August Wilhelm Iffland
Der Spieler
Ein Schauspiel in fünf Aufzügen

Personen

[132] Personen.

    • General Graf Bildau, Kriegsminister.

    • Geheimerath von Wallenfeld.

    • Baron von Wallenfeld, Neffe des Geheimenraths.

    • Baronin von Wallenfeld, Gemahlin des Barons.

    • Karl, ihr Sohn.

    • Hofrath von Fernau, des Geheimenraths anderer Neffe.

    • Lieutenant Stern, Vater der Baronin von Wallenfeld.

    • Von Posert, vormals Hauptmann in genuesischen Diensten.

    • Gabrecht, Haussekretär des Geheimenraths.

    • Adjutant des Generals.

    • Berger, Rektor des Lyceums.

    • Jakob, Bedienter des Barons von Wallenfeld.

    • Kammerdiener des Generals

    • Lieutenant von Baum.

    • Jean, Musikus,
    • Stallmeister,
    • Haushofmeister,
    • Kammerdiener,
    • Bedienter, in Diensten des Geheimenraths von Wallenfeld.
    • [132]

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Hofrath von Fernau. Jakob.

JAKOB
schläft in einem Lehnstuhle.
Das Nachtlicht brennt noch.
HOFRATH
tritt ein.

Er sieht sich um, geht nach der Seite, bleibt vor der Thür unentschlossen stehen, kehrt zurück, will wieder gehen, sinnt nach, geht darauf zu Jakob, dem er auf die Schulter klopft. Jakob! Jakob! hört Er nicht? – he!

JAKOB
springt auf.
Ihr Gnaden –
HOFRATH.
Sei Er so gut und –
JAKOB
halb wach.
Wollen Sie zu Bett gehen? – Den Augenblick – Greift nach dem Nachtlichte.
HOFRATH.
Es ist ja heller Tag, mein Freund!
JAKOB.
So? Ist es schon. Hm – Sieht den Hofrath an. Ja so! –
HOFRATH.
Komme Er doch zu sich.
JAKOB.

Verzeihen Sie, ich dachte, es wäre mein Herr. Ich habe lange bei dem Herrn von Posert auf ihn warten müssen – bin spät nach Hause gekommen, und – Reibt sich die Augen. wenn man in meinen Jahren ist – – Wie viel Uhr ist es denn?

HOFRATH.
Sieben vorbei.
JAKOB.
Hm, hm! Löscht das Licht aus.
HOFRATH.
Sein Herr ist wieder beim Spiel?
[133]
JAKOB.
Das weiß Gott! Wo wär' er sonst –
HOFRATH.
Die arme Frau!
JAKOB.

Ja, ja! Arm sind wir geworden, das weiß die ganze Welt. Es hat ja so mancher treulich geholfen, daß der alte Onkel seine Hand abziehen mußte! – Es ist kein Wunder, daß die Desperation meinen Herrn zu wunderlichen Dingen treibt.

HOFRATH.
Indeß – gebe Er der gnädigen Frau diesen Brief. Gibt ihm den Brief.
JAKOB.
Herr Hofrath –
HOFRATH.
Was ist's? –
JAKOB.
Nehmen Sie mir den Brief wieder ab. Sein Sie so gut.
HOFRATH.
Weshalb?
JAKOB.
Es ist Geld darin – und – und – nehmen Sie ihn wieder.
HOFRATH.
Was denkt Er von mir?
JAKOB.

Daß mein Herr sonst von dem Geheimenrath als Sohn und Erbe angesehen wurde, daß er jetzt verstoßen ist –

HOFRATH.
Daran ist seine Heirath schuld.
JAKOB.

Daß Sie jetzt für Sohn und Erbe dort passiren, daß – was weiß ich's – aber ich meine, es wäre nicht recht von mir, wenn ich von Ihnen einen Brief mit Geld annehmen wollte.

HOFRATH.
Wie? Weiß Er denn aber nicht, daß Sein Herr alles verspielt hat? Alles?
JAKOB.

Lassen wir jeden das Seine verantworten. Da liegt Ihr Brief. Legt ihn auf den Tisch. So verantworte ich das Meine. Geht ab.

[134]
HOFRATH.

Daß so ein erbärmlicher Mensch, als Wallenfeld geworden ist, noch einen solchen Freund erhalten kann!

2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Hofrath. Frau von Wallenfeld.

HOFRATH.
Liebe Cousine –
FRAU VON WALLENFELD.
Herr von Fernau, es befremdet mich, daß Sie sich zu uns wagen.
HOFRATH.
Ist nicht Wallenfeld's Geburtstag heute?
FRAU VON WALLENFELD.
Wer in der Familie gedenkt des Tages ohne Verwünschungen über mich?
HOFRATH.

Sie kennen den alten Onkel nicht. Er hat Stolz, es ist wahr, er ist eigensinnig – aber er ist großmüthig; ich kann Sie davon überzeugen.

FRAU VON WALLENFELD.
Mein armer Mann ist auf's Aeußerste gebracht!
HOFRATH.
Das rasende Spiel!
FRAU VON WALLENFELD
geht vor und sieht den Brief liegen.
Was ist das? Herr von Fernau – Sie hat den Brief genommen und wundert sich.
HOFRATH.
Wenn Sie meine Freundschaft zu erkennen würdigen – kein Wort über den Inhalt dieses Briefes.
FRAU VON WALLENFELD.
Kein Wort? – also geht er ungelesen zurück.
HOFRATH.

Sie demüthigen mich, wenn Sie diesen geringen Beitrag nicht annehmen. Könnte ich selbst nur mehr, oder vermöchte ich jetzt schon mehr über den Onkel!

FRAU VON WALLENFELD.
Sie kennen mich nicht, Gibt ihn zurück. Herr von Fernau.
[135]
HOFRATH.
Doch – doch, vortreffliche Frau. Aber – Sie – kennen Ihr Unglück nicht.
FRAU VON WALLENFELD.
Soll das ein Glückwunsch zu meines Mannes Geburtstage sein?
HOFRATH.
Kann ich so viel Tugend und Edelmuth gleichgiltig zu Grunde gehen sehen?
FRAU VON WALLENFELD.
Lassen Sie uns davon abbrechen.
HOFRATH.
Was soll aus Ihnen werden?
FRAU VON WALLENFELD.
Ich bin darüber nicht in Verlegenheit.
HOFRATH.
Aus Ihrem Kinde?
FRAU VON WALLENFELD
wendet das Gesicht.
HOFRATH.
Aus Ihrem Manne selbst?
FRAU VON WALLENFELD
trocknet sich die Augen.
HOFRATH.

Von seinem Onkel enterbt – in der elendesten Gesellschaft, überall schuldig – verspielt er täglich große Summen, ohne daß er denkt –

FRAU VON WALLENFELD.

Ich bitte Sie, hören Sie auf. Niemals kann ich vergessen, daß die Treue, womit mein Mann mir sein Wort hielt, sein Unglück ward. Von seinem Onkel enterbt, weil ich arm und eine Bürgerstochter bin –

HOFRATH.
Blieben ihm noch zehntausend Thaler; damit hätte er reichlich –
FRAU VON WALLENFELD.

Damit hätten wir glücklich sein können, es ist wahr. Er hat auch manches unternommen, Stellen und Verbindungen gesucht. Aber hat nicht seines Onkels Haß und Verfolgung ihm jeden Weg verschlossen? Verzweiflung, Gewinnsucht machte ihn zum Spieler. Er ist unglücklich. Ziemt es mir mit Vorwürfen sein Unglück zu vergrößern?

HOFRATH.

Aber – Sie zwingen mich zu sagen, was freilich [136] leichter ist, ungesagt zu lassen – Sie müssen am Ende doch leben!

FRAU VON WALLENFELD.
Aber auch nur leben. So oder anders, mir gilt das gleich. Muth zu leben habe ich wahrlich.
HOFRATH.
Aber – lieber Gott! wo?
FRAU VON WALLENFELD.
Gleichviel –
HOFRATH.
Hier – weiß ich nicht – hier –
FRAU VON WALLENFELD.
Lieber wo anders.
HOFRATH.

Ich möchte freilich rathen, daß Ihr Mann noch einen Versuch bei dem Onkel machte. Glauben Sie nicht, daß er es thun wird?

FRAU VON WALLENFELD.
Ich vermuthe es fast.
HOFRATH
verlegen.

Wirklich! – Sie können nicht glauben, wie es mich in Verlegenheit setzt, daß ich – eben ich, von dem Onkel so begünstigt werde.

FRAU VON WALLENFELD.
Sie sind nach meinem Mann der nächste Erbe.
HOFRATH.

Auch ist er in mich gedrungen, die Heirath mit der Comtesse Bildau, die Ihrem Manne bestimmt war, zu schließen. Ich habe also nachgegeben. – Sagen Sie es doch Ihrem Manne, daß ich mit ihr verlobt werde.

FRAU VON WALLENFELD.
Sein Sie glücklich, ich wünsche es aufrichtig.
HOFRATH.

O daran ist nicht zu zweifeln. Alles stimmt zusammen – Ihr Onkel und der Kriegsminister, der alte General Bildau. Der Herr war sonst Ihrem Manne recht gut: wird er nicht einmal zu dem hingehen?

FRAU VON WALLENFELD.
Weshalb?
HOFRATH.
Er war ein Freund seines Vaters – er ist reich – sehr reich.
[137]
FRAU VON WALLENFELD.
Sollte er dort Almosen fordern?
HOFRATH.
Was denken Sie? Nein! Ein Kavalier hilft dem andern.
FRAU VON WALLENFELD.
Ein Mensch hilft dem andern! Mein Muth ruht auf Menschlichkeit überhaupt.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Vorige. Jakob.

JAKOB.
Der Haussekretär des alten Herrn von Wallenfeld will mit der gnädigen Frau sprechen.
FRAU VON WALLENFELD.
Er kann kommen.
JAKOB
geht ab.
FRAU VON WALLENFELD.
Mit mir? Das befremdet mich.
HOFRATH.

Ein kalter, unangenehmer alter Mann. Er regiert die Seele des alten Wallenfeld, so wie seine Kapitale. Tröstliches möchte er Ihnen nicht viel sagen: indessen schonen Sie ihn; er ist sehr wichtig für Sie. Geht und drückt ihr den Brief in die Hand. Dies müssen Sie behalten.

FRAU VON WALLENFELD.
Herr Hofrath –
SEKRETÄR
tritt ein und verbeugt sich gegen den Hofrath, dann geht er vor.
HOFRATH
geht ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Frau von Wallenfeld. Sekretär.

SEKRETÄR.

Seine Excellenz, mein gnädiger Herr, der Herr Geheimerath Baron von Wallenfeld, schicken mich her zu der Mamsell Stern –

[138]
FRAU VON WALLENFELD.
So war mein Name vor der Heirath mit Wallenfeld.
SEKRETÄR.
Von der Heirath nehmen Se. Excellenz ein für allemal keine Notiz.
FRAU VON WALLENFELD.
Nicht? Das ist hart. Mein Herr, Sie sind in Jahren, sind, höre ich, Vater.
SEKRETÄR.

Von vier lebendigen Kindern; der älteste war Lieutenant, und wird jetzt Hauptmann unter dem Regimente des –

FRAU VON WALLENFELD.
Wenn Sie väterliche Gefühle haben, so frage ich Sie –
SEKRETÄR.
O ja. Wer hat die nicht?
FRAU VON WALLENFELD.
Ich frage Sie, ob Sie das Benehmen Sr. Excellenz gegen meinen armen Mann billig finden?
SEKRETÄR.

Ich diene Hochdenenselben in die achtunddreißig Jahre, habe meinen Sold quartaliter richtig empfangen, thue, was Se. Excellenz mir befehlen, und gebe mich mit Meinungen über Hochdero Billigkeit nicht ab.

FRAU VON WALLENFELD.
Nicht? Nun – so – erwarte ich ohne weiters Ihren Auftrag an mich.
SEKRETÄR.
Hier ist er. Gibt ihr Briefe.
FRAU VON WALLENFELD
übersieht sie.
Das sind Schuldforderungen an meinen Mann.
SEKRETÄR.
An Herrn Baron Friedrich von Wallenfeld, Ihren angeblichen Ehegemahl.
FRAU VON WALLENFELD.
Und was soll ich damit?
SEKRETÄR.

Was Sie irgend für gut finden. Jene, die Kreditores, sind theils mit Lamentationen, theils mit Pochen und Drohen von Inkarceration, oder sonst beliebigen Prostitutionen des Herrn Baron Friedrich, damit zu Sr. Excellenz [139] gelaufen, welche aber davon nichts wissen, sondern solche zur Zahlung vom etwanigen Eingebrachten, an Sie, die Mamsell Stern, gewiesen haben wollen.

FRAU VON WALLENFELD.
An mich?
SEKRETÄR.
Was repliciren Mademoiselle darauf?
FRAU VON WALLENFELD.

Daß meines Mannes Unglück, und auch – sagen Sie das Ihrem Herrn – und auch sein Unrecht gegen mich, mich nicht bereuen ließen, daß ich seine Frau bin. Ich bin arm, und habe meinem Manne nichts eingebracht, als ein Herz, das ihn liebt, und arbeitsame Hände. Hätte ich ihm Vermögen zugebracht, so würde ich jetzt damit den Namen von Wallenfeld auslösen; so wie ich mich freue, meinen Mann als ein redliches Weib durch meiner Hände Arbeit zu erhalten, da Seine Excellenz ihn verlassen. Mein Herr Sekretär – Sie verbeugt sich.

SEKRETÄR
steht noch da.

Ich kann Ihre Antwort so nicht referiren: erstens ist sie etwas lang, zweitens nicht in currentem Deutsch gegeben. Was haben Sie breviter sagen wollen?

FRAU VON WALLENFELD.
Daß ich arm bin, aber nicht verzweifle.
SEKRETÄR.
Se. Excellenz fragen nicht nach der Verzweiflung, sondern nach der Zahlung.
FRAU VON WALLENFELD.
Ich kann sie nicht leisten.
SEKRETÄR.

Er will sie nicht leisten. So folgt denn die Verhaftnehmung mit angehängter Schmach. Wenn ich dem Herrn Baron zu rathen hätte – so sollte er morgen früh – aber verrathen Sie mich nicht – mit Thores-Aufgang – hm! hm! die Morgen sind jetzt noch lange dunkel –

FRAU VON WALLENFELD.
Sagen Sie Ihrem Herrn, es wäre heut meines Mannes Geburtstag.
SEKRETÄR.

Wird, laut gnädigsten Befehls, seit der Mißheirath [140] ignorirt. Herkömmlich habe ich die Ehre, mich zu nennen des dastehenden Frauenzimmers Diener, qua Frauenzimmer – indem ich gegen alle sonstige etwan gemacht werden wollende Familienbeziehung mich protestando verwahrt haben will. Geht ab.

FRAU VON WALLENFELD
sieht in die Papiere.
Auch das ist viel Unheil! Es geht indeß zu Ende.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Karl. Frau von Wallenfeld.

KARL.
Mama, ich kann meine Rede an den Papa jetzt ganz auswendig.
FRAU VON WALLENFELD.
Schön, mein Kind.
KARL.
Da ist sie. Gibt ihr ein Papier. Soll ich sie hersagen?
FRAU VON WALLENFELD.
Wenn dein Vater kommt.
KARL.
Dem Jakob habe ich sie vorgesagt, der hat geweint.
FRAU VON WALLENFELD.
Jakob ist ein guter alter Mann.
KARL.
Wie muß ich mich denn hinstellen, wenn ich die Rede hersage?
FRAU VON WALLENFELD.
Wie du willst, liebes Kind.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Vorige. Herr von Wallenfeld, blaß, mit herunter hängenden Locken.

HERR VON WALLENFELD.
Bon jour, Marie! –Trocknet die Stirne. Ah, wie heiß! Schon auf, Kleiner?
[141]
KARL.
Schon seit vier Uhr.
HERR VON WALLENFELD.
Wie viel Uhr ist es?Er setzt sich.
FRAU VON WALLENFELD.
Halb acht.
KARL.
Um sechs Uhr hat mich die Mama schon frisirt.
HERR VON WALLENFELD
sieht ihn flüchtig an.
Es ist wahr, du bist ja geputzt.
FRAU VON WALLENFELD
geht zu ihm, und küßt ihn auf die Stirne.
Dein Geburtstag, lieber Fritz!
HERR VON WALLENFELD.
Hm! So? – Er gibt ihr die Hand. Ich danke dir.
KARL
zupft seine Mutter am Rocke.
Mutter! soll ich jetzt –
FRAU VON WALLENFELD
nickt mit dem Kopfe.
KARL
stellt sich ein paar Schritte zurück.

Heute ist der glückliche Tag, an dem du, lieber Vater, geboren bist. Wir freuen uns alle herzlich, und wollen –

HERR VON WALLENFELD
schnell und unlaunig.
Was gibt's?
FRAU VON WALLENFELD
legt ihre Hand auf seine Schulter.
KARL.
Freuen uns alle herzlich, und wollen – und wollen – Er sieht ängstlich nach seiner Mutter.
FRAU VON WALLENFELD.
Wollen dir immer mit Liebe –
KARL.
– Herzlich wollen – wollen immer –
HERR VON WALLENFELD.
Schon gut! Steht auf. Ich bedanke mich. Es ist ganz gut so.
KARL
bleibt auf seiner Stelle stehen.
Ich habe alles recht gut auswendig gewußt. Aber –
HERR VON WALLENFELD.

Scharmant, recht brav! Er sucht in den Taschen, und findet nichts. Ich will dir hernach – Warte – da! Er findet eine Spielmarke von Perlenmutter. Da ist ein kleiner Fisch für dich, gehe hin, spiele damit.

[142]
KARL.
Nein, ich darf nichts nehmen, ich habe es nicht gut gemacht. Er läuft fort.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Herr von Wallenfeld. Frau von Wallenfeld.

FRAU VON WALLENFELD.
Hättest du ihn doch ausreden lassen! Er hat sich so sehr darauf gefreut.
HERR VON WALLENFELD
geht unmuthig herum.
Pah – Spielerei –
FRAU VON WALLENFELD.
Wenigstens ist das Spiel unschädlich.
HERR VON WALLENFELD.
Bien obligé, Madame.
FRAU VON WALLENFELD.
Du bist unfreundlich gegen mich.
HERR VON WALLENFELD
etwas lebhaft.
Du bist – Er hält inne, und geht umher.
FRAU VON WALLENFELD
da er stehen bleibt, geht sie zu ihm, und sagt gutmüthig.
Was bin ich, lieber Fritz?
HERR VON WALLENFELD
unmuthig.
Zu freundlich.
FRAU VON WALLENFELD
ist sehr betroffen, welches sie verbergen will, deshalb wendet sie sich etwas.
HERR VON WALLENFELD.
Ich will noch eine Stunde schlafen; man soll mich nicht wecken. Geht ab.
FRAU VON WALLENFELD.

Geduldig! und Muth für härtere Prüfungen! Sie geht umher, und bleibt stehen. Er wird wieder verloren haben. Er hat ja nun nichts mehr zu verlieren. Vielleicht wird das sein Gewinn. Gebe es Gott!

8. Auftritt
Achter Auftritt.
Jakob. Hernach Herr von Posert. Vorige.

JAKOB
eilig und mit verbißner Wuth.
Gnädige Frau!
FRAU VON WALLENFELD.
Was ist's?
[143]
JAKOB.
Draußen ist er –
FRAU VON WALLENFELD.
Wer?
JAKOB.
Der Satan. Lassen Sie mich, ich will ihn erdrosseln –
FRAU VON WALLENFELD.
Komm doch zu dir – erhole dich doch – Wer ist da?
JAKOB.

Der Bankmacher – der alles hat was unser war. – Geld, Frieden und Freuden, Heil und Segen aus unserm Hause hat der Kerl alle Abend in seinem Hutkopfe heimgetragen. Er fragt nach dem gnädigen Herrn – Ich will ihn erwürgen – ich will –

FRAU VON WALLENFELD.
Jakob, um Gottes willen!
JAKOB.

Dann will ich mich den Gerichten übergeben; sie werden mir ein gnädiges Schwert zuerkennen; sanft und selig heißt das gestorben: denn der Kerl wird hier noch manches ehrlichen Mannes Sohn zum Lande hinaus treiben.

9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Vorige. Herr von Posert.

HERR VON POSERT
im grauen Oberrocke, einer schwarzen Binde über einem Auge, rundem Hut und Degen mit Porteépée.
Ich höre denn doch sprechen – also –
FRAU VON WALLENFELD.
Geh' hinaus, Jakob!
JAKOB
geht auf Herrn von Posert zu.
FRAU VON WALLENFELD.
Jakob! –
JAKOB.
Nun so laß ihm's der Böse wohl bekommen!

Geht heftig ab.
HERR VON POSERT.

Was will der Kerl? – Der geberdet sich ja – wie – wie ein Verrückter. Setzt sich. Mit Erlaubniß. Er nimmt den Hut ab. Sie sind –

[144]
FRAU VON WALLENFELD.
Herrn von Wallenfeld's Frau.
HERR VON POSERT.

So, so? Sie pardoniren. Steht auf. Die junge Frau. Hm, hm! Lehnt sich auf den Stock in die Seite. Eine recht artige junge Frau!Gibt ihr einen Stuhl. Setzen Sie sich, liebe, schöne, gnädige.

FRAU VON WALLENFELD.
Verbunden, mein Herr.
HERR VON POSERT.
Ich bin etwas müde.
FRAU VON WALLENFELD.
Bedienen Sie sich Ihrer Bequemlichkeit.
HERR VON POSERT
setzt sich.

Es hat heute etwas lange gedauert mit uns. Spielt mit dem Stock am Munde. Ich bin denn ohnehin nicht zum besten auf den Beinen. Das Alter stellt sich ein. Man hat gedient, hat sich hie und da für das allgemeine Beste brauchen lassen. Er hustet. Der Lichter- und Tabaksdampf, Hustet. der Punsch und das ewige Acht haben auf die liebe Tafelrunde – ha ha ha ha! Er kommt aus dem Lachen in's Husten. Daß dich alle – Holt Athem. Ah sapperment! Dürfte ich um eine Tasse Thee – oder ein Gläschen Orgeade bitten? – Hustet.

FRAU VON WALLENFELD.
Ich will's besorgen. – Aber, mein Herr – Ihr Name ist –
HERR VON POSERT.
Von Posert, Hauptmann von Posert, ehemals in genuesischen Diensten. Hustet.
FRAU VON WALLENFELD.
In der That, Herr Hauptmann, Sie sollten sich Ruhe gönnen.
HERR VON POSERT.

O lieber Gott, wenn ich ein paar Stündchen geschlafen habe, geht es wieder gut. Ich habe aber eben jetzt niemand, auf den ich mich verlassen kann, muß also Hustet. bis auf den letzten Point aushalten. Da gibt's dann Faßt an den Kopf. so – Schwindel! Alle Tausend! und [145] das immer hier ist auch etwas frisch – Erlaubten Sie nicht, daß ich mich bedecken dürfte?

FRAU VON WALLENFELD.
Mein Herr, Sie erlauben sich alles, also –
HERR VON POSERT
setzt den Hut auf.
Bitte ergebenst, liebe, schöne, gnädige –
10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Herr von Wallenfeld. Vorige.

HERR VON WALLENFELD.
Was gibt's?
HERR VON POSERT.

Gelt, Er hat schon geschlafen? Ich nicht. Ich bin noch frisch. Er ist mir ein komischer Gast! Ei – bei allen Teufeln! – wer hat Ihm denn geheißen mit Seiner hektischen Börse – die Achte so höllisch zu poussiren? he?

HERR VON WALLENFELD.
Das ist meine Gemahlin – Herr von Posert –
HERR VON POSERT.

Weiß schon. Zur Frau von Wallenfeld. Denken Sie nur selbst, Liebe, da hat er die Rage, immer eine und dieselbe Karte –

HERR VON WALLENFELD
nimmt ihm den Hut ab.
HERR VON POSERT.
Sie hat es ja erlaubt. Faßt an den Kopf.
HERR VON WALLENFELD
zu seiner Frau.
Der Hauptmann Posert –
FRAU VON WALLENFELD.
Du hast Geschäfte mit dem Herrn – kann es sein – so endige sie. Geht ab.
11. Auftritt
Eilfter Auftritt.
Herr von Wallenfeld. Herr von Posert. Hernach Frau von Wallenfeld.

HERR VON WALLENFELD
setzt ihm den Hut auf.
Nicht zu vergessen, daß meine Frau niemals mit pointirt hat.
[146]
HERR VON POSERT
lacht.

Da sehe mir eins die Leute an! Außer Hause – animables Libertins – so – was unsere Vorfahren Galgenschwengel zu tituliren pflegten. Zu Hause – Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn im feinsten Ton du Salon. Nun – mit pointirt hat sie freilich nicht persönlich, die Gnädige. – Aber ihr Magen hat scharf pointirt; denn derHustet. hat es doch entbehren müssen, was auf meinem grünen Tische roulirte, ha ha ha! Hustet. Verfluchte Schwänke!

HERR VON WALLENFELD.
Herr von Posert –
HERR VON POSERT.
Nun? –
HERR VON WALLENFELD.
Geh'n Sie zum Teufel!
HERR VON POSERT.
Ich warte auf Thee, und –
HERR VON WALLENFELD.
Geht in's Kaffeehaus.
HERR VON POSERT.

Und Geld. Denn das Spielen auf Borg an einer öffentlichen Bank ist doch insolent, wenn man nicht seiner Kasse gewiß ist. Zieht ein Souvenir heraus. Ich bekomme von Euch –

HERR VON WALLENFELD.
Keinen Heller. Bei Gott nicht einen Heller.
HERR VON POSERT
hustet und rechnet.
45 Dukaten! richtig. Steckt das Souvenir ein. Nun, wann zahlt Ihr?
HERR VON WALLENFELD.
Ihr habt mein ganzes Vermögen gewonnen.
HERR VON POSERT
gähnt.
Glück, liebes Kind, pures Glück!
HERR VON WALLENFELD.
Und Geschicklichkeit nicht? – so etwas Geschicklichkeit.
HERR VON POSERT.
Ei, bei Leibe! Nun – zahlt aus, friedlich, sonst beschimpfe ich Euch!
HERR VON WALLENFELD.
Womit soll ich zahlen? ich bin der ärmste Mensch in der Stadt.
[147]
HERR VON POSERT.
Ach, geht doch!
HERR VON WALLENFELD.
Ich habe keinen Heller, so wahr ich lebe.
HERR VON POSERT.

