August Wilhelm Iffland
Figaro in Deutschland
Ein Lustspiel in fünf Aufzügen

[124]

[Motto]

Sans haïr les autres nations, on peut aimer et respecter la sienne.

Chev. de Florian.

[124]

Vorbericht

Vorbericht.

Ein Mann, dessen Einsichten und Wünsche ich ehre, fordert mich auf, ein Lustspiel dieser Gattung zu schreiben. – Ich fühle mich nicht dazu. Man macht mir Muth. Ich fange an; man scheint nicht unzufrieden; die Aufforderungen werden wiederholt – so entstand dies Stück.

»Warum ich Figaro wähle?«

Weil wir ihm erlauben würden, überall zu Hause zu sein, wenn er unter uns erscheinen sollte.

»Figaro ist aber anderwärts lustiger!«

Ist es etwa überhaupt anderwärts lustiger, oder lachen wir williger über unsere Nachbarn? –

Uebrigens widerrathe ich das Stück den Direktoren, weil es lang ist. Das Publikum einer gesellschaftlichen Bühne ist nachsichtiger; darum, und da es auch ohne Theaterverwandlungen gegeben werden kann, empfehle ich es diesen.


Manheim, den 1. Februar 1790.


A.W. Iffland.

Charakteristik

[125] Charakteristik.

Graf Hyazinth. Sechsundsechzig Jahre alt. Einst ein guter Tänzer und auf gewisse Weise galant. Davon sieht man die Reste in der Art seines Benehmens. Keinen Verstand, aber guten Ton; doch ist dieser etwas verjährt, also förmlich. Verlegen jemand anzureden, Feind von Erklärungen, Gewohnheitsmensch. Kennt von Deutschland nichts, als die Genealogien ebenbürtiger Häuser. Liebt Kabinetchen, Schränkchen, und überhaupt Quinquallerien. Nicht ohne gutes Herz, Schwärmer aus Kränklichkeit und langer Weile.

Graf Christoph. Im achtundfünfzigsten Jahre. In den ersten Dienstjahren, wahrscheinlich durch schlechte Gesellschaft, ruinirt. Hat den Militärton beibehalten, weil er ihn für regentenmäßig hält. Ist in feiner Welt genirt. Schnitzt Stöcke mit Vogelköpfen, geht auf den Birschgang. Nicht ohne natürlichen Verstand, läßt sich aber aus Gemächlichkeit leiten. Seine Reden poltert er heraus.

Graf Baptist. Fünfundfünfzig Jahre. Durchaus mißtrauisch, kalt, hinterhältig, höchst förmlich, fast einfältig. Liebt nichts. Zeitungen, Staatskalender und Chroniken liest er gern. Er ist platt hochmüthig.

Baronesse. Siebenundvierzig Jahre alt. Ton de l'ancienne cour. Spricht schnell, mit viel Minauderien und kleinen Pantomimen. Affektirt kurzen Odem und Nervenschwäche. Sie ist schmutzig geizig, herrschsüchtig, rachgierig, lebt und webt in Intrigue. Haßt Deutschland hämisch. Glaubt sich überall bemerkt und bekannt. Ohne alles Herz und Gefühl. Nicht ohne List.

[126] Leopoldine. Ein gutes Kind. Etwas empfindelnd. Achtzehn Jahre alt.

Graf Bardenrode. Achtundzwanzig Jahre. Ein edler, sanfter, gutmüthiger Mann. Hochherzig für Vaterland und Menschheit. Im Besitz feinen Welttons und leichten Anstandes.

Rath Greif. Vierzig Jahre. Ein gewandter Dieb, wenn er der Intrigue in seinem Gleise begegnen kann; paßt aber nicht leicht in andere Form. Hochmuth, Eifersucht auf Herrengunst, blinde Geldgierde. Spricht schnell, und hat Lackeiendemuth bei der Baronesse, Ministerton bei den Grafen.

Inspektor Willner. Sechsundvierzig Jahre. Biedersinn und Offenheit. Verlegen bei den Vornehmen.

Figaro. Vierunddreißig Jahre. Ueberall zu Hause.

Haushofmeister Stock. Sechzig Jahre. Deutlich, langsam, aufpassend und aufschnappend. Das Parket gewohnt. Pflegt sich umzusehen, ob jemand zuhöre. Umständlich und leer.

Friedrich. Achtundvierzig Jahre vorbei. Ein gesetzter Hausbedienter.

Ludwig. Achtundzwanzig Jahre. Aus der Stadt hieher verschlagen, nett, listig und galant.

Jakob. Zwanzig Jahre. Nicht lange erst vom Lande genommen, steif, doch munter und gutmüthig.

Die Grafen müssen im Spiel nicht überladen werden. Sie wissen's nicht anders, und thun in vollem Ernst, was sie thun. Eben so die Baronesse.

[127] Vorschläge zum Kostüme.

Graf Hyazinth. Seidener Frack, von hoher Farbe, mit leichter Stickerei, etwas weit und hängend. Schwere Weste, schwarze Beinkleider, weiße Strümpfe, moderne Schnallen. Orden und Stern, reichliche Spitzenmanschetten, Ministerialfrisur. Chapeaubas.

Graf Christoph. Kavallerieuniform. Stiefel, Stiefelmanschetten, wenig Haar, langer Zopf. Hut und Stock.

Graf Baptist. Ganzes Kleid, schwer gestickt. Kleine goldene Schnallen. Haarbeutelperücke. Chapeaubas und Degen.

Baronesse. Weiße Chemise, weißer Morgenmantel, mit vielen gelben Spitzen. Ein nicht weißes Tuch, hoch unter das Kinn gepufft. Spazirstock von Schilfrohr mit Porzellanknopf, halbe Frisur, oder auch ganze, ungepudert. Vom dritten Akte an grande parure.

Leopoldine. Leichtes Modekleid.

Graf Bardenrode. Frack von Drap naturel, modernes Gillet, runder Hut und Stock. Im dritten Akte seidenes Kleid ohne Stickerei, reiche Weste, Chapeaubas und Degen.

Rath Greif. Ordinärer Tuchrock, genähte Weste. Kleine ängstliche Frisur. Im dritten Akte bordirtes Kleid von schlechtem Geschmack.

Inspektor Willner. Braunes Kleid, schwarze Weste und Beinkleid. Bescheidene runde Locke von eigenem Haar.

Figaro. Schwarzer Frack mit Stahlknöpfen. Elegantes Gillet, blaue Beinkleider, Haarbeutel. Im dritten Akte das spanische Figarokleid, doch das Haar mit Chignon, ohne Netz.

[128] Haushofmeister Stock. Grauer Rock, hellrothe Tuchweste mit Gold. Haarbeutelperücke. Rauhlederne Schuhe, kleine Schnallen, gefaltete Manschetten. Schwarze Soubise.

Friedrich. Die Frisur altmodig, lange Manschetten, Mittelschnallen.

Ludwig. Vom ersten Ton, in Schnallen, Wäsche und Frisur.

Jakob. Genau nach Herrn Stock's Schloßreglement.

Laufer. Grauer kleiner Zopf, feste Buckeln, Steifrock.

Der alte Bauer. Rock und Hut.

Die Bauern. Aermlich, doch nicht bettelhaft.

Dekoration und Ameublement.

Ein großer Saal mit Mittelthüre und zwei Seitenthüren. Im alt-prächtigen Geschmack, etwa eine Gallerie der Ahnen. Ueber der Thüre das gräfliche Wapen.

Stühle, Kanapee und Tisch mit Tressen und Franzen besetzt, die Gestelle reich vergoldet.

Von den Angaben der Kostüme und der Dekoration gilt, daß alles nach Möglichkeit der Bühnen gemacht werde. Ich habe nur meine Idee sagen wollen. Uebrigens bin ich überzeugt, keine Gesellschaft werde es an Nettigkeit und gutem Ton mangeln lassen.

[129]

Personen

Personen.

    • Hyazinth,
    • Christoph,
    • Baptist, Grafen zu Boga.

    • Baronesse Salome von Brandenroth, geborne Gräfin zu Boga.

    • Fräulein Leopoldine, ihre Tochter.

    • Graf Bardenrode, nächster Agnat der Grafen zu Boga.

    • Rath Greif, Justiziarius der bogaischen Herrschaften.

    • Inspektor Willner, ehemaliger Lehrer des Fräuleins.

    • Figaro, Kabinets-Kourier des Grafen Almaviva, bei einem Gesandtschaftsposten in Deutschland.

    • Friedrich, Bedienter beim Grafen Hyazinth.

    • Ludwig, Bedienter beim Grafen Baptist.

    • Jakob, Bedienter beim Grafen Christoph.

    • Haushofmeister Stock.

    • Bediente.

    • Laufer.

    • Bauern.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Friedrich. Ludwig.

FRIEDRICH
schläft in einem Lehnstuhl.

Auf einem Gueridon brennt ein Nachtlicht.
LUDWIG
kommt herein, rnit Verwunderung.
Schöne Wirthschaft! – schläft am hellen Tage! Er tritt hinter den Sessel und schüttelt ihn. Du! He!
FRIEDRICH
im Schlafe.
Hochgräfliche Gnaden! – Excellenz –
LUDWIG
halb singend.
Ihr Kinder steht auf, und ziehet euch an –
FRIEDRICH
grämlich.
Ach so! – Gähnt. Bist du es! O –
LUDWIG.
Die Glocke schlägt sieben, Euch wecket der Hahn.
FRIEDRICH
dehnt sich.
Man hat auch nimmer Ruhe.
LUDWIG.
Was? – Sieben Uhr – heller Tag!
FRIEDRICH.
Haben wir nicht wieder bis zwei Uhr in der Nacht gepaßt?
LUDWIG.
Gepaßt? – Hm! – Was habt ihr denn gesehen?
FRIEDRICH.
Ich nichts! Aber mein Herr genug!
LUDWIG
lacht.
Wieder Geister?
[131]
FRIEDRICH.
Wieder – schwarze und graue.
LUDWIG.
Wie kann er sie gesehen haben, da du sie nicht gesehen hast?
FRIEDRICH.

Eben darin besteht die Vornehmheit, daß sie sehen, wo wir nichts sehen. So was sagte er mir, da ich das Ding für einen Schein von einer Lampe hielt.

LUDWIG.
Schein von einer Lampe? – So ein Herr wird doch nicht einen Schein –
FRIEDRICH
wichtig.

Ja ja! – Es sollen ihrer manche dem Scheine nachlaufen. – Eine Viertelstunde hat er sich mit dem Geist herum gebalgt.

LUDWIG.
Und du hast deinem Herrn nicht geholfen?
FRIEDRICH
ernsthaft.
Bewahre! – Der Geist ist aus der Familie, und ich bin nur –
LUDWIG.
Ei, wo Noth an Mann geht –
FRIEDRICH.
Gehört alles zur Familie? – Freilich! – – Aber er schrie mir zu, dieser wäre der rechte noch nicht.
LUDWIG.
Welcher ist denn der rechte?
FRIEDRICH
feierlich.
Der ihm sagt, wo er den Familienschatz heben kann.
LUDWIG.
Aha! Ihr seid also Narren aus –
FRIEDRICH.

Aus Noth! – Wir suchen bei den hochseligen Verwandten, da die lebendigen nichts mehr hergeben wollen.

LUDWIG.
Das heißt: man wird ein trauriger Narr, weil man vorher ein allzu lustiger war.
FRIEDRICH.

Oder, wie neulich Herr Willner sagte: »Die plötzliche – besonders tiefsinnige Weisheit vornehmer Leute kommt gewöhnlich von einer Noth des Leibes oder der Seele her.«

2. Auftritt
[132] Zweiter Auftritt.
Vorige. Jakob.

JAKOB.
Eure Herren noch nicht auf?
LUDWIG.

Meiner? – Hm! da kennst du Excellenz Graf Baptistel nicht! Der sitzt seit fünf Uhr, angezogen, mit dem Hut unterm Arm, und liest.

FRIEDRICH
bedächtig.

Und liest? – Kurios! – Der liest nun die lieben Jahre lang in einem weg, und wird doch nicht – – so, – wie will ich sagen? – Er deutet auf die Stirne. anders!

LUDWIG.
Wird doch auch nicht schlimmer – und das ist immer etwas.
JAKOB.

Viel, ihr Herren! – Leiser. Ich wollte, ich könnte das von meinem Herrn sagen. – Der Herr Graf Christoph sind aber nun auch desperat pfiffig. – Was Sie nicht mit Feinheit zwingen –

LUDWIG.
Zwingen Sie mit Fluchen und Lärmen.
JAKOB.

Sie sehen aus, und gehen einher, hä hä hä, wie das Bild vom hochseligen Prinz Eugenius im großen Eßsaal. Wenn Sie aber von den großen Schlachten erzählen –

FRIEDRICH.
Dann wollte ich, daß man nur so manchmal antworten dürfte.
JAKOB
sehr ernst.
Ha! dann hätte die Tapferkeit ein Ende.
FRIEDRICH.
Jetzt seh' ich erst – Warum seid Ihr in der Galla-Livree?
JAKOB.
Die Frau Baronesse sprach ja von einem Fremden aus – hm – aus –
[133]
LUDWIG.
Aus Frankreich! – Ei, Sie haben ihm die rothsammtne Staats-Karosse mit Sechsen entgegen geschickt.
FRIEDRICH.

Was? Ist die alte Karosse wieder auf die Beine gebracht? Victoria! Wenn die durch den Ort rumpelt – so gibt's einmal endlich wieder ein volles Mittagsessen für uns. Geht ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Jakob. Ludwig.

JAKOB.
Hör'! – Unser künftiger Herr –
LUDWIG.
Graf Bardenrode?
JAKOB.
Kommt heute an.
LUDWIG
springt auf.
Juchhe!
JAKOB.
St! – Still! – Ich fürcht', ich fürchte –
LUDWIG.
Was?
JAKOB.
Wir kriegen ihn nie zum Herrn.
LUDWIG.
Sind unsre Grafen nicht ledig, und alt, wie der Wein im großen Fasse?
JAKOB.
Aber doch ledig.
LUDWIG.

Und bleiben's bis an ihr Ende. Der älteste Graf – ist d'rüber weg; der mittelste hat nie gewollt; und Graf Baptist – will eine Herzogin oder keine. Bardenrode ist der nächste Erbe, mit unsrer jungen Baronesse versprochen –

JAKOB.

Gewesen! – Die gnädige Mama will ihr Wort nicht halten. – – Es ist so was im Werke mit einem von unsern alten Herren – Ich merke so was. Was sagt denn dein Herr?

LUDWIG.
Graf Baptist? – Der wünscht das Fräulein mit dem jungen Herrn verheirathet.
[134]
JAKOB
erstaunt.
Hat er das gesagt?
LUDWIG.
Gesagt nicht; denn er sagt nichts. Aber, als ich neulich mit ihm davon sprach –
JAKOB
gespannt.
Was sagte er denn? –
LUDWIG.
Er hackte die silbernen Spangen vom Tournierbuche wieder ein, und sagte ganz freundlich: »Nu, nu!«
JAKOB.
Weiter nichts?
LUDWIG.
Das ist schon viel!
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Fräulein Leopoldine im Negligee. Vorige.

LEOPOLDINE.
Guten Morgen, Ludwig! – Ist der Graf Bardenrode angekommen?
JAKOB.
So viel man vom Schlosse sehen kann – nein!
LEOPOLDINE.
War der Rath Greif schon bei Seinem Herrn?
JAKOB.
Noch nicht.
LUDWIG.
Nein! – Er war aber ganz früh schon bei der gnädigen Frau Baronesse.
LEOPOLDINE.

Jakob, bring' Er den Brief an meinen alten Lehrer Willner. Aber zu eignen Händen – hört Er – zu eig'nen Händen! Geht ab.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Ludwig. Jakob.

LUDWIG.
So ein liebes Fräulein!
JAKOB.
Und so eine bitterböse gnädige Mama.
LUDWIG.
St! – Kommt sie?
JAKOB.
Ich höre nichts.
[135]
LUDWIG.
Doch! – hörst du? – Das war ihr Morgenhusten! – Das Nachtlicht aus! fix!
JAKOB.
Hat Zeit! – Auf der zweiten Treppe kriegt sie allemal erst den Schwindel. Er löscht es aus.
LUDWIG.
Auf der ersten –
JAKOB.

Nein, auf der zweiten. – Paff! – das war das Spazirstöckchen! Jetzt ruht sie – nun Gnade Gott dem, den sie vor Augen hat.

LUDWIG.
Wie man nur so böse sein kann bei so feinen Nerven?
JAKOB.
Narr! die feinen Nerven kommen von der Bosheit.
LUDWIG.
Manchmal – thut sie so – so – wie gut.
JAKOB.

Ja – Abends um sechs Uhr im Besuchzimmer. – Aber vorher! daß dich alle Tausend! Da sollte man meinen, sie müßte Nerven haben, wie Strohseile, so holt sie alles herum – Koch, Kutscher, Gärtner und alles! So lange sie sich so in der Grobheit mit uns gemein macht – spricht sie Deutsch wie unser einer – der Herr Graf Christoph auch.

LUDWIG.

Wenn sie aber unter einander sind, unsre Herrschaft und die Frau Baronesse Salome, dann wissen sie sich auf die deutschen Wörter nicht recht mehr zu besinnen; dann wickeln sie sich ein, hüsteln, trippeln, sprechen wie Klagleiern, und sind so dünn und fein wie alte Medizingläser.

JAKOB
hört gehen, – fährt zusammen und ordnet die Meublen.
Seht euch nicht um, der Wolf geht um!
6. Auftritt
[136] Sechster Auftritt.
Vorige. Rath Greif von der Mittelthüre, aus dem Vorzimmer herein.

GREIF.
Guten Morgen, guten Morgen, Ludwig! Guten Morgen, ehrlicher Jakob!
JAKOB.
Wieder so viel.
LUDWIG.
Danke.
GREIF.

Sind denn die Herren Grafen auch wohl? – O ja! – vermuthlich – ganz gewiß! – Brav so – brav! – Gott erhalte unsre gnädige Herrschaft! – Sollten die Bauern etwa schon da gewesen sein?

JAKOB.
Nein!
LUDWIG.
Die Bauern?
GREIF.

Ein Tumultchen – ein ganz kleines Tumultchen! – gar nicht important – Desperation vom Sonntagsrausch! – Aber laßt sie nicht vor. Ludwig – meld' Er mich bei Seinem Herrn! Nehm' Er ihm doch auch die Chronik mit – Er will sie lesen.

LUDWIG
geht.
GREIF.
Ludwig! Sag' Er ihm, ich hätte viel mit ihm zu sprechen. – Und die Chronik geb' Er ihm gleich! –
LUDWIG
geht ab.
GREIF
zu Jakob.

Laß Er die Bauern ja nicht vor. Es macht dem Herrn nur eine unnöthige Alteration! Hört Er – theure Seele! –

JAKOB.

Es ist mit den armen Teufeln auf's höchste gekommen! – Wirklich haben sie ihr Elend dem Erbherrn geklagt.

GREIF
zerstreut.
Dem Erbherrn? – dem Grafen Bardenrode?[137] – Hm! ein recht lieber Herr, der Erbherr! Gott erhalte ihn!
LUDWIG
kommt zurück.

Sie möchten nur zum Herrn Grafen Hyazinth gehen. Se. Excellenz wollen alles, wie es der alte Herr befiehlt. – Jetzt wollen Sie in der Chronik lesen.

GREIF.

Der liebe Herr! Wie brüderlich! – So recht aus den guten, alten Zeiten! – Alle drei Herren Grafen – gute Menschen, die wahren Engel! – Ich will zum Herrn Grafen Hyazinth gehen, liebe Herzen!Er geht in Hyazinth's Zimmer.

JAKOB.
Der hat einen Diebskniff im Schilde! Laß deinen Herrn diesmal lesen, was er unterschreibt.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Vorige. Baronesse Salome. Haushofmeister Stock.

BARONESSE.
Das ist unsinnig, sage ich Ihm.
STOCK.
Ihr Gnaden! – ich leiste ein Jurament, daß –
BARONESSE.
Er lügt.
STOCK.
Wenn ich Unwahrheit sage, so soll mich –
BARONESSE
kalt.

Er ist ein Spitzbube! – Es gibt zehn Meilen in der Runde keinen solchen Dieb, wie Er, Herr Spitzbube –

STOCK.
Betrügen? – bei Dero bekannten Genauigkeit! –
BARONESSE
zu Jakob.
Ist der ältere Herr allein?
JAKOB.
Eben ist der Herr Rath Greif hinein.
BARONESSE
setzt sich erschöpft.
Lese Er noch einmal.
STOCK
liest.

»Zu den Festen, Tafeln, und übrigen Einrichtungen bei der Anwesenheit des Hochgebornen Herrn, Herrn – –« hier fehlt mir der Name.

[138]
BARONESSE
verdrießlich.
Figaro, aus Frankreich.
STOCK.
»Figaro; Hochgebornen Herrn Figaro aus Frankreich, wird an barem Gelde erfordert –«
BARONESSE.
Melde Er mich bei Seinem Herrn, Ludwig!
LUDWIG
geht hinein.
BARONESSE
zum Haushofmeister.
Statt Hochgeboren – Hochedelgeboren.
STOCK.
Ich meinte, da man so viel Umstände mit ihm macht –
BARONESSE.
Da ist der Brief, wo sich Herr Figaro meldet. – Hat das Petschaft des Herrn einen offenen Helm?
STOCK
nimmt ihn, und sieht darnach.
Nein! eine Krone.
BARONESSE.
Nun also! Wo blieb der Kopf?
STOCK.
Die Kronen sind eigentlich heut zu Tage –
BARONESSE.
Hochedelgeboren.
STOCK.
»Wird gebraucht an barem Gelde, die Summe: Zwei hundert sechs und fünfzig Gulden.«
BARONESSE.
Er ist toll – närrisch – ein Spitzbube! Was so viel –
STOCK.
Da alles auf das prächtigste sein soll, so –
BARONESSE.
Wo man hinsieht; aber sonst –
STOCK.
Allein die hohe innere Hausehre –
BARONESSE
heftig.
Was man nicht sieht, dabei ist keine Ehre.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Ludwig. Graf Baptist. Vorige.

LUDWIG
öffnet das Zimmer des Grafen.
Ihro Excellenz der Herr Graf!
[139]
BARONESSE.

Es ist genug! – Geb' Er mir Seinen Zettel – Einen Augenblick, mon cher Comte! – – Er will zwei hundert sechs und fünfzig Gulden? Geb' Er mir Seine Bleifeder! – – Ich akkordire Ihm hiermit ein für allemal – hundert Thaler.

STOCK
desperat.
Darf ich an Dero Festen gleichfalls streichen, so –
BARONESSE
ohne darauf zu achten.
Jetzt geh' Er an die Arbeit – und daß es nirgends fehle!
STOCK
außer sich.
Aber um des Himmels willen! –
BARONESSE.

Wo man nicht hinsieht? – genau! – Zehn Uhr? – alles schlafen! – Ueber die Verabredung? – keinen Wein, kein Feuer, kein Licht! Wer dagegen handelt? – den Abschied! – Er? in's Narrenhäuschen gesperrt, und Ihm an Lohn einbehalten. Geh' Er! – Zur Livree. Geht!

STOCK UND BEDIENTE
gehen ab.
BARONESSE
mit tiefer Verbeugung zum Grafen.
Wie haben Ihro Excellenz geruht?
BAPTIST.
So –
BARONESSE
schlägt die Hände zusammen.

Ich bin beschämt, daß ich Ihro Excellenz warten ließ. Aber die Geschäfte – die Regierung – mein schwacher Körper! – Mir schlägt das Herz – die Adern beben – jeder Nerve ist in Mißklang mit dem andern! – Meine Seelenleiden sind auf den höchsten Grad gestiegen!

BAPTIST.
Das gesteh' ich!
BARONESSE
mit wüthendem Auge und freundlichen Munde.
Setzen wir uns, mon cher Comte!
BAPTIST
gibt Stühle.
BARONESSE.

Soll ich denn wirklich meine Tochter dem [140] Grafen Bardenrode geben? Warm. dem Erbherrn der Gräflich-Bogaischen Güter und Herrschaften? Soll ich? – Gut! Gut! – ich sehe, ich soll es! – Freilich – ließe sich noch etwas anderes hoffen. Etwas ganz anderes. Stolz. Ich, mon cher Comte, bin eine Bogaische Tochter! – Pause. Nicht? Heftig. Bin ich nicht?

BAPTIST
zurück rückend.
Die Frau Mutter selig waren Franziska, Gräfin zu Boga.
BARONESSE
gelassener.

Nun also? – Noch ist Hoffnung wenn ich einem von Ihnen meine Tochter gebe. Was wollen Sie, daß geschehe?

BAPTIST
höflich.
Ja! – ja!
BARONESSE
zudringlich.
Wollen Sie es mir überlassen?
BAPTIST
verlegen.
Was?
BARONESSE.

Was noch für die Ehre unsers gemeinschaftlichen Hauses zu thun ist. – Ich will eine Heirath eines Grafen zu Boga mit meiner Tochter. Entweder den Grafen Christoph, oder Ihren Bruder den Grafen Hyazinth – oder Sie! – Begreifen Sie das?

BAPTIST.
Ich habe es wohl vernommen.
BARONESSE.

Wollen Sie es denn so? – Graf Christoph – Ihr Bruder Graf Hyazinth, oder Sie – wie ich da die Ordnung mache – einer muß der Gemahl meiner Tochter werden.

BAPTIST.
Sie lassen es mich doch vorher wissen?
BARONESSE.
Natürlich!
BAPTIST
empfiehlt sich.
BARONESSE.
Wohin?
BAPTIST.
Greif hat mir eine Chronik geschickt – und bei der Tafel habe ich noch die Ehre –
[141]
BARONESSE.
Bardenrode kommt! heute! hieher! Hören Sie das?
BAPTIST.
Ja wohl!
BARONESSE.
Er, der auf Ihren Tod lauert! Und Sie rasen nicht?
BAPTIST
vor sich hin.
Allerdings!
BARONESSE.
Die Unterthanen rebelliren.
BAPTIST.
Man hat nicht gestürmt.
BARONESSE.

Man wird stürmen! – Aber wir wollen zuvor kommen, mon cher Comte! – Ich bin eine Bogaische Tochter, und wir wollen stürmen. Den Grafen weiset man ab, zieht die Brücke auf.

BAPTIST.
Die Rebellion zieht sie wieder nieder.
BARONESSE.

Das will ich! Dann sagen wir: Er hat sie erregt. Ein Graf zu Boga heirathet meine Tochter – Er kommt um alles, und ich bin gerächet. Ja, mon cher Comte! noch sind wir die regierenden Herren.

BAPTIST
etwas erwacht.
Ja. Wir sind die regierenden Herren. Er empfiehlt sich.
BARONESSE.
Wegen des Fremden? – Sie werden ihn doch freundschaftlich empfangen.
BAPTIST.
Was hat er für Rang?
BARONESSE
gezwungen.
Recht vertrauter Freundschaft.
BAPTIST
nachsinnend.
Das gesteh' ich! – Wie heißt er?
BARONESSE.
Monsieur Figaro.
BAPTIST.

Figaro – Figaro? – Hm! das ist ja wohl gar der Figaro, nach dessen Namen und Mode meines Herrn Bruders Schnallen –

BARONESSE.
Ja, ja, derselbe.
BAPTIST.
Und nach dessen Namen des ältesten Herrn Bruders Hund –
[142]
BARONESSE.
Der nämliche.
BAPTIST.
So so! – Allein ich meine, Sie hätten damals gesagt, das wäre eine Komödienpersonage?
BARONESSE.

Man hat ein Schauspiel über diesen interessanten Mann geschrieben, ja. Allein – er existirt – das schreibt man mir – auch wirklich, und kommt jetzt eben von Paris.

BAPTIST.
Ein – so – so ein wirklich lebendiger Mensch?
BARONESSE.

Wirklich lebendig. Ein Mann vom seltensten politischen Talent, einer der ersten Köpfe; ein Graf von Bedeutung folgt ihm als Gesandter in wenig Tagen.

BAPTIST.
Auch lebendig?
BARONESSE.
Mais mon Dieu –
BAPTIST.
Ich will sagen – auch ein wahrhafter Graf?
BARONESSE.
Ein wahrhafter Graf.
BAPTIST.

Das wundert mich, daß alle diese Personagen ihren Namen zu einer Komödie hergegeben haben. Wer hat die Piece verfertigt?

BARONESSE.
Monsieur de Beaumarchais.
BAPTIST.

Von Beaumarchais? Von genuinem Adel? So verdenke ich es ihm, daß er Komödien macht. – Also Monsieur Figaro?

BARONESSE.
Wie gesagt –
BAPTIST.
Das gesteh' ich! Er empfiehlt sich.
BARONESSE.
Gelingt es mir nicht, diesen Leichen Seelen einzuhauchen – was wird aus mir und meiner Rache?
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Baronesse. Rath Greif.

GREIF.

Meine gnädige Frau! das schwere Werk ist gelungen. [143] Der Herr Graf Hyazinth cediren das Recht sich zu vermählen dem mittlern Herrn Bruder, Grafen Christoph.

BARONESSE.
Bravissimo!
GREIF.
Aber – zu dessen Etat von seinen Einkünften etwas abgeben – wollen der Herr Graf Hyazinth nicht.
BARONESSE
kalt.
Er muß.
GREIF.
Darauf bestehen mochte ich nicht. Denn, da Sie selbst, gnädige Frau, so viel Vermögen besitzen –
BARONESSE.
Ich? – gebe keinen Heller.
GREIF.
Allein –
BARONESSE.
Nein! ich will gewinnen und nicht geben.
GREIF.
Richtig! Nur –
BARONESSE.
Greif, ich gebe nichts, und wenn das Schloß vor mir in Asche zerfiele.
GREIF.
Allein, da die Fortdauer des Bogaischen Hauses Ihnen so am Herzen liegt; da –
BARONESSE.
Und wenn die Grafen Hungers stürben – nichts! – Keinen Heller!
GREIF.
Ich bitte –
BARONESSE.
Hierüber habe ich meine Sentiments.
GREIF.

So sollten – unmaßgeblich – die gnädige Frau dem Grafen Bardenrode lieber einst die Grafschaft zukommen lassen. –

BARONESSE.

Die Grafschaft? – Mag er sie haben, oder nicht. Er ist reich und stolz, das wird ihn nicht grämen; aber der Verlust meiner Tochter – das – bricht ihm das Herz.

GREIF.

Einst waren Sie ihm so geneigt – das Fräulein war ihm zugesagt: – darf ich – ohne Frevel zu begehen – nach der Ursache dieses Hasses –

BARONESSE.

Hm – ja! Sie mögen sie wissen. Es war [144] am Hofe die Rede von Deutschen, und von unsern Nachbarn, den Franzosen. Ich sprach mit Feuer für die letzten, und hörte, daß er seinem Nachbar sagte: »Es sei eine Ligue gegen den gesunden Verstand, des Vaterlandes sich zu schämen; und ich sei an der Spitze!«

GREIF.
Unerhört! –
BARONESSE.

Dann sagte der Fürst: »Seit der Preßfreiheit läge mein Orden in den letzten Zügen!« Die ganze Tafel lachte! Es dauert nicht sechs Wochen, so finde ich die saubere Geschichte in einem Journale.

GREIF.
In einem Jour –
BARONESSE.

– nale! Ja. Erst nannte man mich – eine Dame von großem Range. Sechs Wochen darauf schreit diesem Bettler es ein anderer nach, der nennt den ersten Buchstaben, Baronesse von B. dann finde ich's bei der Altenhain in einem andern Journale, dort heißt's, Baronesse von Br–th, und endlich – o – endlich –

GREIF.
Endlich? –
BARONESSE.

Wickelt mir Brouillard das Haar, die Brochure fällt ihm aus der Schürze, und ich finde – o – finde den ganzen Vorgang, mit dem vollen ausgeschriebenen Namen – Baronesse von Brandenroth – Das – das kann ich ihm nie vergeben. Das letzte Zusammenraffen, Herr Vetter, es bringt ihn um Weib und Grafschaft. –

GREIF.

Schön! Herrlich! – Nur da Ihro Gnaden den drei Grafen so große Summen geliehen haben, welche damals in Hoffnung hoher Succession, ohne agnatischen Konsens –

BARONESSE.
Das ist's eben; den muß auf alle Fälle Bardenrode mir noch geben –
GREIF.
Allein, wenn Sie ihm nicht die Tochter –
[145]
BARONESSE.

Alles nach und nach. – Daß diese Garantie vergessen wurde, als ich meinen Vettern die Kapitale lieh, war wohl das Werk gewisser Leute, die beiden Theilen sich angenehm und nöthig zu machen dachten.

GREIF.
Damals hofften wir –
BARONESSE.

Gleichviel! Die Garantie wird Figaro mir schaffen. Auch den Triumph hab' ich erlebt, daß er den Feenpalast der Gräfin Altenhain vorüber fährt, und gerade hieher kommt.

GREIF.
Gerade hieher?
BARONESSE.

Ja, mein Herr Rath! gerade hieher! die weise Sibille von Altenhain vorüber, gerade hieher. – Man hat ihm zu Paris ein Wort von mir gesagt. Er kommt – und mit ihm – will ich den Schwindelköpfen Sitte lehren.

GREIF.
So ganz – gesteh' ich frei – begreife ich den Nutzen seiner Sendung nicht.
BARONESSE.

Nicht? Er ist es, den ich Bardenrode gegenüber stelle. In Lachen, Scherzen, Witzeleien, achtet man nicht auf den ernsten Forscher. Mit Einem Worte – die Neuheit wird frappiren, die Grafen sind dadurch unthätig, und Bardenrode ist desorientirt.

