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Macht mich auch des Herzens Feuer
Einem Weinfass ähnlich gähren,
Muss ich doch, verschloss'nen Mundes,
Schweigend mich mit Blute nähren.
Wer des Liebling's Lippe wünschet,
Trachtet nach dem eig'nen Leben:
Sieh, mit aller Kraft der Seele
Richtet sich darauf mein Streben!
Wird vom Grame frei zu werden
Meinem Herzen je gelingen,
Wenn der Götzen Locken-Inder
Stets mein Ohr versieht mit Ringen?
Mein Bekleiden mit der Kutte
Soll nicht Frömmigkeit bedeuten;
Hundert gar geheime Fehler
Berg' ich d'runter vor den Leuten.
Ich, der nur den reinsten Inhalt
Einer Humpe will geniessen,
Könnte eines Wirthes Worten
Freventlich mein Ohr verschliessen?
Eig'ner Tugend zu misstrauen? –
Gott soll mich davor bewahren!
Nur dass ich zuweilen trinke
Mögt ihr als gewiss erfahren.
An dem Tage der Vergeltung
Hoffe ich, dass Gottes Gnade,
Trotz der Feinde, meine Schulter
Nicht mit Sünden überlade.
Für zwei Körner gab mein Vater
Eden's Glück und seine Ruhe;
Ungerathen will ich heissen,
Wenn ich nicht um Ein's es thue.
Wenn auf diese Art der Sänger
Einfällt in den Ton der Minne,
Raubet mir das Lied Hafisen's
Bei dem Reigentanz die Sinne.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. 55.. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2DAF-A