[Willkommen wiederum, gelehrter Mäcenat!]

[234] Auf die den 15. Aug. A. 1721. in Schlesien glücklich geschehene Wiederkunft des Herrn Ernst Rudolph von Nickisch und Roseneck


Je trouve dans cette maxime

Tous les preceptes reünis:

Tout ce que je sens, je l'exprime,

Ne sens-je plus rien, je finis.

Msr. de la Motte

Tome 3. od. 7.


Willkommen wiederum, gelehrter Mäcenat!
So schallt es am Parnaß, so ruft mein stummes Blat
Und alles, was mit mir den wahren Adel ehret
Und was von Leipzig her auch deinen Ruhm gehöret,
Von dort, von Leipzig aus, wo Kunst und Linden blühn
Und Wiz und Höfligkeit die Länder an sich ziehn
Und wo mein Geist vor dem bey allen Unglückspoßen
Nach Menckens kluger Hand nichts Freudigers genoßen,
Als wenn ich früh und spät, nachdem es etwan kam,
In deiner Gegenwart die deutsche Laute nahm,
Dein zärtliches Gehör und deßen Geist probierte
Und deßen Fähigkeit in jedem Urtheil spürte.
Da sah ich, wie dein Fleiß in frische Blüthen schlug
Und wie ein welscher Baum zugleich schon Früchte trug;
Da prophezeit ich gleich aus so viel schönen Sachen,
Es würde dein Verdienst sich zeitig kennbar machen.
Da wüntscht ich dir nur bald, das Vaterland zu sehn;
Jezt heist es höchst vergnügt: Gehoft, gewüntscht, geschehn!
Du kommst mit Ehren heim und wie die Schaar zurücke,
Die um die Frühlingszeit auf manchem Blumenstücke
Mit vieler Sorgfalt fliegt, sich da- und dorthin schlägt
Und denn den süßen Raub in ihre Zellen trägt.
Kein Kluger leugnet wohl: Den Degen hurtig führen,
In Spielen weiter sehn, den Fuß mit Wohlstand rühren
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Ist wie ein guter Wind und wohlgebautes Pferd
Des Adels Zier und Lust und aller Ehren werth.
Doch muß nicht nur allein der Hut die Feder tragen,
Die Hände sind so gut zum Schreiben als zum Schlagen,
Und ein durch Kunst und Müh geläuterter Verstand
Schmückt Edle von Geburth so wie die Frucht das Land,
Da gegentheils ein Kopf, der Spreu vor Grüze führet,
Den durch der Eltern Blut erhaltnen Kranz verlieret.
Wer auf sein altes Haus ohn eignes Vorrecht pocht,
Durch truncknen Müßiggang sein Vatertheil verkocht
Und, wenn das Dorf entlauft, (wer kennt nicht unsre Zeiten?)
Auf Krippen sich bemüht, den Bauren nachzureiten,
Ist dies ein Edelmann, heist dieses tapfer seyn?
O löscht die Wappen aus! Ha, wirft ein Klügling ein,
Der etwan in der Welt so weit herumgezogen,
Als unserm Bader nechst die graue Gans entflogen,
Was, spricht er, schiert mich wohl die Grillenfängerey,
Was nüzt der ganze Kram gelehrter Hudeley?
Es riecht so bürgerlich, um den Donat zu faßen,
Sich vom Orbilius das Leder wezen laßen.
Ich bleibe, wer ich bin. Denn zur Galanterie
Ist jezo schon genug das Mal di Napoli,
Zwo Dosen von Paries nebst einer Uhr aus London,
Damit gefall ich schon den Schwarzen wie den Blonden.
Es kennt ja jedermann die Moden neuer Welt,
Die Künste gehn nach Brodt, und hab ich nur mein Geld,
Den Raufer auch dabey zusamt dem lieben Adel,
So bin und heis ich groß und höre keinen Tadel.
Dies weis wohl Maximin, den, obgleich mit Verdruß,
Ein jeder, wer er ist, gebückt verehren muß.
Warum? Er lebt von sich, und ob er Leute plaget,
Ja, ob ihn das Fallit schon zweymahl weggejaget,
So sieht man doch, wie schön sein Mund, der trozig lacht,
Noch bey des Himmels Zorn sich gute Tage macht.
Darum, wer mich verdenckt, den soll der Hencker holen!
Ich bin ein Cavallier, hier liegen die Pistolen!
So schwazt der Juncker fort und macht sich thöricht groß.
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Kommts aber zu der That und steht er einmahl blos,
So zittert er vor Furcht und hat so viel Courage
Als jener gute Freund, den Herr, Knecht, Magd und Page
Aus Haus und Zimmer schlug; er blieb beym Nachbar stehn
Und sprach: Es thut mir nichts, ich wollte so gleich gehn.
Du siehst, gelehrter Nicksch, die Bilder deiner Ahnen,
Den ehrenvollen Rest der alten Ritterfahnen,
Die Zeichen ihres Ruhms, den Zunder deiner Kraft,
Und crönest sie nunmehr mit deiner Wißenschaft