GREIF.
Da man aber Bardenrode das Schloß verbietet –
BARONESSE.

Der Pöbel liebt ihn mit Abgötterei; er wird ihn gewaltsam hier einführen. Diese Kränkung rechtfertigt das Benehmen; indessen hat er die Schmach der Abweisung erduldet.

GREIF.
Wenn alles auch gelingt, da Ihro Gnaden gar nichts geben – wovon soll denn das hohe Brautpaar leben?
BARONESSE.
Wir führen die neue Steuer standhaft ein.
GREIF.
Bei der Rebellion?
[146]
BARONESSE.

Führen wir die neue Steuer ein. Greif, ich versichere Ihnen, es sind noch Bauern genug, die Sonntags ihren Braten essen.

GREIF.

Sie klagen bitterlich. Sie wollen zum Herrn Grafen Hyazinth – Ueberfällt Dieselben wieder Ihre Angst – so –

BARONESSE.
Was für Angst?
GREIF.

So – die Skrupel – wegen der letzten Stunde – wie Dieselben es nennen – so werden Sie nicht einwilligen.

BARONESSE.

Pah! Wir bauen ihm ein neues Laboratorium. Und ha ha ha ha ha! – der Geist – ha ha ha! – der Geist muß ihm wieder etwas sagen.

GREIF.
Gnädige Frau, ich habe mich zu dieser Geistervorstellung verstanden, blos zum Besten –
BARONESSE.
Ihres Beutels.
GREIF.
Ihrer Plane. – Allein, alles nähert sich hier einer Krise –
BARONESSE.
Die ich lenke.
GREIF.

Zudem ist der Graf Nachts selten allein. Diese Nacht traf ich ihn glücklich im langen Gange noch allein, da ich ihn vorher mit meiner Lampe geängstiget hatte. Mit den Geistern ist es nicht viel mehr.

BARONESSE.
Pah! Nur in den Erbauungsstunden recht vorbereitet.
GREIF.

Das thu' ich. Und wirklich haben Ihro Excellenz an den Geist Ariel jetzt starken Glauben. Allein – sicherer für unsern Plan wäre es – Hm! wüßte ich nur – – Aber das ist unmöglich.

BARONESSE.
Was? – Nichts ist unmöglich.
GREIF.
Wüßte ich nur, welcher Knopf heute bei Ihrer Excellenz »ja oder nein« ist!
[147]
BARONESSE
befremdet.
Was heißt das?
GREIF
verwundert.
Ihro Gnaden wissen es nicht?
BARONESSE
gespannt.
Nein!
GREIF.

So wie der Herr Graf Hyazinth überhaupt alles auf den Zufall ankommen lassen, so haben Sie seit kurzem den Satz angenommen, daß in all' Dero Vorhaben – die Knopfzahl entscheide.

BARONESSE
erstaunt.
Wie ist das?
GREIF.

Sie fangen zum Exempel an: – »Soll ich? soll ich nicht? – soll ich? – soll ich nicht?« – Er zählt dabei seine Knöpfe. Und wie es nun oben oder unten ausfällt – so geschieht es.

BARONESSE.
Ha ha ha ha ha! Das ist einzig!
GREIF.

Sie waren neulich sehr geneigt, dem armen Inquisiten Gnade widerfahren zu lassen: allein der oberste Knopf fiel gegen den armen Teufel aus – und zufolge Dero Sistem wurde er hingethan.

BARONESSE
lachend.
Mais sçavez-vous, que c'est affreux?
GREIF.
Sie sind nun einmal so.
BARONESSE.
Uebrigens – welcher Knopf – das will ich schon erfahren.
GREIF.

Dann steh' ich für die Unterschrift! Dürft' ich nun hoffen, daß Sie den längst verheißnen Lohn für meine treuen Dienste mir gnädigst sichern wollten?

BARONESSE.
Den Adelstand?
GREIF.

Die Erhebung in den Adel – dieser Sporn allein treibt mich zu ehrenvollen Thaten. – Die Herren Grafen können es vermöge der größern Comitive –

BARONESSE.

Ich will bei den Herren Grafen mein möglichstes [148] anwenden. Neun Uhr! Wo doch Figaro nur bleibt? Er schrieb mir –

10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Vorige. Friedrich. Hernach Willner. Zuletzt Jakob. In der Folge der Haushofmeister.

FRIEDRICH.
Herr Willner bittet um Erlaubniß –
GREIF
halb für sich.
Fataler Kerl!
BARONESSE
zu Friedrich.

Kann kommen. Zu Greif. Ein deutscher Gelehrter! – Bravissimo! – Wir geben Figaro eine Hetze mit dem Pedanten.

FRIEDRICH
öffnet Willner die Thür.
Herr Willner.Geht ab.
WILLNER.
Gnädige Frau, meine Geschäfte bei der Herrschaft geben mir das Glück, Ihnen meinen Respekt –
BARONESSE.
Guten Morgen, ehrlicher Willner!
WILLNER.

Da meine liebe Schülerin die glückliche Heirath mit dem Herrn Grafen Bardenrode nun vollziehen soll –

BARONESSE.
Sagt man das?
WILLNER.
Und aller treuen Unterthanen Hoffnung –
BARONESSE.
Was sagt man noch?
WILLNER.
Man segnet diese Ehe laut.
BARONESSE.
Setzen wir uns, Greif! Sie nimmt das Kanapee.
GREIF
nimmt den Stuhl daneben.
BARONESSE
zu Greif.

Sehen Sie! – dieser Figaro – seine Art zu leben – diese – ach! diese niedliche Art, alle Dinge zu nehmen – jedem Dinge die gefälligste Gestalt zu leihen – wird Sie entzücken.

GREIF.

Wir dürfen stolz sein, daß er mit diesem leichten, [149] heitern Sinne sich in die finstern Kreise des deutschen Reichs wagt.

BARONESSE.

Nicht wahr? – Ja, das muß man nur frei gestehen. – Zu Willner. Was mich betrifft, ich liebe mein Vaterland. – Zu Greif. Denn so unrecht sind sie nicht, die Deutschen – Sie sind geduldig und dauerhaft. Zu Willner. Nur Esprit undGrace! – Nun dafür können sie nicht. Zu Greif. Wenn sie nur nicht schreiben wollten! Ja – das heißt – Kompendien wohl! aber – Zu Willner. Er hat doch die Erbauungsschriften erhalten die ich Ihm für das Landvolk zugeschickt?

WILLNER.
Erhalten und vertheilt. – Allein, der schlechte Unterricht! – Es kann ja niemand lesen.
BARONESSE
zu Greif.

Kompendien möchten sie wohl schreiben – Nur – setze Er sich, ehrlicher Willner! – Nur um Gottes willen nichts Schönes!

GREIF.
Ja wohl wäre das zu wünschen! Seufzt. Besonders bei dem Frevel der heutigen –
BARONESSE.

Ja – Wo sie so alles sagen wollen was man denkt – was sie natürlich schreiben heißen.Mitleidig. Ach du Gott! – Zu Willner. Er hat auch ein Buch geschrieben?

WILLNER.
Ja, gnädige Frau!
BARONESSE
zu Greif.
Es wird doch jetzt viel geschrieben! Zu Willner. Setz' Er sich doch.
WILLNER
nimmt einen Stuhl ihr gegenüber.
BARONESSE.
Lieber Greif, ziehen Sie doch die Klingel! Zu Willner. Worüber hat Er geschrieben?
WILLNER.
Ueber Entstehung, Aufnahme, Geist und Hoffnung deutscher Literatur.
[150]
BARONESSE
zu Greif.
Wie war's? – »Entstehung? – Entstehung ohne Geist?«
WILLNER
kalt.
Ueber Entstehung, Aufnahme, Geist und Hoffnung deutscher Literatur.
BARONESSE
höflich.
So?
JAKOB
kommt.
BARONESSE.
Ein Glas Wein für den ehrlichen Willner.
WILLNER
mit Selbstgefühl.
Gnädige Frau!
BARONESSE.
Nu – nu? – Verbindlich. Er ist ja ein Deutscher? Sie trinken gern, die echten Deutschen.
WILLNER
halb laut.
Mit echten Deutschen etwa –
BARONESSE.
Sein Buch hat Ihm wohl sehr viel eingetragen?
WILLNER.

So lange die Gewinnsucht öffentlich – sogar mit Pracht – sich bei dem Diebstahl fremden Eigenthums blähen darf; so lange ist auch für Fleiß – nicht einmal Erwerb; – so lange können wir uns der Wärme unserer Großen für Literatur des Vaterlandes nicht hoch rühmen.

BARONESSE
gähnt anständig.
Wie heißt sein Buch?
WILLNER
verbeugt sich.
Es ist wirklich ein langer Titel.
STOCK
eilig.
Ihro Gnaden! –
BARONESSE
kalt.
Was gibt's?
STOCK.
Das Bauernvolk – erschrecken Sie nicht – sie sind draußen!
GREIF.
O weh! o weh! –
STOCK.

Sie sind toll – sie sagen, unser Herr Greif hätte sie um die besten Ländereien in seinen Beutel schon gestraft. Er wollte ein Rittergut anlegen, und sich Baron von Greifhart nennen. Ich wollte einem den Text lesen; Gott steh' mir bei! mir fehlt seitdem der Augenzahn.

[151]
GREIF.
Wenn die Leute einmal so viel wagen, sind sie nicht mehr zu bändigen! – Was machen wir?
BARONESSE.

Willner – jetzt hat Er für Sein Talent ein offenes Feld. Geh er hinunter zu den Leuten – hör' Er sie an.

WILLNER.

Allein, sie klagen über Mangel – den Druck von allzu harten Steuern – über Tirannei! – Was soll ich darauf sagen?

BARONESSE.
Nichts.
WIENER.
Wie? – Nichts?
BARONESSE.
Nicht eine Silbe! – Suche Er sie nur zu rühren – so hat Er auch gewonnen.
WILLNER.
Zu rühren? – Ja – recht gut! – allein wodurch? – Daß es –
BARONESSE.

Sag' Er: – »Wir wären sehr attendrirt – wir dächten – was Er auch weiß – nur an ihr Wohl! – Bringe Er sie auf die alten Grafen Boga – und – auf Graf Bernhard's milde Stiftung; – daß aus Liebe für dieses Hauses Unterthanen mein Kind sich mit dem Grafen Boga gern verbinden wolle.«

WILLNER.
Wie?
BARONESSE.
Nun – geh' Er! – verlier' Er keine Zeit! –
WILLNER.
Doch, wenn nun auf mein Wort die guten Leute bauen – und dann –
BARONESSE.

Von Ihm wird nichts gefordert – als daß Er sie zu weinen mache. – Das übrige geht dann von selbst schon seinen Weg.

WILLNER.
Ich will versuchen, sie zu besänftigen.Geht ab.
STOCK
im Gehen.
Wird wohl vergeblich sein. Geht ebenfalls ab.
11. Auftritt
[152] Eilfter Auftritt.
Baronesse. Rath Greif.

BARONESSE.
Wo ist der Vorschlag zu der neuen Steuer? Sie zerreißt ihn.
GREIF.
Sie geben wirklich alles auf?
BARONESSE.
Nur diese Art, sie einzusammeln: ich wähle eine andere.
GREIF.
Ich zweifle an dem glücklichen Erfolg.
BARONESSE
lächelnd.
Ich bin gewiß.
GREIF.
Es ist zu weit gekommen.
BARONESSE.

Eben in diesem Augenblick ein Wort von Rührung, Liebe – und irgend eine Staatsaktion, so sind sie wieder an uns gefesselt, und rennen blind in's Feuer.

GREIF
zuckt die Achseln.
Allein, wenn sie zu oft –
BARONESSE.

Herr Greif, wir haben mit dieser Münze zu oft und vortheilhaft bezahlt, als daß wir ihren Cours nicht kennen sollten.

12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Vorige. Ludwig.

LUDWIG.
Ihre Gnaden! – Herr – ach! hm! – der französische Herr!
BARONESSE
außer sich.
Ah mon cher Figaro! – Wo? wo?
LUDWIG.
Unten im Speisesaale. Geht ab.
BARONESSE.

Greif, gleich eine Estaffete an Madame de Rectenau! – Kommen Sie! – Mais c'est le moment le plus délicieux de ma vie! Geht. Einen Kourier an Herrn von Störer – Der Laufer soll's dem Grafen Meldenstein ansagen! – O der himmlische Junge!

[153]
GREIF.
Gnädige Frau! – nur eine einzige Silbe.
BARONESSE.
Schnell!
GREIF.
Der Aufruhr! Die Bauern! – Wenn sie Figaro sieht?
BARONESSE.

Ja so! – Ja – hm – Sie freuten sich über seine Ankunft – sie wollten ihn empfangen – auf unsern Befehl empfangen –

GREIF.
Wenn er sie aber fluchen hört?
BARONESSE.
Eh bien! nous lui dirons, que c'est ainsi, que Allemands se divertissent. – Mais, venez donc!

Sie gehen ab.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt.
Willner. Hernach Jakob.

WILLNER.
Gnädige Frau! – Nicht hier? – hm! – Es scheint, mein Antrag werde mir schwer von Statten gehen.
JAKOB
mit einem Glase Wein auf einem Präsentirteller.
Grüße Sie Gott! Herr Willner! – Die gnädige Frau hat befohlen – Er präsentirt ihm.
WILLNER
hält den Teller von sich.

Auf mein Wort, ehrlicher Jakob, – Er gibt ihm das Glas. bewillkomme Er mich mit dem Glase; trink' Er.

JAKOB
mit Verbeugungen weigernd.
Ei, Herr Willner!
WILLNER.

Auf mein Wort, trink' Er. – Lächelnd. Die gnädige Frau wird Ihm selten einen überzähligen Trunk erlauben.

JAKOB
sieht sich um tritt dann vertraulich zu ihm hin.
Weiß Gott! – Kaum das Nothwendige zur Leibesnahrung permittiren die gnädige Frau.
[154]
WILLNER.
Nun also – Er führt ihm das Glas zum Munde.
JAKOB
trinkt mit Lüsternheit.
WIENER.

Es thut mir weh, wenn einen gesunden Mann hungert oder dürstet. Es ist drum wahr: die Steifheit unsrer guten Vorfahren sieht man noch genug; aber ihre Großherzigkeit ist kaum noch zu ahnen. Geht ab.

JAKOB
sieht ihm nach, und trinkt den letzten Tropfen.

Da hat der Mann, weiß Gott, Recht! – Ich verstehe zwar nicht recht, was es auf sich hat – aber – es ist mir, als wenn das eine Beschreibung von unsrer alten Gnaden, Baronesse Salome, gewesen wäre. Geht ab.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Jakob und Ludwig.

JAKOB
ruft zur Mittelthüre hinaus.
Bst! Du! – komm herein!
LUDWIG.
Nun?
JAKOB.
Graf Bardenrode ist unten im Orte.
LUDWIG.
Wahrhaftig?
JAKOB.
Die Zugbrücke ist aufgezogen – die Bauern sind wüthend.
LUDWIG.
Höre – der Franzose – Herr – wie heißt er?
JAKOB.
Figaro, Herr Figaro.
LUDWIG.
Nun – wie ihn die gnädige Frau nur ein bischen allein ließ, sprach er mit Willnern –
[155]
JAKOB.
Spricht er deutsch?
LUDWIG.

So gut wie ich. Die alte Gnaden – die wollte immer französisch dreinfallen – es war aber, als wenn er sie nicht verstände; denn er antwortete auf deutsch. – Der Figaro hat die Augen überall!

JAKOB.
Ei! – Wer weiß, hält er's mit dem jungen Grafen! – St! – der Feind kommt.
LUDWIG
zur Seite ab.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Der Laufer öffnet die Thüre. Baronesse. Figaro.

FIGARO.
Sie sind nicht billig gegen mich –
BARONESSE.
Weil ich keine Ehrenbezeigung weiß, die sich vor andern auszeichnet – wie Sie, und Ihr Talent –
FIGARO.
Gnädige Frau! –
BARONESSE.
Vor allen.
FIGARO.
Ferne täuscht.
BARONESSE.
Nähe überzeugt.
FIGARO.
In Frankreich dachte man ungünstiger von mir.
BARONESSE.
Wie? – Die Menge –
FIGARO.
Lachte – fand mich witzig – Sonderlinge schmähten –
BARONESSE.
Allein die Männer von Talent –
FIGARO.
Nun ja – sie sagten mir viel Schönes.
BARONESSE.
Also?
FIGARO.
Die Männer von Talent. – Allein die Männer von Talent und gutem Herzen? –
BARONESSE.

Den Figaro des Schauspiels mögen die vielleicht getadelt haben; allein den wahren Figaro, den [156] Beaumarchais kopirte, den ich hier in Ihnen admirire, den tadelte wohl niemand.

FIGARO.

Wenn mich in seinem Schauspiele Beaumarchais getreu kopirte – so konnte ich nicht jedermann gefallen, wenn ich auch jedermann belustigt habe.

BARONESSE.
Das heißt wohl – der Sorbonne – und was man dazu rechnet? der konnten Sie mißfallen.
FIGARO.

Nicht die; allein die Männer Frankreichs, von deren Worten keines noch verloren ging, die – wenn die Blendung des Schimmers schon verloschen ist, die erste Wärme in Prüfung überging – noch immer ganz da stehen – selbstständig – jugendlich, wie in dem großen Augenblick ihrer Schöpfung – die – sind mit mir nicht recht zufrieden.

BARONESSE
erstaunt.
Was wollen sie?
FIGARO.

Ich hätte – sie behaupten es – mehr und besseres – im hohen Sinne besseres – gekonnt, und auch gesollt. – Sie sagen, ich sei dazu vor andern fähig, und daß ich's unterlassen, sei Verlust. – Nun lächeln sie deshalb – fast etwas ernst – zu der Frivolität, die mir gelang.

BARONESSE.
Dem sei nun, wie ihm wolle. – In Deutschland sind Sie angebetet.
FIGARO.

Man hat mir zu Paris versichern wollen, daß, eh' ich mit dem Grafen Almaviva irgend etwas noch zu thun gehabt – die Deutschen mich weit mehr geliebt –

BARONESSE.

Almaviva? Dieser Almaviva – lebt ja nur in einer Komödie. Mit dem hat ja nur der Figaro des Beaumarchais zu thun. Sie, der wahre Figaro – Sie hatten nie Verkehr mit ihm?

FIGARO.
Das heißt – Verlegen. Das will sagen –
[157]
BARONESSE.
Sie sind verlegen – Sie werden roth? Oder – wäre es möglich? Sähe ich ihn selbst vor mir –
FIGARO
noch verlegener.
Wen?
BARONESSE.
O ciel! Entzückt. Ihn selbst, Monsieur de Beaumarchais
FIGARO
geheimnißvoll.
Ah Madame –
BARONESSE
außer sich.
Ja, ja! kein andrer – Sie sind es selbst! Umsonst – umsonst cachiren Sie den großen Mann!
FIGARO.
Um alles in der Welt – Verschwiegenheit!
BARONESSE.
Contez sur moi!
FIGARO.
Ich bleibe Figaro und bin Kourier.
BARONESSE.

Doch wenn man Sie erräth – und wer sieht nicht sehr bald in Ihnen den Dichter, den feinen Geist, den akkomplirten Hofmann?

FIGARO.
Hier erräth mich niemand.
BARONESSE.
Und doch hat es nicht lange gedauert, so habe ich Ihr Geheimniß penetrirt.
FIGARO.
Wie viele Ihres gleichen werden mir auch noch begegnen?
BARONESSE.
Sie sind galant –
FIGARO.
Nur wahr.
BARONESSE.

Und die Deutschen – meinen Sie, hätten ehedem den admirablen Beaumarchais mehr geliebt, als jetzt? Seufzt. Zwar – die Deutschen! – Eigentlich, qu'appellez-vous – die Deutschen?

FIGARO.
Gelehrte – die Nation –
BARONESSE.
Meist alles, was sich so nennt – ce ne sont que des – Schulmeisters –
FIGARO.

Bei uns in Spanien, fängt man an, sich mit[158] der Literatur der Deutschen sehr bekannt zu machen. – In Frankreich –

BARONESSE.

Ich weiß. Wir haben angefangen, davon zu sprechen. Allein, wer liest sie? – Zum wenigsten wir Pariser nicht.

FIGARO.

Das glaub' ich Euer Gnaden! – Doch die Pariser von Paris, die lasen sie. Man weiß in Frankreich gar zu wohl, daß nur Franzosen, die in Deutschland lange wohnen, und Deutsche, die aus der Gouvernantenzucht in Hände alter französischer Exilirten übergingen, die Literatur der Deutschen gar nicht kennen.

BARONESSE.
Sie schmeicheln mir unnöthig. Ich halte nichts auf die Literatur der Deutschen.
FIGARO.
Ich glaubte diesen Ton verjährt.
BARONESSE.

Bei unsern jungen Fräulein wohl, weil viele rüde, junge Kavaliers im Deutschthun sich jetzt üben. Allein mit alle dem bleibt in der bessern Welt der Ton – was Deutsch ist – dort nicht aufzunehmen. Der Pöbel lacht zwar über uns, und die Schulmeister schreiben scharf; doch wir – wir unter einander – bleiben was wir waren, und wir befinden uns recht wohl dabei.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Vorige. Willner.

WILLNER
fröhlich.
Gnädige Frau! – ich war so glücklich, die Bauern –
BARONESSE
gnädig.
Ganz wohl! – Ich danke Ihm auch.
WILLNER.
Doch mußte ich ihnen fest versprechen –
[159]
BARONESSE.
Nun ja! – Recht gut – recht brav – in alle Wege.
WILLNER.
Was ihnen auch gehalten werden wird –
BARONESSE.
Man sieht dann schon. Ja, ja! – Sie sind indeß doch fort?
WILLNER.
Auf das Versprechen, daß –
BARONESSE.
Ja ja! Ich will von Ihm mit meinen Vettern, den Grafen, sprechen.
WILLNER
erstaunt.
Ich bitte nichts für mich.
BARONESSE.
Ja ja! ja ja! – Lebe Er indessen recht wohl, Herr Willner.
WILLNER
verbeugt sich, und geht ab.
BARONESSE.

Der Schulinspektor dieser Grafschaft – ehemals der Präceptor meiner Tochter. Sie sind nun einmal hier, und müssen manche der Pedanten sehen, die wir nicht ganz von uns verbannen können.

FIGARO.

Ich lerne Deutsche kennen. Sie sind mir schätzbar durch Wissen, Erfindung, Tapferkeit und Dauer! Wie wohl mit allen diesen Geisteskräften die Geduld – die unaussprechliche Geduld – bei hartem Druck der Großen – in Sachen des Geschmacks sich reimen mag? Das zu wissen – bin ich neugierig.

BARONESSE
lachend.
Ein Wort – ein einziges – beugt den Trotzkopf nieder, sobald es die Kabale spricht.
FIGARO
gespannt.
Das heißt?
BARONESSE.
»Er ist unruhig – ein unruhiger Kopf.«
FIGARO.
Doch unter den Herren von Stande – die Aufgeklärten –
BARONESSE
empfindlich.
Mein Herr –
FIGARO.
Ich wollte sagen – die so genannten Aufgeklärten –
[160]
BARONESSE.

Die können nichts – als höchstens – ihn einzeln, heimlich soulagiren. Doch vor der Welt, da treibt Esprit de Corps sie dicht in unsere Reihen. Was Einer leidet – zu leiden glaubt – das leiden alle. – Genug – indem an Ort und Stelle der dumme Haufen für uns sich bataillirt, ist auch schon durch ganz Deutschland – Esprit de Corps in Waffen. Einmal geben wir den Ton. Was will der Narr nun mit der Ware machen, die unter uns verrufen ist?

FIGARO.
Wohl wahr!
BARONESSE.
Doch das bei Seite. – An Ihnen ist alles, wie ich's wünsche; nur die Kleidung nicht.
FIGARO.
Die Kleidung?
BARONESSE.
Ist Deutsch.
FIGARO.
Und das?
BARONESSE.
Taugt nicht. Ich bitte, kleiden Sie, als Figaro, sich spanisch.
FIGARO.
Spanisch?
BARONESSE.

In jener Kleidung sind Sie gemalt, beschrieben und erwartet. In jener Kleidung dürfen Sie sagen, denken, thun und lachen, lieben – wie Sie wollen. In dieser da – riskiren Sie Rang zu bekommen, und hie und da ernstlich vielleicht –

FIGARO.
Ich gehe spanisch. Als Maske zu gebrauchen, nahm ich die Kleidung mit.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Vorige. Friedrich öffnet die Seitenthüre. Hernach Graf Hyazinth.

FRIEDRICH.
Ihre Excellenz, der Herr Graf Hyazinth –
[161]
BARONESSE.
Es ist der Herr, von dem ich Ihnen sagte – der stets – mit dem stets –
FIGARO.
Stets Geister sind Bei Seite. und niemals Geist.
HYAZINTH
kommt mit Verbeugung.
Der Ihrige, Frau Baronesse!
BARONESSE
ebenfalls.
Wie haben Ihre Excellenz geruht?
HYAZINTH
starr auf Figaro zu.
Von ihm weg, schnell zur Baronesse. Das ist unser Figaro?
FIGARO.
Gnädiger Herr!
BARONESSE.
Er ist's.
HYAZINTH
geht zu ihm und drückt ihm die Hand.

Herzlich willkommen! Ach! Zur Baronesse. wollte Gott, wir träfen uns zu Paris! Mein liebster Figaro, Sie finden hier bei uns – habile Rechnungsräthe – treue Menschen – das ist wahr! auch gute Apotheken; allein an Leute, die die Geschäfte auf eine leichte, galante, agreable Art traktiren könnten, ist nicht zu denken. Wir sind verlegen, einen Mann wie Sie nach Würde zu empfangen –

FIGARO.

Der Empfang, den man mir hier gewährt, und was ich zur Ehre des Landes, aus dem ich eben komme, schon gesehen – setzt mich in einige Verlegenheit.

HYAZINTH.

Zu viel Modestie! – Mein liebster Figaro, den Männern Ihrer Art ist Herrschaft über uns gegeben. Zur Baronesse. Liebe Baronesse, ich hatte eine schlechte Nacht. – Herzklopfen – Kopfweh auf der linken Seite – Zittern in den Händen – Schwindel – sehr kurzen Athem – und eine fürchterliche Nacht.

BARONESSE.
Ist's möglich?
HYAZINTH
vertraulich.
Ich bin terribel zugerichtet.
BARONESSE.
Hat der Geist –
[162]
HYAZINTH.
Sie sehen hier den blauen Fleck – da auf dem linken Backen.
BARONESSE
schlägt die Hände zusammen.
Ja!
HYAZINTH.
Nun da hat er – Macht eine Pantomime mit gebogenen Fingern.
BARONESSE
schaudert.
Schonen Sie meine lebhafte Fantasie.
HYAZINTH
drückt ihr gütig die Hand, dann zu Figaro.
Wie lebt der Doktor Bartholo?
FIGARO.

Bei vielem Gelde – mit viel Genügsamkeit. Er blendet mit der Gravität des Standes – mordet in Privilegio. – Dem dreisten Spötter seiner Dummheit zeigt er das Baret, und Titel von Akademien.

HYAZINTH
zur Baronesse.

Ich werde diese Nacht viel Importantes sehen. Zu Figaro. Was macht Rosine – die Vermählte von Almaviva?

FIGARO.
Die Gräfin Almaviva?
HYAZINTH
ärgerlich.
Nun ja denn –
FIGARO.
Die gute Dame! – Sie muß mit Pracht für Liebe sich entschädigen.
HYAZINTH
sehr ernst.
Auch kann sie das; denn sie war nicht von altem Adel.
FIGARO.
Allein – sie hat ein Herz – das Glück und Freude geben kann.
BARONESSE.
Soll man nicht lachen, wenn Figa ro mit uns vom Herzen spricht?
FIGARO.
Wie? – Sie glaubten –
BARONESSE.

Worin wir beide sicher einverstanden sind: daß dieses Wort im Leben brauchbar ist, wie kleine Münze im Verkehr. Allein, daß doch –

[163]
FIGARO.
Bin ich so mißverstanden?
BARONESSE.

Nein, nein! – Ich rechne auf Ihren schönen Fehler. Diese schlaue Weise – die so genannte Herzlichkeit in allem Sturme wegzutändeln – ist es, was ich bedarf – worin ich Sie erwarte.

FIGARO.
Ja freilich! – Jeder Thor hat seine Kappe.
BARONESSE
listig.
Und eben in dieser Kappe ihn zu fangen, ist – –
FIGARO
hastig.
Ist verdienstlich! Das räume ich willig ein.
BARONESSE.

Wie ich Ihnen gesagt und oft geschrieben: In den Begebenheiten dieses Hauses, wie sie jetzt sich ordnen, liegt viel Tragisches.

HYAZINTH
in hohen Gedanken.
Viel Tragisches!
FIGARO
ironisch.
Viel Tragisches.
BARONESSE.
Dies zu verhindern, und den Erfolg auf unsre Seite hin zu lenken – sei Ihr Verdienst.
HYAZINTH.
Vor allem müssen Sie darnach trachten, ein Plus in meiner Kammer zu bewirken.
FIGARO.
Wo sollen die Kammeralveränderungen anfangen? –
HYAZINTH.
Gleich viel! – doch ich muß mehr empfangen.
FIGARO.
Die Einrichtung ist leicht gemacht. – Wir nehmen –
HYAZINTH.
Wo? –
FIGARO.
Zu nehmen ist. – Das heißt Oekonomie.
BARONESSE.

Dem Ding eine gute Wendung zu verleihen, so habe ich unlängst die Frage ausgesetzt: – Wie ist der Landmann wohl am besten zu beglücken? – Der Preis der besten Antwort ist zwanzig Louisd'or.

[164]
HYAZINTH.
Fort bien!
FIGARO.

Nun wohl! Ich bin von allem unterrichtet, kenne durch Ihre Güte, Lage, Vortheile und Geschichte der Dinge, die mich umgeben; habe Vollmacht, Vertrauen und Befehl zu handeln. Ich gehe an mein Geschäft. Daß sich der Thor in seiner Kappe fange, daß der Erfolg die gute Sache lohne, und Thor und Weiser sich am Ende durch mich beglückter finde – das sei mein Werk.


Er geht mit leichter Verbeugung ab.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Baronesse. Graf Hyazinth. Hernach Jakob.

HYAZINTH.
Beste Baronesse, ich stehe auf heißen Kohlen. – Der Bardenrode ist unten im Orte.
BARONESSE.
Die Zugbrücke –
HYAZINTH.
Ist gebrechlich.
BARONESSE.
Die Wache am Thore –
HYAZINTH.
Hat mit zehn Patronen scharf geladen. – Aber –
BARONESSE.
Nun? –
HYAZINTH.

Er hat mir sagen lassen, der Graf: – »Er wolle gar nicht einmal herein kommen. Er verlange nur Antwort.« –

BARONESSE.
Antwort? Worauf?
HYAZINTH.

Die Unterthanen haben sich ja klagbar an ihn gewandt. – Hm! – So viel ist sicher, Sie haben sie zu scharf ge–ge–regiert, meine Gnädige.

BARONESSE.
Scharf oder nicht!
HYAZINTH.
Er schiebt mir's nun in's Gewissen. – Es ist denn doch – so – wegen des Sterbestündleins.
[165]
BARONESSE.
Ja freilich. Klingelt.
JAKOB
kommt.
BARONESSE.
Die Herren Grafen lassen den Grafen Bardenrode zur Tafel laden.
HYAZINTH
in sich.
Was ist das?
BARONESSE.
Man schickt ihm die Equipage. Gleich.
JAKOB
geht ab.
BARONESSE.
Mein Plan ist abgeändert. Er soll kommen – eben weil er nicht will.
HYAZINTH.
Aber alles, was vorgegangen ist?
BARONESSE.
Nehme ich auf mich.
HYAZINTH.
Das – gibt ein Unglück. –
BARONESSE.
Ha ha ha! Er soll zur Hochzeit kommen. –
HYAZINTH.
Das gibt ein konsiderables Unglück.
BARONESSE.

Mein Kapital garantiren – die Braut verlieren – um die Grafschaft kommen; und so – sehen, wen er beleidigt hat. Alles in Verwirrung – alles durch und gegen einander – alle Minen gesprengt – Wir – unversehrt in der Mitte, nehmen kalt und sicher den Leitfaden und regieren. Das, Graf, das ist, was ich will – was ich erlange – wozu ich Figaro verschrieb. Mit diesem Kopfe trotze ich jedem Kabinet. Geht ab.

HYAZINTH
bedenklich.
Hm! – Ich werde heute dennoch viel reden müssen.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Graf Hyazinth. Figaro.

FIGARO.

Herr Graf – machen Sie sich jetzt zum Herrn der Begebenheiten – Sein Sie kühn. – Sie schneiden den [166] Faden in der Mitte durch, um zu gewinnen. Versöhnen Sie sich mit Bardenroden.

HYAZINTH.
Wie? – Das ist so – – so plötzlich – –
FIGARO.
Muß es sein, wenn es gelingen soll. Geschwind! Soll ich ihn bringen? –
HYAZINTH.
Den – den Grafen Bardenrode? hieher?
FIGARO.
Hieher in dieses Zimmer. Muthig! – Der Entschluß wird –
HYAZINTH.
Es wäre scharmant! – scharmant! – Allein die Baronesse?
FIGARO.

Keine bessere Sicherheit für ihre Kapitale, als Eintracht mit dem reichen Bardenrode. Sie muß es selber wünschen.

HYAZINTH.
Ja! sie muß es selber wünschen!
FIGARO.
Also ich hole ihn her! – Will gehen.
HYAZINTH.
Nicht wahr? sie muß es selber wünschen?
FIGARO.
Natürlich muß – –
HYAZINTH.
Fort bien! Ich bin entschlossen. Bringen Sie ihn her!