Wie möchte ich denn da – Uf – sticht es wieder in den verdammten Beinen. Habt Ihr auch schon so Stechen in den Beinen gehabt? – Uf – daß dich – uf – der Stich ist für den Bankier.

HERR VON WALLENFELD.
Geht er in's Gewissen?
HERR VON POSERT
reibt sich den Arm.

– Das hat man von seiner Complaisance, andern Leuten sein bischen sauer erworbenes Gut zur Ergetzlichkeit zu offeriren! Man muß die Wachslichter und den grünen Teppich dazu schaffen, kriegt Flüsse, Schwindel, Podagra, und muß sich noch mit losen Reden zwicken lassen. Freundlich. Ach Barönchen – seid so christlich, schiebt mir doch den Stuhl her –

HERR VON WALLENFELD
schiebt ihn mit dem Fuße hin.
HERR VON POSERT
legt das Bein darauf.
Aber wie möchte ich denn da ohne Geld an eine Bank gehen, und –
HERR VON WALLENFELD.
Rasend bin ich, daß ich es thue! ein erbärmlicher Kerl!
HERR VON POSERT.
Und spielen? he! denn wenn man – –
HERR VON WALLENFELD.
Ein Räuber an Weib und Kind!
HERR VON POSERT.
Denn wenn man kein Geld hat, muß man nicht spielen.
HERR VON WALLENFELD.
Keine guten Lehren aus Eurem Munde, das bitt' ich! ich möchte sie Euch fürchterlich heimgeben.
HERR VON POSERT.

Bei meiner Seele, wie ein desperater Student! Schämt Euch doch! Was habt Ihr denn so seit Jahr und Tag bei uns eingebrockt? Wie viel? –

HERR VON WALLENFELD.
Achttausend Thaler.
HERR VON POSERT
hustet.
Ein rechter Bettel für einen Kavalier!
[148]
HERR VON WALLENFELD.
Ein Königreich für einen Mann und Vater.
HERR VON POSERT.
Nun, und meine Zahlung?
HERR VON WALLENFELD.
Ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht.
FRAU VON WALLENFELD
bringt Thee, setzt ihn neben Herrn von Posert, und geht.
HERR VON POSERT.
Danke, danke. Eine nette Gestalt! Lieutenant ist ihr Papa?
HERR VON WALLENFELD.
Ja!
HERR VON POSERT.
Ihr könnt also nicht bezahlen? Was wäre da zu thun? Schenkt sich ein.
HERR VON WALLENFELD.
Was Ihr wollt.
HERR VON POSERT.
Verklagen?
HERR VON WALLENFELD.
In Gottes Namen.
HERR VON POSERT.
Daß ich ein Narr wäre! AberEr trinkt. es bekannt machen.
HERR VON WALLENFELD
geht umher.
HERR VON POSERT
trinkt.
Euch, wenn Ihr wieder an die Bank kommt, das Pointirbuch aus der Hand reißen. Trinkt.
HERR VON WALLENFELD.
Mensch!
HERR VON POSERT.
Ihr seid also komplet im Misere?
HERR VON WALLENFELD.
Ueberkomplet.
HERR VON POSERT.

Ha ha ha! Hab' ich's doch meinem Kleinen, dem Aron, gleich gesagt, wie Ihr das erste Mal bei uns gespielt habt! Gib Acht, Aron, sagte ich, der verbrennt sich die Flügel, ha ha! O das sehe ich gleich. Ich kenne meine Leute.

HERR VON WALLENFELD.
Ich habe sie leider nicht gekannt!
HERR VON POSERT.

Mit dem Einen Auge sehe ich – o – durch [149] ein Bret sehe ich. Hm! Jugend! heftiges Geblüt! – Nun – reden wir einmal ein ander Wort. Hört einmal – Ihr seid also ein abgerupfter Vogel? Nun! Hustet. Euch ist zu helfen.

HERR VON WALLENFELD.
Zu helfen?
HERR VON POSERT.
Ja, ja! Setzt Euch daher – da zu mir.
HERR VON WALLENFELD
setzt sich zu ihm.
HERR VON POSERT.
Schenkt ein!
HERR VON WALLENFELD
thut es.
HERR VON POSERT.

Es ist mir Hustet. so trocken in der Kehle. Der alte taube Doktor stand so weit weg – habe entsetzlich kreischen müssen beim Abziehen. Laßt Euch sagen: Trinkt. ich schicke den Aron fort.

HERR VON WALLENFELD.
Warum?
HERR VON POSERT.

Der Kerl hält so Nebenbänkchen, und ist ein unvorsichtiger Kerl. Bei mir hat der Strick so ein zehntausend Thaler gemacht, hat so Schulmeistern und Barbirern Bänke gehalten, die denn alle – Hustet und lacht. Das ist denn aber ignobel – wie gesagt, er ist unvorsichtig und –

HERR VON WALLENFELD.
Lassen wir das! Wie wollt Ihr mir helfen?
HERR VON POSERT.
Ich komme darauf. Seht, Ihr habt eine hübsche Frau –
HERR VON WALLENFELD
steht auf.
HERR VON POSERT.
Was gibt's?
HERR VON WALLENFELD.
Was soll meine hübsche Frau? Bei Gott! ich werfe dich aus dem Fenster, jämmerlicher Mensch!
HERR VON POSERT
hustet.

Bei Leibe! Nun meine ich so: Ihr seid Eurer Seits ein präsentabler Kerl, und, wie ich heute gesehen habe, ein Kerl, der Herz hat. Die ruinirten Spieler kriegen alle eine desperate Hartnäckigkeit – die denn endlich bare Contenance wird.

[150]
HERR VON WALLENFELD.
Weiter! –
HERR VON POSERT.

Ich gehe jetzt von hier weg in die Bäder; da braucht unser eins witzige, galante, tournirte, feste Leute. Hier – seid Ihr fertig. Wenn Ihr mitgehen und anderwärts statt des Aron eintreten wollt –

HERR VON WALLENFELD.
Als Kroupier? Infame Proposition! Geht von ihm.
HERR VON POSERT
hustet.
Bettelngehen ist schlechter. Trinkt.
HERR VON WALLENFELD.
Wenigstens bei Eures Gleichen betteln.
HERR VON POSERT.

So wollte ich Euch gehörig instruiren – zur Vorsicht – versteht mich – nur zur Vorsicht – gegen reiche kecke Leute; denn bei mirSteht auf. geht sonst alles klar und bar zu; und wollte Euch, Hustet. Euch wollte ich, ohne daß ihr Euch um den Schaden oder Verlust der Bank nur im mindesten was zu bekümmern hättet, alle Abend um ein Zehntheil interessirt sein lassen. Nun?

HERR VON WALLENFELD.
Das ist nichts.
HERR VON POSERT.

Ein Zehntheil? Ei du mein Gott! Mir ist es nur darum, daß ich manchmal, wenn's nicht stark besetzt ist, so um zwölf Uhr zur Ruhe gehen kann. Denn ich habe doch in der Welt was redliches gearbeitet, und es wohl verdient, daß ich nun Hustet. mein Leben genösse! he?

HERR VON WALLENFELD.
Genießt es, und laßt mich betteln.
HERR VON POSERT.

Nun, und die Frau, die ist ein liebes junges Weibchen, die setzen wir so zu ihrem Amüsement mit einem Strickzeug an die Bank – hin –

HERR VON WALLENFELD.
Schweig –
HERR VON POSERT.
Zum Zusehen.
HERR VON WALLENFELD.
Und gesehen zu werden? Wie tief bin ich gefallen, daß ich das anhöre! Fort!
[151]
HERR VON POSERT.

Schatz, du steigst in der Welt einmal nicht mehr. Sieht nach der Uhr. Kalt. Dir ist der Hals gebrochen. Hustet.

HERR VON WALLENFELD.
Ich fühle es.
HERR VON POSERT.

Enterbt bist du, schuldig auch. Leben muß du, und hast nichts. Die Schuldner lassen dich einsetzen. Die Frau bleibt freilich ledig, die nimmt man nicht gefangen: wenigstens thut es die Justiz nicht; wohl aber der Mangel. Denn der Mangel macht ein Kartätschenfeuer in die tugendhaften Grundsätze, daß sie rottenweise hingestreckt da liegen. Hustet. Ei, da ist's ja doch profitabel, Kroupier zu sein und sicher. Nun?

HERR VON WALLENFELD.

Hört! Ihr seid fürchterlich. Kein Bußprediger hätte fürchterlicher in mich hinein reden können, als diese Eure christliche Liebe. Ich danke Euch wahrhaftig dafür.

HERR VON POSERT.

Ich verstehe Euch nicht. Hustet. Geht Ihr mit, so erlasse ich Euch die Schuld, und ist Euch mit ein hundert Louisd'ors gedient, so könnt Ihr sie haben. Aber morgen gingen wir schon zusammen fort. Geht Ihr nicht mit, und zahlt auch nicht, Gähnt. so beschimpfe ich Euch.

HERR VON WALLENFELD.
Ich habe so viel an Euch verloren.
HERR VON POSERT.
Ich hätte auch an Euch verlieren können.
HERR VON WALLENFELD.
Sagt mir – daure ich Euch?
HERR VON POSERT
ruhig.

Ach nein! Seht – beim Spiel muß keine Passion sein. Gewonnen, verloren, verloren, gewonnen: all eins. Abgenutzte Karten zu Livrets – ausgesogene Pointeurs zu Valets.

HERR VON WALLENFELD.
Aber der Mensch – wenn er einmal einen Makel hat, behält ihn für immer.
HERR VON POSERT.

Die Karte unter den Tisch, der Mensch unter [152] das Getümmel! Frisch gedeckt, andre Karten, andre Menschen! Hustet. Geht Ihr mit mir?

HERR VON WALLENFELD.
Nimmermehr. Ich bleibe hier und halte aus.
HERR VON POSERT.
Das Gefängniß?
HERR VON WALLENFELD.
Das Gefängniß –
HERR VON POSERT.
Die Schande?
HERR VON WALLENFELD.
Ueberwinde ich mit der Ehre, Euer Anerbieten ausgeschlagen zu haben.
HERR VON POSERT.

Das soll eine Ehre sein, daß man sein Habe und Gut verspielt, und fremdes nicht gewinnen will. Hustet. Nun – überlegt es bis zwei Uhr. Ich will ein bischen ruhen. Der gestrige Fischzug war gut. Hustet. Bei Simoni ist großes Diner. Es ist ein Oberpfarrers-Sohn angekommen, hat eine reiche Erbschaft hier gehoben. Wollt Ihr ein Drittel von Papa's schwarzem Mantel, so kommt hin. Der Kerl ist dumm wie eine Latte.Geht ab.

HERR VON WALLENFELD.
Nein, nein! in Ewigkeit nicht! Keine Karte mehr –
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Voriger. Frau von Wallenfeld.

FRAU VON WALLENFELD.
Bist du allein?
HERR VON WALLENFELD.
Dein guter Geist ist bei mir, Marie!
FRAU VON WALLENFELD
zärtlich.
Lieber Fritz! Du hast viel Kummer! Ich begreife es wohl –
HERR VON WALLENFELD
nach einer Pause.

Glaubst du denn – Marie – sei aufrichtig – hältst du es für möglich, daß ich wieder ein besserer Mensch werde? Manchmal zweifle ich an mir selbst.

[153]
FRAU VON WALLENFELD.
Ich denke mir dich wie eine unverdorbene Zierath unter vielem Schutt vergraben.
HERR VON WALLENFELD.
Tief vergraben! sehr tief! zu tief!
FRAU VON WALLENFELD
faßt seine Hand.

Nicht doch. Wir wollen aufräumen – Karl und ich. Greift nach den Papieren. Laß mich anfangen. Wie heben wir diese Last?

HERR VON WALLENFELD
durchsieht sie, und sagt gepreßt.
Ohne des Onkels Hilfe – nie!
FRAU VON WALLENFELD.
Wage den Versuch! Die Leute sind ungestüm.
HERR VON WALLENFELD.
Ich will zum Onkel gehen. – Aber wovon wollen wir leben?
FRAU VON WALLENFELD.
Ich kann arbeiten. Deshalb bin ich unbekümmert.
HERR VON WALLENFELD.
Ich nicht. Mich erzog man zum Reichthum.
FRAU VON WALLENFELD.

Du hast Anlagen, du bist jung – du kannst noch vieles thun. – Du bist Vater, welch eine Aufforderung für ein gutes Herz!

HERR VON WALLENFELD.

Großer Gott! wie wird mir, wenn ich mir eine Zeit als möglich denke, wo Seelenunschuld und Friede wieder unter uns wohnen wird!

13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt.
Vorige. Karl.

KARL.

Vater! – Jakob – hat mich meine Rede noch einmal gefragt. Wenn du nicht dazwischen sprechen willst, so kann ich sie jetzt gewiß ohne Anstoß hersagen. Darf ich?

HERR VON WALLENFELD
zieht seine Frau an sich und umfaßt sie.
Ja, lieber Karl.
[154]
KARL
stellt sich einige Schritte von ihnen gegenüber.

Heute ist der glückliche Tag, wo du, lieber Vater, geboren bist. Wir freuen uns alle herzlich, und wollen dir immer mit Lieb und Treue entgegen gehen. Bleibe uns gut, und sei gern bei uns. Sollte dir etwas fehlen, so wollen wir alle arbeiten, daß dein Herz immer reich sei und bleibe. Wenn das ist, so wünsche ich und meine Mutter nichts, als daß dich Gott recht lange unter uns erhalte. Dann sind wir sehr reiche Leute. Verbeugt sich.

HERR VON WALLENFELD
geht haftig zu ihm, hebt ihn auf, herzt ihn, umfaßt mit dem andern Arm seine Frau.
Diesen Reichthum habe ich – warum suche ich mehr? Diesen will ich verdienen lernen.

Sie gehen in dieser Umarmung fort.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Sekretär. Hofrath.

SEKRETÄR
trägt einen Lehnstuhl vor, setzt ein Tischchen mit Schreibzeug an die Seite desselben.
Im Hintergrunde ist ein reiches Bett mit einer Gallerie vor demselben.
HOFRATH
tritt ein.
Guten Morgen, Alter!
SEKRETÄR.
Bringen Sie mir eine frische Prise Spaniol?
HOFRATH.
Ich habe es nicht vergessen.

Reicht ihm eine kleine blecherne Büchse.
SEKRETÄR
riecht daran.
Kostbar – erquickend! wahrem Balsam!
[155]
HOFRATH.
Wie hat der Onkel geschlafen?
SEKRETÄR.
Gut! Nimmt eine Prise. Ach je – da – da ist ja Gold darin –
HOFRATH
drückt ihm die Hand.
Der gute Tobak muß ja eine bessere Dose haben.
SEKRETÄR.
Gar zu gnädig! Will die Hand küssen.
HOFRATH.
Ei, Papa! wo denken Sie hin? Er umarmt ihn.
SEKRETÄR.

Ich kann wohl sagen, daß ich Sie wie einen Sohn liebe; Sie. – Den Herrn Baron Fritz hingegen habe ich mein Tage nicht leiden können.

HOFRATH.
Er taugt auch nichts.
SEKRETÄR.

Mir hat er von Kindesbeinen an alle ersinnliche Possen gespielt – und bei dem alten Geheimenrath – ich sage Ihnen, wenn er nicht in Ungnade gefallen wäre – hätte er mich noch um mein Stückchen Brot gebracht.

HOFRATH.
In Ungnade gefallen? Der Onkel wird sich doch früh oder spät seiner wieder annehmen.
SEKRETÄR.
Gott bewahre! Wir kennen und veneriren alle den gewissen einzigen Erben. Mit einer Verbeugung.
HOFRATH.
Da Wallenfeld doch einmal enterbt ist, so glaube ich selbst, daß ich es sein werde.
SEKRETÄR.

Betreiben Sie nur die Heirath mit der Comtesse Bildau. Denn daran liegt ihm alles, wegen der vornehmen Verwandtschaft mit ihrem Onkel, dem General.

2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Geheimerath. Vorige.

GEHEIMERATH
in der Thür.
Gabrecht!
SEKRETÄR.
Excellenz!
[156]
GEHEIMERATH.
Wer ist da?
HOFRATH.
Teuerster Onkel –
GEHEIMERATH
kommt.
Ah! der gute Fernau. –Embrassez moi!
HOFRATH.
Ihr Wohlbefinden, gnädiger Herr Onkel, ist mein erster Gedanke.
GEHEIMERATH
zum Sekretär.
Ist ein guter Mensch.
SEKRETÄR.
O – was für ein Gemüth!
HOFRATH.
Erlauben Sie mir, Ihnen etwas von den neuesten Musikalien vorzulegen. Ein Adagio –
GEHEIMERATH.
Von wem?
HOFRATH.
Der Komponist bittet um Nachsicht.
GEHEIMERATH.
Selbst verfaßt?
HOFRATH.
Eine Empfindung des Danks für den besten Onkel.
GEHEIMERATH.
Ich acceptire es. Wie geht es mit der Comtesse?
HOFRATH.
Wenn der Herr Onkel erlauben – so erhalte ich unter Ihrem Segen heute das Jawort der Gräfin.
GEHEIMERATH.
Gott Lob! – Soll hier geschehen, bei mir.
HOFRATH
küßt seine Hand.
Mein Vater!
GEHEIMERATH.
Sollt bei mir wohnen. – Gabrecht!
SEKRETÄR.
Excellenz!
GEHEIMERATH.
Große Galla heute Abend.
HOFRATH.
Nun bin ich so glücklich wie möglich. Aber mein armer Vetter!
GEHEIMERATH.
Wallenfeld? – Schlechtes Sujet.
HOFRATH.

Seine Armuth! – Ich habe der armen Person, seiner Frau – nach meinen Kräften ein Almosen gegeben – Wenn der Herr Onkel noch etwas – –

[157]
GEHEIMERATH.

Nichts! War mein Erbe, sollte mit der Comtesse meinem Hause ein Lüstre geben; – hat ein Bürgerding genommen; ist ein liederlicher Spieler –

SEKRETÄR.
Ja leider! und schickt alle Schuldner zum gnädigen Herrn Onkel –
GEHEIMERATH.
Brutalisirt mich!
SEKRETÄR.
Und das Pasquill, das neulich gegen unsern besten Herrn an das Haus geklebt war, soll von ihm sein.
GEHEIMERATH.
Ah le traitre!
SEKRETÄR.

Ich bin gewiß der Mann nicht, der jemand schaden will; aber das Devoir gegen meinen hohen Wohlthäter geht über alles.

GEHEIMERATH.
Vetter, Er muß meinen Namen annehmen. Ich adoptire Ihn –
HOFRATH
kniet nieder und küßt seine Hand.
Der Himmel verlängere Ihre Jahre, damit ich Sie noch lange, lange meinen Vater nennen kann!
GEHEIMERATH.
Jetzt bringe Er der Comtesse meinen Gruß. – Es soll ein Bouquet nachkommen.
HOFRATH.
Der Himmel verleihe mir ein Herz wie das Ihrige! Geht ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Geheimerath. Sekretär. Hernach der Kammerdiener.

SEKRETÄR.
Das ist ein anderer Herr, als der garstige Spieler.
GEHEIMERATH.
Submiß, geschickt –
SEKRETÄR.
Mitleidig – Hat er nicht der Kreatur Geld gebracht?
[158]
GEHEIMERATH.
Des Wallenfeld's seiner? Soll künftig wegbleiben.
SEKRETÄR.
Ich sage es auch.
GEHEIMERATH.
Schickt sich nicht.
SEKRETÄR.
Hat gar einen schlechten Ruf, die Person. Die gnädige Comtesse Braut könnten es ungnädig aufnehmen.
GEHEIMERATH.
Ist das Weibsbild auch eine Kokette?
SEKRETÄR.
Schlimmer, Ihro Excellenz!
GEHEIMERATH.
Fi donc! – Ich wollte, der Herr Neveu wäre aus der Stadt.
SEKRETÄR.
Die Schulden und das Lasterleben werden ihn wohl forttreiben.
GEHEIMERATH.
Eh bien! Setzt sich. Mein Haus!
SEKRETÄR
schellt.
KAMMERDIENER
tritt ein.
SEKRETÄR.
Die Leute –
GEHEIMERATH.
Und Jean mit der Geige.
KAMMERDIENER
geht ab.
GEHEIMERATH.
Heute muß nichts gespart werden.
SEKRETÄR.
Sehr wohl.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Vorige. Kammerdiener. Stallmeister. Haushofmeister. Jean mit der Geige und einem Notenpulte.

GEHEIMERATH.
Jean – hieher.
JEAN
stellt sich mit dem Notenpult an seine Seite.
GEHEIMERATH
gibt dem Sekretär die Noten.
Soll das exekutiren.
[159]
SEKRETÄR
gibt sie Jean.
JEAN
stellt sich in Positur.
GEHEIMERATH.
Haushofmeister!
HAUSHOFMEISTER
tritt vor.
GEHEIMERATH.
Man fängt an.
JEAN
geigt ein Adagio.
GEHEIMERATH
nach einigen Takten.
Bravo! Zum Haushofmeister. Kein Diner. –
HAUSHOFMEISTER
verbeugt sich.
GEHEIMERATH.

Nachmittags Spiel – Abendtafel auf dreißig Kouverts – Hernach Bal paré. – Das neue Silber. – Zu Jean. Noch einmal die Stelle –

JEAN
wiederholt sie.
GEHEIMERATH
schlägt die Hände zusammen.

Mon Dieu, que cela est touchant! Er trocknet die Augen. Zum Haushofmeister. Glace von Ananas!Winkt ihm zu gehen.

HAUSHOFMEISTER
tritt zurück.
BEDIENTER
meldet etwas dem Kammerdiener.
KAMMERDIENER
dem Sekretär.
SEKRETÄR
redet leise mit dem Geheimenrath.
GEHEIMERATH.
Nein!
SEKRETÄR
dem Kammerdiener.
Nein!
KAMMERDIENER
dem Bedienten.
Nein!
BEDIENTER
geht hinaus.
GEHEIMERATH.
Könnte betteln, ginge mich nichts an.
JEAN
hört auf zu geigen.
GEHEIMERATH.
Fortgefahren!
JEAN
geigt weiter.
5. Auftritt
[160] Fünfter Auftritt.
Vorige. Herr von Wallenfeld.

HERR VON WALLENFELD
tritt heftig ein.
Vergebung, lieber Onkel, daß ich hier mich eindränge. –
GEHEIMERATH
applauirt.
Bravissimo, die Stelle!
HERR VON WALLENFELD.
Kennen Sie mich gar nicht mehr?
GEHEIMERATH.
Nein!
HERR VON WALLENFELD
tritt näher zu ihm.
Gerührt. Einst war ich Ihr Liebling!
GEHEIMERATH.
Stallmeister!
STALLMEISTER
tritt vor.
HERR VON WALLENFELD
tritt zurück.
GEHEIMERATH.

Vormittag den Postzug von Grauschimmeln; fahre auf Sanspareil. Um vier Uhr der zweisitzige Staatswagen, Schecken, blau und silbernes Geschirr, Pferde eingeflochten. Bedeutet ihm zu gehen.

STALLMEISTER
tritt zurück.
GEHEIMERATH.
Unterschreiben! –
SEKRETÄR
rückt ihm das Tischchen vor.
GEHEIMERATH
zu Jean.

Ist genug! Sekretär gibt ihm etliche Dukaten. – Ist vom Herrn von Fernau. Er geigt es heute Abend bei der Fete.

JEAN
verbeugt sich, und tritt mit dem Notenpulte zurück.
HERR VON WALLENFELD.
Herr Onkel!
GEHEIMERATH
zum Sekretär.
Wie geht es mit der neuen Eisenschmelze?
SEKRETÄR.
Präsentire hier allerunterthänigst die geschlossene Rechnung.
[161]
GEHEIMERATH
sieht in die Papiere.
Zwölf hundert Thaler Ueberschuß? Gut! Kann noch ein Ofen angelegt werden?
SEKRETÄR.
Da ist der Bauanschlag zu Hochdero Approbation.
GEHEIMERATH
unterschreibt.
Ist für Ihn.
SEKRETÄR.
Wie?
GEHEIMERATH.
Für Seine Rechnung. – Treue Diener muß man lohnen.
SEKRETÄR.
Diese Huld erkenne ich mit tiefster Verehrung.
GEHEIMERATH.
Tisch weg! –
SEKRETÄR
nimmt ihn weg.
KAMMERDIENER
setzt ihn nach dem Bette zu.
GEHEIMERATH
steht auf.
BEDIENTER
trägt den Stuhl weg.
GEHEIMERATH.
Man geht hinaus.
SEKRETÄR
winkt.
KAMMERDIENER, JEAN, STALLMEISTER, HAUSHOFMEISTER gehen ab.
GEHEIMERATH
zum Herrn von Wallenfeld.
Was gibt's?
HERR VON WALLENFELD.
Herr Onkel, ich habe sehr gefehlt gegen Sie, ich fühle es.
GEHEIMERATH.
Gegen meinen Willen geheirathet.
HERR VON WALLENFELD.
Noch mehr habe ich gegen Sie und mein Weib gefehlt –
GEHEIMERATH.
Mein Weib! – Weib! – Welche pöbelhafte Art sich zu exprimiren!
HERR VON WALLENFELD.
Gegen beide habe ich gefehlt. –
GEHEIMERATH.
Bitte, mich nicht mit der Allervortrefflichsten in Eine Klasse zu rangiren.
[162]
HERR VON WALLENFELD.
Ich habe sehr gefehlt in meiner Lebensart nach der Heirath.
GEHEIMERATH.
Weiter!
HERR VON WALLENFELD.