Und zeigest, hätten sie dir gleich kein Schild gegeben,
So stünd es doch bey dir, sie in der Gruft zu heben.
Carl, dem des Höchsten Macht, die Thronen stürzt und baut,
Sein hohes Vateramt auf Erden anvertraut,
Carl, unser Held und Herr und Schuzgott deutscher Gränzen,
Muß, weil ein Stern noch brennt, am Fürstenhimmel glänzen.
Er kan das, was er will, und will doch nichts als Recht,
Und da er Unschuld hört so wie die Feinde schwächt,
So zweifelt man schon längst von seinen Heldenarmen,
Ob tapfrer in der Schlacht, ob stärcker im Erbarmen.
Bewirb dich, suchstu Lob, um deßen Gnadenschein
Durch Wercke treuer Pflicht, dies wird dein Nachruhm seyn,
Dies, sag ich, wenn du lehrst, daß Habspurgs Stamm und Gaben
Auch noch in Schlesien getreue Diener haben.
Du liebst den Zeitvertreib der rechten Poesie,
Du kennest ihren Zug und hast geringe Müh,
Den Lorbeer ihrer Hand nach Würden zu empfangen,
Nachdem des Bruders Geist schon glücklich vorgegangen.
O bleib den Musen hold und lis, was Caniz singt
Und was noch aus der Gruft von unserm Abschaz klingt!
Der Saz ist einmahl wahr, daß die den Phoebus haßen,
Die er nicht würdig schäzt, in Versen sehn zu laßen.
Erinnre dich dabey, so schlecht ich auch gelehrt,
Was eigentlich vor Schmuck in unsre Kunst gehört;
Nicht rauschend Flittergold noch schwülstige Gedancken,
Nicht Schlüße, die mit Gott und guten Sitten zancken,
Noch andres Puppenwerck, das schlechte Seelen fängt.
Vor diesem hab ich zwar auch mich damit gekränckt
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Und mancher Magdalis mit ausstudirten Grifen
Aus Amors Contrapunct ein Ständchen vorgepfifen.
Da drechselt ich mit Fleiß auf einer hohen Spur
Wort, Silben und Verstand auch wieder die Natur;
Denn wollt ich dazumahl ein schönes Kind beschreiben,
So lies ich ihren Mund mit Scharlachbeeren reiben.
Erhob ich einen Kerl zuweilen um das Geld,
So fing ich prächtig an: Orackel unsrer Welt!
Ich flocht, wie jezt noch viel, die Nahmen vor die Lieder
Und gieng oft um ein A. drey Stunden auf und nieder.
Auch schift ich oftermahl auf Dielen über Meer
Und holt ein Gleichnüßwort aus Misisippi her,
Bestahl den Lohenstein wie andre Schulmonarchen,
Und war kein Reim darauf, so flickt ich ihn von Parchen,
So schlimm das Wort auch klang; Marocco, Bengala,
Fez, Bantam, Mexico, Quinsay, Florida,
Die alle musten mir Baum, Steine, Thiere, Linsen
Und was nur kostbar lies in Dichterkasten zinsen.
Da klappte mir kein Vers, der nicht auf Stelzen gieng,
Und wenn ich ohngefehr ein Maul voll Götter fing,
So rast ich voller Lust und zog bey solchem Glücke
Auf zwey Quart Milius zwölf Groschen aus der Ficke.
Dies thät ich, als mein Wiz noch gar zu unreif hies
Und wie ein siedend Fett den Schaum voran verstieß.
Jezt lernt ich nach und nach mich und die Warheit kennen
Und lache, wenn mich viel noch einen Dichter nennen.
Doch du, gelehrter Nicksch, verstehst dies Werck vorhin,
Und da ich dir vorlängst zu tief verbunden bin,
Verschon ich dich auch hier mit viel verdientem Lobe;
Es hieße sonst vielleicht des Eigennuzes Probe.
Ich, deßen Geist und Muth in Niedrigkeit erstickt,
Will, wo ein beßrer Stern mich aus dem Staube rückt,
Das angebohrne Pfund, den schlechten Trieb zum Dichten,
Auch dir zur Danckbarkeit und nach der Weißheit richten
Und, weil mein Vaterland mir wohl kein Brodt mehr giebt,
Dort, wo manch Lindenblat die fahle Pleiße trübt,
Die Lieder meiner Kunst, so sehr sie Spötter tadeln,
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Die, sag ich, will ich noch durch dein Gedächtnüß adeln.
Davor begehr ich nur mit redlicher Gedult
Den ewigen Besiz von deiner Güt und Huld
Und wüntsche dir zulezt zur Wirthschaft auf dem Lande:
Die Kleine komme bald der Großen nach zum Stande!

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Lob- und Strafschriften. Jauer Frühling 1721 - Oberleipe Anfang Oktober 1721. [Willkommen wiederum, gelehrter Mäcenat!]. [Willkommen wiederum, gelehrter Mäcenat!]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-247A-4