Da Figaro gehen will, kommt Rath Greif sehr eilig.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Graf Hyazinth. Figaro. Rath Greif.

GREIF
trocknet sich die Stirne.
Die Bauern sind wie wüthend.
HYAZINTH.
Man sollte sie einsperren.
GREIF.
Sie haben mit Gewalt – so sehr er's auch verbot – den Grafen bis hieher in's Schloß gefahren.
HYAZINTH.
Wo ist er jetzt?
GREIF.

In dem Zimmer, das er sonst immer im Schloß [167] bewohnte, kleidet er sich um. Mein Gott! – wenn es mir nur gelingt –

FIGARO.
Ist schon gelungen.
HYAZINTH.
Wird gleich vollzogen.
GREIF.
Was?
HYAZINTH.
Ich will sogleich mit Bardenroden mich hier unterreden. Figaro macht die Vereinigung.
GREIF.
Ver – – Verein – Ihm erstickt das Wort.
FIGARO.

Sie sind Verwandte! – Verwandte – gute Menschen, wenn ihre Herzen an einander schlagen, bedürfen sie, ein geringes Mißverständniß auszugleichen – nicht der Kanzlei.

HYAZINTH
applaudirt ihm kalt und saçonnirt.
C'est bien dit.
GREIF.
Unvergleichlich.
HYAZINTH.
Holen Sie ihn her. – Da sieht man, wie ein verwickeltes Geschäft –
FIGARO.
Die Offenheit erleichtert. Er geht.
GREIF
da Figaro schon an der Thüre ist, erdacht er aus ängstlichem Nachsinnen.
Herr Figaro!
FIGARO
wendet sich schnell.
Bedenklichkeiten? – Wie?
GREIF
schnell.
Lob Ihres Herzens.
FIGARO
der wieder fort will.
Gebe mir die That!
GREIF
hält ihn zurück.

Allein – es ist doch gleichwohl – voraus gesetzt, daß ich das Löbliche von Ihrer That erkenne – es ist doch gleichwohl Eine Rücksicht, die ich, als treuer Diener, noch empfehlen muß.

FIGARO.
Geschwind! –
GREIF.
Gemach, gemach! – denn übereilen thut selten gut.
FIGARO.
Langsamkeit war stets der Dolch der Politik.
[168]
GREIF.
Ihre Excellenz – mein sehr huldreicher Souverain –
FIGARO.
Befehlen dem treuen Diener, daß er ein Ende mache.
GREIF.
Der Fall ist kürzlich der: – Ich rathe zu der Vereinigung –
FIGARO.
Nach Pflicht und Gewissen. Da waren wir aber vor einer Viertelstunde schon.
GREIF.

Allein der Graf von Bardenrode wird sich nichts vergeben wollen. Nun – und meine höchste Herrschaft – weiß doch auch gleichwohl wer sie ist.

FIGARO.
Das Ende –
GREIF.

Ist die Frage – die wegen der Konsequenz – sehr wichtig ist: – Ob man dem Grafen Bardenrode die rechte oder linke Hand allhier gestatten wolle?

FIGARO.
– Ja – das – ist – freilich sehr bedeutend.
HYAZINTH
nach einer tiefen Pause losbrechend.
Ist sehr bedeutend.
FIGARO
lächelnd.
Ich darf beschwören, daß man in Frankreich darauf – gar nicht sieht – daß –
GREIF
ernst.
Das betreffend – ist man in Deutschland allgemein fast Spanisch.
FIGARO
als glaubte er's kaum.
Spanisch?
HYAZINTH
belehrend.
Hispanisch – ja!
FIGARO.
Nun – wenn denn auch! – Das will ich sehr leicht ordnen.
HYAZINTH.
Ja – thun Sie das.
GREIF.

Sein Sie so gütig. Ja! – Allein – da es die Ehre – so gleichsam die Hausehre des alten Hauses Boga [169] anbetrifft; – so sollten Ihre Excellenz doch nicht so ohne Dero Herren Brüder –

HYAZINTH.
Ja – das ist auch wieder wahr. – Man sei so gut und rufe sie.
GREIF
geht in Baptist's Zimmer – kommt zurück, und geht durch die Mittelthüre ab.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Graf Hyazinth. Figaro.

HYAZINTH.
Das muß man sagen – der Greif – der konservirt die Jura meines Hauses – admirabel.
FIGARO.
Scharf; denn so weit sah ich nicht.
HYAZINTH
zufrieden.
Nicht wahr?
FIGARO.
Nun bedarf ich zu der Finanzveränderung –
HYAZINTH.
Finanzverbesserung – meinen Sie?
FIGARO.
Veränderung – heißt immer hier Verbesserung.
HYAZINTH.
Ja so.
FIGARO.
– Bedarf ich Anfangs eines großen Kapitals.
HYAZINTH
erschrocken.
Wo finden? –
FIGARO.
Bei dem getreuen Diener.
HYAZINTH.
Greif?
FIGARO.
Was er wirthschaftlich aufgespart – wird er zu seines Herrn besserer Wirthschaft treulich leihen.
HYAZINTH.
Ich kann ihm keine Hypothek anweisen.
FIGARO.
Sie können! Das sei meine Sorge.
HYAZINTH.
Sie hätten eine Hypothek?
FIGARO.

Greif – sucht den Adel, den Sie ertheilen können. Ich habe ihn zuvor gesprochen – Ich weiß, daß er für dieses Pergament die Freuden der andern Welt hingibt.

[170]
HYAZINTH.
Allein wir wollen ihm diese Dignität nicht konferiren.
FIGARO.
Bares, blankes, rundes Gold – gilt Ihnen nicht einen Federzug?
HYAZINTH.

Ja – wenn die Summe ansehnlich ist; allein, dann kann er, als Rath, nicht mehr in unsern Diensten sein.

FIGARO.
So erheben Sie ihn in den Adelstand, und entlassen ihn aus Ihrem Dienste.
HYAZINTH.
Allein, wer soll alsdann – so – die Geschäfte –
FIGARO.

Die Frau Baronesse; und dann – will Greif eine dem Stande angemessene Charge, so muß er wieder zahlen. Bei allen Finanzplanen waren Spekulationen auf der Menschen Narrheit ein sicheres, reines Plus.

HYAZINTH.
Wohl. Wenn Greif Geld hat. Allein in unsern Dienst trat er ganz arm.
FIGARO.
Die Beichte will ich von ihm schon erhalten. Nur reden Sie nicht ohne mich von dem Geschäfte.
HYAZINTH.
Nein, auf mein Wort.
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Vorige. Graf Baptist.

BAPTIST
mit Verbeugung.
Wie haben Ihre Liebden diese Nacht geruhet?
HYAZINTH
verbeugt sich.
Wir waren sehr unruhig.
FIGARO
zu Graf Baptist.
Darf Figaro um die Erlaubniß bitten, Ihro Excellenz in Ihrem Zimmer aufzuwarten?
BAPTIST
verlegen.
Wir – danken für die Attention.
10. Auftritt
[171] Zehnter Auftritt.
Vorige. Graf Christoph und Rath Greif.

CHRISTOPH.

Guten Morgen, Herr Bruder – Ah, Herr Figaro! – Scharmant, daß Sie da sind; bravo! wir haben recht auf Sie gewartet. Sie sind lustig, klug, bravissimo! Sie sollen – ha ha ha! alles mit Singen und mit Springen machen, schreibt man mir. Wenn's noch so kitzlich ist – doch lustig.

FIGARO.
Gnädiger Herr –
CHRISTOPH.
Bravissimo! Sie werden uns recht amüsiren.
FIGARO.

Ich rechne wahrlich auf Amusement. – Allein – Sie sind jetzt in Geschäften – Es wäre Frevel, Sie zu unterbrechen. – Er empfiehlt sich.

HYAZINTH.
A revoir!
11. Auftritt
Eilfter Auftritt.
Vorige ohne Figaro. Hernach Jakob, Friedrich und Ludwig.

HYAZINTH.
Setzen wir uns.
GREIF
klingelt.

Ein Bedienter setzt den Tisch und Stühle.
GREIF
legt auf jeden Platz Papier und Federn.
DIE DREI GRAFEN
setzen sich, jeder weit von dem andern.
HYAZINTH.

Euer Liebden habe vorzutragen nicht ermangeln wollen, daß – Graf Bardenrode hier speisen werde. Nun formire ich die Quästion: »Ist er als Gast, oder als Agnat zu empfangen? – und ihm also die Rechte, oder die Linke zu belassen?«

CHRISTOPH
nachdenkend.
Die Rechte oder die Linke? – Ja!
[172]
BAPTIST.
Ja! – Die Rechte oder die Linke?
HYAZINTH.
Was sagen Euer Liebden dazu?
CHRISTOPH.
Ja ja!
BAPTIST
hustet.
GREIF.
Belieben Ihre Hochgräfliche Gnaden mir ein Resolutum zu ertheilen.
HYAZINTH.
Unser Rath Greif soll ihn fragen: wie er empfangen zu werden denke.
GREIF
geht hinaus.
DIE DREI GRAFEN
sitzen ruhig, und sehen ernst und gerade vor sich hinaus.
FRIEDRICH
will mit ihnen reden.
JAKOB
der den Dienst hat, weiset ihn ab.
LUDWIG
hat gleichfalls etwas auszurichten.
JAKOB
bedeutet ihm mit der Pantomime vom Nachdenken und Schreiben, sie hätten Geschäfte.
LUDWIG
halb laut.
Was denn?
JAKOB
eben so.
Siehst du nicht?
LUDWIG.
Sie thun ja nichts.
JAKOB
droht ihm.
Sie regieren.
GREIF
kommt wieder.
Der Herr Graf Bardenrode sind alles zufrieden – es ist Ihnen einerlei, wie Sie empfangen werden.
HYAZINTH
steht auf.
So wollen wir ihm denn die rechte Hand – Nicht geben?
BAPTIST
fest.
Nein.
CHRISTOPH.
Ma foi! – Nein.
HYAZINTH.
Unser Rath Greif hat sogleich über den Vorgang ein Instrument ad Archivum zu machen.
BAPTIST.
Wie es dabei hergegangen.
[173]
FRIEDRICH
öffnet die Mittelthüre.
Excellenz, Herr Graf Bardenrode.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Vorige. Graf Bardenrode.

DIE DREI GRAFEN
gehen wegen der rechte Hand hastig und unordentlich auf die andere Seite.
BARDENRODE.

Meine Herren Vettern! es ist mir leid, daß Sie mir den Zugang erschweren – einem Manne, der durch die Rechte des Blutes Ihnen angehört. Ich meine es gut mit Ihnen; ich komme, Ihnen ein fröhlicheres Leben anzubieten – Sie einer Lebensart zu entziehen, die Ihnen Kummer und Verantwortung machen muß. – Liebe Vettern, wollen wir freundschaftlich zusammen reden?

HYAZINTH
sieht die andern an.
CHRISTOPH
trocknet sich die Stirne.
BAPTIST
sieht gerade aus.
BARDENRODE.
Geben Sie mir eine Antwort, die Ihnen Ehre macht.
HYAZINTH.
Hier! – unser Rath Greif. Geht ab.
CHRISTOPH.
Ja. Geht ab.
BAPTIST
will auch gehen.
BARDENRODE.
Onkel! – lieber Onkel! ein Wort –
BAPTIST
ängstlich.
Ich hoffe – – wir – werden bald wieder kommen. – Geht ab.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt.
Graf Bardenrode. Rath Greif.

BARDENRODE.

Viel! – Wahrlich viel! – Doch – ich beklage meine Vettern. Ah – Herr Greif! – An Sie wurde [174] ich ja gewiesen. Beantworten Sie mir die Klagen der armen Unterthanen.

GREIF.

O – da – wüßte ich auf tausend – daß ich so sagen mag – nicht Eins zu antworten. Das ist – hm! – Es überfährt mich eine Gänsehaut.

BARDENRODE.
Wobei?
GREIF.
So – eben – bei – ach! darüber ließe sich viel sagen.
BARDENRODE.

Genug – ich reise nicht ohne ein Resultat bewirkt zu haben, das hier der Menschheit Linderung schafft. – Und jetzt schaffen Sie mir eine Unterredung mit dem ältesten Grafen. – Gleich auf der Stelle schaffen Sie mir die.

GREIF
verlegen.
Ich eile, meine gehorsamste Schuldigkeit zu versuchen. Geht ab.
BARDENRODE.
Jakob! – Jakob!
JAKOB.
Ihre –
BARDENRODE.
Sage Er dem Fräulein – Zuvor hier das Er gibt ihm eine Börse. für Seine Treue.
JAKOB.

Treue ist keine Heuchelei – und was mein Herz mir sagt – laß ich mir nicht bezahlen. – Ich soll also dem Fräulein sagen –

BARDENRODE.

Daß der Graf Bardenrode den treuen Jakob nie vergessen wird – und daß ich meine Leopoldine beschwöre, mich hier zu sprechen. Gehe ich zu ihr, so verderbe ich alles.

JAKOB.
Ganz wohl. Geht ab.
14. Auftritt
[175] Vierzehnter Auftritt.
Graf Bardenrode. Graf Hyazinth. Rath Greif.

HYAZINTH.
Mein liebster Neffe – einen Kuß.
BARDENRODE.
Von Herzen, guter alter Onkel.
HYAZINTH
gutmüthig.

Ich war vorhin nicht böse,mon Neveu; – nur – weil wir eben damals repräsentirten – konnte ich nicht. – Jetzt sind wir unter uns – gleichsam inkognito. Jetzt wünsche ich Ihnen alle Prosperität, die so ein braver Kavalier verdient. – Umarmen Sie mich, mon Neveu.

BARDENRODE.
Onkel, verkennen Sie mich nicht.
HYAZINTH.
Nein, mein Lieber.
BARDENRODE
sanft.
Ihre Unterthanen leiden.
HYAZINTH.
Ja, es –
BARDENRODE.

Sie sind gedrückt – geplündert. – Sie bereichern sich nicht. Meine Tante hat Vermögen. Wollen Sie, um Fremde zu bereichern, Ihr Gewissen so verletzen, lieber, guter Onkel?

HYAZINTH
ängstlich.
Mein Gewissen? hm! ach –mon Neveu! – Was sagen denn die Unterthanen?
BARDENRODE.
Ich spreche nicht als Erbe – nur als Mensch –
HYAZINTH.
Die Baronesse –
BARDENRODE.
Ich kenne diesen Einfluß. Allein ist es nicht rühmlicher –
HYAZINTH.

Lieber Vetter – das ist gewiß! – Und ich will künftig fest daran arbeiten, daß – Er sieht langsam starr in eine Stelle, und geht dann schnell fort.

BARDENRODE.
Was heißt das?
[176]
GREIF.

Oft sehen der Herr Graf plötzlich etwas; Sie haben dies incommodum; – dann pflegen Sie den Ort schnell zu verlassen.

BARDENRODE.
Gewissen Leuten sind, glaub' ich, die Incommoda gar sehr bequem.
GREIF.
Ah – Madame la Baronesse!

Er macht ihr Platz und geht ab.
15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt.
Graf Bardenrode. Baronesse.
Verbeugungen in der Etikette.

BARDENRODE
geht dann zu ihr, will ihr die Hand küssen.
Gnädige Frau –
BARONESSE
erlaubt ihm den Backen.
Ich bin erfreut, mein bester Vetter, daß wir uns endlich wieder sehen.
BARDENRODE.
Erfreut? – Hätte ich das hoffen dürfen. –
BARONESSE.

Ach, meine Brust! – Ich bin ganz außer Athem – Ich hörte, daß Ihre Excellenz in meiner Antichambre waren – Hm! – Die Leute wissen niemals Unterschied zu machen.

BARDENRODE
bedeutend.
Einst war ich diesen Leuten –
BARONESSE.

Meine Nervenschwäche, lieber Graf, hat indeß sehr zugenommen. Ich bin ein armes, schwach besaitetes Geschöpf – Fremde Thränen – rauben mir den Schlaf. Ich bin so weich, so sanft gestimmt, daß – Und dazu die Grafen, die Geschäfte, Regierung, Korrespondenz und alles auf mir ruhen lassen.

BARDENRODE.
Meine Vettern werden dabei gewinnen.
BARONESSE.

Die Wünsche der Grafen tirannisiren mich. – Was werde ich ihnen noch aufopfern müssen! – Ab davon.[177] – Wie lange ist es nun, daß wir uns nicht gesehen? – Drei Jahre! Nicht? – Ja, ja! – Es war in der Zeit des letzten Balles – wo Sie den Tag zuvor – erinnern Sie sich noch? – mit mir bei Hofe speisten.

BARDENRODE.
Ich hatte das Unglück, Ihnen damals zu mißfallen –
BARONESSE
fremd.

Wie wäre das? – Ah – so! – Sie meinen das Gespräch an der Tafel? – Bagatellen! – die man für das Vergnügen der Gesellschaft soutenirt – und dann vergißt. – Da ich den Sieger schätze, mon Cousin, wie könnte ich ihn beneiden?

BARDENRODE.

Cousin? – und Schät zung? – Bin ich nicht Sohn? durch Sie so lange Zeit getrennt von meiner guten Leopoldine –

BARONESSE
pathetisch.
Herr Vetter, täglich empfehle ich diese Angelegenheit dem Himmel im Gebet.
BARDENRODE.
Leopoldinens Heirath –
BARONESSE.
Muß das Werk des Himmels sein.
BARDENRODE.
Er spricht durch unsre Herzen und aller guten Menschen Stimme.
BARONESSE.

Ich habe Pflichten für das Haus, aus dem ich stamme – für mich als Mutter – meine Tochter – für Sie, geliebter Vetter – und muß er warten, daß, was ich nicht einzusehen fähig bin, der Himmel lenke.

BARDENRODE.
Ich finde mir das Schloß verboten –
BARONESSE
erschrocken.
So ist das wirklich wahr?
BARDENRODE.
O – man hatte gar die Brücke aufgezogen.
BARONESSE.
Ist's möglich? Ich hörte in meinem Zimmer davon sprechen. Allein –
[178]
BARDENRODE.

Daß ich die Lage der Sachen hier nicht nützen will, beweiset die Ruhe, womit alle in ihre Häuser zurück gegangen sind. Allein der Sprecher der gedrückten Menschheit zu werden – das kann ich nicht versagen. Gewiß – man läßt die Menschheit hier sehr leiden.

BARONESSE.

Die Menschheit – Entsetzlich! – Doch, ich sehe jetzt nur die Schmach, die Sie erlitten haben. Ich opfere mein Vermögen meinen Vettern auf; – den Einzigen, der mir es sichern kann – der mir so nahe angehört – Sie, will man auch noch von mir trennen? – Das geht zu weit! Ich will doch sehen, ob man da, wo ich einiges Einflusses mich rühmen darf, Kavaliers so tief zu kränken sich unterfangen darf? – Die Grafen müssen Ihnen Abbitte thun. –

BARDENRODE.
Wie – gnädige Frau?
BARONESSE
ereifert.

Abbitte in Person. – Und wer dazu gerathen, wer den Befehl vollzogen – kassirt, ohne Ansehen der Person. Sie geht in des Grafen Hyazinth's Zimmer.

16. Auftritt
Sechzehnter Auftritt.
Graf Bardenrode. Hernach Leopoldine.

BARDENRODE.
Vermag sie das? – Fürwahr, dann kann sie viel.
LEOPOLDINE.
Ach, lieber Graf!
BARDENRODE.
Leopoldine! Er umarmt sie.
LEOPOLDINE.
Eilen Sie, mich zu retten! – Eh' die Sonne untergeht –
BARDENRODE.
Bist du die meinige?
LEOPOLDINE.
Nein, ach nein! Die Grafen –
BARDENRODE.
Sind zu gewinnen. –
[179]
LEOPOLDINE.
Womit? – Sie wünschen nichts. Meine Mutter haßt dich unversöhnlich.
BARDENRODE.
Sie zu besänftigen –
LEOPOLDINE.

Gilt nicht Opfer, That, noch Selbstverläugnung. Wenn sie haßt – so haßt sie bis in's Grab. – Noch heute wird man mich zum Altare schleppen, wo ich vor den Augen Gottes meineidig dich um dein Erbtheil und dein Weib betrügen soll.

BARDENRODE.

Leopoldine, tritt zurück! Sprich in der Gegenwart des Priesters und der glänzenden Versammlung, daß du die Gattin dieses Mannes zu sein verschmähst. – Mag dies Geschlecht doch länger dauern! – Ich trachte nach ihrem Erbe nicht. Der Himmel gab mir Unterthanen, die mich lieben – Sei ihre Mutter.

LEOPOLDINE.

Wie? wenn ich am Altare laut dein Weib zu sein bekenne, was droht mir dann? – Weiß ich, ob ich nicht ewig die Gefangene der neuen Gräfin werde?

BARDENRODE.
Nein – nein! Die Bande der Natur –
LEOPOLDINE.

Ach Wilhelm, wer in unserm Stande vom Wege der Natur einmal gewichen ist – der stürzt vom Irrthum zu der Thorheit, von der Thorheit tief in's Laster. Er opfert alles dem Gott, den er sich selbst gebildet, und ginge über Mann und Kind und Haus und Ehre der Weg hinauf. – Schimmer lockt – die Konvenienz befiehlt – ihm ist Natur – ein leerer Schall.

BARDENRODE.
Gut! Dann soll Gewalt –
17. Auftritt
Siebzehnter Auftritt.
Vorige. Figaro.

FIGARO.
Ah, gnädiger Herr! – Er verbeugt sich gegen Leopoldinen – Zum Grafen. Ist dies das Fräulein?
[180]
BARDENRODE
bejahet es.
– Zu Leopoldinen. Mein Freund Figaro –
FIGARO.

Der allem Scherz entsagen, und in la Trappe sein Leben enden will, wenn er dem lieben Paare nicht Hilfe schafft.

LEOPOLDINE.
Vergebens.
FIGARO.
Sorgen Sie nicht. Meine List –
BARDENRODE.
Nicht List! Das Recht muß mir –
FIGARO.
Recht ohne Macht? – O weh! – Darf ich offenherzig reden?
BARDENRODE.
Kennen wir uns seit heute?
FIGARO.

Ich finde, was man mir vorher gesagt – die meisten Häuser in Deutschland – groß durch Reichthum oder Rang – bestreben sich ängstlich,Ton de Cour zu haben – und deshalb geht alles durch Intrigue. Essen – Spielen – Jagen – Sonnenschein und Regen – schlafen – promeniren – alles, bei allem, in allem ist Intrigue. Habe ich in diesem Gewebe den Faden mit ergriffen, dann geht die ärgste Sünde mir hin – als etwas das zum Spiel gehört. Doch, will ich gerade gehen, so ist ein jeder Zug, den das Gefühl des Rechts ganz unbefangen gegen diese Hieroglyphe führt – Verstoß, ist Plumpheit, Mangel an Konduite – auch Bosheit – wenn der Kabale des Tages die Strenge nöthig scheint. Wenn wir nun gegen List und abgeschliffene Menschen – nur Schlauheit brauchen, sind wir, bei Gott, nicht böse. Leiser. Und jetzt muß ich Sie bitten, mir allein Gehör zu geben.

BARDENRODE.
Leopoldine! – Wir greifen nach der Hand, die uns errettet.
LEOPOLDINE.
Für dich bürgt mir dein Herz.
[181]
BARDENRODE.
Die Liebe –
LEOPOLDINE.
Die für so manche Thräne mich Arme endlich belohnen wird! Geht ab.
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt.
Graf Bardenrode. Figaro.

BARDENRODE.
Ah Baron –
FIGARO.
Pst – nicht so.
BARDENRODE.

Sie sind nun hier – Sie sehen nun selbst, was Sie bisher nur aus Erzählungen kannten. Was hoffen Sie für mich?

FIGARO.
Alles!
BARDENRODE.
Wahrlich? – Niemand erkennt Sie?
FIGARO.
Die alte Baronin nimmt mich für den Sieur Caron de Beaumarchais selbst.
BARDENRODE.
Ich könnte lachen, wenn ich nicht noch immer so viel fürchten müßte.
FIGARO.

Wenn sie wüßte, daß ich der – sehr deutsche Baron – Forst bin; vergiften würde sie mich für das Freundschaftsstück meiner Verwandlung, daß ich Ihnen, lieber Graf, so herzlich dedicire.

BARDENRODE.
Und was fordern Sie von mir? – Was habe ich jetzt zu thun?
FIGARO.

Ich verlange von Ihnen nichts, als daß Sie meinem Plan nicht entgegen sind. Haben Sie gegen die Baronesse von Ihrer Liebe für das Fräulein mit vieler Lebhaftigkeit gesprochen?

BARDENRODE.
Nein – Ich habe diese Saite nur berührt.
FIGARO.

Bravissimo! – Die Baronesse, so viel ich[182] merke, rivalisirt mit einer Gräfin Altenhain, hier in der Nähe –

BARDENRODE.
An Jahren, Rang, Geschmack für Frankreich –
FIGARO.
Hat diese keine Nichte – Tochter? – Ist keine Seele um diese Dame, die der Bewerbung lohnte?
BARDENRODE.
Die junge Gräfin ist ein liebes Mädchen.
FIGARO.
So weiß ich auch, daß Sie um diese junge Gräfin sich bewerben.
BARDENRODE.
Was? – Ich sollte –
FIGARO.

Nur ruhig! – Dem Fräulein hier entdecken wir die List zuvor – Sie waren zu Paris? Von dieser Reise sind Sie entzückt? –

BARDENRODE.
In mancher Rücksicht.
FIGARO.
Sie sind dem König vorgestellt? –
BARDENRODE.
Das heißt – ich bin – ich mit vielen andern – Sr. Majestät, indem Sie durch die Gallerie –
FIGARO.

Ihr Haushofmeister wird dies in der Zeitung schon zu benennen wissen. Sie sind genau und brüderlich liirt mit den Ministern?

BARDENRODE.
Durchaus nicht.
FIGARO.

Nicht? – Nun gut! – so bitte ich Sie, es dennoch zu behaupten – mit kaum halb gelesenen Briefen der Prinzen vom Geblüte nachlässig umzugeh'n – die Namen eines halben Dutzend von Düchessen in das gleichgiltigste Gespräch anständig zu verwickeln. – Nun wird ein Kästchen an Sie kommen – ein Kästchen mit Moden, von Mamsell Bertin aus Paris –

BARDENRODE
erstaunt.
Und diese Moden?
FIGARO.

Zu erfinden – zu besorgen – ist der Lohn,[183] den ich mir vorbehalte. – Diese Moden schicken Sie der Mutter, Gräfin Altenhain. Sie reden von der nächten Reise nach Paris – daß ohne Damen es Ihnen nicht gefalle, dort ein Haus zu halten.

BARDENRODE.
Und das Ende davon?
FIGARO.
Macht Ihre Heirath mit dem Fräulein.
BARDENRODE.
Nicht möglich! – Nein! – Sollte die Baronesse durch eine solche Farce von plötzlicher Bekehrung –
FIGARO.
Der Eifer der Gallomanie in Deutschland ist fanatisch. – Fanatiker sind immer blind.
BARDENRODE.
Die Grafen? –
FIGARO.
Fallen in Ihre Hand.
BARDENRODE.
Nicht einen Schritt, der meiner Vettern Ehre –
FIGARO.
Wir bessern sie inkognito.
BARDENRODE.
Ja, könnten Sie in Ihrem Plan die Klagen, die Noth der armen Unterthanen auch umfassen!
FIGARO.
Dem allen – wird abgeholfen.
BARDENRODE.
In lauter Scherz und Lachen!
FIGARO.

Abgeholfen. – Mit Ernst das Gute wollen, und es mit heiterm Sinn verbreiten – ist Wohltat. Heiterkeit der Seele ist Mutter großer Thaten.

BARDENRODE.
Mein lieber, mein bester Freund – den der Himmel mir – –
FIGARO.
Pst – pst – Gemach!
BARDENRODE.
Ich muß Sie umarmen, lieber Baron, und Ihnen herzlich danken –
FIGARO.
Figaro, Figaro! Kein andrer Name –
BARDENRODE.
Die List ist meine Rettung, kann ich das jemals wohl verdanken?
[184]
FIGARO.

Sie fanden mich zu Paris, des Lebens müde – im Glück, mit einer schönen Frau des Lebens müde – abgeschliffen von Intrigue und fader Politik. Ich sah in Ihnen jede Tugend herzlicher Gefälligkeit sich mit den Künsten paaren – sah jedes Gute häuslicher Zufriedenheit, in allem Sturme unserer prächtigen Welt, mit Ihnen festen Schrittes wandeln – Ich warf mich ganz in Ihre Arme – Sie stimmten mich herab, um mich noch höher zu erheben – Sie lehrten mich, wie reich ich bin – durch Heiterkeit und durch mein Weib. Ich komme in mein Vaterland zurück, finde meinen Freund verwickelt, gequält von Vorurtheil und Bosheit. – Schnell erwacht der Gedanke, mit angenommenem Stempel ihm zu nützen. Es gelingt – Bin ich nicht glücklich, da das Schicksal Dankbarkeit mir möglich macht?

BARDENRODE
drückt ihm die Hand.

So handeln Sie. – Doch, was die Baronesse betrifft – sie kommt – so ist sie meiner Leopoldine Mutter. Geht ab.

FIGARO
ihm nachsprechend.
Wir lachen, bessern, helfen und genießen inkognito.
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt.
Figaro. Baronesse.

BARONESSE.
Sie sind allein? – Vergeben Sie. –
FIGARO.

Der Graf war hier. Der ist's? Ich kenne ihn von Paris, und will die Garantie sehr leicht von ihm erhalten. Allein, was mir ganz Ihren Beifall schaffen soll, ist die Art, womit ich dem Grafen Hyazinth ein gewisses Kapital verschaffen will. Nur bitte ich, daß Ihr Chargé [185] d'affaires, Herr Greif, verständiget wird, daß ich mit Ihnen einverstanden bin.

BARONESSE
klingelt.
20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt.
Vorige. Jakob. Hernach Rath Greif.

BARONESSE.
Rath Greif!
JAKOB.
Sie kommen eben. Er ruft aus der Mitte. Herr Rath! Geht ab.
GREIF
tritt ein.
BARONESSE.
Herr Greif, was Ihnen auch Herr Figaro befehlen und sagen wird – es ist mit meinem Wissen.
GREIF.
Sehr wohl.
BARONESSE.

Jetzt gehen Sie gleich zum Grafen Baptist, und melden ihm, daß mancherlei Raison es fordere, daß er die Sperrung des Schloßthores auf sich nehme, und deshalb Bardenroden um Verzeihung bitte.

GREIF.
O dafür stehe ich leicht. –

Er geht in des Grafen Baptist's Zimmer ab.
BARONESSE
ihm nach.

Er soll noch vor der Tafel um Verzeihung bitten. Zu Figaro. Schaffen Sie mir die Garantie – dann wollen wir auf Hochzeitsfeste sinnen, geschmackvoll – prächtig – wie es keine gab.

FIGARO.

Belustigen kann ich hier minder, wie einst zu Aquas-frescas. – Dem widerspricht das Einerlei der Thorheit, die mir dient. Ob ich vielleicht mehr nützen kann?

BARONESSE
eifrig.
Ja nutzen – nutzen, das ist meine Losung.
FIGARO.
Und mein Ziel.
BARONESSE.
Wenn Sie's erreichen –
[186]
FIGARO.
Laß sehen; mein Wille ist es.
BARONESSE.
So lohnt Sie –
FIGARO
warm.
Der Triumph der guten Sache.
BARONESSE.
Und alle Deutschen – die so –
FIGARO.
Im echten Biederton reden –
BARONESSE
lachend.

Das sind besoffene – wie sie sich auch – ha ha ha! – in alter deutscher Redlichkeit – ha ha ha! vor Phi – lippsburg am Rhein erschlagen ließen. – Der Gewinn, mein lieber Figaro –

FIGARO
lacht.
Ist unser.
BARONESSE
noch mehr lachend.
Das Gelächter –
FIGARO.
Ha ha ha! über die, die sich so weise dünkten –
BARONESSE.
Ha ha ha! und doch betrogen wurden!
FIGARO.
Ha ha ha! und doch betrogen wurden!
BARONESSE.
Ehrt Ihr Genie! Sie geht in die Mitte ab.
FIGARO
indem er zum Grafen Hyazinth geht.
Bravissimo! Mehr will ich nicht!

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Graf Christoph. Graf Hyazinth. Figaro.

CHRISTOPH
im Heraustreten aus Hyazinth's Zimmer.
Dabei bleibt's.
HYAZINTH.
Wohl! Euer Liebden thun dem Fräulein also die Erklärung.
CHRISTOPH.
Bitte unterthänigst, mich ja nicht zu begleiten.
HYAZINTH
komplimentirend.
Bis an die Thüre nur.
CHRISTOPH
ebenfalls.
Wir sind ja entre nous.
[187]
HYAZINTH
protestirend.
Ich kenne mein Devoir.
CHRISTOPH
unter Verbeugungen abgehend.
Zu allem reciproce verbunden.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Graf Hyazinth. Figaro.

HYAZINTH.
Der Rath Greif hat also Vermögen?
FIGARO
bedeutend.
Er hat.
HYAZINTH.
Das konnte ich niemals penetriren! Sie sagen – zwanzig –
FIGARO.
Tausend Thaler.
HYAZINTH
erstaunt.
Die er uns leihen will? Indem er auf sich deutet.
FIGARO.
Ganz zuverlässig! ob mir's gleich Künste kostet, das zu vollenden.
HYAZINTH.
Ecoutez! – Mit so genauem Rechte kann er die Summe nicht erworben haben.
FIGARO
hell lachend.
Das denke ich auch.
HYAZINTH
verlegen.
Mais – c'est un homme d'Esprit!
FIGARO
feierlich.
Assûrément!
HYAZINTH.
Wie brachten Sie es nur von ihm heraus, daß er Geld hat?
FIGARO.

