätte ist leer. In meinen Gebeinen ist's ausgelöscht. Wo ist Curio?

BASTIANO.
So expliziert Euch doch!
KÖNIG.
Die Aragonier! Die Aragonier!
BASTIANO.
König!
KÖNIG.

Sind ins Land gefallen. Stafetten! wollen sich rächen, und ich kann nicht fort. Ich habe den Grisaldo aufs neue beleidigt, und Grisaldos Name vermag mehr als meine Macht. In Siguenca eingefallen. Nehmt meinen Purpur, meine Krone, und gebt mir Kleider, die einem Bittenden ziemen.

BASTIANO.
Das wird zu machen sein. Kennt Ihr Grisaldo nicht? Und dem ist gedient mit.
KÖNIG.

Mir ist bang vor seinem Angesicht. Ich muß ihm den Degen geben gegen mich. Hätt ich ihn ruhig gelassen.

BASTIANO.
Ha denn er! Er ist Euch begegnet darnach, und schon vergessen die Geschichte mit Olinden –
[1100]
KÖNIG
verhüllt sein Gesicht im Mantel.
Unmensch, grausamer Unmensch, mußt du mich so antasten?
BASTIANO.
Das war sein Plan, Euch in diese Art von Gefühl zu versetzen. –
KÖNIG.
Bastiano! nur zu meinem Trost denn. Sag nur, er seie schuldig.
BASTIANO.
Wie es auch ist.

Curio kommt.
KÖNIG.
Curio! Curio! Die Aragonier sind da. In Siguenca.
CURIO.
So muß der General fort.
KÖNIG.
Laßt mich allein mit ihm.
BASTIANO.
Euch ihm in dieser Lage auszusetzen, geht nicht. Er ist keck und übermütig.
KÖNIG.
O mir!
GRISALDO
tritt auf.
Was wünscht der König von mir?
KÖNIG.

Grisaldo. Faßt ihn an der Hand. Grisaldo! Nehmt Euren Degen, die Aragonier sind in Siguenca eingefallen.

GRISALDO.
So muß man sie wieder hinausjagen.
KÖNIG.
O Grisaldo! ich möchte –
GRISALDO.
All Eure Wünschen – was ich kann –
KÖNIG.
Schlagt die Aragonier, und kehret wieder.
GRISALDO.

Ich breche diese Stunde noch auf. Alle Soldaten sind noch hier. Die Aragonier sollen fühlen, daß sie übeltun, sich von neuem gegen die Kastilier aufzulehnen. Gott erhalte den König! Lebt wohl!

BASTIANO.
Wenn das nicht sein Werk ist, so scheide mein Leben von mir.
KÖNIG.
Laßt mich allein. Ab.

Bastiano und Curio.
CURIO.
O Bastiano! – wie ist das nun?
BASTIANO.
Laß mich gehen und überdenken.
CURIO.
Die Infantin, Bastiano! oder die Hölle.
BASTIANO.
Mir! Mir Unersättlichen!
CURIO.
So erklär dich!
BASTIANO.

Komm fort in dunkle Gänge. Dieser König hat sich auf ewig vor meinen Augen prostituiert. Ha! ich will ihm die Krone von seinem Haupt reißen, und auf seinem Herzen wild tanzen. Haben wir kein Herz und Gefühl für dich, heiße anhängliche Seele? Sind das königliche Gedanken und Empfindungen? Es ist aus! Stampft wild. es ist aus! Wo sind des Menschen Kräfte? Wie steigen des Menschen Kräfte? Wie sinken [1101] des Menschen Kräfte? Gegenwart und Zukunft, und wo durchbrechen, wo die Kette fassen, und zusammenbinden, und dann sagen: Nun ist's! Versteh ich mich? Komm fort, Träumer! He! Schüttelt ihn.

CURIO.

Die Infantin! Über dem Himmel und hier der Wurm! Bastiano! reiße mich aus diesem tauben Sinn! Ha! was spritzen deine Augen Funken?

BASTIANO.

Kastilien! Aragonien! Leon! Deine schneeweiße Hand! Deine Lilienhand! Dein weißer gehobner Busen! Dein elfenbeinerner Hals! Deine spielende, schlimme Augen! Deine blonde schöne Bogen oben über! Die Röte deiner Wangen! Deine Haaren den Nacken herunter – bist du auf meinen Lippen, Seele? Willst du ausspannen, Geist? Und ich atme und ziehe dich zurück, und geißle dich Unbändigen, schrei und tobe! Bastiano, über dir!

CURIO.
Deine Augen geißlen mich zusammen, meine Seele blutet, Infantin!
BASTIANO.

Narr! Narr! Narr! – Tritt auf, du volles, liebes Bild! He! Streckt die Arme auseinander. Feuer! Himmel! Hölle! Bastiano! Schließ dich Welten auf, und umfaß!

CURIO.
Züchtige mich, Grisaldo! Du hast mich auf Dornen gestreckt, ich will mich auf Rosen betten.
BASTIANO.

Ha, so hätt ich dich an meinem Busen! so hätt ich dich in meinen Ärmen, gefaßt in meinen Händen – Es ist da! – So schwind ich mit dir in Feuerwirblen – Narr! Narr! Curio! Siehst du, wie ich's hab? wie ich's halte? Deine Hände weg, ich leide keinen Eingriff.

CURIO.
Bastiano! ich halte nichts.
BASTIANO.
Ha! Ha! Du hältst nichts!
CURIO.
Ich zittre und bebe der Zukunft entgegen.
BASTIANO.
Ich hab und halte, und bin gewiß. Staub, kehr zu deinen Büchern, was stehst du Menschen im Licht!
CURIO.
Erhöhe mich!
BASTIANO.
Ha! Ha! Geduld! Ich denk du hättest diese Tugend lernen sollen, Wurm! Komm und lerne. Gehst du bald!
[1102]

3. Akt

1. Szene
Erste Szene
Nacht.
Palast.
Infantin und Lilla.

INFANTIN.
Kind! geschwind! es ist alles bereitet.
LILLA.

Curio trabt schon im Garten auf und ab, nach den vier Winden reichend, zu den Sternen seufzend. Ich hab ihn geplagt, ihn mit Steinchen geworfen, er merkte nichts, und warf sich ins Dickichte. Und doch hört man ihn stöhnen und ächzen, herumfahren, wie einen Beseßnen.

INFANTIN.
Der unausstehliche Narr! Was ist die Glocke?
LILLA.

Bald Mitternacht. Die Stunde, wo er sich erfrecht, vor deinem Zimmer zu seufzen, und deinen holden Schlaf zu stören. Hast du deine Cöcilia abgerichtet?

INFANTIN.

Ich hab sie eben ihre Rolle machen lassen. Schade, daß ich sie nicht herauslassen darf, sie machte ihn unsinnig.

LILLA.
Laß sie doch! Laß sie in deiner Person mit ihm reden.
INFANTIN.

Er wird noch kecker und rühmt sich's. An das Zimmer. Cöcilia! schlaf sanft! – Jetzt einen Liebestraum! Laut! Süß! – Recht gut, Cöcilia! Diese Stimme macht ihn zu Eis, oder bringt ihn dahin, in seinem eignen Feuer zu ersticken.

LILLA.

Wir wollen uns indessen hinter die Wand stellen, und ihn behorchen. Und denn das übrige. Er muß gezüchtiget werden für seine unsinnige Frechheit. Wahrhaftig in ganz Kastilien findet man keine Impertinenz mehr, er hat sie alle aufgesammelt. Ich wollt, ich könnte alle Gespenster Kastiliens herbeiwinken, ihn zu kneipen. Wenn ich dich nur wieder dahin brächte, daß du herzlichen Anteil an all den Possen nähmst. Liebe, dieses allein erleichtert unser Herz in etwas auf ein Stündchen, von der schweren empfindenden Bürde.

INFANTIN.
Lilla, sie ist mir leicht – Aber der Mensch dauert mich fast –
LILLA.

Wie, ein Mensch, den du nicht leiden kannst? Und wenn du ihn leiden könntest, der so verwegen ist, alle Nacht vor deinem Schlafzimmer zu lauschen, mit der Sonne erst wieder wegschleicht, und dich in Gerede bringt. Es ist ein schweres Verbrechen gegen dich, und eine entsetzliche Beleidigung gegen die Infantin. Was fahren uns Kinder nicht manchmal im [1103] Schlaf Sachen aus dem Mund, die unser Herz allein wieder zurücknehmen muß. Fort!


Verstecken sich.
CURIO
in der Ferne.
Ha mein Herz!
LILLA.
Hörst du ihn schleichen, und mit jedem Tritt tief geholte Seufzer?
INFANTIN.
Er spricht! Hör!
CURIO.

Ich hätt's ihr nicht sagen sollen, ich hätt's ihr besser, feuriger sagen sollen. Ich hätt ihr nichts sagen sollen, sie erschleichen sollen, mir lieber die Zung aus dem Hals, das Herz aus dem Leib reißen sollen. Hätt sie nicht sehen sollen! Ach sie sehen! sie sehen! und nicht sagen! ihre schneeweiße, warme Hand halten, ihr ins Auge sehen, und nicht fassen, nicht fortschleppen sollen in der Brunst die beste Beute, nicht genießen die beste Beute!

LILLA.
Flegel! Hörst du den impertinenten Kerl?
INFANTIN.
Kneip ihn dafür!
CURIO.

Welt! verfluchte Welt! Natur! o meine Begierde reizen und unterdrücken! Schwarze, finstre Nacht, meine Seele gleicht dir! Lieblicher, reiner Himmel! meine Seele gleicht dir!

LILLA.
Laß mich ihm mit einem Steinchen auf seine arrogante Nase werfen.
INFANTIN.
Still nur!
CURIO.

Ach ihr Phantomen! Ihr Wollustbilder! Ihr Phantasien! Ihr Schreck- und Liebesbilder, ihr zerarbeitet, zehrt mich auf, ich hab nichts, euer Schatten täuscht mich nicht, euer Dasein peinigt mich. Ha! strebt sich's auf! Ihre Hand! Ihre weiche Hand! Wollt mit dem Satan einen ewigen Bund machen, sie zu haben, wollt dem schwarzen Teufel meine Seele und Leib geben für eine heiße, liebevolle Umarmung.

INFANTIN.
Erschrecklich!
LILLA.
Zittre nicht! Hundert Streiche mehr!
CURIO.

Ich vagier, vagier im Strudel. Ich vagier, ich bin irr. Wo ist meine Seele? Wo mein Geist? Wo mein Leib? Vagabundus! Vagabunda! Pst! Oh! Oh! Im dürren Sand waden, in Sonnenhitze mir das Cerebellum verbrennen, meine Sinne, mein Wissen, meine Gelehrsamkeit versengen. Meine Hitze mit der Sonne kämpfend! Mich abarbeiten, bis ich sink. In Ohnmacht sink, in Liebesschwäche, in Raserei sink, und so mein Geist in girrender stechender Wollust von meinen Lippen, ihrem Busen zuflattert. Brunst! Wildheit! Ich werde schwach.

INFANTIN.
Ich kann nichts mehr hören.
[1104]
LILLA.

Bleib nur! Was er beginnt. Wollen wir ihn in den Froschgraben tragen lassen? in die Froschpfütze? Sag ja!

CURIO.

Unermeßliche, unergründliche Gierden lösen mich auf, lösen mir das Fleisch vom Leibe, saugen mit rauher Zunge das Mark aus meinen Knochen, machen mich den Gespenstern gleich, die um mich sind.

LILLA.
Esel! Impertinenter Kerl! Kastiliens schönste Kinder sind hier.
CURIO.

Ich dorre ja sichtbar. Vagier herum, ewige heiße Tränen in meinen Augen. Kein Blick von ihr, kein Mitleiden. Ich litt Verdammung um die kleinste Gunstbezeugung, und nennte sie Seligkeit. Wollust! Wollust! Ich muß sie schlafen hören, muß sie atmen hören, und wenn alle Teufel vor ihrer Türe Wache hielten. Ich muß ihren sanften Atem, ihren süßen Hauch in diese verbrannte Brust aufsammlen, muß ihn aus dem Schlüsselloch in mich ziehen. Muß sehen, wie der Mond in ihrem Zimmer spielt, und mit ihren Reizen buhlt. Muß Schatten genießen, muß rasend werden.


Naht sich der Tür, Cöcilia schläft inwendig.
LILLA.
Hörst du die Frechheit, fühlst du die Beleidigung?
INFANTIN.
Laß ihn züchtigen. Ich halt die Ohren zu.
CURIO.

Ach du Allmächtige! wie sanft und ruhig dieser Hauch aus ihrer reizenden Brust steigt, in meinem Herzen laut und wild wiederschlägt. Infantin, kannst du so ruhig sein, und hier! – sie träumt und spricht – Ach du Allmächtige! Ihre Hand der Gardine heraus – hier steh ich vor dem Thron der Welt, meine Nerven schlagen zusammen, daß mich's zur Ohnmacht drückt. Ergreift die Schlinke. Gott, Teufel, Welt, alle böse und gute Geister in der Schöpfung sollen mich nicht abhalten, diese Tür zu erbrechen, um diese Göttin, den Inbegriff der Welt schlafen zu sehn, sie mit diesen Augen zu fressen. Tod ist Tod! Ich bin doch einmal geliefert.Will drücken. Packst du mich am Herz! Mut! – Nimmst du mir das Licht meines Verstandes? Dunkel! Ich vergeh! Sinkt nieder.


Lilla gibt ein Zeichen. Es kommen vermummte Personen, pfetzen und kneipen ihn, streichen ihn mit Ruten, kratzen sein Gesicht. Lilla ist eifrig.
LILLA.

Peitsch, Infantin! Kratz ihn! Zerreißt sein Gesicht, und schreibt ihm hübsche Figuren mit euren Nägeln hinein. Zur Infantin. Brav, Kind! gib ihm! O kratz ihm einen Strich ins Gesicht, ich küß dich hundertmal.

[1105]
CURIO
scheint zu sich zu kommen.
LILLA.
Auseinander, gute Nachtgeister! die ihr Kastiliens Mädchen bewachet, und die Frechheit straft!