Von Ihrer Großmuth auf dem glänzendsten Fuß erzogen, berechtigt zu den größten Erwartungen, habe ich mich vergangen, daß ich auf eine Art gelebt habe, die ich ehedem eher hätte entschuldigen können. Es ist unverantwortlich. Aber nun bin ich so elend –

GEHEIMERATH.
Ich zahle nichts.
HERR VON WALLENFELD.
Ich werde beschimpft.
GEHEIMERATH.
Hat's meritirt.
HERR VON WALLENFELD.
Ich bin bettelarm.
GEHEIMERATH.
Hat ja zehn tausend Thaler von Seinem Vater.
HERR VON WALLENFELD
beschämt.
Ich hatte sie! Mein armes Kind – nur mein Kind dauert mich!
GEHEIMERATH.
Geht mich nichts an, das Kind.
HERR VON WALLENFELD.

Herr Onkel, ich bin in Verzweiflung, wenn Sie mich verstoßen. Nur von der unmittelbaren Schande, bitte ich, retten Sie mich! retten Sie in mir den Namen, den wir beide tragen! Dann gehe ich fort von hier, und nie wage ich es wieder, auf Ihre Güte Anspruch zu machen.

GEHEIMERATH.

Ist schon über alles disponirt für Herrn von Fernau. Der heirathet die Comtesse, ist an Kindesstatt angenommen. Indeß, da Er sich von hier aus dem Staube machen will –

HERR VON WALLENFELD.
Ich möchte von hier gehen können! Ich möchte es bald können.
GEHEIMERATH.
Gabrecht!
SEKRETÄR.
Excellenz!
[163]
GEHEIMERATH
nachdem er eine Weile leise mit ihm gesprochen, zu Wallenfeld.
Der da wird Ihm meine Meinung sagen. –
HERR VON WALLENFELD
dringend.
Herr Onkel – sein Sie –
GEHEIMERATH.
Der da –
HERR VON WALLENFELD.

Nicht ein Wort des Mitleidens gönnen Sie dem Unglücklichen, den Sie einst Ihren Fritz, Ihren Sohn genannt haben?

GEHEIMERATH.
Fatigirt mich – das viele Reden.Adieu pour jamais! Geht ab.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
HERR VON WALLENFELD.
Nun? Was soll ich hören?
SEKRETÄR.

Pure Großmuth, wovon Ihro Excellenz – besessen sind. Dero angebliche Mariage ist ihm nun einmal absolut zuwider.

HERR VON WALLENFELD.
Weiter!
SEKRETÄR.

Wenn Sie nun diese durch eine förmliche Scheidung kassiren, und das erzielte Söhnlein unter dem Namen Monsieur Stern erziehen, so will er Ihre Schulden bezahlen, Ihnen auch noch ein für allemal ein Präsent auf die Reise machen.

HERR VON WALLENFELD.
Daraus wird nichts: mein ehrliches Weib behält ihren Mann und mein Sohn seinen Namen.
SEKRETÄR.

Hm! Ein vornehmer Name mit Pauvreté vergesellschaftet, ist nicht erklecklich! Nun, und die gnädige Frau wird es ja wohl auch zufrieden sein?

HERR VON WALLENFELD.
Weshalb? weshalb die?
SEKRETÄR.
Lieber Gott! – der Hunger thut weh.
HERR VON WALLENFELD
bitter.
Allerdings!
[164]
SEKRETÄR.

Und wenn man jung ist, und schön ist, und soll hungern, wo man doch essen könnte, und zwar reichlich, da entstehen Reflexionen –

HERR VON WALLENFELD.
Bösartiger Narr!
SEKRETÄR
mit Grimm.

Das verbitte ich mir! Zum Narren bin ich zu alt; habe auch Ihren Mißmuth nicht verdient, denn erst heute habe ich ihr eine Zubuße an Geld ausgemittelt –

HERR VON WALLENFELD.
Wem? meiner Frau?
SEKRETÄR.
Ja!
HERR VON WALLENFELD.
Durch wen?
SEKRETÄR.
Durch Herrn von Fernau.
HERR VON WALLENFELD.
Ich will nichts von ihm.
SEKRETÄR.
Hunger und Kummer sind –
HERR VON WALLENFELD.
Erträglicher als sein Almosen und Ihr Mitleid. – Hat sie es angenommen?
SEKRETÄR.
O Gott! – zu Dank – vergnügt.
HERR VON WALLENFELD.

Es soll zurück! Er soll Sein böses Gewissen in Ansehung meiner nicht mit einem Almosen erleichtern, und ich will das meinige nicht mit einem schlechten Streiche gegen mein Weib vermehren. Sagen Sie das dem Onkel. Sagen Sie ihm, daß ich nichts mehr habe, nichts, daß ich verzweifle. Was aus mir wird, weiß Gott. Kann ich vom Schicksal noch etwas hoffen, so ist es dafür, daß ich jetzt mit der Ueberzeugung von hier gehe, eine heilige Pflicht gegen ein unglückliches Weib nicht verletzt zu haben. Hieher komme ich niemals wieder. Geht ab.

SEKRETÄR.

Desto besser, desto besser! So können wir das Unsrige in Ruhe und Frieden genießen, mein Herr Baron Obenhinaus und Nirgendsan.Geht ab.

7. Auftritt
[165] Siebenter Auftritt.
Im Hause des Herrn von Wallenfeld.
Hofrath. Jakob. Hernach Frau von Wallenfeld.

HOFRATH.
Was will denn die gnädige Frau? Ich bin sehr eilig.
JAKOB.
Sie wird gleich hier sein. Geht in's Kabinet.
HOFRATH.

Vielleicht proponirt sie ein Auskunftsmittel. Vielleicht wollen sie endlich fort. Ich will gern etwas thun, wenn sie nur gehen. –

FRAU VON WALLENFELD.

Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind. Sein Sie so gut und nehmen Sie Ihren Brief zurück. Seinen Inhalt verlange ich weder zu besitzen, noch zu wissen.

HOFRATH.

Nun – so setzen Sie sich selbst hintan. Aber – Sie haben einen Sohn. Ich sage Ihnen, retten Sie sich und das Kind. Ihr Mann ist durch seine unbegreifliche Aufführung verloren. Er wird arretirt werden.

FRAU VON WALLENFELD.
Was sagen Sie –
HOFRATH.

Auf einen Wechsel von tausend Thalern. Eben jetzt wird er ihm zum letzten Mal präsentirt sein. Ich weiß es gewiß.

FRAU VON WALLENFELD.
Was kann ich dabei thun? Rathen Sie mir.
HOFRATH.
Sich und das Kind retten, hier weggehen. Der Onkel gibt vielleicht was dazu.
FRAU VON WALLENFELD.
Und mein Mann?
HOFRATH
zuckt die Achseln.
Der ist gar zu nichtswürdig –
FRAU VON WALLENFELD.
Wir sind fertig, Herr Baron.
HOFRATH.

Wenn er nun eingesperrt ist, was nutzt es, daß Sie mit zu Grunde gehen? Sollte es Ihnen aber zuträglicher [166] dünken, sich durch eine freiwillige Separation zu retten –

FRAU VON WALLENFELD
mißt ihn mit den Augen und geht.
HOFRATH.

Verflucht! Wenn das Weib nicht einen Streich macht, der ihn in der Desperation zum Teufel jagt, – so werden wir den Miterben nicht los.

8. Auftritt
Achter Auftritt.
Voriger. Rektor Berger.

REKTOR.
Dero Gehorsamster –
HOFRATH.
Wer sind Sie?
REKTOR.
Godofredus Berger! Licei nostri majoris Rector.
HOFRATH.
Guten Morgen, Herr Rektor! Geht ab.
REKTOR
sieht ihm nach.

Etwas unfein! Etwas rauh! Er muß ein Nordländer sein, die schon Tacitus in dem Traktate de moribus Germanorum so schildert.

9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Voriger. Herr von Wallenfeld.

HERR VON WALLENFELD
rennt schnell herein, den Hut in's Gesicht gedrückt.

Zwei Stunden – nur zwei Stunden sind mir noch übrig! Hier Schimpf leiden oder dort Niederträchtigkeit begehen. O Gott! nur Eins kann mich retten – Tod! Tod liegt in der Mitte! Tod rettet von beiden! – Aber – Er wirft sich in einen Stuhl. ich bin Vater!

REKTOR
der ihm aufmerksam zuhört und unbeweglich da steht, tritt nun zu ihm.
Dann liegt die Pflicht in der Mitte, Herr Landsmann.
[167]
HERR VON WALLENFELD
springt auf.
Wer sind Sie? –
REKTOR.
Rektor Berger. Und Sie? –
HERR VON WALLENFELD.
Von Wallenfeld.
REKTOR.
Ach! so bitte ich tausendmal Ihro Hochwohlgeboren, – – oder wie man Sie sonst titulirt –
HERR VON WALLENFELD
halb laut.
Unglücklichgeboren, so kann man mich nennen, so.
REKTOR.
Da sei Gott vor! Das kann nicht sein.
HERR VON WALLENFELD
flüchtig hin.
O ja.
REKTOR.
Nein, es wird niemand unglücklich ge boren. Astra regunt homines, sed regit astra Deus.
HERR VON WALLENFELD.
Mein Herr, was verlangen Sie von mir?
REKTOR.

Sie sind doch derjenige gnädige – oder vielmehr gute Herr von Wallenfeld, – der auf dem englischen Kaffeehause bei der Spiel- und Schlachtbank eines gewissen einäugigen Korsaren einen jungen Menschen vom Abgrunde gerettet hat?

HERR VON WALLENFELD.

Ja, es war ein junger Mensch da, der mit sichtbarer Angst und wenigem Gelde sehr heftig, unvorsichtig und keck spielte –

REKTOR.

Ist mein Sohn gewesen, der von meinem bischen Armuth schon sieben Stück Louisd'or verschleudert hatte, und ich bin gekommen, in Ihnen, der ihn vom Lasterwege gerissen hat, das Werkzeug der Vorsehung zu verehren.

HERR VON WALLENFELD.
Nein, mein Herr, an mir ist nichts zu verehren.
REKTOR.
Diese kostbare Handlung an meinem Sohne –
HERR VON WALLENFELD.

War Zufall – bloßer Zufall. Ich war schon ausgeplündert, stand müßig am Spieltische. Die Verlegenheit, [168] die Jugend, das Gesicht des Menschen interessirte mich. Zufall!

REKTOR.
Mit nichten! Ich statuire keinen Zufall.
HERR VON WALLENFELD.

Keinen Zufall? Nun, so sagen Sie mir, welche Vorsicht ließ mich, der ich Ihren Sohn heute gerettet habe, zum wüthendsten Spieler werden, der sich und Habe und Gut und Weib und Kind so hintangesetzt hat, daß er in diesem Augenblicke nicht über einen Heller Herr ist? nicht über einen Heller! –

REKTOR.

Lieber Herr, Sie setzen mich in Erstaunen. – Aber – Sie werden auf die Boten der Vorsicht am Wege, die da rufen: steh still! Sie werden auf die Tonnen bei den Klippen und Untiefen, die da warnen, nicht geachtet haben –

HERR VON WALLENFELD.
Kann sein.
REKTOR.
Sondern sind im Lustrausch dabei vorübergegangen.
HERR VON WALLENFELD.
Mag so sein, ja! Aber nun ist es geschehen. Was nun?
REKTOR.

Wenn Sie einem dankbaren Mann ein Wort erlauben wollen, so meine ich, Sie müßten gerade von der guten Handlung an meinem Sohne den neuen Lebenslauf anfangen –

HERR VON WALLENFELD.
Damit ist kein fälliger Wechsel gezahlt.
REKTOR.
Mit christlichem Muthe fortfahren –
HERR VON WALLENFELD.
Davon essen Weib und Kind nicht, die durch meine Schuld hungern.
REKTOR.

Hungern? So feine Leute! Standespersonen! – ei, ei! Nun, wenn dem so ist, so biete ich Ihnen aus schwacher Dankbarkeit, – wenn Sie es annehmen wollen, bis auf bessere Zeiten, fünf Louisd'or zum Darleh'n an.

[169]
HERR VON WALLENFELD.
Ehrlicher Mann, das darf ich nicht annehmen; denn bei mir kommen keine bessere Zeiten.
REKTOR.

Keine bessere? Ja, ja! das ist Eure Lehre vom Zufall. Ich aber sage aus der Lehre vom christlichen Vertrauen, es wird besser mit Ihnen werden. So gehen Sie denn gefälligst mit mir. Ich habe von einem Buchhändler für eine Uebersetzung aus dem Griechischen zehn Louisd'or eingenommen, die meine Frau nichts angehen. Halbpart – ehrlicher, unglücklicher Mann!

HERR VON WALLENFELD.
Herr Rektor, das ist freilich sehr gut gedacht; Er schlägt sich vor den Kopf. aber ich Elender, ach!
REKTOR.

So nehmen Sie denn meinen armen guten Willen an. Bei Occasion meines Sohnes und Ihrer, muß ich doch sagen, daß wir in Europa mit sammt unserer Kultur kuriose Leute sind.

HERR VON WALLENFELD.
Wie das?
REKTOR.

Bedenken Sie selbst! – wir haben christliche Orden, welche für Gefangene betteln, die von denen Seesäubern genommen sind; dazu geben wir willig unser Geld her; wir fechten gegen die Seeräuber von Algier; gegen Diebe, welche bei Nacht einbrechen oder sonst rauben, bauen wir Galgen an jede Grenze; auch läßt die christliche Obrigkeit, andern zum Exempel, ihnen selbst aber zur wohl verdienten Strafe, sie ab und zu aufknüpfen: – dahingegen sehen wir ruhig zu, und sitzen daneben, wie bei angezündeten Kerzen ein Räuber und Karten-Pirate, mittelst eines geschickten Daumens, in großer Kompagnie – ein Christenkind nach dem andern auszieht, plündert, zur Verzweiflung treibt, oder zu einem Schelme macht!

HERR VON WALLENFELD
seufzt.
Es ist wahr.
[170]
REKTOR.

Stiehlt ein armer Kerl ein paar silberne Schnallen – ei! da ist flugs die ganze Justiz auf den Beinen und hinter ihm her; muß aber Weib und Kind betteln, und stürzt sich einer, dem das grüne Tischchen alles abgenommen hat, in's Wasser, so stehen wir bei dem Leichnam, sagen: das Pharo hat ihn ruinirt, und jedermann geht ruhig heim. Der Räuber fährt in Equipage, die Bestohlnen nehmen demüthig die Hüte vor ihm ab, die Justiz sieht es, bleibt sitzen und denkt: das Pharo hat ihm geholfen. – Jedermann findet das alles ganz natürlich. Das ist denn doch aber sehr unnatürlich, und heißt die Lehre vom freien Willen sehr falsch expliciren.

HERR VON WALLENFELD.

Ist mir nicht mehr zu helfen, so will ich andern helfen. Kommen Sie zu Ihrem Sohne. Ich will ihn warnen, ihm sagen, wie es jetzt mit mir steht.

REKTOR.
Das traurige Bild möchte mehr wirken, als alle Moral. Thun Sie es, um eines alten Vaters willen.
HERR VON WALLENFELD.

Ich will es. Der Gedanke, daß ich diesen Menschen von dem Elend rette, worin ich bin, beruhigt vielleicht die Wellen, die in mir toben. Geht ab.

10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Vorige. Frau von Wallenfeld. Jakob.

FRAU VON WALLENFELD.
Lieber Mann!
HERR VON WALLENFELD
im Gehen.
Ich komme gleich wieder.
FRAU VON WALLENFELD.
Mit wem geht er da, und wohin? –
JAKOB.
Gnädige Frau, es ist sehr weit mit ihm gekommen.
FRAU VON WALLENFELD.
Wo geht er hin?
JAKOB.

Gott weiß es; aber – verzeih' mir's Gott – ich wollte, er ginge in alle Welt! Draußen packen ihn wieder die [171] Raubvögel an. Der alte Kerl mit dem Wechsel, und – Sie werden sehen – er läßt ihn hinsetzen. Was dann? Schande und Spott. Ehe ich das mit ansehen muß, möchte er lieber in Gottes Namen von hier fort gehen!

11. Auftritt
Eilfter Auftritt.
Karl. Vorige.

KARL.
Mutter! wann frühstücken wir denn? – Es ist ja schon spät, mich hungert so sehr.
FRAU VON WALLENFELD.
Bald – bald – Ach Jakob! –
JAKOB
gibt ihm ein kleines Weisbrot.
Da, Karlchen – gehen Sie nur zu der Köchin. –
KARL.
Sie ist ausgegangen. Es ist auch kein Feuer in der Küche, gewiß nicht!
FRAU VON WALLENFELD
setzt sich und weint.
JAKOB
mit unterdrückten Thränen.
Nun – ich bringe Ihnen gleich Milch – nur voran gegangen – nur voran! –
KARL.
Wo soll ich denn hin? es ist ja niemand zu Hause –
JAKOB.

Ich will mitgehen. Er geht ein paar Schritte mit dem Kinde, läßt es stehen, geht zur Frau von Wallenfeld, küßt ihre Hand, und gibt ihr ein kleines Papier. Nicht böse werden, liebe, gnädige Frau – Komm, Karlchen. Er geht.

FRAU VON WALLENFELD
wendet sich erschüttert nach ihm um.
Jakob!
JAKOB
im Gehen.
Wir müssen die Milch besorgen.
KARL.
Ja wohl, ja wohl! Hüpft fort.
12. Auftritt
[172] Zwölfter Auftritt.
Frau von Wallenfeld allein.

Was ist das? Was will der ehrliche alte Mann? –Sie liest die Aufschrift. »An meine gute gnädige Frau.« Sie macht das Papier auf und liest. »Ich bitte Sie, beste, unglückliche Frau, daß Sie den Sparpfennig des alten Jakob's brauchen, bis es wieder anders wird. Wenn Sie mir das abschlagen, so gräme ich mich todt. Inliegend fünfzehn Thaler in Gold. Dero treuer Diener bis in den Tod. Jakob Stormann.« – Ja wohl treu! und treu in Noth und Elend. Ich nehme es an, obschon es mein Herz zerreißt.

13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt.
Vorige. Lieutenant Stern.

LIEUTENANT
kommt herein, und umarmt Frau von Wallenfeld.
FRAU VON WALLENFELD
zwischen Schrecken und Freude.
Ach Gott! –
LIEUTENANT.
Grüße dich Gott, Marie!
FRAU VON WALLENFELD.
Mein Vater! mein Vater!

Sie fällt ihm um den Hals.
LIEUTENANT
hebt ihr Gesicht auf.
Wir haben uns lange nicht gesehen.
FRAU VON WALLENFELD
küßt ihn, dann seine Hand.
O lieber Vater, wollen Sie uns endlich doch sehen?
LIEUTENANT.
Es ist ja wohl nöthig, daß wir beide uns sehen und sprechen.
FRAU VON WALLENFELD.
Die Freude, die Ueberraschung läßt mich nicht sprechen.
[173]
LIEUTENANT.

Es mag wohl deine erste Freude sein seit den fünf Jahren, die du von mir weg bist: denn ich weiß alles, ob du mich gleich in deinen Briefen nichts hast merken lassen.

FRAU VON WALLENFELD.

Fünf Jahre konnten Sie zubringen, ohne mich zu sehen? ohne Ihren Großsohn gesehen zu haben? Kommen Sie doch zu meinem Karl.

LIEUTENANT.

Hernach, hernach, liebe Marie! Er umarmt sie. Gott segne dich! du weinst? – Je nun, es geht mir fast auch so. Ich will aber nicht weinen, ich will mich freuen, daß ich dich sehe und habe; ich habe ja auf der Welt nichts als dich, und will dich nun nicht mehr lassen.

FRAU VON WALLENFELD.
Bleiben Sie bei uns?
LIEUTENANT.
Nein.
FRAU VON WALLENFELD.
Aber doch einige Zeit?
LIEUTENANT.
Je kürzere Zeit, je besser ist es – ich bin müde, mein Kind! Er setzt sich. Setze dich zu mir.
FRAU VON WALLENFELD
setzt sich zu ihm, und nimmt seine Hand.
Gott Lob, daß Sie noch so gut aussehen!
LIEUTENANT.
Noch mag es passiren; aber Eins wird mir das Herz brechen. Liebes Kind, du bist eine Bettlerin.
FRAU VON WALLENFELD.
Großer Gott! erbarme dich unser! Sie bedeckt sich das Gesicht mit dem Schnupftuche.
LIEUTENANT.
Dein Mann, der gnädige Herr, ist ein schlechter Kerl.
FRAU VON WALLENFELD.
Sie sind strenge, lieber Vater.
LIEUTENANT.

Als die Leidenschaft euch bethörte, dich und ihn, damals hätte ich strenge sein sollen, und dir befehlen, laß ihn ziehen. Aber du liebtest, weintest, sehntest dich; er winselte mit; Glücksträume trieben ihr Spiel mit meiner [174] Vernunft, und ich sprach Ja zu deinem Elende. Vergib mir es. Ich will jetzt sehen, wie ich es noch wieder gut machen kann.

FRAU VON WALLENFELD
steht auf.
Mein Mann ist strafbar, aber er verdient einige Entschuldigung.
LIEUTENANT.

Vor dem Gericht der Liebe, recht so. Du bist ein braves Weib. Aber vor dem Richterstuhl der Ehre soll er sich stellen, dem Vater soll er Rechenschaft geben.

FRAU VON WALLENFELD.
Hören Sie mich –
LIEUTENANT.
Und wenn er da nicht besteht –
FRAU VON WALLENFELD.
Der Vater wird den Sohn väterlich richten.
LIEUTENANT.

Gutes Weib! ich sage es noch einmal: ich habe auf der Welt nichts als dich und die Ehre. Meine Ehre ist oft genug von der Allmacht der Kriegsminister gekränkt – Ich bin viel gebraucht, zum Dank übergangen, gehudelt, wieder gebraucht, und immer wieder übergangen worden. – Nun ich habe die Zähne zusammengebissen, die Hand auf den Stich in die Brust gelegt, den der feindliche Karabinier mir versetzte, und gedacht: er hat allenfalls den Platz gezeichnet, wo das Ordensband liegen könnte – es liegt nicht da – auch gut! Das Gefühl von dem, was mir gebührt hätte, gelte für das Band, das ich nicht habe. Jeder Groll wurde verschmerzt, wenn ich an dich dachte. Nun ist aber dein Glück auch zerstückt: was soll mich nun trösten, da ich in meinen Jahren eben jetzt noch einmal übergangen werde?

FRAU VON WALLENFELD.
Wie? ist das möglich?
LIEUTENANT.

Ja, mein Kind. Ein junger Bursche soll mein Hauptmann werden. Diese schändliche Hintansetzung meiner Ehre hat alle meine Wunden wieder aufgerissen, und [175] deine Thränen brechen mein Herz völlig. Ich will Genugthuung als Offizier und als Vater: deshalb bin ich hergekommen; und nun laß mich nur machen.

FRAU VON WALLENFELD.
Lieber Vater, wollen Sie meinen Karl noch nicht sehen?
LIEUTENANT.
Ja! – Pause. Sieht er deinem Manne gleich?
FRAU VON WALLENFELD.
Er hat viel Ähnlichkeit von Ihnen.
LIEUTENANT.
Das Kind wird mich weich machen.
FRAU VON WALLENFELD.
Es wird für seinen Vater bitten.
LIEUTENANT.

Aber fest bleibe ich doch; denn deine vereinten Augen, liebe Marie, klagen lauter, als das Kind bitten kann. Komm, führe mich zu ihm. Sie gehen.

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Herr von Wallenfeld. Frau von Wallenfeld.

HERR VON WALLENFELD
tritt hastig ein.
FRAU VON WALLENFELD
folgt ihm.
Was hast du? was ist dir begegnet? Du hast etwas gegen mich! Sprich, sei doch offenherzig!
HERR VON WALLENFELD
gefaßt.
Nun ja denn.Nachdem er sie scharf angesehen hat. Dein Vater ist hier?
FRAU VON WALLENFELD.
Ganz unerwartet kam er vor einer halben Stunde hier an.
[176]
HERR VON WALLENFELD
lebhaft.
Unerwartet? – Hm! Ei ja doch! Gleichgiltig. Wo ist er hingegangen?
FRAU VON WALLENFELD.
Ich weiß es nicht.
HERR VON WALLENFELD
nach einer Pause.
Warum meidet er mich? Wie?
FRAU VON WALLENFELD.

Ich sollte nicht denken, daß er dich geradezu meidet – aber – freilich – ist er etwas aufgebracht über dich. Du kennst seine Grundsätze.

HERR VON WALLENFELD.
Nun, Heftig. mit Einem Worte denn – Du hast ihn kommen lassen.
FRAU VON WALLENFELD.
Fritz!
HERR VON WALLENFELD.
Zu Hilfe kommen lassen.
FRAU VON WALLENFELD.
Thu mir nicht weh.
HERR VON WALLENFELD.
Du hast mich verklagt.
FRAU VON WALLENFELD.
Spricht Unmuth aus dir, so verzeihe ich dir gern.
HERR VON WALLENFELD.

Ueberzeugung, – und Unmuth wegen der Ueberzeugung. Zwar habe ich es an dir verdient, daß du den Schritt gethan hast; aber doch habe ich es nicht erwartet. Ich habe es nicht erwartet.

FRAU VON WALLENFELD.

Wallenfeld, noch habe ich dich nicht eine Klage hören lassen, was ich auch durch dich gelitten habe. Ich habe die Nächte geweint, und bin fast erlegen, um dich am Tage kein verweintes Gesicht sehen zu lassen. Ich und mein Kind, wir sind heute dem Hunger ausgesetzt gewesen wie die Bettler auf der Straße. Ich habe dir nichts davon gesagt. Jetzt aber zwingst du mich, daß ich mich auf diese Geduld berufe, die mich deiner Frage und aller Antwort darauf hätte überheben sollen.

HERR VON WALLENFELD.

