[78] Beruhigung sein selbst und seines guten Freundes

Je schärfer Streit, je größer Lob.
Das Unglück scherzet ziemlich grob
Und dehnt uns stets die theuren Jahre.
Jedoch, mein Freund, ergieb dich drein;
Ist Tugend nicht verlegne Wahre,
Wird endlich unser Fleiß auch unser Joseph seyn.
Wo liebt ein Mensch sein eignes Weh?
Ich lieb es, daß ich's dir gesteh,
Und bin der Noth recht hoch verbunden:
Sie war der Anfang unsrer Treu,
Und daß ich dich, mein Freund, gefunden,
Das macht dein süßes Creuz, der Schickung Tyranney.
Las die betrübt und traurig seyn,
Die ohne Mitgenoßen schreyn
Und keinem als sich selber klagen.
Wir haben Wollust durch den Schmerz
Und können noch vom Glücke sagen,
Denn was der eine fühlt, das trägt des andern Herz.
Wir klagen thöricht über Noth;
Denn wird uns unser täglich Brodt
Gleich schwer und kärglich zugemeßen,
Man wird doch endlich immer satt,
Und wenn uns auch die Sorgen preßen,
Kommt oft doch auch ein Tag, der Trost und Lindrung hat.
Las hören, was dich gar so kränckt.
Daß niemand Gutes von uns denckt?
Wer ist der Niemand? Grobe Leute.
Das ist uns warlich schlechte Schmach;
Sie sehn uns auf der lincken Seite
Und sinnen weiter nichts als auf auf die Kleider nach.
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Wir sind so gut als vogelfrey
Und müßen vor der Heucheley
In dem und jenem Winckel stecken;
Die Vorsicht nimmt uns doch in Acht
Und läst uns keinen Fluch erschröcken,
Der jenes reiche Volck im Marmor furchtsam macht.
Wir tragen unsre Schäze mit,
Die Weißheit folgt uns Schritt vor Schritt;
Komm, las uns in die Wüsten reisen.
Bist du, getreuer Freund, dabey,
So will ich in der That beweisen,
Daß auch ein Hirtenhaus mein schönstes Leipzig sey.
Ist keine Stunde durch den Tag,
Da unser Kummer ruhen mag,
So sind die Nächte voll Vergnügen;
Wenn unser Feind im Traum erschrickt
Und Neid und Spötter schnarchen liegen,
Wird unsre Redligkeit durch Wißenschaft entzückt.
Wir brauchen Geld. Verlang es nicht;
Der Himmel weis, wie viel gebricht,
Er muß uns doch die Nothdurft geben;
Er muß, er kan, er wird's auch thun.
Du weist, daß Glück und Lust zum Leben
Mehr auf Zufriedenheit als Überfluß beruhn.
Das Absehn unsrer treuen Müh
Ist, daß sie Gott zu Ehren blüh
Und unserm Nechsten einmahl nüze.
Gelingt es nicht, getreuer Freund,
So sey dies unser Trost und Stüze:
Wir thun nach unsrer Kraft und haben's gut gemeint.
Es bleibt wohl auch nicht immer so;
Oft keimen Körner in dem Stroh
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Und Gräser aus dem dürren Sande.
Wo ist ein Bliz, der ewig glimmt?
Wer weis, in welchem guten Lande
Der Himmel einen Herd vor unser Heil bestimmt!
Sieh jeden Sturm, der kommen kan,
Vorher mit Großmuthsaugen an,
Und ist er da, so steh wie Mauren.
Ich zieh dich mit in viel Gefahr,
Doch hastu wenig zu bedauren,
Die Treue baut dir schon ein ewig Danckaltar.
Ich weis, wofern auch nur ein Blat
Von meiner Müh das Glücke hat,
Der Nachwelt Urtheil zu empfinden,
So wird noch mancher heimlich flehn:
Ach hätt ich doch nur das Verbinden
Der Brüder solcher Art mit Augen angesehn!
Ihr Seelen, deren Freundschaftsbund
Aus gleicher Lieb und Treu entstund
Und deren Nachruhm noch nicht schweiget,
Ich seh, wie euer kleines Chor
Schon längst am Ehrenhimmel steiget,
Und bitte: Zieht auch uns in euren Kreis empor!
Der Ehrgeiz treibt mich von Natur,
Auf großer Geister Weg und Spur
Ein weit Gedächtnüß zu erlangen.
Erhebt euch durch Verstand und Schwerd;
Ich will mit keinen Lorbeern prangen
Als die mir Lieb und Treu durch Schubarten gewährt.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Beruhigung. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2500-A