Sie verschwinden.
CURIO
sucht sich aufzurichten.

Was war's? Blutig! Geängstet! Gekneipt! Gepeitschet! Lag ich unter Hexen, unter garstigen Hexen? Feigherziger Teufel, der du mich da anpackst, wenn meine Sinnen dunkel sind. Jetzt bin ich da, dir Trotz zu bieten. Ach die Wollust, da zu stehen, hat mich mehr zugrund gerichtet. Ich hab für nichts mehr Empfindungen, als für sie, und die lauft zum End mit meinem Leben. O weh! O weh! Wie zerschlagen! O weh!Schleicht weg.

LILLA.

Ha! Hi! Er ist kühler worden. In die Froschpfütze mit dem garstigen Menschen! Ich bitte dich, meine Geister sollen ihm nachziehen.

INFANTIN.
Es ist genug, das nächstemal.
LILLA.

Ich wollt, daß es Morgen wär, ich kann den Tag kaum erwarten, was das Freude sein wird, mit dem zerhauenen Gesicht. Tu geheimnisvoll, als wenn du was wüßtest, und laß dir beichten. Besteh auf Geistern der weiblichen Sittlichkeit, man kann ihm alles anhängen. O zum Fressen war's! Aber der Kerl hat mich mit seinen unverschämten Reden mehr geärgert als gefreut, drum hieb ich so unbarmherzig zu.

INFANTIN.
Ich zitterte, er ist unsinnig, häßlich unsinnig.
LILLA.

Horch, Musik! Da kommt eine neue Komposition von Narrheit. Gewiß ist's der Don aus Navarra, der in uns beide verliebt ist, und nur wartet, welche ihm zuerst lächle, um sich für die zu bestimmen. Ein plumper Narr, der fein zu sein glaubt. Was machen wir mit ihm?

INFANTIN.
Komm nur! Cöcilia!
LILLA.
Gute Nacht, Grisaldo!
INFANTIN.
Gute, liebe Nacht, Grisaldo!
2. Szene
Zweite Szene
Lager in Aragonien.
Grisaldo und Malvizino.

MALVIZINO.
Ich tu's darum, um dich in guter Laune zu halten, mein lieber Grisaldo!
GRISALDO.
Du weißt, daß ich das immer bin, und daß dies mein Streben ist; oder mein Eigentum, wenn du willst.
[1106]
MALVIZINO.

Und doch! sieh, wenn du die Mädchen nicht hättest, daß du mit ihnen so in beständigen wechselnden Reihen und Ringlen leicht dahintanztest, wahrhaftig, es müßte sich endlich wie der böse Krebs an dein Herz hängen und fressen. Wie wolltest du von jeher das ewige Necken und Zwicken, Befehlen und Kommandieren, dieser Elenden ertragen, die den König umzinglen. Aber, Liebchen! so einer Dirne einen Kuß auf die Lippen gedrückt, die dich gleich mit Liebe umschlingt, mit ihr hingetändelt, denn zu einer andern, damit du nicht hängenbleibst, und deine Beständigkeit verlierst, das versüßt die Galle. Mögen sie drüber reden! Hätten sie deine Säfte und Stärke, sie versündigten sich, da dir's bloße Schadloshaltung ist. Und dieser König da, der nun ein bloßer Gängelwagen ist, der das nicht mehr ist, sondern steht und steht, den du so oft bei seiner wankenden Krone geschützt hast, dem du Millionen eingebracht hast, der dich wegwarf, denn wiederrief, – ich kann's ihm in Ewigkeit nicht verzeihen, und von edlem Zorn entbrannt – ich hätt ihm den Degen bis ans Heft durch den Leib bohren mögen –

GRISALDO.

Tat er's denn? Ist er nicht zum Instrument geworden, auf dem andre spielen; und muß ein Instrument nicht die Töne annehmen von dem, der drüber kommt, er sei Kind oder Verständiger? Ihm ist weher dabei, wie mir Malvizino, das siehst du ja an seiner Gestalt.

MALVIZINO.
Aber was hast du nun von all dem? Sag denn nur!
GRISALDO.

Geh doch, und sei ruhig! Genug hab ich. Daß es doch keiner einsieht, du es nicht einsiehst, der du um mich bist, für dem ich mich ganz entfalte.

MALVIZINO.
Was denn, Schrecken der Maurer, Schutz von Kastilien?
GRISALDO.

Ich mag das Wort von Freunden nicht hören. Es hat mir diese Menschen geraubt, wie all meine gute Eigenschaften. Ich sah da immer den Felsen, wo fast jeder, der mir nachkommt, scheitert. Lieber Malvizino, sie sehen mich in einem falschen Licht, sie sehen mich als den einzigen an, der ihrem garstigen Interesse die Spitze bietet, und bieten muß. Wie können sie da anders sein? Wenn wir nur nicht mehr von den Menschen forderten, hier wie in andern Dingen, als sie leisten können, es wär uns allen wohl.

MALVIZINO.
Aber du kannst's fordern.
GRISALDO.

Gut, ich will denn sagen, ich könnte. Aber wie kann [1107] ich fordern, daß diese Leute ohne alle Seelenempfängnis für das, was ich etwa an mir habe, daß sie meinen Charakter, die Triebfeder meiner Handlungen richtig einsehen, die Falten meines Herzens richtig durchschauen sollten, da sie dir verdeckt liegen, mir selbst noch viele verdeckt liegen. Ich bin ihrer Empfind- und Denkart entrückt, ich bin der Stein, wo ihr Interesse widerfährt, und wenn ich will, zergehen muß mit ihnen. Sie können nicht anders, wenn sie auch wollten. Die Leute sind mir meistens auf alle Fälle zu schlecht, mich mit ihnen abzugeben, wegen ihren unersättlichen Herzen, ihren schändlichen Prätensionen. Was soll ich nun? Kann ich die Welt umdrehen? Die Menschen besser machen? Ihre Schöpfung umdrehen? Ihre Herzen umschaffen? Am Ende, Malvizino, wär's ja noch immer mein Trost, daß sie mich anfeinden. Ich hätte anders nichts voraus, ich müßte Dinge getan haben, die sie besser machen könnten, oder es ihnen wenigstens aufs Wort glauben. Ich müßte sein wie sie, Malvizino. Und solang dieses Herz schlägt, bin ich Grisaldo, der keinen anfeindet, keinem weh tut, wenn sie mich nicht zwingen. Ich hab wahrlich nötig, auf meiner Hut zu sein, die Vorzüge, die ich vor den Menschen voraushabe, eher zu ihrem Besten, als zu ihrem Schaden anzuwenden – Reden wir von was anders. Ich sag dir im Vertrauen, ich muß Isabellen aufsuchen. Ihr Page war da, und ich muß ihr den melancholischen Maurer bringen, daß sie ihn zur Freude bringe. Das arme Tier dauert mich.

MALVIZINO.

Gut! Aber ich bitte dich, lenk aufs vorige noch ein wenig ein. Im Grund was ist das all? Ich hab dich verstanden, mein ich, aber ich seh nichts, nichts von Entschädigung, nichts, wo meine Seele bei ruhte.

GRISALDO.
Das glaub ich dir gern, Malvizino. Deswegen ist's doch.
MALVIZINO.
Du hast nichts, und betrügst, belügst dich selbst.
GRISALDO.

Unglaubige! Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht – Ich hab genug, sag ich dir, in der Beständigkeit meines Herzens. In der Wenigkeit meines Begehrens. In der Gewißheit meiner immer wachsenden Stärke des Leibes und des Geistes. Ich verschoß in meiner Jugend Zeit und Kräfte blindlings hin, meistens ganz ohne Zweck und Absicht, wie das so ist, ohne Gewinn für mich und andre. Verschleuderte Mut und Stärke gedanken- und sorgenlos, das mir all dem Anschein nach nichts abwarf.

[1108]
MALVIZINO.
Du warst der bravste, treuste, stärkste, schönste und lieblichste Junge in allen Reichen.
GRISALDO.

Ich war den Kastiliern eine Freude auf meinem Klepper. Ich kützelte ihre Leber, erschütterte ihre Nieren, und diente ihnen mit meinen oft verwegnen und närrischen Jugendtaten zum Zeitvertreib. Sie ließen alle Leute unbescholten, und vertrieben sich müßige Stunden mit mir. Meine frühste Kindheit, meine ganze Jugend, bis zum Dienste des Königs, war beständiges Arbeiten, beständiges Kämpfen, Ringen und Kultivierung meiner innern und äußern Kräften. Ich arbeitete immer für andere ohne Sold und Nutzen für mich, das ist wahr. Jeder durfte nur kommen und sagen: »Grisaldo, hilf mir hier, hilf mir da! Trag meine Berge! Nimm meine mir zu schwere Last auf deine Schultern! Räche die Unschuld! Streite für mich.« Keiner von ihnen rief mir vergebens. Ich konnte kein trauriges Gesicht von mir gehen sehen. Um Mitternacht, zu allen Stunden, von Geliebten und guten Menschen brach ich auf, hatte nicht Rast, nicht Ruh, bis der Mensch zufriedengestellt war. Und wenn ich's nun kalt überdenk, hatt ich nicht den größten Nutzen dabei, indem ich andern mit nützlich ward? Ich gewöhnte mich zu ertragen, nicht zu seufzen unter Hitz, Frost und Last, baute mich zu dem, was ich jetzt dann bin.

MALVIZINO.
Dies all gut. Aber dieser, dieser König da, den ich verwünsch –
GRISALDO.

Wozu dies? Malvizino, indem ich deinen Augen nach umsonst diene, bin ich wirklich der eigennützigste Mensch in Kastilien. Und eben darum, weil er mich nicht liebt, eben darum, weil sie mich kränken. Ich hab mich einmal auf den Fuß gesetzt, von Menschen zu leiden, denen ich nützlich bin, ohne zu murren. Sie können nicht anders, ihre Herzen und Wünsche sind unersättlich. Je mehr du gibst, je mehr sie wollen. Mein Geschick ist nun so, und wenn ich ausführen will, muß ich immer zu wachsen suchen in dieser Überzeugung. Nun sieh! so bereit ich mich hier, auf alle Zufälle des Lebens, die über mich kommen mögen. Mache mich geschickt, durch dieses Dulden Kastilien zu erretten, in vollen Glanz zu bringen, und zu vergrößern, es zu beschützen, und durch seine innre Stärke zusammenzuhalten. Laß sie mich anfeinden, die mich nicht anerkennen, werden's nie. Und hier und da ist eine Seele, die mich im stillen verklärt. Ich wollte, ich könnte diesem undankbaren [1109] König, der mich im Grund noch liebt, ich wollt, ich könnte ihm sein, was ein fruchtbarer Regen einem dürren, von der Hitze gespaltetem Lande ist. Und wenn ich mich ganz ausgöß, bei Gott! ich wollte auf das letzte Samenkörnchen mein Augenwasser schütten, um es zum Schuß zu bringen. Wenn ich diesen König wieder herstellen könnte, wie er war, eh ihn die Hummeln aussogen, um ihrem Stachel gegen ihn selbst und seine Treuen mehreren Nachdruck zu gewinnen – Und ich weiß, ihm gehen noch die Augen auf, er öffnet mir wieder sein Herz, und liegt in meinen Armen beruhigt –

MALVIZINO
an seinem Hals.

Grisaldo, ich bin ein rauher, schlechter Mensch. Aber Gott im Himmel sei Dank, der mir einen Punkt in die Brust schrieb, worin ich einen Strahl deines Wesens rein auffangen kann, mich dabei zu stärken und zu wärmen. O Grisaldo! Und wer dich ganz erkennte! Ich mein schon jetzt, ich wär einer Verklärung nah.

GRISALDO.

Lieber! keinen Sprung. Laß die Einbildung ruhen, und übertreib nichts. Du fehlst wie die gegen mich. Der Mensch kann ja werden was er will, wenn er erfahren hat, was ich erfuhr, wenn er sich nicht fürchtet für der traurigen Erfahrung. Es hält schwer, sein Herz durchzubringen, und Liebe beizuhalten. Und ich weiß nicht, ich möchte noch immer so die ganze Welt mit Liebe umfassen. Ihr einhauchen Liebe, Dulden, Teilnehmung aneinander, und treue, wechselseitige Hülfe in den vielen Elenden, die uns bedrücken. Man kann sich vieles untereinander so leicht machen!

MALVIZINO.
Und du! Du selbst vermagst nicht, sie zu Liebe gegen dich zu bringen.
GRISALDO.
Wer weiß es denn nun?
MALVIZINO.

Alles wollt ich denn gelten lassen. Aber wenn ich so denk – Du hast jetzt die Aragonier geschlagen, und jetzt kommen sie und wollen dir die Hände binden, die Schritte vorschreiben, die du tun sollst. Im Kabinett beraten, dich zu schikanieren, wie du im Feld handlen sollst –

GRISALDO.
Richt ich mich darnach, Malvizino?
MALVIZINO.

Du darfst nicht, oder ich verschrei mein Leben, Grisaldo, und dies muß deinen Grimm erregen, sie sind Könige, sie! Und wenn ich dir sag, daß sie nichts weniger vorhaben, als wirklich König zu sein, und dieses Schattenbild von Majestät wirklich in die Gruft zu jagen. Aber erst mußt du aus dem Weg, du bist's, den sie fürchten.

[1110]
GRISALDO.

Malvizino, ich weiß es lang. Laß sie nur schaffen und arbeiten, ich komm ihnen über den Hals, eh sie sich's versehen, wie immer. Und wenn ich sie am Ende nicht noch alle zusammenkuppele, wie räudige Hunde ins Wasser werf, um die Menschheit von ihnen zu reinigen, so sollen sie mir die Augen ausstechen, mir einen Strohkranz aufsetzen, und ich will im Lande herumziehen, der blinde Simson, und dem Volk Stückchen auf meiner Geige kratzen.

MALVIZINO.
Brav! so gefällst du mir!
GRISALDO.

