[215] [217]4.

Des Morgens sprach ich, Reue fühlend:
»Ich will das Loos befragen.«
Da kömmt der Lenz, der Reuebrecher:
Was soll ich nun wohl sagen?
Ein Wort, ein wahres, will ich sprechen:
»Ich kann's nicht länger sehen
Dass, während die Genossen trinken,
Ich müssig sollte stehen.«
Ihr mögt mich als erkrankt im Hirne
Zur Zeit der Tulpen heilen,
Wollt' ich, dem Lustgelag' entsagend,
In einer Ecke weilen.
Ich will auf einen Thron von Rosen
Den Götzenfürsten heben,
Und Hyacinthen und Jasmine
Um Hals und Arm ihm weben.
Weil mir des Wunsches Rose blühte
In dem Gesicht des Freundes,
Verweise ich auf Kieselsteine
Den Schädel meines Feindes.
Zwar bin ich nur ein Schenkenbettler,
Doch wenn ich mich betrinke,
Trotz' ich dem Himmel, und die Sterne
Gehorchen meinem Winke.
Ich, der ich mich nicht eines Bissens
Gewohnt bin zu enthalten,
Ich sollte gegen Weingeniesser
Die Tadelsucht entfalten?
Auf's Wohl des König's nehm' ich, lächelnd
Wie Knospen in der Fülle,
Den Becher, und im Sehnsuchtsschmerze
Zerreiss' ich meine Hülle;
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Und wenn des Freund's Rubinenlippe
Mir einen Kuss gegeben,
Wird meine Jugend wiederkehren,
Und doppelt werd' ich leben.
Es will, nur heimlich Wein zu trinken
Hafisen nicht behagen:
Bei Barbiton- und Flöten-Klängen
Will ich es offen sagen.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. 4.. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2E85-D