Es ist wahr, und ich dürfte mein Auge [177] nicht zu dir erheben, wenn ich diese Geduld für Ergebung und Liebe halten könnte. Aber, wenn es Leichtsinn wäre – und – man hat mir vorhin in meines Onkels Hause etwas gesagt – man hat mir gesagt, du habest von Fernau ein Geschenk an Geld angenommen! von meinem Räuber, von dem Heuchler, der mit Niederträchtigkeiten ohne Zahl meines Onkels Gunst stiehlt, der mein Glück, deines und des armen Kindes Glück wie ein gemeiner Räuber an sich gerissen hat! – O Marie! – wie konntest du das thun?

FRAU VON WALLENFELD.

Ich habe von Fernau einen Brief erhalten. Es war Geld darin. Ich habe ihn unerbrochen zurück gegeben.

HERR VON WALLENFELD.
Was sagst du? Ist's wahr?
FRAU VON WALLENFELD.
Ich berufe mich auf dein eigenes Gefühl von mir, ob es mich einer Erniedrigung fähig hält.
HERR VON WALLENFELD.

Ich weiß leider, daß gar kein Geld mehr da war – Ich sehe an den Anstalten für den Mittag, daß du welches hast; woher hast du es?

FRAU VON WALLENFELD
gibt ihm Jakob's Brief.
Daher.
HERR VON WALLENFELD
liest und wendet sich ab.
FRAU VON WALLENFELD.
Von dem ehrlichen Jakob habe ich es angenommen, von Fernau nicht.
HERR VON WALLENFELD
gibt ihr Geld.

Bezahle den Jakob. – Was kann dir Fernau haben schreiben wollen? Wie konnte er dir Geld schicken wollen? Es müssen doch Dinge – Unterredungen – Vermuthungen vorher gegangen sein, auf welche er so etwas wagen konnte.

FRAU VON WALLENFELD.
Mein Freund – ich habe nur für mich gesprochen; Fernau habe ich nicht vertheidigt.
HERR VON WALLENFELD.
Ich will ihm das Haus verbieten.
[178]
FRAU VON WALLENFELD.
Immerhin! thue es.
HERR VON WALLENFELD.
Marie! Er betrachtet sie mit Bewunderung. kannst du mir vergeben?
FRAU VON WALLENFELD.

Wenn du so leicht den Glauben an mich verlieren kannst, wo sollen wir beide Frieden und Ruhe hernehmen?

2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Vorige. Lieutenant.

LIEUTENANT.
Da ist ja endlich der Herr von Wallenfeld!
HERR VON WALLENFELD.
Lieber Vater, Will seine Hand nehmen. ich höre mit Freuden –
LIEUTENANT
wendet sich zur Frau von Wallenfeld.
Laß uns allein, mein Kind.
HERR VON WALLENFELD
tritt zurück.
FRAU VON WALLENFELD.
Nicht gern. Lassen Sie mich da bleiben.
LIEUTENANT.
Gehorche deinem Vater, liebe Tochter.
FRAU VON WALLENFELD
sieht beide wehmüthig an, und geht ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Herr von Wallenfeld. Lieutenant.

HERR VON WALLENFELD
hat die Arme eingeschlagen, und sieht auf den Boden.
LIEUTENANT
nach einer Pause.
Nun, Herr Baron, was hören Sie mit Freuden?
HERR VON WALLENFELD
niedergeschlagen.

Daß Sie zu uns gekommen sind. Aber freilich ziemt es mir nicht, Sie zu empfangen. Mit tiefer Beschämung. Reden Sie, ich muß alles anhören. Ich darf nichts sagen, gar nichts.

[179]
LIEUTENANT.
Sie sind ganz irrig, mein Herr. Ich werde Ihnen nur sehr wenig sagen.
HERR VON WALLENFELD.
Halten Sie alles für verloren, was an mich gewagt wird?
LIEUTENANT.

Wo die Bitten, die Thränen eines solchen Weibes nichts vermocht haben, wo der Anblick eines lieben guten Knaben nicht zu dem Herzen gesprochen hat, da ist völlige Verwilderung, und ein solcher Mensch ist in einem thierischen Zustande. Soll da der Schwiegervater noch winseln oder zanken? Pah! Unser Geschäft soll gleich abgethan sein. Ich verlange –

HERR VON WALLENFELD.
Ich verdiene Ihren Zorn. Aber wenn Sie wüßten –
LIEUTENANT.

Zorn? Nein, Herr! Züchtigung verdienten Sie; für den Zorn sind Sie mir nicht mehr gut genug. Wer Ehre und Vermögen verschleudert, Weib und Kind nach Brot schmachten läßt, seine letzten Groschen unter die Gauner bringt, statt zu arbeiten müßig geht, der – Kurz und gut: ich habe Sie nicht ermahnt, weil ein jedes Wort zu einem Spieler verschossen Pulver ist; ich habe abgewartet, bis Sie ein Bettler geworden sind. – Jetzt bin ich da, und nehme meine Tochter wieder zurück.

HERR VON WALLENFELD.
Wie, mein Herr? Sie könnten die Unmenschlichkeit begehen?
LIEUTENANT.
Es steht Ihnen wohl, dies Wort gegen mich zu gebrauchen.
HERR VON WALLENFELD.
Wenn ich Marien verliere –
LIEUTENANT.

Danken Sie Gott, daß ich sie mit nehme! Bleiben Sie mit sentimentalischem Wortkram weg. Deutlich gesprochen: wovon soll sie essen? Oder wollen Sie es erleben, [180] daß Ihr Weib an den Spieltischen Zahnstocher und Devisen verkauft? – Ich selbst bin arm. Was nach meinem Tode aus ihr wird, weiß Gott. Nun, bis dahin lebt sie doch noch. Gott wird dann weiter helfen. Und ihr Kind – der herzensgute Knabe! Ach! – heute zum ersten Male kostet es mir eine Thräne, daß ich arm bin.

HERR VON WALLENFELD.

Mann, dessen Blick ich mehr ehre und scheue, als alle Gerichte, gehen Sie barmherzig mit mir um. Ich stehe am Abgrunde, stoßen Sie mich nicht ganz hinab!

LIEUTENANT.

Was wollen Sie? Haben Sie barmherzig gehandelt an Weib und Kind? Und ich – habe ich Rechenschaft gefordert von den schlaflosen Nächten, die Sie mir kosten? habe ich Rache gefordert für die zerschlagne Blüte, die ich gezogen habe? Was will ich denn? Mein Kind und meinen Enkel, – sonst nichts. Sie überlasse ich Gott. Morgen früh um sechs Uhr reise ich, meine Tochter und das Kind von hier ab. Gott befohlen.

HERR VON WALLENFELD.

Halten Sie sich frei von aller Verantwortung, wenn die Verzweiflung mich zu einer schrecklichen That treibt?

LIEUTENANT.
Ja! Meine tugendhafte Tochter geht von einem lasterhaften Schwiegersohne.
HERR VON WALLENFELD.
Wenn mein gebessertes Leben –
LIEUTENANT.
Niemals bessert sich ein Spieler.
HERR VON WALLENFELD.
Wie? –
LIEUTENANT.
Wer so gespielt hat, wie Sie, der hört nie auf.
HERR VON WALLENFELD.
Aber wie, wenn er nicht mehr spielen kann; wenn Armuth es zur Unmöglichkeit macht, wie dann?
[181]
LIEUTENANT.

Dann gebären Armuth, Habsucht, Gewohnheit, Geiz, Müßiggang, Verzweiflung und Rache aus einem nackten Spieler ein so wildes Ungeheuer, daß ein ehrlicher Vater seine Tochter lieber todt auf der Bahre sehen muß, als an der Seite eines solchen Menschen, den jeder Augenblick zum Räuber und Mörder stempeln kann. – Um sechs Uhr reisen wir. Geht.

HERR VON WALLENFELD
da er einige Schritte gegangen ist, geht ihm nach.
Vater! Vater!
LIEUTENANT.
Meiner Tochter.
HERR VON WALLENFELD
faßt seine Hand.
Bestehen Sie darauf?
LIEUTENANT.
Ja –
HERR VON WALLENFELD.
Wagen Sie es?
LIEUTENANT.

Ich wage es auf Gott! – Geht vor. Was sollen Sie? Vierundsechzig Jahre bin ich alt; fünfzig Jahre lang beschäftige ich mich beim Erwachen mit meinen Grundsätzen, und empfehle sie Gott; dann gebe ich mich getrost in die Weltwirbel. Hiermit sage ich Ihnen, meine Tochter geht mit.

HERR VON WALLENFELD
heftig.
So sage ich Ihnen, daß ich mich –
LIEUTENANT.
Halt da! Er droht ihm. Junger Mensch! Deutet gegen den Himmel. Nimm dich in Acht! Geht ab.
HERR VON WALLENFELD.
Nein, das überlebe ich nicht! – Das kann ich nicht überleben! –
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Voriger. Frau von Wallenfeld. Hernach Jakob.

HERR VON WALLENFELD.

Weißt du es? Nein, du kannst es nicht wissen. Dein Auge spricht Mitleid und Liebe. Du weißt es nicht, und kannst es nicht wollen.

[182]
FRAU VON WALLENFELD
erstaunt.
Was denn?
HERR VON WALLENFELD.
Marie! – tritt zu mir her – sieh mich an. – Weißt du, was dein Vater mit mir gesprochen hat?
FRAU VON WALLENFELD.
Nein! So wahr ich bin, ich weiß es nicht.
HERR VON WALLENFELD.
Du sollst mich verlassen.
FRAU VON WALLENFELD.
Sagt das mein Vater?
HERR VON WALLENFELD.
Er will dich mit sich nehmen, dich und das Kind.
FRAU VON WALLENFELD.
Ich werde nicht mit ihm gehen –
HERR VON WALLENFELD.

Ich kann dich nicht bitten, bei mir zu bleiben. Ich bin verstoßen, elend, beschimpft, ein Bettler. Dein Vater hat ganz Recht: ich weiß nicht, wovon ihr morgen essen werdet. Ich bin ein verächtlicher Mensch. Wenn du das Band zerreißest, das dich an Hunger und Jammer bindet – ich darf nicht murren: aber –

FRAU VON WALLENFELD.
Fritz!
HERR VON WALLENFELD.

Aber schrecklich wäre es! schrecklich! Sieh, ich habe weder Vater noch Freund, alles wendet sich von mir. – Glück und Frieden sind auf ewig von mir geschieden. Wenn du von mir trittst, wenn mein Kind von mir scheidet, was wird dann aus mir? – O Marie, Marie! Ich habe schrecklich gesündigt; aber ich bin grausam gestraft! Dein Vater ist gerecht: aber die Gerechtigkeit ist kalt. Die Liebe ist es nicht. Liebst du mich, so sei barmherzig, verlaß mich nicht, da die ganze Welt mich von sich stößt. Er umfaßt ihre Knie.

FRAU VON WALLENFELD.
Höre mich an.
HERR VON WALLENFELD.

Sei jetzt nicht gütig, – rede nicht sanft – ich bin zu tief verworfen, wenn du sanft bist. Entscheide [183] nur, sprich Ja oder Nein – Ja? – dann laß mich gehen und Rettung suchen. – Nein? – so laß mich gehen, und frage nie nach, wo ich gestorben bin.

FRAU VON WALLENFELD.
Ja, ja, ja! Ich bleibe bei dir. Ich theile, was dich trifft – ich verlasse dich nicht.
HERR VON WALLENFELD
springt auf.
Marie! – Ach, was kann ich dir anbieten? Armuth.
FRAU VON WALLENFELD.

Auch die Dürftigkeit hat ihre Freuden – Dürftigkeit und Tugend – Arbeit und Brot – Liebe und Treue – Liebe und Dankbarkeit sei unsre Losung!

HERR VON WALLENFELD.

Nimm mich auf – du hast mich gerettet – dein sei mein Leben! – Ich will arbeiten. – Helfe mir Gott, daß du über der Zukunft das Vergangene vergessen könnest!

FRAU VON WALLENFELD.
Das werde ich, wenn du nicht mehr spielst.
HERR VON WALLENFELD.
Nie mehr, nie!
FRAU VON WALLENFELD.
Täusche mich nicht. – Diese Hoffnung allein wird mich unterstützen. Spielst nie mehr?
HERR VON WALLENFELD.
Nie!
FRAU VON WALLENFELD.
Gib mir dein Wort –
HERR VON WALLENFELD
seufzt.
Ach, Marie! – gilt es dir denn noch etwas?
FRAU VON WALLENFELD.
Dein Herz gilt alles; dem habe ich mich gelobt; ich wage alles auf dies Gelübde.
HERR VON WALLENFELD.
Wenn dich mein Herz betrügen kann – dann verlaß mich, nimm dein Kind – und geh ohne Abschied fort.
FRAU VON WALLENFELD.

Der Bund ist geschlossen. Sie umarmt ihn. Ich rede mit meinem Vater. Nie verlasse ich dich. Sie geht ab.

[184]
HERR VON WALLENFELD.
Nun will ich dem Arrest nochmals entgegen arbeiten. Er schellt.
JAKOB
kommt.
HERR VON WALLENFELD.
Meinen Hut.
JAKOB.
Sehr wohl. Will gehen.
HERR VON WALLENFELD.

Jakob! – Du ehrliche Seele! Du armer Dulder, lohne dir Gott! – ich kann's nicht. – Aber höre! – Ich bin besser geworden; ich spiele nicht mehr. Heute Abend wollen wir uns zusammen setzen und Rath halten, wie ich arbeiten und Geld verdienen kann. Sinne nach; dein Rath soll mir sehr werth sein. Trenne die Aufschläge von deinem Rocke; – du bist unser Hausfreund – wir wollen noch gute Stunden leben.

JAKOB
küßt seine Hand.
Herr! – ich kann nicht reden – lassen Sie mich hinaus.
HERR VON WALLENFELD.

Wenn der Entschluß gut zu werden glücklich macht – was muß es sein, wenn man gut geworden ist! Laß mich – ich hole meinen Hut selbst. Ich will keinen Dienst mehr von dir; aber Freundschaft, Freundschaft wollen wir beide uns erweisen bis in den Tod!


Er geht; an der Thür begegnet ihm Herr von Posert.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Vorige. Herr von Posert.

HERR VON WALLENFELD.
Ah, Herr von Posert! –
HERR VON POSERT.
Ich wollte noch einmal nachfragen, wegen des beliebten Zehntheils. Comment?
HERR VON WALLENFELD.
Ich gehe nie mit Ihnen – Nie! Mich soll Gott bewahren!
[185]
HERR VON POSERT.
Ach – was Sie sagen? Das ist determinirt gesprochen.
HERR VON WALLENFELD.

Arbeit und Liebe sind mein Zweck, mein Lohn, mein Gewinn! Posert, Ihre Bank ist ein Bettelpfennig gegen den Reichthum in meinem Herzen.

HERR VON POSERT
hustet, sieht ihn an und sagt ganz kalt.
Sie sind sehr echauffirt.
HERR VON WALLENFELD.

Jakob, geh zu meiner Frau, sag' ihr, was ich mit Herrn von Posert, der im englischen Kaffeehaus die Bank hält, gesprochen habe. Sag' ihr alles.

JAKOB.
Mit tausend Freuden, und Gott wird es Ihnen lohnen. Er geht ab.
HERR VON POSERT.
Hm! Setzt sich. Ein kurioser Umstand! Die enorme Fröhlichkeit, die wundert mich doch.
HERR VON WALLENFELD.

Und nun lebt wohl. Vergebe Euch Gott, was Ihr mir abgenommen habt! Mich seht Ihr nie wieder. Kommt aber ein armer Teufel, toll wie ich, heißen Blutes wie ich, Mann und Vater wie ich – an Eure Bank, und setzt seine arme Seele auf ein Blättchen: so schiebt sein Geld weg, heißt ihn gehen. – Thut Ihr's nur an einem einzigen, – so sei Euch mein Geld gegönnt! Adieu! Er geht. wir sind geschieden.

HERR VON POSERT
hustet.
Wallenfeld!
HERR VON WALLENFELD
kommt zurück.
Was soll's?
HERR VON POSERT.

Das ist eine absurde Proposition. Wo ist das an einer Bank erhört, daß man jemandes Geld abwiese? he?

HERR VON WALLENFELD.
Macht's wie Ihr wollt. Geht. Adieu!
HERR VON POSERT.
He! und mein Geld? – Eure Schuld?
HERR VON WALLENFELD.
Morgen – übermorgen –
HERR VON POSERT.

Den 17. anni currentis, im ewigen Leben? [186] Er zieht die Uhr auf. Nein, nein! seid honnet – und bezahlt. Hustet.

HERR VON WALLENFELD.
Ich kann nicht.
HERR VON POSERT.

Nicht? Hustet. Von dem höllischen Reichthum in Euerm Herzen möcht Ihr doch das Bröckchen in meine Bettelbank abwerfen.

HERR VON WALLENFELD.
Versteht mich doch –
HERR VON POSERT.
Ich verstehe nur was klingt.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Vorige. Jakob.

JAKOB.
Gnädiger Herr – Er winkt ihm.
HERR VON WALLENFELD
geht zu ihm.
Sie reden leise. Pause.
HERR VON POSERT.
Nun? Meine Zahlung –
HERR VON WALLENFELD.
Geht zum Teufel!
HERR VON POSERT.
Denn wenn man hoch geht, muß man rasch auszahlen. Sonst ist's gefehlt.
HERR VON WALLENFELD
zu Jakob.
Ich würde gleich selbst kommen. Sagt ihm das. Ich käme gleich.
JAKOB
geht.
HERR VON WALLENFELD
geht nachdenkend auf und ab.
HERR VON POSERT
hustet.

Nun, wer ist denn draußen? Wie es scheint, Hustet. sind die Aktien gefallen. – Ha ha ha! der Seelenreichthum ist außer Kours gekommen! he?

HERR VON WALLENFELD.
Seid Ihr ein Mensch, Posert?
HERR VON POSERT.
Ei ja freilich!
HERR VON WALLENFELD.
Setzt Euch an meine Stelle.
HERR VON POSERT
steht auf.
Würde mich inkommodiren. Meine Stelle ist besser.
[187]
HERR VON WALLENFELD.
Ich bin auf so gutem Wege.
HERR VON POSERT.
Nun so zahlt mich.
HERR VON WALLENFELD.
Posert – ich bin in großer Verlegenheit – ich läugne es Euch nicht – ich habe Wechselarrest.
HERR VON POSERT.
Ja. Hustet. Wenn man nicht einhält, und – dabei noch so – so – capriciös ist –
HERR VON WALLENFELD.
Wegen tausend Thalern –
HERR VON POSERT.
Und Gähnt. sonst so in miserablen Umständen ist – da geht es ordinär so.
HERR VON WALLENFELD.

Geht einmal ab von Eurer Art, seid gut, wagt einmal auf die Karte von der Seligkeit einer ganzen Familie. Nehmt reine Dankbarkeit zum Zins – leiht mir tausend Thaler.

HERR VON POSERT.
Bewahre mich Gott! Mein –
HERR VON WALLENFELD.
Posert – ich stehe am Abgrunde!
HERR VON POSERT.
Mein bischen Bares, das –
HERR VON WALLENFELD.
Ihr habt ja mein ganzes Vermögen gewonnen –
HERR VON POSERT.
Das roulirt in der Bank, und –
HERR VON WALLENFELD.
Von achttausend Thalern, die mein waren, die Ihr eingestrichen habt, leiht mir tausend.
HERR VON POSERT.

Und das muß ich Euch sagen, Ernstlich. darin habe ich Aberglauben: wenn ich etwas aus der Bank verborgte, so hätte ich mein Glück verborgt.

HERR VON WALLENFELD.
Je nun denn – so gehe es, wie es kann! – Ich bin arretirt. Ich bin verloren.
JAKOB.
Gnädiger Herr! –
HERR VON WALLENFELD.
Rede laut! – Es wird jetzt alles laut werden.
[188]
JAKOB.
Der Eigenthümer des Wechsels – ist – er ist sehr ungestüm. Er droht. –
HERR VON WALLENFELD.
Ich kenne den Teufel.
JAKOB.
Er verlangt Personal-Arrest auf dem Thore.
HERR VON WALLENFELD.
Wie?
JAKOB.
Man spräche in der Stadt, daß Sie flüchtig werden würden.
HERR VON POSERT.
Ja, das sagt man –
JAKOB.
Er verlangte deshalb, daß Sie eingezogen würden.
HERR VON WALLENFELD.
So ist alles hin, und ich bin ohne Rettung.
HERR VON POSERT.
Ja, da hat nun jeder seineMesures zu nehmen. Ich bin denn doch – mitleidiger.
UNTEROFFIZIER
öffnet die Thüre, und sieht herein.
HERR VON WALLENFELD.
Gleich, mein Herr – gleich! Nur einen Augenblick noch Geduld!
UNTEROFFIZIER
macht zu.
HERR VON WALLENFELD.
Jakob, geh zu meiner Frau, beschäftige sie nur einen Augenblick, daß sie nichts merkt.
JAKOB
geht.
HERR VON WALLENFELD.
Posert – um alles, was Ihnen jemals theuer war, beschwöre ich Sie.
HERR VON POSERT.

Freilich, Hustet. ist zu erachten, daß, wenn Sie einmal arretirt sind, die andern Schuldner auch aufstehen werden –

HERR VON WALLENFELD.
Soll mein getreues Weib vor dem Gefängniß jammern? – –
HERR VON POSERT.
Nun da ist ja Hilfe – Zugegriffen!
HERR VON WALLENFELD.
Wo ist Hilfe?
HERR VON POSERT.

Werdet mein Croupier, ich bin ein gutes [189] Thier – so zahle ich den Wechsel, als Vorschuß auf Ihr Zehntheil –

HERR VON WALLENFELD.
Nein, nein! in Ewigkeit nicht! Ich kann nicht, ich kann nicht.
HERR VON POSERT.
Dann zahle ich den Kerl –
HERR VON WALLENFELD.
Lieber arretirt –
HERR VON POSERT.

Wenn Sie Ihren Part so ein zehn Jahre gezogen haben, Ihre eigene Bank etabliren können, und die Frömmigkeit chicanirt Sie dann noch – oder die Noblesse – was weiß ich, welche von beiden! nun – dann können Sie ein Waisenhaus bauen, und noch alljährlich, Hustet. sich eine Gedächtnißrede fundiren.

HERR VON WALLENFELD.
Posert! eine gute Handlung lohnt sich so süß.
HERR VON POSERT.
Ein blankes Zehntheil, das ist doch gewiß eine freigebige Handlung!
UNTEROFFIZIER
sieht herein, macht ganz auf, man sieht drei Mann Wache.
HERR VON WALLENFELD
ringt die Hände.
HERR VON POSERT
sieht nach der Uhr.

Je nun – Ihr wollt lieber in Arrest kriechen, und die Frau herum vagiren lassen. Meinetwegen! so macht Gedichte in der Gefangenschaft. Ich pränumerire auf zehn Exemplare. Ich will auch meine fünfundvierzig Dukaten noch zur Zeit stehen lassen. Es ist spät. – Adieu! Geht.

HERR VON WALLENFELD.
Posert! –
HERR VON POSERT.
Was ist's? Kommt zurück.
HERR VON WALLENFELD.

Posert! – Nein, nichts! Geht! – Ich bitte Euch – geht schnell fort – der Augenblick ist schrecklich – geht!

[190]
HERR VON POSERT.
Nun ja, ich gehe ja auch.Geht.
HERR VON WALLENFELD
verzweifelnd.
Posert!
HERR VON POSERT.
Nun was wollt Ihr denn?
HERR VON WALLENFELD
reicht ihm die Hand.
Da!
HERR VON POSERT.
Was soll das? –
HERR VON WALLENFELD.

Nimm mich – habe mich – ich bin dir verkauft mit Leib und Seele; Gott wird es von dir fordern; ich kann nicht anders. – Jetzt zahl' aus!

HERR VON POSERT.
Seid Ihr mein Croupier?
HERR VON WALLENFELD.
Ja doch – in's Teufels Namen! Ich bin's.
HERR VON POSERT.
Wer flucht denn so gottlos? –
HERR VON WALLENFELD.
Zahl' aus!
HERR VON POSERT.
Gott verleihe uns Glück und Segen! Hustet. Ich will mit dem Manne reden –
HERR VON WALLENFELD.
Zahlen!
HERR VON POSERT.
Gut sagen. Er kennt mich.
HERR VON WALLENFELD.
Da zahle her – blank und bar. – Für eine Gutsage bin ich nicht feil: Geld will ich.
HERR VON POSERT.
Nun also heute Abend seid Ihr an der Bank?
HERR VON WALLENFELD.
Und morgen in der Hölle? nicht? Allons Kamerad, Geld her!
HERR VON POSERT.
Heute Abend geht Euer Sold an. Ihr müßt aber aufpassen. Denn –
HERR VON WALLENFELD
schlägt sich an die Stirne.
Ich bin gelehrig.
HERR VON POSERT.
Denn es kommen gewandte Herren an den Tisch. Nun – den Handschlag darauf!
HERR VON WALLENFELD
reicht ihm die Hand.

Da denn – Nein! – [191] die Hand nicht! Die habe ich meiner Frau gegeben – zu einem Tugendgelübde. Ach Gott! – Ach Marie! – Marie! – Marie! die Liebe – die Tugend – die Noth verkaufen mich an das Laster! – Da nimm beide Hände! nimm mich ganz! umarme mich! laß mich nicht mehr aus den Klauen – Aber nun gib Geld her!

HERR VON POSERT.

Da ist ein Ring von zwölf hundert Thalern, bis ich heim komme – den laßt ihnen zum Pfande. In einer Stunde könnt Ihr das Geld bei mir holen.

HERR VON WALLENFELD.
Her damit! Er geht hinaus.
HERR VON POSERT.

So, jetzt habe ich meinen Mann. Nun kann ich doch, wenn es nicht stark geht, mich in Gottes Namen schlafen legen, wenn's zwölf Uhr ist. Und er ist ein Kavalier – es hat mehr Ansehen! – Es verhütet manche impertinente Frage. Er führt auch seinen Degen etwas kitzlich – da kann man denn doch, Hustet. die insolenten Nachfrager auch je zuweilen auf die Finger pochen. Man wird zwar dies und das gewohnt, und Gott Lob, ich habe mir eine lederne Stirne acquirirt: aber so ein Bursche ist jung, und steht besser vor dem Riß; wird schon anbeißen, wenn er nur erst einmal so ein reines Sümmchen eingestrichen hat! Zuerst wird er ein bischen generös sein wollen – hernach – verliert sich auch das.