Diese häßliche Undankbarkeit bringt mich auf. Sie haben's dahin gebracht, Könige zu sein, und wollen ihm den Schatten des Genusses nicht einmal gönnen, der er wirklich ein edler Mensch ist, den sie nicht verstehen, und seine gegenwärtige Schwäche mißbrauchen. Ich erwart sie! Glück ihnen, daß die Zeit vorbei ist, wo ich unbesonnen den losgelaßnen Sturm an Wildheit übertraf. Ich war schrecklich im Grimm, fürchterlich im Zorn, hatte alle Begierden, war unausstehlich –

MALVIZINO.
Du belügst dich!
GRISALDO.

Nein, Malvizino! Und meine unglücklichste Zeit war da, als ich Freunden und Menschen glaubte. Malvizino, Glauben an Freunde ist die unglücklichste Lage, in die einer kommen mag. Wie wird man hintergangen, vernachlässigt! Und wird man das nicht, so setzt man sich bei ihnen und bei sich selbst herunter, und eh man sich's versieht, mißbrauchen sie einen, und sitzen dir über dem Kopf. Kann ein Mensch durch sich wegen bösem Geschick nicht fort, so tut er am besten –

MALVIZINO.
Er resigniert und lebt mit den Wölfen.
GRISALDO.

Warum das? Ich zog mich heraus, noch eh sie mich hatten, errettete mein Gefühl, und dachte dann, du kannst ihnen alles sein, wie vor. Setz dich ihnen weiter nicht aus, trafen dich ihre Pfeile, so ist doch dein Herz gesichert. Und ich will's ihnen sein, will's diesem König sein, und ihnen Kronen auf das Haupt setzen, die ihnen den Schädel zerdrücken sollen. Ich hab schon andre Leute wie diese ablaufen lassen –

BALLONA
tritt auf.
Willkommen General, lieber General!
GRISALDO.
Setzt Euch, Ihr seid außer Atem.
BALLONA.

Und doch muß ich reden. Ich Pigme ich, hab eine Göttin gesehen, eine glänzende, glorreiche, leibhafte Göttin, ich Pigme, ich. Lieber General, ich bin aufs Streifen geritten, und hab riesenmäßige Aragonier angekartelt. Das ist des Erzählens nicht wert. Ach ich hab gesehen, ein Weib gesehen. Zwei [1111] Augen, glühend wie die Sonne, die dabei so mild sein können, wie sanfter Mondschein. Ich buckte mich tief, und vertraute es meinem Schild. Lange Haaren, wie Rabenschwingen schwarz. Dem weißen Nacken herab – ein – ich weiß nicht, wie man das all recht nennt und beschreibt, aber es braust doch in mir.

GRISALDO.
Isabella!
BALLONA.

Getroffen! Eine Majestät! Eine Majestät! – Laßt mich nur reden, ich komm auf Eure Frage, es tut meiner Zunge, meinem Herzen so wohl, von ihr zu reden. – Ja, General, ein Wesen an ihr – als ich wegging, kniete ich mich nieder in tiefer Ehrfurcht, und denn fragte ich das erstemal mit Bitterkeit, warum ich diesen Höcker haben müßte, der mir alle Freuden des Lebens verschlösse! Nun bin ich versöhnt, da ich Euch sehe.

GRISALDO.
Und Isabella?
BALLONA.

Ja nun wieder aufs Weib zu kommen, auf der ich zeither immer bin. Es scheint kein irdisch Weib zu sein. Sie hat so was, wie vom Himmel – ja das! – Wie sie so vor mir steht – wenn Ihr durch meine Augen sähet. Und dabei so, daß unsereiner lieber zittert, als liebt.

GRISALDO.
Spracht Ihr mit ihr?
BALLONA.

Ja das war's eben. Freilich, sobald ich mich fassen konnte. Ich mag nun eben in der stotternden Verwirrung eine schöne Figur in meinen bekannten Umriß geworfen haben. Ihr habt sie in die Nähe gezogen, sobald sie unser Lager erfuhr. Ich wollt so just an einem Kastell vorbeireiten, denn ich hatte mich weit gewagt, als mir eine Stimme wie vom Himmel rief, und so klang's auch: »Wer du auch auf dem Pferd in kastilischer Rüstung bist, so steige herauf.« Ich guckte und blinzte, blinzte immer, bis mein Pferd von selbst nach dem Tor sprengte. Sie erkannte mich bald, denn ich hafte für allen Kastiliern im Gedächtnis. Da stund ich nun vor ihr, sah hinauf, herunter. Sie fragte nach Euch, und sagte denn, als ich mutiger ward, scherzend: Sie würde morgen auf die Falkenjagd reiten, und mit dieser Gelegenheit sich unter die Feinde wagen, und bei dem General um das versprochene maurische Pferd bitten. »Ei«, sagte ich höflich: »Gar schöne Donna! Mein General hat schon manchen Ritt nach den aragonischen Kastells gemacht, Euch aufzufinden, und hatte immer den Maurer mit, aber fand Euch nicht. Nun will ich schnell sein wie der Strahl Eurer Augen, es ihm melden, mein General ist nicht faul, und [1112] kommt diese Nacht noch.« »Ich wünsch dir Glück bei deinem Mädchen«, sagte sie, »du gibst mir die Ruhe wieder.« Da war's fertig mit mir, und mir drängten sich das erstemal wunderbare Tränen aus meinen Augen. Das merkte sie, und gab mir eine Hand, die mich blendete, und ich drückte ihr in Vergessenheit einen Kuß drauf, daß es schallte, und meine Tränen rollten tanzend über ihre Hand, da wollte ich mich aus dem Staub machen. Aber sie nahm's nicht übel, und gab mir liebkosend einen Trunk Wein aus einem goldenen Becher. Und ich sagte: »Schöne, liebe, gütige Donna, ich wollte wohl Eure Gesundheit trinken.« Sie nickte freundlich. Das war Euch all so unaussprechlich hübsch, und denn sagte sie: »Seht in mein Angesicht, wie der Kummer mich verwüstet hat!« »Das wollt ich wohl tun«, stammelte ich, »aber meine Augen sind immer so voreilig, und da kann denn mein Herz nicht nach.« Und so trappelte ich schnell ab.

MALVIZINO.
Du gehst Grisaldo.

Man bringt Briefe.
GRISALDO
liest.

Diese Briefe bestimmen mich. Ich könnte jetzt unwillig werden. Ich will in Isabellens Arme Ruhe holen, und mit neuer Liebe alles vergessen. Ich darf dem Eindruck nicht folgen, den diese Briefe auf mich machen.

MALVIZINO.
Laßt mich wissen!
GRISALDO.

Ihr nehmt die Sachen ärger als sie sind. Ballona, laßt den Maurer sattlen. Den maurischen Sattel und das übrige nicht zu vergessen.

BALLONA.
Ihr müßt jemand haben, laßt mein Herz Euren Wegweiser sein.
GRISALDO.
Es sei.
BALLONA
hängt sich an ihn.
Einen Kuß, General!
3. Szene
Dritte Szene
Valladolid.
Palast.

CURIO
tritt auf.

Ich hab dich erraten, Infantin! Niemand als du, und die kleine Hexe von Lilla mit euren Fräulein wart's, die mich pfetzten, bissen, kneipten und strichen. An eurem Lächlen – Ha wie sie lächelte – ich vergab's ja gleich. Wenn du mir ja Glied vor Glied vom Leibe rissest – Du hast mich verstümmelt, [1113] schöne Infantin! Und ich klage nicht. Ich bin hin, ganz verbrannt, und bald kann man mich wegblasen, wie Asche. – Das verfluchte Gaffen, Fragen und Lachen um mich! Wie lüg ich mich allenthalben durch? Die verdammte Ohnmacht, die mich niederdrückte! Wie ich die Schlinke gefaßt hatte, und das sprudelnde, südheiße Blut mir vor die Augen trat, daß mir's finster ward. Zittern, Wagen, Bangen, Unternehmen zwängten mich zusammen – dunkel und schwarz! Mit Ruten gestrichen, jämmerlich zerhauen, seufzt ich die Nacht durch. Und doch sollst du mir nicht entwischen, Inbegriff der Welt! Und wenn ich dich einmal hab, will ich mich rächen. Will dich pfetzen, beißen, kneipen in Liebeswut. Bastiano! Merk nur, daß ich König dieses Landes werden muß, daß dies der Weg zur Infantin, zum Himmel ist, und daß er über tausend Bastianos geht. Ich will diese Miene behalten, mein Gesicht verstattet zwar jetzt keine –

TRUFFALDINO
schleicht herbei, und schlägt ihm auf die Schultern.
CURIO.
Infantin!
TRUFFALDINO.

He Don! Meine Faust und der Infantin Fäustchen – Ihr seht gelehrt heut! Habt Ihr mit Euren Büchern gekriegt? Wie ist's, tiefe, tiefsinnige Untiefe, die du weder Grund noch Licht hast!

CURIO.

O im Abgrund, im jähen Abgrund. Im Tiefsinn, im reizenden Tiefsinn. Meine Seele zerrissen und zerkratzt, am Felsen hängend, an der Klippe blutend. An der Erde kriechend, am Himmel schwebend. Wonne! Wonne! In diesen Augen! in diesem Busen!

TRUFFALDINO.

Ach Don Curio! Ach tiefsinniger Don Curio! Die Katzen, die Katzen haben Euer hübsches, jungfräuliches Angesicht, Eure zarte Hände gar gewaltig zerhackt. Die verfluchte Katzen, Don! Teufel! Was für eine Art Jagd ist denn die Eure?

CURIO.
Eine liebliche Jagd, Truffaldino! Eine gar liebliche Jagd.
TRUFFALDINO.

Diese Rutenhiebe, und diese Mädchenpfötchen mit aller Anmut in Euer schönes Gesicht gegraben, sind hübsche Signa. Bedeutungsvolle Signa, Don. Ja, Don! Signa der Liebe. Ihr seid diese Nacht zum Ritter geschlagen, zum Liebesritter! Wenn die Mädchen beißen und kratzen, sind sie einem gut, es sind empfindsame Signa. Gott Cypripor wahre und versorge Euch ferner.

CURIO.

Ach! Wenn es von ihrer Hand wäre, ich wollte mein [1114] blutrünstiges Gesicht im Spiegel küssen, und an mich drücken.

TRUFFALDINO.

O nur eine Liebeshand, nur eine verliebte Hand, Don, konnte auf Eurer Stirne dem Auge hinunter, diese blutige Rose so mutig graben. Gewiß die Liebesblume blüht im schönsten Flor. Eine Rose, Don, ist Symbol der Liebe, das wißt Ihr längst, sie sticht und erfreut durch ihren anmutigen Geruch. Aia, Don! Aber hier unterm Mund! Dieses gabelförmige Signum scheint wenigstens von den knollichten Fingern und Adlershaken eines tölpischen Küchenjungs herzurühren. Die Spur ist gar tief, Don!

CURIO.
Ich ermorde dich.
TRUFFALDINO.

Aber Don Curio! Wie ich Euch sage – in Spiegel gesehen, liebes Angesicht! Dies muß die Infantin getan haben; wessen Hand in der Welt kann so kühne Züge ausdrücken, als ihre götterkühne Liebeshand!

CURIO.
Du hebst mich über die Erde.

Unverwandt in Spiegel sehend.
TRUFFALDINO.

O nur ihr Händchen, süßer Don, ihr liebes, seidnes Händchen konnte Floren so übertreffen. Siehst du nicht, Don, eben da sie noch einmal ihre köstliche Hand nach deinen Wangen bewegte, um auch der Rose nach rechter Weise einen Stiel und Knospen, der zum neuen Symbol werden sollte, zu geben – sieh da! Da! gab's ihr einen Stich ins Herz, die Liebe siegte, sie zog die Hand zurück –

CURIO.
Truffaldino!
TRUFFALDINO.

Und biß sich in den Finger. Und der Palast tönte von süßen Lachen der Liebesgötter, alles bis auf den Stallknecht fuhr aus den Betten, die flatternde Lacher zu sehen.

CURIO.
Biß sich in den Finger! Woher weißt du das? Ich wollte es nicht, so viele Güte tötet mich.
TRUFFALDINO.

Ihr seid schön, Curio, es hat Eure Reize noch erhöht. Tragt es nur als Liebes-Signa, als Signa des liebenden Verdienstes. Sie sieht Euch schon holder an und sanft. Sieht Euch als einen Märtyrer der Liebe an, der viel dulden und tragen kann. Ihr wißt aus Euren Büchern, daß jede Donna von ihrem Liebhaber ein Zeichen seiner Standhaftigkeit verlangt. Denkt, Curio, wenn Ihr mit Riesen, Drachen und Meerungeheuern hättet streiten müssen! Und eine Warnung mußte sie Euch geben. Es war doch verflucht keck von Euch, alle Nacht an dem Schlafzimmer zu lauschen, und durchs Schlüsselloch [1115] zu gucken. – Ich hätt Euch längst den Pißbott über den Kopf gegossen, als eine Liebessalve!

CURIO
sieht immer in Spiegel.
Du hast recht, Freund! – Ach hier ihre Hand, auf meiner Stirne ihre Hand.
TRUFFALDINO.
Just da, wo die Hörner hin gehören, die dir nicht ausbleiben werden, Don!
CURIO.
Was meinst du?
TRUFFALDINO.

Ich bewundere Eure Schönheit, und reihte eben diese Figuren zusammen, um ein bedeutendes Ganze daraus zu machen. Wahrhaftig glückliche Prognostika! Eine herrliche vielsagende Stellation! Eine wahre Astrologie läßt sich anwenden. Es könnte nicht glücklicher stehen. Ei! Ei! Himmel und Welt! Die glückliche Prognostika! Was das eine Kühnheit ist, aus Curios Gesicht dem Astrologo einen Himmel hinzustellen! Wie das ineinanderblinkt, -arbeitet und -fließt! – Und hier die Venus, just über der Pocke! Glücklicher Curio!

CURIO.
Wo? Wann?
TRUFFALDINO.

In eine Königskrone, in eine schöne blutige Königskrone, die sich wohl in eine goldene verwandeln wird, fließt das Ganze zusammen. Wunderbar! Höchst wunderbar! Das allmächtige Schicksal hat sich erklärt. Ein Szepter! Ein Königsmantel! Öffne meine Augen, teure Himmelskönigin! Teurer Blick in die Zukunft, erleuchte mich!

