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Horch! Stimmen und Geschrei, doch kaum zu hören,
Dumpf und verworren tönt es, wie von ferne,
Und ich erkenn sie, die allnächtlich stören
Der Toten Schlaf, den stillen Gang der Sterne.
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Der trunkne Küster, aus dem Schank gekommen,
Setzt sich noch in den Mondschein vor dem Hause,
Kräht einen Psalm; doch kaum hat sie's vernommen,
So stürzt sein Weib hervor mit Zorngebrause,
Heißt ihn hereingehn und beschilt ihn grimmig,
Hell kräht zum Mond indessen der Geselle:
So mischet sich, erbost und eulenstimmig,
Ihr Zanken in sein trunkenes Gebelle.
Sie muß ganz nah sein, da ich es kann hören,
Die überkommne, alte Pfründerhöhle;
Laß sehn, ob das Gesindel ist zu stören:
Schrei, was du kannst, angstvoll gepreßte Kehle!
Die Tür schlägt zu – der Lärm hat sich verloren,
Es hülfe nichts, wenn ich zu Tod mich riefe;
Sie stopfen furchtsam ihre langen Ohren
Vor meinem Hilferufen aus der Tiefe.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Keller, Gottfried. Gedichte. Gedichte. Gedanken eines Lebendig-Begrabenen. 6. [Horch! Stimmen und Geschrei, doch kaum zu hören]. 6. [Horch! Stimmen und Geschrei, doch kaum zu hören]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-9F4C-E