Gestaltungen

Gretchen:

Du, du?
O diese Hand mit süßem Höllenfeuer!
[59]
Sieh mal, meine Seele,
Du hast sie geraubt,
Geraubt mein Beben deinem verlangenden Leibe
Mit mörderischem Kuß,
Du trauerndes Raubtier!
Hans,
Der Gürtler,
Mein Gespiele,
Wir Mädchen sind so streng,
Wenn wir umgangen werden
Von sehnend verehrender Scheu,
Betrachtend und treu
Und prüfen und prüfen.
Und wir warten kühl und kalt,
Als würden wir niemals welk und alt
Und warten, ob nicht einer kommt uns verführen.
Dann jubelt die Selige mit Zinken und Pauken
Und wirft sich stürmisch vergehend
An seine schwüle satanische Brust.
Herzhafte Buben, still emsige Mädchen,
Wie ein Ährenfeld blau mit Kornblumen-Augen,
So wär' es emporgewachsen um mich,
Hätte Mutter zu mir genommen
Und müder Arbeit
Erleichtert die Heimkehr.
Du hast mich aufgerissen,
Unerhört mich aufgerissen,
Offen stand ich im Staunen und Wunder,
Da du gekommen,
Da klopftest du an,
O dein verruchter, dein lieber Mund!
Da blutet mein Bruder,
Da schläft meine Mutter,
Da wimmert mein Kind.
[60]
Wer sogar die Leiber offen macht
Und guckt hinein,
Die Gott gerufen zu sich,
Was soll da heilig dem sein?
Was hast du nicht auch hineingeguckt
In meinen Bruder Valentin,
Wie dein Degen guckte hinein.
Da konntest du gleich auch noch sehen,
Was gegen dich er hatte und mich?
Was nicht in meine Mutter,
Die ich getötet durch dich
Und in dein Kind,
Dem du gestohlen den Vater?
Geh, der Rausch ist vorüber,
Die Tür ist zu,
Geh, laß mich, ich bete für dich.
Da ist nicht das stille, blöde,
Du hast mich zerstört,
So hast du kein Recht auf mein Leben.
Und doch hast du mir die große Liebe gegeben.
In Elend und Untat bin ich geworden.
Faust:

Teufel, du kannst mich nicht brauchen:
Zu hell sehen Sterne
Drohend und blutig
Nieder auf mich.
Ich muß sie waschen die Sterne
In meiner Seele
Jahrtausende lang.
Rein wollen sie werden,
Und ich habe besudelnd empört
Ihr zürnendes Leuchten.
[61]
Ich gehe sie waschen.
Kommt zu mir, ihr,
Henker der Himmel,
Tut mir die Liebe,
Bleibet bei mir,
Tötet mich nicht:
Zu kurz ist das Schwert, zu schnell ist das Rad.
Nein, bleibet bei mir,
Ob Völker greisen
Und Reiche lallen
Die letzten Seufzer.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hille, Peter. Gedichte. Blätter vom fünfzigjährigen Baum. Gestaltungen. Gestaltungen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6A16-F