Ich fragte in Dero Namen, und machte es zur Bedingung, ob er auch ein Vermögen habe, als Edelmann sich anständig zu zeigen? In der ersten Begierde ließ er mich in Buch und Beutel deutlich blicken; da hielt ich fest auf dem Darlehen von diesem Kapital.

HYAZINTH.
Scharmant!
FIGARO.

Dann die Hypothek, die ich ihm wichtig machte[188] – ohne sie zu nennen – die Art, womit ich sehr geschickt die Baronesse einmischte – das Geheimnisvolle – die Hoffnung hoher Zinsen, die schon den Klügsten –

HYAZINTH.

Ich hätte dennoch den Greif nie reich geglaubt. Die Einfachheit in seinen Sitten, seiner Kleidung – Er schien mir immer –

FIGARO.

Gnädiger Herr, die Kunst zu schei nen – ist es, worin die mittelmäßigen Köpfe stets unerreichbar bleiben werden.

HYAZINTH
tief denkend.
Wie nehme ich das?
FIGARO.

Wer in der Mode um fünfzehn Jahre stets zurück geblieben ist – in Geschäften exakt pedantisch, sich an die Spitze drängt – Almosen gibt – vor jedermann sich bis zur Erde beugt – die Hände drückt – zu allem lächelt – bedächtig spricht – in grobes Tuch sich kleidet – wenn ein Platzregen fällt, zu Fuße bleibt – viel hoffen läßt – für niemand sich verwendet – in Kirchen laut über seine Sünden ächzt – an allen Thüren die lieben Kinder lobt – indem er über aller Menschen Glück und Köpfe steigt, doch über seinen Fall in tiefem Gram versunken scheint – der – der dies alles kann – das Ab und Zu davon geläufig hat – der plündre eine Monarchie – verrathe so schrecklich, wie er wolle, die Menschheit – in schützt die Außenseite! Wagt jemand diese Larve aufzuheben – so liegt in allen diesen sanften Außenseiten das Gift verborgen, das ihn tödtet.

HYAZINTH
applaudirt ihm.

Bravo! Sie haben gut gesprochen. Ernst. Auch amusant. Er bewegt den Chapeaubas. Ich achte mich Ihnen von Herzen obligirt.

3. Auftritt
[189] Dritter Auftritt.
Vorige. Rath Greif.

GREIF.
Ihre Excellenz haben allermildest mir durch Herrn Figaro –
HYAZINTH.
Ja, wir nehmen das Kapital.
GREIF.
Höchst gnädig! Wirklich ist es mein sauer, sehr sauer er –
HYAZINTH
kalt und laut.
Wo hat man denn das Geld?
GREIF
ängstlich.

Herr Figaro sagt mir, daß – Dieselben – da doch unsre Tage in Gottes Hand stehen – wegen meiner armen Würme von Kindern – eine – eine éclatante Sicherheit, für meine blutarmen Nachkommen –

HYAZINTH
gibt ihm ein Papier.
Man lese die Versicherung.
GREIF.
Ach, Höchstdieselben haben gar selbst geschrieben!
HYAZINTH.
Wir wollen die Sache nicht in Jedermanns Munde haben.
GREIF
sehr ernst.

Keine Silbe über meinen Mund.Liest. Mit gnädigster Erlaubniß will ich den Eingang übergehen. – »Und geben als Pfandschaft, Sicherheit und Verbürgung, den – Erblaßt. von Ariel zu heben – den gewiß versprochenen Familienschatz.« Er sieht starr in den Boden.

FIGARO
lacht.
HYAZINTH.
Nun, zähle Er auf.
FIGARO
rüttelt ihn auf.
Ich helfe.
GREIF
halb laut.
Daß Gott erbarme!
HYAZINTH
freundlich.
Was meint Er?
GREIF.
O – ich – sinne nach –
HYAZINTH.
Worauf?
GREIF
die Hände ringend.
Hm! – Ariel – Herr Figaro! Ariel?
[190]
FIGARO.
Ist ein sehr berühmter Geist.
HYAZINTH.
Das weiß Greif wohl. – Wie oft hat er mit mir vor Ariel gezittert!
GREIF.
Ich zittre wirklich jetzt. – Herr Figaro! –
FIGARO.

O Sie, der Sie den Herrn Grafen oft in himmlische Entzückungen durch Geister setzen – wie sind Sie zu beneiden! Denn um die Zeit, wo Ihnen Ariel erscheint – sind auch mit uns ganz andere Dinge vorgegangen.

HYAZINTH
mystisch.
Ganz andere Dinge.
GREIF
schlägt die Hände zusammen.

Heilsamere, das glaub' ich gerne. Allein – der Ariel – ist so nicht – ach – wie soll ich, bei der Ehrfurcht, die ich für ihn fühle, mich recht ausdrücken? – ist so – nicht responsable – Die Fonds, auf die der Ariel anweisen darf – sind –

HYAZINTH.
Tief in der Erde von meinen Ahnherren einst verborgene Schätze.
GREIF.

Könnten nicht die hohen Anverwandten mir es ungleich deuten, so alter – alter Schätze mich theilhaft gemacht zu haben? Wenn Sie deshalb beliebten, auf das – was Dero liebe Ahnen – so – in solidis – allhier zurück zu lassen hoch geruhten – mir eine feste Weisung –

HYAZINTH.
Greif, man zeige sich nicht widerspenstig.
GREIF.

Nicht im geringsten – Allein die Schwäche der menschlichen Vernunft – und väterliche Zärtlichkeit – die quälen mich bei dem Gedanken – zwanzigtausend bare Thaler – auf Geister und unterirdische Deposita – so – so – Er trocknet sich den Schweiß ab. Herr Figaro –

FIGARO.

Ja, ja! – Ich muß als Zeuge mich hier unterschreiben. Er reißt ihm das Papier weg und schreibt. Auf's Wort von Ariel – von Ihro Excellenz – und zehn Prozent.

[191]
GREIF.

So eben fällt mir bei – Herr Willner hat in wichtigen Geschäften vorzutragen. Er öffnet die Mittelthüre.

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Vorige. Inspektor Willner.

GREIF
will fort.
HYAZINTH.
Greif, man bleibe hier. Es ist ja noch nicht dargezählt.
GREIF
sucht ängstlich mit Figaro zu sprechen.
FIGARO
weicht ihm aus.
HYAZINTH.
Willner, Er mag reden. – Greif, wir wollen gleich das Resolutum fassen.
WILLNER.

Abgesandt von Ihren guten Unterthanen, die, neben hartem Mangel, noch in Unwissenheit verwildern, bin ich gekommen, um für die Schulen dieses Landes um Unterstützung Sie zu bitten – um Errettung vom gänzlichen Verderben für Lehrer und Unterthanen.

HYAZINTH.

Geh' Er zum Superintendenten. Er setzt sich. Wir sollen wohl am Ende noch Schulmeister abgeben? – Was man nicht alles jetzt verlangt!

WILLNER.
Der Stand, der Ihre Unterthanen zu guten Menschen bilden soll, ist Ihrer Sorge werth.
HYAZINTH
ruft Figaro auf seine rechte Seite.
Er spricht sonst ganz manirlich. – Nicht wahr, mein lieber Figaro?
FIGARO
Pause.
In Frankreich – ist das jetzt der neueste Ton, das Volk durch guten Unterricht zu bilden.
HYAZINTH
leise, verwundert.

Ist das? – nimmt man Notiz davon? – Ich thue – nun gut! – ich thue dann sicher, was ein anderer Kavalier auch thut. Laut. Was meint [192] Er denn, mein lieber Willner, daß für die Schulen wohl am besten –

WILLNER.
Daß nur die armen Lehrer anständig leben könnten.
HYAZINTH.
Ich habe – vor acht Jahren – eine Summe angewiesen.
WILLNER
zuckt die Achseln.
HYAZINTH.
Wie war's denn, Greif?
GREIF
tritt vor.
Sie ist verwendet worden.
WILLNER
blickt ihn ernst an.
Dächer sparsam auszubessern.
HYAZINTH
erschrocken.
Die ganze Summe? – Hm! – wie war's denn, Greif?
GREIF
ruhig.
Theuerung machte damals das Bauen kostbar.
HYAZINTH.
Das Bauen kostbar! – Nun freilich wohl.
WILLNER.

Es ist ein Unglück, gnädiger Herr, bei so viel Gutem in unserm Vaterlande, daß meistens wir übertreiben, oder völlig unterlassen. – Indem der eine Theil von deutscher Jugend verkünstelt wird – heran wächst in Verhältnissen, die er hernach, wenn er erwerben soll, entweder gar nicht, oder doch geringer findet: so schmachtet der andere in finsterer Barbarei. – Das Volk ist ohne Unterricht in Plagen alt geworden. – Man gibt ihm nicht Begriffe von Pflichten, noch Gesetzen, und fordert doch so viel von ihm.

HYAZINTH.
Was will Er nur? – Ich fordre nichts.
WILLNER.

Ach, gnädiger Herr, verzeihen Sie meinem Eifer! – Allein mich dünkt, die Akten so mancher Kriminalprozesse hätten uns bewiesen, der ärgsten Laster Ursache war meisten Theils Unwissenheit von Pflichten und Gesetzen. Der Gedanke, daran Schuld zu sein, muß bei der Unterschrift des[193] Urtheils den Richter sehr verlegen machen, wer wohl mehr Recht zu fordern hat – die Menschheit vom Verbrecher? – oder von seinem Richter der Unglückliche?

GREIF
sich vordringend.
Die Sache sorgsam durchzugehen – könnten Ihre Excellenz sogleich mit mir in Ihrem Zimmer –
FIGARO.

Menschlich und weise ist das gedacht. – Frisch! – Ihrem Herrn das Geld hieher gezählt – und dann mit leichterm Muthe zur Arbeit für die Menschheit!

GREIF
ängstlich.
Das Geld – habe – ich –
FIGARO.
In diesen Taschen. – O wie die Summe ihn zur Erde zieht!
GREIF
heimlich.
Barmherzigkeit! – Barmherzigkeit!
FIGARO
nimmt den Grafen bei Seite.

Er will, um Ihnen zu gefallen, bessere Sorten suchen – Indessen – damit Sie für die Noth des Landes etwas thun – so fordern Sie auf Abschlag ein paar tausend, und machen davon die Eintheilung für gute Lehrer.

HYAZINTH.

So fundire ich das Gedächtniß meines Namens. Sie haben Recht. – Herr Greif – ich kann mich mit Empfang der ganzen Summe jetzt nicht befassen.

GREIF
bei Seite.
Gott Lob!
HYAZINTH.
Doch gebe man mir sogleich vier tausend Thaler.
GREIF
bei Seite.
O weh! – vier tausend Thaler? – Ein scharfer Griff!
HYAZINTH.
Das übrige den Nachmittag.
GREIF.
Wenn Hochdieselben zuvor auf's klärlichste bestimmt –
FIGARO.
Indessen die vier tausend –
[194]
GREIF.
Ach – Wenn – Ich bin in einer wunderbaren –
HYAZINTH.
Man hängt – wie ich sehe – gar viel am Zeitlichen?
GREIF
gibt zitternd vier Rollen hin.
HYAZINTH
gibt sie Willnern.

Vier tausend Thaler, die lasse Er wohlbelegen – und von den Zinsen, will ich, daß den Schulen aufgeholfen werde.

GREIF
bei Seite.
O zum Teufel! – für Schulmeister!
WILLNER.
Diese Denkungsart ist Ihrer Abkunft würdig.
HYAZINTH.

Das hat Er gut gesagt! – Nicht wahr, mein liebster Figaro? Zu Willner. Nun hör' Er, von dem Gelde will ich, daß alle Jahre, so lange die Welt noch steht, in jedem unserer Dörfer – am Hyazinthustage eine Rede komponirt und auch gehalten werde. Wer dann die beste Rede liefert – Er sieht ihn lächelnd an. dem werde der Ertrag von diesem Kapital.

WILLNER
niedergeschlagen.
Doch, wenn nun jedem armen Lehrer gleiches –
HYAZINTH.
Versteht Er? Wer die beste liefert.
GREIF.

Ihre Excellenz vergessen die hohe Heirath. – Kredit, Geschäfte, alles ruht darauf. Man muß die Sache schnell betreiben.

HYAZINTH
ärgerlich.
Nun ja doch – ja! Kommen Sie, Figaro.
WILLNER
warm.
Darf ich noch einmal bitten? Ach es ist –
HYAZINTH
klopft ihm auf die Schultern.

Ja – ja! – Es bleibt dabei – am Hyazinthustage. – Wir bleiben Ihm in [195] Gnaden wohl gewogen. – Kommen Sie, begleiten Sie mich, Figaro!


Er geht mit Figaro Arm in Arm ab.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Rath Greif. Willner.

GREIF.
Wer Teufel führte Sie denn her?
WILLNER.
Der warme Eifer für –
GREIF.
Ach kalter Herr Inspektor – das war bestellt.
WIENER.
Mein Herr, die wenigsten der Unterthanen können lesen.
GREIF.
Um desto besser.
WILLNER.
Schreiben – fast gar keine.
GREIF.

Die werden ihr Glück recht sicher machen. A propos vom Schreiben – geben Sie mir das Geld zurück, ich will Sie steinreich machen. Ich schaffe Ihnen die Konzession, nachzudrucken was Sie wollen.

WILLNER.
Ich stehle niemandes Eigenthum.
GREIF.

Herr, die ersten Werke der Welt, auf Löschpapier gedruckt, den Bogen Einen Pfennig – in acht Jahren kaufen Sie die Grafschaft. Sie können ein Schild aushängen –

WILLNER.
Es ist Betrug.
GREIF.

Sie können Privilegia darüber bekommen; Sie können dem Staate sehr wichtig werden. Die Autoren mögen schreien und hungern, Sie werden geschützt.

WILLNER.
Eine schreiende Ungerechtigkeit, die –
GREIF.

Die Eurer ehrwürdigen Zunft beweiset, daß man sie für gar nichts achtet. Ein Privilegium gegen den [196] Nachdruck wird gerade so viel geachtet, wie ein Verbot gegen das Gassenbetteln. Also –

WILLNER.

Weil es denn gar so mancherlei Begriffe von Pflicht und Recht gibt, daß auch Diebstahl zu Recht werden kann, so –

6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Vorige. Baronesse. Hinter ihr Leopoldine.

BARONESSE
stürmt herein.
Nein – das – das hätte ich nie geglaubt! Sie setzt sich auf's Kanapee.
LEOPOLDINE
ihr nach, zu ihren Füßen.
Sie fordern, was über meine Kräfte ist.
BARONESSE
steht auf – wüthend.
Verstumm', Unglückliche!
LEOPOLDINE
tritt zurück.
Ach Gott!
BARONESSE.

Greif, lassen Sie das Instrument von dem Notar, das zu der Zeremonie gehört – lassen Sie die Schloßkapelle und alles zu der Feierlichkeit bereiten.

GREIF.
Sogleich. Geht ab.
LEOPOLDINE.
Ach Mutter, liebe Mutter!
BARONESSE
dem Rath Greif nach.
Ohne einen Augenblick Verzug! Ich opfere lieber die Garantie, als –
LEOPOLDINE.
Lieber alles, als Ihre Rache?
BARONESSE.

Als das Gefühl für die gekränkte Ehre. Herr Willner! Gut, daß Er hier ist. Er hat ja meine Tochter im Christentum unterrichtet – Jetzt sag' Er ihr, daß alle Flüche der Natur auf einer Tochter ruhen, die ihre Mutter durch Ungehorsam tödtet. Sie setzt sich entkräftet.

LEOPOLDINE.

Bin ich deß fähig, Willner? – Lieber Willner[197] – ich, die um ein gutes Wort von meiner Mutter von jeher alles that – auch was mir keine Freude machte?

BARONESSE
steht rasch auf.

Da hört Er's doch! Es macht ihr keine Freude mir zu gehorchen! Da sieht Er doch, was Er aus ihr gezogen! – was ich Ihm schuldig bin!

WILLNER
der beim Eintritt der Baronesse sich zurückgezogen hatte.
Gnädige Frau – ich kann mich kaum erholen –
BARONESSE.

Das ist ein Resultat von Eurer Aufklärung, von Euern Sitten – von der Erziehung Eurer Deutschen! – O – seht Euch nicht an! gebt Euch nicht Zeichen! Ihr habt die volle Macht Euch über die Moralität von meinem Plan im Mondscheine zu unterhalten! – Empfinde wie du willst – handeln mußt du wie ich will! – Was Ehre ist – weiß ich – will ich nicht von Schulmeistern lernen – von achtzehnjährigen Töchtern nicht. Ich werde ordnen – und du – du wirst gehorchen.

LEOPOLD
verzweifelnd.
Oder sterben.
BARONESSE
hingeworfen.
Wenn dir es –
WILLNER
fällt schnell ein.
Nein, Fräulein! Sie verkennen die Frau Mutter. – Der Mutter Pflicht wird sie niemals vergessen.
BARONESSE
sanfter.
Ich übe sie – indem ich ihr den Grafen Boga zum Gemahl bestimme.
LEOPOLDINE.
Den ich nicht lieben kann! – Ist der, dem ich mein Herz gegeben, wohl dessen unwerth?
WILLNER
mit Wärme.
Und hatten Sie nicht selbst vor wenig Jahren noch den Plan mit Ihrer guten Tochter?
LEOPOLDINE
nimmt ihrer Mutter Hand.

Da freuten Sie sich meiner Zärtlichkeit – und wenn ich weinte, als er abwesend war, so schlossen Sie mich fest in Ihre Arme und sagten:[198] – »Er ist ja dein! Sei ruhig, gutes Mädchen!« Jetzt soll ich ihn verlieren und nicht weinen? – soll in den Armen des Grafen Boga sterben und nicht weinen? – O meine Mutter – gute Mutter! – fühlt denn Ihr Herz nichts mehr für Ihre Tochter? – für Ihre einzige Tochter nichts, die Sie so herzlich liebt, und um Erbarmen, um Ihr zärtliches Versprechen, um das Wort des Trostes: »Er ist ja dein!« so innig, so herzlich bittet?

BARONESSE
nach einer tiefen Pause und bedeutendem Blick, öffnet die Arme.
Embrassons-nous, ma fille! Ernst. Willner, entferne Er sich.
WILLNER
geht ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Baronesse. Leopoldine.

LEOPOLDINE.
Ach, meine Mutter weint – weint um ihr Kind!
BARONESSE.

Ja, liebes Kind! ich muß die Schwachheit nur gestehen. Sie hält das Tuch vor. Es gibt der Augenblicke, wo auch der Weiseste –Sie trocknet die Augen. Hierauf sehr ernst. N'en parlons plus! – Genug, daß auch ein König die Gefühle seines Herzens nicht ganz unterdrücken kann.

LEOPOLDINE.
Ach, das muß niemand können!
BARONESSE.
Leopoldine! Du bist jung – du kannst die Welt nicht kennen. Laß deine Mutter hierin walten.
LEOPOLDINE.
Recht gern! In diesem Augenblick, wo Ihr Herz so lebhaft spricht –
BARONESSE.

Würde es mir eine Thorheit rathen? Glaube mir – ein Herz – ein gutes Herz – ein sogenanntes großes Herz – ist allerdings ein Etwas – darauf wir, bei [199] denen, die wir brauchen, sehr zu sehen haben; und in so weit ist mir's respectable. Allein für uns selbst ist es vocable!

LEOPOLDINE.
Mein Gott! Ach! so ist Bardenrode nicht –
BARONESSE.

Mich erzürnen die modernen Philosophen. Sie hängen den Schild nicht aus; – allein von innen ist's dasselbe. Wie könnten wir bei den Pflichten unsers Standes unseren Sentiments, bei unserer Ambition, jemals ein Sistem von Festigkeit erlangen, wenn wir den Wallungen des Herzens folgen wollten? Laß also den Haufen alles danach benennen. Was wir zufällig thaten – nenn' er ein gutes Herz! Das Opfer, das wir nicht länger zu vermeiden wußten – ein großes Herz! Allein die Fahne, zu der wir schwören, ist Verstand. – Aus dem Gesichtspunkte wirst du mich begreifen, wirst mir die Sentiments von Zärtlichkeit erhalten, die mich doch gleichwohl öfters konsolirt. Seufzt.

LEOPOLDINE.
O mein Herz – mein armes Herz! – Ach, löschen Sie mich auf dem Stammbaume aus!
BARONESSE
streng.

Vernünftig! – Vernünftig, meine Tochter! Was deine Leidenschaft betrifft – wenn du sie überwindest, so würde mir es wohl gefallen; kannst du es nicht – so wirst du dennoch – dafür sorgen, daß du den Namen der Gräfin Boga mit Décence trägst.

LEOPOLDINE.

Nein, nein! – Aus Ihrem Herzen kam das nicht. Sie glaubten zu meinem Trost den Mittelweg zu finden – und in der Angst – Nein, Mutter! Habe ich dem Onkel meine Pflicht gelobt, so ist sie mir auch heilig.

BARONESSE.
Nun, so entschließe dich.
LEOPOLDINE.
O Gott! wer rettet mich!
8. Auftritt
[200] Achter Auftritt.
Vorige. Graf Christoph.

CHRISTOPH.
Ah ça! Wie steht's? – Komme ich –
BARONESSE.
In dem Augenblick, wo sie endlich der Vernunft Gehör gegeben hat.
CHRISTOPH.
Sie liebt mich also? Brav! Auch bin ich zum Seufzen gar nicht eingerichtet.
LEOPOLDINE
entschlossen.
Herr Onkel, wenn Sie auf Liebe Anspruch machen –
BARONESSE
tritt dazwischen.

Ich lasse Sie allein. Ueber eines Mädchens Widerspenstigkeit wird doch ein Herr, der so, wie Sie, in Schlachten war, zu siegen wissen. Geht ab.

9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Graf Christoph. Leopoldine.

CHRISTOPH.
Setzen Sie sich – ma chère Nièce! Nehmen Sie eine vortheilhafte Disposition.
LEOPOLDINE.
Ach theurer Graf, wenn Sie jemals –
CHRISTOPH
fällt ein.
Das ist genug! Ich bin desarmirt! Theurer Graf, das ist schon viel.
LEOPOLDINE.
O wenn Sie gütiger mit mir verführen als meine Mutter, wie sollte die herzlichste Dankbarkeit –
CHRISTOPH.
Ma Nièce! Sie geniren mich; ich bin das nicht werth. Wir sind schon einig.
LEOPOLDINE
will reden.
CHRISTOPH.

Aber darin haben die gnädige Mama Recht, wie Sie sagten: – »Ein Herr, der in Schlachten gewesen ist!« – Ja, wer in einer Schlacht ist – so in einer rechten Schlacht, der – macht Augen.

[201]
LEOPOLDINE
unruhig.
O lieber Onkel, davon –
CHRISTOPH
schnell.
Wissen Sie nichts? Ich erzähle es Ihnen gern.
LEOPOLDINE
ängstlich.
Ich meine –
CHRISTOPH
mit Feuer.

Die große Bataille, wie ich sie zu nennen pflege. Sehen Sie – der Tag brach eben so hinter dem Walde an; wir waren in den Zelten, so war es nun – – es war – sechs Uhr? – ja! – sechs Uhr! – Vor uns – war der Wald. – So – so – in einem Triangel. Auf einer Höhe – so. – Da kam der Feind – Daß ich's recht sage – es war halb sechs Uhr – nicht sechs Uhr. Man muß nicht Unwahrheiten sagen. Es gibt aber so Leute, die, wenn sie vom Kriege erzählen, nicht bei der Sache bleiben. – Es war halb –

LEOPOLDINE.
O guter Gott!
CHRISTOPH
lächelnd.

Hilf uns aus dieser Noth! – Ja – so beteten wir damals alle. Nun kommt die Armee aus dem Walde, so en Front – gegen uns –Heftig. und nun – nun – Er denkt nach. Warten Sie, ma Nièce – Im höchsten Feuer. Ja, erst schrien die Feldposten, und dann kam die Armee. Oder eigentlicher zu reden – die Armee griff die Feldposten an – und nun schrien sie – und dann beteten wir: »O großer Gott!« Sehen Sie – in der Stille, ein Stoßseufzer war das nur. Nun, was war zu thun? – Ich lag im Zelte, und so kam denn die Armee –

LEOPOLDINE
steht auf.
Herr Graf – verzeihen Sie, es ist unmöglich –
CHRISTOPH
erboßt.
Unmöglich? – Er steht auf. Ma Nièce, das verbitte ich mir.
LEOPOLDINE.
Sie erklären mich unrecht –
[202]
CHRISTOPH.

Ei was, ich war deutlich genug! – Nichte – Sie haben mich sehr alterirt. Wissen Sie, man hat einen Riß, wo die Ordre de Bataille – Entre nous! wenn wir vermählt sind, müssen Sie niemals an meiner Parole zweifeln; das könnte Ihnen meine Ungnade zuziehen. – Man hat einen Riß, auf dem ich mir mein Gezelt und den Vorfall habe andeuten lassen.

LEOPOLDINE
welcher plötzlich der Gedanke kommt.
Verzeihung! – Ach – ließen Sie sich wohl erbitten, mir jetzt den Riß zu zeigen?
CHRISTOPH.

Ah, ma Nièce! Vous êtes charmante! Nichte, Sie sind so artig, daß man schwören sollte, Sie wären nicht in Deutschland erzogen. – Meine Fata interessiren Sie? – Das verdiente einen Kuß!

LEOPOLDINE
küßt ihm die Hand.
CHRISTOPH.
Der Respekt darf künftig etwas zessiren, wenn Sie einmal Gräfin Boga sind.
LEOPOLDINE
schmeichelnd.
O – der Riß –
CHRISTOPH.

Noch eins! Er setzt sich. Nièce, Sie grüßen zu gemein. Sehen Sie, Er läßt sie sich setzen. als Baronesse konnten Sie das etwa thun, aber als regierende Gräfin – nicht. Weder auf der Promenade, noch in der Kirche. Mein hochseliger Herr Vater pflegten zu sagen: – »Nur immer das Bürgervolk in der Ferne gehalten, daß sie nicht dahinter kommen, wie es ist!« – Sehen Sie, Sie müssen grüßen – so – ja so, wie neulich die allerliebste ungezogene Baronin, die so gratiös einwärts ging, wie mit kranken Füßen. – Die Augen über den Menschen hinaus, und nur den Hals ein bischen gebogen. Es sagt so: Er steht auf. verstehen Sie mich? – »Ich bin nicht irdisch,« – oder: – [203] »ich bin die regierende Gräfin,« – und hat so ein nobles Etwas – daß die Leute lieber in den Gassen umwenden, als uns begegnen. M'entendez-vous? – Ich hole den Riß. –Er geht zur Seite ab.

LEOPOLDINE
hastig.

Er ist fort! Wie nütze ich diesen Augenblick? Sie sieht auf Hyazinth's Zimmer. Zu ihm? – Ja – Verzweiflung gibt mir Beredsamkeit.


Sie geht hastig an des Grafen Hyazinth's Zimmer.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Leopoldine. Graf Hyazinth. Figaro.

HYAZINTH
der ihr an der Thür begegnet, läßt sie gleich umkehren.
Wie mag man doch nur ungemeldet – Er sieht bedeutend umher. Wo ist denn die Livree?
LEOPOLDINE
ängstlich, und mit einer durch den ganzen Auftritt immer mehr steigenden Verzweiflung.
Im Corridor – Ich weiß es nicht – Ach, lieber, bester Onkel, ich bin verloren.
HYAZINTH.
Hat jemand Ihnen denn manquirt?
LEOPOLDINE.
Ach nein – Barmherzigkeit! – Ich komme, Ihre Hilfe ansehen.
FIGARO.
Erlauben Ihro Excellenz, daß ich dem Herrn Grafen Baptist aufwarten darf?
HYAZINTH.
Wir sind es wohl zufrieden.
FIGARO
geht dahin ab.
HYAZINTH
kalt.
Barmherzigkeit? – Wer ist der Supplikant?
LEOPOLDINE.
Hier, Ihre arme Nichte Sie stürzt ihm zu Füßen. die Ihre Knie umfaßt, und um Erbarmen weint.
HYAZINTH.

Mein Gott! Er legt die Hand auf's Herz. Wie haben wir uns alterirt! Stehen Sie doch auf. Er faßt seinen [204] Puls. Die Emotion war stark – Erbarmen, sagen Sie? – Weshalben?

LEOPOLDINE.
Man will an Ihren Bruder mich verkaufen – der mich nicht liebt – den ich nicht liebe. –
HYAZINTH.
Nur langsam, daß man es auch kapire. Sie sagten –
LEOPOLDINE.
Ach, daß ich einen andern liebe – daß man mich opfert –
HYAZINTH.
Einen andern? – Sie liebten vielleicht uns?
LEOPOLDINE.
Wie – uns?
HYAZINTH.
Ja! Uns – den ältern Herrn? Ich ließ das der Frau Mutter gleich bemerken, allein –
LEOPOLDINE.
Ich ehre Sie wie meinen Vater, liebster Graf.
HYAZINTH.
Das war scharmant gesagt, Nièce!
LEOPOLDINE.
Doch, meine Liebe – gehört dem Grafen Bardenrode.
HYAZINTH.
Ich bin nicht gegen ihn. Doch Ihre Mutter –
LEOPOLDINE.
Die gibt aus Rache – ach, daß ich selbst es sagen muß! – mich hin an Ihren Bruder.
HYAZINTH.
Aus Rache? – das ist doch nun kurios! – Man gibt kein Glück aus Rache.
LEOPOLDINE.
Es ist für mich kein Glück. – Ich kann ihn ja nicht lieben.
HYAZINTH.
Ja so! – Allein, was klagen Sie denn eigentlich?
LEOPOLDINE.
Ich klage gegen Ungerechtigkeit – die größte Ungerechtigkeit.
HYAZINTH.
Die größte Ungerechtigkeit? Fort bien!
LEOPOLDINE.
Ich bitte Sie um Rettung.
[205]
HYAZINTH.
En vérité, Sie dauern mich.
LEOPOLDINE.
Ach sprechen Sie gegen diese Heirath.
HYAZINTH.
Wie? gegen –
LEOPOLDINE.
Ich gehe nicht von hier, bis Sie mir helfen.
HYAZINTH.

Helfen? – Hm! – Gedulden Sie sich einen Augenblick. Er geht an die Seite, und zählt ohne von Leopoldinen bemerkt zu werden, die Knöpfe vorn am Kleide; da er an den letzten kommt, stutzt er, schüttelt den Kopf, seufzt, geht zu Leopoldinen, und sagt in feierlichem Tone. Mein Kind! – das Schicksal spricht – Sie müs sen mit unserm Bruder, dem Herrn Grafen Christoph, sich vermählen.

LEOPOLDINE.
Ach, war ich Ihnen jemals –
11. Auftritt
Eilfter Auftritt.
Vorige. Baronesse.

BARONESSE.
Sie? Heftig. und Sie allein? – Graf Christoph? –
HYAZINTH.
Wird hier von der Nièce perhorrescirt. – Sie klagt – sie fleht um Hilfe –
BARONESSE.

Mein Fräulein, auf ein Wort! – Gibst du dem Grafen nicht deine Einwilligung – so zittre! – Leopoldine! – Wir sind Souverain! Ob deiner Mutter Wille dich in ein Kloster steckt, oder vor der Welt das vorgibt, und tief hinab in einen Thurm dich sendet, wo du dein Leben endest, indeß dein Lieber an Klostermauern heult, die dich nicht fassen – das steht bei mir! – Nun, wähle –

LEOPOLDINE
fast ohnmächtig.
Ich gehorche.
BARONESSE.
So bist du deines Standes würdig.
12. Auftritt
[206] Zwölfter Auftritt.
Vorige. Graf Christoph.

CHRISTOPH.
Da – hier aus diesem Risse –
BARONESSE
führt ihm Leopoldinen zu.
Herr Graf, Sie sehen hier die Gräfin Boga.
CHRISTOPH
ohne sie anzusehen.
Ich weiß wohl. – Allein der Riß –
BARONESSE
befehlend.
Weg mit dem Risse!
CHRISTOPH
steckt ihn ein.
BARONESSE
empfindsam.

Dies ist der feierliche Augenblick, in welchem ich – Sie nimmt des Grafen Christoph's Hand. mit dem letzten Zweige dieses Hauses – Sie nimmt Leopoldinens Hand. mein Kind verbinde!


Während der Rede hat unbemerkt von allen Graf Baptist und Figaro aus der Thüre gesehen. Figaro redet ihm zu, und schiebt ihn zuletzt sanft hinaus, macht dann die Thüre zu, und bleibt darin.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt.
Vorige. Graf Baptist.

BAPTIST
grämlich.
Ein Wort, Frau Baronesse!
HYAZINTH.
Ach – Ihre Liebden hatten wir nun gar vergessen. – Hier –
CHRISTOPH.
Bei dem feierlichen Augenblicke –
BARONESSE
lauter als alle.
Wo ich mein Kind –
BAPTIST.
Ich habe wegen der Thorschließung den Bardenrode um Verzeihung bitten sollen –
BARONESSE.
Muß sein! – Denn, was die Façon betrifft, bin ich gewissenhaft.
BAPTIST.

Auch bin ich wohl bereit. Ich kann dabei gar [207] nichts verlieren – denn in ernsthaften Staatssachen fordert von uns kein Mann von Welt, daß wir bei Assürancen etwas denken sollen. Allein – was mich verwirrt – ist – was ich eben höre –

BARONESSE.
Nun?
BAPTIST.
Sie haben dem Figaro die Staatska rosse zugeschickt?
BARONESSE
den Grafen Christoph und Leopoldinen allein lassend.
Das habe ich – ja!
BAPTIST.