HERR VON WALLENFELD
kommt wieder.
Nun – der Schurke ist bezahlt. Unser Handel ist geschlossen; wann soll ich mein Gewissen abschwören?
HERR VON POSERT.
Ei Gott wolle uns gnädig sein! niemals. – Wenn mir nur der Kerl keine Steine ausbricht.
HERR VON WALLENFELD.

Seid ruhig! Ihr habt eben einen guten Stein ausgebrochen. Jetzt sagt mir die ganze Höllen-Praktik [192] auf einmal! Was muß ich lernen, um Euch nützlich zu sein?

HERR VON POSERT.

Kurios, Hustet. von der Tugend zu reden! Man kann doch nicht tugendhaft sein, wenn man nichts zu essen hat!

HERR VON WALLENFELD.

Richtig! Gott ehre mir Eure Philosophie! Ich werde auch, bei Gott! nur darum ein Gauner, daß meine Frau Brot hat.

HERR VON POSERT
hustet.
Ich ärgere mich über solche Reden.
HERR VON WALLENFELD.
Gebt mir noch Geld! Geld her!
HERR VON POSERT.
Wie? noch mehr Geld?
HERR VON WALLENFELD.

Noch etwas auf die Seele. Ich will meiner Frau Presente machen, und meinem alten Diener. Ich will geweinte Thränen bezahlen, und Vorschuß auf Verwünschungen geben.

HERR VON POSERT.
Wie viel Geld wollt Ihr denn?
HERR VON WALLENFELD.
Fünfzehn Louisd'ors.
HERR VON POSERT.
Einen?
HERR VON WALLENFELD.
Mensch, biete mehr auf meine arme Seele.
HERR VON POSERT.
Nun – da habt Ihr drei!
HERR VON WALLENFELD.
Fünfe, nicht einen Heller minder, oder ich sage Euch den Handel auf! Fünf Louisd'ors.
HERR VON POSERT.
Nun da denn! Hustet. Es ist aber schrecklich viel!
HERR VON WALLENFELD.

Ihr kriegt auch viel! – Nun, daß ich Euch nicht betrüge bei unserm ehrlichen Handel, sagt mir gleich alles Gute, was ich noch ablegen muß –

HERR VON POSERT.
Steh uns Gott bei! Sollte man doch denken –
HERR VON WALLENFELD.
Ich kennte mein Handwerk? Das wohl noch nicht. Ihr habt einen guten Fang gethan an mir.
[193]
HERR VON POSERT.
Es geht alles bei mir redlich und ordentlich zu.
HERR VON WALLENFELD.

Hört, nehmt mich schnell in die Lehre. Heimlich. Wenn Ihr dann einen Onkel wißt, reich wie ein Nabob, kalt wie ein Stein, und räuberisch wie wir, – den liefert mir an die Bank. Ausplündern will ich ihn, daß er seinen Leichnam an uns verpfänden soll.

HERR VON POSERT
küßt ihn.
Je du närrischer Teufel –
HERR VON WALLENFELD.

Weg da – die Stelle hat meine Frau heute geküßt – Aber wenn ein armer Teufel kommt wie ich – Posert – dann jagt mich von der Bank – Ich schreie ihm laut zu, fort von hier! wir warten auf deine Seele. Dann stehe ich auf, erzähle meine Geschichte – Er bedeckt sich das Gesicht. Allons, fort! Champagner her! – Champagner bis in die Nacht! So oft mein Gewissen sich regt – Champagner! – so oft mich an Eurer Seite ein Schauder ergreift, ströme der Feuertrank in mein Blut, und schwemme die armen Tugendreste weg! Raub und Champagner ist die Losung –Er erschrickt, sinnt nach. Ich habe zwar Weich. meiner armen Marie eine andere Losung gegeben – – Nichts, nichts! Sie hat mich nur gebe ten, Ihr habt mich gekauft – Raub und Champagner! das ist das Wort! Er geht, sieht seine Frau und erschrickt.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Vorige. Frau von Wallenfeld.

HERR VON WALLENFELD.
Bist du da? Was willst du? Willst du mich noch einmal sehen, Marie?
FRAU VON WALLENFELD.
Du hast mir durch Jakob so herzliche Dinge sagen lassen –
[194]
HERR VON WALLENFELD.
Nicht wahr? O das geht jetzt ganz anders! Ich bin reich geworden.
FRAU VON WALLENFELD.
Lieber Fritz – ist das wahr?
HERR VON WALLENFELD.

Mich mußt du nicht ansehen. Das ist der Mann, der ist das Werkzeug;Er ergreift ihre Hand, und drängt sie nach ihm hin. der hat das Geld gegeben; der hat den Wechsel bezahlt. Denn ich sollte arretirt werden, mußt du wissen.

FRAU VON WALLENFELD.
Mein Herr, Ihre Güte verdient – –
HERR VON WALLENFELD
zieht sie hastig zurück.

Still! danke ihm nicht – danke ihm nicht. Er läßt sie stehen und geht von ihr. Er hat dich unmenschlich bestohlen –

HERR VON POSERT.
Die gnädige Frau weiß ja nicht, was sie denken soll –
HERR VON WALLENFELD.
Sie weiß nicht – Gott Lob! Aber sie wird es wissen, und dann – Adieu, Marie! Umarme mich!
FRAU VON WALLENFELD.
Fritz, – um Gottes willen, was ist dir? –
HERR VON WALLENFELD.

Noch sind diese Hände rein von Uebelthat – noch weint niemand über mich als du. Einst wird es anders sein! – O Gott! Gott! die Noth hat mich hinein geführt, nicht mein böser Wille, nein, mein böser Wille nicht.

HERR VON POSERT
ärgerlich.
Hören Sie, ich habe es nun genug, und gehe fort.
HERR VON WALLENFELD
sammelt sich.
Sie haben Recht, Herr von Posert – vergeben Sie mir. – Umarme mich, Marie, recht herzlich –
FRAU VON WALLENFELD
nachdem sie ihn umarmt hat.
Sollen wir denn von einander scheiden, Fritz?
HERR VON WALLENFELD.

Ich gehe nicht fort. Was du einst thun [195] mußt – hüllt das Schicksal noch in Finsterniß. Er fällt nieder und umfaßt ihre Knie. Tugend, empfange meine Huldigung! Er springt auf, und faßt Posert an der Hand. Fort, Kamerad! – Raub und Champagner! Sie gehen.

FRAU VON WALLENFELD.
Fritz! – Fritz! um Gottes willen, höre mich! Wenn dein Wort dir heilig ist, so höre mich! Ihm nach.

4. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Hofrath. Sekretär, beide nach Maßgabe festlich gekleidet.

HOFRATH.

Was ich Ihnen sage, Wallenfeld hat den Wechsel bezahlt, und ist mit dem Posert in einem Engagement als Croupier, als Knecht an der Bank.

SEKRETÄR.
Croupier, vom lieben Posert? Nun, so ist er schlecht genug, aber nicht arm genug.
HOFRATH.
Posert will sich so eine Art von Ansehen mit Wallenfeld's Namen und Figur geben; der Kerl ist eitel.
SEKRETÄR.

Wir können gleich erfahren, wie das alles zusammen hängt. Der Posert hat vorher einen andern Diebsgehilfen gehabt – einen gewissen Aron – den hat er nun von sich gethan; der zieht von hier weg, und wechselte heute früh Gold bei mir ein. – Wenn Sie den in der Geschwindigkeit ausforschen wollten – Der Kerl ist ohnehin von Posert disjustirt.

HOFRATH.
Richtig gesehen, richtig!
SEKRETÄR.

Ich kann zur Zeit nicht von hier weg, wegen [196] der Solennität, die heute sein soll – Der Kerl wohnt im englischen Kaffeehause –

HOFRATH.
Ich lasse ihn zu mir kommen.
SEKRETÄR.

Unbeschwert gleich. Ist das alles wahr mit dem Baron, so läßt sich's drehen, daß ihn mein gnädiger Herr beim Kopf nehmen kann.

HOFRATH.
Er hält auf den Namen seiner Familie.
SEKRETÄR.
O da ist keine Gnade! Nur – wie bringt man ihn weg?
HOFRATH.
Wenn der Onkel ihn arretiren läßt –
SEKRETÄR.

Von der Polizei? Das thut er nicht. Der Name der Familie läßt das nicht zu. Sinnt nach. Hm! es müßte so ein – ein – wie will ich sagen – standesmäßiger Arrest sein – der müßte so – verstehen Sie mich – als wenn man ihn schonen wollte, ohne Untersuchung, auf einmal wie ein Donnerschlag kommen.

HOFRATH.
Dazu könnte man sich an den Kriegsminister wenden, an den alten General; er haßt ihn ohnehin.
SEKRETÄR.

Wenn man ihn als Verschwender und wegen unkavaliermäßigen Betragens könnte zur Korrektion auf einmal, in einer Kutsche, nächtlicher Weile, so – als von der Familie, auf eine Bergfestung bringen – der Onkel bezahlte die Kosten.

HOFRATH.

Das geht, das muß so geschehen, das geschieht. – Es war so eine Art Schulkerl bei mir, der für ihn suppliciren wollte, den schicke ich zum Onkel. Ich sage, hier wäre Hoffnung – er sollte nur das Elend recht schildern.

SEKRETÄR.
Wenn er es geschildert hat, dann lassen Sie mich nur einheizen. Gleich zur Sache, mein Lieber!
HOFRATH.

Ja, so geht es an. Aber apropos! Da ist der [197] Lieutenant Stern, der Vater der Wallenfeld, hier angekommen; ob das keinen Querstrich durch unsre Rechnung macht?

SEKRETÄR.
Macht nichts. O lieber Gott! der trübt uns kein Wasser. Eilen Sie nur, mein Werther!
HOFRATH.

Nur den Geheimenrath nicht aus der Hand gelassen, daß heute noch alles wegen der Erbschaft schriftlich in Richtigkeit gebracht wird. Ihre Erbportion, lieber Gabrecht, bemessen Sie nach meiner Dankbarkeit.

SEKRETÄR.
Wir kennen uns ja.
HOFRATH.
Adieu, Papa. Geht ab.
SEKRETÄR.

Wäre mir sehr ungelegen, wenn dieser nicht Erbe würde. Der Herr Fritz, wenn er wieder zu Gnaden gelangen könnte, würde mich ehebaldigst aus dem Hause promoviren. – Hat wieder Geld? – Verflucht! – Er muß von hier weg, sonst habe ich keine ruhige Nacht mehr.

2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Sekretär. Lieutenant Stern. Bedienter.

BEDIENTER.
Wenn Sie mir nicht glauben wollen, da is unser Herr Sekretär, fragen Sie den.
SEKRETÄR.
Was gibt's?
BEDIENTER.

Der Herr will nicht glauben, daß Ihro Excellenz nicht zu Hause sind. Jetzt können Sie es hören. Geht ab.

SEKRETÄR.
Nun ein für allemal, er ist nicht zu Hause. Was ist's denn? –
LIEUTENANT.
So warte ich hier, bis er kommt.
SEKRETÄR.
Hm! kurios! Ich habe aber Geschäfte, kann mich hier nicht herstellen. –
LIEUTENANT.
Sie belieben sich nicht stören zu lassen.
[198]
SEKRETÄR.
Es ist auch nicht herkömmlich, daß man ohne Permission hier wartet. Wer ist der Herr?
LIEUTENANT.
Lieutenant Stern.
SEKRETÄR.
Ach so! – so, so! Der Herr Lieutenant? der Vater von der –
LIEUTENANT.
Getroffen.
SEKRETÄR
mitleidig.
Der Herr Lieutenant? Zuckt die Achseln. Ja du lieber Gott! – Setzen Sie sich, Herr Lieutenant.
LIEUTENANT.
Braucht's nicht.
SEKRETÄR.
Ja – das sind – so – traurige Umstände. –
LIEUTENANT.
Die Kondolenz verbitte ich.
SEKRETÄR.
So, so! Wollen Sie, so kann ich Ihnen – ein Gläschen Wein –
LIEUTENANT
schüttelt mit dem Kopfe.
SEKRETÄR.
Etwas Malaga, oder –
LIEUTENANT.
Ich erwarte hier nichts Süßes.
SEKRETÄR.
Nein, im Ernst, ohne Façon!
LIEUTENANT.
Façon werde ich nicht viel machen.
SEKRETÄR.
So, so! was wünschen denn der Herr Lieutenant so etwa an Se. Excellenz auszurichten?
LIEUTENANT.
Sie sind ein neugieriger alter Mann.
SEKRETÄR.
Gar nicht. Aufgebläht. Aber es pflegt so hier im Hause alles durch meine Hand zu gehen.
LIEUTENANT.
Das werde ich nicht.
3. Auftritt
[199] Dritter Auftritt.
Ein Bedienter kommt von der Seite, und öffnet die Mitte, dann folget der Geheimerath. Vorige.

LIEUTENANT.
Das ist ja vermutlich der Geheimerath – Mein Herr Baron –
SEKRETÄR
zum Lieutenant.
Pst, pst! jetzt nicht. Pst!
GEHEIMERATH
bleibt stehen, starrt beide an.
Was gibt's?
SEKRETÄR.
Es ist –
LIEUTENANT.
Ein Mann, der mit Ihnen zu reden wünscht.
GEHEIMERATH.
Mit mir reden? Geht vor.
LIEUTENANT.
Gnädiger Herr, wir beide sind leider mit einander verwandt worden –
GEHEIMERATH
sieht den Sekretär an.
Verwandt? – Wüßte nicht.
SEKRETÄR
lacht.
Lieutenant Stern.
LIEUTENANT.
Sein Sie so gut, diese Menschen fortzuschicken. Wir müssen allein reden.
GEHEIMERATH
verlegen.
Allein?
SEKRETÄR
warnend.
Ihro Excellenz!
LIEUTENANT.
Oder nicht allein – wie Sie wollen.
GEHEIMERATH
zu dem Bedienten.
Geht! Zum Sekretär. Er bleibt da. Bedienter geht. Was soll's?
LIEUTENANT.
Ihr Neveu prostituirt meinen Namen.
GEHEIMERATH.
Wie heißen Sie?
LIEUTENANT.
Stern heiße ich, und der Name ist überall ehrlich, wo er aufgerufen wird.
GEHEIMERATH.
Ich habe meinen Neveu enterbt, nehme mich nun nichts mehr an.
[200]
LIEUTENANT.
Ich nehme meine Tochter und meinen Enkel mit mir fort.
GEHEIMERATH.
Sie thun wohl daran.
LIEUTENANT.

Ich komme auch nicht darüber zureden, sondern von Ihrem Neveu. Er taugt freilich nichts, muß aber doch leben. Ich bin arm. Sie sind reich. Werden Sie ihn betteln lassen?

GEHEIMERATH.
Ich gebe ihm nichts, gar nichts.
LIEUTENANT.
Das ist ungerecht.
SEKRETÄR.
Ei, ei!
GEHEIMERATH.

Ich bin des Bettelns überdrüssig. Ist aber Ihre Tochter separirt, und er kann dereinst noch durch eine standesmäßige Mariage sein Glück machen, so ist mir es lieb, aber dermalen thue ich nichts.

LIEUTENANT.

Meine Tochter behält er nicht, und wenn er eine Million von Ihnen bekäme; aber Sie sind schuldig, ihn zu erhalten.

GEHEIMERATH
zum Sekretär.
Schuldig? Höre Er doch!
LIEUTENANT.

Schuldig! Sie haben ihn zum Bettler erzogen. Was hat er gelernt? Reiten, fechten, tanzen, spielen, Musik, und eine Quittung falsch und unleserlich schreiben. – Hätte er Wissenschaft, so brauchte er jetzt Ihre Hilfe nicht.

GEHEIMERATH.
Adieu, Herr Stern!
LIEUTENANT.
Der Monarch nennt mich Lieutenant. – Also geben Sie Ihrem Neveu nichts?
GEHEIMERATH.
Nein.
LIEUTENANT.

Nun – machen Sie das mit Ihren Herzen aus. Jetzt habe ich für mich noch etwas mit Ihnen abzumachen, oder mit Ihrem Wapen.

GEHEIMERATH.
Mit meinem Wapen? Wer ficht das an?
[201]
LIEUTENANT.
Sie! Sie selbst!
GEHEIMERATH.
Ich bin außer mir.
LIEUTENANT.

Steht es einem Manne Ihres Standes an, durch Schleichwege einen alten, gut gedienten Offizier um einen längst verdienten militärischen Grad zu bringen?

GEHEIMERATH.
Wen habe ich darum gebracht?
LIEUTENANT.
Mich.
GEHEIMERATH.
Wie? –
LIEUTENANT.

Ein junger Mensch von hier, ein gewisser Gabrecht, ein Bursche von zwei und zwanzig Jahren, soll durch Ihre Protektion mein Hauptmann werden.

SEKRETÄR.
Menagiren Sie sich, dieser Gabrecht ist mein Sohn.
LIEUTENANT.

Herr Geheimerath, Sie kennen mich jetzt. Auf meinem Gesichte sehen Sie den Gram vieljähriger Zurücksetzung – und Gibt ihm Papiere. daraus können Sie sich von meinem Verhalten und von meinen Wunden überzeugen. Als ehrlicher Mann sind Sie schuldig, dem Kriegsminister, den Ihre Sollicitation für Gabrecht überrascht hat, zu unterrichten, daß Sie sich übereilt haben.

GEHEIMERATH.
Wie?
LIEUTENANT.

Und dies bald, denn mein Unvermögen verstattet mir keinen kostbaren Aufenthalt. Um sechs Uhr morgen früh reise ich ab. Uebergeben Sie dem Herrn Minister meine Papiere. Sobald Sie mir diese Gerechtigkeit erwiesen haben, werde ich mich bei ihm melden.

GEHEIMERATH.
Uebergangen – wären Sie? –
SEKRETÄR.

Sie sollen begreifen, daß mein hoher Gönner seine Protektion verleihen kann wem er will, ohne daß ein anderer darein zu reden hat.

[202]
LIEUTENANT.
Ein vierundsechzigjähriger Lieutenant – Herr Baron! Herr Baron!
GEHEIMERATH
zum Sekretär.
Es ist freilich arg – aber – man müßte etwa mit Seinem Sohne reden, daß der –
SEKRETÄR.

Ach nein! Was geht das meinen Sohn an? Es beliebe der Herr Lieutenant den gewöhnlichen Weg einzuschlagen, und zum Herrn Kriegsminister zu gehen.

LIEUTENANT.

Ich will nicht den gewöhnlichen Weg einschlagen, das sehen Sie doch wohl! Ich bin lange genug darauf gegangen, bin vergessen und hintangesetzt. Der Name von Wallenfeld kostet mir Thränen und Galle genug. Der eine plündert mein Herz, der andere meine Ehre. Sie haben gefehlt; machen Sie es gut, oder ich stoße gegen Ihr Wapen, daß der Edelmann dem Kriegsmanne Genugthuung gebe; eins von beiden müssen Sie thun, welches wollen Sie?

GEHEIMERATH.
Gabrecht – was meint Er?
SEKRETÄR.
Sehen Sie, Herr Lieutenant, Sie sind bei Jahren: wenn man Ihnen nun ein Stück Geld –
LIEUTENANT
zum Geheimenrath.
Schaffen Sie sich doch für Ihr Geld ein besseres Organ, als dies alte Pennal da.
GEHEIMERATH.
Was soll ich denn? – Was wollen Sie? –
LIEUTENANT.
Daß Sie gut machen, was Sie verdorben haben, oder daß Sie sich mit mir schießen.
SEKRETÄR.
Du mein Gott! Ein Mordattentat gegen Hochdero Person!
LIEUTENANT.
Das versteht der Herr nicht, der Herr Baron ist Kavalier.
GEHEIMERATH.
Ganz recht.
LIEUTENANT.
Es ist schon spät –
GEHEIMERATH.

Ich gebe heute eine Fete, wo ich nicht wohl [203] abkommen kann. Nun so mag es denn sein! Ja! – In Gottes Namen – ja, ich will den Fehler repariren.

LIEUTENANT.
Ich danke Ihnen. Das ist ehrlich.
GEHEIMERATH.
Freilich bin ich ehrlich. Ich will mit dem Herrn Kriegsminister sprechen.
SEKRETÄR.
Aber mein Sohn –
LIEUTENANT.
Wann werden Sie mit ihm reden?
GEHEIMERATH.
In – in – ja – in einer Stunde.
LIEUTENANT.

Gut. Nach einer Stunde werde ich mich bei dem Herrn Kriegsminister melden lassen. Der Herr Baron übergeben ihm meine Attestate. Hiermit haben wir kein Geschäft mehr mit einander. Geht ab.

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Geheimerath. Sekretär.

GEHEIMERATH.
Gabrecht!
SEKRETÄR.
Excellenz!
GEHEIMERATH.
Hat mich in eine enorme Transpiration gesetzt, der –
SEKRETÄR.
So verwegen wie der Kerl war –
GEHEIMERATH.
Hat mir schlecht in der Sache gedient – Er.
SEKRETÄR.
Das Vaterherz! Soll denn mein armer Sohn zurück stehen?
GEHEIMERATH.
Soll ich mich schießen?
SEKRETÄR.
Gott wolle uns gnädig bewahren!
GEHEIMERATH.
Sein Sohn ist ja Soldat –
SEKRETÄR.
Ja, in so weit –
GEHEIMERATH.
Kann's ja mit dem Lieutenant aufnehmen.
SEKRETÄR.
Ach Gott! –
[204]
GEHEIMERATH.
Will Hauptmann sein: – muß auch einmal losschießen.
SEKRETÄR.
Das Kind ist so zart gebaut –
GEHEIMERATH.
Aber ich dann?
SEKRETÄR.

Ach Gott! ein wahres Heiligthum für uns! Bei Leib und Leben nicht! Aber muß denn der grobe Mann gewinnen?

GEHEIMERATH
besinnt sich.
Grob war er, glaube ich.
SEKRETÄR.
Gegen so einen Herrn?
GEHEIMERATH.
Ist wohl wahr.
SEKRETÄR.

Vorschreiben! Und hat er sich nicht mit sträflichem Mißtrauen gegen Se. Excellenz den Herrn Kriegsminister in den allerverfänglichsten Ausdrücken vergangen?

GEHEIMERATH.
Hat Recht!
SEKRETÄR.
Die ich bezeugen kann. Er hat Sie herausgefordert. Haben wir nicht ein allergnädigstes Duell-Mandat?
GEHEIMERATH.
Freilich! Aber unsers gleichen –
SEKRETÄR.
Einen Herrn in Ihren Jahren zu provociren!
GEHEIMERATH.
Ist zwölf Jahr älter als ich, der Lieutenant.
SEKRETÄR.
Darum eben. Es ist ein Invalide. Was will der mit Beförderung?
GEHEIMERATH.
Sollte sich zur Ruhe setzen: das ist wahr.
SEKRETÄR.
Mit Hauptmannscharakter.
GEHEIMERATH.
Darauf könnte man antragen; da hat Er Recht.
SEKRETÄR.
Fahren Sie zum Herrn Kriegsminister, und thun das.
GEHEIMERATH.

Wird aber seine Dienstfähigkeit erweisen – [205] und die Papiere hier, die Attestate, die ich selbst dem Minister produciren soll –

SEKRETÄR.
Hm! – Sie könnten sie ja vergessen haben. –
GEHEIMERATH.
Habe meine Parole gegeben –
SEKRETÄR.
Nun so reden Sie von seiner Brutalität.
GEHEIMERATH.
Das wohl.
SEKRETÄR.
Hochdieselben beweisen einen Mordfrevel, ein Duell.
GEHEIMERATH.
Geht an.
SEKRETÄR.
Dero hoher Name – und der Lieutenant dagegen ein Narr.
GEHEIMERATH.
Ein unruhiger Kopf.
SEKRETÄR.
Ein Don Quischott.
GEHEIMERATH.
Ein gefährlicher Mann –
SEKRETÄR.
Muß fort.
GEHEIMERATH.
Richtig! Vorfahren –
SEKRETÄR.
Sogleich. Geht ab.
GEHEIMERATH
trocknet sich die Stirn.
Hat mir eingeheitzt – der verdrießliche Mann. Ist freilich arm. Nun – will ihm am Ende was schenken.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Voriger. Sekretär. Hernach Rektor Berger.

SEKRETÄR.

Da ist ein braver, redlicher Mann – ein gewisser Rektor Berger, der flehet submissest und mit gehorsamster Devotion, ob er seine Aufwartung machen dürfe.

GEHEIMERATH.
Was will der Schulmeister?
SEKRETÄR.
Er flehet so wehmüthig –
[206]
GEHEIMERATH.
Soll kommen.
SEKRETÄR
geht hinaus.
GEHEIMERATH.
Wird eine Kollekte sein. Er zieht den Geldbeutel.
SEKRETÄR UND REKTOR
treten ein.
SEKRETÄR.
Da, das sind Se. Excellenz – Nur beherzt gesprochen! – Nur frisch!
REKTOR.
Dero allergehorsamster –
GEHEIMERATH.
Eine Kollekte?
REKTOR.

Wäre wohl nöthig, wenn ich nicht Dero Menschenherz und angestammte Großmuth zuvörderst privatim aufrufen wollte. Der arme, unglückliche Mann –

6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Vorige. Bedienter.

BEDIENTER.
Der Wagen ist vorgefahren.
GEHEIMERATH
zum Rektor.
Solche Leute machen immer lange Geschichten. – Brauche nichts zu wissen. Da ist Geld.
REKTOR.

Wenn Hochdieselben so zu geben pflegen, so pflege ich nicht so zu nehmen. Der arme unglückliche Mann ist Dero Herr Neffe, Baron von Wallenfeld.

