[18] An's eigne Herz

Mein Herz, was schlägst du gleich so bange,
Wenn dir der Vater Trübsal schickt?
Sei ruhig, Herz, es währt nicht lange:
Bald endet Alles, was dich drückt.
Noch will in dir die Welt sich regen,
Die manches junge Herz bethört:
Die mußt du in ein Grabtuch legen,
Gesegnen all, was ihr gehört.
Bald lockt sie dich mit ihren Freuden,
Bald droht sie Leid und Kummer dir;
Sie will von deinem Gott dich scheiden,
Und stellt dir ihre Götzen für.
[19]
Du darfst dich nicht mit ihr vereinen;
Laß ihre vollen Rosen stehn,
Und siehe, wie die Lilien scheinen,
Und höre, wie die Palmen wehn.
So sei, mein Herz, o sei zufrieden
Mit Allem, was der Herr dir giebt,
Und denke, von der Welt geschieden,
Gott prüfet dich, weil Er dich liebt.
Ja, Vater! ich will still ergeben
Mit meiner Bürde weiter gehn,
Die Hände fromm zu Dir erheben
Und nicht auf diese Erde sehn.

Berlin, 1815.


Notes
Entstanden 1815.
License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Hensel, Luise. An's eigne Herz. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-54EB-D