Das hat mich höchlich alterirt. – Einem Kabinetskourier – und nicht einmal vom Hofe! – nur vom Gesandten!

BARONESSE.
Kourier – Kourier! – Als den Mann, der in Frankreich angebetet wird, hat man ihn anzusehen.
BAPTIST
vor Grimm bebend.
Allein – allein die Staatskarosse? – worin wir Herren nur fahren.
BARONESSE.

So beweise ich den Deutschen, daß wir Verdienste, wenn sie ausgezeichnet sind, auch ausgezeichnet zu behandeln wissen.

HYAZINTH.
Oui, mon cher frère! – Wenn sie ausgezeichnet sind.
CHRISTOPH.
Que Diable! Auch ausgezeichnet zu behandeln wissen.
BAPTIST.

Ich lasse Euch fast in allem walten – allein, das bleibt doch ewig wahr: – »Man gebe jeglichem nach Stand und Würden.« Bardenrode hat man hierin manquirt. – Der Figaro – er wundert sich selbst –

BARONESSE.
Aus zu viel Modestie.
BAPTIST.

Er ist doch nur Kourier, und Bardenrode bleibt [208] unser einer. Nein, nein! – Frau Baronesse, in alle Knochen ist mir die Alteration geschlagen.


Die Trompete bläst zur Tafel.
14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt.
Vorige. Haushofmeister Stock.

STOCK.
On a servi.
BEDIENTE
öffnen die Flügel.
BARONESSE.
Wo Figaro –
BAPTIST.
Schreibt in meinem Zimmer an den Anstalten zum Feste.
BARONESSE.
Ruf Er ihn, Stock.
STOCK
geht in des Grafen Baptist's Zimmer.
BAPTIST
nach einem Keichhusten.
– Speist mit uns an der Tafel?
BARONESSE
kalt.
Ja.
BAPTIST.
So werde ich – nicht erscheinen.
BARONESSE.
Man hat Sie, meines Wissens, nie zu Rathe gezogen, wenn Männer von Verdiensten zu empfangen waren. –
BAPTIST
zornig.
Bei meinem seligen Herrn Großvater –
BARONESSE.
Ha ha ha! Da war die Welt ganz anders.
BAPTIST
steigend.
– War der Professor Wolf –
BARONESSE
überschreit ihn.
Der Name Figaro –
BAPTIST
mit letzten Kräften.
– Dem wurde nicht so aufgewartet.
BARONESSE
mit dem Triumph des letzten Wortes.
Gilt mehr – als eine ganze Fakultät!
BAPTIST
entkräftet.

Madame, ich war am Hofe – Ich wäre – Ja, Madame, es muß heraus. – Die Galle läuft [209] mir über – Ich wäre Oberfalkenmeister geworden, Gerührt. ja, Oberfalkenmeister! – hätten Sie mich nicht auf unserer Residenz zu wohnen disponirt. Ich muß den Brauch, und auch die Qualität von der Estime kennen, den man Gelehrten schuldig ist. – »Gelehrte ohne expressen Charakter kann man nicht mit den übrigen Hof-Ouvriers messen, dieweil Gelehrte am Hofe nicht gebräuchlich sind. Doch hat man sie zu defrayiren, und kann sie wieder hinaus an die Grenze bringen lassen.« – Das ist Konduite! – Den Staatsfehler – hätte ich auf mich genommen. – Den Mangel an Konduite – nicht! – Und somit will ich mich gar überall in Ihre Händel nicht mehr mischen.


Er rennt zwischen Figaro und Stock, die eben heraus kommen, durch, in sein Zimmer. Stock geht durch die Mitte ab.
15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt.
Graf Hyazinth. Graf Christoph. Baronesse. Leopoldine. Figaro.

BARONESSE.
Mein lieber Figaro, die Feste eilen nicht. Allein die Trauung ist noch heute.
LEOPOLDINE.
O liebe Mutter!
FIGARO.
So schlecht und recht? – In Frankreich wird man Ihnen das ungleich deuten.
BARONESSE.

Sie hören doch, Herr Graf? – Man erinnert sich unser an gewissen Orten noch. – Das kann ich nicht oft genug den Leuten wiederholen, die sich in Deutschland wegwerfen.

CHRISTOPH.
Ma foi! – Wenn die lange Weile nicht wäre!
HYAZINTH
seufzt.
Die lange Weile – ja!
[210]
CHRISTOPH.
Die nöthigt uns – à contre-coeur – mit dem Gesindel hier uns einzulassen.
HYAZINTH.
Wir schlafen – sehen Sie – oft an der Tafel – ein.
FIGARO
leise zur Baronesse.
Wenn Sie mit der Trauung so sehr eilen – weiß ich nicht, wie ich von dem Grafen die Garantie –
BARONESSE.

Das ist wohl wahr! – Dann lag mir ferner wohl daran, daß ihm die Sottise des Thorzuschließens widerführe; nicht aber daran, daß sie auf mir ruhen bleibe. Nur will der Graf Baptist ihm nicht darüber die Excuse machen.

FIGARO.
Verdammt!
BARONESSE.
Und ich versprach's. Mein ganzes Ansehen liegt daran.
FIGARO.
Wie, wenn ich Bardenrode beredete, daß er's zum voraus verbäte?
BARONESSE.
Scharmant!
FIGARO.
Allein, dann sehen Sie von selbst, daß wir die Trauung –
BARONESSE.

Aufschieben müssen; natürlich – Auch dringen Sie wegen der Garantie von meinen Kapitalien scharf in ihn.


Indessen hat Graf Christoph dem Fräulein Artigkeiten gesagt. Graf Hyazinth Knöpfe gezählt, und etwas in sein Souvenir geschrieben.
BARONESSE
laut.

Mit alle dem sind doch die Mißverständnisse mit unsern Unterthanen zu weit gediehen. Wir müssen sie durch Feste, und durch das Rührende von dieser Ehe besänftigen. Wir geben also heute Verlobungsfestlichkeiten, die Bardenrode nicht dafür halten soll. Wir nennen es [211] bei ihm – ein Maienfest – so etwas – ja! Was hat man jetzt in Frankreich an den Verlobungstagen großer Häuser für Solennitäten?

FIGARO.
Hm! – Den Unterthanen gibt man Freiheiten.
HYAZINTH.
Das pflegen wir nicht zu thun.
FIGARO.
Den Leuten, die zunächst um die Familie sind –
BARONESSE.

Denen habe ich Freude zugedacht; Geschenke, die ich mit Wonne geben will. Wohlthätigkeit – lohnt in der Rückerinnerung noch sanft.

FIGARO.
Das ist die Sprache großer Seelen. – Ja – theilen Sie Geschenke aus – Ich rufe die Livree.Eilt ab.
BARONESSE
ruft ihm nach.
Das heißt – So hören Sie doch an –
16. Auftritt
Sechzehnter Auftritt.
Vorige ohne Figaro.

CHRISTOPH
ärgerlich.
Fort ist er!
HYAZINTH
die Hände reibend.
Wir müssen – hm – zur Ehre des Hauses – denn doch wohl – etwas thun?
BARONESSE.
Es ist ja nie daran gelegen, was man thut – wohl aber, wie man's thut.
CHRISTOPH.
Ja freilich, wie man's thut.
BARONESSE.

Ich habe aus der Entreprise von der Fabrik noch viele Waren liegen, die ohnehin – Nun – die lassen wir mit Trompetenschall austheilen.

HYAZINTH.
Ecoutez! – Und mit Musik?
CHRISTOPH.
Das geht der gnädigen Herrschaft – ha ha ha! an Strafen für Frevel wieder ein.
[212]
BARONESSE.
Drei Viertheile – zahlen sie mir von den Waren wieder.
HYAZINTH.
Wenn man sie vertheilt, hält Willner eine Oration.
BARONESSE.
Dann nennen wir's ein Rosenfest.
HYAZINTH.
Ein Rosenfest.
CHRISTOPH.
Wir ziehen Oberröcke an – und gehen unterm Volk spaziren –
BARONESSE.
Greif schickt das gleich in ein Journal – so kommen Sie in den Katalog der philosophischen Regenten.
HYAZINTH.
Das kann man acceptiren.
17. Auftritt
Siebzehnter Auftritt.
Vorige. Graf Bardenrode.

BARDENRODE.
Verzeihung, wenn die Sorgfalt, anständig vor Ihnen zu erscheinen, Verzug gemacht.
LEOPOLDINE
leise.
Sie ehren mit dieser Sorgfalt meine Hochzeitfeier.
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt.
Figaro, der Willner herein führt. Hinter ihnen zahlreiche Livree, prächtig gekleidet. Vorige. Greif in bordirtem Kleide.

FIGARO.

Herein, mein Herr! – herein! – Sie gehören zu solchen Freuden. Danken Sie im Namen der guten Leute. – Hier, gnädige Frau, hier bringe ich sie. Sie warten froh und dankerfüllt der Gnade, die ich in Dero Namen verkündigt habe.

ALLE BEDIENTE.
Gott erhalte die gnädige Herrschaft!
BARDENRODE
zur Baronesse.
Was mag er wollen? – Wie soll –
[213]
BARONESSE.
O es ist – vorhin –
BARDENRODE
zu Figaro.
Was wollen diese Leute?
FIGARO
mit Feuer.

Wie glücklich sind Sie, holdes Fräulein, daß dieser schöne Tag – für Ihre Unterthanen so menschenliebend bezeichnet wird!

BARONESSE
verlegen zum Grafen Bardenrode.

Ein Maienfest! – Zu den Leuten. Hernach – hernach ihr guten Kinder! Ich stifte dann schon etwas. Jetzt geht's zur Tafel. Hernach.


Die Leute gaffen sich an, und gehen traurig ab.
BARONESSE.
Nun, geh'n wir jetzt!
BARDENRODE
gibt ihr den Arm.
Madame!
HYAZINTH
führt Leopoldinen.
CHRISTOPH
folgt.
BARONESSE
dreht sich im Gehen um.
Herr Willner, Er bleibt bei uns.

Greif will folgen, Stock gibt ihm ein Papier, er liest es, schlägt sich vor den Kopf, und geht an der Seite ab.
Figaro bleibt in der Mitte stehen und sieht ihnen erstaunt nach.
Willner hinter ihm an der Ecke der Bühne.
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt.
Figaro. Willner.

WILLNER.
Soll ich jetzt die Dankrede halten?
FIGARO.
O weh – wie ist die prächtige Thorheit – im Innern – so arme Knickerei!
WILLNER.

Das ist jetzt hoher Ton. – Des Morgens die Gärten und Milchkammern durchzutoben, die Magen der Arbeiter gestreng um ihre halbe Kost herabzuschätzen, um jeden Faden, den die Knochenhand der Armuth mit heißen [214] Thränen netzte, gebieterisch feilschen. – Dann Abends – zwei Drittel von den Gütern an Brillanten in dem Haar – zu Tausenden auf Wegen der faden Ambition zu verschleudern – So vereinigen wir Haustugend mit großem Ton.

FIGARO.

Allein, die vollen Becher – die Petits maîtres – das Unheil der Toilettenstunde, ist verschwunden. Mystik, Physik und Menschenliebe beschäftigen jetzt die Herren – Die Damen – sind Mütter, Haushälterinnen und Gelehrte.

WILLNER.

Oder wir haben die Larven des alten Lustspiels weggeworfen, und treiben mit dem Air von ernsten Pflichten und Geschäften – jetzt tragische Koketterie.

20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt.
Vorige. Haushofmeister Stock.

STOCK
die Serviette unter dem Arm, sieht eilig in die Thüre.
Herr Figaro – die gnädige Herrschaft wartet schon lange auf Sie.
FIGARO
erschrocken.
Verzeihung! Er nimmt Willner's Arm.
WILLNER
weigert sich.
Nicht so – nicht so –
FIGARO
will mit ihm fort.
Sie werden –
STOCK
springt dazwischen.
Ach Gott! – Man jagt mich aus dem Dienste.
WILLNER.
Ich esse –
STOCK.
Am Kammertische.
WILLNER.
Das nicht – bei einem meiner Freunde.
STOCK.

Am Kammertische ist mir befohlen. Er zieht die Uhr heraus. Zwei Uhr? – Drei Uhr – drei Uhr, Herr Willner, dann wird angerichtet. Kommen Sie jetzt, Herr Figaro.

[215]
FIGARO.
Sie müssen mit mir gehen. Sagte sie nicht – »Willner, Sie bleiben bei uns?«
STOCK
ängstlich.
– Hm – ja – am Kammertische.
FIGARO.
Kammertisch? – Was ist das? – Kammertisch?
WILLNER.
Ist hier der Platz für Kammerjungfern – Gelehrte – den Friseur –
FIGARO.
Herr Stock!
STOCK.
Ihr Gnaden!
FIGARO.

Wenn hieher Fremde kommen – Franzosen zum Exempel, die sich für Marquis ausgeben, für Virtuosen – wo speisen die?

STOCK.
An Tafel.
FIGARO.
An der herrschaftlichen Tafel?
STOCK.
Allemal an Tafel.
FIGARO
zu Willner.
Und Sie fragen, wohin Sie gehören? Ehren Sie sich selbst, wenn andere es vergessen. Kommen Sie –
WILLNER.
Nein, das ist zu gewagt! Wenn ich –
FIGARO.

Wie? Ich sehe hier Kerls mit viel Impertinenz, mit dem Ton der unverschämtesten, der schreiendsten Entscheidung, an der Direktion von wichtigen Geschäften – Bursche – die durch Wege, vor denen ihre harte Stirn nie erröthet, in Deutschland sich einen Sold erzwingen, da man sie zu Paris am Tische für sechs Sous nicht mehr geduldet hat. Und ein Gelehrter, ein freier Mann will sich mit Sklavenangst unter die Knechte seiner Großen hin verkriechen.

STOCK
vor Wuth bebend.
Der Haushofmeister speist auch mit am Kammertische.
FIGARO.
Kommen Sie, blicken Sie ihnen mit Seelenadel in's Gesicht.
[216]
WILLNER.
Was wird die gnädige Herrschaft –
FIGARO.
Diese Komplimente sind Leibeigenschaft – Herr Stock!
STOCK.
Befehlen –
FIGARO.

Mein Platz wird aus Respekt Zu Willner. auch wegen der langen Weile – nicht nahe bei der Frau Baronesse sein. – Darum sag' Er ihr vorher in's Ohr – hör' Er wohl zu –

STOCK.
Ich höre –
FIGARO.
In Frankreich sei der neueste Ton, sich nicht von Leuten von Verdienst zu trennen.
STOCK.
In Frankreich?
FIGARO.
Deshalb käme ich mit Herrn Willner.
STOCK.
Barmherzigkeit! – Ach – ach! Ich habe sieben Kinder.
FIGARO.
Was gibt's?
STOCK.
Der Herr Inspektor an die Tafel? – Das gibt dem Herrn von Greifhart ein tödtliches Fieber.
FIGARO.
Wie so?
STOCK.

Ich habe ihm eben schriftlich den Befehl gebracht, an Tafel, bis auf weitere Ordre, nicht zu erscheinen.

FIGARO.
Warum?
STOCK.

Als Edelmann ist er nicht von altem Wesen; als Rath war's eine Gnade – als Edelmann will's der Herr fordern – und das geht nicht.

FIGARO.
In Frankreich – sage Er nur – in Frank reich
STOCK.
Das bringt mich um den Dienst.
FIGARO.

Nur wohl Acht gegeben. – In Frankreich sei [217] der neueste Ton, sich nicht von Leuten von Verdienst zu trennen.

STOCK
jammernd.
Ach du mein armes Blut! – Wie war's? – Erlauben Sie nur, daß ich's Ihnen einmal vorsage – wegen –
FIGARO.
Sage Er es nur –
STOCK.
In Leuten von Verdienst sei es der neueste Ton, sich nie von Frankreich weg – – Nein –
FIGARO.
Umgekehrt! – In Frankreich sei der neueste Ton –
STOCK.

Sich nicht von Leuten von Verdienst – So – so – Ach, ich dachte an die Donneraugen der Frau Baronesse. – Ja, Sie dürfen es uns nicht übel deuten, wenn wir über Frankreich hier zu Narren werden.

FIGARO.
Gar nicht.
STOCK.

Der Dienst bringt es so mit sich. – Ich war bei des Königs Stanislaus Majestät – da ging's nur menschlich her. – Hier ist es schon statiös. Im Gehen. »In Frankreich sei der neueste Ton, sich nicht von Leuten von Verdienst zu trennen.« Geht ab.

FIGARO.
Deshalb kann ich Sie nicht verlassen, braver Mann.

Sie gehen Arm in Arm ab, man muß jedoch bemerken, daß Willner ungern mitgeht, daher Figaro freundschaftliche Gewalt braucht.

4. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Aus der Mittelthüre werden Konditorsaufsätze von der Tafel nach der Seite hingetragen. Von daher geht ein Bedienter mit einigen Gläsern Wasser und mit schmal und der Länge nach gelegten Servietten in die Mitte. Hinter diesen der Haushofmeister Stock mit dem Kaffee, und ein Laufer mit Tassen gehen eben dahin. Dann kommt auch von der Seite Friedrich.
Friedrich. Jakob.

FRIEDRICH.
Jakob! – He! – Jakob! – Er ruft in der Mittelthüre.
JAKOB
kommt.
Was gibt's?
FRIEDRICH.
Auf dem linken Flügel geschwind die Zimmer aufgemacht.
JAKOB.
Wer kommt?
FRIEDRICH.

Graf Meldenstein. – Er fährt in der Allee – Ruf den Herrn von Greifhart, daß er an die Schloßthüre geht.

JAKOB
geht in die Mitte ab.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Friedrich. Ludwig, der Jakob begegnet.

LUDWIG.
Du sollst die Spieltische in die Orangerie bringen.
FRIEDRICH.
Spielen sie dort?
LUDWIG.
Ja.
FRIEDRICH.
Hilf mir hintragen.
LUDWIG.
Ich soll dem Figaro von der Baronesse hier etwas sagen.
[219]
FRIEDRICH.

Höre, das war zu toll, wie die Baronesse und der Herr Graf Christoph den Willner an der Tafel heute geschoren haben.

LUDWIG.
Machen sie's denn anders?
FRIEDRICH.

Es ist kurios! – Wenn Fremde hier sind, so halten die Herrschaften mit den Räthen und der Geistlichkeit – so – gleichsam eine gnädige Parforce-Jagd. Geht ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Ludwig. Figaro.

FIGARO.
Er hat mir gewinkt – Was will Er von mir?
LUDWIG.

Die gnädige Baronesse verlangen – Sie möchten sich unvermerkt hier etwas allein aufhalten – Sie wollen mit Ihnen reden.

FIGARO.
Wohl.
LUDWIG.
Sie müssen zuvor nur noch den Grafen Meldenstein empfangen. Geht ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Figaro. Willner.

WILLNER
kommt traurig hervor.
FIGARO
bietet ihm die Hand.
Muthig, mein Freund!
WILLNER.
Kann diesen Spott ein Mann von Ehre ertragen?
FIGARO.
Sie sind zu tief getroffen.
WILLNER.

Mit bitterer Satyre mich vor aller Welt zum Gelächter ausstellen zu lassen! – Diesen Mittag – so schrecklich wie er war – verdanke ich Ihrer Ueberredung.

FIGARO.
Geduld! – Sie werden ihn mir verdanken.
WILLNER.
Niemals! – Ich mußte scheinen, was ich nicht bin.
[220]
FIGARO.
Das thaten Sie; allein Sie mußten's nicht.
WILLNER.
Ueberschrien von der Menge – niedergedrückt durch das Gewicht des hohen Standes –
FIGARO
faßt mit raschem Feuer seine Hand.

Da – da finden wir einander. Das ist es, was in euerm Deutschland, und am meisten von manchem eurer Gelehrten mich empört. In Reisen, Briefen und Journalen macht ihr euern Vornehmen die Faust im Sack – im Angesicht mit ihnen verstummt ihr, wie noch nicht frei gelassene Knechte. Ist denn erworbene – errungene Menschenwürde minder, als der angeerbte Moder von Dokumenten?

WILLNER.

Nun ja! – das Uebel ist weit gediehen auf beiden Seiten. – Allein, daß Deutsche – dem Deutschen sein Vaterland zum Vorwurf machen? – Das – mein Herr – das danken wir Ihrem Frankreich.

FIGARO.
Frankreich? – Wie?
WILLNER.

Ihrem Frankreich, das uns zum Pflügen tauglich hält, und – höchstens noch – zum erschossen werden, im Dienst der Herren, die uns verachten.

FIGARO
kalt.
Wer in Deutschland mehr erträgt, als er ertragen sollte – reibt sich an Frankreich.
WILLNER.
O, wenn Sie wüßten –
FIGARO.

Oder – rechnet man den Uebermuth von ein paar Deutsch-Franzosen, die den Unfug ihrer Sentiments leichtgläubigen Schwächlingen vorkrähen – rechnet man den einem ganzen Volke an?

WILLNER.
Fürwahr, wir dürften –
FIGARO.

Nicht weiter! – Impertinente Schwätzer für die Nation zu nehmen? – Charlatane, ausgetriebenen Pöbel – für dieses edle, généreuse Volk zu nehmen? – ist das auch billig?

[221]
WILLNER.

Nun so erzeigen der König und der Hof dem deutschen hohen Adel so viel Ehre – das Aufsehen, das sie zu Paris erregen, ist so verführerisch, daß es den guten Herren, wenn sie sich wieder hieher zu uns verirren, und dann nichts finden, als den schweren Boden, den ernsten Sinn, und den von ihnen mit geleerten Beutel – mit unserm biedern Herzen vorlieb zu nehmen, nicht möglich ist.

FIGARO.

Nein, nein! – Was ihr von ihnen erduldet, ist eine Art Revanche, weil man sie in Frankreich links gefunden hat.

WILLNER.
Nicht möglich?
FIGARO.

Sie selber, die bei aller Steifheit dennoch wähnen, den Nationalcharakter der Franzosen an sich zu tragen, sie sind es, die zu Paris den Namen – Deutsche – zum Gelächter machen. – Ei – was macht ihr euch von Frankreich für ein Bild! – Eure Karikaturen erregen dort kein Entzücken. In Frankreich merkt niemand auf sie.

WILLNER.
Man merkt nicht auf unsre Herren? –
FIGARO.
Kein Mensch – so wahr –
WILLNER.

Um unsrer Ruhe willen – ach, lassen Sie uns bei dem Glauben! – Er muß uns trösten, wenn wir arbeiten, daß das Blut uns aus den Händen springt, und der Ertrag davon kaum reicht, um das zu geben, was zu Paris die Ehre des deutschen Adels will.

FIGARO.

Wenn eure Herren zu Paris auch eine Stadt verzehren, man merkt sie nicht. Wie ist es möglich, daß ein denkendes Geschöpf in dem Tumult von Menschen und Begebenheiten, von Fürsten und Millionen, das Blut getreuer Unterthanen hinvergeuden, und dann mit dem Insektenstolz sich blähen kann, als ob man in den Wirbeln und Wogen der Monarchie dies Opfer tief anstaune?

[222]
WILLNER.
Wäre dies unter uns allgemein bekannt –
FIGARO.

Lacht es ihnen vor. – Euch ist das Lachen Vertheidigung – in Noth. Lacht – daß Ehre und schlichter Menschensinn und Geist des Vaterlandes erwache, und die Despoten eurer besten Kräfte aus dieser Mummerei aufschüttle.

WILLNER.

Ich glaube nach gerade – manches, das wir für Pariser Ton halten, ist wohl nur aufgeraffte, mißverstandene Ziererei?

FIGARO.

O, nichts ist Mitleidens werther, als das, was einige von euren Damen Pariser Ton gescholten; diese ekelhafte Mischung von Stolz, Nachlässigkeit und bittrer Laune, die man dort in der fernsten Landstadt kaum der Soubrette hingehen lassen würde. – Nein! – Der Hauptzug der Franzosen ist Liebenswürdigkeit und Edelmuth.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Vorige. Ludwig.

LUDWIG.
Des Herrn Grafen Christoph Excellenz befehlen, Sie allein zu sprechen.
FIGARO.
Ich bitte zu eilen, weil die Frau Baronesse dasselbige befohlen.
LUDWIG
geht ab.
WIENER.
Sie haben mein Gefühl berichtiget.
FIGARO.
Wohl! – Allein, ich möchte Sie auch waffnen, den Uebermuth so zahm nicht länger zu ertragen.
WILLNER.
Ach die Partie ist –
FIGARO.

Ist gleich – ist überwiegend für Sie. – Denn jedem Volke ist der Narr verächtlich, der seines Vaterlandes spottet. Stärker. Verächtlich! – auf welcher Höhe ihm auch der Zufall Spielraum gab.

[223]
WILLNER.

Mein Wort – ich will in's künftige die Menschenwürde gewissenhafter gegen Stolz und Ungerechtigkeit behaupten.

FIGARO.
Dann haben Sie heute viel gewonnen. – Sie wissen, nun rufen mich Geschäfte – Sind sie vorüber –
WILLNER.
Dann dürfte ich auf Sie rechnen?
FIGARO.

Dann führen Sie mich zu einem unverzerrten Deutschen hin, dem ich zum Handschlag und zum deutschen Weine willkommen bin.

WILLNER.
Wollen Sie bei mir willkommen sein?
FIGARO
reicht ihm die Hand.
Mit Freuden – Also auf Wiedersehen!
WILLNER
schlägt ein.
Auf Wiedersehen!
FIGARO
umarmt ihn.
Adieu! Er geht mit ihm nach der Thüre.
WILLNER
der ihm im Gehen die Hand drückt.
Adieu! Er geht nach der Seite ab.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Graf Bardenrode. Figaro.

BARDENRODE
trifft Figaro an der Thüre.
Baron, was machen Sie? – Die Heirath des Fräuleins ist gewiß.
FIGARO.
Mit Ihnen.
BARDENRODE.
Graf Christoph –
FIGARO.
Den Kopf zum Pfande – Nein!
BARDENRODE.
Ach – hätte ich meinem Sinne nur gefolgt!
FIGARO.
Um alles zu verlieren?
BARDENRODE.
Zu gewinnen! – Mit Offenheit – auf geradem Wege –
FIGARO.

Tiraden hinzuschleudern, die an den abgeschliffenen [224] Menschen nirgends haften – und so mit ernstem Pomp die Grafschaft und ein schönes Weib zu verlieren?

BARDENRODE.
Sind wir auf Ihrem Wege weiter?
FIGARO.
Weiter.
BARDENRODE.
Wie fern?
FIGARO.
Ist mir sehr deutlich – nicht so der Ungeduld des Liebenden. – Haben Sie die Garantie der Kapitale?
BARDENRODE.
Da ist sie – aber –
FIGARO.
Ich werde diese Garantie – sehr leicht – dem Scheine nach – wie nichts – hingeben.
BARDENRODE.
Was beginnen Sie? – Meine einzige Hoffnung ist diese Garantie.
FIGARO.
Eben das – wollen wir verbergen.
BARDENRODE.
Die Baronesse liebt das Geld.
FIGARO.

Das Geld und Herrschaft; – allein die Rache und Frankreich – mehr als beides. – Ich kenne meine Leute. Verlassen Sie mich jetzt – der Herr Graf Christoph wollen mich beehren.

BARDENRODE.
Sie werden mir unbegreiflich, Figaro!
FIGARO.
Desto besser! – Nur spielen Sie gut, wenn die Pariser Moden kommen.
BARDENRODE.
Den armen Willner schleppen Sie an die Tafel.
FIGARO.
Er hat dort viel geduldet – wahr! Allein er soll mir's danken. – Gehen Sie doch jetzt, Herr Graf.
BARDENRODE
geht, und kommt wieder.
Sie vergessen Greif.
FIGARO.

Mit Fleiß. – Bösewichter verdienen keinen Plan. – Ich stoße ihn weg, wenn er mir irgendwo mißfällt, ohne ihn für mich deswegen zu gebrauchen. Noch eins – was [225] ich, neben Ihrer Liebe, im Politischen – für Sie gewinnen kann – Man kommt – Verlassen Sie mich schnell.

BARDENRODE
geht an der Seite ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Figaro. Graf Christoph.

CHRISTOPH.

Mon cher Figaro! – Jetzt gilt's! –Vous êtes un homme d'esprit – die Baronesse ist hochlistig – Doch das thut nichts.

FIGARO.
Gar nichts.
CHRISTOPH.

Ich – sehen Sie – ich will jetzt – ha ha ha! – den Wallfisch machen – der das Schiff umwirft. D'rum schließen wir – wir zwei für uns, eine politische Allianz.

FIGARO.
Defensiv – oder –
CHRISTOPH.

Offensiv mit defensivem Mantel. – Das heißt: – Da ich mich doch vermähle, wie mache ich's, so – m'entendez-vous? – daß ich die Herren Brüder zusammt der Baronesse überflügle – Doch alles salvo jure! – Sie verstehen mich schon.

FIGARO.
Nicht! – Denn, wenn Sie dreien, was ihnen zukommt, nehmen – was heißt dann salvo jure?
CHRISTOPH.
Salvo jure? – Wohl dem, der hat.
FIGARO.
Oder – wer nicht hat, der heule.
CHRISTOPH.
Der heule.
FIGARO.
Scharmant! – Sie haben Ihr eigenes Dictionnaire.
CHRISTOPH.
Lernt sich bald –
FIGARO.
Die Herrschaft der Frau Baronesse abzuschütteln – fordern Sie vor allen Dingen – Ihre Kanzlei.
[226]
CHRISTOPH.
Die eigene Kanzlei?
FIGARO.
Natürlich! – und mehr Einnahme.
CHRISTOPH.

Eigene Kanzlei – und mehr Einnahme? – Embrassez-moi! – Ja, ja! so muß es werden. – Das haben Sie penetrirt. – Allein – hm? – wie bringe ich von der Baronesse die Concession dazu heraus? – Hier hängt die Sache.

FIGARO.
Hab' ich Ihr Wort, daß Sie mich nicht verrathen?
CHRISTOPH.
Unser hochgräfliches Wort.
FIGARO.
Die Baronesse glüht für Rache an Bardenroden – Sie fürchtet, daß Ihnen der Entschluß gereue –
CHRISTOPH.
Mich zu vermählen?
FIGARO.

Ja. – Die Lage müssen Sie nützen. – Stellen Sie sich wegen der Ehe schwierig – melden endlich Ihre Forderung – und – hm! – wie heißt das gute Wort? – und – fahren Sie ein bischen dazu an.

CHRISTOPH.
Comment? – Anfahren?
FIGARO.
Ja, ja!
CHRISTOPH.
Anfahren? – Das sollte reussiren?
FIGARO.
Bewirkt – was ich verlange.
CHRISTOPH.
D'honneur? –
FIGARO.
Das muß ich wissen.
CHRISTOPH.
Bon! – Das soll geschehen. – Pause. Erschrecken wird sie – Beherzt. da liegt mir aber nichts daran.
FIGARO.
Wer ist hier Herr?
CHRISTOPH
heftig.
Wer ist hier Herr? – Laissez- moi faire.
FIGARO.
Noch eins! – Vergebung, daß ich Willnern an die Tafel brachte.
[227]
CHRISTOPH
ernst.

Ja – das war nun so etwas. – Ein Inspektor kann mit der Herrschaft nicht an der Tafel essen. – Allein – Sie sind mit unserer Etikette nicht bekannt, und – da wir ihn fast geschoren – so hat Ihr Einfall uns dennoch anständig amüsirt.

FIGARO.

Der Fehler ist bald gut gemacht: – ernennen Hochdieselben den Willner zum Rath in Dero Diensten, so hat er auch mit Ihnen essen dürfen.

CHRISTOPH.
Will mir's vortragen lassen.
FIGARO.
Ernennen Sie in gleich; Sie üben damit ein Recht der Herrschaft.
CHRISTOPH.
Actum Dominationis? – Also – in meinem – speziell in meinem Dienste?
FIGARO.
Natürlich.
CHRISTOPH.
Er werde also Rath! – Hm! – Doch – was so eigentlich – wohl für ein Rath?
FIGARO.
Gewissens-Rath? –
CHRISTOPH
ernst.
Ist nicht einmal im Titel mehr an Höfen gebräuchlich.
FIGARO.
Edukations-Rath? –
CHRISTOPH.
Mag passiren. Doch ohne Sold – und ohne weitere Utilitäten.
FIGARO.
Ohne irgend eine Utilität.
CHRISTOPH.
So mag's passiren.
FIGARO.
Jetzt haben Sie sich als Herr und als Beschützer der Wissenschaften schon gezeigt.
CHRISTOPH.

Ist d'rum nicht schwer. – Que Diable! – man ist gar leicht mit uns content. – Ha ha ha ha! – Allein – ein Wort – nun – das muß man zu seiner Zeit [228] sich nicht verdrießen lassen. – Au plaisir de vous revoir, mon cher! Geht ab.

8. Auftritt
Achter Auftritt.
Figaro. Ludwig.

LUDWIG.

Da mir das Fräulein die Tasse wieder gab, schob sie ein Täfelchen von ihrem Souvenir – zwischen den Teller und die Tasse, und sagte: »An Figaro.«

FIGARO
liest.

»Sein Sie auf Ihrer Hut – Der Rath Greif hat sich sehr bemüht, bei meiner Mutter Sie in Verdacht zu bringen. – Willner läßt mir eben sagen, daß die Bauern mit Gewalt herauf zu Bardenroden stürmen wollten.« – Ist der Graf Hyazinth im Saale?

LUDWIG.
Sie promeniren nach der Tafel in der Allee.
FIGARO.