GEHEIMERATH
steckt das Geld ein.
Der? Dem gebe ich nichts. Reden Sie mit meinem Sekretär. Muß ausfahren. Geht.
SEKRETÄR.
Geruhen doch Ihro Excellenz noch zu verziehen. Es möchte eine Extremität bei der Sache sein.
REKTOR.
Ja! das höllische Feuer selbst ist bei der Sache.
GEHEIMERATH.
Reden Sie.
SEKRETÄR.
Ach Sie christlicher Ehrenmann! Wie ist es denn mit dem Baron?
REKTOR.
Er ist in Desperation, hat sich aus Hunger und Kummer zu falschen Spielern gesellt.
[207]
SEKRETÄR.
Da soll ja Gott sich erbarmen!
REKTOR.

Nun ja. Wenn Gott sich erbarmt, wie geschieht das? Durch Menschen, die helfen können. Hier, der Herr Geheimerath als Vaters-Bruder –

SEKRETÄR.
Ihro Excellenz sind aber sehr aufgebracht, und das mit Recht.
REKTOR.

Aber die arme Seele geht ja bei dem verruchter Spieler verloren. Der Kerl, der ihn in Satans Namen in den Klauen hat, der Herr von Posert – ist einer von denen, die der Herr gezeichnet hat; und es wird eben der ganzen Teufelsrotte von der Polizei nachgespürt.

SEKRETÄR.
Was Sie mir sagen? Ei Ihro Excellenz! von der Polizei! der hohe Name von Wallenfeld! Ach Gott, Gott!
GEHEIMERATH.
Es ist schrecklich! Was kann ich denn thun?
SEKRETÄR
redet leise mit ihm.
GEHEIMERATH
sinnt nach.
Meint Er?
SEKRETÄR.
Ja! Denn sonst – Redet wieder leise mit ihm.
GEHEIMERATH
nachdem er geredet hat.
Das ist wahr.
REKTOR.

Es ist ein junger Mensch ausgeplündert worden, dessen Kurator die Sache anhängig machen will. Ich kenne den jungen Menschen und den Kurator. Der Handel ist schlimm – sehr schlimm! Da nun ich dem Baron Dankbarkeit schuldig bin, so bitte ich hier hoch und theuer, daß man ihn doch noch vorher da wegtreibe, und ihn rette.

SEKRETÄR.
Nun, wir wollen sehen. – Wer ist denn ausgeplündert?
REKTOR.
Ein Pfarrerssohn, der hier eine Erbschaft für seinen Vater erhoben hat.
GEHEIMERATH.
Gegen den hätte man falsch gespielt?
[208]
REKTOR.
Das meint sein Freund, der Lizenziat Wieder.
GEHEIMERATH.
Und mein Neveu war dabei?
REKTOR.
Leider Gottes.
SEKRETÄR.
Und wußte um den Betrug?
REKTOR.
Mein Sohn fürchtet es.
SEKRETÄR.
Nun, Ihro Excellenz?
GEHEIMERATH.
Hat Recht, Er. Muß fort. Geht ab.
REKTOR.
Wer muß fort? Wohin? Wer?
SEKRETÄR.
Ihro Excellenz fahren zum Herrn Kriegsminister.
REKTOR.
So? Und ich gehe dahin.
SEKRETÄR.
Was? zum –
REKTOR.

Zum Herrn Kriegsminister. Ja, ja! Es ist hier bei der hohen Blutsfreundschaft sehr kalt hergegangen. Es möchte dort allenfalls desto heißer denuncirt werden. Ich aber habe die unsterbliche Seele retten wollen, ohne den Leib zu verderben. Deshalb will ich mich hinmachen –

SEKRETÄR.
Ei, gehen Sie lieber an die Bank zum Baron –
REKTOR.

Da würde ich betrachtet wie ein abgegriffenes griechisches Lexikon. Nein, ich merke wohl, was mir sonst obliegen will. In Gottes Namen! Frisch daran! Es ist eine geistliche Patrouille gegen den bösen Feind.


Er geht hastig fort.
SEKRETÄR.

Die ist mir ungelegen. Hm, hm! Er denkt nach. Der Baron ist in Noth. – Ein Stück Geld, – so schafft er mir Ruhe, daß der alte Lieutenant uns nicht mehr turbirt. – Ich ängstige ihn mit der Festung, – hetze ihn aus dem Lande. So ist allen geholfen. Frisch! Es ist eine weltliche Patrouille für Habe und Gut. Er geht ab.

7. Auftritt
[209] Siebenter Auftritt.
In des Herrn von Wallenfeld's Hause.
Jakob. Herr von Wallenfeld.

JAKOB
packt im Hintergrunde an einem Koffer.
HERR VON WALLENFELD
tritt ein, den Hut verkehrt, das Halstuch weit gebunden, mit allen Zeichen von Weinlaune und Erhitzung.
Heda! – Jakob – Jakob! Rasch, alter Knabe! komm her zu mir.
JAKOB
traurig.
Gnädiger Herr!
HERR VON WALLENFELD.
Was gibt's da? Einpacken? Wer hat dir das befohlen?
JAKOB.
Der Herr Lieutenant. –
HERR VON WALLENFELD.

Packe aus! Wach' auf, alter Träumer! sei gutes Muth's! Er wirft ihm einen Thaler hin. Da ist Geld! Wo ist mein Weib?

JAKOB.
Da d'rin. Sie läßt das Kind lesen.
HERR VON WALLENFELD.
Rufe sie her! – Nimm dein Geld auf – Rufe sie her! Dein Geld sollst du da wegnehmen.
JAKOB
thut es und geht.
HERR VON WALLENFELD.
Jakob!
JAKOB.
Gnädiger Herr!
HERR VON WALLENFELD.
Hole uns Champagner.
JAKOB.
Ach Gott!
HERR VON WALLENFELD.
Champagner sollst du holen, Mensch! Ihr sollt trinken.
JAKOB.
Champagner mit Thränen? Ach!
HERR VON WALLENFELD.

Thränen sind Thorheit: weg damit! Er küßt ihn. Glück und Champagner! Da ist Geld – fort – hole Wein! – Rühre dich! Der Jammer hat ein Ende. Fort!

[210]
JAKOB
geht.
HERR VON WALLENFELD
ruft in's Kabinet.
Marie! – Weib! Marie – komm zu mir, komm!
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Frau von Wallenfeld. Karl. Herr von Wallenfeld.

HERR VON WALLENFELD.

Hast du gegessen, armes Weib? Er hebt Karl'n auf. An meinen Hals, Junge! Da ist Geld, Marie! Da, Karl, da hast du Geld! laß dir Spielzeug holen. Lustig, Marie – lustig! Ich muß gleich wieder fort; ich habe euch nur erst einmal wieder froh sehen wollen.

KARL.
Da, Mutter, nimm du das Geld; du hast keines.
HERR VON WALLENFELD.

Du sollst es behalten. Spiele damit, schenke es deinen Kameraden, laß dir Bilder holen – das Rad hat sich gedrehet. – Lauf hin, Junge, und sei fröhlich! Dein Vater ist lustig! Spring herum, Bursche, der Vater ist froh!

FRAU VON WALLENFELD.
Was ist das? Wie soll ich mir das erklären?
HERR VON WALLENFELD.

Glück, Wein und Liebe! Das Glück hat Geld gebracht, der Wein Verstand gegeben, Er umarmt sie. die Liebe kröne beides! Morgen gehen wir nach Aachen.

FRAU VON WALLENFELD.
Deine Lustigkeit ist wild, sie erschreckt mich.
HERR VON WALLENFELD.

Nichts davon! weg mit der Bedachtsamkeit! weg mit Wehmuth und Jammer! Wir werden reiche Leute. Der Wein hat mich klug gemacht, und gerecht gegen dich.

FRAU VON WALLENFELD.
Höre mich an. So lange du traurig warst – –
[211]
HERR VON WALLENFELD.
Keine Moral! Sie macht Bettler, und zaghafte Bettler. Ich bin reich, seit ich fröhlich bin. –
FRAU VON WALLENFELD.
Seit wann bist du fröhlich? Darfst du es sein?
HERR VON WALLENFELD.
Ob ich es darf? Seufzt. Marie! Er gibt ihr die Hand. Liebe Marie!Er sieht sie eine Weile an.
FRAU VON WALLENFELD.
Was hast du?
HERR VON WALLENFELD.

Das mußt du nicht fragen. Jetzt nicht. Heftig. Aber das kann ich dir sagen, die Menschen sind Raubthiere. Alle, alle! – An mir haben sie genagt, so gierig, so grausam – daß du beinahe darüber verhungert wärest. Gutmüthig. Hast du denn gegessen, arme Marie? Es kommt gleich alles – es kommt auch Wein. – Wie geht dir's, armes Weib?

FRAU VON WALLENFELD.
Du hast also wieder gespielt?
HERR VON WALLENFELD.

Ja, gespielt habe ich. Es war meine Pflicht. Ich muß wieder haben, was mein war. Ich und du und Karl. Er umfaßt sie. Deine Wangen müssen ihre Farbe wieder haben, Anmuth und Wohlleben müssen wieder Grübchen bilden, das Lächeln muß die tiefe Spur der Thränen ausgleichen. Er küßt sie heftig. Darum habe ich gespielt. Was hast du dagegen?

FRAU VON WALLENFELD.
Dein Gelübde.
HERR VON WALLENFELD.

Der Hunger hat es gebrochen und die Schande. Sieh mich nicht zweideutig an. Die ganze Welt ist ein heilloses Kartenspiel, wo die gewinnen, welche die Karten ausgeben. Bei uns geht es nur geschwinder als im gemeinen Leben, das ist der ganze Unterschied zwischen dem Spieler am Pharotische und dem Spieler am Schreibtische.

[212]
FRAU VON WALLENFELD.
Da ist alles verloren, da ist keine Hoffnung mehr! –
HERR VON WALLENFELD.
Weg mit der Hoffnung! da ist Geld!
FRAU VON WALLENFELD.
Habe es, ich bleibe arm, lasse dich, nehme mein Kind, und folge meinem Vater.
HERR VON WALLENFELD.

Ich verbiete dir das. Was ich bin, ward ich um deinetwillen. Dir muß mein Opfer zu gute kommen. Ich bin dein Herr. Du sollst gehorchen.

FRAU VON WALLENFELD.
Der Ehre und Mutterpflicht gehorche ich und verlasse dich.
HERR VON WALLENFELD.
Du darfst nicht von der Stelle.
FRAU VON WALLENFELD.
Mein armer Vater hatte nur zu sehr Recht, ein Spieler wie du hört nie auf. Ich unglückseliges Weib!
HERR VON WALLENFELD.

Hier ist Geld, und du sollst noch mehr haben – aber keine Thränen mehr! – Ich hasse die Thränen – wegkaufen will ich sie. Marie – erhebe dich zu meiner Stimmung – erhalte mich im Fluge – denn wenn ich jemals matt werde, so sind wir alle verloren.

FRAU VON WALLENFELD.
Woher dieses Geld?
HERR VON WALLENFELD.
Keine Frage! kein Nachdenken! immer fort! immer weiter! – Es lebe Posert und der Reichthum!
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Vorige. Sekretär Gabrecht. Hernach Jakob.

SEKRETÄR.
Mein Herr Baron –
HERR VON WALLENFELD.
Hinaus, falscher Spieler!
SEKRETÄR.
Wie?
HERR VON WALLENFELD.

Sieh, Marie, neben diesem bin ich ein [213] Engel. Das ist einer von den falschen Spielern am Schreibtische. Er geht ehrbar einher, er betet, und würde um die Welt keinen Groschen auf einen Pharotisch legen. Doch hat er mich um die Erbschaft gebracht. Still davon! Ja alter Mensch, du hast mir verdammt falsche Karten gegeben.

SEKRETÄR.
Ich verstehe nicht –
HERR VON WALLENFELD.
Es thut aber nichts, sollt Ihr wissen. Bald bin ich so reich wie Ihr. –
SEKRETÄR.
Das wäre wohl zu wünschen –
HERR VON WALLENFELD.

Nein, beim Teufel, das ist es nicht. Aber nöthig ist es – nöthig! Denn seht, hungern kann ich das Weib nicht lassen, verhungern kann mein armer Karl nicht. Hunger bricht alle Dämme, Hunger ist allmächtig! Das habt Ihr wohl gewußt, mein braver Vetter Fernau und Ihr. Zur Sache! Was wollt Ihr?

SEKRETÄR.
Eine menschenfreundliche Proposition thun; allein Sie lassen mich nicht zum Worte kommen.
HERR VON WALLENFELD.
So redet denn!
SEKRETÄR.

Der Herr Lieutenant Stern sind über mich aufgebracht, weil mein Sohn ihm vorgezogen ist und Hauptmann wird. –

HERR VON WALLENFELD.
So soll er Euch todtschlagen, oder Euren Sohn.
JAKOB
bringt Wein.
SEKRETÄR.
Ich habe Ihnen proponiren wollen – ob Sie nämlich –
HERR VON WALLENFELD.
Gib Acht, jetzt mischt er die Karte.
SEKRETÄR.
Da Sie doch nicht in guten Umständen sind –
HERR VON WALLENFELD.
Ihr lügt – Hier ist Geld.
[214]
SEKRETÄR.
Ob Sie zu Ihrem Besten, und für Frau und Kind –
HERR VON WALLENFELD.
Setze nicht auf diese Karte, Marie.
SEKRETÄR.
Ob Sie –
HERR VON WALLENFELD.
Schenk ein, Jakob!
SEKRETÄR.
Ob Sie von mir etwas an Geld annehmen wollten; dagegen aber –
HERR VON WALLENFELD.
Wein her!
JAKOB
bringt ihn.
SEKRETÄR.

Dagegen aber den Herrn Lieutenant disponiren, daß er Lieutenant bleibe, und meinen guten Sohn, ohne sich an ihm zu reiben, zum Hauptmann avanciren ließe?

HERR VON WALLENFELD.
Nein.
SEKRETÄR.
Ich wollte das Geld gleich zahlen.
HERR VON WALLENFELD.
Nein, sage ich! Wir spielen um Geld, aber nicht um Ehrenstellen. Wein her! –
SEKRETÄR.
Der Herr Lieutenant ist ein alter dürftiger Mann, dem mit der Hälfte von dem Gelde gedient wäre.
HERR VON WALLENFELD.

Wer für Ehre dient, will Ehre. Ehre könnt Ihr meinem Schwiegervater nicht geben; wollt Ihr sie ihm nehmen, so breche ich Euch den Hals.

SEKRETÄR.
Hm! mein gnädiger Herr, werden Sie nur nicht böse. – Sie treiben doch jetzt allerlei Hantirung.
HERR VON WALLENFELD.

Dank's Ihm und dem Onkel sein böser Geist! – Aber sage Er Seinem Sohne, wenn er sich meinem braven alten Schwiegervater vordrängen wollte – so würde ich ihn aus dem Wege werfen.

FRAU VON WALLENFELD.
Fritz!
SEKRETÄR.
Herr Baron – Sie nehmen sich ja des Herrn Schwiegervaters gewaltig an.
[215]
HERR VON WALLENFELD.

Sein Kind habe ich ihm geraubt, und alle Vaterfreuden! Er steht am Grabe, und greift nach dem Schattenbilde der Ehre – Dies soll ihm werden, und sollte ich einen Gang auf Leben und Tod gegen den Räuber wagen, der ihm vorgreifen will.

FRAU VON WALLENFELD.
Fritz – ich verzeihe dir alles! Sie umarmt ihn.
HERR VON WALLENFELD.
Laßt Euch am Wucher genügen, und plündert nicht im Gebiet der Ehre.
FRAU VON WALLENFELD.

Die Tochter weint Freudenthränen, der Schmerz der Gattin sei vergessen! Fritz, dein Herz ist doch gut. Nie will ich diesen Augenblick vergessen. Sie will ihn umarmen. Ich gelobe – dir –

HERR VON WALLENFELD
hält sie zurück.
Schwöre nichts – ich will dich nicht betrügen – fromme Seele.
SEKRETÄR.

Wenn der Herr Baron anders noch zu der Pharotafel gelangen sollten, wo eben der reiche Pfarrerssohn in Compagnie ausgeplündert ist –

HERR VON WALLENFELD.
Hinaus! Aus diesen Händen soll das arme Weib den Giftbecher nicht nehmen –
FRAU VON WALLENFELD.
Fritz, Fritz! Um Gottes willen, was ist das?
SEKRETÄR.

Ja, ja! Der Anwalt des jungen Menschen ruft wirklich die Polizei zu Hilfe; – und wenn des Herrn Onkels Excellenz noch barmherzig dazwischen treten sollen, daß das Skandal mit der Festung ein Ende hat –

HERR VON WALLENFELD.

Hinaus, barmherziger Mörder! Ich habe mein Weib und Kind nicht geschont, wer hält mich, daß ich deiner schone –

FRAU VON WALLENFELD
schließt ihn in ihre Arme.
[216]
HERR VON WALLENFELD
zu ihr.

Sei ruhig. In einer Stunde reisen wir, Posert und ich – da ist Sündengeld. – Leert die Taschen auf den Tisch aus. Nimm es – nimm es nicht – folge uns – oder geh voraus – oder thu' es nicht – ich kann dir nicht rathen, kann dich um nichts bitten. Ich darf es nicht.

FRAU VON WALLENFELD.
Ach gerechter Gott!
SEKRETÄR
geht ab.
HERR VON WALLENFELD.

Mit Fröhlichkeit habe ich dich hier wegschmeicheln wollen – ich habe dich betrügen wollen – es ist jetzt am Tage, du bist vielleicht dadurch gerettet. – Rathe dir nun selbst – ich darf es nicht – Aber mich laß fort; denn nun du alles weißt, kann ich deinen Blick nicht mehr ertragen. Will fort.

FRAU VON WALLENFELD
hält ihn auf.
Bleibe – höre mich. Gib das Geld zurück –
HERR VON WALLENFELD.
Nein.
FRAU VON WALLENFELD.
Laß mich es zurück geben.
HERR VON WALLENFELD.
Nein.
FRAU VON WALLENFELD.
Ich bin dein Weib, ich bin Mutter, höre meine Bitte! Fritz, dein guter Engel redet durch mich –
HERR VON WALLENFELD.
Er ist von mir getreten.
FRAU VON WALLENFELD.
Nein, nein, nein! Er faßt dich, er hält dich am Abgrunde, tritt zurück!
HERR VON WALLENFELD.
Und bettle?
FRAU VON WALLENFELD.

Erhalte dich bei der Tugend, erhalte deinen Sohn bei einem ehrlichen Namen. Sage, wohin soll ich das Geld tragen? Sprich! Der Augenblick ist fürchterlich. Rede! Wir wollen arm sein. – Ich bin ja reich genug, wenn ich dich als einen Tugendhaften umarme.

[217]
HERR VON WALLENFELD.
Es ist zu spät. – Mein Name ist unter den guten Menschen ausgestrichen.
FRAU VON WALLENFELD.

Hier nur; aber die Welt ist groß, das Vaterland der Armen ist überall, und mit reinem Gewissen bringen wir an jeden Ort ein Kapital. Wem gehört das Geld? wohin soll ich es tragen? O rede doch, rede! Ich vergehe vor Angst.

HERR VON WALLENFELD.

Ein entsetzlicher Augenblick hat das Los geworfen; ich habe mich selbst losgerissen von dir; fliehe mich, aber nimm das Geld.

FRAU VON WALLENFELD.
Wohin soll ich es tragen – wohin?
HERR VON WALLENFELD.

Ich habe dich retten wollen – und habe dich zu Grunde gerichtet – vergib mir, und laß dann das Schicksal seine Streiche vollenden. Er umarmt sie.

10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Vorige. Lieutenant Stern.

LIEUTENANT.
Weg da – Bösewicht!
HERR VON WALLENFELD
tritt zurück.
LIEUTENANT.

Wagst du es, dein Lasterherz an diese tugendhafte Brust zu drücken? Großes Unglück, Marie, fordert Entschlossenheit. Laß ihn und folge mir.

FRAU VON WALLENFELD.
Ich kann nicht –
LIEUTENANT.
Wie?
FRAU VON WALLENFELD.
Ich darf nicht.
LIEUTENANT.
Marie, du weißt nicht, wer er ist.
FRAU VON WALLENFELD.

Ich weiß es. Es tritt jetzt alles von ihm zurück; er ist nun ganz allein; er ist in die weite Welt hinaus geworfen, wo keine Stimme ihm mehr zuruft: wie kann ich ihn verlassen?

[218]
LIEUTENANT.
Du bist Mutter –
FRAU VON WALLENFELD.
Und Frau!
HERR VON WALLENFELD
erschüttert.
Marie, folge deinem Vater – Er ist gerecht, ich verdiene deine Liebe nicht.
FRAU VON WALLENFELD.

So nimm mein Mitleiden an. Ich will dich nicht mehr sehen, wenn es sein muß – Wenn Ihr ernstes Wort mein Gelübde zerreißt – und wenn du dich losreißen kannst – so will ich mich trennen; aber erst will ich dich retten! Vater, das ist Menschenpflicht –

LIEUTENANT.
Er achtet keine.
FRAU VON WALLENFELD.

Aber er Bedarf ihrer. Fritz, rette dich – Mit diesem erstatteten Gelde ist das Verbrechen von deiner Seele genommen: eine Narbe bleibt in der Erinnerung, und diese hüte dich, daß du nie wieder fallest.

HERR VON WALLENFELD.

Vater, muß ich mich von diesem Himmel ausschließen? Sie kennen den Menschen – entscheiden Sie – ich wage es nicht – kann ich Marien Besserung geloben?

LIEUTENANT.

Marie, wenn du ihm folgst, wenn du selbst deine Ehre zweideutig machst – was soll die Welt von dir und mir denken? Aus dir weint weichliche Liebe – aus meinen alten Augen drängen Ehre und Tugend heiße Tropfen herab – du hörst mich nicht? Nun, so baue denn dein Heil auf Spiegelgelübde, gib mir dein Kind, und laß mein Herz brechen über dem Verlust deiner Ehre!

HERR VON WALLENFELD.
Nein, Marie! Lebe wohl! Er geht; indem begegnet ihm Karl.
11. Auftritt
[219] Eilfter Auftritt.
Karl. Der Adjutant. Vorige.

KARL.
Da sind sie alle. Da ist der Vater –
HERR VON WALLENFELD
hebt ihn an sich.
Karl!
KARL.
Und der da, ist der Großvater.
HERR VON WALLENFELD
will gehen.
ADJUTANT.
Wohin wollen Sie, mein Herr?
HERR VON WALLENFELD.
Ich weiß es selbst nicht.
ADJUTANT.
Sie werden nicht fortgehen. Sie begleiten mich zum Herrn Kriegsminister.
HERR VON WALLENFELD.
Weshalb?
ADJUTANT.
Ordre! Ich verlasse Sie nicht mehr. – Und Sie sind der Herr Lieutenant Stern?
LIEUTENANT.
Ja.
ADJUTANT.
Geben Sie mir Ihren Degen.
LIEUTENANT.
Bin ich Arrestant?
ADJUTANT.
Ja.
LIEUTENANT.
Weshalb?
ADJUTANT
zuckt die Achseln.
HERR VON WALLENFELD.
Ah bei Gott, es ist der würdigste Mann, der den Degen des Monarchen trägt.
LIEUTENANT.
Ihre Ordre, mein Herr.
ADJUTANT.
Sie haben Zweifel? –
LIEUTENANT.
Ich suche Zweifel.
ADJUTANT.
Hier ist die Ordre. Zeigt sie.
LIEUTENANT
liest, gibt sie zurück, schlägt mit der Hand vor die Stirn, macht den Degen los.

Hier ist mein Degen. Will den Degen hinlegen, behält ihn aber noch. Zwar kostete es mir bei Minden einige tiefe Risse in die Haut, weil ich dich nicht hergeben [220] wollte; zwar wurde er mir noch niemals abgefordert – indeß – da ist er.

ADJUTANT
zum Herrn von Wallenfeld.
Gehen wir, Herr Baron!
HERR VON WALLENFELD.

Nur ein Wort noch zu diesen – Zur Frau von Wallenfeld. Vergiß mich! – sei Witwe; aber verachte mich nicht! Er führt Karl zu ihr. Bleib bei deiner Mutter. Gott mit euch allen! – Kommen Sie, Herr Adjutant.


Sie gehen.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Frau von Wallenfeld. Lieutenant Karl.

KARL.
Wo geht denn der Vater hin?
FRAU VON WALLENFELD.
Vater! lieber Vater! –Sie wirft sich an seine Brust.
LIEUTENANT
zu ihr.

Keinen Mann! Keine Ehre! –Er faßt an seine Seite. Und ich keinen Degen! Zurückgestoßen von Staat und Menschheit, was bin ich denn noch? Er sieht das Kind an. Großvater! ja, diese Charge hat die Natur gegeben, und kein Reglement darf sie antasten. Komm, Karl, Er zieht ihn zu sich. wir wollen mit einander spielen.

KARL.
Lieber Großvater, ich möchte gern mit deinem Degen spielen, nun hast du ihn aber weggegeben.
LIEUTENANT.

Ach, Marie! Das ist schmerzhaft!Heftig. Keinen Degen mehr! Eine Schaufel will ich nehmen, und den Boden umgraben, zur Nahrung für dich und dein Kind. Das ist eine nützliche, gesegnete Armatur.

KARL.
Sei nicht böse, lieber Großvater.
LIEUTENANT.

Junge, lerne das Feld graben, Korn bauen, [221] erwirb dir Brot, ein Dach und Frieden hier, hier! Auf das Herz deutend. Der übrige Tand, um den die Menschen sich balgen, ist nicht werth, daß du deine Hand darnach ausstreckst.

5. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Adjutant schreibt. Sekretär Gabrecht tritt ein.

SEKRETÄR.

Habe ich die Ehre in Ihnen den Herrn Adjutanten Sr. Excellenz des Herrn Generals gehorsamst zu begrüßen?

ADJUTANT.
Ich bin Adjutant bei dem Herrn General.
SEKRETÄR.

Se. Excellenz, mein gnädiger Herr, der Herr Geheimerath Baron von Wallenfeld, schicken mich an des Herrn Generals Excellenz –

ADJUTANT.
Sie können jetzt nicht vorkommen. Der Herr General ist dringend beschäftigt –
SEKRETÄR.
Das wissen wir wohl. Mit unserm Neveu?
ADJUTANT.
Ja.
SEKRETÄR.