CURIO.
Truffaldino, kannst du glauben – Sprich! Sprich!
TRUFFALDINO.
Euer Gestirn, mit dem ich mich zeither beschäftige, sagt noch mehr.
CURIO.
Und mein Herz noch mehr.
TRUFFALDINO.

Hab ich dich! – Das muß es, ein edles Herz wie das Eure strebt nur nach edlen Dingen, Don! Und einen gelehrten König braucht Kastilien, und der Sternen Bestimmung ist eisern, Don!

CURIO.
Truffaldino, wenn du mein Freund bist –
TRUFFALDINO.
War's von je. Mich band das Schicksal an Euch.
CURIO.
Traust du dem Bastiano! Ich versichre dich, der wirft uns in die Ecke, sobald er hat, was er will.
TRUFFALDINO.

Versteht mich nur, ich bin Euer Don! Euer allein. Nichts vom Bastiano, lieber Curio, der ist das Tier, das auf die Letzt alle verschlingt, und nicht einmal Bauchweh vom Fraß kriegt. Ich sag Euch, er digeriert nicht einmal, er gönnt niemand nichts, der guten, fruchtbaren Erde nichts.

CURIO.
Wir sind die ersten, die er aufzehrt.
[1116]
TRUFFALDINO.

Da ich Euch kenn, ist's schon gut. Starke Lavements schwächen den Magen, und verderben den Appetit. Man muß ihm zum voraus etwelche beibringen.

CURIO.
Du hast mich!
TRUFFALDINO.
Da kommt Bastiano, der große Bastiano.
BASTIANO
tritt auf.

Hi! Hi! Wenn ich nur lachen könnte, Curio, wenn die verfluchte Musklen nicht in Ernsthaftigkeit gebannt wären. Hi! Hi! Was könnte ich mir jetzt zuguts tun.

CURIO.
Es kleidet Euch übel.
BASTIANO.
Was geht auch mich dein Gesicht an, Curio. – Was macht der König?
TRUFFALDINO.
Er weiß es nicht.
BASTIANO.
Wie befindt sich der König?
TRUFFALDINO.
Er weiß es nicht.
BASTIANO.
Was treibt der König?
TRUFFALDINO.
Er weiß es nicht.
BASTIANO.
Wie ist er gesinnt?
TRUFFALDINO.
Wie wir wollen, Don.
BASTIANO.
Der General hat die Aragonier hinter Siguenca aufs Haupt geschlagen.
TRUFFALDINO.

Gewiß. Und gestern saßen wir bei der Landkarte von Aragonien, und schrieben dem General Schritt vor Schritt vor, wie er marschieren sollte. Wenn er schlagen sollte, wenn er nicht schlagen sollte, und so fort. Es ist doch hübsch von einer Sache nichts verstehen, und sich Miene geben, nicht wahr, liebe Dons? Wollt Ihr nicht selbst zum König, und sehen, daß er selbst nicht weiß, was er tut.

BASTIANO.

Ich trieb mich da eben lang mit meinem Vater herum, bis sich Gift und Grimm einigermaßen zufriedengab. Es ist doch erschrecklich, wie wenig Sinn der Mann hat. Hat der König nach mir gefragt?

TRUFFALDINO.
Er fragt nach keinem, und ich war bei ihm, Don!
BASTIANO.
Curio! Was sucht Ihr im Spiegel? Werdet Ihr selbst zum Weib? Was haltet Ihr von den Weibern jetzt?
CURIO.
Keine Blasphemie, Bastiano! Kommt zum König!
BASTIANO.
Dich wird der Teufel im Weiberrock holen.
TRUFFALDINO.
Schöner Prophet, herrliches Prognostikon!
CURIO UND BASTIANO
ab.
TRUFFALDINO.

Hab ich dich gefangen, Curio? Ich merk ja wohl, Dons, wo ihr zusammen hinauswollt! Aber, Dons! Meine Sterne haben immer gut gestanden, und ich bin im glücklichen [1117] Zeichen geboren. Nicht zu vergessen die Weissagung meiner Mutter, die's in der Zauberei weit gebracht hatte. Sie schlief bei einem Don, und sammelte mich da auf. Es war eine schöne Hexe, und Don war fast ihrer Prophezeiung zu gering. So wachet ihr Sterne! Vollendet euer angefangenes Werk zu eurem Ruhm! Und wenn denn nun einmal dieser König von der Bühne abtreten soll, warum sollt ich nicht ebensogut König werden können, der ich am Himmel lesen und weissagen kann? Überlang sie in Wissenschaften. Hab Fleisch und Blut wie sie. Bin so gut gebildet wie sie. Und kann mich allenfalls auch in die Infantin verlieben. Ich quäle die Leute gern, und das ist schon eine königliche Eigenschaft, die ich zum voraus hab. Wachet ihr Sterne! Truffaldino gebiet's.

4. Szene
Vierte Szene
Kastell in Aragonien.
Saal.
Saluzzo und Aragonier.

SALUZZO.

Er ist da, mit einem einzigen bucklichten Begleiter. Nun wollen wir unsere Ohren rächen. Wollen sie in Flammen sieden, in Feuer braten.

1. ARAGONIER. Ist's Eure Braut zufrieden?

SALUZZO.

Freilich! Freilich! Sie ist eifersüchtig über ihn. Sie ist verliebt in mich. Und sagt, sie wolle mir ihre Unschuld beweisen.

1. ARAGONIER. Das ist eine gefährliche Brücke zu passieren.

SALUZZO.

Wenn sie das Heil von Aragonien und unsre Privatrache nicht vorzieht, und auf das Zeichen mit dem Horn nicht herauskommt, mag sie mit ihm reisen.

1. ARAGONIER. Es wäre schad drum. Das Feuer führ zurück für ihrem Reiz, verlösche und ließ sie unversehrt durch.

SALUZZO.
Wollen sehen. Wieviel sind unsrer?
1. ARAGONIER. Hundert Mann beinah. Es ist fast Schande gegen einen.
SALUZZO.

Ich sag euch, er hat mehr starke, riesenmäßige Teufel in sich, als wir Blutstropfen in den Adern. Ins Wäldchen! Stellt euch auf eure Posten, jeder seinen Geschäften nach. Wir wollen uns eilen, daß wir in die Better kommen. Wir haben die Nacht durch geritten und nicht geschlafen. Es muß ein [1118] hübsch Feuer geben. Schon hör ich den Zyklop in den Flammen brüllen.

1. ARAGONIER. Verkauft des Bären Haut nicht, Herr!

SALUZZO.

Halt 's Maul! Dort gehn sie im Garten, und lenken jetzt ein heraufzu. Ich möchte ihn mit den Augen totschmeißen, wie die Hexe an seiner Seite klebt.


Ab.

1. ARAGONIER. Ich wollt es wäre geschehen, mit dem Grisaldo spaßt sich's nicht. Ab.

Grisaldo und Isabella.
ISABELLA
an seinem Hals.
Ich kann, kann noch nicht reden für Liebe, für Trost in deiner Gegenwart.
GRISALDO.
Liebe! Dem Fenster hinunter in den Hof rufend. Führt 's Roß vor.
ISABELLA.
So gut! So lieb!
GRISALDO.
Siehst du den Maurer?
ISABELLA.
Ist dies mein Maurer? O ich will dich verfolgen, ich will dir nachjagen – er scheint schnellfüßig.
GRISALDO.

O ein Pferd von der trefflichsten Gemütsart. Ein edles, melancholisches Roß! Die weiche Seele! Es weint oft dicke Tränen aus dem großen, stieren Auge. Als es seinen vaterländischen Boden verließ, schlug es mit dem Huf in die Erde, daß der Staub zurückfuhr. Bog in der möglichst traurigen Linie seinen krummen Hals zurück, sah so verlassen, sagte seinem Vaterland und erschlagenen Ritter ein so gepreßtes Lebewohl, daß ich und mein Stallknecht zum Himmel aufsahen, ihm zuwinkten, wir verstünden es, und wollten's gut halten. Demohngeachtet senkte es sein stolzes Haupt, und kaum war's in zwei Tagen dahin zu bringen, daß es Haber nahm.

ISABELLA.
Armes Tier, ich will dir Guts tun.
GRISALDO.

Mit Liebe und Schmeichlen bracht ich's endlich dahin, daß es aus meiner Hand nahm. Und sieh, Isabella! Hörst du ihn wiehern? He mein trauriger Brigliador, fühlst du deine Bestimmung? So! Heraufgesehen mit deinem Wälzaug! Gebogen das Knie! Den Nacken vor, und dann gescharrt! Fühlst du's, was soll ich tun? Ich könnte das Pferd umarmen, wie es dolmetscht, wie es zu erkennen gibt, daß wir da sind, wie es in deiner Gegenwart alles vergißt. Und wie ich vergeß, nur weiß, daß ich da bin.

ISABELLA.

Da! Du da! Lieber, lieber Wildfang! Flattergeist! Du bist mir entwischt. Jetzt hab ich dich. Und ich will dich [1119] halten, will dich fest in meinen Armen halten, dich lieber erdrücken, als daß du mir entwischen solltest. Wie hast du mich gepeinigt? Warum ließ mich deine Gestalt nicht, da du mich ließest? Lieber! Ich hab dir schon verziehen, hab dir schon alles vergeben.

GRISALDO.

Eh ich bat? Laß mich fühlen, daß ich an deiner warmen, heißen Brust liege, an deinen Wangen liege, an deinem Hals bin.

ISABELLA.

Immer noch so! Immer noch so zauberhaft, so wandelbar und lieb. Tausend Untreue begangen, und doch so lieb. Wievielmal pochte es wild in meinem Busen, und ich wollte mich aufmachen mit Dolchen bewaffnet, und deiner Geliebten Herz durchbohren.

GRISALDO.
Es ist dein Ernst nicht, dein Herz ist nicht so.
ISABELLA.

Warum nicht? Ich wollte dich fangen, dich wegführen, ich Ohnmächtige! Auf meinem Kastell mit einer Brust voll Liebesfeuer allein – was flößt uns das nicht ein! – Wie lang ist's, daß du weg bist? Ich weiß die Stunde noch, den Augenblick noch, denn alle Zeit vorher war Freude, und seit du weg bist – wie lang ist's?

GRISALDO.
Zwei Jahr. Was geht uns Vergangenheit an? Ich mag keine Minute so bei dir verlieren.
ISABELLA.

Zwei Jahr? Und nicht einmal in dein Gedächtnis gekommen? Nicht einmal vor dein Herz gekommen. So kalt zwei Jahr.

GRISALDO.

Wie bezweifelst du dies? Hab ein Pferd für dich gefangen, es war meine tägliche Sorge. Ich sah dich reiten, ich sah dich um mich. –

ISABELLA.

Das hilft dir aus. O was ich bat, flehte, es möchte Krieg werden, der dich allein herbringen konnte. Es geschah. Und jetzt kann ich dir sagen, daß ich schuld bin. Sobald ich erfuhr, daß du von den Mauren zurückkamst, bracht ich's dahin. Dem Ritter Alvarez, der mich liebt, und alles tut, dem blies ich's ein, und er dem König. Es gab Krieg, du bist da.

GRISALDO.
Unglückliche! Konntest du?
ISABELLA.
Wie du dankst mir's nicht? Man stößt ins Horn. Schon jetzt! Schon jetzt! Stärke Himmel!
GRISALDO.
Was bedeutet dies?
ISABELLA.

Der Wächter! Der Schloßwächter! Umfaßt ihn. Gib deinen Augen das vorige freundliche Licht wieder. Laß mich! Laß mich an deinem Hals sterben! – Zur Untreue noch Undankbarkeit! [1120] Grisaldo! Noch einmal das Zauberlicht deiner Augen! O so! All das Finstre weg!

GRISALDO.
Ich will denken, du belogst mich.
ISABELLA.
Wie du willst.

Man stößt abermals ins Horn. Sie erblaßt.
GRISALDO.
Was ängstigt dich, Weib? Was geht vor?
ISABELLA.
Nichts! Nichts! Der Laut erinnert mich an meine traurige Stunden, die ich ohne dich zubrachte.
GRISALDO.
Sei's was willst, ich gläube.

Nach seinem Degen sehend.
ISABELLA
immer ängstlicher.
Grisaldo! Du bleibst doch!
GRISALDO.
Wer von dir wegkann?
ISABELLA.

Vermag ich noch was? Wunder ist's. O den Kummer der Liebe! Himmel! Gütiger Himmel! Man stößt ins Horn. Nimm mich in deinen Arm, Grisaldo! Mich, die Unglückliche! – Grisaldo!

GRISALDO.
Was geht vor hier? Weib!
ISABELLA.

Nichts! Bin standhaft in meiner Liebe, bin standhaft. Nimm mich in deinen Arm! Laß mich sterben an deinem Herzen! Mit dir sterben Grisaldo!


Die Flamme bricht aus.
GRISALDO.
Isabella!
ISABELLA.
Sollte dich verraten, hab dich verraten – Ich sterbe mit – Grisaldo! Tod! und Liebe.
BALLONA
schreit unten.
Tumult und Lärmen. General! Feuer und Mordbrenner! Springt herunter! Ich streite mit Mordbrennern.

Isabella zu Grisaldos Füßen empfindungslos.
GRISALDO.

Weib! Was hast du gemacht? Komm ich will sie braten, und dich Treulose, durch die Flamme schleppen. Sie sollen sehen, wie ich Mordbrenner züchtige. Wütet nur Flammen, ihr schadet mir nichts. Packt Isabellen auf. Ich sollte dich wohl liegen lassen – Komm nur! Springt herunter durch die Flamme.


Die Szene wandelt sich in Vorhof.
Feuer und Tumult.
Grisaldo. Ballona. Die Aragonier, die auf ihn eindringen.
GRISALDO.
Seid ihr Aragonier? Seid ihr Ritter und Soldaten? Mordbrenner!

Haut in sie und sprengt sie in die Flamme.
BALLONA.
Ich hab schon manchem den Balg versengt.
GRISALDO.
Du blutst.
BALLONA.
Ist nur ein Streifhieb.
[1121]
GRISALDO.