Bravissimo! – Er schreibt auf die andere Seite des Täfelchens. Nachdem es geschehen ist. Wird sie's auch lesen können? – Er liest halb laut. »Greif fällt in seine Falle. Die Bauern muß Willner gleich in die Allee zum Grafen Hyazinth verschicken. Sie sollen ernstlich reden. Engagiren Sie Greif zum Spiel. Verwirrung bringt uns in's Klare.« Mein Freund – geb' Er dies Blatt –

LUDWIG.
In sichere Hand?
FIGARO.
Dem Fräulein.
LUDWIG.
So lieb als mir mein Leben ist. Geht ab.
FIGARO.
Nun der Frau Baronesse den Wurm an's Herz! – Frisch, Figaro! – Du wirst dich amüsiren!Ah! la voilà!
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Figaro. Baronesse.

BARONESSE
tritt von der Seite ein.
Außer Athem. Ich habe Sie warten lassen.
[229]
FIGARO.
Gnädige Frau?
BARONESSE.

Allein, der Graf von Meldenstein ist angekommen. – Er brennt vor Begierde Sie zu sehen. – Nun sagen Sie mir nur – was haben Sie vor?

FIGARO.
Wie so?
BARONESSE.
Mit Greif?
FIGARO.
Und seinem Kapital – Nicht wahr?
BARONESSE.

Und in den Adel ihn zu erheben? Mit dieser Hoffnung reizte ich ihn – doch – erfüllen wollt' ich sie nie.

FIGARO.
Und warum nicht? – Sie ahmen die Gerechtigkeit des Himmels nach. Seine Narrheit ist seine Strafe.
BARONESSE.
Allein – man muß Narrheit im Preise erhalten.
FIGARO.

Das habe ich, dünkt mich, da ich zu Ihrem Besten – den Schwamm ausdrückte, der sich von Ihnen füllte.

BARONESSE.
Zu meinem Besten?
FIGARO.

Des Herrn Grafen Hyazinth Verbesserung der Domänen fing an – mit Haben-wollen. – Man mußte, zum Besten Ihrer Plane, willfahren. – Ich, zum Besten Ihrer Plane, mußte bei dem Grafen Kredit zu haben suchen. – Der Ungestüm der Unterthanen mußte sich auf's neue an Bardenroden wenden; – also mußten sie empfangen. – Ihre Kasse ist geschont – und dies zu können, mußte ich Ihren Namen bei Greif gebrauchen – und die Hoffnung in den Adelstand zu kommen. – Das ist die Sache.

BARONESSE.
Die Ihnen Ehre macht. Greif ist ein Narr – und bluten kann er auch einmal.
FIGARO.

Zu beweisen, wie ich indessen für Sie gehandelt – ist hier die Garantie von Ihrem Kapitale. Er übergibt sie.

[230]
BARONESSE.
Von Bardenroden?
FIGARO.
In aller Form.
BARONESSE.
Von ihm? – Wirklich von ihm?
FIGARO.
Ihr Gnaden sehen –
BARONESSE.

Was ich meinen Augen nicht trauen kann. Er gibt die Garantie – und sieht, daß meine Tochter mit dem Grafen Christoph sich vermählt? – Wie machen Sie's? – Wie kommt's? – Wie war es möglich, daß Sie das erhielten?

FIGARO.

»Warum sollte ich« – sprach er – »diese Zeremonie – denn mehr ist es nicht – da doch die Grafen Succession bekommen werden – diese Zeremonie der Mutter – einer Dame, wohl verweigern, die einst meine Mutter hätte werden können?«

BARONESSE
erstaunt.
»Einst?« und – »hätte werden können?« – Hat er denn selbst den Plan nicht mehr?
FIGARO.

Der Graf – so viel ich merke – hat Plan auf – hm! – Sie wohnt hier in der Nähe – eine Gräfin – Alten –

BARONESSE.
Altenhain? –
FIGARO.
Von Altenhain!
BARONESSE
außer sich.
Ist's möglich?
FIGARO.
Und das freuet mich für Ihr Projekt.
BARONESSE
ohne ihn zu hören.

Altenhain? – die neue Gräfin? – Und Bardenrode? – kann er sich so wegwerfen? – Wie? – die Altenhain? – für ihre Tochter? – einen der ältesten Grafen des deutschen Reichs?

FIGARO.
Gefällt Ihnen das nicht?
BARONESSE.
Nein.
FIGARO.
Ja doch –
[231]
BARONESSE.
Nein – sage ich – Nein – Nein, gar nicht!
FIGARO.
Ich begreife nicht –
BARONESSE.
Es hat mir schon gar nicht gefallen, daß er gegen meine Tochter so gleichgiltig war.
FIGARO.
Das macht ja Ihr Projekt –
BARONESSE.

Zu nichts! – Liebt er nicht – so entreiße ich ihm auch nichts – kann ich ihm nichts entreißen – so bin ich nicht gerächt.

FIGARO.
Ja – so –
BARONESSE
wüthend.

Und mir die Garantie zu geben! – So schnell – so leicht – so gerade hin – so ganz um nichts zu geben! – Kalt. Er hält mich für gar nichts. – Er fürchtet – achtet – haßt – und liebt mich nicht. – Mit einer Heftigkeit, daß ihr die Sprache fast fehlt. Mich so unbedeutend – wie eine gemeine Mutter anzusehen! – Mich nicht einmal zu hassen!

FIGARO.
Er spricht von Ihnen mit der größten Achtung –
BARONESSE
wirft sich in das Kanapee.
Das macht mich rasend.
FIGARO.
Nein, wahrlich er hält Sie für eine gute Dame.
BARONESSE
springt auf.

Ha ha ha! – Plane – Aufwand von Intriguen, Touren und Maschinen – umsonst – um nichts. – Nein – gegen mich. – Was ich verlangen kann, ist da – Ich habe es hier in meinen Händen – Ich kann nichts wünschen – fordern – hoffen – suchen, noch betreiben – Alles hat er erfüllt, und eine öde, leere Wüste in mir zurück gelassen. – Ich bin betrogen – durch mich – von mir. – Ich kann nichts sagen. – Kalt. Nein – nichts. Ich muß der Altenhain den Glückwunsch [232] machen – Glückwunsch zu einem Glück! – Und ich – bin nicht gerächt! – stehe, als Ueberlistete bei ihren Brautanstalten! Nimmer haben diese Grafen Descendenz. – Mein Kind kommt um die Grafschaft – und ich um meine Rache! Nach einer Pause, darin sie durch alle Möglichkeiten schweift, entschlossen. Fühlen Sie meine Lage?

FIGARO.
Ganz.
BARONESSE.
So denken Sie auf Hilfe.
FIGARO.
Wie aber? – Denn, wenn der Graf nun einmal abgesprungen ist – was ist da noch –
BARONESSE.

Die Grafschaft falle auf wen sie wolle – werde meine Tochter – Gräfin – Nonne – Mutter, oder nicht – nur – daß die Altenhain den Bardenrode nicht bekomme. – Das kann nicht – darf nicht – soll nicht sein.

FIGARO.
Allein – wenn nun –
BARONESSE.

Ich will's nicht haben. – Sie ahnen nicht, was ich vermag, wenn ich aus ganzer Seele fühle: – »Ich will's nicht haben.« – Ich kann – Nein – ich will jetzt nicht wissen, was ich könnte – ich will das Aeußerste von Schande und Ehre – von Herrschaft und von Ohnmacht jetzt nicht vor meine Blicke. – Figaro – Figaro – helfen Sie mir dorthin – Ich sehe Sie nicht mehr. – Mein Kopf –

FIGARO
hilft ihr auf's Kanapee.
Ich will Hilfe –
BARONESSE.
Nein.
FIGARO.
Aber die Erschöpfung –
BARONESSE.
Nein! – Pause. Ich will – Schwach. keine Hilfe, als das zu sein aufhören, was mich so elend macht –
FIGARO.
Ich will jede Kraft aufbieten –
BARONESSE.

Gut! – Helfen Sie mir auf. Sie gibt ihm [233] einen Ring. Vergessen Sie – daß der Körper des Weibes – Mannesseele nicht ertragen konnte.

FIGARO.

Kein Geschenk. – Finden Sie am Ende, daß ich Ihnen redlich diente – so lohne mich diese Ueberzeugung.

BARONESSE.
Nehmen Sie dies Geschenk – Ich will's –
FIGARO.

Ich werde nicht wollen, gnädige Frau. – Wenn aber – ich setze den entferntesten Fall – wenn Bardenrode mit dem Fräulein sich verbinden wollte – würden Sie das bewilligen?

BARONESSE.

Nein – nein – nie – Aber – können Sie das bewirken, daß ich sie ihm abschlagen kann – so fordern Sie – fordern Sie, was Sie wollen.

10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Vorige. Graf Christoph. Rath Greif.

CHRISTOPH.

Hier sind acht und vierzig Schreiben, die der Rath Greif für Sie, als Notifikationen meiner Heirath zu verschicken denkt.

BARONESSE
noch außer sich.
O – das hat Zeit.
CHRISTOPH.

Wir sind von unsers hochseligen Herrn Urgroßvaters Frau Muhme-Schwester mit den alten Herzogen von Braganza – und durch diese – mit den Königen von Portugal verwandt – Darum habe ich die Vermählung mit der Fräulein Tochter Sr. Majestät auch angezeigt. – Hier – unterzeichnen Sie. – Meine Briefe sind schon fort.

GREIF.
Nicht einen Augenblick ist die Vermählung zu verschieben, denn der Kredit –
BARONESSE
verdriesslich.
Schlimm genug, daß um dem aufzuhelfen, ich mein Kind opfern solle.
CHRISTOPH.

Und daß ich jetzt Geld bekomme! –[234] Geld – und meine eigene Kanzlei! – Denn, da ich zum Wohl der Menschheit mich vermähle – so zu sagen – und wegen des alten Stammes – so muß ich auch wie ein Boga leben können.

BARONESSE
störrig.
Ihre unartigen Begierden müssen Sie ablegen, wenn aus der Sache was werden soll.
GREIF
erschrocken.
Wie? Wenn –
CHRISTOPH.

Was aus der Sache werden? – Haben Sie nicht vor acht Tagen die Geistlichen zu mir geschickt? – Und – und Greif mit dem Stammbaume? – Und – alle Wetter! –

BARONESSE.
Herr Graf – mißbrauchen Sie meine Güte nicht.
CHRISTOPH.
Kriege ich Geld oder nicht? –
GREIF.
Gnädige Frau –
BARONESSE.

Herr von Greifhart, Ihr spiritueller Blick dringt nicht sehr tief – denn andere haben in einer Stunde das gethan, was der Herr in Jahren nicht vermochte.

CHRISTOPH.
Ob ich Geld kriege?
BARONESSE.
Nein!
CHRISTOPH.

Greif, geben Sie mir die Schreiben. Er zerreißt sie. So notifizire ich, Johann Christoph, der mittlere Graf zu Boga, daß ich mit der Fräulein Nichte mich nicht vermählen will. Er steht trotzig da.

BARONESSE
kalt.
Mein Herr von Greifhart!
GREIF
stürzt hervor.
Gnade –
BARONESSE.

Ich kündige hiemit den Herren Vettern meine Kapitalien auf – und dringe im Nichtzahlungsfall auf eine Kommission.

GREIF.
Ich will nicht hoffen!
[235]
CHRISTOPH
fährt zusammen.
Que Diable!
BARONESSE.
Wollten Sie doch meine Tochter rufen, Herr von Greifhart –
GREIF
geht ab.
CHRISTOPH
zu Figaro.
Que Diable! Was ist das?
FIGARO
in die Hände schlagend.
Unglück!
CHRISTOPH.
Ich hab's doch recht gemacht?
FIGARO.
Auf gewisse Weise –
CHRISTOPH.
Sie müssen sie besänftigen – sonst sind wir ruinirt –

Dieser Dialog geht zwischen dem Figaro und dem Grafen leise vor. Da die Baronesse hersieht, sagt der Graf im Gehen laut und mit gezwungener Anmaßung.
CHRISTOPH.
Adieu, Madame la Baronesse. Geht ab.
11. Auftritt
Eilfter Auftritt.
Figaro. Baronesse.

BARONESSE.
Was ist das? – Diese Maschine fängt an zu reden, was man ihr nicht aufgegeben hat?
FIGARO.
Ich vermuthe – Herr Greif will sich dadurch den Grund zu einer Alleinregierung legen.
BARONESSE.
Das sagen Sie mir jetzt erst?
FIGARO.
Ich folgte buchstäblich dem Plan, den Sie mir gegeben –
BARONESSE.
Den Geist des Planes –
FIGARO.
Hatte ich nicht erhalten.
BARONESSE.

Darin habe ich gefehlt. – Aber, wie konnte ich denken, daß der Graf von dieser Liebe je ablassen würde?

12. Auftritt
[236] Zwölfter Auftritt.
Vorige. Leopoldine.

BARONESSE.
Sag', was ist zwischen dir und Bardenrode?
LEOPOLDINE
erschrocken.
O, liebe Mutter! –
BARONESSE.
Gesteh!
LEOPOLDINE
zitternd.
Ich weiß nicht – was? – Vergebung! Sie küßt ihre Hand. Ach Gott, Vergebung!
BARONESSE.
Was hast du gemacht, Unglückliche?
LEOPOLDINE.
Ja, es ist sträflich.
BARONESSE.
Thöricht – unsinnig ist es.
LEOPOLDINE.
Aber ein Gefühl, das mächtiger als ich –
BARONESSE.
Jede Schande muß ich an dir erleben. – Wie muß sie sich nur genommen haben? – Wie war es möglich? –
LEOPOLDINE.
Der Liebe ist jedes Opfer möglich.
BARONESSE.
Diese weinerliche Ziererei nennst du ein Opfer? – Kindische Posse ist's, daß du ihn fortgeschickt.
LEOPOLDINE.
Ihn? – Wen?
BARONESSE.

Oder ging er zuerst? – der Graf? – Sie schweigt? – Sie sehen, es hat ihr gefallen, sich, ohne Vortheil daraus zu ziehen, von ihm los zu sagen.

LEOPOLDINE.
Kann ich denn – nach so manchem, was ich weiß – den Grafen wohl noch lieben?
BARONESSE.
Und sie behingen sich mit Läppchen, Härchen, Schleifchen – eines von dem andern.
LEOPOLDINE.
Ich? – Ich vom Grafen Christoph jemals? –
BARONESSE.
Einfältige! von Bardenrode.
LEOPOLDINE.
Bardenrode? – dem hätte ich entsagt? – Darf ich ihn lieben? darf ich wieder? –
[237]
BARONESSE.
Warum verachtet er dich? –
LEOPOLDINE.
Mich? – In Entzücken. Bardenrode – verachten? – mich?
FIGARO
gibt ihr Zeichen, sich zu hüten.
BARONESSE.
Warum hört diese Mondscheinsliebe auf? – die nur von Thau und von Wiesenblümchen sprach?
LEOPOLDINE.

Darf sie das wieder? – O – Dank! – Dank, daß in Ihrem Herzen die Stimme der Natur nun laut gesprochen hat! Sie küßt ihr die Hand.

BARONESSE
blickt sie nach einer Pause bedeutend an, läßt sie los, geht zu Figaro, und sagt ihm kalt.
Sie weiß noch nichts. Zu Leopoldinen. Geh fort.
LEOPOLDINE.
Wie? – da ich eben –
BARONESSE
sieht nach der Uhr.
Geh zum Spiel.
FIGARO.
Ja, thun Sie das, mein Fräulein.
LEOPOLDINE.
O liebe Mutter!
BARONESSE
kalt.
Zum Spiel.
LEOPOLDINE.
Ich –
BARONESSE.
Fort.
LEOPOLDINE
geht ab.
BARONESSE.
Sie ist durchaus einfältig. Man muß suchen, von Bardenrode zu erfahren, woran es liegt –
FIGARO.
Erfahren – und abändern.
BARONESSE.
Von der Altenhain muß er zurück – es koste was es wolle.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt.
Baronesse. Figaro. Haushofmeister Stock. Hernach Ludwig.

STOCK
ein viereckiges Kästchen tragend.

Ihre Gnaden werden mir erlauben – hier kommt ein Packet, das der Träger [238] nur dem Herrn Grafen Bardenrode einhändigen will. Allein – so despektirlich, wie ein solcher Mensch der gnädigen Herrschaft sich unter die Augen stellt – nahm ich's doch lieber, und bringe es denn effektive hier in den Saal. Er setzt es nieder.

BARONESSE
wirft einen Blick darauf.
Dem Zeichen nach – aus Frankreich –
FIGARO.

Die Hand – auf der Adresse – soll ich kennen. Das ist – glaube ich – ist aus dem Modelager der Bertin zu Paris.

BARONESSE.

Und das an Bardenrode? – Es ist nicht zu begreifen – wie sich der Mensch geändert.Zu Stock. Rufe Er den Grafen.

STOCK
geht ab.
FIGARO.

Und ich – ich wundre mich daß Sie den Grafen jemals auf andere Weise hätten kennen sollen? – In Frankreich liebte man in den ersten Häusern alles, wofür er sich entschied.

LUDWIG
tritt ein.

Das gnädige Fräulein lassen fragen, ob der Herr von Greifhart für Ihre Gnaden die Karten nehmen dürfe?

BARONESSE.
Die Karten wohl, doch – beim Souper darf er nicht mehr erscheinen.
LUDWIG
geht ab.
14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt.
Baronesse. Figaro. Graf Bardenrode. Haushofmeister Stock.

BARDENRODE.
Man sucht mich –
FIGARO.
Das Packet hier zu empfangen.
[239]
BARONESSE.
Was der Ueberbringer sehr gewissenhaft nur Ihnen übergeben wollte.
BARDENRODE
besieht es.
Etwas verlegen. Ah – ha! Ah so!
BARONESSE.
Von der Bertin –
FIGARO.
Wie ich glaube –
BARDENRODE.
Ja – es – es sind Moden.
BARONESSE.
Moden? – Moden von Paris? – Wie haben Sie sich geändert!
BARDENRODE
leicht hin.
Veränderung ist unser Los.
BARONESSE.
Wohl wahr! – Die Moden, die Sie erhalten –
FIGARO.
Darf man fragen, wozu Sie sie bestimmen?
BARDENRODE.
Zu – eigentlich um damit – für die Gräfin Altenhain.
BARONESSE
zwingt sich zu gefälligem Lächeln.
Ah – ah so – für die –
FIGARO.
Dies hindert gleichwohl nicht, daß wir sie sehen.
BARDENRODE.
Darf ich um Ihr Urtheil bitten, gnädige Frau?
BARONESSE
nach einer gezierten Verneigung.
– Herr Stock – laß Er den Deckel des Kästchens draußen öffnen.
STOCK.
Sehr wohl! Er nimmt es mit hinaus.
BARONESSE
ihm nachrufend.
Behutsam, Stock! –Zum Grafen. Sie haben seit der Retour die Frau Gräfin oft gesehen?
BARDENRODE.
Ich wurde dort gütig aufgenommen, da andere – mich verwarfen.
FIGARO.
Werden Sie mit ihr das Hotel zu Paris beziehen?
BARDENRODE.
Vielleicht entschließt sie sich dazu.
[240]
BARONESSE.
Wer würde auch das nicht?
BARDENRODE.
Nicht alle Damen.
BARONESSE.
Die müßten einer schlechten Edukation genossen haben.
BARDENRODE.
Erlauben Sie, daß ich lese, was man mir von der Mode schreibt, die ich erhalten habe.
BARONESSE.
Herr Graf –
BARDENRODE
nachdem er etwas gelesen.

Der neueste Aufsatz, den jedoch nur Damen vom ersten Range zu tragen pflegten, – schreibt die Bertin mir – sei jetzt – Bonnet diplomatique.

BARONESSE
mit Kennermiene.
Bonnet diplomatique? – Aha!
BARDENRODE.
Die Frisur darunter trüge man sehr breit.
BARONESSE.
Sehr breit –
BARDENRODE.
Die neueste Mode zu Paris sind übrigens die Schellchen.
BARONESSE.
Schellchen? – Cela est bien drôle!
BARDENRODE
liest.

Man trüge sie auf den Schnallen, an den Hüten – Degen, Biretten, Eventails – überall. – Im Plaidoyer, in der Regierung – im Theater – bei der sehr ernsten Polizei sogar, sagt sie – all – überall vernehme man jetzt Schellchen.

STOCK
bringt das Kästchen.
BARDENRODE
zur Baronesse.
Belieben Sie den Brief zu lesen?
BARONESSE
nimmt ihn.
FIGARO.
Erlauben Sie – ich verstehe mich etwas auf diese Art der Emballage. Er packt aus.

Die Baronesse liest. Indessen macht der Graf dem Figaro leise Vorwürfe über diese Anstalt, die er mit drolliger Pantomime beantwortet.
[241]
BARONESSE
nachdem sie gelesen, wichtig, den Finger an das Kinn.
Also – die Frisur sehr breit.
FIGARO
mit Auspacken fertig.
Ah! le Bonnet diplomatique!
BARONESSE.
Nun lassen Sie sehen.
FIGARO.

Scharmant! – An Erfindung und Beziehung so witzig, wie irgend eine der tausend schon vergessenen Moden!


Die Idee des Aufsatzes ist ein kleiner Foliant, wo zu beiden Seiten Dokumente mit Siegeln herab hängen. Das Buch ist von grauem oder hellgelbem Flor gemacht. Die Reifen des Einbandes auf dem Rücken von hellbraunem Band, abstehend. Der Schnitt von dunkelrothem Flor. Die Dokumente von weißem Milchflor. An halb fingerlangen hellgrauen Bändern hängt eine Mündung von rothem Flor, wie Siegel. Dieser sind drei, und an jedem ein silbernes Schellchen. Auf dem Deckel des Buchs, in der Mitte, wo sonst die silbernen Schilder aufgeheftet sind, ist eine fingerbreite Ründung von Spitzen – an diesen wird der Aufsatz auf den Kopf befestigt.
BARONESSE.
Allerliebst! – Es sagt so viel – das Ganze!
BARDENRODE
ernsthaft zu Figaro.
Die Schellchen –
FIGARO
schmeichelnd launig.
Geben so etwas fröhliches!
BARDENRODE
zur Baronesse.
Ich finde sie nicht decent.
BARONESSE.
Pardonnez – Cousin! – Sie klimpern nicht – sie läuten.
FIGARO
bei Seite.
Gott Lob! – So sind wir fortgerückt.
BARONESSE.
Zu dem – mach' ich dabei noch eine andere Observation – In den Schellen ist Etikette.
FIGARO.
Schellen in der Etikette? – Das ist nicht neu.
BARONESSE.
In den ganz alten Zeiten – waren die Schellen – ein Vorrecht – der Vornehmen.
FIGARO.
Nun – das räumt man Ihnen wieder ein.
[242]
BARONESSE.
Man trug – wenn man von Stande war – die Schellchen vorn an den Schuhen.
FIGARO
deutet auf den Aufsatz.
Und jetzt am Kopfe.
BARONESSE
besah indessen den Aufsatz.
Die Frau Gräfin von Altenhain ist zu beneiden.
FIGARO
legt den Aufsatz, da die Baronesse ihm denselben gibt, in den Kasten.
BARDENRODE.
Ich habe – in mancher Rücksicht – nicht den Muth – den Aufsatz Ihnen anzubieten. –
BARONESSE.
Herr Graf –
FIGARO
rasch.
Sie lassen der Gräfin einen andern kommen.
BARDENRODE.
Dieser Aufsatz –
FIGARO.
Ist gewiß der neueste –
BARDENRODE.
Vielleicht – trägt man ihn doch noch nicht.
BARONESSE.
Ei – um so schöner!
BARDENRODE.
Er ist so schwer.
BARONESSE.
Gar nicht.
FIGARO.
Und wenn – so sieht man doch – was unsere Köpfe drückt –
BARONESSE.
Ist nur ein Nichts –
FIGARO.
Im innern Gehalt.
BARONESSE
klingelt.
Noch heute werde ich zu Ihrer Ehre darin erscheinen.
BEDIENTER
kommt.
BARONESSE.
Das Kästchen zu meiner Kammerfrau.
BEDIENTER
geht damit ab.
BARONESSE.

Gestehen wir's nur – für solche Arbeit haben unsere Deutschen keinen Sinn. – Coeffure von Deutschland – und ein deutsches Trauerspiel – beide sind Horreurs. – Das eine drückt – das andre echauffirt.

[243]
FIGARO.
Das thut bei uns gewöhnlich keins von beiden.
BARONESSE.
Ich bin Ihre Schuldnerin, Cousin.
BARDENRODE
mit edlem Ausdruck.

Ich wünsche Ihr Vergnügen. – Mit einer schnellen Wendung. Möchte mir's gelungen sein, daß Sie in eben diesem Augenblicke meine Achtung wahrgenommen hätten! Er verbeugt sich, und geht ab.

15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt.
Figaro. Baronesse.

BARONESSE
dem Grafen nachsehend – mit tiefem Seufzer.
Ganz geändert! – ganz! –
FIGARO.
Ich eile, von der Gräfin Altenhain ihn wegzubringen.
BARONESSE.
Es koste, was es wolle.
FIGARO.
Doch – die Vermählung mit dem Herrn Grafen Christoph bleibt?
BARONESSE.
Nun ja – übereilen wollen wir uns nicht.
FIGARO.
Der Herr Graf Christoph sind doch auf alle Fälle – von so sehr altem Stamme –
BARONESSE.
Sehr alt! – Allein – aimable ist er nun einmal gar nicht – und auch nicht reich.
FIGARO.
Allein er hat Ihr Wort.
BARONESSE.

Das hat zwar keinen Anstand. – Allein – Sie müssen doch gestehen – in wichtigen Geschäften – wie eines Kindes Heirath ist, kann man sich nie genug bedenken. Eigentlich muß – sehen Sie – in dergleichen Dingen, durch Umstände, Zufälle – der Himmel selbst entscheiden.

FIGARO.
Das ist sehr wahr.
BARONESSE.

So sehr ich auch entschlossen bin – so beben [244] mir doch alle Nerven bei dem Gedanken von einer Ehe, die nicht glücklich ist. – Dem Himmel und Gottes Fügung müssen wir es überlassen. – Indessen arbeiten Sie an Bardenrode. – Ich gehe und probire das Bonnet diplomatique. Geht ab.

16. Auftritt
Sechzehnter Auftritt.
Figaro. Rath Greif.

GREIF.
Endlich allein! – Gott Lob!
FIGARO
bei Seite.
Wenn ich es wäre!
GREIF.
Mit Mühe schlich ich mich vom Spieltische weg –
FIGARO.
Um? –
GREIF.
Ohne weitere Prämissen, kurz und präcis, eine Frage von Konsequenz an Sie zu thun. –
FIGARO.
Nur zu.
GREIF.
Ich – sehe – daß sich die Kugel dreht.
FIGARO.
So? – Drehen wir uns mit.
GREIF.
Ich leide sehr am Schwindel. Er nimmt seine Hand.
FIGARO
macht sich los.
O – halten Sie sich fest.
GREIF
nimmt noch einmal seine Hand.
Das thue ich eben. – Hm! – Stehe ich so wohl fest?
FIGARO
nach einer Pause.
Wenn die Gesetze Sie nicht los reißen.
GREIF.
Werden Sie die Gesetze an mich hetzen?
FIGARO.
Ich halte nie auf was im Laufen ist.
GREIF.
Viel Offenheit! – Er läßt ihn los. Ich danke.
FIGARO.
War mehr Mitleiden, als Offenheit.
GREIF.
Ha ha ha! – Zu große Sicherheit des Siegers – machte schon oft Gefangene zu Ueberwindern. Geht ab.
17. Auftritt
[245] Siebzehnter Auftritt.
Figaro. Hernach Willner.

FIGARO.
Daraus wird nichts, Herr Ueberwinder!
WILLNER.

Die Bauern haben den Herrn Grafen Hyazinth in der Allee gefunden und dringen scharf in ihn. Er ist allein.

FIGARO.
Ich will Bardenrode nicht allein die Frau verschaffen –
WILLNER.
Spannen Sie den Bogen nicht zu stark –
FIGARO.
Das Land dazu.
WILLNER.
Sein Sie auf Ihrer Hut!
FIGARO.
Ja doch, ich – Still! – man kommt!
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt.
Vorige. Graf Hyazinth. Ein alter Bauer. Bauern draußen vor der Thüre.

DER ALTE BAUER.
Ach lieber, lieber Herr!
HYAZINTH.
Ja doch! – ja! – Willner! gut, daß Er hier ist; laß Er da draußen das Volk abziehen.
WILLNER
geht ab.
DER ALTE BAUER.

Ach, lieber Herr! – was wir auch thun, so werden wir gestraft. – Wer es nur will – Bediente – der Herr Rath Greif – der gnädigen Frau Friseur – wer ein Geld-Exekutionsmandat nur gegen uns verlangt, der kriegt's. – Wir haben keine Schulen – werden so gedrückt mit Frohnen, Steuern und Gefängniß. – Erbarmen Sie sich unser!

HYAZINTH.
Wir haben heute eine Summe ausgesetzt.
DER ALTE BAUER.
Daß eine Rede gehalten werden könne. – Das Elend ist darum nicht minder.
[246]
HYAZINTH.
Was macht nur der Herr von Greifhart?Er trocknet sich den Schweiß ab.
FIGARO.
Den will ich unterhalten.
HYAZINTH.
Mais, mon Dieu!
FIGARO.

Herr Graf! – Einst fällt der Unterschied der Stände weg – dann werden Thränen Ihnen gegenüber reden. – Verwandeln Sie diese Wehmuth in Freudenthränen. – Ihre Unterthanen sind Ihre Kinder! – Ich lasse Sie allein! – Geht ab.

HYAZINTH.
Et vous me laissez seul avec ces mutins là?
DER ALTE BAUER.

Antworten Sie uns als Vater, den uns der Himmel gab. – Ach, wir können die neue Steuer nicht aufbringen. Denken Sie an unser Elend – an Ihre letzte Stunde!

HYAZINTH
erschrocken.
Mein Gott! – Ich habe euch, lieben Kinder, herzlich lieb!
DER ALTE BAUER.

Ach so – so sprach der selige Graf Bernhard immer mit uns Leuten. – Ach kennten Sie Ihre Unterthanen – was sie drückt – und wie sie dennoch ihre Herrschaft lieben! – Sie würden's fühlen. Er weint. O, hätten Sie nur Kinder!

HYAZINTH
ängstlich.
Ihr – lieben Leute – seid ja – so zu sagen – meine Kinder.
DER ALTE BAUER
kniet.

O, so handeln Sie väterlich an uns. Lassen Sie den Grafen Bardenrode stets um sich sein. – Er ist so gut! – Er wird Sie lieben, wie ein Sohn – wird unsere Noth dein Vaterherzen klagen.

HYAZINTH.
Seid Ihr zufrieden, wenn Bardenrode um uns bleibt?
[247]
DER ALTE BAUER.
Dann – dann – mit allem, was geschieht.
HYAZINTH.
Nun – so geben wir euch unser hochgräfliches Wort, daß –
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt.
Vorige. Rath Greif.

GREIF
auf den Grafen Hyazinth zueilend.
Ich sahe so eben die Leute aus dem Schloßhofe ziehen, und eile –
HYAZINTH
drängt den Rath Greif ängstlich in eine Ecke.

– Wollen keine Steuer – wollen Bardenroden zum Mitregenten – wollen meine Schulanstalten nicht! – Was thue ich doch?

GREIF.

Von allem diesem nichts. Zu den alten Bauer. Der Herr Graf, Euer gnädiger Herr – sind – so gerührt, daß Sie für jetzt nicht weiter mit Euch sprechen können.

HYAZINTH.
Das sind wir wahrlich!
GREIF.
Sie wollen Euch Ihre Intention auf das eheste zu wissen thun.
DER ALTE BAUER.
Keine Antwort? – Ach – ich flehe so kindlich! – Ach, guter Vater! – Antwort!
HYAZINTH.
Greif! Bei Seite. In meinem Leben hab' ich so was noch nie gefühlt! – Mein Herz ist ganz zerrissen!
GREIF.
Fragen Sie diesen Abend noch den Geist.
HYAZINTH.
Das will ich – ja.
GREIF
zum Bauer.
Morgen wollen Euch der Herr Graf antworten. Morgen erscheint Ihr auf dem Amte.
HYAZINTH.
Ja, auf dem Amte. – Indessen verbleiben wir Euch huldreich zugethan.
DER ALTE BAUER.
Ach Gott! Geht ab.
20. Auftritt
[248] Zwanzigster Auftritt.
Graf Hyazinth. Rath Greif. Baronesse.

BARONESSE
ohne Aufsatz auf der Frisur.
Was wollte das Volk – der Kerl – was haben sie hier gewollt?
GREIF.
Aufruhr!
BARONESSE.
Wer war der Redner?
GREIF.
Walter – der alte Walter.
BARONESSE.
In den Thurm!
GREIF.
Sehr wohl! Geht.
HYAZINTH.
Greif!
GREIF
bleibt.
HYAZINTH
zur Baronesse.
Der arme Mann! – er war so – Nein, Frau Baronesse! das – das – nein das –
BARONESSE.
Nun?
HYAZINTH.
O das kann ich nicht zugeben.
BARONESSE.
Wir sollten das ganze Volk bestrafen; es ist ja Milde, wenn wir uns nur an den Redner halten.
HYAZINTH.
Da haben Sie nun Recht.
BARONESSE.
Also fort mit dem rednerischen Narren in den Thurm!
HYAZINTH
hält Greif.
BARONESSE.

Nimmer hat man auf diesem Schlosse Ruhe! Bald stören Plattitüden – bald Rebellion. – Argusaugen muß man haben und gebrauchen.