Ach Gott! Das Unglück! Mein armer Herr ist ganz von sich. Eben deswegen bin ich geschickt, daß doch der verehrungswürdige Herr General die Sache zu beschleunigen gnädigst geruhen möchten.

ADJUTANT.
Der Herr General untersucht die Sache genau. Er ist freilich sehr aufgebracht.
SEKRETÄR.

Nicht wahr? So eine himmelschreiende Bosheit von einem so jungen Herrn! Und ist von so einem scharmanten [222] Hause! Eben da meinen mein gnädiger Herr, der Herr General möchten sich nur nicht etwa von ihm erweichen lassen, indem er gar ein böses Mundwerk hat, nicht viel untersuchen, da ja ohnehin leider alles Schlechte von ihm nur zu gewiß ist, sondern den gott- und ehrvergessenen Spieler ohne weiters bei Nacht und Nebel gebetener Maßen auf eine Festung packen lassen. Er wollte zu den Spesen des Unterhalts das Seine betragen. Möchten Sie dies nicht gefälligst dem Herrn General berichten?

2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Vorige. Kammerdiener.

KAMMERDIENER.
Lieutenant von Baum ist mit dem Herrn von Posert unten.
ADJUTANT.
Soll sich nur in's kleine Speisezimmer begeben, und dort warten, bis der Herr General befiehlt.
KAMMERDIENER.
Sehr wohl.
ADJUTANT.

Der Herr Lieutenant möchte ihm aber nicht von der Seite gehen. – Doch – ich werde das selbst besorgen. Geht ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Sekretär. Kammerdiener.

SEKRETÄR.
Ist der Posert auch herbei geholt? Nun – da wird es was absetzen.
KAMMERDIENER.
Kann sein.
SEKRETÄR.

Der Herr General sind streng; da wird sicher ein Exemplum statuirt. Hat der Bösewicht, unser Baron, schon eine Wache vor der Thür?

[223]
KAMMERDIENER.
Noch nicht; der Stabsauditor ist bei ihm.
SEKRETÄR.
So wird er doch seinen Mann kriegen, da er nicht etwa echappiren kann.
KAMMERDIENER.
Wenn's der General befiehlt.
SEKRETÄR.
Ist noch nichts penetrirt, was der Herr General so wohl finaliter mit ihm anfangen wird?
KAMMERDIENER.
Der General ist sehr zornig.
SEKRETÄR.
Ah – das wäre also doch gewiß?
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Vorige. General. Adjutant und Rektor Berger.

GENERAL.

Sagen Sie Ihrem Herrn, mit dem Souper und Ball könnte es von Seiten der Comtesse und meiner für heute nichts werden. Ich müßte bitten es auszusetzen.

SEKRETÄR.
Ach Gott! das wird ein Leidwesen verursachen.
GENERAL.

Ich ersuche den Herrn Geheimenrath zu mir zu kommen. Ich mag in der schändlichen Sache nicht ohne ihn verfahren.

SEKRETÄR.
O! was das anlangt, belieben sich des Herrn Generals Excellenz gar nicht zu geniren.
GENERAL.
Ich erwarte also den Herrn Geheimenrath.
SEKRETÄR.

Dürfte ich fragen – wie es mit meinem Sohne, dem Hauptmann, steht – da der Herr Lieutenant Stern sich meldet?

GENERAL.
Er bleibt Hauptmann, Ihr Sohn.
SEKRETÄR.
Gott segne Ihro Excellenz zeitlich und ewig!
GENERAL.
Ihr Diener.
SEKRETÄR
empfiehlt sich.
GENERAL.
Ich danke Ihnen für das Zutrauen, mein Herr Rektor, womit Sie sich an mich gewendet haben.
[224]
REKTOR.
Geruhen Dieselben zu erwägen, daß er in das Lasterleben erst heut, und aus Noth eingetreten ist. –
GENERAL.

Pfui! keine Vertheidigung! Auch will ich als Kavalier und Gouverneur nur bewirken, daß er der öffentlichen Polizei entgehe, aber wahrlich nicht seiner Strafe. Falsch spielen! – Die Galle läuft mir über –

REKTOR.
Der Advokat meint, der bösartige Posert hätte die Karten bezeichnet.
GENERAL.

Genug! Gehen Sie zu dem Advokaten, sein Sie so gut, geben Sie ihm dies Papier. Ich stehe dafür, daß sein geplündeter Klient die Summe wieder bekommt. Er soll bis auf weiters sich ruhig verhalten.

REKTOR.

Herr General, der Baron hat doch meinen Sohn gerettet, soll denn ich ihn in's Verderben gestürzt haben?

GENERAL.
Für jetzt gehen Sie zu dem Advokaten, dann kommen Sie zu mir wieder her.
REKTOR.

Ach Gott! So habe ich ihn dann zwischenScyllam und Charybdin geführt? Nun ich will den Gang thun, aber gleich wieder da sein, und bitten und flehen. Geht ab.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
General. Adjutant.

GENERAL
geht auf und ab.
Verdammte Geschichte! Was macht er denn, der heillose Mensch, der Wallenfeld?
ADJUTANT.
Er ist in sich gekehrt und finster. Den Unteroffizier habe ich vor der Thür gelassen.
GENERAL.
Gut. Heult der Bursche etwa?
[225]
ADJUTANT.
Nein.
GENERAL.

Bestellen Sie, daß in zwei Stunden eine Kutsche und vier Dragoner an der hintern Thorfahrt bereit sind.

ADJUTANT.
Sehr wohl.
GENERAL.
Man hat doch dem Posert bedeutet, daß er seine Kasse mit herbringt?
ADJUTANT.
Ja.
GENERAL.
Jetzt will ich den Lieutenant Stern haben. Ich will mit ihm allein sein.
ADJUTANT
geht ab.
GENERAL
nimmt Papiere aus der Tasche und liest.

»Schanze erobert – Rückzug gedeckt – Liest still weiter. Sich in diesem gefährlichen Paß acht Stunden ohne Soutien gegen den überlegenen Feind gehalten, und dadurch alles für den glücklichen Erfolg des entscheidenden Tages vorgearbeitet, selbst dabei vier Blessuren erhalten« – Hm! Und doch noch Lieutenant? Das ist stark.

6. Auftritt
Sechster Auftritt.
General. Lieutenant Stern.

LIEUTENANT.
Ihro Excellenz haben mich herbescheiden lassen – ich erwarte Ihre Befehle.
GENERAL.
Sie sind ein unruhiger, heftiger Mann, Herr Lieutenant.
LIEUTENANT.
Hat man Ihro Excellenz meine Papiere überreicht?
GENERAL.
Hier sind sie.
LIEUTENANT.
So hoffe ich, daß ihr Inhalt Dero Frage eines Theils beantwortet.
[226]
GENERAL.

Diese Papiere, denen ich vollen Glauben zu geben mehr als Eine Ursache habe, besagen, daß Sie brav gedient haben – und sehr brav.

LIEUTENANT
verbeugt sich.
GENERAL.
Sie müssen oft übergangen worden sein.
LIEUTENANT.
Ja, sehr oft.
GENERAL.
Wie ist das zugegangen?
LIEUTENANT.
Man hat meiner nicht geachtet.
GENERAL.
Das war ungerecht.
LIEUTENANT.
Dafür habe ich es gehalten.
GENERAL.
Warum haben Sie sich nicht gemeldet?
LIEUTENANT.
Das habe ich niemals gewollt.
GENERAL.
Warum nicht? Das ist Eigensinn, und den liebe ich nicht. Eigensinn entstellt das Verdienst.
LIEUTENANT.

Ein eigner Sinn ist darum nicht Eigensinn, und mag wohl von Jahren und Ehrgefühl unzertrennlich sein.

GENERAL.
Der Kriegsminister bleibt bei dem besten Willen doch nur ein Mensch.
LIEUTENANT.
Wenn er Mensch bleibt, so gewinnt die Armee.
GENERAL.
Ein Mensch kann aber vergessen. Wer ein Ganzes zu versorgen hat, übersieht manchmal den Einzelnen.
LIEUTENANT.
Manchmal! Das hat nichts auf sich. Nur wenn es oft geschieht, ist es ein merklicher Fehler.
GENERAL.
Sie sind oft vergessen?
LIEUTENANT.
Bei allen Gelegenheiten.
GENERAL.

Das ist abscheulich! Das verunglimpft den Monarchen und den Dienst. Lebhaft. Ich sage es noch einmal, Sie hätten sich melden sollen.

LIEUTENANT
mit edler Wärme.

Ihro Excellenz, wenn bei [227] den Obern solche Dienste vergessen werden können, als ich das Glück hatte, dem Vaterlande zu leisten, so ist es unter der Würde dessen, der geleistet und gelitten hat, sich anzupreisen. Dann gibt das Selbstgefühl uns den Charakter, welchen der Staat verweigert. Man wetteifert hernach, vor den Augen des Kriegsministers eben so unerschüttert dazustehen, wie vor den Batterien der Feinde.

GENERAL.
Das ist stolz gesprochen.
LIEUTENANT.

Zu entbehren wissen, ist die Eigenschaft, die den Krieger macht: hat man es darin weit gebracht, so artet diese Tugend leicht in Stolz aus.

GENERAL.

Sie haben durch Ihr Schweigen Ungerechtigkeit erlitten, und haben mich Ungerechtigkeit begehen lassen.

LIEUTENANT
zuckt die Achseln.
GENERAL.

Nun, da Sie alt sind, da Sie Ehre und Vortheil die kürzeste Zeit noch zu genießen haben, nun melden Sie sich! nun werden Sie heftig!

LIEUTENANT.

Das Alter macht wankend in den Grundsätzen, die Gefühle werden nagender, die Schwäche bricht aus in Heftigkeit. Dann Kleine Pause. bin ich auch Vater! –

GENERAL
geht ein paar Schritte, tritt dann zu ihm, und sagt mit Gutmüthigkeit.
Sie sind kein glücklicher Vater, Herr Major.
LIEUTENANT.
Ihro Excellenz – ich bin Lieutenant.
GENERAL.
Ach – das schickt sich jetzt nicht mehr! Nun, Sie sind kein glücklicher Vater, – Herr Major.
MAJOR STERN
betroffen.
Ihro Excellenz. –
GENERAL.

Im Vorbeigehen, ich werde mich selbst bei dem Monarchen wegen meiner Vergeßlichkeit anklagen. Vielleicht habe ich sonst hie und da etwas nicht vergessen, deshalb [228] er mir sie verzeiht. Mein Unrecht gegen Sie in etwas wieder gut zu machen, wird er gewiß meinen Vorschlag genehmigen, der Sie wegen Ihrer Erfahrung, Ihrer Geradheit, Ihrer Festigkeit, und wegen Ihrer geleisteten Dienste zum Major bei unserm Kadettenhause bestimmt. Der Monarch ist gerecht und gut.

MAJOR STERN.

Gott erhalte ihn, das ist er! Ich habe seinen guten Namen nicht nur auf seinem Degen getragen, sondern auch im Herzen. Daher habe ich niemals viel gesorgt, was mir dieses Gute einbringt. Auch jetzt noch fühle ich mich reich genug als Soldat; aber als Vater bin ich arm.

GENERAL.
Ich weiß es.
MAJOR STERN.

Als Vater bin ich heftig geworden, und bin als Mensch gegen eine Ungerechtigkeit – verzeihen Sie mir es – zu Felde gegangen, die ich, alt, verstoßen und unglücklich, nun endlich nicht mehr ertragen dürfte, wie ich glaube.

GENERAL.
Sie haben den Geheimenrath gefordert –
MAJOR STERN.
Weil er Ihro Excellenz eine Ungerechtigkeit abgelistet hat.
GENERAL.

Deswegen habe ich Ihnen, so bald ich einen Blick in Ihre Papiere gethan hatte, Arrest gegeben. Ich habe nicht gewollt, daß eine Heftigkeit Ihre gute Sache verderben sollte.

MAJOR STERN.
Das ist menschlich – wie ich Sie überhaupt finde, und sehr davon gerührt bin. –
GENERAL.
Mein Gott! bin ich denn anders bekannt?
MAJOR STERN.
Nein, wahrhaftig nicht!
GENERAL.
Nun so frage ich noch einmal, warum haben Sie sich nicht längst bei mir gemeldet?
[229]
MAJOR STERN.
Aus zwei Ursachen.
GENERAL.
Ich wünsche sie zu wissen.
MAJOR STERN.
Ihro Excellenz befehlen das?
GENERAL.
Ich verlange es.
MAJOR STERN.
Mein Schwiegersohn war ehedem bestimmt, Ihro Excellenz Niece zu heirathen –
GENERAL.

Und weil er Ihre Tochter genommen hat, fürchteten Sie, ich möchte üble Laune gegen Sie haben. Hm! Sie kennen mich nicht.

MAJOR STERN.
Ja, Ihro Excellenz, ich habe Sie früher gekannt, vor langer Zeit schon –
GENERAL.
Sie? mich? Wo? Wann?
MAJOR STERN.

Ich hatte das Vergnügen, Ihnen damals einen Dienst zu leisten, und mehr das, als jene Heirath, ist die eigentliche Ursache, weshalb ich mich nie bei Ihnen gemeldet habe. Ich habe nicht wegen der Erinnerung der früheren Kameradschaft befördert sein wollen, sondern wegen des Verdienstes, und in der Reihe.

GENERAL.
Wo, wann haben wir uns gekannt?
MAJOR STERN.

Vor vierzig Jahren. Ihro Excellenz kamen als Volontär in Dienste. Ich war kurz zuvor von Jena in Dienste gekommen, und wurde eben als Unteroffizier angestellt. Es war vor Prag, wo Sie Abends in Ihr Zelt rannten, außer sich nach Pistolen griffen, um den Proprietär Ihres Regiments, von dem Sie beleidigt waren –

GENERAL.

Wie? Sieht ihn an. Stern? Stern? Indem es ihm schnell einfällt. Ach, mein Gott! Unteroffizier Stern! – Ja – ich weiß – ich sehe es noch – Sie schossen meine Pistolen in den Boden, umklammerten mich, – hielten mich, bis ich, von konvulsivischem Zorn erschöpft, ohnmächtig in [230] Ihren Arm niedersank! Ohne Sie hätte ich den Proprietär erschossen, wäre nach den Kriegsrechten – – Und der Mann geht mir aus dem Wege?

MAJOR STERN.
Dem Zufall wollte ich nichts verdanken.
GENERAL.

Stern – Stern! Herr Major! – Mann! wo wäre ich ohne Sie? – Kamerad – Mensch – Bruder – Freund! komm an mein Herz, und laß dir danken. Er umarmt ihn.

MAJOR STERN.
Ihro Excellenz –
GENERAL.

Weg mit dem Titel, wo eine kostbare Menschenhandlung das Verhältniß unter zwei Herzen bestimmt hat! die Handlung und der Mensch war nie vergessen; nur den Namen hat leider die Zeit ausgelöscht. Stern! als Mensch dem Menschen will ich Ihnen vergelten, nicht als General. Nein, Ihr feines Ehrgefühl soll befriedigt werden; die Menschen sollen an Ihnen und mir nichts aussetzen können. – Ihre Tochter ist unglücklich, nicht wahr, Herr Major? –

MAJOR STERN.
Da ist nicht mehr zu helfen –
GENERAL.

Es kann sein, ich fürchte es fast. Aber dann muß man thätig zu trösten suchen. – Wir wollen aber sehen! Adieu für jetzt! Gehen Sie nicht aus meinem Hause. Unruhig. Vielleicht – vielleicht auch nicht – – wir wollen sehen! Gibt ihm die Hand mit brüderlicher Herzlichkeit. Gehen Sie zu meinem Adjutanten. Lassen Sie mich machen. Wir sehen uns wieder.

MAJOR STERN
der sie herzlich schüttelt.
Alles Gott und dem Freunde befohlen! Geht ab.
GENERAL
geht heftig auf und ab.

Wie ist das zu machen? Er steht still. Noth kann man heben – aber Ehre – die [231] kann man nicht wiedergeben – und ohne diese ist dem Ehrenmann nicht geholfen. Er geht nachdenkend umher.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Voriger. Adjutant.

ADJUTANT.
Es ist alles nach Ihro Excellenz Befehl besorgt.
GENERAL.

Gut! recht gut! Aber das paßt nicht mehr, ist alles nichts. Keine Kutsche, keine Dragoner. Bestellen Sie alles ab. Eine ganz andre Lage, ganz andrer Zweck, ganz andre Mittel.

ADJUTANT.
Kann ich dazu meine Dienste anbieten?
GENERAL.

O ja! Gehen Sie zu der Frau von – – Nein, das ist nichts. Lassen Sie mich nachdenken.Er hält die Hand an die Stirne. Ich finde nichts. Die Sache steht schlimm. Der Mensch ist zu tief gesunken. Ich fürchte er taugt gar nichts. Doch sei es gewagt! – Ein glücklicher oder unglücklicher Augenblick entscheidet oft in solchen Dingen. Sagen Sie dem verruchten Posert – Nein! – ich muß ihn selbst sprechen. Ich muß mir das erst recht deutlich aus einander setzen. Nicht wahr, mein Freund, Sie wissen nicht, was Sie aus mir machen sollen?

ADJUTANT.
Ich sehe Sie in einer außerordentlichen Bewegung –
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Vorige. Kammerdiener.

KAMMERDIENER.
Geheimerath von Wallenfeld, und Baron von Fernau. –
[232]
GENERAL.
Nur herein.
KAMMERDIENER
gebt ab.
GENERAL.

Empfangen Sie die Herren statt meiner. – Ich habe nur als Kavalier handeln wollen; damit ist nichts abgethan. Als Vater muß ich handeln; das ist ein schwer Stück Arbeit, und ich will mich gleich dazu anschicken. Geht ab.

ADJUTANT.
Ich begreife ihn nicht. Es muß etwas Sonderbares vorgegangen sein.
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Adjutant. Geheimerath. Hofrath.

ADJUTANT.
Der Herr General werden gleich hier bei Ihnen sein.
GEHEIMERATH.
Sehr wohl. Vernimmt er etwa den Scelerat?
HOFRATH.
Es ist sehr großmüthig, daß Se. Excellenz die böse Sache von der Polizei weg an sich gezogen haben.
GEHEIMERATH.
Ja wohl.
HOFRATH.
Sehr schonend für meinen gnädigen Onkel.
GEHEIMERATH.
Ja. Es ist freilich zwar doch nun schon alles derangirt.
ADJUTANT.
Allerdings muß es dem Herrn Geheimenrath sehr schmerzlich sein –
GEHEIMERATH.
O, denken Sie nur selbst! – Da ist das Souper abgesagt, der Ball – alles.
HOFRATH.
Es wird Aufsehen machen. Wann wird er denn fortgebracht?
GEHEIMERATH.
Und wohin, Herr Adjutant?
ADJUTANT.
Davon weiß ich nichts.
HOFRATH.
Je eher man so etwas in Vergessenheit bringt, je besser ist es für die Familie.
[233]
GEHEIMERATH.
Oui. Nur weit weg!
HOFRATH
zum Adjutanten.
Den Unterhalt auf der Festung wollen der Herr Geheimerath die Gnade haben, gänzlich zu übernehmen.
GEHEIMERATH.
Zum Gedächtniß seines Vaters, meines lieben seligen Bruders.
HOFRATH.
Der ein ganz anderer Mann war.
GEHEIMERATH.
O Gott! – von der nobelsten Conduite!
HOFRATH.
Ein Christ!
GEHEIMERATH.

Ein aufrichtiges Gemüth! – Wollten Sie nicht unbeschwert dem Herrn General sagen, oder sagen lassen, daß ich sehr um Beschleinigung der Sache bitte?

ADJUTANT.
Sehr gern. Geht ab.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Geheimerath. Hofrath.

GEHEIMERATH.
Einen Stuhl, Vetter!
HOFRATH
bringt ihm einen Stuhl.
Gnädiger Herr Onkel –
GEHEIMERATH
setzt sich.
Ah mon Dieu!
HOFRATH.
Wie ist Ihnen?
GEHEIMERATH.
Was macht mich das schlechte Sujet heute so viel reden! –
HOFRATH.
Ja wohl!
GEHEIMERATH.
Kann's vor Gott nicht verantworten, der Traitre.
HOFRATH.
Was wird die Welt sagen?
GEHEIMERATH.
Wird ihn detestiren – Ach! man kommt nicht zu sich. – Nun – der Gabrecht bleibt Hauptmann?
HOFRATH.
Ja wohl! Das war vorher zu sehen, daß der General Sie nicht kompromittiren würde.
[234]
GEHEIMERATH.
Freilich! – Hä! hä! hat ihm Arrest gegeben, dem alten Rumormacher.
HOFRATH.
Er hat sich auch insolent betragen.
GEHEIMERATH.
Wird nun wohl merken, wer ich bin. Hä hä!
HOFRATH.
Meine Verlobung müßte man aber doch nun gleich betreiben. Man könnte morgen –
GEHEIMERATH.
Nein, morgen nehme ich Medicin.
HOFRATH.
Uebermorgen? –
GEHEIMERATH.
Ist Sonntag. Das sieht so gemein aus.
HOFRATH.
Montag? –
GEHEIMERATH.
Oui. Montag kann es sein.
11. Auftritt
Eilfter Auftritt.
Vorige. General.

GENERAL.
Verzeihung, meine Herren.
GEHEIMERATH.
Bitte unterthänigst –
HOFRATH.
Ihro Excellenz Gnade rettet den Namen der Familie.
GENERAL.
Das wollen wir erst sehen.
GEHEIMERATH.
Auf was für eine Festung kommt er?
GENERAL.
Wollen Sie ihn auf eine Festung haben? Im Ernst?
GEHEIMERATH.
Freilich.
HOFRATH.
Denn so ein Mensch bessert sich nie.
GENERAL.
Das ist streng abgesprochen.
GEHEIMERATH.
Ich zahle den Unterhalt, des Tages einen Gulden.
GENERAL.
Habe ich dafür Ihr Wort?
GEHEIMERATH.
Ad dies vitae.
[235]
GENERAL.

Nun! – wollen sehen, was zu thun ist. Haben Sie die Güte, zu meiner Nichte zu gehen; sie erwartet Sie. Wir machen hernach noch eine Partie zusammen.

GEHEIMERATH.
Scharmant! Der Hauptspieler, der – Posert heißt er –
GENERAL.

Ist ein durchtriebener Schurke! Er ist weder Offizier, noch Baron. Ich habe genaue Auskunft über ihn; er kann es nicht läugnen.

GEHEIMERATH.
Sollte Karren schieben – – der –
GENERAL.
Wir wollen sehen wie es schicklich sein wird.
HOFRATH.
Kommen Sie, gnädiger Herr Onkel.
GEHEIMERATH.
A revoir. Müssen sich mit dem Taugenichts nicht viel mehr abgeben. Sie gehen. Meritirt es nicht.
GENERAL
schellt.
KAMMERDIENER
kommt.
GENERAL.
Der Herr Adjutant!
KAMMERDIENER
geht.
GENERAL.

Das sind zwei kalte herzlose Menschen! – Es ist doch seines Bruders Sohn! – Der böse Feind hat mich geplagt, meine Nichte an die Schätze solcher Menschen zu verschleudern!

12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
General. Adjutant. Hernach der Kammerdiener.

GENERAL.
Sein Sie so gut, den Posert herein zu schicken, und bleiben hernach im Vorzimmer.
ADJUTANT.
Sehr wohl! Geht.
KAMMERDIENER.

Der junge Herr von Wallenfeld läßt Ihro Excellenz ersuchen, ihm die Gnade eines Gehörs zu verstatten.

[236]
GENERAL.
Ich würde ihn schon rufen lassen, wenn ich ihn haben wollte. Er geht auf und ab.
KAMMERDIENER
geht ab.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt.
General. Herr von Posert. Adjutant, der gleich zurückgeht.

HERR VON POSERT
sehr verlegen.
Ihro Excellenz haben – befohlen, daß ich – daß ich mich unterthänigst produzire.
GENERAL
sieht ihn eine Weile an.
Sie sind ein Herr von Posert?
HERR VON POSERT
hustet.
Vormals Hauptmann in genuesischen Diensten – unterthänigst aufzuwarten.
GENERAL.
So sagt der Thorzettel.
HERR VON POSERT.
Sollten Hochdieselben Zweifel haben, so kann ich –
GENERAL.
Sie halten Bank?
HERR VON POSERT.
Aus – aus – Ich bin erst seit –
GENERAL
ernst.
Halten Sie Pharobank oder nicht?
HERR VON POSERT.
Ja.
GENERAL.
Der junge Baron von Wallenfeld ist Ihr Valet – Croupier – Knecht – wie nennen Sie es?
HERR VON POSERT.
Das heißt – ich habe ihn aus Mitleid – aus – aber es ist erst heute gestehen –
GENERAL.
Ist er Ihr Croupier?
HERR VON POSERT.
Ja, weil ich das Unglück habe, nur mit Einem Auge zu sehen, so –
GENERAL.
Es ist wahr, Sie haben nur Ein Auge.
HERR VON POSERT
hustet, und bejaht es mit Achselzucken.
GENERAL.
Wo geschah der Verlust?
[237]
HERR VON POSERT.
Zu Spaa – Ein malitiöser Mensch hat sich unterstanden –
GENERAL.
In Spaa? So?
HERR VON POSERT.
Sollte man Hochdenenselben aus malhonneter Verleumdung von mir etwas eingeredet haben? –
GENERAL.
Wollen Sie mir eine Gefälligkeit erzeigen?
HERR VON POSERT.

Ach Gott, bestimmen Ihro Excellenz alles, was ich thun soll. Für Sie wollte ich gleich hier mein Blut fließen lassen, daß es – daß es gleichsam – Hustet. O Gott! –

GENERAL.

Ich habe eine kleine Gesellschaft bei mir, lauter gute Freunde – sein Sie so gut – und halten für uns jetzt eine Bank in meinem Saale.