Hast du die Pferde herausgezogen? Treib die Aragonier nur aus den Büschen. Ha Schurken! Ich will euch wie wilde Schweine gesengt und gebrennt zu eurem König schicken, daß er erkenne, was ihr Kerls seid. Bind einige zusammen, dem Malvizino einen Spaß zu machen. Jene dort, die sich eben die verbrannte Haare vom Kopf wischen.


Saluzzo mit einigen kommt zitternd aus einem Winkel gekrochen, und will sich davonschleichen.
BALLONA.
Der Bräutigam, General.
GRISALDO.
Jag ihn nur durch!
BALLONA.
Ich will die Hasen im Bach jagen zum Abkühl.
GRISALDO.
Nur keinen tot, Ballona. Man muß nur scheuchen, haben sonst keine Ehr. Es ist ein großer Haufen.
BALLONA.
He! He! Wie sie gebraten davonreiten, mögen wohl übel sitzen auf dem Gaul.
GRISALDO.
Wo ist Isabella?
BALLONA.

Unter dem Baum dort! Ich versteh den Handel nicht. Sie ist außer sich, und kann's ohnmöglich so gemeint haben.

GRISALDO.
Ich will sie aufs Pferd nehmen. Das war ein sauberer Spaß, doch kühlt er 's Blut und freut.
BALLONA.

Ist auch der erste nicht. Ich schrie und lärmte, daß mir fast der Buckel zerplatzte. Sie wollten mich knebeln, und die Steg abreißen. Aber ich schluppte ihnen aus den Händen, und hieb garstig zu. Es löscht schon wieder. Das wird den Malvizino gaudieren.

4. Akt

1. Szene
Erste Szene
Valladolid.
Bastianos Haus.
Grisaldo und Lilla.

LILLA.
Worin besteht deine Stärke, Grisaldo?
GRISALDO.
In meinen Augen und Herz, Lilla.
LILLA.
Das fühl ich. Und wie in deinen Augen?
GRISALDO.

Zu dringen in die Herzen und Seelen, zu lesen in den Gesichtern und Mienen, Gedanken und Gefühl gegen oder wider mich. Zu schauen in weiter Ferne Gefahr, und vorkehren Mittel, sie zu vernichten.

LILLA.
Und was siehst du denn in meinen Augen?
[1122]
GRISALDO.
Mehr Scherz und Mutwillen als Liebe, Lilla!
LILLA.

Unglücklicher Wahrsager! Träf es ein, ich wollte dir mit tausend Küssen den Lohn abtragen. Meine Augen lügen.

GRISALDO.
Und keinen auf Abschlag?
LILLA.
Du vergifts und heilest nicht.
GRISALDO.
Darüber hat noch kein Mädchen geklagt.
LILLA.
Denk doch – Ich will nicht – Grisaldo! Häßlicher! Du sollst mir nicht so in die Augen sehen!

Hält die Augen zu.
GRISALDO.
Kleine Lilla, so eigensinnig?
LILLA.
Wie die Liebe! – Und wie besteht die Stärke in deinem Herzen?
GRISALDO.
In Liebe und Bescheidenheit.
LILLA.

Mächtiger, wer widersteht dir? Wie ein Mädchen, ein schwaches, kleines Ding von einem Weibchen, das nur mit Blumen und Lämmer spielt –

GRISALDO.
Schwach! Und hast mich hingebracht –
LILLA
hält ihm den Mund zu.

Still! Still! und laß mich nichts hören. Wenn du in diesen Ton kommst, so reißt's hier. Mein Herz ist viel zu offen, zu angespannt jetzt. Grisaldo, du hast eine mächtige Zerstörung in mir angerichtet. All mein Mutwillen, meine schadlos haltende Ausgelassenheit – und nichts – nichts da –

GRISALDO.
Wie nichts? Nichts dafür?
LILLA.
Nichts! Nichts!
GRISALDO.
Wie teuer ist dies Wort? dies kleine Wörtchen, daß dir noch nichts übers Herz kommen ist – Liebe?
LILLA.

Ein Herz – halt! – Ja desto mehr ist's wert, Grisaldo, desto mehr umfaßt's. Wenn ich diese Isabella unter den Bäumen traurig wandern sah, ihre Brust zerspringend, und ihr fast gelöschtes Aug gen Himmel – Laß mich, Herzenbezwinger! Laß mich meinen Schäfchen! meinen Wiesen! meinen Fluren –

GRISALDO.
Lilla, es ist Sehnen nach ihren Verwandten.
LILLA.

Von denen sie ausgestoßen ist, Grisaldo? Belüg uns, o wir Mädchen lassen uns gern belügen – aber wenn sich Lilla belügen läßt – Macht einen Knicks. Wenn sich Lilla fangen läßt – Lauft ab.

GRISALDO.
Wie weit? Wie weit?
LILLA.
Übermütiger, ins Boskett.

Grisaldo ihr nach.
Bastiano und Curio treten auf.
[1123]
BASTIANO.

Bravo! Bravo! Sahst du ihn springen, und sie fassen. Er rannte uns fast nieder. Gottlob! Daß doch jeder Mensch sein Schwaches hat, wo man ihm beikommen kann. Er schläft in Liebe, ist betrunken in Liebe. Die Weiber, Curio! Die Weiber haben ihn taub und unempfindlich gegen alles gemacht. Ha, ich bin jetzt in Atem, in vollem Atem. Jetzt dem Ziel nah, und strecke mich schon aus nach dem Preis. O ihr Götter! Die Weiber! Die garstige Weiber! Wie ich's längst dachte, gefangen der Starke, Feßlen her! und geblendet den Polyphem! Laß ihn das Meer treten, und Kastiliens Gebürge niederbrüllen. Ulysses schwimmt davon. Ich möchte des Teufels werden über diese Lilla. Es ist nichts anzufangen mit ihr. Sie ist behext von ihm. Drückte sich eher den Dolch in die Brust. Curio! Curio! Schläfst du? Sind deine Sinnen tot?

CURIO.
Ha! Ich weiß nicht. Es liegt wie Blei auf meinem Geist.
BASTIANO.

Ich will dich in Tiegel bringen, und einheizen, ob ich dein Edles von den Schlacken sondern kann. Wie jetzt, da wir dem schönen Ziel so nah sind. Ich dachte doch immer, daß mit dir nichts anzufangen wäre. Wie willst du zum Besitz der Infantin gelangen in dieser tauben Schlafsucht?

CURIO.
O ich wache, ich wache schon.
BASTIANO.

Du hast's nötig. Der heiße Prinz Zifaldo hat seine Augen auf sie geworfen, und diese Leute, Curio, schlafen nicht.

CURIO.
Ich vergifte ihn.
BASTIANO.
Sieh auf Grisaldo.
CURIO.
Ich vergifte ihn, und wenn die Welt in ihm bestünde.
BASTIANO.

Jetzt fühl ich, daß du wach bist. Curio! Curio! Noch einige kleine Schritte und du liegst in ihren Armen. Ach in ihren weißen, zarten Armen! Wie muß sich's ruhen da! Wie muß es sein von ihr in Liebe umhalset!

CURIO.
Nur diese Minute!
BASTIANO.
Kriegst du Krämpfe? Das ist Willen, das ist Feuer! Ich hab ausgerichtet, Curio, viel ausgerichtet.
CURIO.
Wie Bastiano?
BASTIANO.
Durch Weiber läßt sich alles ausrichten. Das seh ich immer mehr ein. Hast du Isabellen wahrgenommen?
CURIO.
Wer sollte nicht, da sie um die Infantin ist.
BASTIANO.

Du weißt, wie sie mit ihm herkam in Liebestaumel, in sichrer Liebe. Nimm noch dazu, daß sie sich mit ihm aufbrennen wollte, aus bloßer närrischer Liebe.

CURIO.
Was denn dies hier?
[1124]
BASTIANO.
Ha nun seh ich, wo dir's fehlt! Esel! Siebenfacher Esel! Keine Sinne, kein Absehn –
CURIO.
Ich bin ausgelöscht. Hilf mir fort! Bin stumpf worden, Bastiano, bin verwildert. –
BASTIANO.

Von ihren Verwandten, von ihrer Nation veracht, darf sie nicht mehr nach Aragonien zurückkehren, wegen des schlechten Streichs, den sie ihnen machte, den Grisaldo nicht in die andre Welt schicken zu wollen. Sie hätte uns viel erspart. Jetzt in stechender Eifersucht lebend, wo sich tausend wilde Entschlüsse in ihrer gekränkten Seele auf und ab wiegen. Wie wenig kostet's einen gelten zu machen. Und ich kann dir nun sagen, ich bin nah dran.

CURIO.
Aber ihr edles Herz, ihre Treue.
BASTIANO.

Eben darum. Verkannt, vergessen, unbelohnt. Wie wirkt das aufs Weib? Ein edles Herz, eben gut. Keine Feigheit, brausender, unüberlegter Mut, eben gut. Curio! Ein edles Herz sinnt Rache. Ein großes Herz, wie sie hat, sinnt Rache. Alles muß sie aufbringen, zu rächen. Was muß das ein Weib sein, eine Liebe sein, um sein Volk zu befriedigen, um seine Treue dabei nicht zu brechen, sich lieber in den Armen des Geliebten von den Flammen fressen zu lassen?

CURIO.
Aber sie geht lieber mit zugrund.
BASTIANO.

Pinsel! Pinsel! Tausendfacher Pinsel! Fragt der edle Grisaldo darnach, wenn er eine Hauptfestung bestürmt, ob hundert um ihn herum niedersinken? Er avanciert fort, wenn er nur seinen Zweck erreicht. Und ein Weib! Nur ein Weib! Hast du noch nicht bemerkt, daß dies der Gang der Welt ist, und bist ein Gelehrter.

CURIO.
Bin nichts mehr.
BASTIANO.

Macht's die Natur nicht ebenso? Das verwüstende Ungewitter frißt hier Tausende, und bereitet den andern Überfluß. Wirst du nicht gewahr, von Liebe Verblendeter, daß wir dadurch die Köpfe aus der Schlinge ziehen. Daß alle Gefahr für uns wegfällt. Laß sie seine Soldaten in Stücken hauen, wir brüsten uns, und fluchen mit.

CURIO.
Er besucht sie doch immer noch.
BASTIANO.

Teufel, was quälst du mich? Wie sollten wir ihn denn hinbringen? Merkst du denn nicht, daß ein edles, sich fühlendes Herz keinen Schein von Teilung leiden kann, und sie muß sie wirklich leiden. Wie wenn die Infantin um hundert Männer herumliebelte, käme denn zu dir –

[1125]
CURIO.
Tausendfachen Tod lieber.
BASTIANO.

Und ein Weib, das wenn es von einem Wunsch, von einer Leidenschaft bemeistert ist, nichts anders sieht, nichts anders hört, als dies, nach nichts anders strebt, als nach dem, dem einzigen Gedanken, der ihre ganze Seele, ihr ganzes Wesen füllt. Die alles aufbietet, an der kein Faser lebt, keine Nerve schlägt, keine Empfindung sich regt, die nicht all von diesem einzigen Gefühl geboren würde. Denn übertreffen sie uns weit, Curio! – Und wenn das noch ist, daß die maurische Prinzessin sich hier verborgen aufhält, so hab ich's, so hab ich's. Die Köpfe aus der Schlinge, das ist's, worauf man zu sehen hat.

CURIO.
Nun dann! – Was hattest du diese Nacht? Auf meinem Herumvagieren sah ich viele Leute zu dir gehen.
BASTIANO.
Ritter und Dons, all auf unsrer Seite. Es kostet einem Curio. – Husch Prinz Zifaldo.

Prinz Zifaldo tritt auf.
CURIO.
Mein Nebenbuhler.
PRINZ ZIFALDO.

Ich komm da soeben – ich hab gestern ein Mädchen, ein schönes Mädchen gesehen, wie eine Huri schön. Man sagte mir, Bastiano, es sei Eure Schwester, und so will ich diese Nacht bei ihr schlafen. Wo ist sie?

BASTIANO.
He mein heißer Prinz!
PRINZ ZIFALDO.

Was macht der Mensch da für ein Gesicht? Ich seh bei euch so viele traurige, in sich nagende Gesichter – was fehlt euch Menschen denn, daß ihr keine Freude zu finden wißt? Und Ihr selbst, Bastiano, habt ein Gesicht – was fehlt Euch? Wenn wir Frieden haben, wir jagen, wir kämpfen, haben unsre Weiber, da ist kein Tag ohne Genuß und Freude – Aber eure Verfassung, und daß ihr alle groß sein wollt – was weiß ich, was euch fehlt. – Bastiano, habt Ihr noch nichts von meiner Schwester entdeckt? Mein Vater wird zum Narren über sie.

BASTIANO.
Nichts! Nichts!
PRINZ ZIFALDO.

Ein verfluchtes Land, wo man kein Mädchen auffinden kann, das so kenntlich ist. Wär's in Granada, und wenn sie in eine Fuchshöhle kröche, ich wollt sie aufspüren. Da hat er's mit seinem General, mir liegt am Ende wenig dran.

BASTIANO.
Sie wird sich vermummt haben.
PRINZ ZIFALDO.

So führt mich zu Eurer Schwester! Was soll ich hier mit euch kalten Leuten? Ich hab weiter nichts mit euch zu [1126] treiben. Wo ist's Mädchen? Schön, ganz nach unserer Weise, in Wuchs, in Gang, in Munterkeit –

BASTIANO.
Der General ist bei ihr.
PRINZ ZIFALDO.

Mit welchem bösen Geist steht der Mensch im Verständnis, daß er mir alle Mädchen raubt, daß er mir alles raubt, wornach ich strebe? Ich will ihm noch das Herz aus dem Leibe fressen. Überall der General, und alles für den General.

BASTIANO.
Nur Geduld, Prinz!
PRINZ ZIFALDO.

Da wißt Ihr Euch viel drum um Eure Geduld. Ihr könnt Euch übrigens auf mich in allem verlassen. Hört, so will ich diese Nacht zu Eurer Schwester kommen, sagt's ihr nur.

BASTIANO.
Aber das geht so hier nicht wie in Afrika.
PRINZ ZIFALDO.