HYAZINTH.

Da haben Sie wieder Recht! – Allein – was ist nur das? – Ich bin so ängstlich – Immer stieg mir das Blut heran, wenn mich der alte Walter Vater nannte.

BARONESSE.
Hm! – Sie sind den Namen nicht gewohnt.
[249]
HYAZINTH
weichlich.

– Eben – eben das! – Ich – wollte – ich hörte mich Vater nennen. – Fürwahr, ich könnte – weinen! – Was heißt nur das?

GREIF.
O – hypochondrische Spannungen!
BARONESSE.
Auch haben Sie bei Tafel sehr stark gegessen.
HYAZINTH
mit Ernst.
Ecoutez, ma chère! – Wenn ich das öfters fühlte –
BARONESSE.
Nun?
HYAZINTH.
So möchte ich wünschen – ich hätte mich mit dem Regieren gar nicht abgegeben.
BARONESSE.

Auch dafür hat der Kerl den Thurm verdient, daß er seinem Herrn die Angst gemacht hat. – Greif! – den Schwätzer in den Thurm! – darauf verlasse ich mich. – Ihre Excellenz nehmen derweilen etwas Antispasmaticum. Geht ab.

21. Auftritt
Einundzwanzigster Auftritt.
Graf Hyazinth. Rath Greif.

HYAZINTH.
Rath Greif!
GREIF.
Befehlen?
HYAZINTH.

Ich kann den einen Terme mir gar nicht aus dem Sinne schlagen! – Vater – sie nannten mich Vater – hat mich touchirt.

GREIF.
Wahrhaftig!
HYAZINTH.

Assûrément! – Ich wollte, ich hätte in meiner Jugend – Er setzt sich. Greif, ich muß weinen. – Laß Er die Foiblesse nicht unter die Leute kommen.

GREIF.
Darf ich zu meinem gnädigen Landesherrn mit Offenherzigkeit jetzt reden?
[250]
HYAZINTH.
In Gottes Namen – und ohne Zeremonie.
GREIF.

Der Herr Graf Christoph haben mit der Baronesse sich überworfen – stehen von der Heirath ab. – Ihre Excellenz, mein gnädiger Herr – sind doch der Aeltere – der Herr des Hauses – treten Sie in seine Stelle.

HYAZINTH.
Wir sollten uns vermählen?
GREIF.
Das rathe ich. – Das wird die Wünsche des Volkes erfüllen – und Ihr gequältes Herz erfreuen.
HYAZINTH.
Fort bien! – Greif! – So hat uns niemalen noch etwas kontentirt. – Eh bien! – so werden wir Gemahl –
GREIF.

Und Vater! – Ach gnädiger Herr! – wenn ich bedenke, daß wir Sie nunmehr – Papa – noch nennen werden. –

HYAZINTH.
Papa! – Fort bien! – Wir werden Gemahl und Vater! – Und Sie – – Geheimerath und Freiherr.
GREIF
kniet.
Ach bester Vater! – mein Blut soll für Sie fließen.
HYAZINTH.
Mit wem vermählen wir uns wohl?
GREIF.
Fräulein Leopoldine?
HYAZINTH.
Bon! – Wir wollen ihr gleich den Antrag thun.
GREIF.

Vorher verbergen Sie Dero hohe Resolution – Ueberraschen Sie die Frau Baronesse – mehr Herrschaft zu bekommen.

HYAZINTH.
Bon!
GREIF.

Darf ich mein Diplom zur höchsten Unterschrift wohl heute noch vorlegen? Die andern Herren haben unterschrieben –

HYAZINTH.

Heute noch Geheimerath und Freiherr! – [251] Doch eben fällt mir bei – man sieht doch neben dem hohen Stande und andern Qualitäten – auch etwas mit auf die Gestalt – darum formire ich die Quästion: – Was legen wir für eine Farbe an? – Was räth man uns?

GREIF.
Ich rathe – Bleu céleste.
HYAZINTH.
Scharmant! – Doch sollte ich meinem Herrn Bruder – dem Grafen Baptist es melden.
GREIF.
Dieselben haben jetzt nach der Tafel Dero Ruhestunde.
HYAZINTH.

Freilich! – und daraus ist er nicht zu erwecken. – Man kann hernach die Unterthanen in ihren Sonntagsröcken – zum Handkuß lassen. – Das wird sie calmiren. – Willner hält eine Oration. – Darin soll er so etwas sprechen – verstehen Sie – von – »Vater« – weil wir uns doch deshalben resolvirt –

GREIF.

Reden Hochdieselben sie ein bischen freundschaftlich an – so will ich gleich auf eine Heirathssteuer den Antrag machen.

HYAZINTH.
Bon! – Hätten wir nur etwas noch von Jugend!
GREIF.
Kleiden sich Ihre Excellenz nur Bleu céleste
HYAZINTH.
Die Jugend! – sie echappirt d'rum gar zu schnell!
GREIF.
Dagegen kommt die Weisheit.
HYAZINTH.

Das ist nun wieder wahr! – Inzwischen schicken Sie uns eine Limonade. – Wir haben uns im Ganzen sehr echauffirt. Geht.

GREIF
im Gehen.
Das ist der Puls des Bräutigams.
HYAZINTH
an der Thüre.
Fort bien! – mein lieber Herr Geheimerath – von Greifhart!

5. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Baronesse. Figaro.

BARONESSE
hat Papiere in der Hand.
Ja – ja! Sie haben Recht!
FIGARO.
Zum mindesten scheint es mir. –
BARONESSE.
Ganz gewiß! Die Grafen rebelliren gegen mich. Der süße Traum von Alleinherrschaft ist –
FIGARO
mit bedeutendem Achselzucken.
Wenn Greif in seinem Plane reüssirt –
BARONESSE.
Vorüber! – Und das muß er nicht – das soll er nicht! –
FIGARO.

Es schmerzt den Herrn Geheimenrath, daß man ihn von der Tafel ausgeschlossen hat; deshalb ist seine Rache –

BARONESSE.
Der Pinsel! Das konnte er doch vermuthen, daß man ihn nicht –
FIGARO.
Sie werden durch seinen Einfluß den Herrn Grafen Hyazinth verändert finden –
BARONESSE.

Ha ha! – und wieder ändern; das gilt gleich. Zu so inkonsequenten Kreaturen hat ein jeder Mensch den Schlüssel.

FIGARO.
Es ist befohlen worden, Sie, Frau Baronesse, nicht ungemeldet einzulassen.
BARONESSE
zitternd.
Das kann nicht sein – das haben sie sich nicht unterstanden.
FIGARO.

Alles geht jetzt anders. – Sie haben da das Dekret in Händen, worin der Herr Graf Christoph den Willner als Rath in seine Dienste nimmt.

[253]
BARONESSE.

Dank Ihrer Sorgfalt, daß ich's habe! – Den Willner müssen die Grafen gleich aus ihren Diensten jagen – zur Genugthuung –

FIGARO.

Nicht so! – Das ist zu strenge. – Der Herr Graf ernennen sich da einen Edukationsrath? – Nun, Sie mögen ihn wohl gebrauchen! – Allein, Sie geben Titel ohne Sold – Beweis von Ohnmacht! Wenn Sie, Frau Baronesse, dem Manne Sold ertheilen – dann zeigen Sie deutlich, wer hier die Regierung hat.

BARONESSE.
Auch schaffe ich mir dadurch eine Kreatur.
FIGARO.
Die Sache schreit laut durch Deutschland.
BARONESSE.
Jetzt ist die Zeit, wo Anekdoten bare Münze sind. Ja, ja, die Sache kann ihr Gutes haben.
FIGARO.

Was Greif betrifft – so fahren Sie schnell zu. Sie müssen ihn zerschmettern – zum Untergraben fehlt die Zeit.

BARONESSE.
Hier ist der Verhaftsbefehl, den der Graf Christoph mir unterschreiben muß, es koste was es wolle.
FIGARO.
Gut – und sehr gut! – Allein wie werden Sie – und wann werden Sie ihn gebrauchen?
BARONESSE.
In dem Moment, wo ich Bardenrode und das Volk damit gewinnen will.
FIGARO.
Der Moment ist da!
BARONESSE
nach kleiner Pause.

Gemach! – Fällt Greif unvorbereitet – ist das Volk nicht ganz geneigt, die Hand zu segnen, die ihn stürzt – so will es mit seinem Fall auch auf einmal die beste Welt, und stürmt mich nieder – über mich hinaus – zu Bardenrode. – Gemach! – Alleinherrschaft – Alleinherrschaft! das ist der Zweck, den muß ich nicht verrücken. – Wie geht es bei der Altenhain?

[254]
FIGARO.
Der Graf wankt. –
BARONESSE.
Wankt? wankt? – wankt wirklich! – O Figaro, das Ende krönt den Meister.
FIGARO.

Fürwahr, die goldene Lehre lasse ich nie aus dem Gesicht. Allein – wenn nun zuletzt der Graf, denn wer kann bei den Philosophen sich auf Konsequenz verlassen? – wenn er aus einem Sprung von Laune das Fräulein forderte?

BARONESSE.

Ja nun – geändert ist er sehr! Und eben diese Aenderung ist mir auch eine Art Genugthuung. Wenn er sie fordert – und mir die Regierung ad dies vitae sichert – den Winter mit mir in Paris zubringt – dann ist der erste Punkt – ein ewiger Friede unter beiden kriegführenden Parteien. –Rasch. Dann habe er meine Tochter und meinen mütterlichen Segen! Jetzt forschen Sie die Grafen aus – ich habe ein Auge auf Greif. Sie geht an des Grafen Hyazinth's Zimmer.

FIGARO
verbeugt sich und geht zum Grafen Baptist.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Baronesse. Friedrich.

FRIEDRICH
kommt heraus, da die Baronesse an der Thür ist, und macht unter lauter Komplimenten Schwierigkeiten, sie einzulassen.
BARONESSE
kalt.
Was wird's?
FRIEDRICH
verbeugt sich.
Ihr Gnaden!
BARONESSE.
Nun?
FRIEDRICH
langsam.
Befehlen vielleicht, daß ich bei Ihro Excellenz dem Herrn Grafen Hyazinth Sie melde?
BARONESSE
außer sich.
Melden? Mich? – Mich melden? – Mensch, die Frechheit hast du nicht aus dir?
FRIEDRICH
förmlich.
Wir haben Ordre, niemand unangemeldet einzulassen.
[255]
BARONESSE.
Niemand? – Wer bin ich? – bin ich niemand? – Wer gab die Ordre?
FRIEDRICH.
Sie ist von Ihro Excellenz höchst eigenhändig unterschrieben.
BARONESSE.
Ich frage nicht, wer sie unter schrieben – ich frage, wer sie gemacht hat.
FRIEDRICH.
Der Herr Geheimerath von Greifhart –
BARONESSE.

Ha ha! Greif – der Herr Geheimerath von Greifhart? – der Herr Geheimerath Baron von Greifhart? Sie geht gebieterisch an des Grafen Thür, und ruft hinein. Herr Graf! Herr Graf! – Ich annoncire mich. – Belieben Ihro Excellenz doch zu erscheinen. – Sie klingelt ein-, zwei-, dreimal, dann ruft sie wieder. Herr Graf!

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Vorige, von einer Seite Graf Hyazinth, von der andern Ludwig, Jakob und der Laufer.

BARONESSE.

Befehlen Hochdieselben, daß dieser Mensch den Rest des Tages unter meinem Fenster den spanischen Mantel trage.

HYAZINTH.
Was hat er denn verbrochen?
BARONESSE.
Ich will's! Pause. Ich sage, daß ich es will! – Sonst galt der Grund.
HYAZINTH
zu Friedrich.
Eh bien! – so –
BARONESSE
zu Friedrich.
Fort. – Zu den andern. Ihr steht dafür!
FRIEDRICH
bittend.
Ihre Excellenz –
HYAZINTH
streng.
Bequemt Euch – Da die Baronesse wegsieht, leise und freundlich. Lieber Friedrich! –
BARONESSE.
Mein Laufer hat an seiner Stelle bei Ihro Excellenz den Dienst.
[256]
LAUFER
geht in des Grafen Hyazinth's Zimmer.

Friedrich, Ludwig und Jakob gehen ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Graf Hyazinth. Baronesse.

HYAZINTH
etwas ernst.
En vérité! Madame –
BARONESSE
zornig.
Monseigneur! – sein Sie auf Ihrer Hut! – auf Ihrer Hut! – mehr sage ich nicht.
HYAZINTH
kalt.
Wozu den Sturm? – Sind Ihre Forderungen doch garantirt!
BARONESSE.

Garantirt? – Durch ein Papier – wenn's wäre! Das Papier macht also meine Wohlthat? – O Undank! – horribler Undank! – Garantirt? – Macht das die Herren so trotzig? – Ich weiß von keiner Garantie.

HYAZINTH.
Der Graf von Bardenrode hat –
BARONESSE.
Nichts garantirt – nichts, nichts, Herr Graf! –
HYAZINTH.
Wenn Sie mich nur zu Worte kommen ließen. – Ich kapire Sie wahrlich nicht, ma chère!
BARONESSE.

Hüten Sie sich, daß ich mich bei den höchsten Reichsgerichten nicht verständlich mache – daß ich den Druck des Volkes – das Elend dieser armen Unterthanen dort nicht verständlich mache.

HYAZINTH
erschrocken.
Mon Dieu!
BARONESSE.

Daß ich nicht auf die Seite des Volkes, des Agnaten trete, Herr Vetter! – Hüten Sie sich davor! – daß ich Herrn Greif – die Kreatur von heute – dort nicht entlarve.

HYAZINTH.
Greif? – Er, der so tendre Bande – zwischen mir und Ihnen –
[257]
BARONESSE.
Zerrissen –
HYAZINTH.
Gestiftet –
BARONESSE.
Zerrissen – zerrissen hat! – muß fort, und sein Diplom kassirt –
HYAZINTH.
Mein Himmel! – Sie alteriren mich –
BARONESSE
in höchster Extase.

Graf, Graf! – Wenn Sie auf Ruhe, jetzt und künftig – hie und dort – auf mich – mein Geld, und meine Liebe – auf Trost in Ihrer letzten Stunde Anspruch machen – so unterzeichnen Sie den Verhaftsbefehl, den ich im Nothfall gegen Greif gebrauchen will. – Nicht einen Augenblick Verzug!

HYAZINTH.
Verhaft, ma chère? – Wie? – Verhaft?
BARONESSE.

Wo nicht, so zieh' ich fort mit meiner Tochter, und trete auf die Seite des Agnaten. – Herr Vetter! –

HYAZINTH
ängstlich.
Eh bien! –
BARONESSE
gibt ihm das Papier.
HYAZINTH
unterschreibt.
BARONESSE.

Dann haben der Herr Bruder den Willner zum Rath in Dero Diensten – doch ohne Sold ernannt. Einem Manne, der doch so wesentlich der Menschheit dient, nicht einmal Sold? – Das wäre ja, wenn die Unterthanen klagen, ein Dokument zu unserm Nachtheil! – Hier unterzeichnen Sie: vier hundert Gulden, und zwölf Malter Korn.

HYAZINTH.

Inseratur dem Patent, daß derselbige dafür gehalten sei, an Zeremonientafeln das Tischgebet auch zu verrichten. Er unterschreibt. Allein, nun bitte ich, mich anzuhören. –

BARONESSE.

Hernach – hernach! – Ich habe jetzt wichtige Geschäfte. – Bleiben Sie mir treu, und denken bei allem, was ich Ihnen rathe, daß in mir das Blut der Boga schlage.

[258]
HYAZINTH.

Madame! – zu dem Estime und der Verwandtschaft kommt heute noch eine sehr tendre liaison. Erhalten Sie mir Ihre Protection. Geht ab.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Baronesse. Figaro.

BARONESSE
geht an des Grafen Baptist's Thüre.
Herr Figaro! Herr Figaro!
FIGARO
kommt heraus.
BARONESSE.
Dank, Dank! – Sie hatten Recht; ich habe mir den Verhaftsbefehl ertrotzt.
FIGARO.
Darf ich ihn Bardenrode zeigen, damit er sehe, daß er von Ihnen etwas zu erwarten habe?
BARONESSE
gibt ihn Figaro.

Ganz wohl! ganz recht! – Noch eins! Die Garantie ist mir im Wege. Die Grafen glauben, meiner nicht länger zu bedürfen. – Sie lachen meiner Drohungen, da ich gesichert bin, und nun nicht klagen kann. Ich habe die Garantie geläugnet.

FIGARO.
Doch Bardenrode –
BARONESSE.
Muß läugnen, daß er sie gegeben habe.
FIGARO
eine Weile nachdenkend.
Das thut er nicht.
BARONESSE.
Wenn Sie ihn bitten?
FIGARO.

Sie kennen seine ängstliche Gewissenhaftigkeit. Das thut er nicht! – Pah! was läge auch daran? Die Grafen fürchten sich dennoch.

BARONESSE.

Nein, nein! – Und eben das macht Greif so kühn. Da – sagen Sie – ich dächte zu edel, in der Ueberraschung ihm etwas abzudringen, und geben Sie die Garantie für erst zurück. – Dann kann ich um so strenger die Grafen –

[259]
FIGARO.
Zurück! – Das ist gewagt.
BARONESSE.

Nicht im geringsten – wenn Sie mit Wortgepränge von Edelmuth die That im Preise und mich im Vortheil halten.

FIGARO.

O, wir werden sie im Preise halten, darauf verlassen Sie sich fest! – Noch eins! – Man muß auch gegen die Schwächsten nicht allzu sicher sein. Wer einmal lang gewohnte Herrschaft abgeworfen hat, versucht es öfter, und – ist's nicht Greif – so wird's ein anderer. Einer ergreift doch den Zügel wieder, Frau Baronesse. – Was ich vorschlagen will, wäre ein kühner, kühner Griff.

BARONESSE.
Wenn er nur heilsam ist.
FIGARO.
Wie? – wenn wir nun auf gute Art die Grafen mundtodt machten?
BARONESSE
lächelnd.
Noch mehr, als sie es schon sind? – Recht gern. – Doch wie?
FIGARO.
Wenn man sie disponiren könnte, der Regierung sich gänzlich – und auf immer zu begeben? –
BARONESSE.
Zu meinem Vortheil? – Das wäre ein Meisterstreich. – Allein ihr Stolz –
FIGARO.

Wer weiß! – Die Grafen sind im ersten Schrecken; ich mache den Antrag, daß Sie ganz und gar der lästigen Regierung sich begeben.

BARONESSE.
Figaro, der Gedanke ist groß! – Bekümmert. Doch Bardenrode? –
FIGARO.
Bardenrode? –
BARONESSE.
Da scheitert alles.
FIGARO.

Den können wir mit der Ehelosigkeit der Grafen – der Erbschaft – und – ist noch ein Funken Leidenschaft in ihm – mit Leopoldinen –

[260]
BARONESSE.
Figaro – wenn Sie das möglich machen –
FIGARO.
In einer halben Stunde muß sich's weisen: wir müssen durch Ueberrumpelung gewinnen.
BARONESSE.
Ja, eilen Sie, Figaro! – Ach –
FIGARO.

Wenn sich die Grafen dazu geneigt erweisen, so lasse ich sie es gleich unterschreiben. Zweimal husten, wenn wir beide zusammen kommen, im Fall wir nicht allein wären, ist das Zeichen, das alles geht wie es gehen soll. Dann eilen Sie mit der Bestätigung, ehe Greif, der mich verfolgt, es hintertreibt – und Bardenrode sich besinnt.

BARONESSE.

Reussirt die Sache – so wird Greif der Prozeß gemacht – sein Vermögen konfiscirt – und Ihnen übergeben. Jetzt will ich, den Pöbel zu gewinnen, meine Hausapotheke zum Gebrauch des Volkes dem Schulzen schicken, und ein paar Bettelkinder kleiden lassen. Geht ab.

FIGARO
allein.
Allons, mein Freund! Behendigkeit und Glück, jetzt spielst du großes Spiel!
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Graf Christoph. Geheimerath Greif. Figaro.

GREIF.

Herr Figaro, der Herr Graf fordern – und mit Recht – daß Sie gut machen, was Sie verdorben haben; eben wollten Sie die Baronesse anreden – allein Dieselben ertheilten kein Gehör.

CHRISTOPH.
Ma foi! – wenn sie auf ihrem Kapital besteht, so speisen wir eitel Brot.
FIGARO.
Wenn's schlimm geht, so ist es wahrlich Ihre Schuld, Herr Graf.
CHRISTOPH.

Que Diable?Meine Schuld? – Ich sollte sie recht anfahren, sagten Sie; Sie wollten sie vorbereiten.

[261]
FIGARO.
Nun ja!
CHRISTOPH.
Nun ja! – Das hab' ich ja gethan! – Allein –
FIGARO.

Darum! – Ah, Sie haben mich nicht verstanden. Ich meinte – recht – hm! – wie nenne ich es? – Sanftartig an – an – hm! – Herr Baron, an –

GREIF
verdrießlich.
Anliegen – vielleicht?
FIGARO.
Anliegen, anliegen, ja! – Voilà le terme!
CHRISTOPH
erschrocken, faltet die Hände.
Sie sagten mir – anfahren –
FIGARO.
Anfahren – an – anliegen; ist das nicht einerlei?
CHRISTOPH
ärgerlich.
Que Diable?
GREIF
boshaft.

Sie können sich's nunmehr für alle Zeiten merken. – Nun! Zum Grafen Christoph. Ich warnte Sie ja gleich.

CHRISTOPH
nach kurzem Besinnen.
Herr von Greifhart, lassen Sie uns einen Augenblick allein.
GREIF
geht zum Grafen Hyazinth.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Graf Christoph. Figaro.

CHRISTOPH
stolz.
Herr Figaro, ich pardonire das Versehen.
FIGARO
mit Achtung.
Sehr gnädig! – Vielleicht mach' ich es in der Folge wieder gut.
CHRISTOPH.
Sehen Sie, ich bin doch ein Herr, der Land und Leute hat – und – so einer muß nie nachgeben.
FIGARO.
Auch thät' ich's nicht!
CHRISTOPH.

Nicht wahr? – Hm! – wüßte ich nur –[262] Die Baronesse hat einen hohen Geist! das müssen ihr ihre Feinde lassen. – Einen großen, noblen, altadelichen Geist!

FIGARO.
Das sieht man gleich.
CHRISTOPH.

Ja ja! – denn par exemple – spricht ein König – oder so etwas – mit einer andern Dame mehr als mit ihr, so fällt sie hin in Konvulsionen.Warm. Dabei ist sie doch wieder – wie sage ich's – daß sie um einen Heller das Schloß umwenden könnte. – Und denn doch auch wieder fein – und hoch ehrgeizig – und kurz, es ist eine große Dame! Mit Stolz kann man sie überwinden, und blenden – und groß machen, und wieder klein.

FIGARO.
In der That – so lernte ich sie auch kennen.
CHRISTOPH.
Darum – wüßte ich nur eine vornehme Charge, oder – so – so einen Orden zu bekommen!
FIGARO
erstaunt.
Charge? – Orden? – Ist nicht der Name Ihres Hauses der höchste Rang?
CHRISTOPH.

Verstehen Sie mich. – Wir unter uns – wir estimiren uns niemals nach dem, was wir an uns selber sind, sondern nach dem Rang, den wir bei Hofe haben. Wenn ich nun so was hätte – dann gäbe sie eher nach.

FIGARO.
Den Orden – zum Exempel – verschafft Ihnen der Graf von Bardenrode.
CHRISTOPH.
Ja – gutherzig ist er.
FIGARO.
Ständen Sie von der Heirath ab – er gäbe Ihnen noch eine ansehnliche Pension dazu.
CHRISTOPH.

Entre nous! ich kann die junge Baronesse gar nicht leiden. Für einen Grafen ist's auch etwas despektirlich, mit einer Baronesse sich zu vermählen.

FIGARO.
So scheint es wohl.
CHRISTOPH.
Und dann – habe ich es hier mit unserer [263] Justine – zwar eine Bäuerin – aber doch unsere Unterthanin.
FIGARO.

Ei – ich an Ihrer Stelle – mein Leben zu genießen – würde mir von Bardenrode jährlich – ich will sagen – zwei tausend Thaler geben lassen, und entsagte dann der Heirath und der Regierung.

CHRISTOPH.
Zwei tausend? – Das ist viel! – Ja,mon cher Figaro, wenn Sie mir das zu Stande brächten!
FIGARO.
Wenn Sie mir die Entsagung schriftlich geben, und Ihre Herren Brüder auch dazu bereden – ja.
CHRISTOPH.

Schriftlich und gedruckt. Die Baronesse gibt an barem Gelde jedem nur fünf hundert. – Allein, will Bardenrode sie bezahlen; so kann er in zwölf Jahren von der Grafschaft keine Revenüen ziehen.

FIGARO.

Freie Herrschaft – den Edelstein von Deutschlands Reichsverfassung – hat er – entfernt von jedem Schimmer – zum Wohlstand seiner Unterthanen angewendet; so ist er reich an innerer Kraft.

CHRISTOPH.
Ich will sogleich die Schrift –
FIGARO.
Allein die Herren Brüder –
CHRISTOPH.
Laissez-moi faire! – Also, den Orden und zwei tausend –
FIGARO.
Hat seine Richtigkeit. Doch welchen Orden eben der Herr Graf –
CHRISTOPH.

Gilt gleich! – Nur hätte ich gern ein Band von einigem Eclat. – Jetzt schreibe ich die Verzicht. – Mein liebster Figaro, ich bin von Ihrer Connoissance wahrhaft scharmirt. Er geht zum Grafen Baptist.

FIGARO
allein.

Kühnheit und Menschenkenntniß, bis dahin habt ihr mich trefflich unterstützt! O du – der größten [264] Thaten Schöpfer – Zufall, sei mir jetzt günstig! Jetzt schnell zu Bardenroden, daß er dies Projekt erfahre. Will gehen.

8. Auftritt
Achter Auftritt.
Graf Baptist. Figaro.

BAPTIST
spricht in der Thüre zurück.
Derselbe –Auf Figaro deutend. ist noch allhier – Er kommt. Mein Herr Bruder sagen mir so eben –
FIGARO
eifrig.
Sind Ihre Excellenz geneigt? –
BAPTIST.
Ich wünsche Sie näher zu vernehmen. Kommen Sie herein –
FIGARO.
Die Sache ist kürzlich die: Es ist –
BAPTIST
erblickt zerrissene Briefe auf der Erde.
Was ist das? Er hebt sie auf. An Ihre Erlaucht – die Frau –
FIGARO
nachlässig.
Notificationen, die der Herr Graf vorhin zerrissen – unnützes –
BAPTIST
hebt einige sorgenvoll auf.
Ei, da werden so viele Hochgeborne Herren gar mit Füßen getreten.
FIGARO
hebt auch einige auf.
Was sagen Hochdieselben zu der Proposition?
BAPTIST.
Erst müssen die Papiere von der Erde weg.
FIGARO.
Ich bin sehr eilig, Ihre Excellenz!
BAPTIST.
Erst die Papiere von der Erde weg.
FIGARO
hebt sie auf.
BAPTIST.

Um solcher Dinge willen waren bei uns Familien schon Jahrhunderte entzweit. – Ein Papier ist oft von höchster Wichtigkeit. –

FIGARO.
Ihr Entschluß! – Die Sache eilt –
[265]
BAPTIST.
Eilt? – Gleich! – Karolus Quintus der Kaiser, speiste einst mit dem Grafen –
FIGARO
will gehen.
Erlauben Sie mir nur einen Augenblick.
BAPTIST
faßt ihn am Knopfloch.
Zwar waren sie damals noch nicht Grafen –
FIGARO.
Es ist von höchster Wichtigkeit.
BAPTIST.
So kommen Sie. –

Er führt Figaro weg.
FIGARO
im Gehen.
Dürfte ich nur zuvor –
BAPTIST.

Diese hatten von Karolo Quintus dem Kaiser – Sie sind in der Thüre. die Verschreibung auf Papier, daß eine Summe Geldes –


Das letzte wird, da die Thüre zu ist, von innen noch gehört.
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Graf Hyazinth. Rath Greif.

HYAZINTH.

Ja, mein lieber Herr Geheimerath! – so hat uns niemalen noch etwas eingeleuchtet und unserm Herzen Ruhe, und auch Contentement gegeben, als der Rath, uns von der alten Baronesse los zu sagen. Heute hat sie mich dermaßen in Angst und Noth gejagt, daß ich wohl sagen mag – sie ist eine Espèce von Jesabel.

GREIF.

Ich rufe nun das Fräulein und den Grafen Bardenrode; deklariren Sie die Heirath rund heraus. – Sagen Sie der Baronesse dasselbe, und wenn sie die Tochter weigert, melden Sie, daß Sie sich anderwärts vermählen wollen. Sagen Sie, daß Sie zur Auseinandersetzung mit der Baronesse die Austräge der Nachbarschaft erbitten wollen. Auf[266] alle Fälle fahren wir dabei desto besser. Wird sie gewaltthätig – so gibt man ihr eine Ehrenwache, vor dem Aufruhr der Unterthanen sie zu schützen – läßt sie indessen nicht aus dem Zimmer, und gibt den Unterthanen Stoff, die Baronesse selber bei den Reichsgerichten anzuklagen.

HYAZINTH.

Fort bien! – Ich gehe lieber – lieber in den Krieg, als daß ich von der Dame mich länger maltretiren lassen sollte.

GREIF.
Die Lage will Extremität – und Festigkeit.Geht ab.
HYAZINTH.

Parbleu! ich bin wirklich entschlossen! – Allein – da fällt mir bei, die Baronesse hat von mir gegen den Geheimenrath Verhaftsbefehle. – Que Diable! – Hm! – so gleich wird sie ihn nicht gebrauchen. Geschieht es aber – läßt sie ihn arretiren; nun – so bin ich den Geheimenrath doch los. – Enfin, wenn ich mich heut zu Bette lege – plagt mich doch morgen einer minder – Sie oder er. – Ich muß doch meine Herren Brüder zuförderst von der Mariage unterrichten. Er klopft an des Grafen Baptist's Thüre.

10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Die drei Grafen. Figaro in der Thüre.

BAPTIST
kommt heraus.
Euer Liebden wollten uns die Visite machen?
HYAZINTH.
Herr Bruder, wir haben einen neuen Plan.
BAPTIST.
Ja ja, er ist recht gut.
CHRISTOPH
kommt dazu.
Haben Euer Liebden mit uns zu reden?
HYAZINTH.
Von wegen des neuen Plans.
[267]
CHRISTOPH.
Gefällt er Ihro Excellenz?
HYAZINTH.
Ich lebe dabei wieder auf.
CHRISTOPH.
Scharmant, scharmant! Wir verlieren alle drei eine große Last.
HYAZINTH.
Sehr amicable ist das gedacht.
CHRISTOPH.
Wir setzen da drinnen eben das Instrumentum auf. – Alle gleichen Vortheil.
HYAZINTH
wendet sich zum Grafen Baptist.
So sind Sie es zufrieden?
BAPTIST.
Von Herzen! – Ei ich gewinne ja offenbar.

Figaro der dies alles hörte, hat gleich die Akte geholt, und da der Graf Hyazinth mit dem Grafen Baptist spricht, von beiden ungesehen, sie dem Grafen Christoph gegeben, und leise mit ihm
gesprochen.
CHRISTOPH.
Also, Herr Bruder, es ist Ihr ernster Wille?
HYAZINTH.
Wir haben uns mit Gott dazu entschlossen – ja!
CHRISTOPH.

Scharmant! – Bravissimo! So habe ich nicht nöthig, Sie zu persuadiren. Setzen Sie Dero werthen Namen zu den unsrigen, hier auf das Dokument der brüderlichen Eintracht.

HYAZINTH.
Recht gern! Er unterschreibt das Dokument.
CHRISTOPH
nimmt das Dokument zurück.
HYAZINTH.
Ich dächte – wir embrassirten uns. Er umarmt den Grafen Christoph.
BAPTIST.
Nach den Unterschriften wichtiger Kontrakte und nach Zweikämpfen ist es üblich. Er küßt ihn dreimal.
HYAZINTH.
Ich bin sehr attendrirt von Ihrer Güte, daß Sie so brüderlich und einig der Ehre sich begeben.
[268]
CHRISTOPH.
Pah! Ein bischen früher oder später, das gilt gleich.
HYAZINTH.
Ja – nun will ich nicht mehr stören! –Adieu, mon cher!
CHRISTOPH
verbeugt sich und geht ab.
Adieu!
BAPTIST.
Sie werden diese Nacht recht ohne Sorgen schlafen. Geht ab.
HYAZINTH.
Das verleihe der Himmel! – Allons! – So bin ich denn nunmehr der wirkliche! wahrhafte Stammherr!
11. Auftritt
Eilfter Auftritt.
Graf Hyazinth. Graf Bardenrode. Leopoldine. Rath Greif.

BARDENRODE.

Sie haben mich verlangt? – O wüßten Sie wie mich das freut! Sei's – daß Ihr Herz dein meinigen sich anvertrauen will – sei's auch nur das Verlangen nach Unterhaltung; es freut mich innig, daß mein guter Onkel endlich mich bemerkt.

HYAZINTH.
Ihre Excellenz, Herr Graf!
LEOPOLDINE.

Und da Sie mich mit dem Grafen fordern, lieber Onkel, so setzen Sie mit Recht die nämlichen Gesinnungen für Sie bei mir voraus. Sie sieht einen nach dem andern an. Oder – dürfte ich mit einer ganz besondern Beziehung mir noch schmeicheln?