HERR VON POSERT.
Ach Gott! Diese Ehre ist an sich sehr groß, sehr groß. Aber – ich weiß doch nicht recht – ob ich –
GENERAL
ernsthaft.
Wie? ob Sie?
HERR VON POSERT.
Ob ich mein bischen Armuth vor so einem Herrn auslegen darf.
GENERAL.
Der Tisch ist bereit. Ihre Kasse haben Sie bei sich –
HERR VON POSERT.

Auf Dero Befehl – Trocknet sich die Stirne. Aber, wie gesagt – ich weiß nicht – wie ich – mich dazu anschicken soll –

GENERAL
laut.
Herr Adjutant!
ADJUTANT
tritt ein.
Ihro Excellenz –
HERR VON POSERT
ängstlich.
Mein Herr General! – Ach Gott! ich bin ja zu allem so bereit als willig. –
GENERAL
sehr kalt zu Herrn von Posert.
Hoffe das auch. Zum Adjutanten. Der junge von Wallenfeld –
ADJUTANT
geht.
[238]
HERR VON POSERT.
Ist der auch hier vorhanden?
GENERAL.

Er gehört ja zu der Bank. Er wird hier Ihre Geschäfte machen – wie vorhin auf dem englischen Kaffeehause.

HERR VON POSERT.
Bei so einer Compagnie ist das nicht nöthig.
GENERAL.
Ei ja doch.
HERR VON POSERT.

Bei so einer – – einer – überaus excellenten Compagnie – ganz unnöthig. Ueberhaupt, wenn mir eine gehorsamste Einwendung erlaubt ist –

GENERAL.
Nein! ins Teufels Namen! nein!
HERR VON POSERT.
Ich bequeme mich, Ihro Excellenz.
14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt.
Vorige. Baron von Wallenfeld. Adjutant, der zurückgeht.

HERR VON WALLENFELD
schlägt die Augen nieder.
Ihro Excellenz –
GENERAL.
Wie lange haben wir beide uns nicht gesprochen?
HERR VON WALLENFELD
leise.
Es sind – jetzt – sechs Jahre.
GENERAL.
Wie?
HERR VON WALLENFELD.
Seit sechs Jahren.
GENERAL.
Hm! Er fixirt ihn. Sie haben sich verändert.
HERR VON WALLENFELD.
Damals war ich –
GENERAL
rasch und laut.
Das ist der Herr von Posert, den Sie kennen.
HERR VON WALLENFELD
bejaht es mit einer Verbeugung.
GENERAL.

Sie werden so gut sein, vermöge Ihrer Verbindung mit dem Herrn, Ihr Emploi in seinem Dienste bei [239] der Bank zu machen, die er gleich für uns in meinem Saal halten wird.

HERR VON WALLENFELD
verzweifelnd.
Herr General!
HERR VON POSERT.
Ja denken Sie nur, Herr Baron, so wollen es Se. Excellenz.
GENERAL.

Was auf dem englischen öffentlichen Kaffeehause Ihnen nicht unschicklich dünkte, ist auch wohl schicklich in meinem Zimmer.

HERR VON POSERT.
Ach liebster Gott! – Ja, ja! – Nur –
GENERAL.
Also – bereiten Sie Ihren Tisch, wir kommen Ihnen nach. Auf Wiedersehen, meine Herren.
HERR VON WALLENFELD.
Ich bitte, daß ich zwei Worte allein mit dem Herrn General reden dürfe.
GENERAL.
Voran gegangen, Herr Hauptmann von Posert! – Herr Adjutant!
ADJUTANT
tritt ein.
GENERAL.
Lieutenant von Baum zeigt dem Herrn Hauptmann den Saal, und bleibt ihm zur Gesellschaft.
HERR VON POSERT.

Ihro Excellenz! Hochdieselben sind als ein zu gnädiger Herr – als ein wahrer Menschenfreund bekannt –

GENERAL.
Deshalb habe ich Sie holen lassen, mein Herr! Voran, Herr Hauptmann, voran!
HERR VON POSERT
trocknet sich die Stirne, hustet, und geht mit dem Adjutanten.
15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt.
Herr von Wallenfeld. General. Adjutant. Zuletzt der Kammerdiener.

GENERAL.
Kurz, mein Herr; denn ich bin nicht bei der besten Laune; kurz!
[240]
HERR VON WALLENFELD.
Herr General, ich bin verloren.
GENERAL.
Kann sein.
HERR VON WALLENFELD
heftig.
Ich bin ein Mensch.
GENERAL.
Das hoffe ich.
HERR VON WALLENFELD.
Der eine Entehrung nicht überleben will! bei Gott, nicht!
GENERAL.
Tragen Sie Pistolen bei sich?
HERR VON WALLENFELD.

Nein. Wem aber das Leben eine Last ist, dem zerschlägt die nächste Mauer das Gehirn, wenn ihm andere Mittel fehlen!

GENERAL.
Sie haben doch Weib und Sohn!
HERR VON WALLENFELD.
Wer so unglücklich war, daß er das schändlich vergessen konnte, der häufe nicht Schande auf Schande!
GENERAL.
Sie werden jetzt Ihren Dienst haben; gehen Sie.
HERR VON WALLENFELD.
Nein, Herr General, nein!
GENERAL.
Wollen Sie – daß statt meiner die Polizei mit Ihnen rede?
HERR VON WALLENFELD
nach einigem Kampfe.
Sie mag mich härter strafen, wenn sie nur schnell straft!
GENERAL.
Haben Sie studirt?
HERR VON WALLENFELD.
Nein.
GENERAL.
In welcher Wissenschaft haben Sie es weit gebracht?
HERR VON WALLENFELD.
Ich – Er zuckt die Achseln. Ich – war leider bestimmt, meines Onkels einziger Erbe zu werden.
GENERAL.
Und jetzt sind Sie –
HERR VON WALLENFELD.

Vater und – Deckt das Gesicht. – Herr General, Sie sind ein Mensch, ein edler Mensch, die Welt ehrt Sie; so – sein Sie es auch gegen mich. Sein Sie strenge; [241] nur bringen Sie mich aus dem Gesicht der Menge. Gleichviel wohin – nur dahin, wo ich vergessen werde.

GENERAL
ernst.
Das wird sich finden – Jetzt gehen Sie an die Bank. Herr Adjutant!
ADJUTANT
tritt ein.
HERR VON WALLENFELD
verzweiflungsvoll.
Herr General!
GENERAL
streng.
Gehorsam! – Zum Adjutanten. Sie begleiten den Herrn von Wallenfeld in den Saal.
HERR VON WALLENFELD.
In den Tod! Geht mit dem Adjutanten.
GENERAL
schellt.
KAMMERDIENER
tritt ein.
GENERAL.

Sage Er meiner Nichte in's Ohr, sie soll sich bei dem Geheimenrath entschuldigen, und nicht in den Saal herunter kommen. Dann sage Er dem Geheimenrath und Baron Fernau, daß ich sie hier erwarte.

KAMMERDIENER
geht ab.
16. Auftritt
Sechzehnter Auftritt.
General. Rektor.

REKTOR.

Ihro Excellenz, ich war bei dem Advokaten. Das ist besorgt. Aber was wird nun hier mit dem jungen Baron? Die Angst um ihn läßt mir keine Ruhe.

GENERAL.
Bleiben Sie unten. Fragen Sie nach meinem Sekretär, ich bedarf Ihrer hernach noch.
REKTOR.
Ich habe es mit dem jungen Herrn so gut gemeint, ich bin so ehrlich hergekommen –
GENERAL.
Das lohne Ihnen der Himmel!
REKTOR.
Nun ist er doch noch hier in Verhaft. Sollte ich ihn denn in sein Elend geliefert haben?
[242]
GENERAL.
Wenn er es verdient – ja.
REKTOR.
Er hat doch meinen Sohn gerettet. – Ich bin in einer wahren Seelenangst.
GEHEIMERATH
kommt.
GENERAL.
Gehen Sie zu meinem Sekretär. Auf Wiedersehen!
REKTOR
geht ab.
17. Auftritt
Siebzehnter Auftritt.
General. Geheimerath. Hofrath.

GEHEIMERATH.
Die liebe Comtesse ist indisponirt? Ich bedaure von Herzen –
GENERAL.

Machen wir dennoch unsere Partie. Ich habe viel Last mit Ihrem Neveu. Dagegen wollen wir uns, wenn Gott will, einen guten Abend machen.

GEHEIMERATH.
Ich bin weiter nicht mehr alterirt.
HOFRATH.
Der Mensch ist zu schlecht. Ist er fort?
GENERAL.
Versprechen Sie mir, unsere Spielpartie zu halten, wie ich sie rangire?
GEHEIMERATH.
Mit Vergnügen.
GENERAL.
Geben Sie mir Kavalier-Parole darauf – daß Sie das Spiel so eingehen, wie ich es rangire?
GEHEIMERATH.
Kavalier-Parole.
GENERAL.
Nun so wollen wir sehen, wie wir den Abend zubringen.
HOFRATH.
Zu gnädig.
GENERAL.
Bei Gott nicht! Nicht zu gnädig. Es wäre auch nicht wohl angebracht. Gehen wir –

Er geht mit dem Geheimenrath. Der Hofrath folgt nach.
18. Auftritt
[243] Achtzehnter Auftritt.
Die Bühne verwandelt sich in einen großen Saal mit Lustern und Spieltischen, hinten steht ein Pharotisch mit Wachslichtern. Herr von Posert rangirt seine Kasse und die Karten. Herr von Wallenfeld steht daneben und schlägt die Arme ein, ohne auf alles, was vorgeht, Acht zu haben. Neben ihm der Adjutant. Lieutenant von Baum steht neben Posert. Es sind zwei Bediente im Zimmer.

ADJUTANT.
Ist die Einrichtung so nach Ihrem Wunsch, Herr von Posert?
HERR VON POSERT.
Ach, Gott ja! Mir ist alles recht.
ADJUTANT.
Verlangen Sie die Tische anders rangirt?
HERR VON POSERT
trocknet sich die Stirne.
Etwas mehr vor. – Es ist da Zug; es ist so nahe an der Thür.
LIEUTENANT
deutet den Bedienten, die Tische vorzutragen.
BEDIENTE
tragen Tische und Stühle vor.
HERR VON POSERT
indeß das geschieht.
Ein recht schöner Saal!
ADJUTANT.
Er ist nach gutem Geschmack gebaut.
HERR VON POSERT
hustet.
Nobel! Sehr gut! Spielen Se. Exellenz oft Pharo, Herr von Wallenfeld?
HERR VON WALLENFELD
geht vor.
Ich weiß es nicht.
ADJUTANT.
Niemals.
HERR VON POSERT.
Was Sie sagen! und eben heute wollen sie –
ADJUTANT.
Heute scheint es ihm sehr interessant.
HERR VON POSERT.
Kurios! Er trocknet sich das Gesicht. Zum Bedienten. Ein Glas Wasser, mein Freund!
ADJUTANT.
Louis! Limonade für den Herrn –
HERR VON POSERT.

Bitte um Wasser. Zum Adjutanten. Sagen Sie mir doch, Er trocknet sich die Stirne. ist – ist – hm – [244] ja – das habe ich vorhin schon fragen wollen, sind der Herr General vermählt?

ADJUTANT.
Er ist deutscher Herr.
HERR VON POSERT
in Gedanken.
Deutscher Herr? – Hm! Nach einer Pause. Mit wem sind sie vermählt?
ADJUTANT.
Er ist deutscher Herr, sagte ich –-
HERR VON POSERT.
Ja so – deutscher Herr! So, so! hm, so!
ADJUTANT.
Sie sind zerstreut, mein Herr –
HERR VON POSERT.
Etwas, etwas. Er trocknet.
HERR VON WALLENFELD
zum Adjutanten, den er schnell bei Seite nimmt.

Sie sind jung, Ihr Auge verräth Gefühl, Ihre ganze Bildung ein menschliches Herz: lassen Sie mich fort.

ADJUTANT.
Ich fühle mit Ihnen – aber Sie kennen die Pflichten meines Standes.
HERR VON WALLENFELD.

Ja, ich kenne sie: Ehre ist Ihre Seele. Bei Ihrem Gefühle und Ihrem Stande beschwöre ich Sie, schicken Sie mir eine geladene Pistole.

ADJUTANT.
Was denken Sie?
HERR VON WALLENFELD.

Tod! nichts als Tod! Um Gottes willen eine geladene Pistole! Diese langsame Marter ertrage ich nicht.

HERR VON POSERT
der indeß mit dem Lieutenant, dem er ein Spiel zu zeigen schien, am Pharotische war, zum Bedienten.
Noch ein Glas, lieber Mann! Nun, Herr Baron, setzen wir uns –
HERR VON WALLENFELD.
Thun Sie, was Sie wollen.
HERR VON POSERT.
Die vornehme Gesellschaft wird wohl bald eintreten? Meinen Sie nicht?
ADJUTANT.
Ich höre sie die Gallerie her kommen.
HERR VON WALLENFELD.
O Gott!
BEDIENTER
bringt Herrn von Posert Wasser.
[245]
HERR VON POSERT
Trinkt.
Kostbares Wasser!Hustet. Kostbar! So wahr ich lebe, wie Hustet. wie Kristall!
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt.
Vorige. General mit dem Geheimenrath und Hofrath.

GEHEIMERATH
sieht den Pharotisch.
Comment? – da ist ja – der Mensch –
GENERAL.
Gleichviel! es ist meine Gesellschaft! Zudem – ich habe Ihr Ehrenwort –
GEHEIMERATH
zum Hofrath.
Machen wir gleich eine Partie Piquet. Geht nach einem Seitentische.
GENERAL
faßt ihn bei der Hand.

Ich habe Sie zum Pharo engagirt, Herr Geheimerath! Zu den Herren von Posert und Wallenfeld. Nun, meine Herren!

HERR VON POSERT
setzt sich.

Ihro Excellenz haben es huldreichst so befohlen – Zum Herrn von Wallenfeld. also muß man – Folge leisten.

HERR VON WALLENFELD
hat krampfhaft an den Tisch gefaßt, ohne um das übrige sich zu bekümmern, eingewurzelt, darauf niedergesehen, und sagt dumpf.
Fangen Sie an.
GENERAL
setzt sich an den Tisch und nimmt Karten.
HOFRATH
steht über ihm an seiner Seite und thut dasselbe.
HERR VON POSERT
zum Geheimenrath, der mit seiner Tabatiere unwillig spielt.
Belieben Ihro Gnaden?
GENERAL
gibt dem Geheimenrath Karten.
Allons donc! – Nun, mein Herr von Posert –
HERR VON POSERT
zieht ab.
So eben.
ALLE
haben Karten besetzt.
HERR VON POSERT.
Sept et valet –
[246]
GEHEIMERATH
hat verloren, wirft sein Geld in die Bank, und setzt eine neue Karte.
HERR VON POSERT.
Roi et dix –
HERR VON POSERT.
Hui et cinq.
GEHEIMERATH.
Dix a gagné! Macht sein Spiel.
HERR VON WALLENFELD
hat sein geballtes Tuch am Munde.
HERR VON POSERT.
Neuf et dame.
GENERAL
verliert und zahlt in die Bank, setzt dann wieder.
HERR VON POSERT.
Sept et as.
GEHEIMERATH.
Sept a gagné!
HERR VON POSERT
zahlt aus.
Neuf louis?
GEHEIMERATH.
Oui.
GENERAL
winkt dem Adjutanten.
ADJUTANT
geht hinaus.
HERR VON POSERT.
Quatre et roi.
HERR VON POSERT.
Six et quatre.
GENERAL
verliert, setzt wieder.
HERR VON POSERT.
Dame et valet. Er zahlt den Hofrath aus.
20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt.
Vorige. Adjutant. Major Stern. Frau von Wallenfeld und Karl.
Sie treten ohne Geräusch ein.

HERR VON POSERT.
Six et cinq.
GENERAL.

Nur näher! Zu den Herren von Posert und von Wallenfeld. Je mehr Spieler, je besser für die Bank. Zu den Kommenden, der Frau von Wallenfeld, dem Major Stern und seinem kleinen Enkel. Nur zu uns her!

HERR VON WALLENFELD
steht auf und ruft unwillkürlich.
Marie!
[247]
GENERAL.
Platz genommen, Frau Baronin.
ADJUTANT
holt ihr einen Stuhl, setzt ihn neben den General, aber nicht an den Tisch.
GEHEIMERATH
halb laut, zum General.
Ich habe sie ja nicht anerkannt!
GENERAL.

Aber ich. Und – Kavalier-Parole, Herr Geheimerath! – Ausgehalten, Herr von Fernau! Zu Herrn von Posert. Weiter, mein Herr! Zu Herrn von Wallenfeld. Die Gesellschaft wird größer; geben Sie Acht, Herr Croupier.

HERR VON WALLENFELD.
Ihro Excellenz, ich beschwöre Sie –
GENERAL.

Was gehen die Bank ihre Gäste an? Was geht den Bankier die Welt an? Die Bank ist seine Seele und Ehre und Seligkeit – weiter also; nicht wahr, Herr von Posert?

HERR VON POSERT.
Wenn – wenn – Hustet.
GENERAL
zur Frau von Wallenfeld.

Da, meine gnädige Frau, setzen Sie sich zu mir her. Es gilt Ihr letztes Glück! – Herr Major – nehmen Sie eine Karte – Und du Kleiner, probire dein Heil. Komm her, zu mir her.

FRAU VON WALLENFELD
führt ihn zum General, setzt sich und bedeckt das Gesicht mit dem Tuche.
GENERAL.
Hast du Geld, Kleiner?
KARL.
Der Vater hat mir welches geschenkt.
GENERAL.

Nun, wir wollen sehen, was dein Vater für dich thun kann. Gib mir alle dein Geld. Er nimmt eine Karte. Setze das Geld hieher – hier, auf diese Karte. Er führt ihm die Hand, und setzt seinen Thaler, den das Kind in der Hand hat, auf die Karte. Die Karte gehört deinem Vater.

KARL.
Willst du mein Geld wieder haben, Vater?
HERR VON WALLENFELD.
Herr General!
[248]
GENERAL.

Es sind mehr Thaler da auf dem Tische, die dein gehört haben, guter Junge! Heftig zu Herrn von Posert. Fortgefahren!

HERR VON POSERT
ernsthaft.
Deux et trois.
GENERAL.

Gewonnen! Bravo, Herr von Posert! Gewonnen, lieber Kleiner! – Nun es gilt! Du soll einmal jetzt dein Glück und Heil poussiren. Er biegt ein Paroli in Karl's Karte.

HERR VON POSERT.
Huit et dame! Er zahlt den Geheimenrath aus, der nicht wieder setzt.
HERR VON POSERT.
Trois et sept.
GENERAL.
Verloren, armer Knabe!
KARL.
Nimmst du mir mein Geld wieder weg, Vater?
HERR VON WALLENFELD
stößt einen Ausruf des tiefsten Jammers aus.
GENERAL.

Du hast nichts mehr? Armer Spieler! – Mache es wie dein Vater. Hat der kein Geld mehr, so setzt er sich selbst, und Weib und Kind, Ehre und Leben. Er hebt das Kind auf den Tisch. Der Vater ist schon verloren, ich setze den Sohn! Abgezogen! – es gilt eine Seele – wer wird gewinnen?

HERR VON WALLENFELD
springt hin, reißt das Kind in seine Arme.
Karl! Barmherzigkeit, Herr General! – Das geht über Menschenkräfte; – ich halte es nicht aus.
HERR VON POSERT
steht auf.
GENERAL
tritt vom Tische weg, der Geheimerath und Fernau auch.

Weib – Mutter – Vater – die Rinde um sein Herz ist gesprengt – tretet zu ihm. Laß sehen, was er thun will, euch wieder zu gewinnen und sich selbst.

HERR VON WALLENFELD
setzt das Kind nieder.

Wo soll ich hin? Wer [249] rettet mich vor mir selbst? vor dem Gefühl, das mich zermalmt! diesem gräßlichen Gefühl!

FRAU VON WALLENFELD
geht zu ihm.

Dies Gefühl ist die Tugend, die niemals ganz von dir gewichen war. In dieser Angst, in diesen Thränen behauptet sie ihre Gewalt. Diese Zernichtung deines ganzen Wesens ist dein Fürsprecher bei mir, bei der Welt, bei dir selbst. Davon hoffe ich Rückkehr. Dies Gefühl rufe ich jetzt auf, schenke deinem Sohne einen Vater wieder.

HERR VON WALLENFELD.

Ich bin ja Fluch für dich und ihn! Was kann euch durch mich werden, als Schande und Mangel? Laßt mich fort! Laßt mich gehen! Tretet zurück! Nur Eine Genugthuung kann ich euch geben – meinen Tod. Laßt mich von hier weg, um Gottes willen, laßt mich fort.

MAJOR STERN
faßt ihn auf.
Lebe in Handlungen; dann gibst du Genugthuung.
FRAU VON WALLENFELD.
Ich nehme dich wie du jetzt bist, und baue alles auf diesen Augenblick.
HERR VON WALLENFELD.
Marie! – Vater! – Karl! – Können Sie von mir noch hoffen? Kannst du mir vergeben? Nein, nein!
GENERAL
stark.
Es ist genug! – Frau von Wallenfeld – Hoffnung und Vergebung!
FRAU VON WALLENFELD
die ihn in ihre Arme schließt.
Beides in der Umarmung deines Weibes, das dich ja nie verlassen hat.
GENERAL.

Herr von Posert – dies Band ist geschlossen. Das Band mit Ihnen zerreiße ich im Namen der Ehre und der Tugend.

HERR VON POSERT.
Ihro Excellenz –
GENERAL.

Die deutschen Herren waren vor Alters verbunden, gegen Räuber zu kämpfen. Nun dann – Kampf [250] gegen dich, Räuber, vom deutschen Manne! – Herr Adjutant! hier sind die Papiere gegen ihn. Nun fort mit ihm! Wie ich befohlen habe, stark und kurz!

HERR VON POSERT.
Ihro, Ihro –
GENERAL.
Fort!
ADJUTANT UND HERR VON POSERT
gehen ab.
GEHEIMERATH.
Ich muß sagen – Was wollt' ich doch sagen?
MAJOR STERN.
Ihro Excellenz handeln bei Gott sehr edelmüthig!
GENERAL.

Erschüttert ist Ihr Schwiegersohn: das hat die Gewalt der Natur bewirkt. – Aber er ist arm, durch Thorheit und Unglück arm. Was ist nun zu thun? Er muß leben. Wovon soll er leben? – Wer gibt ihm zu leben? – – Keine Antwort? Junger Mensch, dein stärkster Schuldner ist insolvent geworden, du dauerst mich.

HERR VON WALLENFELD.
Mir ist Niemand schuldig –
GENERAL.

Dein Onkel ist dein Schuldner; durch Reichthum hat er dich verwahrloset: darf er dich also wohl in Verzweiflung verschmachten lassen?

GEHEIMERATH.
Verwahrlost? Ich habe ihm alle Maitres gehalten, eine Edukation gegeben –
GENERAL.

Hätten Sie ihm statt der ritterlichen Erziehung eine menschliche gegeben, so brauchte er jetzt weder Sie noch mich. Zum Hofrath. Und Sie, warum haben Sie Gläubiger und Polizei hinter ihm gehetzt? Das muß vor der Verlobung mit meiner Nichte erst klar werden; sonst fällt sie weg.

HOFRATH.
Ich? Ich sollte etwas –
21. Auftritt
[251] Einundzwanzigster Auftritt.
Vorige. Adjutant.

ADJUTANT.
Er gesteht, daß er nicht Herr von Posert ist, sondern ein Galanteriekrämer aus Ulm, und heißt Mosel.
GENERAL.

Er soll dem Pfarrerssohne sein Geld restituiren, dann wird ihm sein Kram nachgeschickt. In zwei Stunden muß er aus dem Thore sein, sonst lasse ich ihn auf das Thor setzen.

ADJUTANT
geht.
GEHEIMERATH
geht.
Gute Nacht, Ihro Excellenz.
HOFRATH
folgt.
GENERAL.

Ein ehrlicher Schulmann hat ihn gerettet; Zu Herrn von Wallenfeld. und Er? hat dessen Sohn gerettet. Es ist also noch Fond bei ihm da, und ich will in Gottes Namen darauf bauen mit Vorsorge und – mit Geld, da die Andern nicht wollen.

HERR VON WALLENFELD.

Mensch – Held – Vater – mein Engel! Er stürzt zu seinen Füßen. Karl, hieher! Er zieht das Kind zu sich. Umfasse seine Knie mit deinen Händen – dieser Dank einer schuldlosen Seele, einer erretteten Nachkommenschaft, sei die Belohnung des Menschenfreundes!

GENERAL
der sich abwandte, eine Thräne unbemerkt zu trocknen.

Nicht so! Er hebt ihn auf. Auf recht, aufrecht, junger Mensch! Ich habe ein kleines Gut, dreißig Meilen von hier, zwischen Bergen, Klippen und Waldströmen; es trägt mäßigen Vortheil, wenn es emsig behandelt wird; aber man kann davon leben; das soll dem Knaben gehören. Dort lerne arbeiten, dort bessere dich. Thust du es nicht, weint Schwiegervater [252] und Frau ferner um dich, so wirst du geschieden, und kommst Zeit Lebens auf die Festung. Mein Ehrenwort darauf!

HERR VON WALLENFELD.
Mein Wohlthäter!
FRAU VON WALLENFELD.
Mein Erretter!

Sie küssen seine Hand.
GENERAL.

Zu eurem Vater geht, ihm saget Dank! Von allem, was euch jetzt geschieht, hat er schon vor vierzig Jahren den baren Werth als Vorschuß gegeben.

HERR VON WALLENFELD UND FRAU VON WALLENFELD
umarmen den Major.
Vater!
MAJOR STERN
gerührt und mit lauter Freude.
Mann! – Kinder! – O Gott! –
GENERAL.

Bist du zufrieden, Kamerad? – Nun dann – Er eilt in seinen Arm, und sagt mit lautem Entzücken. Revanche Prague!

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TextGrid Repository (2012). Iffland, August Wilhelm. Dramen. Der Spieler. Der Spieler. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-89B4-F