Seid Ihr auch von denen, die immer übers andre Wort sagen, es schickt sich nicht. Es ist doch ein verfluchtes Land, wo Ihr innen wohnt. Ich kann euch nicht begreifen. Was für Zeremonie, was für Gewohnheit, was für Steifes, für Falten in den Gesichtern? Wie soll ich hier durchkommen mit meinem heißen maurischen Blut? Das geht in unserm Lande nicht, ist die ewige Antwort. Ich will ja lieber unter wilden Tieren leben, da darf ich doch zugreifen, was ich unter mich bringen kann. Das ist eine Anständigkeit, Sittlichkeit, womit hier alles überschmiert ist, es scheint, ihr habt Offenheit und Natur mit Fleiß aus und von euch gejagt. Und sind denn die Weiber nicht für uns gemacht etwa? Ich werf mich der Infantin um den Hals, weil sie mir gefällt, sie schreit, als bleckte der Tod aus mir. Versteckt sich die ganze Zeit für mir – Und ich will bei ihr schlafen, ich schwör's beim Propheten, diese Nacht noch. Ich lieb sie ja, ist das euern Weibern kein Dank?

BASTIANO.

Antwort doch, Curio! – Ich müßte zu weit ausholen, mein Prinz, um Euch zu beweisen, und Ihr hört auch nicht –

PRINZ ZIFALDO.

Ja da ist zu beweisen! – wo ich nur eine seh, die mir gefällt, spring ich ihr nach, lauft sie wie vor wildem Feuer. Ich mein's ja gut mit ihnen. Und sie sollten doch einen Unterschied fühlen zwischen mir und euch bleichen, abgehärmten, traurigen Gesichtern, die mit ihrem Blut, Herz und Geist beständigen Krieg zu haben scheinen. In Granada ist das anders, da ist jeder zufrieden mit seinem Stande, und sucht dem Feind so viel Abbruch zu tun, als möglich. Und dann sind unsre Weiber nichts, und hier sind sie alles. Tret ich unter [1127] meine Mädchen, so neigen sie sich, und laufen mir in die Arme, und jede streitet mich zur Beute zu haben. Das ist ihr Streben, aber hier strebt ihr.

BASTIANO.
Ja, ja das mag auch ganz hübsch unter euch sein. Aber wir –
PRINZ ZIFALDO.

O laßt mich! – Ich will diese rehfüßige Infantin aufsuchen bis in ihr innerstes Gemach. Wie? Der General hat meine Schwester liebgehabt, und sie ist die schönste Prinzessin in Afrika, und ich sollte nicht bei dieser schlafen? Ist das Erwiderung des Gastrechts? Und euer König, der weder jagt, noch trinkt, noch kriegt, noch Weiber hat? O mir! wie engt's einem hier! Wenn ich dieses Land ein Jahr unter meiner Herrschaft hätte, beim Prophet! Es sollte anders sein. Aber so seid ihr! Immer Dunst, immer heuchlerischer Glanz, und in den Winklen seid ihr Schweine, und nennt uns doch Barbaren.

CURIO
für sich.
Das ist impertinent.
PRINZ ZIFALDO.
Zur Infantin! Ich müßte ja meinem Vater sagen, ich hab geschlafen hier.
BASTIANO.
Prinz, habt Ihr noch nicht die Isabella von Aragonien gesehen? Das wär was für Euch!
PRINZ ZIFALDO.
Aber sie seufzt ja beständig.
BASTIANO.
Da ist der General schuld.
PRINZ ZIFALDO.
Schon wieder.
BASTIANO.
An Euch wär's, sie zu Freude zu bringen. Es ist was Leichtes bei so einem Mädchen der Übergang.
PRINZ ZIFALDO.
Wenn sie mir in Wurf kommt. Mittlerweile zur Infantin!
CURIO.
Ich muß ihm nach. Ich kann's nicht mehr aushalten hier.
BASTIANO
allein.

Schurke! Schurke von einem Curio! Wer arbeitet, erwirbt. Ich will dich zum Teufel jagen am Ende. Muß gehen und Isabellen aufsuchen. Das wär der Weg. So auf den Punkt stehen, das treibt den Geist. Ich kann nicht atmen, wenn ich's denk. O was das in einem treibt und springt, ich mein, ich müßt aus mir springen und Kühle suchen. Häng dich auf, Bastiano, wenn's Säue gibt. Ich will einen seidenen Strick bei mir führen, pfui Bastiano, wo dein Vertrauen?

[1128]
2. Szene
Zweite Szene
Garten am Palast.

ALMERINE
in Rittersrüstung.

Irr wie ein Geist herum an allen Enden und Orten. Umflattere ihn, umgeb ihn, umlisple ihn, und er merkt mich nicht. Merkt seine Almerine nicht so nah um ihn. O Liebe, schütze mich, und leite mich sicher. Jeder Schritt! den ich tu, Er! – Überall Er!

BALLONA
tritt auf.
Alm –
ALMERINE.
Pst!
BALLONA.
Ritterchen! Euer Name hat so viel Reiz für mich.
ALMERINE.
Pst!
BALLONA.

Ja, ja doch mein süßer Prinz. Aber Ihr müßt Euch allein nicht zu weit wagen. Ihr lauft Gefahr, Händel zu kriegen, Ihr geht so keck, merkt Ihr, und wenn Ihr allein seid –

ALMERINE.

Hab einen Degen, einen maurischen Degen, eine Lanze und Herz voll Liebe. Ich habe mit meinem Bruder gesprochen, von Grisaldo gesprochen.

BALLONA.

Ihr werdet uns noch alles verderben. Seht mich nicht so scharf an, Ihr habt mir schon in Granada einmal einen Ducks gegeben, daß ich kaum heil werden konnte. Nu Euer Prinz Bruder nichts gemerkt?

ALMERINE.

Der Helm deckte mein Gesicht und ich redete im rauhen Tone. Er hat den Kopf voll Infantin, und fragte mich, wo er sie suchen sollte. Ballona, jedes Mädchengesicht, das ich sehe, jagt mir Schrecken ein, und doch seh ich auf keinem die Treue, das Herz für ihn.

BALLONA.
Alles nichts gegen Euch.
ALMERINE.
Und diese traurige Isabelle auch seine Geliebte?
BALLONA.
Hab Euch alles haarklein erzählt, warum und wie?
ALMERINE.

Wo ich hinseh, eine Geliebte Grisaldos. Ich verzweifle fast, und doch wenn ich diesem Gefühl nachfolg – Aber warum so lange warten? O Ballona, wenn du liebtest –

BALLONA.

Verzeih Euch Gott! Ich hab ja kein Mädchen, und kann keins kriegen. – Habt Ihr denn schon wieder vergessen die Abrede mit Malvizino, daß es nicht eher sein kann? Erwartet nur den glücklichen Augenblick. Ihr seid das einzige Weib auf Erden für unsern General. Er weiß es wohl. Und wieviel hundertmal sprachen wir von Euch. Meine Zunge war denn nicht zum Stillschweigen zu bringen, und des Generals Ohren nie müd zu hören.

[1129]
ALMERINE.
Grisaldo!
BALLONA.

Pst! Freilich! Freilich! Das ist all nur so zum Spielen, was weiß ich. Er hat so seine Ursachen dabei, seine große Ursachen, Malvizino sagte Euch ja –

ALMERINE.

Ach er darf noch nichts merken! Wann's mein Bruder erführe, der Wilde packte mich auf, und schleppte mich davon.

BALLONA.
So geduldet Euch dann!
ALMERINE.
O Ballona!
BALLONA.

Gut! Gut! Aber wie in aller Welt! Ich kann mich noch nicht genug freuen, daß Ihr da seid. Ich jubele und springe den ganzen Tag, denn ich bin Euch immer gar gut gewesen. Und weiß wohl noch, wie ich verschmolz vor Euren Augen, und mit meiner Gestalt haderte – ja – es tut einem das so den Verstand verrücken, ich glaub, ich würde gar ein Narr, wenn ich einmal recht ins Liebesfeuer hineinkäme. Wie Ihr aber nur so Vertrauen auf mich hattet, just auf mich, den Schlechtesten in Kastilien?

ALMERINE.

Tu dir kein Unrecht, gute Seele! Ich redete einmal in Granada mit dir, und du erwarbst mein Vertrauen für allen. Und an dich dachte ich, als ich den gefährlichen Entschluß wagte.

BALLONA.

Gott segne Euch dafür. Ihr müßt nun, denk ich, den Mahomet fahrenlassen, und hübsch eine Christin werden, und unsre Frau Generalin dazu. Da wollen wir einen Himmel um uns herum anlegen, und auch ich muß ein Stühlchen in einem Eckchen haben, um in Eurer Freude zu leben. Seht mit dem Heidentum ist denn doch nichts, das will ich Euch einmal zu Haus erklären. Die Nacht wollen wir wieder herumziehen, und ihn verfolgen, aber in acht genommen, Ritterchen!

ALMERINE.

Wenn ich die Nacht zurückdenk, und wie er bei uns vorbeiging, und ich ihm im Irrgang rief mit kenntlicher Stimme, »Grisaldo«!

BALLONA.
Es war gefehlt, junges Herz!
ALMERINE.

Aber da faßt ich Hoffnung, als er seinen Arm ausstreckte, und rief: »Meine Almerine! Geist meiner Almerine!« O ich hörte ihn seufzen und schluchzen, und schwör dir, du hättest mich nicht gehalten –

BALLONA.

Ja ich kenn Euch schon. Es war Zeit, daß ich Euch erwischte, und just noch Zeit die Männer zu belauschen, die aus Bastianos Haus vermummt gingen, sie sagten hübsche [1130] Dinge. Armes Herz! Du magst viel in deinem einsamen Xeneralifa gelitten haben.

ALMERINE.
Vergessen, Ballona, alles haarklein vergessen, keine Rückerinnerung mehr. Ich hab ihn ja gesehen.

Infantin und Lilla kommen gesprungen.
BALLONA.
Platz unsrer Infantin, Ritter!
LILLA.
In Irrgang, Kind! Ha! Ha! Ich hab fast keinen Atem mehr. He! he!
INFANTIN.

Wir wollen ihm durch die Gänge piepsen. Aus den Büschen hervorpiepsen. Und wenn er meint, er wär uns nah, ihm Zitronen und Pomeranzen auf seine Adlersnase werfen. Aus jedem Ort piepsen, lieber, süßer Zifaldo!

LILLA.
Er kommt, Kind! lustig!

Ab.
ALMERINE.
Mein Bruder jagt nach. Sieh! sieh!
PRINZ ZIFALDO.
Die Zauberinnen fliegen wie Pfeile durch die Luft. Leute, habt ihr die Infantin nicht gesehen?
ALMERINE.
Ins Gebüsch, Prinz, sie warten auf Euch.
PRINZ ZIFALDO.
Halt 's Maul, Junge. Hätt ich nur meine Hunde.
BALLONA.
Kommt, es ist genug hier.
ALMERINE.
Habt Ihr gehört, Ballona! Nun hab ich Mut, da mich der wilde Zifaldo für einen Jungen hält.
BALLONA.

Ja schon recht. Euer Bruder fängt des Teufels Sache hier an. Sie zerren ihn aber auch brav herum, wie Ihr seht. Es ist lustig, ihn zu hören. Seine einzige Beschwerde ist über die Sitten des Landes, die wahrlich nicht besser sein können, das versichre ich Euch. Alle Augenblick machet er einen Bock, und das kommt all vom blinden Heidentum.

ALMERINE.

Mir ist bange, sie möchten ihn reizen. Er ist grimmig wie der Tiger, und fürchterlich. Ersticht einen um ein zweideutiges Wort. Erst kurz kommt er aus Afrika, wo er im Streit bei einer Löwenjagd ein grausames Blutbad angerichtet hat. Ich kann ihn allein zwingen mit guten Worten.

BALLONA.
Wen solltest du Engel nicht –
ALMERINE.
Komm doch!
BALLONA.
Armes Herz!
PRINZ ZIFALDO
um die Büsche herumjagend.
O meine Hunde – Infantin! Infantin! einen Laut nur!
LILLA.
Pih!
PRINZ ZIFALDO
nach dem Laut laufend, kriegt eine Pomeranze auf die Nase.
Hexe, wenn ich dich krieg, erdroßle ich dich für Liebe.
[1131]
INFANTIN UND LILLA
zugleich aus einem andern Busche.
Schöner Zifaldo! Lieblicher Prinz! Ei so komm doch, und trag uns über den Bach.
PRINZ ZIFALDO
schießt hinüber.
Wo? Wo? Seh kein Wasser! Streckt doch eure weiße Hände heraus, ihr Huris!

Kommen Zitronen und Pomeranzen geflogen.
PRINZ ZIFALDO.
Werft ihr? Nach mir? Nach dem Prinz der Mauren?

Aus den Büschen von verschiedenen Orten.

Pih! Pih! Zifaldo! Hülfe! Hülfe!
LILLA.
Wir werden entführt, Prinz.
PRINZ ZIFALDO
auf allen Seiten laufend und keichend.

Werfen aus den Büschen. Ich will euch erwischen, und wenn ihr in Kaninchen verwandelt würdet. Springt ins Gebüsch.

ISABELLA
tritt auf.

Schmerz! Schmerz! Wo flieh ich? Wie end ich? O empfangt mich, melancholische Büsche, decket mich! Decket mich vor mir! Nehmt auf die Verlaßne! Und seid mein verborgenes Grab! – O Gedanken, mich zu rächen! Wilde, peinigende Gedanken, ihr gewinnt's nicht über mein Herz! Liebliche Sänger, erweichet mein Herz, singt mich in traurige Melancholie, und besänftigt mein schlagendes Herz, mildert den wilden Gedanken! Wie verworfen! Wie verlassen! Glaubte hier mein Leben zu verleben, kam mit den Hoffnungen der Liebe, und nun – nehmt mich auf, dunkle Büsche, ich bin elend.