HYAZINTH
galant.
Sie dürfen, ma Nièce!
LEOPOLDINE
fliegt auf ihn zu, und umarmt ihn.
Onkel – bester, guter – lieber, lieber, lieber Onkel!
HYAZINTH
hält sie eine Weile in seinen Armen fest, sieht [269] gegen Himmel, und sagt feierlich.
Enfin, je suis heureux!
BARDENRODE.
Das könnten Sie längst schon sein.
HYAZINTH.

Besser spät als gar nicht. Feierlich. Ihre Excellenz belieben sich zu setzen – und Sie auch, ma Nièce! Man setzt sich. Wir haben alles wohl erwogen, was uns der Herr Graf gesagt. Das Elend unserer Unterthanen rührt uns so sehr – daß wir, dem abzuhelfen, fest entschlossen sind.

LEOPOLDINE.
Ach theurer, guter Onkel!
BARDENRODE.
Sie flechten sich einen Kranz, der immer grünen wird.
HYAZINTH.
Setzen sich der Herr Geheimerath doch auch.
GREIF
setzt sich.
HYAZINTH.
Ihre Excellenz; und Sie, ma Nièce – werden mir darin behilflich sein.
BARDENRODE.
Meine besten Kräfte biete ich willig zu Ihren Diensten auf.
HYAZINTH.
Unser Herr Bruder, Graf Christoph, sind von der Vermählung abgestanden –
BARDENRODE.
So höre ich.
HYAZINTH.

Nun treten wir in unsere Rechte wieder ein, und wollen zum Besten des Landes und der Unterthanen uns vermählen.

BARDENRODE
nach einer kleinen Pause, mit gutmüthiger Wahrheit.

Von Herzen, lieber Onkel, wünsche ich Ihnen eine Gattin, die, zu diesem edlen Zwecke mitzuwirken, Kopf und Seele hat.

HYAZINTH.

Das war sehr gut gesagt. Ich bin Ihnen von Herzen obligirt. Er steht auf und verbeugt sich gegen Leopoldinen. Wir wählen Sie zur Gattin, ma Nièce!

[270]
LEOPOLDINE
fährt rasch auf.
Mich?
BARDENRODE
eben so.
Leopoldinen?
GREIF
unterbricht die Gruppe des Erstaunens mit boshafter Lautheit.
Der Himmel wird dies Band beglücken!
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Vorige. Graf Christoph. Graf Baptist. Figaro.

CHRISTOPH
zu Bardenrode.
Herr Vetter, Sie haben brav an uns gehandelt.
BARDENRODE.
Wieso?
FIGARO
macht Zeichen.
BARDENRODE
bemerkt sie nicht.
BAPTIST.
Recht brav!
CHRISTOPH.
Wir alle drei befolgen diesen Plan.Zum Grafen Hyazinth. Nicht wahr, Herr Bruder?
HYAZINTH.
Ja, alle drei wünschen es, Gott Lob!
LEOPOLDINE
bei Seite.
Ich bin verloren.
BARDENRODE
leise.
Figaro!
FIGARO
leise und schnell.
O freuen Sie sich.
BARDENRODE.
Ist das Ihre Kunst?
FIGARO.
Ich konnte Ihnen unmöglich sagen –
BARDENRODE
läßt Figaro unwillig stehen.
Dahin führt Intrigue.
CHRISTOPH
stutzig.
Herr Vetter – Das Dokument vorzeigend. wir erwarten nur die Bestätigung.
GREIF
gespannt.
Bestätigung?
BAPTIST.
Ja, ja, Herr Vetter, die Bestätigung.
HYAZINTH
verneigt sich.
Sie wird mir gleichfalls schätzbar sein.
[271]
BARDENRODE.
Ich habe hier nichts zu sagen, und will hier nichts bestätigen.
FIGARO
ängstlich.
Herr Graf!
CHRISTOPH
erschrocken.
Que Diable!
GREIF.
Im Grunde ist das einerlei.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt.
Vorige. Baronesse.

BARONESSE.
Die Herren Grafen haben mich durch Ihren Geheimenrath sehr peremptorisch herbescheiden lassen –
HYAZINTH.
Es betrifft den neuen Plan, dem alle dreie –
FIGARO
hustet zweimal.
BARONESSE.
Ich bin davon vor Ihnen unterrichtet worden.
GREIF.
Ist das möglich?
FIGARO
leise zur Baronesse.
Eilen Sie zur Unterschrift.
HYAZINTH.
Lassen sich's denn die Frau Baronesse gefallen?
BARONESSE.
Zum Besten dieses Hauses muß ich die Last wohl auf mich nehmen.
HYAZINTH
küßt ihr die Hand.
Sehr gnädig!
CHRISTOPH.
Wahrhaftig!
BAPTIST.
Wahrhaftig!
LEOPOLDINE.
O liebe Mutter, denken Sie, daß ich das Opfer –
BARONESSE.
Das werde ich zu verhüten wissen. Geh' auf dein Zimmer.
LEOPOLDINE
geht ab.
[272]
BARDENRODE.
Ich dächte, gnädige Frau – es wäre doch hart.
FIGARO.
Eilen Sie, ehe Bardenrode wieder spricht.
BARONESSE.
Wo ist das Dokument?
GREIF.
Dokument? – Die Sache ist doch wohl –
BARONESSE
hämisch.
Wie sie sein soll.
FIGARO.
Bis auf Ihren Beifall. Von nun an spricht er leise mit Bardenrode.
CHRISTOPH.
Hier ist es. Er gibt es ihr. Allein, nun macht der Graf von Bardenrode Schwierigkeiten.
BARONESSE
mit freundlichem Blick auf Bardenrode.

Die ich zu heben wissen werde. Sie unterschreibt. Mit der Feder in der Hand wendet sie sich zu Bardenrode. Herr Vetter, Sie werden mich raisonabel finden.

GREIF
beobachtet sie genau.
FIGARO
nimmt indessen das Dokument.
GREIF.
Gnädige Frau!
FIGARO UND BARDENRODE
gehen indessen ab.
GREIF.
Ich frage aus wichtigen Gründen noch einmal, was ist das für ein Dokument?
BARONESSE.
Mein Herr, es ist – Sie wendet sich nach dem Tische. Wo ist es denn?
CHRISTOPH.
Das Papier? hat Figaro – Wo ist er?
BAPTIST.
Und der Graf von Bardenrode?
HYAZINTH.
Wo sind sie geblieben?
BARONESSE.

Die Sache ist in guten Händen. Auf alle Fälle erzeigen mir der Herr Geheimerath vielleicht die Gnade, die beiden zu uns zurück zu berufen.

GREIF.
Ich verliere die Herren in der That ungern aus dem Gesichte. Geht ab.
14. Auftritt
[273] Vierzehnter Auftritt.
Die drei Grafen. Baronesse.

HYAZINTH.
Dürfte ich mir zum Gedächtniß – die Feder doch ausbitten, womit wir unterschrieben haben?
CHRISTOPH
überreicht sie ihm.
HYAZINTH
besieht sie ängstlich.

Ach, sie ist sehr tief gespalten. Er legt sie in sein Taschenbuch. Das ist nicht von guter Vorbedeutung.

BARONESSE.
Ich hoffe, Ihre Excellenzen sind mit mir zufrieden.
HYAZINTH
küßt ihr die Hand.
Touchirt – man kann nicht mehr.
BARONESSE.

Das Attaschement, was Sie mir äußern, konsolirt mich für manche Seelenleiden. Nun sehen Sie, wenn ich den Weg nicht eingeschlagen wäre, wie hätten Sie die großen Kapitale zurück bezahlen wollen, die Sie von mir empfingen?

HYAZINTH.
Ja wohl, Sie verlangen also nun gar nichts mehr?
BARONESSE.
Was sagen Sie?
HYAZINTH.
Sie schenken die ganze Forderung?
BARONESSE.
Schenken? – Ich sage, daß Sie die Kapitale nunmehr leichter zurück bezahlen können.
HYAZINTH
erstaunt.
So wollen Sie Ihre Kapitale doch noch wieder haben?
BARONESSE.
Ei das versteht sich!
CHRISTOPH.
Ganz natürlich! – nur nicht von uns.
BARONESSE.
Nicht von Ihnen?
HYAZINTH.
Ich zahle keinen Heller.
[274] CHRISTOPH.
Und wir noch weniger.
BAPTIST.
Und wir noch weniger.
HYAZINTH.
Sie haben sich so eben zu mütterlicher Pflicht verbunden.
BARONESSE.
Mütterlicher Pflicht? – Weil Sie sich der Regierung nun begeben –
HYAZINTH.
Der Regierung? – Ich weiß nicht, was Sie wollen, beste Baronesse!
BARONESSE.
Wie? – Nachdem ich –
HYAZINTH.
Mon Dieu! Am Ende bekomm' ich wohl nicht einmal bares Geld von Ihnen?
CHRISTOPH.
Wollen Sie denn Geld von ihr?
HYAZINTH.
Ei freilich!
BARONESSE.
Sie wollen Geld von mir?
CHRISTOPH
zur Baronesse.
Ich verstehe nicht, was er will.
BAPTIST.
Euer Liebden sind vielleicht unpaß? –
HYAZINTH.
Bewahre! – Allein – man macht mich so konfus –
BARONESSE.
In wie fern erwarten Sie denn Geld von mir?
HYAZINTH.
Als Aussteuer!
BARONESSE
sieht den Grafen Christoph an.
Aussteuer?
CHRISTOPH
sieht den Grafen Baptist an.
Zur Aussteuer?
BAPTIST
sieht den Grafen Hyazinth an, und schüttelt den Kopf.
Hm! – Aussteuer!
HYAZINTH
lächelt.
Nun ja!
BARONESSE
nachdem sie ihn eine Weile angesehen hat, zu den andern.
Begreifen Sie, was er damit will?
CHRISTOPH
faßt ihn vertraulich an.
Was wollen Euer Liebden damit sagen?
HYAZINTH.
Ei – die – Heirathssteuer!
[275]
CHRISTOPH.
Ah so? – Sie meinen als Aeltester etwas voraus? – Das ist nicht! Alle drei gleich, das –
HYAZINTH.
Wie kann das sein? – Derjenige, der sich vermählt –
CHRISTOPH.
Ei – wir vermählen uns ja nicht.
HYAZINTH.
Das weiß ich wohl.
CHRISTOPH.
Endlich haben's Euer Liebden doch begriffen! – Wir legen die Regierung nieder.
HYAZINTH
erstaunt.
So? – Sie legen die Regierung nieder?
CHRISTOPH.
Wir, und –
HYAZINTH.
Desto besser!
CHRISTOPH.
Wie desto besser?
HYAZINTH.
Da ich mich vermähle!
CHRISTOPH.
Verstehen Sie mich! Im Eifer. Wir wollen uns nicht vermählen.
HYAZINTH
heftig.
Versteh' es wohl; ist mir recht lieb.
CHRISTOPH
heftiger.
Wir alle drei nicht: wir nicht, und Sie auch nicht.
HYAZINTH
erstaunt.
Ich auch nicht? – Ei – Euer Liebden haben's ja mit unterschrieben.
CHRISTOPH.
In meinem Leben nicht! Sie kamen zu uns –
BAPTIST.
Dem Plane beizutreten.
HYAZINTH.
Nun ja!
CHRISTOPH.
Nun ja!
BAPTIST.
Und haben ihn unterschrieben.
HYAZINTH.
Das habe ich.
CHRISTOPH
ruhig.
Eh bien! so sind wir einig.
BARONESSE.
Nicht recht! – Denn, wie ich merke, wollen Ihre Excellenz sich doch vermählen?
[276]
HYAZINTH
freundlich.
Ja freilich!
CHRISTOPH.
Que Diable!
BAPTIST.
Herr Bruder!
HYAZINTH.
Ei – die Frau Baronesse wissen's ja am besten.
BARONESSE.
Ich? – nicht eine Silbe.
HYAZINTH.
Haben Sie mir nicht die Fräulein Tochter zugesagt?
BARONESSE.
Wie? – Was höre ich? Sie wollen meine Tochter zur Gemahlin?
CHRISTOPH
nach einer Pause.
Herr Bruder – ich begreife nicht. –
HYAZINTHE.
Ei, die Frau Baronesse wußten's ja, eh' ich's wußte.
CHRISTOPH
fängt an zu lachen – dann die Baronesse – dann der Graf Baptist – zuletzt lachen alle drei.
HYAZINTH.
Euer Liebden erzürnen mich, daß ich den Geist aufgeben möchte.
BAPTIST.

Nun, so viel – fange ich denn doch jetzt an zu erblicken – und wenn ich's ausgesprochen habe – werden mir sowohl Euer Liebden, als auch die Frau Baronesse beipflichten. Wenn Ihre Excellenz – verstehen Sie mich – der ältere Herr Bruder –

BARONESSE.
Ja.
CHRISTOPH.
Ja, ja!
BAPTIST.

Wenn Sie mit der Nièce sich vermählen wollen – dann – ja – dann haben wir nicht alle drei Einen Plan.

CHRISTOPH.
Ma foi! – dann sind wir ganz verschieden.
[277]
HYAZINTH.
Was haben wir denn eigentlich wohl unterschrieben?
BARONESSE.

Es ist ein Elend, daß Sie niemals lesen, was Sie unterschreiben. – Daher denn auch so manches, das hier Kummer und auswärts Schande macht.

HYAZINTH.

Meines Wissens haben Sie dort – an jenem Tische unterschrieben, daß Sie die Fräulein Tochter mir zur Gemahlin geben wollen.

BARONESSE.
Bewahre! – ich gab mein Consentement, daß Sie die Regierung niederlegen.
HYAZINTH.
Sie? – meine Herren Brüder?
BARONESSE.
Ja, und –
HYAZINTH.

Nun – das habe ich also mit unterschrieben, und willige nochmals von Herzen ein. Legen Sie die Regierung nieder.

CHRISTOPH.
Ihre Excellenz beliebten zu unterschreiben, daß Sie gleichfalls die Regierung niederlegen wollten.
BARONESSE.
Ja.
HYAZINTH.
Ich? – die – Regierung niederlegen?
BARONESSE.
Ganz recht!
CHRISTOPH.
Mit der Heirath hat man Sie also betrogen?
HYAZINTH
hält sich den Kopf.
Man lasse mich nur besinnen, wer mich eigentlich betrogen.
15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt.
Vorige. Figaro und Stock treten ein und bleiben hinten stehen.

HYAZINTH
stämmt die Hände in die Seite.
Comment? wir wären also keine Landesherren mehr?
[278]
CHRISTOPH.
O ja, die Landesväter agiren wir per Tertium.
FIGARO
tritt vor.
Und so bleibt alles in landüblicher Weise.
HYAZINTH.
Die Schrift, Herr Figaro!
CHRISTOPH.
Wo wir uns unterzeichnet.
BARONESSE.
Die Schrift.
FIGARO
mit einer Pantomime zur Baronesse.
Ist in sehr guten Händen.
CHRISTOPH.
Wir sind hier alle in Verwirrung –
FIGARO.

Das Werk des Herrn Geheimenraths, der, damit er im Trüben fischen könnte, dem Hause noch eine größere bereiten wollte.

BARONESSE.
Erklären Sie sich deutlicher.
FIGARO.

Der Herr Geheimerath bedeutete so eben dem Herrn Grafen Bardenrode: Mit den drei alten Herren sei jedes Spiel verloren – die Baronesse wäre doch wieder oben d'rauf. Wenn es der Herr Graf genehmige, so könne man, unter dem Vorwand einer Ehrenwache gegen die Aufrührer, die Baronesse gleich arretiren.

BARONESSE
vor Wuth bebend.
Arretiren – Mich? Arretiren?
FIGARO.
Hier, dieser alte Mann war Zeuge.
STOCK.

An der Ecke der Treppe hab' ich's in meine Ohren hinein gehört – Er hatte schon eine Art Bestellung –

BARONESSE
wüthend.
Die Schande – ist – mein Tod! Sie setzt sich entkräftet.
STOCK.

Das Volk war auch gleich willig zu einer Ehrenwache; allein der Herr Graf von Bardenrode hat sie tüchtig abgekappt.

[279]
FIGARO.

Er wolle Ihre Gnaden vor den höchsten Reichsgerichten so vieler und arger Illegalitäten zeihen, sagte der Geheimerath –

BARONESSE.
Der Mensch muß hängen.
FIGARO.
Arretiren habe ich ihn auf die Vollmacht lassen, die ich von Ihro Gnaden hatte.
BARONESSE.
Er hat die Souverainität des Hauses Boga angegriffen – er muß hängen.
STOCK.
Ehe er – unmaßgeblich – viel sprechen kann.
BARONESSE
zu Figaro.
Wo ist der Graf von Bardenrode?
FIGARO.
Im Garten.
BARONESSE.

Kommen Sie, Figaro! – Ich brauche das Papier; der Mensch muß hängen, oder ich kann nicht ruhig sterben. Geht ab.

FIGARO
zu den drei Grafen.
Bardenrode ist gleich hier. Nutzen Sie den Augenblick. Geht ab.
STOCK.
Ei, ei, unser Herr Geheimerath an Galgen!
HYAZINTH
zu den Brüdern.
Die Baronesse wird sich's schwerlich refüsiren lassen.
STOCK.
Hm! wenn's halbweg ein schöner Tag ist – so gibt das einen starken Auszug. Geht ab.
16. Auftritt
Sechzehnter Auftritt.
Die drei Grafen.

HYAZINTH.
Also – wir haben alle drei dasselbe unterschrieben?
BAPTIST.
Ja freilich!
HYAZINTH.
Auf Einem Blatte?
[280]
CHRISTOPH.
Richtig! – daß wir die Regierung niederlegen.
HYAZINTH.
Niederlegen! – Nun fragt sich's nur, ob wir das auch wohl sollten?
CHRISTOPH.
Ja so?
BAPTIST.
Ob's schicklich wäre?
HYAZINTH.
Ist scharf zu ponderiren.
BAPTIST.
Es macht so viel Molestien –
CHRISTOPH.
Kann nichts eintragen, weil nichts mehr vorhanden ist –
HYAZINTH.

Und wird einem – von Gemeindevorstehern, Journalisten, Reisenden, und der Nachkommenschaft – so immer das Gewissen damit gehetzt – daß nicht viel mehr dabei heraus kommt. – Die jüngern Regenten heben alles auf – Leibeigenschaft, die Wildbahn, und den Dienstverkauf – so daß man daneben aussieht – wie gar kein Landesvater.

CHRISTOPH.
So geben wir's denn auf.
HYAZINTH.
Eh bien! – jedoch sub Conditione, daß alles unter unserm Namen und Wapen gehe.
BAPTIST.
Und daß ein jeder dennoch einen Zug von Sechsen erhalte.
CHRISTOPH.
Und zwei Laufer mit Steifröcken.
HYAZINTH.
Wem geben wir's denn ab?
CHRISTOPH.
Dem Grafen Bardenrode. – Die Baronesse scheint's aber nicht zu glauben.
HYAZINTH.
So ist der Narr im Spiele.
BAPTIST.
Von Rechts wegen!
17. Auftritt
[281] Siebzehnter Auftritt.
Die drei Grafen. Graf Bardenrode.

BARDENRODE.

Lieber Onkel – verließ ich Sie vorhin in übler Laune, so war's, weil ich nicht recht von allem unterrichtet war.

HYAZINTH.
Herr Vetter!
BARDENRODE.

Was ich hier suche, und was ich besitzen muß – das ist Leopoldine – sonst nichts. – Was auch Wahrscheinlichkeit und meiner Freunde übereilter Eifer anscheinen lassen – sonst nichts. Ich gebe darauf mein Ehrenwort. Ist Ihnen das vollgiltig?

BAPTIST.
Sie sind ein unbescholtener, perfekter Kavalier.
BARDENRODE.

Leopoldine war bisher der Ball, womit hier die Intrigue nach ihrem Willen spielte. – So drang man Ihnen eine Gattin auf – die Sie nicht liebten. – Dem Bande widerspreche ich hiermit feierlich durch älteres Recht. Gibt aber eine andere Ehe Ihnen, dem Lande und dem Hause den Trost, deß Sie bedürfen, so zählen Sie auf mich.

HYAZINTH.
Welch' eine noble Sinnesart!
BARDENRODE.

Mein Freund, Figaro, rieth mir, das Klomplot, das gegen mich und die Menschheit in diesem Schlosse wüthet, in Scherzen zu ergründen und in Laune aufzureiben. – Gefühl des Wohlanständigen regte sich hie und da immer dagegen. – Uebermacht, Nothwendigkeit und Liebe bestimmten mich, den Faden in seiner Hand zu lassen. – Es ist geschehen; und so lernte ich ein Gewebe von Tücken, den Jammer der Unterthanen, den Mißbrauch Ihrer Schwächen kennen – die mir oft Thränen kosteten.

HYAZINTH
will reden.
[282]
BARDENRODE.

Lassen Sie mich vollenden. – Durch Figaro's gutmüthigen Leichtsinn kam ein Papier in meine Hände, darin Sie mir die Regierung bei Ihrem Leben übertragen; es ist von Ihnen unterschrieben.

CHRISTOPH.
Und hat völlig in allem seine Richtigkeit.
BARDENRODE.

Dies Papier – ist Ihnen abgedrungen – abgelistet – und ich erwähne dessen nur, um Ihnen zu beweisen, wie gefährlich Ihre Lage ist; es steht bei Ihnen, ob ich es zernichten –

CHRISTOPH
rasch.
Bei Leibe nicht!
BARDENRODE.
Oder Ihnen überlassen soll.
HYAZINTH.
Herr Vetter – unsere Lage – ist wahrlich traurig.
BARDENRODE.
Das fühle ich mächtig.
HYAZINTH.

Und um so trauriger, da wir gegen die nächsten Anverwandten uns allerdings nicht so ganz des Guten versehen dürfen. – Die Baronesse –

BARDENRODE.
Ich bitte – den Schleier über alles, was daher rührt.
HYAZINTH.

Man ist denn wahrlich übel daran. – In der schönen Jugend galoppirt ein jeder mit uns – und sagt, daß alles nur um unsertwillen gleichsam erschaffen sei, so daß man's am Ende wirklich glaubt – bis daß das graue Alter uns hinüber reißt. – Sieht man es nun auch anders – dann läßt die Etikette nicht zu, daß man es ändert. – Vielfältig trompirt von Bürgern – die um Geld die Seligkeit changiren, traut man gar keinem, und sakrificirt so alles. Keine Ressource – so zu sagen in sich – von außen keine Hand, die Hilfe bietet – so spielt man durch's Leben, wie [283] durch jede andere Partie – gut oder schlecht – gleichviel – bis daß man uns die Lichter auslöscht!

BARDENRODE.

Und Menschen – Menschenfreuden – und Menschenleiden werden in diesen Regentenspielen so schrecklich hingewürgt! In einer Stunde – wo wir mitten aus schöner Saat und mancher reichen Ernte zur Vollendung übergehen konnten – haftet der letzte Blick auf Trümmern – Wüsteneien – wo Waisen, deren Rechte und Freuden man niederschwelgte, auf unsern letzten Seufzer harren!

HYAZINTH.

Herr Vetter! – Er faßt ihn an. Ist's denn so bei uns? – Nein, nein, so arg ist es denn doch nicht. – Zwar war ich lange nicht im Lande. – Ich kenne es so nicht recht –

CHRISTOPH.
Und wir – wir haben denn alles auf Ihro Excellenz beruhen lassen.
HYAZINTH.

Wenn's so wäre! – Ich habe oft so Bänglichkeiten, eben wegen der allerletzten Stunde. Ecoutez! – Was wir auch mögen unterschrieben haben, es bleibt dabei.

CHRISTOPH.
Gewiß! – Ich will von der Regierung nichts mehr wissen.
BAPTIST.
Ich habe mir schon lange nichts mehr daraus gemacht.
BARDENRODE.

Wegen der Verschreibung – Er zerreißt sie. – sein Sie unbesorgt. – Aber – nehmen Sie mich an als Ihren Referendar. Die Unterthanen sind von Ihrer Herzensgüte – so wie von meinem guten Willen überzeugt. Das Vertrauen wird wieder kommen – die Prozesse nehmen ab – des Landes innerer Wohlstand wird sich mehren; so sind Sie in den Stand gesetzt, sehr vieles von dem zu thun, was Ihnen [284] Ihr Herz eingibt. Wenn Sie das wollen, will ich gleich die Baronesse bezahlen.

HYAZINTH
umarmt ihn, und weint fast.
Mit mehr Tendresse kann ein Kind nicht handeln.
BARDENRODE.

Alles geschieht unter Ihrer Unterschrift und Ihrem Namen. Dies Schloß, nach dem bisher der Landmann aus der Ferne mit Zittern herüber sah, soll den Leidenden mit Muth erfüllen. In diesem Schlosse, weiß er, sind die Kräfte, die er dem Vater des Landes anvertraut hat; dieser Vater gibt sie mit weisem Haushalt – doch er vorenthält sie nie. – Dabei ist alles Ihr Verdienst; – ich habe nur das, treu zu berichten.

HYAZINTH.
Ja, hätte Greif das gethan!
BARDENRODE.

Greif ist ein Spitzbube. – Die Orakelsprüche der Geister, die er verkleidet, untergruben Ihre Ruhe, Ihr Vermögen, und das Glück der Unterthanen. Das Recht entscheide über ihn.

18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt.
Vorige. Leopoldine tritt hastig ein.

BARDENRODE.
Nur näher, wir sind einig.
LEOPOLDINE.
Und wenn du mir zu Liebe ein Opfer bringst – wird's meine Mutter mit dir werden?
BARDENRODE.
Figaro beichtet. – Wie nimmt sie sich?
LEOPOLDINE.

Sie verbirgt ihren Groll, da Figaro ihr sagte, daß auf die häufigen Bitten der Unterthanen Untersuchung der bisherigen Regierung hieher gesendet werden sollte – und daß Greif sehr gegen sie gesprochen. – Ach, was verlangst du? – Sie ist doch meine Mutter.

[285]
BARDENRODE.
Jede solche Aeußerung macht dich mir um so theurer.
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt.
Vorige. Figaro.

FIGARO
zum Grafen Bardenrode.
Sind Ihre Excellenzen Die drei Grafen meinend. unterrichtet?
BARDENRODE.
Von allem.
FIGARO
verbeugt sich tief gegen die drei Grafen.
Verzeihen mögen Sie mir dann, wenn Sie durch diesen Menschenfreund die ersten Freudenthränen weinen.
HYAZINTH
ernst.
De tout mon coeur.
FIGARO.

Die Frau Baronesse macht Frieden unter folgenden Bedingungen: Er liest.

»Zum Ersten, ist eine ewige Freundschaft unter beiden Parteien hiemit verabredet. Zum Zweiten, mag man von dem Mißverstande mit den Unterschriften denken wie man will; sagen soll man, die Frau Baronesse habe dies alles de bonne foi gethan. Drittens, besucht niemand der Hohen Kontrahenten das Haus der Gräfin Altenhain. Viertens, zahlt der Herr Graf von Bardenrode in sechs Monaten die sämmtlichen Schuldscheine der Herren Grafen gedachter Baronesse aus. Fünftens, vermehrt er ihr Witthum mit zweitausend Rthlr. Sechstens, macht er sich anheischig, die Frau Baronesse alle Winter auf drei Monate nach Paris zu führen. Siebentens, muß es gedachter Baronesse frei stehen, in hiesigem Gebiete ein französisches Dorf mit Rechten, Sitten und Gebräuchen dieser Nation anzulegen. Dagegen willigen Dieselben [286] ein, daß Erstens, die Fräulein Tochter Gräfin von Bardenrode werde, und –

BARDENRODE.
Gewährt, gewährt! Er umarmt sie. O meine Leopoldine!
LEOPOLDINE.
Mein Bardenrode!
BARDENRODE.

Die Tage des Kummers sind vorüber! Das beste Weib ist mein! – Gewährt! – Wo ist das Papier? Er setzt sich rasch, es zu unterschreiben; besinnt sich, und legt beschämt die Feder nieder, steht auf, und sagt zu den Onkeln. Verzeihung! – Der letzte Punkt – betrifft Sie, liebe Onkel! Er küßt des Grafen Hyazinth's Hand. Werden Sie das französische Dorf erlauben?

HYAZINTH
herzlich.
O lieber Vetter! – zu gut – zu gut! – Man preßt mir Thränen aus.
BARDENRODE.
Also?
ALLE DREI GRAFEN.
Ja, ja, ja!
BARDENRODE
unterschreibt, und gibt's Figaro.
FIGARO.

Sie haben mich nicht zu Ende lesen lassen.

»Und wollen, Zweitens, die Frau Baronesse in die Regierung der deutschen Lande sich nicht mehr mischen.«

CHRISTOPH.
Der Eine Punkt – ma foi! – verdient die andern.
FIGARO.

Was Greif betrifft – so mißrathe ich die Untersuchung. Man würde irgend jemand zu genau in sein Vergehen verwickelt finden. Muß er das bewußte Kapital zum besten des Schulfonds abliefern, so wird seine Strafe wohlthätig für die Menschheit.

BARDENRODE.
Sie haben Recht!
FIGARO.

Die Geschichte des Bonnet diplomatique habe ich der Frau Baronesse verschwiegen – so wie ich bitte, daß [287] man sie überhaupt verschweige. Denn obgleich die Pariser Schellen auf deutschen Köpfen bis zur Uebertäubung läuten, so wird man doch mit Indignation die Idee verwerfen – weil – diese Schellen noch nicht zu Paris geläutet haben. Ein schöner Mund spricht – mit Accent sogar – die schmutzigsten Benennungen französischer Moden – pourvû qu'elles soyent en vogue! – Sonst sind wir gute Freunde. Sie war gleichmüthig, wie ein Gesandter, der zufrieden ist, wenn er beim Friedensschluß den Gebrauch vom Wapen des verlornen Landes und die rechte Hand erhalten hat. – Wir gaben uns ein paar Ehrensalven boshaften Witzes und schieden à la françoise! – Nun erlauben Sie, mein schönes Fräulein, Er küßt ihr die Hand. das Ende krönt das Werk! Er führt sie dem Grafen entgegen. Der fromme Wunsch des Mannes, der Gutes will, Hier legt er Bardenrode's Hand in die ihrige. und es vollbringt, bleibt niemals ohne gesegnete Erfüllung. Er reißt sich los, und geht schnell ab.

LEOPOLDINE.
Theuer hast du mich erkauft.
BARDENRODE.

Meinen Unterthanen zu Bardenrode eine Mutter – diesen Vätern eine Tochter! Er führt sie in ihre Umarmungen.

CHRISTOPH.
Hm! – wir wollen uns bestreben –
HYAZINTH.
Assûrément, ma fille!
BAPTIST.
Gewiß und wahrlich!
HYAZINTH.

Nun sagen Sie mir, Cousin, – Sie ließen vorhin so etwas fallen – von Geistern – was halten Sie wohl eigentlich so von Gespenstern?

BARDENRODE.

Die Maschine, womit Greif Sie bei dem abenteuerlichen Schimmer einer Lampe und übertäubenden Gerüchen täuschte, sollen Sie selbst untersuchen.

[288]
BAPTIST.
Also – wir – damit ich doch das noch frage – wir unterschreiben künftig immer mit?
BARDENRODE.
Ich werde die Geschäfte anders nicht übernehmen.
BAPTIST.
So lasse ich von der Pension auch tausend Reichsthaler fallen.
20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt.
Vorige. Baronesse.

BARONESSE
im Eintritt den Kontrakt lesend.
Mit gezwungener Laune. Ah ça – wir spielen heut Proverbes!
CHRISTOPH.
Hm! – wenn man auf dem Lande sich nur amusirt.
BARONESSE.
Leopoldine – Du bist Braut.
LEOPOLDINE
küßt ihre Hand.
Gnädige Mama!
BARDENRODE.
Dank – daß Sie – Er küßt ihr die Hand. den Namen Mutter mir erlauben.
BARONESSE
gibt ihm den Backen.

Herr Graf! –Elle est assez drôle! – Leopoldine, du wirst deinem Herrn mit der Konsideration stets zu begegnen wissen, die einem Kavalier von dem Talent und der Abkunft gebühret. – Das französische Dorf wird mich desennuyiren. – Mein Friseur, Brouillard, und dann die übrigen, die von der Nation noch hier sind, wollen es errichten. Der Postillon bläst ein rasches Lied. Was gibt's?

21. Auftritt
Einundzwanzigster Auftritt.
Vorige. Willner.

BARONESSE.
Wer kommt?
WIENER
traurig.
Figaro geht.
[289] BARDENRODE mit Theilnahme.
Geht? geht?
LEOPOLDINE.
Figaro?
HYAZINTH.
Sans avoir pris congé?
WILLNER.

Er gab mir dies an Ihre Excellenz von Bardenrode. Er hatte trübe Augen – und mir ist's nicht besser. O seine wohlthätige Gegenwart bleibt mir und unserer ganzen Gegend unvergeßlich.

BARDENRODE
liest.

»Daß jeder sich am Ende durch mich beglückter finde, war mein Zweck. – Er ist – im Wichtigsten – erreicht. Man wird den Fremdling nicht mit Strenge richten, der im Gewand des Scherzes einem ernsten Volke ernste Wahrheit anempfahl, und jetzt mit Rührung scheidet – Figaro.« Der Postillon bläst wieder.

WILLNER
als wollte er zu ihm.
Bewegt. Jetzt fährt er ab.
BARONESSE.

Er ist doch hie und da ziemlich maussade. – Im Ganzen – hege ich endlich den Soupçon, er sei wohl nicht der rechte Figaro? –

BARDENRODE
mit Bedeutung ihre Hand nehmend.
Und wenn er's nun nicht wäre? Wechselseitiges Erstaunen.

Der Vorhang fällt.

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TextGrid Repository (2012). Iffland, August Wilhelm. Dramen. Figaro in Deutschland. Figaro in Deutschland. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-89AA-7