3. Szene
Dritte Szene
KÖNIG
in seinem Zimmer.

Unser Herz und Geist will haben wie unser Leib – Unter solchen Leuten leben! Unter solchen Leuten mit Gefühl zu leben, das sich anhängen möchte. Ich will ins Kloster gehen. Gott! Gott! Versteh mich! Ich will ins Kloster gehen, mit Andacht Psalmen singen, so hat mein Herz höhern Schwung, so hat mein Herz Genuß. Wenn ich unter den Bäumen wandlen könnte, an fallenden Bächen, an rauschenden Strömen, in Morgen- und Abendrot, in stiller, lieblicher Nacht leben könnte, wie sonst. Aber hier gebannt – Ich muß lieben, ich muß etwas haben zu lieben, und wo? Ach nur dies Anhängen, dies Erwidern hält mich. O Grisaldo! Grisaldo! Du trugst [1132] mich in deinem Herzen, in deinen Armen – O mit tausend peinigenden Stichen fährt's durch die Seele – und da ein Geist, und da ein Geist – ich bange meine Seele aus.

4. Szene
Vierte Szene
Garten.
Infantin und Lilla.

INFANTIN.
Ha! Ha! Er ist gestürzt, ist in den Hecken hängengeblieben.
LILLA.

Und hat der Isabella nachgejagt, hat sie kriegt, in die Arme gefaßt, hast du's gesehn? Die hat uns den Spaß verdorben. Was sie nur reden, möcht ich wissen.

INFANTIN.
Freilich! Freilich! Da kommt er gut an.
LILLA.
Wer weiß.
INFANTIN.

Denk! Er hat die Nacht wie unsinnig von seinen grausen Liebesliedern vor meinem Fenster geheult. Zärtliche Worte gerufen und dann wieder erschrecklich geflucht.

LILLA.

Er handelt wie ein Faun. Ganz natürlich so. Aber, daß er hübsch ist, das ist wahr. Schade, daß er ein Heide ist, und so faunisch, man kann ihn gar nicht bändigen, aber hübsch ist er.

INFANTIN.
Wenn Grisaldo nicht da ist, wirklich hübsch. Aber zu wild.
LILLA.

Das wär's eben, was mir gefiel. Wenn er nur eine Zeit in Valladolid wäre, wir wollten ihn schon verfeinern.

INFANTIN.
Möchtest du? Ist denn der Grisaldo verliebt in dich? Gesteh nur!
LILLA.
Ich weiß nicht, ich mag's nicht wissen. So! So!
INFANTIN.
Hab ich dich?
LILLA.

Glaube nur nicht. Ja man fängt die Lilla nicht so. O ich hab heute eine Freude, eine Herzensfreude mit ihm gehabt. Denk nur, er mußte alle Kinderspiele mit mir spielen, die ich nur aufsingen konnte. Glaub, wie ich mich fühlte! O ich war dir naseweis, schnüppisch, keck, wenn er was versah, pfetzte ich ihn, und gab ihm Backenstreiche.

INFANTIN.
Die ihm nicht weh taten.
LILLA.
Er ertrug alles. Es war scharmant.
INFANTIN.
Ich will's ja nicht wissen. Ich hab eine neue Eroberung gemacht.
LILLA.
An wem?
[1133]
INFANTIN.
Don Malvizino.
LILLA.
Hat sich der Starrkopf einmal einfallen lassen, unsere Narren zu vermehren. Nu!
INFANTIN.
So! So!
LILLA.
Red, Liebchen! Ein schöner praußender Mann! Pah!
INFANTIN.
Meinst du, was mit der Isabelle werden wird?
LILLA.
Ich bin ihr nur halb gut.
INFANTIN.
Aber es war doch edel von ihr.
LILLA.
Und mit all dem hätt sie uns um den General gebracht.
INFANTIN.
Uns, Lilla?
LILLA.
Himmel! Himmel! Bastiano kommt, ich hör den Prinzen.
INFANTIN.
Lauf! Ab.

Prinz Zifaldo. Isabellen in seinen Armen.
ISABELLA.
Laßt mich!
PRINZ ZIFALDO.
Dich, schöne Huri! Dich meine süße Beutel! Bin der Mauren Prinz, und liebe dich.
BASTIANO.
Prinz!
PRINZ ZIFALDO.
Einen Wagen, Bastiano, ich will mit dem Mädchen spazierenfahren.
BASTIANO.
Auf mein Landhaus, Prinz!
PRINZ ZIFALDO.
Recht gut! Nur hurtig!
ISABELLA.
Laßt mich meinem Schmerz, Grausame.
PRINZ ZIFALDO.

Wie? Deinem Schmerz? Die du aller Welt Freude verdienst! Ich will dich eben um deinen Schmerz bringen, schönste Huri! O ich halte fest, was ich hab.

ISABELLA.
Laßt mich meinem Leiden!
PRINZ ZIFALDO.
Freude! Freude! Halt uns zusammen. Du würdest eine Zierde in des Propheten Paradies sein.
ISABELLA.
Ihr überwältigt meine Sinne! Ihr betäubt mich! Laßt mich zu Atem kommen.
PRINZ ZIFALDO.
O Huri! Huri! In meinen Armen.

Ab.
BASTIANO.
Das Ding kann so gut werden. Ich muß nach.

5. Akt

1. Szene
Erste Szene
Ein Lusthaus.
Grisaldo in Isabellens Armen eingeschlafen. Sie sieht ihn bald mit starren, bald mit weichen Blicken an. Windt sich hervor, und unterstützt sein Haupt mit einem Kissen.

[1134]
ISABELLA.

Nun wärst du eingeschlafen! Nun in meiner Gewalt! Ich hätte dich zu rächen. Was seine Miene? Meine Augen weg! oder meine Seele löst sich! An meinem Hals, an meinem Herz in süßer Sicherheit eingeschlafen! Und fühltest nichts? Nicht das schwarze Beginnen, das in dieser Nacht reif ward? Gott! Allmächtiger Gott! in welchen Taumel haben sie mich gebracht, und all meine schon schwache Sinne verkehrt. O Nacht! wie mich in Abgrund geschleudert – Zifaldo! rasender Zifaldo! Was müßtest du an und in diesem Herzen wüten – Grisaldo! so schön! so lieb! Ach so lieb und falsch! Konntest du Isabellen, den Stolz von Aragonien, so grausam hingeben? Und bist du es wirklich, Grisaldo? – Noch einen Kuß von diesen Lippen, Zauberer! – Erwache nicht! Du sollst sie verlieren, diese allgewaltige Augen, die mich bestrickt haben, und ich will kalt bei dir vorübergehen. Einen Kuß auf diese Lippen, die mir Liebe stammelten, von denen ich Leben und Entzücken in mich trank. Und jetzt dich küssen mit dem Gedanken, daß du mir entwendet bist, und Gift von Liebeslippen – Küßt ihn. So! und noch einen! Deine Augen zu! Du sollst das Licht nicht mehr sehen. Und noch einen! Ist dieser Atem Liebe, und neigst dich – Ha! Sinkt zurück. Gräßlich! Gräßlich! Wie schwarz! Wie finster! in meinem Herzen entzünden sich neue Flammen, mächtiger wie vor. Diese Augen blenden? Diese Augen? – Du siegst! – Bastiano. Der Weg zu ihm geht durch mein Herz. Ich kann nicht. Du lächelst? – Ich kann, kann nicht.Nach der Tür. Schlaf, ich will die Dons aus dem Hause jagen, und dich, an deinem Hals hängend, wecken. Noch einen Kuß, und es schwindet, Mächtiger! Nach der Tür. Treten Männer herein, die sie fassen, ihr den Mund zuhalten, und sie wegschleppen. Die Männer kehren teils wieder.

EIN MANN.
Leise! Gebt mir die Nadel. Das große Aug soll in ewige Nacht sinken.

Nahen sich furchtsam. Zwei halten Nadeln in den Händen, und wollen ihn blenden.
ALMERINE
am Fenster herauf, es einstoßend.
Grisaldo! Grisaldo! Grisaldo!
GRISALDO
fährt auf.
Geist meiner Almerine!
ALMERINE.
Sieh deine Mörder!
GRISALDO
zieht sein Schwert, die Männer fallen nieder.
ALMERINE.
Helf mir in deine Arme!
GRISALDO.
Meine Almerine!

Malvizino und Ballona treten auf.
[1135]
BALLONA.
Ermorden Euch!
MALVIZINO.
Das verfluchte Weib! Und ihr –

Auf die Männer los.
GRISALDO.
Laß sie, Malvizino, und haltet sie nur fest.
ALMERINE
an seinem Hals.
O Grisaldo! Grisaldo!
GRISALDO.
Du! Und so!
ALMERINE.
O kein Wort, kein einzig Wort, und wenn es mein Leben kostete.
GRISALDO.
Wo ist Isabella? Wo sie, die mich zweimal –
EINER VON DEN MÄNNERN.
Fortgeschleppt! Wir hörten, daß sie's reute –
GRISALDO.
Wer brachte sie und euch dazu?
MALVIZINO.
Heraus, oder ich ermorde euch.
EIN MANN.
Bastiano, der sich in dieser Stunde zum König macht, mit Curio.
GRISALDO.

Ich habe geschlafen wie der Löwe, und die Tiere spotteten seiner, und tanzten auf seinem Rücken. Nun will ich mich aufmachen, wie der Löwe, mich schüttlen und brüllen, daß sie sich wieder in ihren Höhlen verstecken, und weh dem, der sich nicht zurückzieht! Komm, süße Almerine! und bleib bei Malvizino und Ballona, ich will das Ding zerbrechen, und alles wieder ins vorige stellen, und denn Almerine – Ich will gehen und die Könige krönen. Und Ihr zum König verkündigt! Schleppt die Kerls mit!

2. Szene
Zweite Szene
Zimmer im Palast.
Bastiano im prächtigen Schmuck. Curio im Schmuck und Truffaldino.

BASTIANO.

Freunde und Lieben! Die wichtige Stunde ist nun da, nach welcher wir so lange mit heißen, peinigenden Wünschen strebten. Unsere Herzen sind frei, und niemand legt ferner unsern Geist gefangen. Es ist nun an uns, andere in Ketten zu schlagen, und den Wechsel der Dinge zu belachen. In diesem Augenblick sinkt der größte und mächtigste Mensch des Reichs in ewige Nacht. Wir werden ihn sehen sich an den Wänden halten, schreien nach Licht, und wandlen mit tötender Bitterkeit und Grimm durch den elenden Rest seiner ihm von uns noch geschenkten Tage. Den König belagern, meine Dons, und [1136] nach Endigung dieses unsers Hauptgeschäfts wollen wir auch ihm seinen neuen Platz anweisen. Ich kann mich verlassen auf meine Dons.

CURIO.
Eure Dons?
BASTIANO.

Ja meine Dons, und warum nicht meine Dons, zarter Mensch! – Die Krone von Kastilien hat lang genug geschlafen, ich bin da, sie zu wecken, ich bin da, Feuer und Leben in dieses Land zurückzubringen.

CURIO.
Und ich nicht weniger.
TRUFFALDINO.
Und ich nicht weniger.
BASTIANO.
Jeder folge seinem Bescheid von euch, und nehme von mir an, was ich ihm zuweise und zufließen laß.
CURIO.
Ha! Alexander Magnus könnte nicht hochtrabender reden. Ha! hi!
BASTIANO.

Lache nicht, Rat Curio, oder mein fürchterlicher Zorn, der mit einer Krone noch fürchterlicher wird, möchte dir schwerfallen. Schlägt auf seinen Degen. Wer arbeitet, erwirbt. Du hast bei dieser großen Sache nichts getan. Ich mußte wachen und vorbereiten. Arbeiten mit Worten und Werken. Mich erniedrigen sogar, und mich nach andern bequemen, mittlerweile du zarter Mensch einem Weibe nachzogst, dich zum Schatten aufzehrtest, daß dir keine Kraft zu einem verwegenen und kühnen Gedanken übrigblieb. Deine Schläfe sind hohl, dein Gesicht verfallen, dein Körper zerstübt. Die Totengerippen tragen weder Krone, noch sonst was davon. Deswegen ich mir einfallen ließ –

CURIO.
Wie? Du siehst eher dem Totengeripp gleich –
BASTIANO.

Um vollwangicht zu werden, um blühend zu werden. Don Curio, mein Geist wuchs bei der Abnahme und dem Hinfallen meines Körpers, bei Euch war's umgewandt. Ihr sankt tiefer, je blässer Ihr wurdet. Wer fähigen Geist hat, und lebende Tätigkeit, überlangt die, welche in Untätigkeit dahinleben. Ich bin der Erste in Kastilien, schon mein Vater hatte die Krone, und das brauch ich nicht anzuführen – um's Euch zu beweisen – Truffaldino, öffne den Schrank, und bring die Reichsinsignia her.

CURIO.

Er frißt uns auf. Wir haben seine Klauen geschärft. Wir haben seine Stärke mit der unsrigen mächtiger gemacht. Er frißt uns auf.

BASTIANO.

Das ist der Gang der Welt, Curio! Macht keine Glossen jetzt, und lernt was hier, denn es ist einmal Zeit.

[1137]
TRUFFALDINO
am Schrank.
Ist's denn auch Euer rechter Ernst, Bastiano?
BASTIANO.
Nimm einen bessern Ton an. Vertraulichkeit ziemt nicht mehr. Schließ auf!
TRUFFALDINO
legt die königliche Insignia auf den Tisch.
BASTIANO.
Daß diese Krone mein seie, sei Euch hiermit gesagt, salutiert mich!
CURIO.
Und daß sie mein sei, sei dir gesagt, salutiert mich!
BASTIANO.

Soll ich sie mit deinem Blut versiegeln, Mensch! Entferne deine matten Augen, und laß dich nicht lüsten –

CURIO.

Du sollst mir Gift fressen, Bastiano! Und wenn ich mit dir krepieren müßte. Sieh in mir deinen Teufel!

BASTIANO.
Ich will dich hängen lassen, Curio!
TRUFFALDINO.
Daß diese Krone mein sei, sei Euch gesagt; salutiert mich!
BASTIANO.

Wie, Mensch, bist du rasend? Staub und Bastard König von Kastilien. Beleidige mein königliches Aug nicht weiter!

TRUFFALDINO.
Das Schicksal ist eisern.
BASTIANO.
So bin ich das, es zu zertrümmern.Nach seinem Degen. Du bist zu niedrig, mich mit dir zu vermengen.
TRUFFALDINO.
Du schmeicheltest mir, und ich war dir alles.
BASTIANO.
Solang ich dich brauchte, das war Weisheit, und auch dies tat ich dir nicht und keinem.
TRUFFALDINO.
Ich geh zum König.
BASTIANO.

Zerfall in Stücken unter meinem Degen, und tritt vor die Tür. Ich hab königliche Wache, salutiert mich!

CURIO.
Und die Infantin?
BASTIANO.
Salutiert mich!
CURIO.
Und die Infantin!
BASTIANO.
Ich brauch eine Königin.
CURIO
fällt ihn an.

Nicht die Infantin mein! Nicht die Infantin, mein häßliches Ungeheuer! Ha brüste dich nur, ich bin schwach, aber stark genug, dir 's Leben auszublasen. Nicht die Infantin mein!

BASTIANO.
Mensch, kehr zu deinen Büchern! salutiert mich, ich will großmütig sein.
CURIO.

Teufel und Bastiano! Ich muß die Infantin haben. Leben gegen Leben! He werf die Lippen immer auf, und beiße die Zähne zusammen. Die Infantin!


Zieht den Degen.
BASTIANO.
Gegen deinen König?
[1138]
CURIO.

Wo ist mein König? Und wo bist du König? Meinst du, weil du Dons und Bettler auf deine Seite gebracht hast! Ich bin da, dich zunichte zu machen. Zittre!

BASTIANO.
Die Eiche steht fest.
CURIO.
Und wird doch gefällt. Bebe! Nicht die Infantin mein!
BASTIANO.
Steck deinen Degen ein, zarter Mensch! Du weißt nicht mit umzugehn.
CURIO.
Die Infantin!
BASTIANO.
Geh, und wirb um sie, Truffaldino!
TRUFFALDINO.
He!
PRINZ ZIFALDO
tritt auf.
Pah was machen die Leute da? Was soll die Maskerade, Bastiano?
BASTIANO.
Erkennt in mir den König von Kastilien.
PRINZ ZIFALDO.
Diesen Degen weg.

Wirft ihn vom Tisch.
BASTIANO.
Prinz!
PRINZ ZIFALDO.

Ihr! Und erkennt in mir den Mann, der Euch mit Krieg heimsucht, daß kein Stein auf dem andern bleibt, oder Tribut noch eins soviel, als ich Euch geben mußte. Pah!

BASTIANO.
Mein Prinz, ist das unsere Abrede!
PRINZ ZIFALDO.

Glaubt Ihr, die Maurer seien Narren? He Unsinnige! Ihr habt mit des Generals Verderben eure Seiten entblößt. Kastilien ist gefallen. Und was für ein Mensch seid denn Ihr mit dieser Frechheit? Meint denn Ihr, es wär genug, sich einer Krone zu bemächtigen? Sei König wer da will, wenn Grisaldo weg ist. Aber den Tribut! Den Tribut! Bastiano! Oder du sollst bei deiner Krone nicht schlafen. Legt den Degen auf den Tisch. Rühre diese Krone nicht an! Ich hab Euren König gesprochen, und in ihm einen edlen, guten Menschen gefunden. Ihr habt ihn vergiftet, habt seinen Geist unterdrückt, er war eben nah, sich unter der Last hervorzuheben. Und wenn Ihr Eure Maßregeln nicht gut genommen habt –

BASTIANO.
Dafür sorgt nicht!
PRINZ ZIFALDO.
Tribut, Bastiano! Und noch einige Städte, die mir gefallen.
TRUFFALDINO.
Seht einen König Angstschweiß schwitzen!
CURIO.
Ha Bastiano, der du alles frißt.
BASTIANO.
Ich bin König, und will als König handlen.
PRINZ ZIFALDO.

So erschrickt man keinen Maurer, mit ernsten Mienen, die viel versprechen, und wenig halten. Ich bin der Maurer Prinz, und will als Maurerprinz handlen, und zieh dir [1139] hiermit den Purpur aus. Klingt's? Und sieh! Dies ist ein Schwert, das andre Leute in Staub gestreckt hat, als dich! Hu!

BASTIANO.
Laßt Euch behandlen –
GRISALDO
tritt auf.
BASTIANO.
Ha! So ist nichts übrig, als daß ich mich aufhänge.
TRUFFALDINO.
Hi! hi! Bastiano, werde Bastianchen, und bau dein Gärtchen.
CURIO.
Den Kopf aus der Schlinge! Nicht die Infantin mein!
GRISALDO.

Ich war zu dieser Königskrönung nicht gebeten. Königliche Dons, wer unter euch hatte Lust zu dieser Krone?

TRUFFALDINO.
Der! Der! Im Purpur dort!
BASTIANO.
Ja ich! Grisaldo! Weil ich Mut hatte. Schlecht ist's ohne meine Schuld gegangen.
GRISALDO.

Ich seh viel edle Leute, die all dieser Krönung beiwohnten, wie ich merk. Ein wahrhafter König! Szepter und Krone! Wer gab's Euch?

BASTIANO.

Ich! Immer ich! Ich hab mich mit Schurken geplackt, das seh ich. Verdammt seid alle. Und weiter kein Wort!

GRISALDO
ruft hinaus.
Bindet sie zu den übrigen, und führt sie zum König, er richte über sie. Und Ihr Curio?
CURIO.
Mir war's um keine Krone, mir war's um die Infantin.
GRISALDO.
Euch, mein Prinz, glaubt ich nicht hier zu finden.
PRINZ ZIFALDO.

Nah sich mir keiner! Grisaldo, für was würdet Ihr mich gehalten haben, wenn ich nicht die Zeit angewendet hätte, Euren Staat zu untergraben? Ich bin Prinz Zifaldo, und wenn die Leute in Eurem Lande schlecht sein wollen, so liegt mir's nicht auf, sie davon abzuhalten. Ihr wart uns fürchterlich, und das war der Weg, von Euch loszukommen. Hier ist ein Beweis, was ihr für Menschen seid, die ihre Begierden nicht halten können, in ihrer Blindheit den Besten des Landes aufopfern, sich mit liefern, und immer gegen ihr eignes Eingeweid wüten. Mich ekelt hier alles an, und ich zieh nach Granada. Mich freut übrigens, Euch näher gesehen zu haben. Ihr seid wirklich, was man einen Menschen heißt. Ich hätte ihnen den Hals zerbrochen beim Hereintreten. Mich ärgert nichts, als daß ich eure Weiber nicht beschlafen hab. – Ich hieß sie's beim Propheten nicht! Aber kaum war ich in Valladolid, so hingen sie sich an wie Pech. Und dieser verfluchte Kerl von Bastiano schwätzt wie ein Dämon, und hat Euch das Weib herumgedreht, eh man sich's versah. Aber so ist's, ihr drescht auf[1140] leerem Stroh hier, da werden solche Menschen, Treu und Glauben ist euch nichts.

GRISALDO.

Ihr seid mit Leuten umgegangen, die Euch Mißfallen erwecken mußten. Und von Treu und Glauben zu reden, ich kenne Maurer, die einen allein mit Haufen im Schlaf überfielen. Auf Xeneralifa geschah so was.

PRINZ ZIFALDO.

Dumm war's, daß es nicht ging. Als Ihr rieft, stürzten sie zurück, ich stieß nieder in Grimm, wen ich ertappte. Ich seufze nach Luft und Leben. Ich will die Isabella aufsuchen, und mit in mein Harem nehmen.

GRISALDO.

Zum König, Dons! Und Ihr, Prinz, bleibt noch einige Tage, ich hab Euch viel zu eröffnen. Eure Schwester ist da.

PRINZ ZIFALDO.
Meinetwegen.
GRISALDO
nimmt die Krone und Szepter.
Komm und sei ewig geschützt vor Mißbrauch!
TRUFFALDINO.
Bastiano! Baue dein Gärtchen!
3. Szene
Dritte Szene
Königszimmer.
König. Malvizino.

MALVIZINO.
Sie sind gesprengt, König, dafür sorgt nicht. Ich schmiß sie zusammen in ein Loch.
KÖNIG.

Das ist's nicht, Malvizino, was mein Herz bewegt. Ach ganz andre Gefühle! – Er kommt! Und ich um seinen Hals von neuem fallen! – Malvizino! Und so gewesen sein! So gehandelt haben, aber hier ist's anders. Laß mich verschnaufen! Hier schlägt's. Wie das all getilgt ist, wie ich all ihr Vorhaben vergaß, und nur er! – Ihn blenden, Gott im Himmel, kann ich mir vergeben, mich solchen Leuten überlassen zu haben! Und ich tat's nicht, Malvizino, ich tat's nicht – glaubst du mir's? Vergißt du?

MALVIZINO.
Alles, alles. Warum nicht? Ha wenn ich nur die Könige sähe! Wenn ich sie nur krönen dürfte.
KÖNIG.

Kein Wort davon, ich bitte dich. – Ach Herz, mein Herz, wie reich, wie neu, wie voll die Welt, wie lieb um mich.


Grisaldo tritt auf. Der König an seinem Hals. Schweigen beide, und Ausdruck des stärksten
Gefühls der Wiedererkennung, der Liebe.
KÖNIG
immer an seinem Hals, ihn küssend und herzend.

Fühl ich [1141] wieder schlagen dein Herz an meinem! Fühl ich wieder Leben und Liebe übergehen aus deiner Brust in meine! – Grisaldo!

GRISALDO.
Seht in mir –
KÖNIG.

Ich fühl in dir, und habe Stärke von dir. Denn ich fühle dein Herz wieder so ungestüm schlagen an dem meinen wie sonst.

GRISALDO.
Erkennt mich als Euren Treuen, der ich immer war.
KÖNIG.

Dich verkennen? Edler Mensch! Dein Anblick würde mich erniedrigen, wenn nicht neues Leben mir zuströmte. Ich war tot, du weckst. Wie lohn ich dir? Du hast mich errettet, von neuem errettet!

GRISALDO.
Mit Eurer Liebe.
KÖNIG.

Du hattest sie immer. Grisaldo, du hattest sie. Es waren finstre undeutbare Bilder vor meine Seele getreten, ich war krank. Ich merk, daß der Mensch Rückfälle haben kann, die ihn auf eine Zeit ganz vernichten. Wie konnte mein Geist bleiben? Die Welt war leer, mein Herz klang nicht. Hatte keine Brust, mich hinein zu verhüllen, fand nirgends nichts. An seinem Hals von neuem. Ich habe alles. – Du weißt, was diese Leute vor einen Gebrauch von mir machten. Gott verzeih's ihnen, und mir, daß ich dich verkannte, und verzeih du mir! Und ach!

GRISALDO.

Ihr brecht in Tränen aus. Wenn Euch Grisaldo wieder worden ist, warum schweigen vor ihm? Warum verhehlen das Gefühl Eures Herzens, das tausendfach leidet mit dem Zusammenpressen und Zusammenhalten –

KÖNIG.
Laß! Mir ist zu wohl, mir ist zu gut, mir ist's zu neu. Die Veränderung ist zu groß –
GRISALDO.

Laßt uns handlen, wir sind warm dazu. Und ein seliger Tag schließe sich an den andern. Mein Öl ist noch nicht verloschen, und nun bietet sich alles auf in mir fortzuführen.

KÖNIG.

O Grisaldo, der du immer warst, da ich nichts war! – Ich weiß, du berechnest nicht, und das macht mich selig.

GRISALDO.

Kein Wort davon. Ihr liebtet mich und liebt mich, Eure Wünsche waren ewig die meinen. Kommt, ich will Euch zu neuen Szenen führen, die Eurem liebenden Herzen Nahrung sind. Und richtet, die sich an Euch versündigten nach Eurem Gefallen.

KÖNIG.
Ich übergeb sie Euch!
GRISALDO.
Die Erinnerung ist ihnen Strafe genug.
[1142]
KÖNIG.
Nur aus meinen Augen, wenn du mir wohlwillst. Ich überlaß sie ihnen selbst.
GRISALDO.
Daran erkenn ich Euch.
KÖNIG.
Lehre mich leben, Edler!
GRISALDO.
Was ich vermag, ist Euer. Hand in Hand ab.

Nach einiger Zeit Truffaldino in einem schlechten Kittel.
TRUFFALDINO.

Das ist ein Leben! Bergauf, bergab, und immer noch Zeit, ins Tal zu stürzen, und an der Klippe zu zerschmettern. Was das Schreien, Winslen und Freude gegeneinander ist. Und mir gefällt's so. Bastiano will sich hängen. Er ist ein Narr! Curio spricht lateinisch in der Verworrenheit, und liegt zur Infantin Füßen. Der alte Fernando heult zum Himmel, und moralisiert. Lilla lacht und weint in einem Atem. Die Infantin weiß nicht was sie soll. Die Sarazenenprinzessin ist den Weibern der Pfahl im Fleisch, und Grisaldo, den Prätendenten, teilt die Rollen aus, und sie erfreuen sich. Mir ist alles recht. Von mir reden sie gar nicht. Entweder bin ich zu groß oder zu klein. Ich bin also Truffaldino wie vor? Mit Kittel und meinem Weißdorn, das ist genug. Ich mein, es wär doch gut in der Welt, wenn jeder so an seinem Plätzchen blieb, leben lernte, und hübsch um sich bebaute; sich nicht Begierden wachsen ließ, wo 's Herz nicht hinreichte, außer in Phantasie. Ziehet Lehren draus! Das sagt Truffaldino, der weise Mann, der nach einer Krone strebte, und jetzt mit der Schellenkappe zufrieden wäre, um ungestraft Wahrheiten auszuspenden. Ich denk so viel Gnade beim König zu erhalten, und will denn im Lande herumziehen, und jedem zurufen, Mensch, baue dein Gärtchen und bleib in der gezogenen Linie, außerhalb ist Sturm und Wind. Die Infantin will eine Maskerade angestellt haben, und ich will mich zu einem Narren ausputzen, und mich mit meinem Loswort insinuieren.

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Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Klinger, Friedrich Maximilian. Dramen. Simsone Grisaldo. Simsone Grisaldo. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B2B2-C